4b O 97/15 – Herstellungsblech

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3291

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 9. Mai 2023, Az. 4b O 97/15

  1. I. Die Beklagte wird verurteilt,
  2. 1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,
  3. a) in der Bundesrepublik Deutschland Blech zur Herstellung von Teilen anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
    welches ein Substrat aus Stahl aufweist, von dem mindestens eine Oberfläche mit einer metallischen Beschichtung auf der Basis von Zink und einem Gehalt zwischen 0,2 und 0,7 Gew.-% Aluminium tauchbeschichtet ist, wobei der Rest der metallischen Beschichtung aus unvermeidbaren Verunreinigungen und ggf. einem oder mehreren aus Si, Sb, Pb, Ti, Ca, Mn, Sn, La, Ce, Cr, Zr oder Bi ausgewählten zusätzlichen Elementen besteht und der gewichtsbezogene Gehalt jedes zusätzlichen Elementes in der metallischen Beschichtung weniger als 0,3 % beträgt, wobei die äußere Oberfläche der Beschichtung eines durch Umformung des Blechs erhaltenen Teils eine Welligkeit Wa0,8 von kleiner oder gleich 0,43 μm, insbesondere 0,41 μm, insbesondere 0,37 μm, aufweist, wobei das Blech durch ein Verfahren herstellbar ist, welches mindestens folgende Schritte aufweist:
    – Bereitstellung des Substrats,
    – Aufbringung einer metallischen Beschichtung auf mindestens einer Oberfläche durch Eintauchen des Substrats in ein Bad zum Erhalt des Blechs,
    – Abstreifen der metallischen Beschichtung durch mindestens eine Düse, die durch mindestens einen Auslass ein Abstreifgas auf die metallische Beschichtung richtet, wobei das Blech vor der Düse vorbeiläuft und das Abstreifgas aus der Düse längs einer Hauptausstoßrichtung ausgestoßen wird,
    – Erstarren der metallischen Beschichtung,
    wobei in dem Verfahren mindestens eine der folgenden Gleichungen eingehalten wird:
  4. wobei:
    Z der Abstand zwischen dem Blech und der Düse längs der Hauptausstoßrichtung (E) ist und Z in mm ausgedrückt ist,
    d die mittlere Höhe des Auslasses der Düse längs der Laufrichtung (S) des Blechs vor der Düse ist und d in mm ausgedrückt ist,
    V die Laufgeschwindigkeit des Blechs vor der Düse ist und V in ms 1 ausgedrückt ist,
    P der Druck des Abstreifgases in der Düse ist und P in Nm-2 ausgedrückt ist, und
    fO2 der volumenbezogene Anteil von Sauerstoff in dem Abstreifgas ist,
    wobei die äußere Oberfläche der Beschichtung eine Welligkeit Wa0,8 vor eventuellem Skin-Pass-Vorgang aufweist, die kleiner oder gleich 0,55 μm ist;
  5. b) in der Bundesrepublik Deutschland Blech anzubieten oder zu liefern,
    geeignet für ein Teil, das durch Umformung eines Bleches nach dem zu vorstehend zu Ziffer I. 1. a) genannten Anspruch 1 erhalten ist, bei dem die äußere Oberfläche der metallischen Beschichtung eine Welligkeit Wa0,8 aufweist, die kleiner oder gleich 0,43 µm;
  6. c) in der Bundesrepublik Deutschland Blech anzubieten oder zu liefern,
    geeignet für ein Teil nach dem vorstehend zu Ziffer I. 1. b) genannten Anspruch 5, wobei die Karosserie eines motorangetriebenen Landfahrzeugs mit einer Karosserie dieses Teil aufweist;
  7. 2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 8. Februar 2015 begangen hat, und zwar unter Angabe
    a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der Einkaufspreise,
    b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer und der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
    c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
    d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
    e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
    wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und b) Rechnungen und für den Fall, dass keine Rechnungen vorhanden sind, Lieferscheine vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen,
    wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bunderepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
  8. 3. die vorstehend zu Ziffer I. 1. a) bezeichneten, seit dem 8. Februar 2015 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass das Gericht mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters DE 20 2014 XXX XXX erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und ihnen für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe verbindlich zugesagt wird.
  9. II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, welcher der A durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten seit dem 8. Februar 2015 bis zum 22. September 2015 begangenen Handlungen und welcher der Klägerin durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 23. September 2015 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  10. III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
  11. IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,00 EUR, wobei Teilsicherheiten für die Vollstreckung von
    – Tenor zu I. 1. und 3. in Höhe von 700.000,00 EUR,
    – Tenor zu I. 2. in Höhe von 200.000,00 EUR,
    – Tenor zu III. in Höhe von 110% des jeweils zu
    vollstreckenden Betrages
    festgesetzt werden.
  12. Tatbestand
  13. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verletzung des Gebrauchsmusters DE 20 2014 XXX XXX U1 (Anlage rop 1; nachfolgend: Klagegebrauchsmuster) auf Unterlassung, Auskunft, Rückruf aus den Vertriebswegen und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
  14. Das Klagegebrauchsmuster wurde am 10. Februar 2014 von der A mit Sitz in XXX, XXX, unter Inanspruchnahme einer französischen Priorität vom 6. März 2013 angemeldet. Die Bekanntmachung des Klagegebrauchsmusters im Patentblatt erfolgte am 8. Januar 2015. Seit dem 23. September 2015, veröffentlicht am 29. Oktober 2015, ist die „B“ als Inhaberin des Klagegebrauchsmusters im Register eingetragen.
  15. Auf den Löschungsantrag der Beklagten hatte das Deutsche Patent- und Markenamt mit Beschluss vom 26. Februar 2019 das Klagegebrauchsmuster zunächst gelöscht. Diesen Beschluss hob das Bundespatentgericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 15. Juni 2022 auf und löschte das Klagegebrauchsmuster nur teilweise (Anlage rop 18). Im Übrigen steht das Klagegebrauchsmuster in Kraft.
  16. Das Klagegebrauchsmuster betrifft ein Blech mit einer Zink-Aluminium-Beschichtung, ein entsprechendes Teil und ein Fahrzeug. Die von der Klägerin geltend gemachten Schutzansprüche 1, 5 und 11 lauten jeweils in der eingeschränkt aufrechterhaltenen Fassung wie folgt (vgl. Anlage rop 17):
  17. Anspruch 1:
    „Blech (1) zur Herstellung von Teilen, welches ein Substrat (3) aus Stahl aufweist, von dem mindestens eine Oberfläche (5) mit einer metallischen Beschichtung (7) auf der Basis von Zink und einem Gehalt zwischen 0,2 und 0,7 Gew.-% Aluminium tauchbeschichtet ist, wobei der Rest der metallischen Beschichtung (7) aus unvermeidbaren Verunreinigungen und ggf. einem oder mehreren aus Si, Sb, Pb, Ti, Ca, Mn, Sn, La, Ce, Cr, Zr oder Bi ausgewählten zusätzlichen Elementen besteht und der gewichtsbezogene Gehalt jedes zusätzlichen Elementes in der metallischen Beschichtung (7) weniger als 0,3 % beträgt, wobei die äußere Oberfläche (21) der Beschichtung (7) eines durch Umformung des Blechs erhaltenen Teils eine Welligkeit Wa0,8 von kleiner oder gleich 0,43 μm, insbesondere 0,41 μm, insbesondere 0,37 μm, aufweist;
    wobei das Blech durch ein Verfahren herstellbar ist, welches mindestens folgende Schritte aufweist:
    – Bereitstellung des Substrats (3),
    – Aufbringung einer metallischen Beschichtung (7) auf mindestens einer Oberfläche (5) durch Eintauchen des Substrats (3) in ein Bad zum Erhalt des Blechs (1),
    – Abstreifen der metallischen Beschichtung (7) durch mindestens eine Düse (17), die durch mindestens einen Auslass (25) ein Abstreifgas auf die metallische Beschichtung (7) richtet, wobei das Blech (1) vor der Düse vorbeiläuft und das Abstreifgas aus der Düse (17) längs einer Hauptausstoßrichtung (E) ausgestoßen wird,
    – Erstarren der metallischen Beschichtung (7),
    wobei in dem Verfahren mindestens eine der folgenden Gleichungen eingehalten wird:

    wobei:
    Z der Abstand zwischen dem Blech (1) und der Düse (17) längs der Hauptausstoßrichtung (E) ist und Z in mm ausgedrückt ist,
    d die mittlere Höhe des Auslasses (25) der Düse (17) längs der Laufrichtung (S) des Blechs (1) vor der Düse (17) ist und d in mm ausgedrückt ist,
    V die Laufgeschwindigkeit des Blechs (1) vor der Düse (17) ist und V in ms-1 ausgedrückt ist,
    P der Druck des Abstreifgases in der Düse (17) ist und P in Nm-2 ausgedrückt ist, und
    fO2 der volumenbezogene Anteil von Sauerstoff in dem Abstreifgas ist.
    wobei die äußere Oberfläche der Beschichtung (7) eine Welligkeit Wa0,8 vor eventuellem Skin-Pass-Vorgang aufweist, die kleiner oder gleich 0,55 μm ist.“

  18. Anspruch 5:
    „Teil, das durch Umformung eines Blechs nach einem der Ansprüche 1 bis 4 erhalten ist, bei dem die äußere Oberfläche der metallischen Beschichtung eine Welligkeit Wa0,8 aufweist, die kleiner oder gleich 0,43 μm ist.“
  19. Anspruch 11:
    „Motorangetriebenes Landfahrzeug mit einer Karosserie, wobei die Karosserie ein Teil nach einem der Ansprüche 5 bis 10 aufweist.“
  20. Wegen des Wortlauts des in Form eines „insbesondere wenn“-Antrags geltend gemachten Unteranspruchs 8 wird auf die Anlage rop 17 Bezug genommen.
  21. Mit Vereinbarung vom 8. September 2016 erklärte die A gegenüber der Klägerin die Abtretung aller Ansprüche aus einer Verletzung des Klagegebrauchsmusters (Anlage rop 7).
  22. Die Beklagte bewirbt und vertreibt unter anderem feuerverzinkte Stähle mit optimierter Oberfläche für den Karosseriebau unter der Bezeichnung „C“ (angegriffene Ausführungsform). Es handelt sich um gewalzte Bleche, die mit einer metallischen Beschichtung auf der Basis von Zink mit einem Anteil an Aluminium tauchbeschichtet sind. Unter dem Download-Link der Website „www.D.com“ können eine Broschüre mit dem Titel „XXX“ mit weiteren Erläuterungen der angegriffenen Ausführungsform (Anlage rop 3) und ein Datenblatt mit den technischen Daten der angegriffenen Ausführungsform (Anlage rop 4) heruntergeladen werden. Darin wird die Welligkeit Wa0,8 der angegriffenen Ausführungsform nach Umformung bei einer Zugbeanspruchung von 5% als Mittelwert des Welligkeitsprofils bei einem cut-off bei 0,8 und 10,0 mm mit kleiner oder gleich 0,40 μm angegeben. Zudem lieferte die Beklagte Proben der angegriffenen C-Stähle in die Bundesrepublik Deutschland, die von der Klägerin untersucht wurden. Der Anteil an Aluminium in der Beschichtung dieser Stähle wurde mit 0,5 Gew.-% bezogen auf die Beschichtung bestimmt. Die Welligkeit Wa0,8 betrug 0,39 µm (Winkel zur Walzrichtung 90°) bzw. 0,40 µm (Winkel zur Walzrichtung 45°). Nach einer äquibiaxialen Umformung von 3,5% bzw. 5% mit einem Marciniak-Werkzeug wurde eine im Mittel geringere bzw. die gleiche Welligkeit Wa0,8 des umgeformten Blechs von 0,38 µm bis 0,40 µm gemessen (Anlagen rop 9 und 10).
  23. Die Klägerin ist der Ansicht, bei dem eingeschränkt aufrechterhaltenen Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters handele es sich um einen product-by-process-Anspruch. Da es sich nach wie vor um einen Sachanspruch handele, bewirkten die Verfahrensmerkmale keine Beschränkung des Schutzumfangs. Das gelte auch für die Welligkeit Wa0,8 von maximal 0,55 μm vor eventuellem Skin-Pass-Vorgang. Diese Anforderung sei im Fall des Skin-Pass-Schrittes ein Verfahrensparameter und damit Teil des Verfahrens ohne eine den Schutzbereich limitierende Wirkung. Demnach falle auch ein durch ein abweichendes Verfahren hergestelltes Blech unter den Anspruch, solange die Welligkeit Wa0,8 eines durch Umformung des Blechs erhaltenen Teils kleiner oder gleich 0,43 μm sei. Vor allem komme es nicht darauf an, wie ein unfertiges Zwischenprodukt (= Blech vor Skin-Pass) während des Herstellungsprozesses einmal beschaffen gewesen sei, sondern dass das Endprodukt die geforderte Beschaffenheit (= Welligkeit nach Umformung) aufweise.
    Der Welligkeitsparameter Wa0,8 sei im Prioritätszeitpunkt des Klagegebrauchsmusters bekannt und gebräuchlich gewesen. Der Fachmann verstehe die Bezeichnung Wa0,8 als Bezugnahme auf den Standard SEPXXX (Anlage B4), der diesen Welligkeitsparameter und seine Bestimmung beschreibe. Es werde das Welligkeitsprofil im Grenzbereich zwischen 0,8 und 10 mm mit Hilfe einer polynomialen Regression fünfter Ordnung bestimmt. Aus dem Klagegebrauchsmuster ergebe sich nichts anderes.
