4a O 55/21 – Nadelanordnung

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3289

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 11. Mai 2023, Az. 4a O 55/21

  1. Die Klage wird abgewiesen.
    Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
  2. Tatbestand
  3. Die Klägerin nimmt die Beklagten aus dem deutschen Teil des EP 3 069 XXA B1 (nachfolgend: Klagepatent, vorgelegt mit Übersetzung in Anlage KAP 1) wegen unmittelbarer Patentverletzung auf Unterlassung, Feststellung der Verpflichtung zum Leisten von Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung sowie auf Vernichtung und Rückruf klagepatentgemäßer Erzeugnisse in Anspruch.
  4. Die Klägerin ist im Register des Deutschen Patent- und Markenamts als Inhaberin des Klagepatents eingetragen. Das Klagepatent“ wurde am 24.07.2007 unter Inanspruchnahme der Priorität vom 31.07.2006 der US 496XXB angemeldet. Es betrifft ein Nadelspitzenschutzgehäuse in einem Katheteransatz. Das Europäische Patentamt veröffentlicht am 05.06.2019 die Erteilung des Klagepatents.
  5. Das Klagepatent steht in Kraft. Die Beklagte zu 2) hat Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent beim Bundespatentgericht erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
  6. Der geltend gemachte Klagepatentanspruch 1 lautet in der englischen Verfahrenssprache des Klagepatents wie folgt:
  7. „A needle assembly (166) comprising:
    a housing comprising a wall having an interior wall surface defining a cavity (182) having a tip protector (100) disposed therein;
    a needle (170), which has a shaft having a first side and a second side defined by a centerline and a needle tip (172), passing through the housing and the tip protector (100);
    the tip protector (100) comprising:
    a proximal wall (132) having an opening (158) for receiving the needle (170);
    a first arm (140) extending from the proximal wall (132); and
    a distal wall (150) at an end of the first arm (140) for blocking the needle tip (172);
    characterized in that the tip protector further comprises:
    a second arm (130), which is shorter than the first arm (140), extending from the proximal wall (132); and
    a wall (112) opposite the second arm (130);
    wherein the wall (112) opposite the second arm (130) and the second arm (130) are both biased against the interior wall surface of the housing.”
  8. In der eingetragenen deutschen Übersetzung lautet dieser Anspruch wie folgt:
  9. „Nadelanordnung (166) umfassend:
    ein Gehäuse mit einer Innenwandfläche, die einen Hohlraum (182) mit einen darin angeordneten Nadelspitzenschutz (100) definiert;
    eine Nadel (170), die einen Nadelschaft mit einer ersten Seite und einer zweiten Seite, die durch eine Mittellinie definiert ist, und eine Nadelspitze (172) aufweist, die durch das Gehäuse und den Nadelspitzenschutz (100) verläuft;
    wobei der Nadelspitzenschutz (100) umfasst:
  10. eine proximale Wand (132) mit einer Öffnung (158) zur Aufnahme der Nadel (170); einen ersten Arm (140), der sich von der proximalen Wand (132) erstreckt; und eine distale Wand (150) an einem Ende des ersten Arms (140) zum Blockieren der Nadelspitze (172);
    dadurch gekennzeichnet, dass der Nadelspitzenschutz des Weiteren umfasst:
    einen zweiten Arm (130), der kürzer ist als der erste Arm (140) und sich von der proximalen Wand (132) erstreckt;
    und
    eine Wand (112), die sich gegenüberliegend von dem zweiten Arm (130) befindet;
    wobei die dem zweiten Arm (130) gegenüberliegende Wand (112) und der zweite Arm (130), beide gegen die Innenwandfläche des Gehäuses vorgespannt sind.“
  11. Die in Schweden ansässige Beklagte zu 1) ist ein Medizintechnikunternehmen, welches seit 2017 zur österreichischen B-Gruppe gehört. Die Beklagte zu 2) ist ein Tochterunternehmen der B-Gruppe mit Sitz in Deutschland. Sie ist die deutsche Unternehmenszentrale der Gruppe und steuert insbesondere den deutschen Vertrieb der unter der Marke „C“ vertriebenen Produkte.
  12. Mit der Klage greift die Klägerin Venenkatheter an, die die Beklagten unter den Bezeichnungen „D“, „E“, „F“ und „G“ vertreiben (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen). Lichtbilder der angegriffenen Ausführungsformen von S. 13 der Klageschrift werden nachfolgend verkleinert eingeblendet:
  13. Die angegriffenen Ausführungsformen weisen ein Gehäuse mit einer Innenwand auf, die einen Hohlraum definiert. In diesem ist ein Nadelspitzenschutz angeordnet. Durch das Gehäuse verläuft eine Nadel, die über einen Nadelschaft und eine Nadelspitze verfügt. Auf der proximalen – d.h. auf der dem Anwender der Vorrichtung nahen – Seite verfügt der Nadelspitzenschutz über eine Wand, in der sich eine Öffnung befindet, durch die die Nadel verläuft. Von dieser Wand erstrecken sich zwei längliche Flächen in distaler – d.h. vom Anwender der Vorrichtung abgewandter – Richtung. Die kürzere der beiden länglichen Flächen endet in einer Krümmung, durch die beim Zurückziehen der Nadel in proximaler Richtung die Nadelspitze (unmittelbar) blockiert wird. Auch die längere der beiden länglichen Flächen endet in einer Krümmung, durch die die Nadelspitze indirekt blockiert wird.
  14. Nachfolgend werden Lichtbilder einer „D“-Injektionsnadel mit offener Schutzvorrichtung (oben) und mit geschlossener Schutzvorrichtung (unten) von Seite 14 der Klageschrift verkleinert eingeblendet.
  15. Von der oben beschriebenen Wand erstrecken sich in proximaler Richtung sechs baugleiche symmetrisch in Form einer „Krone“ angeordnete Elemente. Jedes dieser Elemente ist leicht radial nach außen gebeugt und mit einer kugelförmigen Erhebung versehen. Die „Elemente üben Druck auf das Gehäuse aus. Die kugelförmigen Erhebungen rasten in eine die Innenwand des Gehäuses umlaufende Rille ein.
  16. Nachfolgend wird eine schematische Darstellung der im Gehäuse fixierten Nadelschutzvorrichtung von Seite 22 der Klageschrift verkleinert eingeblendet. Die Bezeichnung der Bauteile stammt von der Klägerin.
  17. Wird der Nadelschaft in proximaler Richtung zurückgezogen, halten die sechs baugleichen Elemente die Schutzvorrichtung innerhalb des Gehäuses in Position. Der Nadelschaft verfügt über eine Verbreiterung. Beim Zurückziehen des Nadelschaftes in proximaler Richtung, blockiert die Verbreiterung des Nadelschaftes an der oben beschriebenen Wand, so dass der Zug am Nadelschaft gleichzeitig Zug auf die Nadelschutzvorrichtung ausübt. Dabei wird der von den sechs Elementen erzeugte Widerstand überwunden und die Schutzvorrichtung aus dem Gehäuse herausgezogen.
