Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3279
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 15. Februar 2023, Az. 4b O 66/21
- I. Die Klage wird abgewiesen.
- II. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelferin trägt die Klägerin.
- III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 2 XXX XXX B1 (Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf aus den Vertriebswegen und Vernichtung patentverletzender Erzeugnisse, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Erstattung außergerichtlicher Kosten in Anspruch.
- Das Klagepatent wurde am 23. Mai 2008 unter Inanspruchnahme zweier US-Prioritäten vom 23. Mai 2007 und vom XXX von der A, Inc. mit Sitz in XXX angemeldet. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am XXX veröffentlicht. Am 31. Oktober 2019 wurde die Eintragung der Klägerin im Patentregister als Inhaberin des Klagepatents veröffentlicht.
- Das Patent steht in Kraft. Die Beklagte zu 3) hat vor dem Bundespatentgericht Nichtigkeitsklage erhoben mit dem Antrag, das Klagepatent für nichtig zu erklären. Über die Nichtigkeitsklage ist bislang nicht entschieden.
- Das in englischer Verfahrenssprache verfasste Klagepatent bezieht sich auf die Aufzeichnung und Meldung von Fahreigenschaften unter Verwendung eines drahtlosen Mobilgeräts. Die von der Klägerin geltend gemachten Patentansprüche 1 und 11 des Klagepatents lauten wie folgt:
- 1. A method of accumulating vehicle operating data for a user of a vehicle (12) comprising the steps of:
a) associating a mobile device (16) with a vehicle unit (14) of the vehicle (12), wherein the mobile device is a user’s portable cell phone or smart phone;
b) recognizing at the vehicle unit (14) the mobile device (16) as a previously registered mobile device associated with an insured user of the vehicle (12);
c) identifying at the vehicle unit (14) the user of the associated mobile device (16) as a current driver of the vehicle (12);
d) determining a location of the vehicle directly from a GPS receiver (52) built-into the mobile device or from a cell tower triangulation of the mobile device;
e) accumulating vehicle operating data for the user, including the directly-determined location data; and
f) receiving, at a risk code algorithm, said accumulated vehicle operating data for use subsequently to determine a cost of insurance for the insured user of the vehicle (12). - und
- 11. A system for accumulating vehicle operating data for a user of a vehicle (12), the system comprising:
a mobile device (16) configured to associate with a vehicle unit (14) of the vehicle (12), wherein the mobile device is a user’s portable cell phone or smart phone;
a vehicle unit (14) configured to recognize the mobile device (16) as a previously registered mobile device associated with an insured user of the vehicle (12), the vehicle unit (14) being configured to identify the user of the associated mobile device (16) as a current driver of the vehicle (12); the system being configured to:
determine a location of the vehicle directly from a GPS receiver (52) built-into the mobile device or from a cell tower triangulation of the mobile device;
accumulate vehicle operating data for the user, including the directly-determined location data; and
receive, at a risk code algorithm, said accumulated vehicle operating data for use subsequently to determine a cost of insurance for the insured user of the vehicle (12). - und in deutscher Übersetzung:
- 1. Verfahren zum Akkumulieren von Fahrzeugbetriebsdaten für einen Benutzer eines Fahrzeugs (12), die Schritte umfassend:
a) Assoziieren eines Mobilgeräts (16) mit einer Fahrzeugeinheit (14) des Fahrzeugs (12), worin das Mobilgerät ein Mobiltelefon oder Smartphone eines Benutzers ist;
b) in der Fahrzeugeinheit (14) erfolgendes Erkennen des Mobilgeräts (16) als ein vorher registriertes Mobilgerät, das mit einem versicherten Benutzer des Fahrzeugs (12) assoziiert ist;
c) in der Fahrzeugeinheit (14) erfolgendes Identifizieren des Benutzers des assoziierten Mobilgeräts (16) als einen aktuellen Fahrer des Fahrzeugs (12);
d) Bestimmen eines Standorts des Fahrzeugs, und zwar direkt von einem in das Mobilgerät eingebauten GPS-Empfänger (52) oder aus einer Mobilfunkturm-Triangulation des Mobilgeräts;
e) Akkumulieren von Fahrzeugbetriebsdaten für den Benutzer, einschließlich der direkt bestimmten Standortdaten; und
f) Empfangen der akkumulierten Fahrzeugbetriebsdaten in einem Risikocode-Algorithmus zur anschließenden Verwendung, um Versicherungskosten für den versicherten Benutzer des Fahrzeugs (12) zu bestimmen. - und
- 11. System zum Akkumulieren von Fahrzeugbetriebsdaten für einen Benutzer eines Fahrzeugs (12), wobei das System umfasst:
ein Mobilgerät (16), das dafür konfiguriert ist, sich mit einer Fahrzeugeinheit (14) des Fahrzeugs (12) zu assoziieren, worin das Mobilgerät ein Mobiltelefon oder Smartphone eines Benutzers ist;
eine Fahrzeugeinheit (14), die dafür konfiguriert ist, das Mobilgerät (16) als ein vorher registriertes Mobilgerät, das mit einem versicherten Benutzer des Fahrzeugs (12) assoziiert ist, zu erkennen, wobei die Fahrzeugeinheit (14) dafür konfiguriert ist, den Benutzer des assoziierten Mobilgeräts (16) als einen aktuellen Fahrer des Fahrzeugs (12) zu identifizieren; wobei das System konfiguriert ist zum:
Bestimmen eines Standorts des Fahrzeugs, und zwar direkt von einem in das Mobilgerät eingebauten GPS-Empfänger (52) oder aus einer Mobilfunkturm-Triangulation des Mobilgeräts;
Akkumulieren von Fahrzeugbetriebsdaten für den Benutzer, einschließlich der direkt bestimmten Standortdaten; und
Empfangen der akkumulierten Fahrzeugbetriebsdaten in einem Risikocode-Algorithmus zur anschließenden Verwendung, um Versicherungskosten für den versicherten Benutzer des Fahrzeugs (12) zu bestimmen. - Wegen der im Wege von „insbesondere“-Anträgen geltend gemachten Unteransprüche 8 bis 10 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
- Die nachfolgende Zeichnung stammt aus der Klagepatentschrift und gibt eine schematische Ansicht des Fahrzeugüberwachungssystems gemäß der Erfindung wieder.
- Die Beklagte zu 3) ist die Muttergesellschaft der Unternehmensgruppe B. Sie und die Beklagte zu 1), Tochtergesellschaft der Beklagten zu 3), sind Versicherungsunternehmen, die ihren Versicherungsnehmern den Tarifzusatz „XXX“ anbieten. Mit diesem Tarifzusatz können die Versicherten abhängig von ihrer Fahrweise Rabatte auf die Versicherungsprämie erhalten. Um den Tarifzusatz nutzen zu können, benötigen die Versicherten eine Smartphone-Applikation (nachfolgend: „App“) namens „XXX“ und einen „XXX“ (nachfolgend auch: „Sensor“). Die Versicherten müssen die App auf ihrem Smartphone installieren und sich registrieren. Nach der Registrierung versendet die Beklagte zu 2), ebenfalls Tochtergesellschaft der Beklagten zu 3), den Sensor an die versicherte Person, die ihn mit ihrem Smartphone über die App verbindet. Bei dieser einmaligen Aktivierung des Sensors wird – über die App – im Backend, das heißt serverseitig, eine logische Zuordnung zwischen dem Sensor und dem Fahrzeug des Versicherungsnehmers erzeugt. Zudem ist der Sensor im Backend mit dem Versicherungsnehmer logisch verknüpft. Der Sensor wird dann im Auto befestigt.
- Sobald der Sensor eine Bewegung oder Erschütterung registriert, wacht er auf und generiert Daten über seine Bewegung, die er selbstständig aufzeichnet. Zudem sendet der Sensor in periodischen Zeitabständen sogenannte „BLE (‚Bluetooth Low Energy‘) advertisements“, also broadcast-ähnliche Einladungsnachrichten, an die Umgebung aus. Diese BLE advertisements können von jedem Mobilgerät mit aktiver BLE-Verbindung ohne vorherige Prüfung oder Austausch von Sicherheitsschlüsseln empfangen werden, das sich in räumlicher Nähe des Sensors befindet. Allerdings kann eine Kommunikationsverbindung nur mit einem Mobilgerät aufgebaut werden, für dessen Benutzer der Sensor registriert ist. Der eindeutige Identifikator, mit dem der Sensor identifiziert werden kann, ist seine MAC-Adresse, die der Sensor mit den BLE advertisements versendet und über die der Sensor einem Fahrzeug zugeordnet werden kann. Erkennt der Sensor, dass eine Verbindung mit einem Mobilgerät aufgebaut ist, versendet er die aufgezeichneten Fahrdaten über diese Verbindung an das Mobilgerät mittels des BLE-Protokolls. Kommt innerhalb eines bestimmten Zeitraums, nachdem der Sensor „aufgewacht“ ist, eine BLE-Verbindung nicht zustande, gibt der Sensor akustische Signale ab.
- Die App eines mit dem Sensor verbundenen Mobilgeräts empfängt von diesem während einer Fahrt mit dem Auto Fahrdaten und zeichnet Fahrdaten auf, die das Mobilgerät an die Beklagte zu 2) oder die Streithelferin, einen von der Beklagten zu 2) beauftragten Technologiepartner, sendet. Die Streithelferin ist auch Herstellerin des Sensors. Die Beklagte zu 2) bzw. die Streithelferin verarbeitet die Fahrdaten pseudonymisiert, berechnet aus ihnen Fahrwerte und stellt diese den Beklagten zu 1) und 3) zur Verfügung, die sie den jeweiligen Versicherungsverträgen zuordnen und die Rabatte berechnen.