    Die angegriffene Ausführungsform verwirkliche sämtliche Merkmale des eingeschränkt aufrechterhaltenen Schutzanspruchs 1. Dies hätten Untersuchungen und Analysen der angegriffenen Ausführungsform ergeben. Insbesondere komme es nicht darauf an, dass für die Herstellung des angegriffenen Blechs die im Schutzanspruch genannten Verfahrensmerkmale verwirklicht worden seien. Da das Blech einen Skin-Pass-Vorgang durchlaufen habe, komme es auch nicht darauf an, welche Welligkeit das Zwischenprodukt vor Skin-Pass gehabt habe. Unzweifelhaft habe die angegriffene Ausführungsform die vom Schutzanspruch geforderte Welligkeit nach Umformung.
    Die angegriffene Ausführungsform habe abgesehen davon vor dem Skin-Pass-Vorgang eine Welligkeit Wa0,8 von kleiner oder gleich 0,55 μm aufgewiesen. Dies könne die Klägerin zwar nicht messen, lasse sich aber aus den Umständen schließen. Wenn nämlich die Welligkeit nach der Umformung größer sei als die Welligkeit vor der Umformung, bedeute dies, dass der Skin-Pass-Vorgang die Welligkeit verringert habe, also die Welligkeit vor Skin-Pass höher gewesen sei als danach. Wenn aber die Welligkeit nach der Umformung die gleiche wie vor der Umformung oder gar niedriger sei, dann bedeute dies, dass der Skin-Pass-Vorgang die Welligkeit nicht verringert habe, also die Welligkeit vor Skin-Pass geringer oder gleich der Welligkeit nach Skin-Pass gewesen sei. Im Streitfall liege die zweite Fallgruppe vor, was sich aus der Werbebroschüre der Beklagten und Messungen der Klägerin ergebe. Die Umformung habe zu keiner messbaren Erhöhung der Welligkeit geführt. Dies lasse den sicheren Schluss zu, dass die Welligkeit der angegriffenen Bleche vor dem Skin-Pass-Vorgang kleiner oder gleich 0,55 μm gewesen seien. Andernfalls beantrage sie – die Klägerin – vorsorglich, der Beklagten die Vorlage eines C-Blechs im Zustand vor Skin-Pass zum Zwecke der Untersuchung durch einen Sachverständigen aufzugeben, hilfsweise die Begutachtung des Produktionsprozesses für ein solches Blech und eines währenddessen entnommenen Blechs durch einen Sachverständigen im Wege eines selbstständigen Beweisverfahrens.
    Alle Messungen der Welligkeit – sowohl vor als auch nach Umformung – seien von ihr im Übrigen in exaktem Einklang mit den Vorgaben des Standards SEPXXX (Anlage B4) mit Hilfe einer polynomialen Regression fünfter Ordnung durchgeführt worden.
  24. Die Klägerin beantragt,
  25. – wie erkannt –
  26. Die Beklagte beantragt,
  27. die Klage abzuweisen,
  28. hilfsweise ihr zu gestatten, die Vollstreckung eines etwaigen Unterlassungsanspruchs durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.
  29. Die Beklagte stellt die Aktivlegitimation der Klägerin in Abrede. Die im Register eingetragene Gesellschaft trage keine Rechtsformbezeichnung. Es handele sich nicht um die Klägerin. Diese sei nicht eingetragene Inhaberin des Klagegebrauchsmusters.
    Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, das Merkmal der Welligkeit vor eventuellem Skin-Pass-Vorgang stelle – auch wenn es sich bei den Schutzansprüchen um product-by-proces-Ansprüche handele – kein Verfahrensmerkmal dar, sondern ein echtes Erzeugnismerkmal. Es lege fest, auf welchen Zeitpunkt es für die Prüfung der Merkmale des Anspruchs ankomme. Werde kein Skin-Pass vorgenommen, sei das Blech zwischen den Schritten Beschichtung und Umformung maßgeblich. Komme es aber zum Skin-Pass, komme es auf die Welligkeit und damit auf das Erzeugnis vor diesem Schritt an. Auf den Zeitpunkt nach Skin-Pass komme es nicht an, weil das Blech dann die vom Schutzanspruch geforderte Eigenschaft bereits verloren habe. Ungeachtet dessen sei die Welligkeit vor Skin-Pass aus Sicht des Anspruchs eine Eigenschaft des Erzeugnisses.
    Schließlich sei der Welligkeitswert Wa0,8 im Klagegebrauchsmuster nicht eindeutig definiert. Das Schutzrecht selbst sei widersprüchlich, wenn es einerseits eine obere Wellenlängenschwelle von 10 mm nenne und andererseits für die Bestimmung des Welligkeitswertes eine Approximation durch ein Polynom des mindestens fünften Grades zulasse. Die Anwendung eines Polynoms fünften Grades führe aber zu einer oberen Grenzwellenlänge von deutlich über 10 mm, unterschiedliche Polynomgrade führten zudem zu unterschiedlichen Welligkeitswerten. Für die Bestimmung der Welligkeit verformter Teile sei der Parameter ohnehin ungeeignet. Der Welligkeitsparameter Wa0,8 und seine Bestimmung seien daher derart unklar, dass eine Subsumtion nicht ohne weiteres möglich sei.
    Gemäß dieser Auslegung werde das Klagegebrauchsmuster in der Bundesrepublik Deutschland schon nicht verletzt, weil nur Bleche nach Skin-Pass eingeführt und in den Verkehr gebracht worden seien. Allenfalls während der Produktion hätten die angegriffenen Bleche kurz den Zustand vor Skin-Pass, die Produktion finde aber nicht in der Bundesrepublik Deutschland statt.
    Abgesehen davon bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen, dass die angegriffene Ausführungsform vor Skin-Pass eine Welligkeit Wa0,8 von kleiner oder gleich 0,55 μm aufgewiesen habe. Der Klägerin sei die Welligkeit der Beschichtung der angegriffenen Ausführungsform vor Durchführung des Skin-Pass-Vorgangs nicht bekannt. Für die Entwicklung des Blechs habe die Welligkeit in diesem Verfahrenszeitpunkt keine Rolle gespielt, sondern die Substrateigenschaften vor der Beschichtung und die Welligkeit vor und nach der Formgebung – allerdings nach Skin-Pass. Auch die Abstreifparameter seien für die angegriffene Ausführungsform nicht optimiert worden, sondern von anderen Produkten mit deutlich höherer Welligkeit nach Umformung übernommen worden. Die Welligkeit vor Skin-Pass könne für die angegriffene Ausführungsform auch nicht mehr ermittelt werden, weil diese seit Juni 2022 nicht mehr hergestellt werde.
    Abgesehen davon vermute die Klägerin lediglich, dass die angegriffene Ausführungsform vor Skin-Pass eine Welligkeit Wa0,8 von kleiner oder gleich 0,55 μm aufgewiesen habe. Der von der Klägerin gezogene Schluss von der Welligkeit des angegriffenen Blechs nach Skin-Pass auf die Welligkeit des Blechs vor Skin-Pass sei jedoch technisch falsch und werde bestritten. Es gebe diesen linearen Zusammenhang zwischen den Welligkeiten vor der Beschichtung, vor und nach Skin-Pass und nach Umformung nicht. Die Welligkeit sei von zahlreichen Faktoren abhängig, vor allem von der chemischen Zusammensetzung des Substrats, dem Kaltwalzvorgang und den Parametern des Skin-Pass. Die Abstreifparameter im Rahmen der Beschichtung hätten hingegen keine Auswirkungen auf die Welligkeit.
    Was die weiteren Anträge der Klägerin angehe, könne die Beklagte entsprechenden Anordnungen nicht nachkommen, weil es keine C-Bleche mehr gebe, die (noch) keinem Skin-Pass unterzogen worden seien, und ihre Produktion eingestellt sei.
    Was die Bestimmung der Welligkeitswerte an Mustern der angegriffenen Ausführungsform durch die Klägerin angehe, sei unklar, welchen Polynomgrad die Klägerin angewendet habe. Weiterhin sei unklar, wie die Klägerin für ihre Messungen das Muster der angegriffenen Ausführungsform umgeformt und wo sie am umgeformten Teil gemessen habe.
  30. Entscheidungsgründe
  31. Die Klage ist zulässig und begründet.
  32. A
    Die Klage ist zulässig.
  33. Die Klägerin ist für den Antrag zu I. 1. prozessführungsbefugt.
  34. In Verfahren über die Verletzung eines Gebrauchsmusters setzt die Klagebefugnis – also die Befugnis, Ansprüche aus dem Gebrauchsmuster gerichtlich geltend zu machen – die Eintragung des Klägers als Inhaber des Schutzrechts im Gebrauchsmusterregister voraus. Das Gebrauchsmusterregister weist den Eingetragenen dem Patentamt und Dritten gegenüber aus und ermächtigt zur Geltendmachung der Rechte aus dem Schutzrecht (Benkard/Goebel/Hall/Nobbe, PatG 11. Aufl.: § 8 GebrMG Rn 17; vgl. zum Patentrecht: Benkard/Schäfers, PatG 11. Aufl.: § 30 Rn 8a, 17; BGH, GRUR 2013, 713 – Fräsverfahren).

    Die Klägerin ist im Register als Inhaberin des Klagegebrauchsmusters eingetragen. Bei der im Register genannten „B“ handelt es sich um die Klägerin. Das diesbezügliche Bestreiten der Beklagten ist unerheblich. Die Beklagte hat schon nicht dargelegt, dass es eine weitere gleichnamige Gesellschaft (mit ggf. anderer Rechtsform) mit Sitz in Luxemburg gibt, was Voraussetzung dafür wäre, dass überhaupt Zweifel an der Personenidentität der Klägerin mit der im Register genannten A entstehen könnten. Zwar ergibt sich aus dem in anderem Zusammenhang geleisteten Vortrag der Beklagten, dass auch eine A XXX existiert (vgl. Auszug aus dem luxemburgischen Handelsregister, Anlage B 6), bei der es sich um eine Tochtergesellschaft der Klägerin handelt. Während bei dieser aber der Zusatz „XXX“ Teil der Unternehmensbezeichnung ist, ist er im Patentregister von der Unternehmensbezeichnung „A“ durch ein Komma getrennt und gibt lediglich den Sitz des Unternehmens an; es handelt sich mithin nicht um namensgleiche Gesellschaften. Darüber hinaus hat die Klägerin mit der Anlage rop 6 das Schreiben vom 18. September 2015 an das Deutsche Patent- und Markenamt vorgelegt, mit dem ihre Patentanwälte unter Benennung der Rechtsform und der Anschrift der Klägerin die Umschreibung des Registers auf die Klägerin beantragten. Infolgedessen bezieht sich die Eintragung im Register zweifellos auf die Klägerin.

  35. B
    Die Klage ist begründet.
  36. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rückruf und Schadensersatz dem Grund nach aus §§ 24 Abs. 1 und 2, 24a Abs. 1, 24b GebrMG, §§ 242, 259 BGB. Das Klagegebrauchsmuster wird sowohl unmittelbar, als auch mittelbar verletzt.
  37. I.
    Die Klägerin ist Inhaberin des Klagegebrauchsmusters und damit anspruchsberechtigt. Die Übertragung des Klagegebrauchsmusters von der A auf die Klägerin ist zwischen den Parteien unstreitig. Gleiches gilt für die vor der Übertragung des Klagegebrauchsmusters entstandenen Ansprüche, deren Abtretung die A mit Vereinbarung vom 8. September 2016 gegenüber der Klägerin erklärte. Gegen die Wirksamkeit dieser Abtretung hat die Beklagte keine Einwände erhoben.
  38. II.
    Das Klagegebrauchsmuster betrifft ein Blech mit einer Zink-Aluminium-Beschichtung. Solche Bleche und die Verfahren zu ihrer Herstellung waren im Stand der Technik grundsätzlich bekannt.
  39. Demnach weist ein solches Blech ein Substrat aus Stahl auf, von dem mindestens eine Oberfläche mit einer Aluminium enthaltenden metallischen Beschichtung beschichtet ist, wobei der Rest der metallischen Beschichtung aus Zink, unvermeidbaren Verunreinigungen und gegebenenfalls einem oder mehreren Elementen ausgewählt aus Silizium, Antimon, Blei, Titan, Calcium, Mangan, Zinn, Lanthan, Cer, Chrom, Zirkonium oder Bismut mit einem Gewichtsanteil jedes zusätzlichen Elements in der metallischen Beschichtung von weniger als 0,3% besteht. Die metallische Beschichtung weist einen gewichtsbezogenen Anteil an Aluminium zwischen 0,2 und 0,7% auf.
  40. Das Verfahren zur Herstellung eines solchen Blechs umfasst laut Klagegebrauchsmuster folgende Schritte:
  41. Bereitstellung des Substrats; Aufbringung einer metallischen Beschichtung auf mindestens eine Oberfläche durch Eintauchen des Substrats in ein Bad zum Erhalt des Blechs; Abstreifen der metallischen Beschichtung durch mindestens eine Düse, die durch mindestens einen Auslass ein Abstreifgas auf die metallische Beschichtung richtet, wobei das Blech vor der Düse vorbeiläuft und das Abstreifgas aus der Düse gemäß einer Hauptstoßausrichtung ausgestoßen wird, und Erstarren der metallischen Beschichtung.
  42. Das derart hergestellte Blech wird sodann zugeschnitten und umgeformt, um die Teile herzustellen, die zur Bildung der Karosserie oder des Fahrzeugoberbaus für ein motorisiertes Landfahrzeug, z.B. ein Automobil, zusammengesetzt werden.