  18. Nachfolgend wird eine schematische Darstellung der aus dem Gehäuse herausgezogenen Nadelschutzvorrichtung von S. 23 der Klageschrift verkleinert eingeblendet, wobei die Beschriftung wiederum von der Klägerin herrührt.
  19. Die Beklagten bieten die angegriffenen Ausführungsformen in Deutschland u.a. über die Website www.H.com an. Die Beklagte zu 1) ist ausweislich dieser Website Herstellerin der angegriffenen Ausführungsformen. Sie wird in Produktbroschüren und Gebrauchsanweisungen für die angegriffenen Ausführungsformen als Herstellerin und einzige Ansprechpartnerin genannt. Sie tritt gegenüber Kunden als Ansprechpartnerin für die sichere Benutzung der angegriffenen Ausführungsformen auf. Sie hat am 1. September 2020 eine Charge der angegriffenen Ausführungsformen gegenüber Kunden in Deutschland zurückgerufen. Die Beklagte zu 2) ist lokale Ansprechpartnerin für Kunden in Deutschland und ausweislich des Impressums Betreiberin der Website. Aus den über die Website abrufbaren „Allgemeinen Geschäfts- und Verkaufsbedingungen (AGB) der I GmbH (I)“ geht hervor, dass die Beklagte Vertragspartnerin für Kauf- und Lieferverträge in Deutschland ist.
  20. Die Klägerin meint, die Beklagten verletzten das Klagepatent durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen unmittelbar wortsinngemäß.
  21. Die proximale Wand, die eine Öffnung zur Aufnahme der Nadel umfasst, müsse auf der proximalen Seite der Nadelspitze angeordnet sein. Die proximale Wand sei nicht als „proximales Ende des Nadelspitzenschutzes“ zu verstehen. Das in Abs. [0030] beschriebene Ausführungsbeispiel, bei dem die proximale Wand gemeinsam mit weiteren – im Anspruch 1 nicht angesprochenen – Befestigungsplatten ein – ebenfalls im Anspruch 1 nicht angesprochenes – „protector proximal end“ bilde, könne den Schutzbereich der geltend gemachten Ansprüche nicht einschränken. Die Beschreibung des Klagepatents mache deutlich, dass die in den Figuren enthaltenen Ausführungsbeispiele zwar bevorzugt seien, aber keineswegs den Schutzbereich der Ansprüche des Klagepatents auf die gezeigten Anordnungen beschränken sollen– was auch den allgemeinen Regeln der Patentauslegung entspreche. Es sei auch funktional nicht erforderlich, dass die proximale Wand das proximale Ende der Schutzvorrichtung definiere und kein weiteres Element in proximaler Richtung bestehen dürfe.
  22. Weder aus dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs noch aus der Zusammenschau mit den Figuren und der Beschreibung noch nach funktionalen Gesichtspunkten gebe es Anhaltspunkte dafür, dass die Wand, die sich gegenüberliegend von dem zweiten Arm befindet, auf der distalen Seite der proximalen Wand liegen müsse und nicht auch auf der proximalen Seite liegen könne. Für bestimmte Teile des Nadelspitzenschutzes mache der Wortlaut Angaben dazu, wie das jeweilige Bauteil relativ zum Benutzer angeordnet sein soll, d.h. ob es proximal oder distal zu einem bestimmten Bezugspunkt liege. Dabei sei die proximale Wand näher am Benutzer angeordnet als die distale Wand. Hinsichtlich der anderen Teile des Nadelspitzenschutzes werde nicht angegeben, ob diese in proximaler oder distaler Richtung liegen.
  23. Das Klagepatent gebe auch die Ausrichtung des zweiten Arms nicht vor. Auch wenn die Beschreibung des Klagepatents den zweiten Arm derart illustriere, dass sich dieser in distaler Richtung von der proximalen Wand erstrecke, schränke dies den Anspruch nicht ein. Der Beschreibungstext ab Absatz [0018] und die Figuren des Klagepatents bezögen sich nur auf die bevorzugten Ausführungsbeispiele. Das Klagepatent weise dem zweiten Arm die Funktion zu, die Nadelschutzvorrichtung im Gehäuse zu stabilisieren; zu diesem Zweck sei er gegen die Innenwand des Gehäuses vorgespannt.
  24. Das Klagepatent gebe auch nicht vor, dass sich die dem zweiten Arm gegenüberliegende Wand auf der distalen Seite des Nadelspitzenschutzes befinden müsse. Die „Wände“ und „Wandflächen“ dienten nicht dem Nadelspitzenschutz von der Seite. Hierfür sehe das Klagepatent die distale Wand vor. Die dem zweiten Arm gegenüberliegende Wand solle vielmehr gegen die Innenwandfläche des Nadelspitzenschutzgehäuses drücken, d.h. „vorgespannt“ sein, um den Nadelspitzenschutz darin zu fixieren. Der Fachmann verstehe, dass die Wand (112) die Funktion habe, gemeinsam mit dem zweiten Arm den Nadelspitzenschutz im Gehäuse zu fixieren. Das Klagepatent kenne auch eine – wie von der angegriffenen Ausführungsform genutzte – Verbreiterung des Nadelschafts und ihre Druckausübung auf die proximale Wand (Bezugszeichen 175, Abs. [0045]), so,dass die sich in proximaler Richtung erstreckenden Elemente auch nach technisch-funktionaler Auslegung einen zweiten Arm darstellten
  25. Das Klagepatent betrachte die Begriffe „Arm“ und „Wand“ in Bezug auf das Element mit der Bezugsziffer 112 als austauschbar. Das Klagepatent bezeichne das Element mit der Bezugsziffer 112 sowohl als „Wand“ als „Deflektorplatte“ (als auch als „Arm“). Die Austauschbarkeit der Begriffe „Wand“, „Deflektorplatte“ und „Arm“ ergebe sich auch aus der Aufzählung „a deflector wall, plate or arm“. Funktional seien die Bauteile ebenfalls austauschbar.
  26. Das Klagepatent verwende die Bezeichnung „Wand“ als Oberbegriff, der auf die Form hinweise, für flächige, im Wesentlichen zweidimensionale Strukturen. Das Klagepatent bezeichne zum einen äußere Gehäusewandstrukturen bzw. –abschnitte des zweiten Schutzkörpers des Nadelspitzenschutzes (z.B. Seitenwände und distale Wand (106), Wand (112)) grundsätzlich als Wände. Diesen Wänden sei gemeinsam, dass es sich bei ihnen jeweils um flächige Abschnitte handele, deren Länge und Breite/Höhe sehr viel größer sei als deren Tiefe/Wanddicke. Das Klagepatent verwende den Begriff „Wand“ somit in Bezug auf den zweiten Schutzkörper gemäß dem allgemein üblichen Verständnis des Fachmanns, nämlich als ein im Wesentlichen zweidimensionaler flächiger Gegenstand mit zwei voneinander abgewandten größeren Flächen und demgegenüber sehr geringer Tiefe/Wanddicke. Dagegen bezeichne das Klagepatent einen „Arm“ nicht nach seiner flächenmäßigen Ausdehnung, sondern danach, ob es sich um ein starres oder vielmehr um ein freischwingendes Bauteil handele.