- Die Klägerin richtet sich mit der Klage sowohl gegen das Produkt „XXX“ (angegriffene Ausführungsform 1), als auch gegen die App (angegriffene Ausführungsform 2) und den Sensor (angegriffene Ausführungsform 3).
- Die Beklagten zu 1) und 3) bewerben gegenüber ihren Versicherten die angegriffene Ausführungsform 1. Auf der Unternehmenswebsite www.XXX.de wird der Tarifzusatz näher beschrieben. Wegen der Einzelheiten des Internetauftritts wird auf die Anlage KAP 5 verwiesen. Schließen die Versicherten einen „XXX“-Vertrag ab, werden sie nicht nur Vertragspartner des jeweiligen Versicherungsunternehmens, sondern auch der Beklagten zu 2), die in diesem Rahmen als Telematik-Dienstleister fungiert. Vertragsbedingungen und Datenschutzerklärung, in denen die Beklagte zu 2) und auch die Streithelferin genannt werden, liegen als Anlagen KAP 6 und KAP 7 vor. Auszüge aus den Internetauftritten der Beklagten und der Streithelferin, in denen die Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsformen dargestellt wird, liegen als Anlagen KAP 20 und KAP 22 vor. Die Beklagte zu 2) stellt den Versicherten die angegriffene Ausführungsform 2 und die angegriffene Ausführungsform 3 zur Verfügung und verarbeitet die gesammelten Fahrdaten, die sie den Beklagten zu 1) und 3) zur Verfügung stellt.
- Mit anwaltlichem Schreiben vom 16. Juli 2021 mahnte die Klägerin die Beklagten wegen einer Verletzung des Klagepatents ab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 16. August 2021 teilten die Beklagten nach Prüfung der Sachlage mit, dass kein Anlass bestehe, die geforderten Erklärungen abzugeben oder die geforderten Auskünfte zu erteilen. Wegen des genauen Inhalts der Korrespondenz wird auf die Anlagen KAP 8b und 8c Bezug genommen.
- Die Klägerin behauptet, sie sei alleinberechtigte Inhaberin des Klagepatents. Das Klagepatent sei ihr von der A, Inc. wirksam übertragen worden. Indiz dafür sei ihre – der Klägerin – Eintragung im Patentregister. Aber auch die vor der Übertragung des Klagepatents entstandenen Ansprüche aus dem Klagepatent seien ihr von der vormaligen Patentinhaberin mit Übertragungsvereinbarung vom 11. April 2019 wirksam übertragen worden. Herr XXX als alleiniger Director der Klägerin und Frau XXX für die Unternehmensberatung C, Insolvenzverwalterin der A, Inc., hätten die Vereinbarung unterzeichnet und seien zur Vertretung befugt gewesen. Die Zustimmung des zuständigen kanadischen Gerichts habe – soweit erforderlich – vorgelegen.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten benutzten mit der angegriffenen Ausführungsform 1 die Lehre des Klagepatentanspruchs 1 unmittelbar und verletzten mit den angegriffenen Ausführungsformen 2 und 3 die Ansprüche 1 und 11 des Klagepatents mittelbar.
Die Idee der Erfindung sei es, für die Erfassung von Fahrzeugbetriebsdaten die Smartphones der Versicherungsnehmer zu nutzen und so die Kosten eines Aufzeichnungssystems zu verringern, da diese Geräte mittlerweile Funktionen übernehmen könnten, die früher Hochleistungsrechnern vorbehalten gewesen seien, und von einer Vielzahl von Nutzern verwendet würden. Um die Versicherungsleistungen dem jeweiligen Versicherungsnehmer zuordnen zu können, müsse sichergestellt sein, dass sich die Fahrzeugeinheit mit dem richtigen Smartphone des jeweiligen Versicherungsnehmers verbinde. Vor diesem Hintergrund sei das Klagepatent auszulegen.
Demnach sei unter dem Begriff der Fahrzeugeinheit eine Komponente zu verstehen, die räumlich und funktional dem Fahrzeug zugeordnet sei, also bestimmungsgemäß im Fahrzeug angeordnet sei, und mit dem Mobilgerät drahtlos kommunizieren könne. Das Mobilgerät sei mit dieser Fahrzeugeinheit assoziiert, wenn beide Komponenten derart einander zugeordnet seien, dass jedenfalls eine der Komponenten die andere als ihr zugehörig erkennt. Es handele sich um eine logische Zuordnung.
Soweit im nächsten Schritt das Mobilgerät als registriertes Mobilgerät erkannt werden solle, genüge es, dass an der Fahrzeugeinheit ein Erkennungsprozess stattfinde. Dies könne in der Fahrzeugeinheit geschehen, sei aber nicht darauf beschränkt. Der Klagepatentanspruch 1 lasse sprachlich offen, welche Komponente des Systems den Erkennungsschritt ausführe. Das Erkennen als registriertes Mobilgerät sei die Konsequenz der logischen Zuordnung und vollziehe diese auf der tatsächlichen Ebene nach. Dabei komme es für ein registriertes Mobilgerät nicht darauf an, dass ein konkretes Mobilgerät registriert sei. Das Mobilgerät habe nur die Funktion eines Mittlers zum versicherten Benutzer, so dass auch die Registrierung nur mittelbar zu verstehen sei. Es sei der Benutzer, der sich mit Hilfe des Mobilgeräts registriere und daher unmittelbar registriert sein müsse. Die Assoziierung des Mobilgeräts mit dem Benutzer setze wiederum eine logische Zuordnung voraus, so dass Benutzer und Fahrzeug über das Mobilgerät als Mittler miteinander verknüpft werden könnten. Das System und damit das Mobilgerät erkenne, dass der Benutzer mit dem Mobilgerät assoziiert sei, wobei es auf das konkrete Mobilgerät nicht ankomme.
In dem Erkennen des Benutzers liege dann auch die Identifizierung dieses Benutzers als Fahrer des Fahrzeugs. Welche Komponente die fahrende Person an der Fahrzeugeinheit identifiziere, lasse der Verfahrensanspruch offen. Entweder erkenne die Fahrzeugeinheit das Mobilgerät oder das Mobilgerät erkenne sich als registriertes Gerät, so dass das System einen Rückschluss auf die fahrende Person ziehen könne. Es genüge eine mittelbare Identifikation des Fahrers über das Mobilgerät.
Bei den Fahrzeugbetriebsdaten, die dann akkumuliert und schließlich vom Risikocode-Algorithmus empfangen würden, handele es sich um alle Daten, die über den Betrieb des Fahrzeugs – und nicht über das Fahrzeug selbst – Auskunft gäben.
Der Klagepatentanspruch 11 verlange, dass die Fahrzeugeinheit konfiguriert sei, den Erkennungs- und Identifizierungsschritt durchzuführen. Es werde also ein System beansprucht, das eine spezielle Ausführungsform des Verfahrens nach Anspruch 1 durchführe.
Die angegriffene Ausführungsform 1 verwirkliche sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs 1. Die Fahrzeugeinheit werde durch den angegriffenen Sensor gebildet, der dem Fahrzeug logisch zugeordnet sei. Dies ergebe sich unter anderem aus den Internetauftritten der Beklagten und der Streithelferin, wonach die App den Fahrer und der Sensor das Fahrzeug identifiziere bzw. der Sensor bei der Ersteinrichtung dem Fahrzeug zugeordnet werde. Auch das Mobilgerät sei in diesem Sinne dem Sensor logisch zugeordnet, was durch die Kommunikationsverbindung zwischen den beiden Komponenten belegt werde. Das Mobilgerät erkenne den „richtigen“ Sensor und verbinde sich mit ihm. Zudem sei der Sensor mit dem versicherten Benutzer auf logischer Ebene verknüpft, was nur über das Mobilgerät möglich sei und daher ebenso für eine Verknüpfung von Mobilgerät und Sensor spreche. Diese logische Zuordnung zeige sich in der App und technisch in der Übersendung der MAC-Adresse durch den Sensor, die lediglich dem Mobilgerät des Benutzers bekannt sei, für den der Sensor aktiviert sei. Nur dieses Mobilgerät könne den Sensor verstehen und eine Kommunikationsverbindung aufbauen.
Weiterhin sei das Mobilgerät mit dem jeweiligen versicherten Benutzer assoziiert, da der Benutzer mit dem Herunterladen der App und mit der erforderlichen Anmeldung und Registrierung das Mobilgerät konkret seiner Person zuordne. Es sei ohnedies lediglich erforderlich, dass der versicherte Benutzer unmittelbar und das Mobilgerät mittelbar registriert seien. Das sei durch den Anmelde- und Registrierungsprozess gewährleistet. Die App sei ohne Anmeldung und Registrierung nicht nutzbar. Schließlich erkenne der Sensor das Mobilgerät als zuvor registriertes Gerät, weil beide eine bidirektionale BLE-Verbindung aufbauten. Da nur ein Mobilgerät, dass den Sensor als „richtigen“ Sensor identifiziert habe, eine solche Verbindung aufbaue, erkenne der Sensor das Mobilgerät mittelbar als zuvor registriert. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Sensor erkenne, wenn keine bidirektionale Verbindung bestehe, und dann akustische Signale abgebe. Dies geschehe selbst dann, wenn sich ein Mobilgerät mit der angegriffenen App in einem Fahrzeug befinde, dessen Benutzer aber nicht für den darin befindlichen Sensor registriert sei. Aus alledem ergebe sich, dass das Mobilgerät selbst ebenfalls erkenne, dass es registriert sei, weil es nur dann eine Kommunikationsverbindung mit dem Sensor aufbauen könne.