  43. Die Karosserie wird mit einem Lackierungsfilm oder -system beschichtet, der ein gutes Aussehen der Oberfläche sicherstellt und mit der auf der Basis von Zink bestehenden Beschichtung am Korrosionsschutz teilnimmt.
  44. Die im Stand der Technik solcherart hergestellten Bleche mit Beschichtungen auf Zinkbasis zeigen jedoch eine sogenannte Welligkeit ihrer äußeren Oberflächen. Diese ist nur durch erhebliche Lackierungsdicken kompensierbar. Anderenfalls – so das Klagegebrauchsmuster – wiesen die Karosserieteile ein unannehmbares Orangenhaut-Aussehen auf.
  45. Zur Welligkeit „W“ (im Englischen waviness) der äußeren Oberfläche einer Beschichtung führt das Klagegebrauchsmuster aus, es handele sich um eine sanfte, pseudoperiodische geometrische Unregelmäßigkeit von hinreichend großer Wellenlänge (0,8 bis 10 mm), die von der Rauheit „R“ unterschieden werde, welche den geometrischen Unregelmäßigkeiten von geringerer Wellenlänge entspreche. Das Klagegebrauchsmuster zieht das in Mikrometern [µm] ausgedrückte arithmetische Mittel „Wa“ des Welligkeitsprofils heran, um die Welligkeit der äußeren Oberfläche zu kennzeichnen. Die Welligkeitsmessungen würden bei einer Abschneideschwelle von 0,8 mm ausgeführt und als „Wa0,8“ bezeichnet. Nach dem Klagegebrauchsmuster könne eine Verringerung der Welligkeit eine Herabsetzung der Dicke des Lackierungsfilms ermöglichen, der zur Erlangung einer gegebenen Qualität des Aussehens der Lackierung verwendet wird, oder, bei konstanter Dicke des Lackierungsfilms, die Qualität des Aussehens der Lackierung verbessern.
  46. Daher stellt sich das Klagegebrauchsmuster die Aufgabe, ein Blech zur Verfügung zu stellen, welches ein Substrat aufweist, von dem mindestens eine Oberfläche mit einer metallischen Beschichtung auf der Basis von Zink und einem Gehalt zwischen 0,2 und 0,7 Gew.-% Aluminium tauchbeschichtet worden ist, wobei die äußere Oberfläche der metallischen Beschichtung eine verringerte Welligkeit Wa0,8 aufweist.
  47. Zur Lösung schlägt das Klagegebrauchsmuster ein Blech, ein aus dem Blech geformtes Teil und ein motorangetriebenes Landfahrzeug, dessen Karosserie dieses Teil aufweist, mit den Merkmalen der Schutzansprüche 1, 5 und 11 vor. Die Merkmale des Schutzanspruchs 1, auf den die beiden anderen Ansprüche rückbezogen sind, lassen sich wie folgt gliedern:
  48. 1. Blech (1) zur Herstellung von Teilen;
    2. das Blech weist ein Substrat (3) aus Stahl auf;
    3. von dem Substrat ist mindestens eine Oberfläche (5) mit einer metallischen Beschichtung (7) tauchbeschichtet;
    3.1 die metallische Beschichtung (7) ist eine solche auf der Basis von Zink und einem Gehalt zwischen 0,2 und 0,7 Gew.-% Aluminium,
    3.2 wobei der Rest der metallischen Beschichtung (7) aus unvermeidbaren Verunreinigungen und ggf. einem oder mehreren aus Si, Sb, Pb, Ti, Ca, Mn, Sn, La, Ce, Cr, Zr oder Bi ausgewählten zusätzlichen Elementen besteht und der gewichtsbezogene Gehalt jedes zusätzlichen Elementes in der metallischen Beschichtung (7) weniger als 0,3 % beträgt;
    4. die äußere Oberfläche (21) der Beschichtung (7) eines durch Umformung des Blechs erhaltenen Teils weist eine Welligkeit Wa0,8 von kleiner oder gleich 0,43 μm, insbesondere 0,41 μm, insbesondere 0,37 μm, auf;
    5. das Blech ist durch ein Verfahren herstellbar, welches mindestens folgende Schritte aufweist:
    5.1 Bereitstellung des Substrats (3),
    5.2 Aufbringung einer metallischen Beschichtung (7) auf mindestens einer Oberfläche (5) durch Eintauchen des Substrats (3) in ein Bad zum Erhalt des Blechs (1),
    5.3 Abstreifen der metallischen Beschichtung (7) durch mindestens eine Düse (17), die durch mindestens einen Auslass (25) ein Abstreifgas auf die metallische Beschichtung (7) richtet, wobei das Blech (1) vor der Düse vorbeiläuft und das Abstreifgas aus der Düse (17) längs einer Hauptausstoßrichtung (E) ausgestoßen wird,
    5.4 Erstarren der metallischen Beschichtung (7);
    6. in dem Verfahren wird mindestens eine der folgenden Gleichungen ein-gehalten:

    wobei:
    Z der Abstand zwischen dem Blech (1) und der Düse (17) längs der Hauptausstoßrichtung (E) ist und Z in mm ausgedrückt ist,
    d die mittlere Höhe des Auslasses (25) der Düse (17) längs der Laufrichtung (S) des Blechs (1) vor der Düse (17) ist und d in mm ausgedrückt ist,
    V die Laufgeschwindigkeit des Blechs (1) vor der Düse (17) ist und V in ms-1 ausgedrückt ist,
    P der Druck des Abstreifgases in der Düse (17) ist und P in Nm-2 aus-gedrückt ist, und
    fO2 der volumenbezogene Anteil von Sauerstoff in dem Abstreifgas ist;
    7. die äußere Oberfläche der Beschichtung (7) weist eine Welligkeit Wa0,8 vor eventuellem Skin-Pass-Vorgang auf, die kleiner oder gleich 0,55 μm ist.“

  49. III.
    Das Blech nach der Lehre des Schutzanspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters ist außer durch die Materialeigenschaften seiner Beschichtung gemäß Merkmalsgruppe 3 im Wesentlichen durch die Parameter der Düsenanordnung in einem Verfahren zur Beschichtung des Blechs (Merkmalsgruppen 5 und 6) und die Welligkeit Wa0,8 vor einem eventuellen Skin-Pass-Vorgang (Merkmal 7) und nach der Umformung zu einem Teil (Merkmal 4) gekennzeichnet. Dementsprechend erläutert die Gebrauchsmusterschrift die technische Lehre des Schutzanspruchs 1 dahingehend, dass die Einhaltung einer der Gleichungen A und B gemäß Merkmal 6 es ermöglichen, eine Welligkeit Wa0,8 vor einem etwaigen Skin-Pass zu erlangen, die kleiner oder gleich 0,55 μm ist (Abs. [0059]; Absätze ohne Fundstelle sind solche der Gebrauchsmusterschrift). Dies korrespondiert mit dem Merkmal 7. Weiter ermöglicht es die Steuerung der Welligkeit Wa0,8 vor eventuellem Skin-Pass und nach eventuellem Skin-Pass auf Werte von kleiner oder gleich 0,55 μm, die Welligkeit Wa0,8 nach Umformung des Blechs zu einem Teil auf Werte von kleiner oder gleich 0,43 μm zu steuern (Abs. [0078]). Dies korrespondiert mit dem Merkmal 4 des Schutzanspruchs 1.
  50. 1.
    Bei dem Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters handelt es sich um einen Erzeugnisanspruch in Form eines product-by-process-Anspruchs. Gegenstand des Anspruchs ist ein Blech bestehend aus einem Stahlsubstrat mit einer metallischen Beschichtung, aus dem mittels Umformung Teile – beispielsweis Karosserieteile für Automobile oder Haushaltsgeräte (Abs. [0071] und [0072]) – hergestellt werden können. Soweit der Verwendungszweck des herzustellenden Teils erfordert, dass das Blech einem Skin-Pass-Vorgang unterzogen wurde, bezieht sich der Schutzgegenstand des Anspruchs auf das Blech nach Skin-Pass.
  51. a)
    Dies ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Teil der Beschreibung. Demnach ist ein erfindungsgemäßes Blech insbesondere zur Herstellung von Karosserieteilen für ein Automobil bestimmt; es wird zugeschnitten und umgeformt, um die entsprechenden Teile herzustellen (Abs. [0002] und [0003]). Demzufolge kommt es auf den Zustand des Blechs nach Skin-Pass an. Denn ein Blech zur Herstellung von Karosserieteilen wird typischerweise einem Skin-Pass-Vorgang unterzogen (Abs. [0071]). Erst danach befindet es sich in dem Zustand, in dem es zugeschnitten und geformt werden kann und auf den sich der Schutz des Gebrauchsmusters bezieht.
  52. b)
    Der Skin-Pass-Vorgang ist – soweit er erforderlich ist – integraler Bestandteil der Herstellung von Blechen und schließt sich regelmäßig unmittelbar dem Beschichtungsvorgang an. Dementsprechend wird der Skin-Pass zusammen mit den Schritten Kaltwalzen (Abs. [0027] ff.), Rekristallisationsglühen (Abs. [0033] ff.) und Beschichten [0037] ff.) als Teil eines einheitlichen Verfahrens zur Herstellung erfindungsgemäßer Bleche dargestellt (Abs. [0025] und [0066] ff.). Demgegenüber liefe es auf eine künstliche Betrachtung hinaus, für den Schutzgegenstand des Gebrauchsmusters auf ein Blech in einem Zustand zwischen Beschichtung und Skin-Pass abzustellen.
  53. c)
    Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Schutzanspruch mit dem Merkmal 7 eine bestimmte Welligkeit Wa0,8 vor etwaigem Skin-Pass verlangt und auch in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters Welligkeitswerte für ein Blech nach der Beschichtung und vor Skin-Pass mitgeteilt werden (bspw. Abs. [0059] oder Abs. [0062]). Auch wenn es sich hierbei um ein räumlich-körperliches Merkmal handelt, ist es dahingehend auszulegen, dass es sich – ähnlich dem Merkmal 4, das eine bestimmte Welligkeit für das aus dem Blech geformte Teil verlangt – nicht unmittelbar auf das erfindungsgemäße Blech, sondern auf ein Zwischenprodukt bezieht und dadurch die Eigenschaften des erfindungsgemäßen Blechs mittelbar bedingt.
  54. d)
    Auch der Umstand, dass der Skin-Pass-Vorgang lediglich optional ist und für bestimmte Verwendungen erfindungsgemäßer Bleche nicht zwingend erforderlich ist, führt nicht dazu, dass Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nunmehr ein Blech in dem Zustand unmittelbar nach seiner Beschichtung und vor eventuellem Skin-Pass ist. Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 umfasst vielmehr zwei Alternativen, nämlich Bleche, die ohne vorherigen Skin-Pass zur Herstellung von Teilen bestimmt sind, und Bleche, die einem Skin-Pass-Vorgang unterzogen wurden, bevor aus ihnen Teile hergestellt werden. Genau dies kommt in dem Merkmal 7 zum Ausdruck, nämlich das Erfordernis einer bestimmten Welligkeit Wa0,8 nach dem Beschichtungsvorgang und vor etwaigem Skin-Pass. Bedarf es keines Skin-Pass – etwa zur Herstellung von Elektrohaushaltsgeräten – bleibt es bei der Welligkeit Wa0,8 von maximal 0,55 µm. Folgt ein Skin-Pass – etwa zur Herstellung von Karosserieteilen – darf die Welligkeit zuvor nicht mehr als 0,55 µm betragen haben, verändert sich aber infolge des Skin-Pass zwangsläufig und ist beim fertigen Blech eine andere. In allen Fällen ist das Endprodukt vor einer Umformung zu einem Teil geschützt. Andernfalls wäre einmal ein Zwischenprodukt – nämlich wenn ein Skin-Pass nachfolgt – und ein anderes Mal ein Endprodukt – wenn kein Skin-Pass benötigt wird – geschützt. Auch dies spricht gegen eine Auslegung, auf das Blech unmittelbar nach der Beschichtung abzustellen. Aus der Entscheidung des Bundespatentgerichts über die Aufrechterhaltung des nur noch beschränkt verteidigten Klagegebrauchsmusters im Löschungsverfahren ergibt sich – unabhängig von der Frage der Bindungswirkung dieser Entscheidung – nichts anderes.
  55. 2.
    Die Merkmalgruppen 5 und 6 beschreiben ein Verfahren zur Tauchbeschichtung des Substrats und legen bestimmte Parameter für den darin enthaltenen Abstreifvorgang fest. Infolgedessen handelt es sich bei dem Schutzanspruch 1 – wie bereits erwähnt – um einen product-by-process-Anspruch. Das erfindungsgemäße Blech ist außer durch die Materialzusammensetzung des Substrats und seiner Beschichtung und die Welligkeit der Beschichtung vor eventuellem Skin-Pass und nach der Umformung mittelbar auch durch das Verfahren zu seiner Beschichtung und die dabei einzuhaltenden Parameter gekennzeichnet.