  27. Das Klagepatent gebe die räumlich-körperliche Anordnung der Seitenwände nicht vor. Seitenwände könnten flächige, im Wesentlichen zweidimensionale Abschnitte sein, die seitlich angeordnet seien und die entweder zum seitlichen Abschirmen der Nadel und/oder zur Fixierung des Nadelspitzenschutzes im Gehäuse dienten. In einem Ausführungsbeispiel dienten die Seitenwände dazu, die Nadel seitlich abzuschirmen und etwaige Bluttropfen abzufangen, in einem anderen Ausführungsbeispiel weise das Klagepatent den Seitenwänden die Funktion zu, zusätzlich zum zweiten Arm den Nadelspitzenschutz im Gehäuse zu fixieren, d.h. von innen gegen das Gehäuse vorgespannt zu sein und den Nadelspitzenschutz dort festzuhalten.
  28. Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten sämtliche Merkmale des Anspruchs. Insbesondere handele es sich bei der Wand, von der sich die sechs baugleichen symmetrisch angeordneten Bauteile erstreckten, um die proximale Wand, die eine Öffnung zur Aufnahme der Nadelspitze umfasse. Ein Paar der sich in proximaler Richtung erstreckenden sechs baugleichen symmetrisch angeordneten Elemente stellten einen anspruchsgemäßen zweiten Arm und die diesem gegenüberliegende Wand dar. Dass die Elemente mit kugelförmigen Erhebungen versehen seien, führe selbst dann nicht aus dem Schutzbereich des geltend gemachten Anspruchs heraus, wenn die Druckübertragung durch den Kontakt zwischen kugelförmigen Erhebungen und der Innenwandfläche erfolgen sollte.
  29. Die Verhandlung sei schließlich nicht im Hinblick auf das Nichtigkeitsverfahren auszusetzen. Der Gegenstand des Klagepatents sei neu gegenüber den von den Beklagten angeführten Entgegenhaltungen.
  30. Die Klägerin hat ursprünglich auch beantragt, die Beklagten zur Entfernung der angegriffenen Ausführungsformen aus den Vertriebswegen zu verurteilen. Diesbezüglich hat die Klägerin die Klage zurückgenommen.
  31. Die Klägerin beantragt nunmehr,
  32. I. die Beklagten zu verurteilen,
  33. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist,
    zu u n t e r l a s s e n
    Nadelanordnungen, umfassend ein Gehäuse mit einer Innenwandfläche, die einen Hohlraum mit einen darin angeordneten Nadelspitzenschutz definiert; eine Nadel, die einen Nadelschaft mit einer ersten Seite und einer zweiten Seite, die durch eine Mittellinie definiert ist, und eine Nadelspitze aufweist, die durch das Gehäuse und den Nadelspitzenschutz verläuft; wobei der Nadelspitzenschutz umfasst: eine proximale Wand mit einer Öffnung zur Aufnahme der Nadel; einen ersten Arm, der sich von der proximalen Wand erstreckt; und eine distale Wand an einem Ende des ersten Arms zum Blockieren der Nadelspitze; dadurch gekennzeichnet, dass der Nadelspitzenschutz des Weiteren umfasst: einen zweiten Arm, der kürzer ist als der erste Arm und sich von der proximalen Wand erstreckt; und eine Wand, die sich gegenüberliegend von dem zweiten Arm befindet; wobei die dem zweiten Arm (130) gegenüberliegende Wand (112) und der zweite Arm (130), beide gegen die Innenwandfläche des Gehäuses vorgespannt sind,
    Anspruch 1
  34. insbesondere, wenn
    der Nadelspitzenschutz ferner zwei Seitenwände (110A, 110B) umfasst
    Anspruch 3
  35. und insbesondere, wenn
    die beiden Seitenwände (110A, 110 B), der zweite Arm (130) und die dem zweiten Arm (130) gegenüberliegende Wand (112) mit der Innenwandfläche des Gehäuses in Kontakt stehen,
    Anspruch 4
  36. in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
  37. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 05.06.2019 begangen haben, und zwar unter Angabe
  38. a) der Namen und der Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
  39. b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für welche die Nadelanordnungen bestimmt waren,
  40. c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Nadelanordnungen sowie über die Preise, die für die betreffenden Nadelanordnungen bezahlt wurden;
    wobei
    – zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind,
    – geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen
    – die Aufstellung mit den Daten der Auskunft in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form zu übermitteln ist; sofern vorhanden, andernfalls in Papierform und
  41. 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 05.07.2019 begangen haben, und zwar unter der Angabe
  42. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und – preisen und den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, einschließlich der Verkaufsstellen für die die Nadelanordnungen bestimmt waren,
  43. b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und – preisen und den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
  44. c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, den Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume, und bei direkter Werbung, wie Rundbriefen, den Namen und Anschriften der Empfänger,
  45. d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
    wobei
    – die Aufstellung mit den Daten der Rechnungslegung in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form zu übermitteln ist; sofern vorhanden, andernfalls in Papierform und
    – es den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn zugleich ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  46. II. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 05.07.2019 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;
  47. III. die Beklagte zu 2. weiter zu verurteilen, die in der Bundesrepublik Deutschland in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, oben unter I.1. fallenden Nadelanordnungen auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 2. – Kosten herauszugeben.
  48. Die Beklagten beantragen,
  49. die Klage abzuweisen;
  50. hilfsweise:
  51. den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent beim Bundespatentgericht erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.
  52. Die Beklagten sind der Auffassung, das Klagepatent werde von den angegriffenen Ausführungsformen nicht verletzt.
  53. Aus der Beschreibung des Klagepatents ergebe sich, dass die proximale Wand gemeinsam mit den beiden Befestigungsplatten einer Ausführungsform das proximale Ende des Nadelspitzenschutzes sei. Dies gebe selbst die Klägerin in ihrer in Anlage KAP 6 vorgelegten Widerspruchsbegründung gleichermaßen an. Die Wand des Nadelspitzenschutzes, welche sich an dessen proximalen Ende befinde, sei die proximale Wand. Zwar dürfe einem im Patentanspruch verwendeten Begriff, der in einem Fachgebiet gebräuchlich und mit einem bestimmten Inhalt versehen sei, nicht unbesehen diese Bedeutung zugrunde gelegt werden, doch bedeute dies nicht, dass bei der Auslegung eines Patentes unter keinen Umständen auf den üblichen Sprachgebrauch und Begriffsinhalt zurückgegriffen werden dürfe; vielfach sei dies – im Gegenteil – angezeigt. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze könne man nur zu dem Schluss kommen, dass die proximale Wand die am nächsten am Anwender liegende Wand i.S.d. Anspruches 1 sein müsse. Eine weitere Auslegung des Merkmals wäre nur über eine abweichende Bedeutungszuweisung über die Beschreibung als „eigenes Lexikon“ möglich. Dass dies gerade nicht der Fall sei, ergebe sich daraus, dass in sämtlichen Ausführungsbeispielen die proximale Wand die nächste am Anwender angeordnete Wand des Nadelspitzenschutzes sei.