Schließlich werde auch am Sensor der mit dem Mobilgerät assoziierte Benutzer als aktueller Fahrer identifiziert. Der Sensor identifiziere die Person mittelbar, indem er das Mobilgerät als zuvor registriert erkenne. Das Mobilgerät stehe als Mittler in dem angegriffenen System stellvertretend für die registrierte versicherte Person. Ebenso erkenne das Mobilgerät die versicherte Person, weil es beim Verbindungsaufbau den richtigen Sensor erkenne und das System davon ausgehe, dass die registrierte Person das Fahrzeug fahre.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagten würden das Verfahren nach dem Klagepatent selbst anwenden. Denn sie müssten sich aufgrund ihres Verhaltens das Verhalten der Versicherungsnehmer und anderer beteiligter Personen zurechnen lassen. Zumindest würden sie das geschützte Verfahrene anbieten.
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen begründeten die angegriffenen Ausführungsformen 2 und 3 eine mittelbare Verletzung der Klagepatentansprüche. Sie wirkten bei der Anwendung des angegriffenen Verfahrens mit den übrigen Komponenten zusammen und bildeten mit diesen ein anspruchsgemäßes System. Nach alledem seien die Beklagten zur Unterlassung schlechthin verpflichtet.
Die Klägerin ist weiter der Ansicht, ihr Auskunftsbegehren sei verhältnismäßig. Für die Abgabe einer strafbewehrten Geheimhaltungsvereinbarung gebe es keine Rechtsgrundlage.
Schließlich werde sich das Klagepatent als rechtsbeständig erweisen. - Die Klägerin beantragt,
- I. die Beklagten zu verurteilen,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1. und 3. an dem jeweiligen Mitglied des Vorstands und hinsichtlich der Beklagten zu 2. an dem jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist,
- zu unterlassen,
- a) ein Verfahren zum Akkumulieren von Fahrzeugbetriebsdaten für einen Benutzer eines Fahrzeugs
in der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden und/oder anzubieten
welches die Schritte umfasst:
a) Assoziieren eines Mobilgeräts mit einer Fahrzeugeinheit des Fahrzeugs, worin das Mobilgerät ein Mobiltelefon oder Smartphone eines Benutzers ist;
b) in der Fahrzeugeinheit erfolgendes Erkennen des Mobilgeräts als ein vorher registriertes Mobilgerät, das mit einem versicherten Benutzer des Fahrzeugs assoziiert ist;
c) in der Fahrzeugeinheit erfolgendes Identifizieren des Benutzers des assoziierten Mobilgeräts als einen aktuellen Fahrer des Fahrzeugs;
d) Bestimmen eines Standorts des Fahrzeugs, und zwar direkt von einem in das Mobilgerät eingebauten GPS-Empfänger oder aus einer Mobilfunkturm-Triangulation des Mobilgeräts;
e) Akkumulieren von Fahrzeugbetriebsdaten für den Benutzer, einschließlich der direkt bestimmten Standortdaten; und
f) Empfangen der akkumulierten Fahrzeugbetriebsdaten in einem Risikocode-Algorithmus zur anschließenden Verwendung, um Versicherungskosten für den versicherten Benutzer des Fahrzeugs zu bestimmen
(unmittelbare Verletzung Verfahrensanspruch 1) - insbesondere wenn
die Fahrzeugbetriebsdaten die Geschwindigkeit des Fahrzeugs umfassen
(unmittelbare Verletzung Unteranspruch 7)
und/oder
die Fahrzeugbetriebsdaten die durch das Fahrzeug zurückgelegte Entfernung umfassen
(unmittelbare Verletzung Unteranspruch 8)
und/oder
das Mobilgerät mit mehr als einem Fahrzeug assoziiert ist
(unmittelbare Verletzung Unteranspruch 9) - b) Fahrzeugeinheiten und/oder Smartphone-Apps
Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern,
die zum Einsatz in einem System zum Akkumulieren von Fahrzeugbetriebsdaten für einen Benutzer eines Fahrzeugs geeignet sind,
wobei das System umfasst:
ein Mobilgerät, das dafür konfiguriert ist, sich mit einer Fahrzeugeinheit des Fahrzeugs zu assoziieren, worin das Mobilgerät ein Mobiltelefon oder Smartphone eines Benutzers ist;
eine Fahrzeugeinheit, die dafür konfiguriert ist, das Mobilgerät als ein vorher registriertes Mobilgerät, das mit einem versicherten Benutzer des Fahrzeugs assoziiert ist, zu erkennen, wobei die Fahrzeugeinheit dafür konfiguriert ist, den Benutzer des assoziierten Mobilgeräts als einen aktuellen Fahrer des Fahrzeugs zu identifizieren;
wobei das System konfiguriert ist zum:
Bestimmen eines Standorts des Fahrzeugs und zwar direkt von einem in das Mobilgerät eingebauten GPS-Empfänger oder aus einer Mobilfunkturm-Triangulation des Mobilgeräts;
Akkumulieren von Fahrzeugbetriebsdaten für den Benutzer, einschließlich der direkt bestimmten Standortdaten; und
Empfangen der akkumulierten Fahrzeugbetriebsdaten in einem Risikocode-Algorithmus zur anschließenden Verwendung, um Versicherungskosten für den versicherten Benutzer des Fahrzeugs zu bestimmen;
(mittelbare Verletzung Vorrichtungsanspruch 11) - c) Fahrzeugeinheiten und/oder Smartphone-Apps
Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern,
die zur Durchführung eines Verfahrens geeignet sind, welches die Schritte umfasst,
a) Assoziieren eines Mobilgeräts mit einer Fahrzeugeinheit des Fahrzeugs, worin das Mobilgerät ein Mobiltelefon oder Smartphone eines Benutzers ist;
b) in der Fahrzeugeinheit erfolgendes Erkennen des Mobilgeräts als ein vorher registriertes Mobilgerät, das mit einem versicherten Benutzer des Fahrzeugs assoziiert ist;
c) in der Fahrzeugeinheit erfolgendes Identifizieren des Benutzers des assoziierten Mobilgeräts als einen aktuellen Fahrer des Fahrzeugs;
d) Bestimmen eines Standorts des Fahrzeugs, und zwar direkt von einem in das Mobilgerät eingebauten GPS-Empfänger oder aus einer Mobilfunkturm-Triangulation des Mobilgeräts;
e) Akkumulieren von Fahrzeugbetriebsdaten für den Benutzer, einschließlich der direkt bestimmten Standortdaten; und
f) Empfangen der akkumulierten Fahrzeugbetriebsdaten in einem Risikocode-Algorithmus zur anschließenden Verwendung, um Versicherungskosten für den versicherten Benutzer des Fahrzeugs zu bestimmen;
(mittelbare Verletzung Verfahrensanspruch 1) - 2. der Klägerin in einer chronologisch geordneten und nach Jahren und Typen gegliederten, mittels EDV auswertbaren, elektronischen Aufstellung darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu 1. b) und c) bezeichneten Handlungen seit dem 20.04.2016 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Namen und der Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die das Verfahren und die Fahrzeugeinheiten bestimmt waren,
c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Fahrzeugeinheiten und Verfahren sowie über die Preise, die für die Fahrzeugeinheiten oder Anwendung des Verfahrens bezahlt wurden;
wobei
zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen) in Kopie vorzulegen sind,
geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen, und - 3. der Klägerin in einer chronologisch geordneten und nach Jahren und Typen gegliederten, mittels EDV auswertbaren, elektronischen Aufstellung darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 20.05.2016 begangen haben, und zwar unter der Angabe
a) nur in Bezug auf Ziff. 1. b) und c): der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und – preisen und den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, einschließlich der Verkaufsstellen für die die Fahrzeugeinheiten bestimmt waren,
b) nur in Bezug auf Ziff. 1. a): der einzelnen Verfahrensanwendungen, aufgeschlüsselt nach Lieferungsmengen, -zeiten und -preisen und den jeweiligen Typenbezeichnungen verschiedener Akkumulierungsverfahren sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, einschließlich der Verkaufsstellen für die das Verfahren bestimmt war,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, den Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume, und bei direkter Werbung, wie Rundbriefen, den Namen und Anschriften der Empfänger,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei
es den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn zugleich ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist; - II. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, welcher der A, Inc., XXX seit dem 20.05.2016 bis einschließlich 11.04.2019, und der Klägerin seit dem 12.04.2019 durch die zu I. 1. bezeichneten, begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;
- III. die Beklagten zu verurteilen, die in der Bundesrepublik Deutschland in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, oben unter I. 1. fallenden Fahrzeugeinheiten auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;
- IV. die Beklagten zu verurteilen, die unter I. 1. bezeichneten, seit dem 20.04.2016 im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Fahrzeugeinheiten aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem die gewerblichen Abnehmer, denen durch
die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Fahrzeugeinheiten eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, schriftlich aufgefordert werden, die Fahrzeugeinheiten an die Beklagten zurückzugeben und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Fahrzeugeinheiten eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird und die erfolgreich zurückgerufenen Fahrzeugeinheiten wieder an sich zu nehmen; - V. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 18.720,40 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.09.2021 zu bezahlen.
- Die Beklagten beantragen,
- I. die Klage abzuweisen;
- II. hilfsweise: den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren über die Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 3) vom 21. Februar 2022 gegen den deutschen Teil des EP 2 XXX XXX B1 auszusetzen;
- III. weiterhin hilfsweise: ihnen zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung, die auch in Form einer Bankbürgschaft erbracht werden kann, ohne Rücksicht auf die Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.
- Die Streithelferin schließt sich den Klageanträgen der Beklagten an.
- Widerklagend beantragen die Beklagten,
- die Klägerin wird verurteilt, ihnen als Gesamtgläubigern EUR 39.203,20 nebst Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Februar 2022 zu erstatten.