  56. a)
    In einem solchen Fall ist durch Auslegung zu ermitteln, ob und inwieweit sich aus dem angegebenen Herstellungsweg durch diesen bedingte Merkmale des daraus erhaltenen Erzeugnisses ergeben, die das Erzeugnis als anspruchsgemäß qualifizieren (BGH, GRUR 2001, 1129 – Zipfelfreies Stahlband). Das Verfahren ist also nicht von vornherein bedeutungslos. Vielmehr gehören zu den Sachmerkmalen der hierdurch bezeichnete Gegenstand und seine erfindungsgemäßen körperlichen oder funktionalen Eigenschaften, die sich aus der Anwendung des Verfahrens bei seiner Herstellung ergeben. Welche das sind, ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln. Maßgebend ist dabei, wie der angesprochene Fachmann die Angaben zum Herstellungsweg versteht und welche Schlussfolgerungen er hieraus für die erfindungsgemäße Beschaffenheit der auf diesem Wege herstellbaren Sache zieht (BGH, GRUR 2001, 1129, 1133 – Zipfelfreies Stahlband).
  57. b)
    Es kann vor dem Hintergrund des Streits der Parteien dahinstehen, ob bereits das Verfahren der Tauchbeschichtung als solches (Merkmalsgruppe 5) den Gegenstand des Klagegebrauchsmusters beschränkt. Es ist nicht vorgetragen, dass es überhaupt alternative Beschichtungsverfahren gibt, und es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass mit der Tauchbeschichtung als solches mit Ausnahme der Beschichtung bestimmte Eigenschaften des Blechs verbunden sind, die die Einhaltung genau dieses Verfahrens erforderlich machen. Für die besonderen Anforderungen an die Durchführung des Verfahrens, wie sie in den Parametern für den Abstreifvorgang zum Ausdruck kommen (Merkmalsgruppe 6), ist jedoch festzustellen, dass diese keine schutzbereichsbeschränkende Wirkung haben. Für die Lehre des Klagegebrauchsmusters ist es unerheblich, ob die Parameter der Merkmalsgruppe 6 eingehalten werden, solange das Blech eine Welligkeit Wa0,8 von höchstens 0,55 µm vor etwaigem Skin-Pass (Merkmal 7) und von höchstens 0,43 µm nach Umformung (Merkmal 4) aufweist.
  58. aa)
    Für diese Auslegung spricht zunächst der Wortlaut des Schutzanspruchs 1, wonach das Blech durch ein Verfahren gemäß den Merkmalsgruppen 5 und 6 herstellbar sein soll. Der Begriff „herstellbar“ kann in Abgrenzung zur Wendung „hergestellt durch“ als Hinweis darauf verstanden werden, dass das Verfahren nach den Merkmalsgruppen 5 und 6 nur beispielhaft genannt ist und der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nicht nur auf solche Bleche beschränkt ist, die mit Hilfe genau eines solchen Verfahrens hergestellt wurden. Allerdings ist dieses Verständnis für sich genommen nicht ausreichend (vgl. Benkard/Scharen, PatG 11. Aufl.: § 14 Rn 46). Vielmehr ist mittels Auslegung im Einzelfall festzustellen, ob Gründe für ein beschränktes Schutzbegehren bestehen und deshalb mit der Wortwahl, mit der das Verfahren zur Kennzeichnung des Erzeugnisses erhoben worden ist, eine Aussage gemacht ist, dass patentgemäß nur dasjenige Erzeugnis ist, das mittels des Verfahrens hergestellt ist. Lässt sich das nicht feststellen, sollte der Grundsatz greifen, dass niemand sich grundlos beschränkt (Benkard/Scharen a.a.O.).
  59. bb)
    Die Parameter und Gleichungen der Merkmalsgruppe 6 haben auch deshalb keine den Gegenstand des Klagegebrauchsmusters beschränkende Wirkung, weil sie lediglich dazu dienen, nach der Beschichtung eine Welligkeit Wa08 von höchstens 0,55 µm vor etwaigem Skin-Pass und von höchstens 0,43 µm nach Umformung zu erzielen, diese Sacheigenschaften jedoch bereits Gegenstand der Merkmale 4 und 7 sind. Dem Klagegebrauchsmuster geht es lediglich darum, dieses Maß an Welligkeit zu erzielen, wobei es letztlich offen lässt, auf welchem Weg dies geschieht.
  60. (1)
    Aus der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters ergibt sich, dass die Parameter und Gleichungen der Merkmalsgruppe 6 die Welligkeit des Blechs bzw. der Beschichtung bedingen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der Merkmalsgruppe 6 andere Sacheigenschaften eines erfindungsgemäßen Blechs verbunden sind. In der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters wird ausgeführt, dass es die Parameter und Gleichungen der Merkmalsgruppe 6 ermöglichen, nach Erstarren der Beschichtung und vor etwaigem Skin-Pass eine Welligkeit Wa0,8 zu erlangen, die gleich oder kleiner als 0,55 μm ist (Abs. [0059] unter Rückbezug auf Abs. [0056] bis [0058]; vgl. auch Abs. [0064]). Weiter heißt es, die Steuerung der Welligkeit Wa0,8, vor eventuellem Skin-Pass und nach eventuellem Skin-Pass, auf Werte von kleiner oder gleich 0,55 μm ermöglicht es, die Welligkeit Wa0,8 nach Umformung auf Werte von kleiner oder gleich 0,43 μm zu steuern (Abs. [0078]). Bei den Welligkeitswerten vor etwaigem Skin-Pass und nach Umformung handelt es sich aber jedenfalls mittelbar auch um Sacheigenschaften des erfindungsgemäßen Blechs. Denn die Welligkeitsanforderungen an das Zwischenprodukt (vor etwaigen Skin-Pass) und des nach Umformung erstellten Teils bedingen die Welligkeit des erfindungsgemäßen Blechs. Diese kann keinen beliebigen Wert annehmen. Vor allem kann die Welligkeit des Blechs nicht beliebig hoch sein, weil dann auch das Maß der Welligkeit des umgeformten Blechs von 0,43 µm irgendwann überschritten wird und/oder bereits die Welligkeit des Blechs vor etwaigem Skin-Pass über 0,55 µm lag.
  61. (2)
    Die Merkmalsgruppe 6 stellt allerdings keine höheren Anforderungen an die Sacheigenschaften eines erfindungsgemäßen Blechs als die übrigen Merkmale des Schutzanspruchs. Denn die in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters mittels der Verfahrensparameter und Gleichungen gemäß Merkmalsgruppe 6 erzielbaren Welligkeiten von höchstens 0,55 µm vor etwaigem Skin-Pass und von höchstens 0,43 µm nach Umformung sind bereits Gegenstand der Merkmale 4 und 7 des Schutzanspruchs 1. Die Merkmalsgruppe 6 fügt dem Schutzanspruch 1 nichts hinzu, was nicht schon Gegenstand seiner übrigen räumlich-körperlichen Merkmale ist. Insoweit unterscheidet sich die Auslegung auch nicht von dem Verständnis des Bundespatentgerichts im Löschungsverfahren, wenn es ausführt, dass die in der Merkmalsgruppe 6 angegebenen Verfahrensparameter zu den gewünschten Welligkeiten gemäß Merkmal 7 führen. Die technischen bzw. stofflich-körperlichen Merkmale 6 und 7 seien jeweils als gleichwertig zu betrachten, um die erfindungsgemäße Welligkeit zu charakterisieren (Ziff. 6 des Beschlusses vom 15. Juni 2022).
  62. (3)
    Abgesehen davon, dass das Bundespatentgericht die Wirkungen der Parameter und Gleichungen der Merkmalsgruppe 6 auf die Welligkeit nach Umformung außeracht lässt, kann dem Bundespatentgericht auch nicht in seiner Auffassung gefolgt werden, die Verfahrensparameter und Gleichungen müssten als Mindestanforderungen eingehalten werden (Ziff. 6 des Beschlusses vom 15. Juni 2022), so dass, wenn ein Blech vor etwaigem Skin-Pass keine Welligkeit von kleiner oder gleich 0,55 µm aufweise, jedenfalls die Parameter und Gleichungen der Merkmalsgruppe 6 eingehalten sein müssten (vgl. Ziff. 7.3 des Beschlusses vom 15. Juni 2022) und umgekehrt. Dem Klagegebrauchsmuster geht es nicht um die Durchführung eines bestimmten Herstellungsverfahrens unter Einhaltung der Parameter und Gleichungen der Merkmalsgruppe 6. Denn die solchermaßen festgelegten Parameter ermöglichen nur die Erlangung einer Welligkeit Wa0,8, die kleiner oder gleich 0,55 µm sei (Abs. [0059]). Auch zum Merkmal 4 heißt es in der Beschreibung lediglich, die Steuerung der Welligkeit Wa0,8 vor eventuellem Skin-Pass auf Werte von kleiner oder gleich 0,55 µm ermöglicht es, die Welligkeit Wa0,8 nach Umformung auf Werte von kleiner oder gleich 0,43 µm zu steuern (Abs. [0078]). Tatsächlich nennt die Beschreibung des Klagegebrauchsmusters noch weitere Faktoren, die die Welligkeit der Beschichtung beeinflussen, wie etwa das Kaltwalzen (Abs. [0031] ff. und [0095] ff.) und den Skin-Pass-Vorgang (Abs. [0068] und [0101] ff.). Das Kaltwalzen und ein etwaiger Skin-Pass-Vorgang haben jedoch keinen Eingang in den Schutzanspruch 1 gefunden, noch weniger die dafür erforderlichen Parameter. Es kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass bei Einhaltung der Parameter und Gleichungen gemäß Merkmalsgruppe 6 immer und ausschließlich die erfindungsgemäßen Welligkeitswerte erzielt werden unabhängig davon, wie das Substrat geformt ist, das Kaltwalzen vollzogen wird und der Skin-Pass erfolgt. Dies deutet das Klagegebrauchsmuster für die nicht erfindungsgemäßen Gleichungen C und D sogar selbst an (vgl. Abs. [0094])
  63. (4)
    Letztlich geht es dem Klagegebrauchsmuster lediglich darum, ein Blech mit einer metallischen Beschichtung bereitzustellen, dessen äußere Oberfläche eine verringerte Welligkeit Wa0,8 aufweist (Abs. [0009]). Dies kommt in den Merkmalen 4 und 7 hinreichend zum Ausdruck. Wie diese gegenüber dem Stand der Technik verringerte Welligkeit erzielt wird, ist demgegenüber ohne Bedeutung. Das Klagegebrauchsmuster nennt verschiedene Faktoren, durch die im Zuge der Herstellung eines Blechs die im Schutzanspruch 1 genannten Welligkeiten erzielt werden können. Auch wenn der Schutzanspruch einen dieser Faktoren erwähnt, ist die Lehre des Klagegebrauchsmusters darauf aus den vorgenannten Gründen nicht beschränkt.
  64. cc)
    Eine andere Auslegung ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundespatentgerichts vom 15. Juni 2022, mit dem über den Löschungsantrag der Beklagten rechtskräftig entschieden wurde.
  65. (1)
    Im Patentrecht – und für das Gebrauchsmusterrecht gilt nichts anderes – ist es zwar allgemeine Meinung, dass, wenn einzelne Patentansprüche im Einspruchs-, Beschränkungs- oder Nichtigkeitsverfahren geändert worden sind, der neue Wortlaut des betreffenden Patentanspruchs die maßgebliche Grundlage für die Auslegung ist und die behördlichen oder gerichtlichen Entscheidungsgründe für die Beschränkung die den betreffenden Anspruch erläuternde Beschreibung ergänzen oder ersetzen (Benkard/Scharen, PatG 11. Aufl.: § 14 Rn 26 m.w.Nw.). Soweit der Patentinhaber aber das Patent im Nichtigkeitsverfahren nicht mehr verteidigt, führt dies ohne weitere Sachprüfung zur Nichtigkeit. Für diesen Teil der Nichtigkeitsentscheidung weisen die Gründe des Nichtigkeitsurteils dementsprechend keine Begründung auf, die zur Auslegung der Patentansprüche herangezogen werden könnte. Die die Abweisung der weitergehenden Nichtigkeitsklage behandelnden Gründe stehen der Beschreibung nicht gleich. Sie erläutern, warum das Patent Bestand und die Nichtigkeitsklage keinen Erfolg hat. Deshalb besteht grundsätzlich kein Bedürfnis dafür, sie an die Stelle der Beschreibung treten zu lassen (BGH, GRUR 2007, 778, 780 – Ziehmaschinenzugeinheit). Das gilt erst Recht, wenn die sich mit der Teilabweisung befassenden Entscheidungsgründe des Nichtigkeitsurteils den Sinngehalt eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs im Sinne einer Auslegung unter seinen Wortlaut einschränken. Denn dies erlaubt im Verletzungsprozess ebenso wenig eine einschränkende Auslegung dieses Patentanspruchs wie bei sich aus Beschreibung oder Zeichnungen des Patents ergebenden Beschränkungen (BGH, GRUR 2007, 778 – Ziehmaschinenzugeinheit).
  66. (2)
    So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat das Klagegebrauchsmuster im Löschungsverfahren zuletzt nur noch eingeschränkt verteidigt. Ihr Antrag ging dahin, den Löschungsantrag im Umfang der Anspruchsfassung gemäß Hilfsantrag 4+ zurückzuweisen. Das Bundespatentgericht hat mit dem Beschluss vom 15. Juni 2022 das Gebrauchsmuster unter Zurückweisung des Löschungsantrags im Übrigen gelöscht, soweit es über den Gegenstand der Schutzansprüche nach Hilfsantrag 4+ hinausgeht. Ausdrücklich hat es in den Entscheidungsgründen festgehalten, dass es sich bei dem Hilfsantrag 4+ um den maßgebenden Hauptantrag handele und das Klagegebrauchsmuster im darüber hinausgehenden Umfang wegen der wirksamen Teilrücknahme des Widerspruchs ohne weitere Sachprüfung zu löschen sei. Demzufolge beziehen sich sämtliche Ausführungen des Bundespatentgerichts in seinem Beschluss vom 15. Juni 2022 lediglich auf die Zurückweisung des über den Hilfsantrag 4+ hinausgehenden Löschungsantrags.