  54. Die weiteren Wände des Nadelspitzenschutzes müssten sich auf der distalen Seite der proximalen Wand befinden. Für die Nadelspitze ergebe sich dies daraus, dass die proximale Wand eine Öffnung zur Aufnahme der Nadel aufweise und die Nadelspitze am Ende des ersten Armes durch die distale Wand blockiert werde. Zum – vom Nadelspitzenschutz bezweckten – Schutz der Nadelspitze könnten daher nur solche Wände beitragen, die sich – wie die Nadelspitze – auf der distalen Seite der proximalen Wand befänden. Die Wände oder Wandflächen dienten nach der Beschreibung des Klagepatents dazu, den seitlichen Kontakt mit der Nadelspitze zu verhindern (vgl. Abs. [0001). Auch aus der Beschreibung in Abs. [0007], dass der Nadelspitzenschutz vorzugsweise Seitenwände aufweist, um die Nadelspitze vor der Gefahr austropfenden Blutes abzuschirmen, schließe der Fachmann, dass die Wände des Nadelspitzenschutzes erfindungsgemäß die Nadelspitze abschirmen sollen.
  55. Die Begriffe „Wand“ und „Arm“ bezeichneten verschiedenartige Bauteile des Nadelspitzenschutzes. Hätten gleichartige Bauteile verwendet werden sollen, wäre ein einheitlicher Begriff verwendet worden. Während in Abs. [0025] der Beschreibung des Klagepatents eine alternative Gestaltungsform, nämlich „Deflektor-Wand“, „-platte“ oder „Arm“ erwähnt werde, sei nach dem maßgeblichen Anspruchswortlaut allein eine Wand beansprucht, nicht eine Wand oder ein Arm. Auch funktional seien die Bauteile Wand und Arm nicht austauschbar, da sich ein Arm nicht in gleicher Weise flächig erstrecke wie eine Wand. Die Abschirmung der Nadelspitze erfolge nach der Lehre des Klagepatents allein über eine Wand. Nämlich blockiere die distale Wand die Nadelspitze und schirme sie in distaler Richtung ab, während die proximale Wand eine Öffnung zur Aufnahme der Nadel aufweise, sie umschließe und in proximaler Richtung abschirme. Die Wand diene dazu, den seitlichen Kontakt mit der Nadelspitze zu verhindern und die Nadelspitze abzuschirmen . Die in Unteranspruch 3 beanspruchten Seitenwände schirmten die Nadelspitze vor der Gefahr austropfenden Blutes ab. Hierzu führe das Klagepatent beispielsweise in Abs. [0046] aus, dass Blut, welches von der Nadelspitze tropfen kann, von einer Wand aufgefangen wird („Blood, which may drip from the needle tip, is configured to be caught by one of the walls.“). Dagegen erfüllte ein Arm nach der Lehre des Klagepatents andere Funktionen, bei denen es nicht auf eine flächenmäßige Abschirmung ankomme: Der erste Arm halte die an seinem Ende angeordnete distale Wand, der zweite Arm halte den Nadelspitzenschutz im Gehäuse der Nadelanordnung, indem er gegen die Innenwandfläche des Gehäuses vorgespannt sei.
  56. Daraus, dass in der Beschreibung auch andere Elemente – wie Arm oder Deflektorplatte mit dem Bezugszeichen 112 bezeichnet seien, ergebe sich nicht, dass der im Anspruch verwendete Begriff „Wand“ mit „Arm“ oder „Deflektorplatte“ austauschbar sei. Bezugszeichen dienten allein der Verdeutlichung und Veranschaulichung der patentgemäßen Lehre und seien nicht Teil des Anspruchs.
  57. Der zweite Arm müsse sich in distaler Richtung von der proximalen Wand erstrecken. Andernfalls befände er sich nicht gegenüberliegend einer erfindungsgemäßen Wand. Der Begriff „gegenüberliegend“ („opposite“) beziehe sich auf die im Anspruch genannte Mittellinie. Dies zeige auch die Verwendung des Begriffs „opposite“ in Abs. [0032] des Klagepatents.
  58. Die nähere Definition, dass der zweite Arm kürzer sein müsse als der erste Arm, mache im Lichte der Gesamtoffenbarung des Klagepatents nur Sinn, wenn diese – gegenüber dem ersten Arm– kürzere Länge des zweiten Arms dem ersten Arm Bewegungsspielraum zur elastischen Verformung, zum Auskragen oder Verschwenken ermögliche. Die geometrische Einschränkung „kürzer“ könne sich daher nur auf eine kürzere Distanz zwischen der proximalen Wand und der distalen Wand beziehen, welche vom zweiten Arm im Vergleich zum ersten Arm eingenommen werde. In den Ausführungsbeispielen müsse der zweite Arm kürzer sein, um die Kreuzung des ersten Arms mit der Nadel und die damit verbundene Schrägstellung gegenüber der Mittellinie der Nadel zu ermöglichen. Entsprechend offenbarten sämtliche Ausführungsbeispiele einen zweiten Arm, der sich in distaler Richtung von der proximalen Wand erstrecke.
  59. Aus dem Anspruchswortlaut ergebe sich, dass die zwei Seitenwände sich weder am proximalen Ende des Nadelspitzenschutzes (dort sei die proximale Wand) noch am distalen Ende des Nadelspitzenschutzes (dort sei die distale Wand) befinden könnten. Sie müssten sich daher auf der distalen Seite der proximalen Wand befinden. Auch aus der Beschreibung des Klagepatents, wonach der Nadelspitzenschutz vorzugsweise Seitenwände aufweise, um die Nadelspitze vor Blicken und vor Blut abzuschirmen, das aus dem Inneren der Nadelspitze tropfe und aus Absatz [0026] und Absatz [0046] ergebe sich, dass die (Seiten-)Wände des Nadelspitzenschutzes erfindungsgemäß die Nadelspitze abschirmen sollten und sich daher auf der distalen Seite der proximalen Wand befinden müssten.
  60. Die angegriffenen Ausführungsformen wiesen weder eine proximale Wand, noch einen zweiten Arm, eine diesem gegenüberliegende Wand und zwei Seitenwände auf.
  61. Bei der Wand, von der die sechs baugleichen symmetrisch angeordneten Elemente abgingen, handele es sich nicht um eine anspruchsgemäße proximale Wand, da sie nicht das proximale Ende des Nadelspitzenschutzes darstelle.