- Die Klägerin beantragt,
- die Widerklage abzuweisen
- Die Beklagten und die Streithelferin sind der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen verletzten das Klagepatent weder unmittelbar noch mittelbar.
Eine Fahrzeugeinheit im Sinne des Klagepatents müsse ein originärer, integraler Bestandteil des Fahrzeugs sein, der mit dem Fahrzeugbus verbunden sei und über diesen Fahrzeugbetriebsdaten empfange. Das sei bei dem angegriffenen Sensor nicht der Fall, da er lediglich im Fahrzeug befestigt werde, aber unabhängig vom konkreten Fahrzeug autark arbeite. Daher würden auch keine Fahrzeugbetriebsdaten im Sinne des Klagepatents akkumuliert, weil es sich dabei um originär vom Fahrzeug selbst oder von mit diesem über den Fahrzeugbus elektronisch verbundenen Einheiten stammende Daten handeln müsse.
Solle das Mobilgerät mit einer solchen Fahrzeugeinheit assoziiert werden, bedürfe es einer unmittelbaren und/oder auf Dauer eingerichteten Kopplung zwischen der Fahrzeugeinheit und dem Mobilgerät durch Zuordnung von Schlüsseln zu dem jeweils anderen Gerät, so dass jedes Gerät jederzeit sicher sein könne, ausschließlich mit dem gewünschten Gerät zu kommunizieren, ohne eine erneute Verknüpfung einrichten zu müssen. Ein solches Pairing von Sensor und Mobilgerät, wie es etwa der Bluetooth-Standard vorsehe, gebe es bei der angegriffenen Ausführungsform nicht. Die versandten BLE advertisements könnten von jedem Gerät ohne Prüfung oder Schlüsselaustausch empfangen werden. Auch bei der Anwendung des BLE-Protokolls erfolge keine dauerhafte Verknüpfung durch eine Zuordnung von Schlüsseln. Der Sensor wisse auch nicht, ob sich das Mobilgerät bereits zuvor mit ihm verbunden habe.
Soweit das Mobilgerät erkannt werden müsse, sei zweierlei erforderlich: das Mobilgerät müsse als ein zuvor registriertes Gerät erkannt werden und es müsse erkannt werden, dass es mit einem versicherten Benutzer assoziiert sei. Dies müsse in der Fahrzeugeinheit geschehen. Das Bestehen einer Punkt-zu-Punkt Verbindung mit einem anderen Sender/Empfänger genüge für ein patentgemäßes Erkennen des Mobilgeräts durch die Fahrzeugeinheit nicht. Vielmehr müsse das Mobilgerät überhaupt zuvor registriert worden sein und sodann in der Fahrzeugeinheit eine Prüfroutine vorgesehen sein, mit der geprüft werden könne, ob es sich um ein vorher registriertes Mobilgerät handele. Der Fahrzeugeinheit müsse zudem die logische Zuordnung des registrierten Mobilgeräts zu einem bestimmten Benutzer bekannt sein. All dies leisteten die angegriffenen Ausführungsformen nicht.
Bei dem angegriffenen Verfahren finde eine Registrierung eines Mobilgeräts nicht statt. Die Registrierung sei ausschließlich personenbezogen, da sich nur der Versicherungsnehmer registrieren müsse. Insbesondere werde keine technische Adresse des Mobilgeräts genutzt oder eine Kennung zugeordnet, unter der es erkannt werden könnte. Das Mobilgerät könne beliebig ausgetauscht werden; der Benutzer müsse sich mit seinen Login-Daten lediglich im System anmelden. Der angegriffene Sensor habe keine Prüfroutinen, die ihm einen Abgleich erlauben würden, ob es sich bei dem Mobilgerät um ein vorher registriertes Gerät handele. Er erkenne auch nicht, ob die App installiert worden sei. Der Sensor könne lediglich erkennen, ob eine Verbindung von einem BLE-fähigen Empfänger hergestellt worden sei. Noch weniger werde das Mobilgerät als ein mit einem versicherten Benutzer des Fahrzeugs assoziiertes Mobilgerät erkannt. Letztlich erfolge die Erkennung eines Benutzers nicht im Sensor, sondern serverseitig, d.h. infolge der logischen Zuordnung ausschließlich im Backend. Dort sei der Account des Benutzers mit seinen Login-Daten hinterlegt. Wenn das Mobilgerät mit der angegriffenen App eines registrierten Benutzers BLE advertisements empfange, entscheide der Server im Backend, ob eine Verbindung mit dem Sensor aufgebaut werde. Dafür sende das Mobilgerät entsprechende Daten an den Server. Stelle der Server fest, dass der Sensor diesem Benutzer zugeordnet ist, erhalte das Mobilgerät die Mitteilung vom Server, die Verbindung mit dem Sensor aufrechtzuerhalten und vom Sensor gesendete Daten an den Server zu senden. Sollte der Sensor nicht dem Benutzer zugeordnet sein, erhalte das Mobilgerät die Mitteilung, keine weiteren Daten an den Server zu senden, was zum Abbruch der BLE-Verbindung zwischen Mobilgerät und Sensor führe.
Da die Fahrzeugeinheit nach alledem schon nicht das Mobilgerät als registriertes Gerät erkenne, fehle es auch an einem Identifizieren des Benutzers des Mobilgeräts als Fahrer des Fahrzeugs. Dafür sei ohnehin erforderlich, dass der aktuelle Fahrer tatsächlich dem erkannten registrierten Benutzer des assoziierten Mobilgeräts entspreche, indem beispielsweise eine Gesichts- oder Fingerabdruckerkennung erfolge. Dies leisteten die angegriffenen Ausführungsformen nicht.
Die Beklagten sind weiterhin der Ansicht, eine Verletzung des Klagepatents scheitere auch daran, dass nicht sie, sondern ihre Versicherungsnehmer das angegriffene Verfahren anwendeten; ebenso wenig böten sie es an. Aber auch eine mittelbare Verletzung sei zu verneinen, weil die angegriffene App kein Mittel sei, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehe, und sich der Sensor zur Benutzung der Erfindung nicht eigne. Jedenfalls sei ein Schlechthinverbot ausgeschlossen, weil die App auch patentfrei genutzt werden könne. Zudem sei die begehrte Auskunft unverhältnismäßig und allenfalls nach Abgabe einer strafbewehrten Geheimhaltungserklärung der Klägerin zu erteilen.
Die Beklagten sind darüber hinaus der Auffassung, dass sie für die von ihnen ausgesprochene Gegenabmahnung Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Anwaltskosten haben, die sie widerklagend geltend machen.
Zumindest sei die Verhandlung auszusetzen, weil sich das Klagepatent als nicht rechtsbeständig erweisen werde. - Entscheidungsgründe
- Die zulässige Klage ist ebenso wie die Widerklage unbegründet.
- A
Die Klage ist unbegründet. - Die Klägerin hat gegen die Beklagten keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf aus den Vertriebswegen, Schadensersatz und Erstattung außergerichtlicher Kosten. Diese Ansprüche ergeben sich nicht aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB und §§ 683, 677, 670 BGB. Die Beklagten machen von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch.
- I.
Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Aufzeichnung von Fahreigenschaften, insbesondere solcher Fahrdaten, die zur Überwachung und Zusammenstellung von Fahrzeugnutzungsdaten zur Bestimmung einer Versicherungsprämie verwendet werden können (Abs. [0002]; Absätze ohne Bezugsangabe sind solche der Klagepatentschrift). - In der Beschreibung des Klagepatents wird ausgeführt, dass es im Stand der Technik Vorschläge gegeben habe, Versicherungsprämien auf der Grundlage von Informationen zu bestimmen, die von fahrzeuginternen Sensoren gesammelt würden, die anzeigten, wo, wie schnell, zu welchen Tageszeiten und an welchen Wochentagen, usw. das Fahrzeug gefahren worden sei. In der Klagepatentschrift wird an diesen herkömmlichen Systemen als nachteilig angesehen, dass sie im Allgemeinen mit relativ hohen Kosten für die erforderliche Hardware im Fahrzeug verbunden seien (Abs. [0003]).
- Aus der US 2004/XXX sei etwa ein System zum Sammeln von Fahrzeugbetriebsdaten für einen Benutzer eines Fahrzeugs, einschließlich des Standorts des Fahrzeugs, bekannt, der durch einen am Fahrzeug installierten GPS-Empfänger bestimmt werde (Abs. [0004]).
- Ein anderes System zum Sammeln von Fahrzeugbetriebsdaten für einen Benutzer eines Fahrzeugs, einschließlich des Standorts des Fahrzeugs, sei aus dem Dokument US XXX bekannt. Der Standort werde durch eine erste, im Fahrzeug installierte Ortungskomponente und eine zweite, in einem an Bord des Fahrzeugs befindlichen Mobiltelefon installierte Ortungskomponente bestimmt (Abs. [0005]).
- Hingegen offenbare die WO 2006/XXX ein Navigationssystem, das die Position eines Fahrzeugs direkt über einen in einem Mobiltelefon eingebauten GPS-Empfänger bestimme (Abs. [0006]).
Zudem sei die Verwendung eines Mobiltelefons in einem Fahrzeug zur Autorisierung eines Fahrers des Fahrzeugs am Fahrzeug, z.B. zum Laden eines Fahrerprofils, aus dem Dokument US 2007/XXX bekannt (Abs. [0007]). - Eine konkrete Aufgabe wird in der Klagepatentschrift nicht formuliert. Allerdings lässt sich aus den geschilderten Nachteilen des Standes der Technik (Abs. [0003]) und den mit der Erfindung verbundenen Vorteilen (Abs. [0008]) ableiten, dass die der patentgemäßen Erfindung zugrunde liegende Aufgabe (das technische Problem) darin besteht, ein Verfahren und ein System zur Überwachung eines Fahrzeugs bereitzustellen, dass mit geringeren Kosten als die aus dem Stand der Technik bekannten Lösungen verbunden ist.