  67. (3)
    Letztlich können die Ausführungen des Bundespatentgerichts in dem Beschluss vom 15. Juni 2022 allenfalls als sachverständige Äußerung eines mit technisch kundigen Personen besetzten Spruchkörpers Beachtung finden (vgl. zur Einspruchsentscheidung im Patentrecht: BGH, GRUR 2010, 950 – Walzenformgebungsmaschine). Sie führen aus den eingangs genannten Gründen jedoch nicht zu einer abweichenden Auslegung des Klagegebrauchsmusters. Ungeachtet dessen steht die Auslegung der Kammer, soweit sie für die Streitentscheidung von Bedeutung ist, nicht im Widerspruch zur Auslegung des Bundespatentgerichts. Dieses sieht das Merkmal 7 und die Merkmalsgruppen 5 und 6 als gleichwertig an, so dass für eine neuheitsschädliche Vorwegnahme der schutzbeanspruchten Lehre entweder die Merkmalsgruppen 5 und 6 oder das Merkmal 7 offenbart sein mussten (Ziff. 6. und Ziff. 7.3 des Beschlusses vom 15. Juni 2022). Übertragen auf den Streitfall bedeutet dies, dass nach Auffassung des Bundespatentgerichts entweder die Merkmalsgruppen 5 und 6 oder das Merkmal 7 verwirklicht sein müssen, um einen Vorwurf der Gebrauchsmusterverletzung begründen zu können. Die Klägerin stützt den Verletzungsvorwurf aber gar nicht auf die Merkmalsgruppen 5 und 6, so dass es allenfalls auf das Merkmal 7 ankommt. Dieses räumlich-körperliche Merkmal muss ein erfindungsgemäßes Blech bei zutreffender Auslegung jedoch ohnehin aufweisen.
  68. dd)
    Schließlich ergibt sich eine andere Auslegung des Schutzanspruchs 1 auch nicht daraus, dass aus dem Vergleich mit dem ursprünglich eingetragenen und veröffentlichten Gebrauchsmuster die Einschränkung des Schutzanspruchs erkennbar ist (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.03.2009, I-2 U 76/06). Es ist schon nicht ersichtlich, welche abweichende Auslegung sich aus der Erkennbarkeit der Einschränkung ergeben sollte. Noch weniger ist erkennbar, dass durch die hier vertretene Auslegung diese Einschränkung rückgängig gemacht und dem Klagegebrauchsmuster ein Gegenstand hinzugefügt würde, der nach der Auslegung des Bundespatentgerichts nicht umfasst ist.
  69. 3.
    Wie bereits ausgeführt worden ist, handelt es sich bei dem Merkmal 7 um ein strukturelles Merkmal, das eine räumlich-körperliche Eigenschaft des erfindungsgemäßen Blechs beschreibt. Auch wenn es sich im Falle eines Skin-Pass nicht unmittelbar auf das erfindungsgemäße Blech bezieht, sondern seine Welligkeit nur mittelbar festlegt, beschreibt es eine Sacheigenschaft. Es kann nicht als weiterer Parameter für das in den Merkmalsgruppen 5 und 6 beschriebene Herstellungsverfahren angesehen werden. Vielmehr ist die Welligkeit von höchstens 0,55 µm vor etwaigem Skin-Pass allenfalls Ergebnis des Herstellungsverfahrens. Es handelt sich – wie zuvor ausgeführt – um die Sacheigenschaft, die durch die Merkmalsgruppen 5 und 6 mittelbar festgelegt wird. Von ihr kann für die Lehre des Klagegebrauchsmusters gerade nicht abgesehen werden.
  70. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass mit dem Merkmal 4 ein weiteres Welligkeitserfordernis aufgestellt ist, dem das zu einem Teil umgeformte Blech genügen muss und durch das die Welligkeit des Blechs in seiner Ausgangsform mittelbar festgelegt ist. Denn ebenso wie die Welligkeit des Blechs durch das Merkmal 4 mittelbar bedingt ist, bedingt auch das von Merkmal 7 aufgestellte Erfordernis einer Welligkeit Wa0,8 von höchstens 0,55 µm vor eventuellem Skin-Pass die Welligkeit des Blechs nach dem Skin-Pass-Vorgang. Die beiden Merkmale sind in ihrer Funktion für die Kennzeichnung der Sacheigenschaften eines erfindungsgemäßen Blechs identisch, allerdings quasi spiegelbildlich: in dem einen Fall ist die Welligkeit vor Skin-Pass und damit vor dem letzten Herstellungsschritt des Blechs und in dem anderen Fall die Welligkeit nach Umformung und damit nach einem weiteren Verarbeitungsschritt des Blechs maßgeblich. Insofern hat keines der Merkmale einen Vorrang oder eine höhere Bedeutung für die Beschreibung eines erfindungsgemäßen Blechs. Vor allem kann das Merkmal 7 nicht einfach außeracht gelassen werden.
  71. Es kann auch dahinstehen, ob die höheren Welligkeitsanforderungen im Merkmal 4 nicht dazu führen, dass die von Merkmal 7 aufgestellten Welligkeitsanforderungen vor Skin-Pass ohnehin immer erfüllt sind. Aus dem Klagegebrauchsmuster ergibt sich ein solcher Zusammenhang jedenfalls nicht und andere Quellen sind für die Auslegung irrelevant. Stattdessen ist der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters zu entnehmen, dass die Zusammenhänge nicht zwingend sind, sondern eine bestimmte Welligkeit vor Skin-Pass auch nur eine bestimmte Welligkeit nach Skin-Pass ermöglicht und diese wiederum bestimmte Welligkeiten nach Umformung ermöglichen (vgl. Abs. [0059], [0068] und [0078]). Da in diesem Zusammenhang der Skin-Pass-Vorgang maßgeblich die Welligkeit des Blechs beeinflusst, die Welligkeit nach Skin-Pass aber keinen Niederschlag im Schutzanspruch 1 gefunden hat, kann der Anspruch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass ein Blech, dessen Welligkeit Wa0,8 nach Umformung zu einem Teil höchstens 0,43 µm beträgt, schon vor Skin-Pass immer zwingend eine Welligkeit Wa0,8 von höchstens 0,55 µm hatte. Das gilt erst Recht, wenn berücksichtigt wird, dass das Welligkeitsverhalten des Blechs maßgeblich auch durch das Substrat als solches und den dieses beeinflussenden Kaltwalzvorgang bestimmt wird, der im Schutzanspruch 1 ebenfalls nicht erwähnt wird.
  72. 4.
    Bei dem in den Merkmalen 4 und 7 verwendeten Maß der Welligkeit Wa0,8 handelt es sich um den Welligkeitskennwert Wa0,8, wie er in Ziffer 8 des Standards „Messung des Welligkeitskennwertes Wsa (1-5) an kaltgewalzten Flacherzeugnissen“, veröffentlicht in den XXX (SEP) XXX Ausgabe 1 vom Mai 2012 (Anlage B4, nachfolgend SEPXXX), beschrieben ist.

    a)
    In der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters wird das Maß Wa0,8 als das in μm ausgedrückte arithmetische Mittel Wa des Welligkeitsprofils der äußeren Oberfläche einer Blechbeschichtung definiert, bei dem eine Abschneideschwelle von 0,8 mm ausgeführt wurde (Abs. [0007]). Dem liegt allgemein die Vorstellung zu Grunde, dass es sich bei der Welligkeit W einer äußeren Oberfläche einer Beschichtung um eine pseudoperiodische geometrische Unregelmäßigkeit von hinreichend großer Wellenlänge (0,8 bis 10 mm) handelt, die von der Rauheit R im Sinne geometrischer Unregelmäßigkeiten von geringer Wellenlänge zu unterscheiden ist (Abs. [0006]).

  73. Was in den zitierten Textstellen nicht ausdrücklich mitgeteilt, aber gleichwohl durch die Benennung der Wellenlänge von 0,8 bis 10 mm angedeutet wird, ist das Erfordernis, dass auch Oberflächenänderungen mit einer höheren Wellenlänge, die im Unterschied zur Rauheit und Welligkeit der Form des Teils zugerechnet werden können, aus den Messungen ausgeschieden werden müssen. Dies ergibt sich ausdrücklich aus der Beschreibung des Ausführungsbeispiels, wonach das Verfahren zur Messung der Welligkeit Wa0,8 darin besteht, ein Blechprofil von einer Länge von 50 mm unter 45° zur Walzrichtung durch mechanische Abtastung (ohne Kufe) zu erfassen und von dem erhaltenen Signal die Approximation seiner allgemeinen Form durch ein Polynom des Grades von mindestens 5 abzuziehen und die mittlere arithmetische Rauheit Ra mit einem Gauß-Filter unter Anwendung eines Cutt-off von 0,8 mm abzutrennen (Abs. [0090]).
  74. b)
    Im Ergebnis definiert das Klagegebrauchsmuster damit das im Schutzanspruch 1 geforderte Maß der Welligkeit Wa0,8 genau so wie Ziffer 8 der SEPXXX (Anlage B4).
  75. Im Stand der Technik waren verschiedene Methoden zur Messung der Welligkeit bekannt, die mit unterschiedlichen Kürzeln gekennzeichnet werden. Einen Überblick über verschiedene Welligkeitskennwerte liefert die Tabelle 1 in der von der E GmbH herausgegebenen „XXX“ von XXX vom Juni 2015 (Anlage B32, nachfolgend XXX-Bericht). Jedenfalls für die Kennwerte Wsa(1-5) und den Kennwert Wa0,8. lässt sich feststellen, dass sie im Prioritätszeitpunkt bekannt und dem Fachmann geläufig waren, da sie im SEPXXX beschrieben sind. Bei dem Kennwert Wsa(1-5) handelt es sich um den arithmetischen Mittelwert des gemessenen Oberflächenprofils nach Abtrennung der sehr kurzwelligen Profilanteile (Rauschen) und der unterhalb der Grenzwellenlänge λc = 1 mm (Rauheitsanteile) und der oberhalb der Grenzwellenlänge λf = 5 mm (Form-Anteil) gelegenen Wellenlängenanteile mittels Gauß-Filter (Ziffer 3 der SEPXXX). Der Kennwert Wa0,8 unterscheidet sich von dem Kennwert Wsa(1-5) durch die Länge der Messtrecke (50 mm statt 25 mm), die Grenzwellenlänge λc (0,8 mm statt 1 mm) und das Abtrennen der langwelligen Form-Anteile (polynomiale Regression fünfter Ordnung statt Gauß-Filterung), wobei die Erfassung von Welligkeitslängen bis 10 mm (statt 5 mm) angestrebt wird (vgl. Ziff. 8 der SEPXXX).
  76. Es bestehen keine Zweifel, dass die Definition des Welligkeitswertes Wa0,8 im Klagegebrauchsmuster genau dem Kennwert Wa0,8 gemäß der SEPXXX entspricht. Nicht nur weist darauf die identische Bezeichnung des Kennwertes im Klagegebrauchsmuster hin, sondern es gibt auch keine stichhaltigen Anhaltspunkte dafür, dass das Klagegebrauchsmuster von dem in der SEPXXX definierten Kennwert Wa0,8 abweichen wollte. Dass das Klagegebrauchsmuster nicht alle für die Bestimmung des Welligkeitswertes Wa0,8 gemäß der SEPXXX erforderlichen Bedingungen benennt, ist unschädlich. Der Fachmann, der die verschiedenen Welligkeitsmessmethoden kennt, wird aufgrund der Hinweise im Klagegebrauchsmuster den Welligkeitswert Wa0,8 so bestimmen, wie es in den SEPXXX beschrieben ist.
  77. c)
    Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass im Klagegebrauchsmuster die Abtrennung der langwelligen Form-Anteile nicht durch eine polynomiale Regression fünfter Ordnung beschrieben wird (Ziff. 8 der SEPXXX), sondern durch ein Polynom des Grades von mindestens 5 (vgl. Abs. [0090]). Dem lässt sich nicht entnehmen, dass das Klagegebrauchsmuster für die Bestimmung des Welligkeitswertes auf die interne Prüfungspraxis der Klägerin abstellen möchte. Gemäß dieser wird zwar zunächst der Welligkeitswert Wa0,8 gemäß SEPXXX bestimmt, sodann werden aber auch Polynomfilter sechsten bis achten Grades angewandt und die Messergebnisse verglichen; der maßgebliche Welligkeitswert entspricht nach dieser Prüfpraxis dem Wa0.8-Wert, der zu dem jeweils nachfolgenden Polynomgrad eine Differenz ΔWa0.8 < 0.01 µm aufweist (vgl. S. 12 des XXX-Berichts, Anlage B32). Die Regression mittels Polynomen höherer Ordnung (> 5) auf das Messprofil führt zu einer Verringerung des betrachteten Wellenlängenbereichs und einer etwas verbesserten Korrelation mit anderen Welligkeitskennwerten (S. 23 des XXX-Berichts, Anlage B32).