  62. Keine der sechs baugleichen symmetrisch angeordneten Elemente sei ein Arm oder eine Wand im Sinne des Anspruchs, da sie sich nicht auf der distalen Seite der proximalen Wand befänden. Insbesondere könne es sich nicht um Wände handeln, da diese nicht die Abschirmfunktion einer patentgemäßen Wand des Nadelspitzenschutzes erfüllten, da sie sich auf der von der Nadelspitze abgewandten, proximalen Seite der proximalen Wand befänden. Sie verhinderten weder einen seitlichen Kontakt mit der Nadelspitze noch einen direkten Kontakt mit der Nadelspitze und schirmten die Nadelspitze auch nicht ab. Zudem könne keine der sechs baugleichen symmetrisch angeordneten Elemente eine dem zweiten Arm gegenüberliegende Wand im Sinne des Klagepatents bilden, weil sie – nach der Auslegung der Klägerin – ein Arm seien. Selbst wenn man davon ausgehen wolle, dass es sich bei zumindest einem der sechs baugleichen symmetrisch angeordneten Elementen um eine Wand handelte, handelte es sich um die proximale Wand, da sie am Ende des Nadelspitzenschutzes angeordnet seien.
  63. Selbst wenn man der – unzutreffenden – Argumentation der Klägerin folgen würde, dass die angegriffene Ausführungsform eine patentgemäße Wand und einen patentgemäßen zweiten Arm aufweise, wären diese nicht gegen die Innenwandfläche des Gehäuses vorgespannt. Die Fixierung des Nadelspitzenschutzes im Gehäuse werde bei den angegriffenen Ausführungsformen anders realisiert als im Klagepatent, denn die sechs baugleichen symmetrisch angeordneten Elemente weisen – unstreitig – halbkugelförmigen Erhebungen auf, die in eine Nut eingreifen.
  64. Die sechs baugleichen, symmetrisch angeordneten Elemente könnten auch keine Seitenwände darstellen, da sie sich auf der proximalen Seite, also der von der Nadelspitze abgewandten Seite, des Nadelspitzenschutzes befänden.
  65. Jedenfalls sei der Rechtsstreit bis zur Entscheidung über die parallel anhängige Nichtigkeitsklage hilfsweise auszusetzen.
  66. Der Gegenstand von Anspruch 1 sei neuheitsschädlich vorweggenommen durch die Entgegenhaltungen EP 1 250 XXD B1 (nachfolgend NK1), US 6,652,XXE B2 (nachfolgend NK2), WO 2005/042XXF A1 (nachfolgend NK3) und US 6,322,XXG B1 (NK4).
  67. Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2023 Bezug genommen.
  68. Entscheidungsgründe
  69. Die Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keine Ansprüche aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, 140 a Abs. 1, 140b Abs. 1, 2 PatG i.V.m. §§ 242, 259 BGB.
  70. I.
    Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen nicht die Lehre des Klagepatents.
  71. 1.
    Das Klagepatent, dessen in Anlage KAP 02 eingereichter deutscher Übersetzung die nachfolgend ohne Quellenangaben zitierten Absätze entstammen, betrifft ein Nadelspitzenschutzgehäuse in einem Katheteransatz.
  72. In seiner einleitenden Beschreibung schildert das Klagepatent, dass das Einführungsverfahren für einen Venenkatheter regelmäßig vier grundlegende Schritte umfasst: (1) Die Medizinische Fachkraft führt die Nadel und den Katheter zusammen in die Vene des Patienten ein; (2) nach dem Einführen in die Vene mit der Nadelspitze wird der Katheter in die Vene des Patienten vorgeschoben, indem die medizinische Fachkraft den Katheter mit ihrem Finger schiebt; (3) die medizinische Fachkraft zieht die Nadel zurück, indem sie das Nabenende (gegenüber dem Spitzenende) ergreift, während sie die Nadel in die Vene einführt. Gleichzeitig übt die medizinische Fachkraft mit ihrer freien Hand Druck auf die Haut des Patienten an der Einführungsstelle aus; und (4) die medizinische Fachkraft klebt dann den nun eingeführten Katheter mit Klebeband auf die Haut des Patienten und verbindet das freiliegende Ende des Katheters (die Katheternabe) mit der Quelle der zu verabreichenden Flüssigkeit in die Vene des Patienten (Abs. [0002]).
  73. Das Klagepatent kritisiert, dass beim unmittelbar nach dem Herausziehen der Nadel aus der Vene des Patienten erforderlichen Ablegen der freiliegenden Nadelspitze die Gefahr eines versehentlichen Nadelstichs bestehe, wobei die medizinische Fachkraft unter Umständen für die Übertragung verschiedener gefährlicher, durch Blut übertragbarer Krankheitserreger, einschließlich AIDS und Hepatitis, anfällig ist (Abs. [0003]). Das Klagepatent erläutert weiter, dass auch bei anderen Nadeltypen zwischen dem Ablegen der benutzten Nadel auf einem Tablett oder einem Arbeitsplatz und dem Zeitpunkt der Entsorgung der gebrauchten Nadel diese eine potentielle Quelle für die Übertragung von Krankheiten für diejenigen, die in der Nähe der Nadel oder in ihrer Nähe arbeiten, darstellt (Abs. [0004]).
  74. Das Klagepatent nennt zunächst die US 6,117,XXH, welche einen Sicherheits-IV-Katheter mit Federklemme zeigt, ohne diesen zu kritisieren oder näher zu erläutern.
  75. Das Klagepatent schildert weiter, dass J in der US-Schrift 6 616 XXI einen Nadelschutz mit Federklemme aus dem Stand der Technik zeigen. Das Klagepatent gibt als Fig. 1A und 1B die Fig. 4A und 4B des US 6 616 XXI wieder. Diese werden nachfolgend verkleinert eingeblendet:
  76. Nach Abs. [0019] ff. zeigten die Fig. 1A und 1B einen Nadelschutz mit Federklemme nach dem Stand der Technik. Der federnde Nadelschutz (40a) umfasst einen distalen Arm (65), der an seinem oberen Ende in einer gebogenen Lippe (66) und an seinem unteren Ende in einem U-förmigen Abschnitt (67) endet.
    In Fig. 1A ist die Bereitschaftsstellung gezeigt, in der der U-förmige Abschnitt (67) eine in der unteren Innenwand der Katheternabe (26) ausgebildete Erhebung (68) berührt.
  77. Ein Quersegment (69) mit einer zentralen Öffnung (70) erstreckt sich proximal und nach oben und endet in einem oberen U-förmigen Abschnitt (72). Lautdem Klagepatent offenbart die US 6 616 XXI die Öffnung derart konfiguriert, dass sie die Nadel in einer benutzten Position an den Punkten d und e einklemmt.
  78. Wenn sich der Katheter in der Bereitschaftsstellung befindet, führt der Nadelschaft durch die Öffnungen (70, 76 und 84) und ruht auf der gekrümmten Lippe (66), die den Arm (65) gegen den Höcker (68) in der unteren Wand der Katheternabe drückt. Dieser Eingriff, zusammen mit dem elastischen Eingriff des oberen Segments (86) mit der oberen Innenwand der Katheternabe, hält die Federklemme (40a) in ihrer Bereitschaftsposition innerhalb der Katheternabe fest.