- Dies soll durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Klagepatentanspruchs 1 und einem System mit den Merkmalen des Klagepatentanspruchs 11 erreicht werden, deren Merkmale wie folgt gegliedert werden können:
- Klagepatentanspruch 1
1. Verfahren zum Akkumulieren von Fahrzeugbetriebsdaten für einen Benutzer eines Fahrzeugs (12), die Schritte umfassend:
2. Assoziieren eines Mobilgeräts (16) mit einer Fahrzeugeinheit (14) des Fahrzeugs (12), worin das Mobilgerät ein Mobiltelefon oder Smartphone eines Benutzers ist;
3. in der Fahrzeugeinheit (14) erfolgendes Erkennen des Mobilgeräts (16) als ein vorher registriertes Mobilgerät, das mit einem versicherten Benutzer des Fahrzeugs (12) assoziiert ist;
4. in der Fahrzeugeinheit (14) erfolgendes Identifizieren des Benutzers des assoziierten Mobilgeräts (16) als einen aktuellen Fahrer des Fahrzeugs (12);
5. Bestimmen eines Standorts des Fahrzeugs, und zwar direkt von einem in das Mobilgerät eingebauten GPS-Empfänger (52) oder aus einer Mobilfunkturm-Triangulation des Mobilgeräts;
6. Akkumulieren von Fahrzeugbetriebsdaten für den Benutzer, einschließlich der direkt bestimmten Standortdaten; und
7. Empfangen der akkumulierten Fahrzeugbetriebsdaten in einem Risikocode-Algorithmus zur anschließenden Verwendung, um Versicherungskosten für den versicherten Benutzer des Fahrzeugs (12) zu bestimmen. - Klagepatentanspruch 11
1. System zum Akkumulieren von Fahrzeugbetriebsdaten für einen Benutzer eines Fahrzeugs (12), wobei das System umfasst:
2. ein Mobilgerät (16), das dafür konfiguriert ist, sich mit einer Fahrzeugeinheit (14) des Fahrzeugs (12) zu assoziieren, worin das Mobilgerät ein Mobiltelefon oder Smartphone eines Benutzers ist;
3. eine Fahrzeugeinheit (14), die dafür konfiguriert ist, das Mobilgerät (16) als ein vorher registriertes Mobilgerät, das mit einem versicherten Benutzer des Fahrzeugs (12) assoziiert ist, zu erkennen,
4. wobei die Fahrzeugeinheit (14) dafür konfiguriert ist, den Benutzer des assoziierten Mobilgeräts (16) als einen aktuellen Fahrer des Fahrzeugs (12) zu identifizieren;
5. wobei das System konfiguriert ist zum:
5.1 Bestimmen eines Standorts des Fahrzeugs, und zwar direkt von einem in das Mobilgerät eingebauten GPS-Empfänger (52) oder aus einer Mobilfunkturm-Triangulation des Mobilgeräts;
5.2 Akkumulieren von Fahrzeugbetriebsdaten für den Benutzer, einschließlich der direkt bestimmten Standortdaten; und
5.3 Empfangen der akkumulierten Fahrzeugbetriebsdaten in einem Risikocode-Algorithmus zur anschließenden Verwendung, um Versicherungskosten für den versicherten Benutzer des Fahrzeugs (12) zu bestimmen. - II.
Das mit dem Klagepatentanspruch 1 geschützte Verfahren dient dem Akkumulieren von Fahrzeugbetriebsdaten für einen Benutzer eines Fahrzeugs, um damit Versicherungskosten für den versicherten Benutzer des Fahrzeugs bestimmen zu können. Allerdings beschränkt sich der Anspruch nicht auf die technischen Schritte, die unmittelbar erforderlich sind, um Fahrzeugbetriebsdaten zu akkumulieren. Das eigentliche Akkumulieren der Daten beginnt erst mit dem vierten Verfahrensschritt (Merkmal 5). - Die vorangehenden Verfahrensschritte verlangen das Assoziieren des Mobilgeräts eines Benutzers mit der Fahrzeugeinheit (Merkmal 2), das Erkennen des Mobilgeräts als ein vorher registriertes Mobilgerät, das mit einem Benutzer des Fahrzeugs assoziiert ist (Merkmal 3), und das Identifizieren des Benutzers des assoziierten Mobilgeräts als aktuellen Fahrer des Fahrzeugs (Merkmal 3). Der Zweck dieser Verfahrensschritte besteht darin, die beim Betrieb eines Fahrzeugs akkumulierten Daten einem versicherten Benutzer zuordnen zu können. Erst dadurch können im letzten Schritt die Versicherungskosten für diesen Fahrzeugbenutzer bestimmt werden (Merkmal 7). Die Lehre des Klagepatents besteht insoweit im Kern darin, eine Identifizierung eines versicherten Benutzers als Fahrer eines Fahrzeugs mittels seines Mobilgeräts zu bewerkstelligen. Dazu im Einzelnen:
- 1.
Der erste Schritt des mit dem Klagepatentanspruch 1 geschützten Verfahrens besteht darin, ein Mobilgerät mit einer Fahrzeugeinheit des Fahrzeugs zu assoziieren (Merkmal 2). - a)
Bei der Fahrzeugeinheit des Fahrzeugs handelt es sich jedenfalls um eine dem Fahrzeug räumlich zugeordnete Vorrichtung, die geeignet sein muss, die weiteren Verfahrensschritte auszuführen, soweit der Anspruch dies verlangt; insofern muss sie auch funktional dem Fahrzeug zugeordnet sein. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Fahrzeugeinheit integraler Bestandteil des Fahrzeugs sein muss oder ob sie mit dem Fahrzeugbus zur Sammlung von Fahrzeugbetriebsdaten oder anderweitig mit dem Fahrzeug fest verbunden sein muss. Wesentlich ist jedenfalls, dass die Fahrzeugeinheit dem Fahrzeug räumlich und funktional zugeordnet ist. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Anspruchs, wonach es sich um eine Fahrzeugeinheit eines Fahrzeugs handelt. Zudem ist die Fahrzeugeinheit an der Identifizierung des Benutzers und somit an der Zuordnung der Fahrzeugbetriebsdaten zum Benutzer maßgeblich beteiligt (dazu siehe unten). Nur durch eine räumliche und funktionale Zuordnung der Fahrzeugeinheit zu einem Fahrzeug lassen sich Beginn und Ende einer Fahrt eines bestimmten Fahrzeugs und die dabei angefallenen Fahrzeugbetriebsdaten eindeutig ermitteln und dem Benutzer zuordnen. Es genügt nicht, den Benutzer zu identifizieren, wenn diesem nicht auch die Fahrzeugbetriebsdaten eines bestimmten Fahrzeugs zugeordnet werden können. Dafür muss aber zunächst die für das gesamte Verfahren, insbesondere die Sammlung von Fahrzeugdaten relevante Fahrzeugeinheit, dem Fahrzeug zugeordnet sein. - b)
Das Assoziieren eines Mobilgeräts mit einer Fahrzeugeinheit des Fahrzeugs setzt jedenfalls eine logische Zuordnung des Mobilgeräts zu der Fahrzeugeinheit voraus. Darauf weist schon der Wortlaut hin. Denn der Begriff des Assoziierens bedeutet im allgemeinen Sprachverständnis ein Verknüpfen oder In-Verbindung-bringen. - Wie das Assoziieren im Einzelnen ausgestaltet ist und welche Anforderungen an den Assozierungsschritt von Merkmal 2 zu stellen sind, kann letztlich dahinstehen. Ob dafür bereits der Aufbau einer Datenverbindung zwischen der Fahrzeugeinheit und einem beliebigen Mobilgerät genügt oder das Mobilgerät in der Fahrzeugeinheit registriert sein muss, damit es als ein solches erkannt werden kann, bedarf keiner Entscheidung. Das Erfordernis, dass das Mobilgerät zuvor registriert sein muss, um als ein registriertes Gerät erkannt werden zu können, ergibt sich so auch aus dem Merkmal 3, das infolgedessen eine Datenverbindung zwischen dem Mobilgerät und der Fahrzeugeinheit voraussetzt. Dies schließt nicht aus, dass das Assoziieren all dies als vorgelagerten Schritt beschreibt, der die weiteren Schritte gemäß den Merkmalen 3 und 4 erst ermöglicht.
- Jedoch kann das Assoziieren des Mobilgeräts mit der Fahrzeugeinheit des Fahrzeugs nicht als „terminus technicus“ für den Aufbau einer Datenverbindung verstanden werden, bei der Fahrzeugeinheit und Mobilgerät unmittelbar und/oder auf Dauer mittels der Zuweisung von Schlüsseln miteinander gekoppelt werden. Diese vom Pairing zweier Geräte aus dem Bluetooth-Standard abgeleiteten Anforderungen haben im Klagepatentanspruch keinen Niederschlag gefunden. Bluetooth wird in der Klagepatentschrift nur beispielhaft erwähnt (Abs. [0011]). Die Kommunikation zwischen Fahrzeugeinheit und mobiler Einheit muss nicht einmal verschlüsselt erfolgen. Alternativ wird ein lediglich sicheres drahtloses Kommunikationsprotokoll genannt (Abs. [0011]). Aber nicht einmal das hat Eingang in den Klagepatentanspruch gefunden. Anderweitige Äußerungen der Patentanmelderin im Erteilungsverfahren sind nicht bindend und für die Auslegung allenfalls als fachmännische Äußerung zu berücksichtigen. Sie sind aus den vorgenannten Gründen jedoch nicht geeignet, zu einem beschränkten Verständnis des Klagepatentanspruchs zu gelangen. Schließlich ist die von den Beklagten in diesem Zusammenhang genannte Prioritätsschrift, in der das Pairing beschrieben ist, kein zulässiges Auslegungsmaterial.