  78. Das Klagegebrauchsmuster enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass über die Regression mit einem Polynom fünfter oder höherer Ordnung hinaus ein Vergleich der Regressionsergebnisse gemäß der internen Prüfpraxis der Klägerin stattfinden soll. Es ist nicht einmal vorgetragen oder anderweitig ersichtlich, dass dem Fachmann diese Prüfpraxis im Stand der Technik geläufig war und er sie als gleichwertige Alternative zur Bestimmung des Wertes Wa0,8 im Sinne der SEPXXX ansah. Stattdessen weist der nach-prioritär veröffentlichte XXX-Bericht darauf hin, dass der Berechnungsalgorithmus für den „erweiterten“ Wa0.8-Welligkeitskennwert – das ist die interne Prüfpraxis der Klägerin – in den verfügbaren Programmen zur Oberflächenbewertung bislang nicht integriert sei (S. 23 des XXX-Berichts, Anlage B32). Hingegen setzte sich der in den SEPXXX beschriebene Welligkeitswert Wa0,8 als Industriestandard durch – so jedenfalls die Beklagte selbst in der Werbebroschüre für die angegriffenen Ausführungsform (Anlage rop 3). Nach alledem musste der Fachmann davon ausgehen, dass mit dem Klagegebrauchsmuster keine von dem Wa0,8-Wert gemäß SEPXXX abweichende Methode definiert werden sollte. Soweit darin von einer Approximation mit einem Polynom mindestens fünften Grades die Rede ist, versteht der Fachmann dies so, dass eine Regression mit einem Polynom fünften Grades ausreichend, eine Regression mit einem Polynom höheren Grades aber nicht ausgeschlossen ist.
  79. d)
    Aus diesen Gründen ist es auch unbeachtlich, wenn es tatsächlich so sein sollte, dass bei Anwendung einer polynomialen Regression mit einem Polynom fünften Grades bei einer Messlänge von 50 mm die obere Grenzwellenlänge ca. 25 mm beträgt und gerade nicht 10 mm wie im Klagegebrauchsmuster angegeben (Abs. [0006]). In dem Aufsatz „Form Removal Aspects On The Waviness Parameters For Steel Sheet In Automotive Applications: Fourier Filtering Versus Polynomial Regression“ von Vermeulen/Balabane/Mallé aus dem Jahr 2017 wird festgestellt, dass der Wert für die Welligkeit abhängig ist von der Länge der Messstrecke und dem Grad des Polynoms. Der Wert sei umso niedriger, je kürzer die Messstrecke und je höher der Grad des Polynoms sei. Ob dies – wie die Klägerin meint – tatsächlich lediglich mathematische Effekte sind, die auf der Verwendung der normierten Legendre-Polynome beruhen, begegnet durchgreifenden Zweifeln, kann aber letztlich dahinstehen.
  80. Der vermeintliche Widerspruch zwischen der tatsächlichen Grenzwellenlänge von 25 mm und der im Klagegebrauchsmuster angegebenen Grenzwellenlänge von 10 mm kann jedenfalls nicht dazu führen, den in den Merkmalen 4 und 7 genannten Welligkeitskennwert Wa0,8 als unklar und seinen Sinngehalt als unaufklärbar anzusehen (vgl. BGH, GRUR 2009, 653 – Straßenbaumaschine), mithin die Auslegung des Schutzanspruchs 1 an dieser Stelle offen zu lassen. Vielmehr bleibt es bei der Bestimmung des Wa0,8-Kennwertes, wie er in den SEPXXX angegeben ist. Denn es ist nicht ersichtlich, dass dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt bekannt war, dass eine Regression mit einem Polynom fünften Grades bei einer Messstrecke von 50 mm zu einer Grenzwellenlänge von 25 mm führt. Sogar die Norm SEPXXX geht davon aus, dass die Methode zur Bestimmung des Welligkeitswertes Wa0,8 anstrebt, Welligkeitslängen bis 10 mm bei einer Taststrecke von 50 mm und einer polynomialen Regression fünfter Ordnung zu erfassen. Damit entsprechen die Angaben im Klagegebrauchsmuster genau den Erkenntnissen zur Bestimmung des Welligkeitswertes im Stand der Technik. Selbst die Beklagte ging nach-prioritär in der Werbebroschüre für die angegriffene Ausführungsform noch davon aus, dass bei der Bestimmung des Wa0,8-Wertes ein cut-off bei 10 mm stattfindet (Anlage rop 3). Daher zwingt die Angabe des Welligkeitsschwellwertes von 10 mm im Klagegebrauchsmuster (Abs. [0006]) nicht dazu, die Messstrecke derart zu verändern und ein Polynom höheren Grades so auszuwählen, dass die Grenzwellenlänge nach heutigen Erkenntnissen 10 mm beträgt.
  81. IV.
    Das Klagegebrauchsmuster in der durch das Bundespatentgericht mit Beschluss vom 15. Juni 2022 aufrechterhaltenen Fassung ist schutzfähig. Soweit das Klagegebrauchsmuster gelöscht wurde, wirkt der rechtskräftige Beschluss des Bundespatentgerichts inter omnes und hat Bindungswirkung auch für das Verletzungsgericht. Aber auch soweit der Löschungsantrag gegen das Klagegebrauchsmuster zurückgewiesen wurde, ist das Verletzungsgericht gemäß § 19 S. 3 GebrMG an diese Entscheidung gebunden, da die Entscheidung des Bundespatentgerichts zwischen denselben Parteien ergangen ist, die auch Parteien dieses Rechtsstreits sind.
  82. V.
    Durch Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform benutzt die Beklagte die Lehre des Schutzanspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters gemäß § 11 Abs. 1 GebrMG.
  83. 1.
    Die Beklagte bietet die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland an und bringt sie hier in den Verkehr, § 11 Abs. 1 GebrMG. Werbebroschüren (Anlage rop 3) und Datenblätter (Anlage rop 4), die im Internetauftritt der Beklagten abrufbar sind, stellen Angebotshandlungen dar. Diese richten sich, da sie in deutscher Sprache gehalten sind, auch an den deutschen Markt. Sie haben ein erfindungsgemäßes Produkt zum Gegenstand, weil es nach zutreffender Auslegung auf das Blech als Endprodukt ankommt, das unmittelbar zu einem Teil umgeformt werden kann. Unstreitig lieferte die Beklagte solche Bleche auch in die Bundesrepublik Deutschland und brachte sie dadurch in den Verkehr. Unter anderem konnte die Beklagte ein Muster der angegriffenen Ausführungsform hier erlangen.
  84. 2.
    Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die Merkmale des Schutzanspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters.
  85. a)
    Dies ist zwischen den Parteien für die Merkmale 1 bis 5 unstreitig. Insbesondere wird auch das Merkmal 4 verwirklicht. Über die Auslegung dieses Merkmals sind die Parteien zwar geteilter Ansicht. Allerdings trägt die Beklagte für die Bestimmung der Welligkeit nach Umformung der angegriffenen Ausführungsform unter Zugrundelegung der hier vertretenen Auslegung keine abweichenden Werte vor. In ihren Werbeunterlagen und Datenblättern für die angegriffene Ausführungsform ist der Mittelwert des Welligkeitsprofils mit kleiner oder gleich 0,40 μm bei einem cut-off bei 0,8 und 10,0 mm angegeben. Unstreitig wurde dieser Wert wie in Ziffer 8 der SEPXXX (Anlage B4) bestimmt. Dies bestätigten auch die von der Klägerin durchgeführten Messungen eines Musters der angegriffenen Ausführungsform, die auf dieselbe Art und Weise durchgeführt wurden und Welligkeitswerte Wa0,8 nach Umformung zwischen 0,37 µm und 0,41 µm ergaben. Dies liegt im beanspruchten Bereich. Die von der Klägerin geäußerten Zweifel an der Bestimmung des Welligkeitswertes am umgeformten Teil sind mangels Substanz unerheblich.
  86. b)
    Darüber hinaus wird auch das Merkmal 7 – auf die Merkmalsgruppe 6 kommt es bei zutreffender Auslegung nicht an – verwirklicht. Die äußere Oberfläche der angegriffenen Ausführungsform wies während ihrer Herstellung vor dem Skin-Pass-Vorgang eine Welligkeit Wa0,8 auf, die nicht größer als 0,55 µm war.
  87. Die Klägerin hat die Welligkeit der angegriffenen Ausführungsform vor Skin-Pass nicht unmittelbar gemessen. Sie hat stattdessen die Welligkeitswerte Wa0,8 der angegriffenen Ausführungsform nach dem Skin-Pass-Vorgang – das heißt vor der Umformung – und nach der Umformung ermittelt und aus dem Verhältnis dieser Werte darauf geschlossen, dass der Welligkeitswert der angegriffenen Ausführungsform vor Skin-Pass kleiner oder gleich 0,55 µm war. Die gemessenen Welligkeitswerte vor und nach Umformung der angegriffenen Ausführungsform sind unstreitig. Die daraus von der Klägerin gezogenen Schlussfolgerungen hat die Beklagte nicht erheblich bestritten. Auf das Bestreiten mit Nichtwissen der Welligkeit vor Skin-Pass kommt es nicht an.
  88. aa)
    Die Welligkeitswerte Wa0,8 der angegriffenen Ausführungsform nach Umformung sind – wie ausgeführt – im Ergebnis unstreitig. Die Beklagte gibt sie in ihrer Werbebroschüre bzw. im Datenblatt mit weniger als 0,40 µm bei einer Zugbeanspruchung von 5% an. Nach den Messungen der Klägerin betrugen sie 0,41 µm und weniger.
  89. Die Welligkeitswerte Wa0,8 der angegriffenen Ausführungsform vor Umformung betragen 0,40 µm (Winkel zur Walzrichtung 45°) und 0,39 µm (Winkel zur Walzrichtung 90°). Diese Werte wurden von der Klägerin an einem Muster der angegriffenen Ausführungsform vor der Umformung ermittelt und sind unstreitig. Die von der Beklagten geäußerten Zweifel an der Definition und Eignung des Welligkeitswertes Wa0,8 greifen – wie bereits ausgeführt – nicht durch. Die Messungen als solche mit Hilfe einer polynomialen Regression fünfter Ordnung und die Ergebnisse dieser Messungen hat die Beklagte nicht bestritten.
  90. Die Tabelle der von der Beklagten ermittelten Werte ist nachstehend wiedergegeben:
  91. bb)
    Im Streitfall ist aufgrund der Tatsache, dass die Welligkeitswerte der angegriffenen Ausführungsform nach Umformung im Vergleich zu den Welligkeitswerten vor Umformung im Mittel gleich blieben (Winkel von 45°) oder sich sogar verringerten (Winkel von 90°), davon auszugehen, dass die Welligkeit Wa0,8 der angegriffenen Ausführungsform vor Skin-Pass 0,55 µm nicht überstieg.
  92. (1)
    Nach dem Vortrag der Klägerin lässt sich das Welligkeitsprofil in den einzelnen Verfahrensschritten nicht beliebig ändern, sondern hängt von den vorherigen Verfahrensschritten ab. Dadurch lasse sich aus den Welligkeitsveränderungen infolge einer Umformung auf die Welligkeit vor Skin-Pass schließen.
  93. Wenn die Welligkeit vor dem Skin-Pass-Vorgang hoch war, wird sie – so die Klägerin – durch den Skin-Pass-Vorgang grundsätzlich verringert, wobei das Maß der Verringerung auch von den Dressierwalzen abhängig ist. War die Welligkeit vor dem Skin-Pass-Vorgang bereits gering, kann der Skin-Pass-Vorgang die Welligkeit erhöhen. Von diesen Umständen – so die Klägerin – hängt ab, ob die Welligkeit durch die danach erfolgende Umformung zu- oder abnimmt. Wurde die Welligkeit durch den Skin-Pass-Vorgang verringert, nimmt sie durch die Umformung wieder zu. Wurde die Welligkeit durch den Skin-Pass-Vorgang erhöht, wird sie durch die Umformung nicht weiter erhöht.
  94. Davon ausgehend kann – der Klägerin folgend – aus dem Vergleich der Welligkeit vor und nach Umformung ermittelt werden, ob der Skin-Pass-Vorgang die Welligkeit verringert oder erhöht hat. Ist die Welligkeit nach der Umformung größer als vor der Umformung, bedeutet dies, dass der Skin-Pass-Vorgang die Welligkeit verringert hatte. Das heißt die Welligkeit vor Skin-Pass war höher als nach Skin-Pass (erste Fallgruppe). Ist die Welligkeit nach der Umformung in etwa die gleiche wie die Welligkeit vor der Umformung, wurde die Welligkeit durch den Skin-Pass nicht verringert. Das heißt die Welligkeit vor Skin-Pass war geringer oder gleich der Welligkeit nach Skin-Pass (zweite Fallgruppe). Im Streitfall – so die Klägerin – liege die zweite Fallgruppe vor, weil sich die Welligkeit durch die Umformung quasi nicht geändert habe, so dass davon auszugehen sei, dass die Welligkeit Wa0,8 der angegriffenen Ausführungsform vor Skin-Pass unter 0,55 µm lag.
  95. (2)
    Die Beklagte hat diese Zusammenhänge jedenfalls für den hier vorliegenden konkreten Einzelfall nicht substantiiert bestritten.
  96. (a)
    Die Klägerin hat den Zusammenhang der Welligkeitsänderungen und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen anhand der Ausführungsbeispiele der Klagegebrauchsmusterschrift belegt. Demnach stehen die in den Tabellen II und III wiedergegebenen Beispiele 14, 16 und 17 für die erste Fallgruppe und das Beispiel 15 für die zweite Fallgruppe. In den Beispielen 14, 16 und 17 wurde die Welligkeit durch den Skin-Pass-Vorgang verringert und erhöhte sich danach infolge der Umformung mehr oder weniger stark. Hingegen verringerte sich die Welligkeit im Beispiel 15 infolge der Umformung, nachdem sie sich durch den Skin-Pass-Vorgang erhöht hatte.