  79. Wenn der Nadelansatz (12) und die Nadel (16) um einen ausreichenden Betrag nach rechts zurückgezogen werden, bewegt sich die Nadelspitze (18) in die Nähe der Lippe (66) und gelangt schließlich unter diese. Wenn dies geschieht, lässt die nach unten gerichtete Kraft auf den Arm (65) nach, sodass dieser in die zurückgezogene Person schnappen kann. In dieser erstrecken sich der Arm (65) und die Lippe (66) über die Nadelspitze (18), um so einen versehentlichen Kontakt mit der Nadelspitze zu verhindern. In diesem Zustand ist der Nadelschutz (40a) an den Punkten d und e der Öffnung (70) auf dem Nadelschaft (16) festgeklemmt und die Nadel und der daran festgeklemmte Nadelschutz können leicht aus dem Katheteransatz entfernt werden.
  80. Das Klagepatent erläutert weiter, dass die Nadeln unmittelbar nach der Verwendung abgedeckt werden sollen, um die Sicherheit der Mitarbeiter zu gewährleisten. Idealerweise sollte das Verfahren zum Abdecken der Nadelspitze passiv, selbstaktivierend oder zumindest einfach durchzuführen sein. Darüber hinaus sollte die Vorrichtung zum Abdecken der Nadel zuverlässig und robust sein (Abs. [0005]) und ein sanftes Lösen aus dem Katheterrohr, ohne dass die typischen Fertigungstoleranzen verringert werden müssen (Abs. [0010]) ermöglichen.
  81. Der aus dem Stand der Technik bekannte Spitzenschutz sei zwar gut für die beabsichtigten Zwecke ausgelegt, das Klagepatent sieht aber weiter Bedarf für eine Reihe von Verbesserungen, um ihn zuverlässiger, effektiver und einfacher herstellbar zu machen (Abs. [0023]).
  82. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent eine Nadelanordnung nach Maßgabe von Anspruch 1, die in Form einer Merkmalsgliederung wie folgt dargestellt werden kann:
  83. Anspruch 1:
  84. 1. Eine Nadelanordnung (166), die ein Gehäuse mit einer Innenwandfläche umfasst.
  85. 2. Die Innenwandfläche definiert einen Hohlraum (182) mit einem darin angeordneten Nadelspitzenschutz (100).
  86. 3. Eine Nadel (170) weist einen Nadelschaft und eine Nadelspitze (172) auf.
  87. 3.a. Der Nadelschaft weist eine erste Seite und eine zweite Seite auf, die durch eine Mittellinie definiert sind.
  88. 3.b. Die Nadelspitze (172) verläuft durch das Gehäuse und den Nadelspitzenschutz (100).
  89. 4. Für den Nadelspitzenschutz (100) gilt:
  90. 4.a. Der Nadelspitzenschutz umfasst eine proximale Wand (132) mit einer Öffnung (158) zur Aufnahme der Nadel (170).
  91. 4.b. Der Nadelspitzenschutz (100) umfasst einen ersten Arm (140), der sich von der proximalen Wand (132) erstreckt.
  92. 4.c. Der Nadelspitzenschutz (100) umfasst eine distale Wand (150) an einem Ende des ersten Arms (140) zum Blockieren der Nadelspitze (172).
  93. 4.d. Der Nadelspitzenschutz (100) umfasst des Weiteren einen zweiten Arm (130), der kürzer ist als der erste Arm (140) und sich von der proximalen Wand (132) erstreckt.
  94. 4.e. Der Nadelspitzenschutz (100) umfasst des Weiteren eine Wand (112), die sich gegenüberliegend von dem zweiten Arm (130) befindet.
  95. 4.f. Die dem zweiten Arm (130) gegenüberliegende Wand (112) und der zweite Arm (130) sind beide gegen die Innenwandfläche des Gehäuses vorgespannt.
  96. Die deutsche Fassung des Anspruchs 1 weist an einer Stelle Fehler auf, der in oben stehender Merkmalsgliederung korrigiert wurde. Bei Merkmal 3.a muss es „sind“ anstelle von „ist“ heißen.
    In Anspruch 1 lehrt das Klagepatent eine Nadelanordnung mit einem Spitzenschutz, der vor einem direkten Kontakt mit der Nadelspitze schützt. Kern der klagepatentgemäßen Lehre ist der Nadelspitzenschutz.
  97. Die beanspruchte Nadelanordnung umfasst ein Gehäuse mit einer Innenwandfläche (Merkmal 1), die einen Hohlraum definiert (Merkmal 2), in dem sich ein Nadelspitzenschutz (Merkmale 4.a-4.f) befindet und eine Nadel, die einen Nadelschaft und eine Nadelspitze aufweist (Merkmal 3).
  98. Die Parteien streiten über die Anforderungen des Klagepatents an den Aufbau des in den Merkmalen 4.a – 4.f vorgesehenen Nadelspitzenschutzes.
  99. 2.
    Vor dem Hintergrund des Streits der Parteien bedarf es einer näheren Erörterung des Verständnisses des Klagepatents aus Sicht des Fachmanns.
  100. a.
    Die Merkmale 4.d und 4.e werden von den angegriffenen Ausführungsformen nicht verwirklicht. Eine klagepatentgemäße Nadelanordnung umfasst einen zweiten Arm, der kürzer ist als der erste Arm und sich von der proximalen Wand erstreckt und eine Wand, die sich gegenüberliegend von dem zweiten Arm befindet, wobei es sich bei dem zweiten Arm und der diesem gegenüberliegenden Wand um räumlich-körperlich unterschiedlich ausgestaltete Bauteile handelt. Es kann nicht festgestellt werden, dass die angegriffenen Ausführungsformen einen klagepatentgemäßen zweiten Arm und eine diesem gegenüberliegende Wand aufweisen.
  101. b.
    Der Anspruchswortlaut ist weit formuliert, denn der Nadelspitzenschutz umfasst einen zweiten Arm, der sich von der proximalen Wand erstreckt (Merkmal 4.d) und eine Wand, die sich gegenüberliegend von dem zweiten Arm befindet (Merkmal 4.e). Insofern sind andere Bauteile, die der Nadelspitzenschutz aufweist, zunächst nicht ausgeschlossen. Ferner setzt Merkmal 4.d beide Arme in ihren Größenverhältnissen in Beziehung, wonach der zweite Arm kürzer ist als der erste Arm. Insofern nennt der Anspruch als Unterscheidungsmerkmal der beiden Arme ihre im Vergleich zueinander unterschiedliche Größe.
    In Bezug auf die räumliche Anordnung der Bauteile zweiter Arm und Wand zueinander gibt der Wortlaut lediglich vor, dass diese einander gegenüberliegen.