2.
In dem nächsten Verfahrensschritt muss in der Fahrzeugeinheit das Mobilgerät als ein zuvor registriertes Mobilgerät erkannt werden, das mit einem versicherten Benutzer des Fahrzeugs assoziiert ist (Merkmal 3). - a)
Die Wendung „in der Fahrzeugeinheit“ – in der maßgeblichen englischen Fassung des Klagepatents „at the vehicle unit“ – ist dahin zu verstehen, dass der Verfahrensschritt gemäß Merkmal 3 ebenso wie der Verfahrensschritt gemäß Merkmal 4, das denselben Wortlaut aufweist, von der Fahrzeugeinheit durchzuführen ist. Nach der Lehre des Klagepatents ist es nicht gleichgültig, welche Komponente – die Fahrzeug-einheit, das Mobilgerät oder ein nicht näher genannter Server – diese Schritte vornimmt. - Zwar heißt es in der maßgeblichen Fassung des Klagepatentanspruchs 1 „at the vehicle unit“. Dies führt aber nicht zu einer Auslegung, nach der offen bleibt, welche Komponente die Schritte gemäß Merkmal 3 und 4 durchführt. Die Übersetzung „in der Fahrzeugeinheit“ findet sich in der von der Patentanmelderin freigegebenen Übersetzung des Klagepatentanspruchs und ist als solche nicht unrichtig. Sie ist auch technisch sinnvoll und könnte infolgedessen auch mit „durch die Fahrzeugeinheit“ übersetzt werden.
- Eine Auslegung, nach der die Merkmale 3 und 4 offen ließen, welche Komponente die Verfahrensschritte durchführen, führte dazu, dass das Erfordernis „at the vehicle unit“ bedeutungslos würde, und ist abzulehnen. Vor allem wenn für die Durchführung der Verfahrensschritte die einzige weitere Komponente – das Mobilgerät – maßgebend wäre, käme es in systematischer Hinsicht zu unauflösbaren Widersprüchen. Denn dann müsste sich gemäß Merkmal 3 das Mobilgerät selbst erkennen.
- Stattdessen ergibt sich ein sinnvoller technischer Zusammenhang erst dadurch, dass die Verfahrensschritte in der Fahrzeugeinheit vollzogen werden. Denn indem die Fahrzeugeinheit das registrierte Mobilgerät erkennt, kann sie im nächsten Schritt auch den Benutzer als den aktuellen Fahrer des Fahrzeugs identifizieren. Das Mobilgerät ist für die Fahrzeugeinheit das Mittel, den Fahrer zu identifizieren und ihm Fahrzeugbetriebsdaten zuordnen zu können.
- Dieses Verständnis des Klagepatentanspruchs 1 ergibt sich auch unter Berücksichtigung des nebengeordneten Vorrichtungsanspruchs 11. Der Wortlaut beider Ansprüche ist weitgehend identisch. Unterschiede ergeben sich im Wesentlichen daraus, dass es sich um verschiedene Anspruchskategorien handelt (Verfahren vs. Vorrichtung). Auch dann, wenn wie im Streitfall keiner der beiden Ansprüche einen Rückbezug auf den jeweils anderen Anspruch formuliert, ist der jeweils andere Anspruch in die Auslegung des Klageanspruchs einzubeziehen, wenn beiden Erfindungen dieselbe objektive Aufgabenstellung zugrunde liegt und sie demselben – im Anspruch explizit genannten – Zweck dienen (OLG Düsseldorf, GRUR 2012, 1510 – Abdeckungsentfernungsvorrichtung). Das ist hier aber der Fall. Da es auch sonst keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Gegenstand des Klagepatentanspruchs 11 durch den Wortlaut „a/the vehicle unit (being) configured to“ enger gefasst sein sollte als der Klagepatentanspruch 1, können die Merkmale 3 und 4 nur dahingehend verstanden werden, dass das Erkennen des Mobilgeräts und das Identifizieren des Benutzers dieses Geräts in der oder durch die Fahrzeugeinheit erfolgen soll.
- Genau das entspricht auch der ersten Variante des Ausführungsbeispiels in der Beschreibung des Klagepatents, nach der es die Fahrzeugeinheit ist, die das Mobilgerät erkennt und einen zugeordneten Benutzer des Mobilgeräts identifiziert (Abs. [0017] und [0018]).
- Die weitere Beschreibung des Klagepatents führt hingegen zu keiner anderen Auslegung des Klagepatents. Zwar wird in der Klagepatentschrift darauf hingewiesen, dass die Hard- und Software innerhalb des Systems auf viele verschiedene Arten zwischen Fahrzeugeinheit und mobiler Einheit verteilt werden kann (Abs. [0015]). Vor allem kann die mobile Einheit mehr Aufgaben übernehmen, wenn sie mehr Fähigkeiten als die Fahrzeugeinheit hat (Abs. [0015]). Zudem besteht der Vorteil, dass viele Personen ständig ein Mobilgerät bei sich tragen und die Mobilgeräte mittlerweile so leistungsfähig sind, dass sie die in der Patentschrift genannten Funktionen erfüllen können, so dass die fahrzeugseitige Hardware und damit die Gesamtkosten des Systems reduziert werden können (vgl. Abs. [0008], [0015] und [0016]). Der Klagepatentanspruch 1 hat in den Merkmalen 3 und 4 aber mit der Fahrzeugeinheit eine Festlegung getroffen, welche Komponente bestimmte Funktionen übernehmen soll, insbesondere das Mobilgerät erkennen und dessen Benutzer identifizieren soll. Dies ist nach der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 die Fahrzeugeinheit. Die erfindungsgemäßen Vorteile gehen dadurch nicht verloren, da das Mobilgerät nach wie vor Funktionen übernehmen kann, wie etwa die im Anspruch ausdrücklich genannte Standortbestimmung (Merkmal 5) oder die Akkumulierung der Fahrzeugbetriebsdaten und deren Übermittlung an den Risikocode-Algorithmus.
- Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der zweiten Variante des Ausführungsbeispiels zur Figur 2. Demnach erkennt und identifiziert die mobile Einheit das Fahrzeug, in dem es sich befindet, anhand der Fahrgestellnummer und sammelt die Fahrzeugbetriebsdaten (Abs. [0025]). Es wird also nicht wie im Merkmal 4 das Mobilgerät erkannt, um den Benutzer zu identifizieren, sondern die mobile Einheit identifiziert das Fahrzeug. Das ist auch folgerichtig ist, denn die mobile Einheit ist in der zweiten Variante des Ausführungsbeispiels die ausführende Komponente und kennt ja den eigenen Benutzer, dem sodann die Daten dieses Fahrzeugs zugeordnet werden können. All dies steht aber – wie ausgeführt – im Widerspruch zum Wortlaut und zur Systematik des Anspruchs und seines Nebenanspruchs. Die zweite Variante des Ausführungsbeispiels ist mit den technischen Abläufen der Merkmale 3 und 4 des Klagepatentanspruchs 1 nicht vereinbar und daher als nicht patentgemäß anzusehen.
- b)
Das gemäß Merkmal 3 erforderliche Erkennen des Mobilgeräts als ein vorher registriertes Mobilgerät setzt voraus, dass das Mobilgerät registriert ist und die Fahrzeugeinheit über den bloßen Verbindungsaufbau mit einem beliebigen Mobilgerät oder das bloße Erkennen eines Mobilgeräts hinaus feststellt, dass es sich um ein registriertes Mobilgerät handelt. - Damit ein Mobilgerät registriert ist, müssen Daten hinterlegt sein, die das Mobilgerät als registriert kennzeichnen.
- Das Erkennen des Mobilgeräts als ein zuvor registriertes Mobilgerät erfolgt dadurch, dass nach dem Verbindungsaufbau zwischen der Fahrzeugeinheit und dem Mobilgerät festgestellt werden kann, dass das Mobilgerät registriert ist. Dies kann etwa durch den Abgleich von vom Mobilgerät übersandten Daten mit hinterlegten Daten erfolgen, die das Mobilgerät als registriert kennzeichnen. Dieser Abgleich lässt den Schluss zu, dass das Mobilgerät registriert ist oder nicht. Dabei lässt der Anspruch offen, wo die Daten hinterlegt sind und welche Komponente den Abgleich des verbundenen Mobilgeräts mit dem registrierten Mobilgerät vornimmt. Dies kann durch die Fahrzeugeinheit geschehen. Es kann aber auch auf einem Server oder einer anderen Komponente des Systems erfolgen. Für das Erkennen des Mobilgeräts durch die Fahrzeugeinheit im Sinne von Merkmal 3 ist jedoch wesentlich, dass die Fahrzeugeinheit auch im letztgenannten Fall über den bloßen Verbindungsaufbau hinaus zumindest die Feststellung trifft, dass es sich um ein registriertes Mobilgerät handelt – und sei es weil ihr dies vom Server oder einer anderen Komponente auf Anfrage mitgeteilt wird.
- Für diese Auslegung spricht der Wortlaut des Klagepatentanspruchs, wonach in der Fahrzeugeinheit der Verfahrensschritt gemäß Merkmal 3 zu erfolgen hat. In der Fahrzeugeinheit soll nicht nur das Mobilgerät erkannt werden, sondern das Mobilgerät als zuvor registriertes Mobilgerät. Hier muss die Feststellung getroffen werden, dass das Mobilgerät registriert ist. Dies schließt – wie ausgeführt – die Mitwirkung anderer Komponenten wie eines Servers oder des Mobilgeräts nicht aus. Denn der Funktion, die Fahrzeugbetriebsdaten einem Nutzer zuordnen zu können, ist auch dann Genüge getan sein, wenn für die Fahrzeugeinheit überhaupt feststeht, dass es sich um ein registriertes Mobilgerät handelt – unabhängig davon, wo die Prüfroutine abläuft. Entscheidend ist, dass letztlich die Fahrzeugeinheit feststellt, dass es sich um ein registriertes Mobilgerät handelt.