  97. Zur Begründung dieses Welligkeitsverhaltens führt die Klägerin an, dass es durch den Skin-Pass-Vorgang zu lokalen Dehnungen und Verdichtungen in dem beschichteten Blech kommen kann, wenn eine bestehende Welligkeit verringert wird – nämlich genau dort, wo sich die Unebenheiten im beschichteten Blech befinden. Durch die Umformung können sich diese Spannungen lösen und die Welligkeit tritt wieder auf, sie wird infolge der Umformung also erhöht. Demzufolge fehlt es an diesen Inhomogenitäten, wenn der Skin-Pass-Vorgang die Welligkeit nicht verringert oder gar erhöht, so dass diese auch im Fall der Umformung nicht auftreten können. Die Welligkeit bleibt trotz Umformung gleich oder verringert sich.
  98. (b)
    Die Beklagte hat kein konkretes Gegenbeispiel für die von der Klägerin beschriebenen Zusammenhänge angeführt. Argumentiert ein Kläger dahingehend, dass die angegriffene Ausführungsform eine bestimmte technische Ausstattung haben müsse, weil sich anderenfalls die auch bei ihr gegebenen patentgemäßen Wirkungen nicht einstellen könnten, liegt ein beachtliches Bestreiten bereits dann vor, wenn der Beklagte wenigstens eine technische Möglichkeit aufzeigt, wie die angegriffene Ausführungsform ohne die besagte Ausstattung erfolgreich funktionieren kann (Kühnen, Hb. d. Patentverletzung, 15. Aufl.: Kap. E 169). Übertragen auf den Streitfall bedeutet dies, dass die Beklagte ein Gegenbeispiel aufzeigen müsste, um die von der Klägerin behauptete Schlussfolgerung zu Fall zu bringen. Daran fehlt es aber.
  99. Das von der Klägerin angeführte Beispiel 14 in der Tabelle II der Klagegebrauchsmusterschrift stellt kein taugliches Gegenbeispiel dar. Denn auch in diesem Beispiel tritt eine – wenn auch geringe – Erhöhung der Welligkeit infolge der Umformung von 0,39 µm auf 0,41 µm auf. Das heißt, die durch den Skin-Pass-Vorgang von 0,52 µm auf 0,39 µm verringerte Welligkeit ist teilweise wieder aufgebrochen. Es handelt sich nicht um die zweite Fallgruppe, bei der die Welligkeit infolge der Umformung gleich bleibt oder sich gar verringert. Es kommt hinzu, dass – selbst wenn sich eine mittels Skin-Pass deutlich verringerte Welligkeit durch die Umformung wieder geringfügig erhöht – das Beispiel 14 nicht belegt, dass die Welligkeitsveränderungen aus dem erfindungsgemäßen Bereich herausführen. Im Beispiel 14 sind die Welligkeitswerte nach Skin-Pass und nach Umformung denen der angegriffenen Ausführungsform ähnlich, wobei das Beispiel 14 sogar einen Anstieg der Welligkeit nach Umformung zeigt. Gleichwohl liegt aber auch im Beispiel 14 die Welligkeit vor dem Skin-Pass-Vorgang unter 0,55 µm und damit im beanspruchten Bereich. Die Welligkeitswerte der angegriffenen Ausführungsform vor der Umformung sind von dem in Merkmal 7 genannten Welligkeitswert von 0,55 µm deutlich entfernt, so dass – wenn die angegriffene Ausführungsform vor Skin-Pass eine Welligkeit von über 0,55 µm gehabt hätte – zu erwarten gewesen wäre, dass sich die Welligkeit nach Skin-Pass von 0,39 µm bzw. 0,40 µm infolge der Umformung im Mittel erhöht. Das ist aber nicht der Fall.
  100. (c)
    Die Beklagte hat nicht nur kein geeignetes Gegenbeispiel geliefert, sondern auch die von der Klägerin geschilderten Zusammenhänge im Grundsatz im parallelen Löschungsverfahren bestätigt.
  101. In dem im Löschungsverfahren eingereichten Schriftsatz vom 29. Dezember 2016 (vorgelegt als Anlage B 27) schildert die Beklagte, aus welchen Gründen sich die Welligkeit eines beschichteten Blechs infolge seiner Umformung erhöhen kann. Das Stahlsubstrat kann aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung und der Bedingungen beim Warmwalzen und beim Glühen des Substrats Inhomogenitäten, also Bereiche unterschiedlicher Härten, aufweisen, die trotz niedriger Welligkeit des Substrats zu einer höheren Welligkeit nach der Umformung führen (Rn 62 f. der Anlage B 27).
  102. Weiterhin kann das Stahlblech infolge ungünstiger Bedingungen beim Kaltwalzen oder bei Feuerverzinken eine ungleichmäßige Dicke aufweisen. Da bei der Umformung die dünneren Bereiche stärker nachgeben als die dickeren Bereiche, verstärken sich diese Unregelmäßigkeiten durch die Umformung und die Welligkeit erhöht sich (Rn 65 f. der Anlage B 27).
  103. Bei diesen Ausführungen ist der Skin-Pass-Vorgang noch nicht berücksichtigt. Die Beklagte erläutert dazu weiter, dass es zu einem ungleichmäßigen Umformen auch dann kommen kann, wenn Bleche mit ungleichmäßiger Dicke einer Glättung mittels Skin-Pass unterzogen und dann umgeformt werden. Der Skin-Pass-Vorgang führt zur (Vor-)Härtung der dickeren Bereiche, so dass das Blech – ähnlich wie bei Inhomogenitäten im Stahlsubstrat – härtere und weichere Bereiche aufweist, die zu einer erhöhten Welligkeit nach dem Umformen führen (Rn 67 der Anlage B 27).
  104. In gleicher Weise äußerte sich die Beklagte in dem im Löschungsverfahren eingereichten Schriftsatz vom 13. Juli 2011 (vorgelegt als Anlage B 28):
  105. „Wie bereits (…) erläutert, liegt die technische Bedeutung dieses Merkmals [gemeint: Merkmal 7] darin, dass eine vor Skin-Pass vorhandene und durch den Skin-Pass eingeebnete hohe Welligkeit bei Umformung wieder hervortritt. (…) Wäre die Welligkeit der Beschichtung vor Skin-Pass hoch und würde nur durch den Skin-Pass auf ein niedriges Maß reduziert, dann würde die zuvor hohe Welligkeit durch die Umformung wieder hervortreten. Das umgeformte Blech (= Teil) hätte dann also eine Beschichtung mit hoher Welligkeit und das Lackierungsaussehen wäre weiterhin nicht zufriedenstellend. Ist die Welligkeit hingegen bereits vor dem Skin-Pass niedrig, dann kann auch nach Umformung eine niedrige Welligkeit erhalten werden.“ (Rn 24 der Anlage B 28)
  106. Entscheidend ist, dass die Beklagte alle Fälle aufzählt, in denen die Welligkeit nach der Umformung höher ist als die Welligkeit vor der Umformung. Davon unterscheidet sich der Streitfall aber dahingehend, dass die Welligkeit trotz Umformung gleich bleibt bzw. sich sogar geringfügig verringert. Das ist – auch nach den Ausführungen der Beklagten im Löschungsverfahren – grundsätzlich nur dann möglich, wenn die Bedingungen bei der Herstellung des Blechs so gewählt wurden, dass die Inhomogenitäten im Stahlsubstrat und die Welligkeit des Blechs (vor der Umformung) möglichst gering gehalten werden. Vor allem darf die geringe Welligkeit des Blechs nicht erst dadurch erreicht werden, dass Dickenunterschiede im Blech durch den Skin-Pass-Vorgang eingeebnet wurden. Dies führt auch die Beklagte zu dem Schluss, dass eine niedrige Welligkeit nach Umformung erhalten werden kann, wenn die Welligkeit bereits vor Skin-Pass niedrig ist. Da die Welligkeit der angegriffenen Ausführungsform nach der Umformung laut Messungen der Klägerin im Mittel lediglich 0,38 µm bzw. 0,40 µm beträgt, also gering ist, und sich durch die Umformung auch nicht erhöht hatte, muss die Welligkeit bereits vor dem Skin-Pass-Vorgang gering gewesen sein. Sie betrug sicherlich nicht über 0,55 µm.
  107. (d)
    Die Erheblichkeit des Bestreitens dieser Schlussfolgerungen durch die Beklagte ergibt sich auch nicht aus dem von ihr vorgelegten Privatgutachten von Dr. XXX (vorgelegt als Anlage B 29). Auch dieser behauptet zunächst nur, eine trotz Umformung gleichbleibende oder sogar geringere Welligkeit
  108. „schließt jedoch nicht aus, dass ein verzinktes Band, das vor dem Vergütungswalzen einen Wa0,8-Wert von 0,55 μm oder mehr aufweist, nach dem Vergütungswalzen und Umformen nicht die gleiche geringe Welligkeit [gemeint: von weniger als 0,43 µm] aufweist.“ (S. 1 der Anlage B 29)
  109. Ein konkretes Gegenbeispiel liefert auch der Privatgutachter der Beklagten nicht. Er führt lediglich unter Vertiefung der bereits von der Klägerin und der Beklagten schriftsätzlich genannten Parameter für das Welligkeitsverhalten eines Blechs weitere Parameter auf, die nach seiner Auffassung die Welligkeit des Blechs bei einer Umformung beeinflussen können. Insofern hält er die Bedingungen, unter denen das Blech beschichtet und anschließend dressiert wird, für entscheidend. Von ihrer Wahl hänge das Welligkeitsverhalten des Blechs bei der Umformung ab, so dass nicht sicher gesagt werden könne, dass bei einer trotz Umformung gleichbleibenden oder geringeren Welligkeit des Blechs die Welligkeit bereits vor dem Skin-Pass-Vorgang vergleichbar gering gewesen sein müsse. Allerdings bleiben auch diese Ausführungen ohne Substanz. Der Privatgutachter benennt nur für einen einzigen konkreten Parameter (EDT- vs. EBT-Walzen), wie er die Welligkeit bei der Umformung beeinflusst. Für alle anderen Parameter bleibt offen, wie sie gestaltet sein müssen, um die Welligkeit in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen. Maße oder auch nur Größenordnungen für die Auswirkungen auf die Welligkeit werden ebenso wenig genannt.
  110. (α)
    Der Privatgutachter fügt den schriftsätzlichen Ausführungen der Parteien als weiteren Aspekt hinzu, dass neben den Inhomogenitäten und der Welligkeit des Substrats auch die Beschichtung des Substrats zu berücksichtigen sei. Diese könne – vereinfacht dargestellt – die Welligkeit des Substrats nachvollziehen, sie kaschieren oder dem ebenen Substrat eine (äußere) Welligkeit verleihen. Der Fall, dass ein ebenes Substrat eine ebene Beschichtung erhält, bedarf keiner Betrachtung. Die folgende Darstellung stammt aus dem Privatgutachten und gibt die drei Fälle schematisch wieder (vgl. S. 3 der Anlage B 29).
  111. Von Interesse ist hier nur das Szenario 3. Nach den Ausführungen der Klägerin und auch der Beklagten im Löschungsverfahren ist davon auszugehen, dass die Welligkeit im Szenario 1 im Verlauf des Skin-Pass-Vorgangs verringert wird und sich infolge der Umformung wieder erhöht. Im Streitfall geht es aber um die Frage, wie es zu bewerten ist, wenn sich die Welligkeit durch Umformung nicht erhöht. Ähnliches gilt für das Szenario 2. Aufgrund der Welligkeit im Substrat ist ebenfalls zu erwarten, dass sich die Welligkeit durch das Umformen wieder erhöht. Bleibt sie jedoch bei der Umformung gleich oder wird gar verringert, bestätigt dies die Schlussfolgerung der Klägerin, weil die Welligkeit bereits vor dem Skin-Pass-Vorgang niedrig war.
  112. Im Szenario 3 scheint auf den ersten Blick nicht ausgeschlossen, dass das beschichtete Blech vor dem Skin-Pass-Vorgang eine erhöhte Welligkeit aufweist, die durch den Skin-Pass-Vorgang verringert wird und sich auch durch die Umformung nicht wieder erhöht, weil die ursprüngliche Welligkeit nicht aus dem Substrat kommt. Allerdings behauptet das auch der Privatgutachter nicht. Stattdessen formuliert er vorsichtig und ohne jeden Beleg, dass eine Beseitigung der Welligkeit in der Beschichtung beim Dressieren möglicherweise nicht zu demselben Grad an Inhomogenitäten in Bezug auf die Restfestigkeit/Steifigkeit im Stahlsubstrat führt wie in den ersten beiden Fällen und eine Verringerung der Welligkeit nicht unbedingt zu einer Zunahme der Welligkeit nach der Umformung führe. Worauf der Privatgutachter diese These stützt, bleibt offen. Noch weniger werden Maße dafür genannt, in welchem Umfang die Welligkeit verringert werden kann, ohne sich durch die Umformung wieder zu erhöhen. Abgesehen davon steht die These des Privatgutachters sogar im Widerspruch zu den Ausführungen der Beklagten in ihrem eigenen Gebrauchsmuster DE 20 2018 XXX XXX U1. Dort wird beschrieben, dass kleinste örtliche Härteunterschiede im Substrat auftreten, wenn höhere Bereiche durch den Nachwalzbetrieb in das Substrat gedrückt werden, was bei der Verformung wieder zu einer erhöhten Welligkeit führt (Abs. [0081] der rop 24). Genau darum legt es das vorgenannte Gebrauchsmuster auch darauf an, die Welligkeit vor dem Nachwalzwerk zu reduzieren, um zu gewährleisten, dass die Welligkeitszunahme beim Formen eingeschränkt oder gar nicht vorhanden ist (Abs. [0082] der rop 24). Die Schlussfolgerung der Klägerin, bei gleicher Welligkeit vor und nach der Umformung müss die Welligkeit bereits vor dem Skin-Pass-Vorgang ebenso gering gewesen sein, wird dadurch nicht widerlegt – jedenfalls nicht, dass die Welligkeit vor Skin-Pass nicht höher als 0,55 µm war, wenn sie danach 0,40 µm vor und nach Umformung betrug.