  102. aa.Funktional ist nicht erforderlich, dass sich der zweite Arm und die dem zweiten Arm gegenüberliegende Wand zwingend auf der distalen Seite der proximalen Wand befinden. Der zweite Arm i.S.d. Merkmals 4.d und die Wand i.S.d. Merkmals 4.e fixieren in erster Linie den Spitzenschutz im Gehäuse. Dies ergibt sich aus der Zusammenschau mit Merkmal 4.f, wonach die Vorspannung der Wand und des zweiten Armes gegen die Innenwand des Gehäuses zu einer Befestigung des Nadelspitzenschutzes im Gehäuse führt. Auch aus Abs. [0034], wonach der Spitzenschutz durch Zusammendrücken der als Ablenkplatte bezeichneten Wand und des zweiten Armes abnehmbar am Gehäuse oder Nabe befestigt wird, und aus Abs. [0040], wonach der Spitzenschutz einen Arm und eine als Ablenkplatte bezeichnete Wand zum elastischen Befestigen des Spitzenschutzes an einem Naben- oder Clipgehäuse aufweist, schließt der Fachmann, dass der zweite Arm i.S.d. Merkmal 4.d und die Wand i.S.d. Merkmals 4.e vornehmlich eine Haltefunktion erfüllen. Damit übereinstimmend wird der zweite Arm in Abs. [0031] als der Arm zur Stabilisierung bezeichnet.
  103. Zwar dient der Nadelspitzenschutz ausweislich der Beschreibung des Klagepatents dem Abdecken der Nadel zur Vermeidung von direktem Kontakt zur Nadelspitze (vgl. Abs. [0006]). Um die Abdeckfunktion des Nadelspitzenschutzes zu gewährleisten, bedarf es aber nicht zwingend einer Anordnung der Wand i.S.d. Merkmals 4.e auf der distalen Seite der proximalen Wand, die eine Öffnung zur Aufnahme der Nadelspitze aufweist. Die Abdeckfunktion erfüllt anspruchsgemäß die distale Wand, die zum Blockieren der Nadel dient. Bei dem seitlichen Spritz- und Sichtschutz (vgl. Abs. [0007]) handelt es sich lediglich um einen bevorzugten Vorteil, den die Anordnung der Wand nicht zwingend erzielen muss, aber erzielen kann.
  104. bb.
    Aus der Bezeichnung der Bauteile „Arm“ und „Wand“ schließt der Fachmann indes, dass es sich anspruchsgemäß um räumlich-körperlich unterschiedliche Bauteile handelt. Hier hat sich der Anspruch auf die jeweiligen Bauteile der Wand und des zweiten Arms in Merkmal 4.e festgelegt, wobei der Fachmann unterschiedliche Anforderungen an deren räumlich-körperliche Ausgestaltung stellt
  105. cc.
    Dem anspruchsgemäßen Begriff „Arm“ legt der Fachmann das übliche Verständnis eines Armes zugrunde, nämlich dass es sich in räumlich-körperlicher Hinsicht um ein frei bewegliches Bauteil handelt. Der allgemeine Sprachgebrauch hat zwar für die Ermittlung des maßgeblichen technischen Sinngehalts (vgl. BGH, GRUR 1999, 902, 912 – Spannschraube) des Anspruchs / Merkmals keine abschließende Bedeutung; auf ihn darf bei der Patentauslegung nichts desto trotz zurückgegriffen werden, weil in der Regel Begriffe mit ihrem (auf dem betroffenen Fachgebiet) üblichen Inhalt verwendet werden (vgl. BGH, GRUR, 2016, 169 Rn. 17 – Luftkappensystem, OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.10.2017 – I-15 U 95/16 – S. 20). Entscheidend ist aber, ob der maßgebliche technische Sinngehalt, wie er dem als seinem eigenen Lexikon dienenden Klagepatent zu entnehmen ist, mit diesem allgemeinen Sprachverständnis übereinstimmt. Dabei reicht es noch nicht aus, dass keine Anhaltspunkte für ein abweichendes Begriffsverständnis gibt; vielmehr kommt es darauf an, ob die maßgebliche Berücksichtigung der objektiven Aufgabe und Lösung des Klagepatents unweigerlich zu dem Begriffsverständnis des allgemeinen Sprachgebrauchs führt (vgl. BGH, GRUR, 2016, 169 Rn. 16 f. – Luftkappensystem, OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.10.2017 – I-15 U 95/16 – S. 21).
  106. Dass es sich bei Armen i.S.d. Klagepatents um frei bewegliche Bauteile handelt, erkennt der Fachmann aus der Beschreibung des Klagepatents, die Arme durchgängig als bewegliche Bauteile darstellt. In Figur 5 werden drei bewegliche Arme dargestellt (Abs. [0040]). Figur 12 zeigt einen vom proximalen Schutzkörper auskragenden und einen anderen von einem distalen Ende des zweiten Schutzkörpers auskragenden Arm (Abs. [0044]). Dass auch diese nur als auskragend beschriebenen Arme beweglich sind, ergibt sich daraus, dass der Arm in seinen – in Figur 13 dargestellten – weniger gebogenen Zustand zurückkehrt, wenn die auf den Arm wirkende Vorspannkraft aufgehoben wird (Abs. [0045]). In einer beispielhaften Ausführungsform wird alternativ ein Stift eingeführt, um einen Arm nach unten zu drücken (Abs. [0027]). In Figur 4 wird ein erster Arm i.S.v. Merkmal 4.b dargestellt, der um einen Punkt am proximalen Ende des Spitzenschutzes, der wie ein Scharnier wirkt, schwenkbar, biegbar oder auskragend ist (Abs. [0030]). In einer Ausführungsform sind an jeder Ecke der proximalen Wand Ausschnitte ausgebildet, die so gestaltet sind, dass sie die von den Armen erzeugte Federkraft verringern (Abs. [0039]).
  107. Auch funktional ist eine freie Beweglichkeit der Arme erforderlich. Ein Ziel der vorliegenden Erfindung ist es, den Spitzenschutz in einen Sicherheitsinfusionskatheter einzubauen, um eine Nadelspitze beim Entfernen einer Nadel aus einem Katheterrohr durch einen elastischen Eingriff zwischen dem Spitzenschutz und der Katheternabe zu schützen. Der elastische Eingriff soll ein relativ sanftes Lösen ermöglichen, ohne dass die typischen Fertigungstoleranzen verringert werden müssen (Abs. [0010]). Die Beweglichkeit der Arme ermöglicht die Elastizität des Eingriffs.
    dd.
    Auch dem anspruchsgemäßen Begriff „Wand“ legt der Fachmann das übliche Verständnis einer Wand zugrunde, nämlich dass es sich in räumlich-körperlicher Hinsicht um eine flächige, zweidimensionale Struktur, mit zwei voneinander abgewandten, größeren Flächen und demgegenüber geringerer Wanddicke handelt.