- Dies ist auch bei funktionaler Betrachtung unter Berücksichtigung der Systematik des Klagepatentanspruchs erforderlich, weil in der Fahrzeugeinheit über das Mobilgerät gemäß Merkmal 4 der mit dem Mobilgerät assoziierte Benutzer erkannt und als aktueller Fahrer des Fahrzeugs identifiziert werden soll. Die Beschreibung des Klagepatents fasst diesen Zusammenhang ausdrücklich wie folgt zusammen:
„Auf diese Weise liefert die Mobile Einheit (16) einige oder alle der folgenden Informationen an die Fahrzeugeinheit 14: (…) Identifizierung des Fahrers des Fahrzeugs 12 (durch Identifizierung der mobilen Einheit 16)“ (Abs. [0018]). - Tatsächlich kann ein Benutzer der mobilen Einheit in der Fahrzeugeinheit gemäß Merkmal 4 nur dann identifiziert werden, wenn entsprechende Daten hinterlegt sind oder jedenfalls zur Verfügung gestellt werden, aus denen die Zuordnung des Mobilgeräts zu einem bestimmten Benutzer hervorgeht. Dies wird mit dem Erfordernis, dass das Mobilgerät mit einem Benutzer des Fahrzeugs assoziiert sein muss, beschrieben. Um nun aber den Benutzer anhand seines Mobilgeräts identifizieren zu können, muss zuvor das Mobilgerät erkannt werden. Nichts anderes verlangt der Anspruch 1 mit dem Merkmal 3. All dies muss aber in der Fahrzeugeinheit geleistet werden. Der bloße Verbindungsaufbau mit einem zuvor registrierten Mobilgerät – auch wenn das System unabhängig von der Fahrzeugeinheit sicherstellt, dass lediglich ein zuvor registriertes Mobilgerät eine Verbindung mit der Fahrzeugeinheit eingehen kann – genügt dafür nicht. Denn dies erlaubt der Fahrzeugeinheit noch nicht, den Benutzer des Mobilgeräts zu identifizieren. Das Klagepatent liefert keinen Hinweis darauf, wie – unabhängig von der Feststellung in der Fahrzeugeinheit, dass es sich bei dem erkannten Mobilgerät auch um ein registriertes Mobilgerät handelt – der Benutzer des Gerätes identifiziert werden soll. Die zweite Variante des Ausführungsbeispiels stellt – wie ausgeführt – keine patentgemäße Alternative dar.
- Stattdessen stellt die erste Variante des Ausführungsbeispiels genau diesen Zusammenhang dar. Erst
„wenn die Fahrzeugeinheit 14 das Vorhandensein der mobilen Einheit 16 erkennt und die mobile Einheit 16 als eine zuvor registrierte mobile Einheit 16 erkennt, die einem autorisierten, versicherten Benutzer des Fahrzeugs 12 zugeordnet ist, identifiziert die Fahrzeugeinheit 14 einen zugeordneten Benutzer der mobilen Einheit 16 als den aktuellen Fahrer des Fahrzeugs 12 und beginnt mit der Kommunikation mit der mobilen Einheit 15“ (Abs. [0017]; Hervorhebung seitens der Kammer). - c)
Nach den vorangehenden Ausführungen ist ein Mobilgerät mit einem versicherten Benutzer des Fahrzeugs assoziiert, wenn das Mobilgerät einem bestimmten Benutzer zugeordnet ist. Diese Zuordnung muss sich in einer datentechnischen Verknüpfung wiederspiegeln. Das Mobilgerät muss mit für den versicherten Benutzer spezifischen Daten verknüpft sein, so dass von der Kenntnis des Mobilgeräts auf einen bestimmten Benutzer geschlossen werden kann. - Für das Erkennen des Mobilgeräts gemäß Merkmal 3 ist es jedoch noch nicht erforderlich, dass die Fahrzeugeinheit auch erkennt, dass das Mobilgerät mit einem versicherten Benutzer assoziiert ist. Die Identifikation des Benutzers erfolgt erst im nächsten Schritt (Merkmal 4). Es ist daher für den Verfahrensschritt nach Merkmal 3 auch nicht zu verlangen, dass in der Fahrzeugeinheit über das Erkennen des Mobilgeräts als registriertes Mobilgerät hinaus erkannt wird, dass das Mobilgerät mit einem Benutzer assoziiert ist oder dass der Benutzer versichert ist. Begrifflich bezieht sich der Erkennungsschritt lediglich auf das Mobilgerät als registriertes Gerät. Ist es einem versicherten Benutzer zugeordnet, wird damit zwangsläufig ein mit einem versicherten Benutzer assoziiertes Gerät erkannt. Erst im nächsten Schritt gemäß Merkmal 4 wird dieser Benutzer dann auch identifiziert. Sollte das Mobilgerät nicht mit einem solchen Benutzer assoziiert sein, ist das für das Merkmal 3 unerheblich, weil dann im nächsten Verfahrensschritt lediglich kein Benutzer identifiziert werden kann.
- Letztlich beschreibt der Anspruch nur, wie im Fall einer ordnungsgemäßen Registrierung eines Mobilgeräts eines versicherten Benutzers in der Fahrzeugeinheit über das Mobilgerät ein Benutzer als Fahrer des Fahrzeugs identifiziert werden kann.
- 3.
Merkmal 4 verlangt dann, dass in der Fahrzeugeinheit das Identifizieren des Benutzers des assoziierten Mobilgeräts als aktueller Fahrer des Fahrzeugs erfolgt. - a)
Die wiederum in der englischen Fassung anzutreffende Wendung „at the vehicle unit“ im Merkmal 4 ist zutreffend mit „in der Fahrzeugeinheit“ zu übersetzen und auszulegen. Zur Begründung wird auf die Ausführungen im Zusammenhang mit Merkmal 3 verwiesen. - b)
Das Identifizieren des Benutzers des assoziierten Mobilgeräts folgt auf das Erkennen des Mobilgeräts als registriertes Gerät. Hier kommt die datentechnische Verknüpfung des Mobilgeräts mit den für den Benutzer des Mobilgeräts spezifischen Daten zum Tragen, die im Klagepatentanspruch 1 darin zum Ausdruck kommt, dass das Mobilgerät mit einem versicherten Benutzer assoziiert ist. Nachdem in der Fahrzeugeinheit das Mobilgerät als registriertes Gerät erkannt wurde, muss anhand dieser Information der Benutzer des Mobilgeräts identifiziert werden. Ob es auch genügt, wenn die Verknüpfung von Benutzer und Mobilgerät in einer anderen Komponente des Systems festgestellt wird, kann dahinstehen. Jedenfalls ist das Identifizieren mehr als nur das bloße Kommunizieren mit einem registrierten Mobilgerät oder das Empfangen einer Mitteilung, dass es einen registrierten Benutzer gibt. Vielmehr muss in der Fahrzeugeinheit ein bestimmter Benutzer festgestellt werden – und sei es, dass die Fahrzeugeinheit die dem Mobilgerät zugeordneten Daten des Benutzers auf einem Server oder anderweitig abfragt. - Diese Auslegung ergibt sich aus dem Wortlaut und der Systematik des Anspruchs. Das Identifizieren eines Benutzers ist mehr als nur die bloße Kommunikation mit einem registrierten Mobilgerät. Das Identifizieren ist ein aktives Geschehen, dass einen eigenen Verfahrensschritt darstellt, der in der Fahrzeugeinheit geleistet werden muss und über das Erkennen des Mobilgeräts als registriertes Mobilgerät hinausgeht. Es muss der Benutzer dieses Geräts bestimmt werden. Funktional geht es darum, dem erkannten Benutzer die Fahrzeugbetriebsdaten zuordnen und in Abhängigkeit davon die Versicherungskosten bestimmen zu können. Dafür ist eine konkrete Identifizierung eines Benutzers als Fahrer erforderlich. Dies geschieht – wie im Zusammenhang mit dem Merkmal 3 bereits ausgeführt – anhand des zuvor als registriert erkannten Mobilgeräts.
- Nicht erforderlich ist, dass der identifizierte Benutzer auch tatsächlich der Fahrer ist. Dies kann die Fahrzeugeinheit nicht feststellen und kann von ihr nach der Lehre des Klagepatents auch nicht verlangt werden. Auf eine Gesichtserkennung, Fingerabdruckerkennung oder sonstige (digitale) Personenidentifikationstechnologien kommt es nicht an; sie haben im Klagepatentanspruch keinen Niederschlag gefunden und werden in der Beschreibung des Klagepatents auch nicht erwähnt. Stattdessen wird der mit dem verwendeten Mobilgerät assoziierte Benutzer als Fahrer fingiert. Die Fahrzeugbetriebsdaten werden dem für das Mobilgerät registrierten Benutzer zugeordnet, der somit als Fahrer gilt. Dies ergibt sich aus der ersten Variante des Ausführungsbeispiels zu Figur 2. Demnach soll für den Fall, dass die Fahrzeugeinheit mehrere Mobilgeräte erkennt, der als primärer Fahrer bezeichnete Benutzer als Fahrer angenommen werden (Abs. [0017]). Das heißt, es können mehrere Mobilgeräte mit ihrem jeweiligen Benutzer für ein Fahrzeug registriert sein und es müssen Daten hinterlegt sein, aus denen sich ergibt, wer von mehreren registrierten Benutzern als Fahrer angenommen werden soll, wenn mehr als einer dieser Benutzer sich mit seinem Mobilgerät im Fahrzeug befindet. Die Fahrzeugeinheit identifiziert also keine Fahrer, sondern erkennt nur Benutzer. Bei mehreren Benutzern wird aus der systemintern angegebenen Reihenfolge der jeweilige Fahrer festgelegt. Im Kern ist die technische Lehre darauf gerichtet, den Fahrer eines Fahrzeugs durch das Identifizieren der mobilen Einheit zu identifizieren (vgl. Abs. [0018]). Von einem registrierten Mobilgerät (das dafür erkannt werden muss) kann auf einen bestimmten Benutzer geschlossen werden.