  113. Soweit der Privatgutachter der Beklagten auf die Studie „XXX“ (Anlage ASt 57 im Löschungsverfahren, nachfolgend: XXX-Studie) Bezug nimmt (S. 3 der Anlage B 29), in der festgestellt wird, dass zwischen der Welligkeit der Oberfläche des kaltgewalzten Stahlblechs und der Welligkeit der Beschichtung unmittelbar nach dem Feuerverzinken kein Zusammenhang besteht, führt dies zu keiner abweichenden Bewertung. Diese Feststellung in der XXX-Studie sagt über das weitere Verhalten des Blechs beim Skin-Pass-Vorgang und bei der Umformung nichts aus, sondern belegt allenfalls die vom Privatgutachter angeführten drei Szenarien, wie sich die Beschichtung auf einem Stahlsubstrat auswirken kann (s.o.).
  114. (β)
    Des Weiteren stellt der Privatgutachter als wesentliche Bedingung für die Beeinflussung der Welligkeit und das Verhalten des Blechs bei der Umformung den Skin-Pass-Vorgang dar. Er stellt verschiedene Faktoren (Kontaktbogen, Schmierung, Walzentextur, -struktur, -verschleiß- und -abnahme) dar, die – so der Privatgutachter – beim Skin-Pass in komplexer Weise zusammenwirken und sich nicht gegenseitig ausschließen (S. 3 ff. der Anlage B 29). Es werden aber keine konkreten Parameter zur Einstellung dieser Faktoren genannt, um im Skin-Pass-Vorgang eine Verringerung der Welligkeit zu erzielen, ohne dass sich diese Welligkeit infolge der Umformung wieder erhöht. Vor allem liefert auch der Privatgutachter kein konkretes Beispiel, welches die von der Klägerin (und im Löschungsverfahren von der Beklagten selbst) gezogene Schlussfolgerung wiederlegt. Erst Recht nicht ist dargetan, dass die Welligkeit Wa0,8 durch das Dressieren von über 0,55 µm auf unter 0,43 µm verringert werden kann, ohne beim nachfolgenden Umformvorgang wieder anzusteigen. Somit bleibt es bei dem unsubstantiierten Bestreiten, eine Verringerung der Welligkeit im Skin-Pass-Vorgang sei möglich, ohne dass sich die Welligkeit durch die Umformung wieder erhöhe.
  115. Soweit der Privatgutachter konkret auf die Wirkung der Textur von Dressierwalzen auf die Welligkeit eingeht (S. 4 der Anlage B 29)), ergibt sich nichts anderes. Er belegt anhand der XXX-Studie (Anlage ASt 57), dass die Welligkeit nach der Umformung abnimmt, wenn für den Skin-Pass-Vorgang EDT-Texturwalzen verwendet wurden, und leicht zunimmt, wenn EBT-Texturwalzen verwendet wurden. Allerdings lässt dieser Befund keine Aussage über die von der Beklagten behauptete Schlussfolgerung zu. Denn aus der Studie ergibt sich nicht, welche Welligkeit die Bleche vor dem Skin-Pass-Vorgang hatten. Es lässt sich allenfalls festhalten, dass der Skin-Pass-Vorgang Einfluss auf das Welligkeitsverhalten des Blechs bei der Umformung hat. Wie dieses Verhalten in Abhängigkeit von der Welligkeit des Blechs vor Skin-Pass aussieht, bleibt unklar. Erst Recht fehlt es an konkreten Maßen für die Welligkeit der Bleche in den verschiedenen Verfahrensstadien.
  116. (e)
    Selbst wenn man davon ausginge, dass die von der Klägerin behauptete Schlussfolgerung, aus der gleichbleibenden oder gar geringeren Welligkeit nach der Umformung lasse sich auf eine etwa gleiche oder gar niedrigere Welligkeit vor Skin-Pass schließen, nicht ausnahmslos, sondern nur im Grundsatz gilt, gibt es hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den Herstellungsprozess für die angegriffene Ausführungsform so steuerte, dass die Welligkeit vor Skin-Pass im beanspruchten Bereich lag.
  117. Die Beklagte hat vorgetragen, dass die bei der Entwicklung der angegriffenen Ausführungsform verfolgten Optimierungsansätze nicht in dem Beschichtungsverfahren lagen, sondern die niedrige Welligkeit der C-Bleche nach Umformung unter anderem durch eine Optimierung der Substrateigenschaften, insbesondere die chemische Zusammensetzung dieses Substrats sowie das Nach- und Kaltwalzverfahren angestrebt wurde. Dies ergibt sich auch aus der Werbebroschüre für die angegriffene Ausführungsform (Anlage rop 3), wonach die Beklagte aufgrund von Testergebnissen aus Lackierversuchen für die angegriffene Ausführungsform Anpassungen im Stahlherstellungsprozess vornahm – beispielsweise in der chemischen Zusammensetzung oder der spezifischen Adaption der Dressierwalzen – und so eine Premiumoberfläche entwickelte. In diesem Zusammenhang hebt die Beklagte „die hohe Stabilität des Stahls als Trägermaterial“ hervor, die dafür sorge, dass die Welligkeit während der Umformung nur minimal ansteige (S. 2 der Anlage rop 3). Wenn die Beklagte aber so viel Wert auf die Eigenschaften des Stahlsubstrats legt und darin den wesentlichen Grund für das vorteilhafte Umformverhalten hinsichtlich der Welligkeit des Blechs sieht, muss davon ausgegangen werden, dass bereits das für die angegriffene Ausführungsform verwendete Substrat und damit das Blech vor dem Skin-Pass-Vorgang eine niedrige Welligkeit, jedenfalls eine solche unter 0,55 µm, hatte.
  118. Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, sie habe auf das Beschichtungsverfahren keinen Wert gelegt und die Abstreifparameter nicht optimiert, sondern solche Abstreifparameter für C übernommen, die sich auch für andere Produkte bewährt hätten und eine stabile und zuverlässige Produktion gewährleisteten. Die Beklagte behauptet selbst nicht, sie habe Abstreifparameter gewählt, die zu einer höheren Welligkeit nach der Beschichtung geführt hätten. Auch wenn die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet, den Welligkeitswert der angegriffenen Ausführungsform vor Skin-Pass zu kennen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte „sehenden Auges“ nachteilige Abstreifparameter wählte, die zu einer deutlich höheren Welligkeit des beschichteten Blechs führten oder sich gar in einer erhöhten Welligkeit nach der Umformung darstellten. Die Übernahme bewährter Abstreifparameter, die eine stabile und zuverlässige Produktion gewährleisteten, lassen vielmehr den Schluss zu, dass eine gleichmäßige Beschichtung, das heißt mit geringer Welligkeit, aufgebracht wurde, weil sich höhere Welligkeiten wieder im Umformprozess gezeigt hätten. Jedenfalls hätte es der Beklagten oblegen, durch die Benennung der konkret von ihr gewählten Abstreifparameter das Szenario 3 plausibel zu machen und so die Schlussfolgerungen der Klägerin substantiiert zu bestreiten. Daran fehlt es.
  119. Gleiches gilt für die Parameter des Skin-Pass-Prozesses. Auch wenn dieser Einfluss auf das Welligkeitsverhalten des Blechs hat, wird der Vortrag, es sei eine Optimierung des Skin-Pass vorgenommen, in keiner Weise konkretisiert. Abgesehen davon, dass der Skin-Pass-Vorgang ohnehin unbeachtlich ist, wenn das Blech bereits vor Skin-Pass die beanspruchten Eigenschaften hat, behauptet auch die Beklagte nicht, den Skin-Pass-Vorgang so eingestellt zu haben, dass er in der Lage ist, höhere Welligkeit so zu verringern, dass sie auch bei der Umformung nicht mehr auftauchen.
  120. (3)
    Soweit die Beklagte eine Welligkeit Wa0,8 der angegriffenen Ausführungsform von kleiner oder gleich 0,55 µm vor Skin-Pass mit Nichtwissen bestritten hat, kann letztlich dahinstehen, ob dieses Bestreiten mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO zulässig ist. Denn nach den vorstehenden Ausführungen ergibt sich die Verwirklichung von Merkmal 7 nicht aus einer Messung der Welligkeit der angegriffenen Ausführungsform vor Skin-Pass, sondern lässt sich nach dem Vortrag der Klägerin mittelbar aus den Welligkeitswerten der angegriffenen Ausführungsform vor und nach der Umformung erschließen. Da die Welligkeitswerte vor und nach der Umformung unstreitig und die von der Klägerin daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen nicht substantiiert bestritten sind, lässt sich die Verwirklichung von Merkmal 7 auf einem anderen Weg feststellen, der das Bestreiten mit Nichtwissen ins Leere laufen lässt.
  121. VI.
    Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagte begründen des Weiteren eine mittelbare Verletzung der Schutzansprüche 5 und 11 des Klagegebrauchsmuster im Sinne von § 11 Abs. 2 GebrMG.
  122. 1.
    Die Beklagte bot die angegriffene Ausführungsform an und lieferte sie in die Bundesrepublik Deutschland (s.o.).
  123. 2.
    Bei den angegriffenen C-Blechen handelt es sich um Mittel, die sich auf ein wesentliches Element des Gegenstands des Klagegebrauchsmusters beziehen. Denn die Schutzansprüche 5 und 11 beziehen sich auf ein Blech gemäß Schutzanspruch 1, aus dem das erfindungsgemäße Teil bzw. das erfindungsgemäße Landfahrzeug nach Umformung des Blechs gebildet wird. Ein solches Blech leistet einen funktionalen Beitrag zur Verwirklichung der schutzbeanspruchten Lehre.
  124. 3.
    Weiterhin ist die angegriffene Ausführungsform geeignet, zur Benutzung der Lehre der Schutzansprüche 5 und 11 verwendet zu werden. Denn sie verwirklicht die Lehre des Schutzanspruchs 1, auf den sich auch die Schutzansprüche 5 und 11 beziehen. Durch Umformung der angegriffenen C-Bleche lassen sich Teile gemäß dem Schutzanspruch 5 formen, die des Weiteren für die Herstellung eines Landfahrzeugs gemäß Schutzanspruch 11 verwendet werden können.
  125. 4.
    Es ist schließlich offensichtlich und der Beklagten sogar bekannt, dass die angegriffene Ausführungsform dazu geeignet und bestimmt ist, für die Benutzung der Lehre der Schutzansprüche 5 und 11 verwendet zu werden. Denn die angegriffene Ausführungsform wird ausdrücklich für die Verwendung im Karosseriebau der Automobilindustrie beworben und technisch beschrieben (Anlage rop 3 und rop 4). Es wird zudem herausgestellt, dass sich die Bleche umformen lassen, ohne dass die Welligkeit zunimmt (Anlage rop 3 und rop 4). Die C-Bleche wurden sogar in Zusammenarbeit mit einem Automobilhersteller entwickelt (Anlage rop 3). Unstreitig werden sie auch an diese geliefert. Dass die Bleche ohne Umformung verwendet werden können oder dass es überhaupt Einsatzbereiche der angegriffenen Bleche außerhalb des Karosseriebaus gibt, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich.
  126. VII.
    Aufgrund der Benutzung der Lehre des Klagegebrauchsmusters durch die Beklagte ergeben sich nachstehende Rechtsfolgen.
  127. 1.
    Die Beklagte ist der Klägerin gemäß § 24 Abs. 1 GebrMG zur Unterlassung verpflichtet, da die Benutzung der Lehre des Klagegebrauchsmusters ohne Berechtigung erfolgt.
  128. 2.
    Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, § 24 Abs. 2 GebrMG.
  129. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung ihrer Ansprüche droht.
  130. Die Beklagte ist zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie die Gebrauchsmusterverletzung schuldhaft beging. Als Fachunternehmen hätte sie die Gebrauchsmusterverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin durch die Schutzrechtsverletzung ein Schaden entstanden ist.
  131. 3.
    Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus § 24b Abs. 1 GebrMG, §§ 242, 259 BGB zu.
  132. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich auf Grund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 24b Abs. 1 GebrMG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 24b Abs. 3 GebrMG.
  133. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
  134. 4.
    Die Klägerin hat schließlich gegen die Beklagte gemäß § 24a Abs. 2 GebrMG einen Anspruch auf Rückruf der gebrauchsmusterverletzenden Erzeugnisse aus den Vertriebswegen.
  135. C
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
  136. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO. Dem von der Beklagten hilfsweise geltend gemachten Vollstreckungsschutzantrag war nicht stattzugeben, da sie die Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 ZPO weder dargelegt, noch gemäß § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat, zumal sie nach ihrem eigenen Vortrag die Produktion und Lieferung der angegriffenen Ausführungsform mittlerweile eingestellt hat.
  137. D
    Der Streitwert wird auf 1.000.000,00 EUR festgesetzt.

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