  108. In den Figuren 2 und 4 des Klagepatents ist eine Wand im Sinne des üblichen Verständnisses des Begriffes dargestellt. Dort ist die anspruchsgemäße Wand als Ablenkplatte (Abs. [0028] und [0034]) bezeichnet und die Figuren zeigen flächige Strukturen. Dass Ablenkplatten Wandstrukturen sind, ergibt sich aus Abs. [0036]. Nachfolgend werden zur Veranschaulichung die Figuren 2 und 3 verkleinert eingeblendet, in denen die Ablenkplatte jeweils mit der Bezugsziffer 112 bezeichnet ist.
  109. Auch funktional ist erforderlich, dass es sich bei Wänden um flächige Bauteile handelt. Der Anspruch kennt die Bauteile der proximalen und distalen Wände (Merkmale 4.a und 4.c). Dass die distale Wand flächig ausgestaltet sein muss, entnimmt der Fachmann deren Aufgabe, die Nadelspitze abzuschirmen. Die flächige Ausgestaltung der proximalen Wand ergibt sich für den Fachmann daraus, dass sie anspruchsgemäß eine Öffnung zur Aufnahme der Nadelspitze (Merkmal 4.a) umfasst und dass sich sowohl der erste als auch der zweite Arm von ihr erstrecken. Das Klagepatent kennt gemäß Unteranspruch 3 auch Seitenwände, die die Nadelspitze vor Blicken und Blut schützen, das aus dem Inneren der Nadelspitze tropft (Abs. [0007]). Funktional ist erforderlich, dass auch diese zur Erfüllung ihrer Abschirmwirkung flächig ausgestaltet sind. Daraus, dass die Wand gemäß Merkmal 4.d nicht zwingend die Funktion einer Abschirmung der Nadel erfüllen muss (s.o.), wird der Fachmann nicht den Eindruck gewinnen, die Wand könne abweichend von den übrigen klagepatentgemäßen Wänden nicht flächig ausgestaltet werden. Dass auch die Wand gemäß Merkmal 4.d eine abschirmende Funktion erfüllen kann, erkennt der Fachmann aus den Ausführungsbeispielen, in denen die dem zweiten Arm gegenüberliegende Wand als flächiges Bauteil angeordnet auf der distalen Seite der proximalen Wand gemäß Merkmal 4.a gezeigt ist.
  110. Dass die Wandstruktur der Wand i.S.d. Merkmals 4.e eine federnde Eigenschaft aufweisen, ergibt sich für den Fachmann aus Merkmal 4.f, wonach die Wand gegen die Innenwandfläche des Gehäuses vorgespannt ist. Eine frei bewegliche Anordnung der Wand sieht das Klagepatent hingegen gerade nicht vor. In den Figuren 3 und 5 wird die als Ablenkplatte bezeichnete Wand als von der Umfangskontur der distalen Wand des (nicht anspruchsgemäßen) zweiten Schutzkörpers auskragend dargestellt (vgl Abs. [0034]). Dass ein auskragendes Bauteil gerade nicht – wie ein Arm (s.o.) – frei schwenkbar oder biegbar ist, ergibt sich aus Abs. [0030], wonach der in Figur 5 dargestellte Arm schwenkbar, biegbar oder auskragend ist. Die in Figuren 3 und 5 als Ablenkplatte bezeichnete Wand kann vielmehr „wie ein Sprungbrett ausschlagen“ (Abs. [0034]). Insoweit bestätigt die Beschreibung des Klagepatents das fachmännische Verständnis der unterschiedlichen, räumlich-körperlichen Ausgestaltung des zweiten Arms und der Wand.
  111. ee.
    Eine Austauschbarkeit von klagepatentgemäßen Wänden und Armen entnimmt der Fachmann auch nicht Abs. [0025] der Klagepatentbeschreibung, wonach sich in einer Ausführungsform im (nicht anspruchsgemäßen) zweiten Schutzkörper distal von der distalen Wand eine Vielzahl von Wänden erstreckt, die zwei Seitenwände und eine Ablenkwand, eine Platte oder einen Arm umfassen. Dem entnimmt der Fachmann, der den Anspruch im Gesamtzusammenhang in den Blick nimmt, nicht, dass es sich bei einem anspruchsgemäßen Arm auch um eine Wand handeln kann. Erst recht entnimmt der Fachmann keine generelle Austauschbarkeit der Bauteile Arme und Wände aus dem Umstand, dass das in Abs. [0025] für den Arm verwandte Bezugszeichen 112 mit dem im Anspruch für die dem zweiten Arm gegenüberliegende Wand i.S.d. Merkmals 4.e verwandten Bezugszeichen übereinstimmt.
  112. c.
    Die Merkmale 4.d und 4.e werden von den angegriffenen Ausführungsformen nicht verwirklicht.
  113. Von der proximalen Wand, die eine Öffnung zur Aufnahme der Nadelspitze umfasst, erstrecken sich in proximaler Richtung sechs baugleiche symmetrisch angeordnete Elemente. Es kann nicht festgestellt werden, dass es sich bei einem dieser Elemente um den zweiten Arm i.S.v. Merkmal 4.d handelt. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass der Nadelspitzenschutz neben den anspruchsgemäßen Bauteilen weitere Bauteile umfasst, doch hat der Anspruch sich durch die Bezeichnung der Bauteile gemäß Merkmalen 4.b und 4.d als ersten und zweiten Arm darauf festgelegt, dass beide Arme in Bezug aufeinander durch ihre unterschiedlichen Größenverhältnisse unterscheidbar sind. Diese Zuordnung anhand der Größenverhältnisse ist bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht möglich. Die angegriffenen Ausführungsformen umfassen gerade keinen zweiten Arm, der kürzer ist als ein erster Arm. Eine Feststellung, welche der sechs baugleichen symmetrisch angeordneten Elemente den zweiten Arm i.S.v. Merkmal 4.d darstellt, geriete vielmehr völlig beliebig. Es kann zudem nicht festgestellt werden, dass es sich bei einem der sechs baugleichen Elemente um ein frei bewegliches Bauteil handelt. Dass die Bauteile leicht radial nach außen gebeugt sind, führt nicht zu einer freien Beweglichkeit, sondern allenfalls zu einer federnden Vorspannung. Damit handelt es sich nicht um anspruchsgemäße Arme, die sich in räumlich-körperlicher Hinsicht durch freie Beweglichkeit charakterisieren. Es könnte sich allenfalls um Wände i.S.d. Merkmal 4 e. handeln. Da nach der Auslegung der Kammer das Klagepatent beide Bauteile räumlich-körperlich unterscheidet und sie nicht austauschbar sind, liegt ebenfalls keine Verwirklichung des Merkmals 4.e vor, da auch insoweit das Vorliegen des zweiten Arms, dem sich die Wand gegenüberliegend befindet, bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht festgestellt werden kann.
  114. II.
    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S.2, 92 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
  115. III.
    Der Streitwert wird auf 1.000.000 EUR festgesetzt.

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