- 4.
In den weiteren Verfahrensschritten soll durch das Mobilgerät der Standort des Fahrzeugs bestimmt werden (Merkmal 5). Dem Benutzer zuzuordnende Fahrzeugbetriebsdaten wie der Fahrzeugstandort werden akkumuliert (Merkmal 6) und schließlich in einem Risikocode-Algorithmus zur weiteren Verwendung empfangen, um Versicherungskosten für den Benutzer zu bestimmen (Merkmal 7). Welche Komponente diese Verfahrensschritte vornimmt, lässt der Klagepatentanspruch offen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass das Mobilgerät die akkumulierten Daten an den Risikocode-Algorithmus sendet, der auf einem Server durchgeführt wird, auf dem auch die Versicherungskosten bestimmt werden. Nicht einmal für die Zuordnung der Daten zu dem Benutzer enthält der Klagepatentanspruch 1 eine Vorgabe, welche Komponente sie vornehmen muss. Nach den Merkmalen 2 bis 4 muss jedoch jedenfalls in der Fahrzeugeinheit der Fahrer des Fahrzeugs anhand des registrierten Mobilgeräts bestimmt werden.
III.
Der Klagepatentanspruch 11 ist in der gleichen Weise auszulegen wie der Klagepatentanspruch 1. Das System nach Anspruch 11 benennt als wesentliche Komponenten ein Mobilgerät und eine Fahrzeugeinheit, deren Verwendung auch das Verfahren nach Anspruch 1 voraussetzt. Diese Komponenten und das System als solches sollen für Verfahrensschritte konfiguriert sein, die weitgehend mit den Verfahrensschritten des Klagepatentanspruchs 1 übereinstimmen. Soweit zwischen den beiden Ansprüchen Unterschiede bestehen, führen sie zu keiner für den Streitfall entscheidenden Abweichung in der Auslegung. - IV.
Weder lässt sich feststellen, dass die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 Gebrauch macht, noch dass die angegriffenen Ausführungsformen 2 und 3 zur Anwendung des Verfahrens nach dem Klagepatentanspruch 1 oder zur Benutzung eines Systems im Sinne des Klagepatentanspruchs 11 geeignet sind. - 1.
Ob im Zuge der Anwendung des Verfahrens zur Erfassung von Fahrzeugbetriebsdaten im Rahmen des angegriffenen Produkts „XXX“ das Merkmal 2 verwirklicht wird, kann dahinstehen. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die Merkmale 3 und 4 verwirklicht werden. - a)
Wird der angegriffene Sensor als Fahrzeugeinheit angesehen, lässt sich nicht feststellen, dass dieser geeignet ist, ein Mobilgerät als zuvor registriertes Mobilgerät, das mit einem versicherten Benutzer assoziiert ist, zu erkennen. Ob im Zuge der Registrierung für das angegriffene Produkt „XXX“ überhaupt Mobilgeräte serverseitig registriert werden oder lediglich der Versicherungsnehmer als der Benutzer des Mobilgeräts, ist zwischen den Parteien streitig. Aber auch wenn das Mobilgerät registriert sein sollte, ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich, dass der angegriffene Sensor ein solches Mobilgerät als registriertes Mobilgerät erkennt. - Unstreitig beginnt der Sensor, wenn er infolge einer Bewegung des Fahrzeugs „aufwacht“, BLE advertisements zu senden. Es handelt sich dabei um nicht zielgerichtet gesendete Aufforderungen an unterschiedslos alle empfangsfähigen Geräte in der Umgebung, eine Kommunikationsverbindung mit dem Sensor aufzubauen. Tatsächlich kann aber nicht jedes Mobilgerät eine Verbindung mit dem Sensor aufbauen, sondern nur ein Mobilgerät, auf dem die angegriffene App „XXX“ installiert ist und – nach dem Vortrag der Klägerin – das für diesen Sensor registriert ist bzw. in dessen App der Sensor mit der MAC-Adresse hinterlegt ist bzw. – nach dem Vortrag der Beklagten – dessen Benutzer für diesen Sensor registriert ist. In keinem Fall erkennt aber der Sensor das Mobilgerät als registriertes Mobilgerät und lässt die Verbindung zu.
- aa)
Die Beklagten haben den Vortrag der Klägerin, im Rahmen des angegriffenen Verfahrens werde ein Mobilgerät registriert und von dem Sensor als solches erkannt, bestritten. - Die Klägerin hat daraufhin ihren Vortrag, das Mobilgerät sei registriert und werde erkannt, im Wesentlichen darauf gestützt, dass das Mobilgerät dem Sensor logisch zugeordnet sei und umgekehrt den „richtigen“ Sensor erkennen könne. Die logische Zuordnung des Mobilgeräts zum Sensor ergebe sich daraus, dass der Sensor bei seiner erstmaligen Aktivierung dem Fahrzeug zugeordnet werde; Daten des Sensors wie die MAC-Adresse würden an das Mobilgerät gesendet, so dass der Sensor in der App erkennbar sei. Dass das Mobilgerät den „richtigen“ Sensor erkennen könne, zeige sich daran, dass es sich nur mit dem „richtigen“ Sensor verbinde.
- All dies lässt jedoch nicht erkennen, dass das Mobilgerät im Sinne von Merkmal 3 registriert ist und der Sensor das Mobilgerät als ein zuvor registriertes Gerät erkennt. Dem Vortrag lässt sich nicht entnehmen, dass in dem Sensor zu irgendeinem Zeitpunkt die Feststellung getroffen wird, dass es sich um ein registriertes Mobilgerät handelt.
- Dass letztlich nur mit einem registrierten Gerät bzw. mit dem Mobilgerät eines registrierten Benutzers die Kommunikationsverbindung mit dem Sensor aufgebaut werden kann, genügt für sich genommen noch nicht für ein Erkennen des Mobilgeräts als ein registriertes Mobilgerät in der Fahrzeugeinheit. Das gilt selbst dann, wenn es sich um eine bidirektionale Verbindung handelt. Denn der bloße Verbindungsaufbau mit einem registrierten Gerät stellt nach zutreffender Auslegung kein Erkennen eines Mobilgeräts als ein zuvor registriertes Gerät im Sinne von Merkmal 3 dar.
- Der weitere Vortrag der Klägerin, das Mobilgerät erkenne den „richtigen“ Sensor, mit dem dann die Verbindung aufgebaut werde, ist schon für sich genommen nicht geeignet, eine Verwirklichung von Merkmal 3 schlüssig darzulegen, weil erfindungsgemäß das Mobilgerät in dem Sensor erkannt werden muss. Dies zeigt sich vor allem an der Verwendung der MAC-Adresse, die im Zuge der Initiierung einer BLE-Verbindung seitens des Sensors mitgeteilt wird und die von der Klägerin als Beleg dafür, dass Sensor und Mobilgerät logisch zugeordnet seien, angeführt wird. Die MAC-Adresse des Sensors ist aber für das Mobilgerät unspezifisch. Vor allem dient sie nicht dazu, dass der Sensor ein Mobilgerät als registriertes Mobilgerät erkennt. Vielmehr verhält es sich gerade umgekehrt. Der Sensor kann aufgrund der MAC-Adresse erkannt werden, und eine Verbindung mit dem Sensor und dem Mobilgerät kann zugelassen werden. Es ist aber nicht der Sensor, in dem ein Mobilgerät als ein registriertes Gerät erkannt wird.
- Auch die Darstellung des Sensors in der App auf dem Mobilgerät nach seiner Aktivierung mag für eine Verknüpfung von Mobilgerät und Sensor sprechen. Daraus lässt sich aber nicht folgern, dass in dem Sensor das Mobilgerät erkannt wird. Auch dass laut Datenschutzerklärung der Beklagten eine Sensor-, eine Geräte- und eine Fahrer-ID gespeichert, übertragen und zugeordnet werden, sagt über eine Verwirklichung von Merkmal 3 nichts aus. Zum einen bleibt offen, welche Komponente welche Daten sendet und speichert und in welchem Zusammenhang diese Daten gegebenenfalls verknüpft werden. Zum anderen ist aber schon nicht ersichtlich, dass mittels dieser Daten in der Sensoreinheit ein Mobilgerät erkannt werden kann.
- Soweit die Klägerin vorträgt, für eine Verknüpfung des Sensors mit dem Mobilgerät spreche auch, dass der Sensor mit dem versicherten Benutzer verknüpft sei, was nur über das Mobilgerät möglich sei, lässt auch dies eine Verwirklichung von Merkmal 3 nicht erkennen. Dass in dem angegriffenen Verfahren ein Mobilgerät eingebunden ist und daran mitwirkt, dass die erhobenen Fahrzeugbetriebsdaten einem Benutzer, jedenfalls aber einem Fahrzeug zugeordnet werden, sagt über die konkrete Funktionsweise des angegriffenen Verfahrens nichts aus. Vor allem haben die Beklagten und die Streithelferin eine Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform 1 vorgetragen, die eine Verwirklichung von Merkmal 3 ausschließen.
- bb)
Nach dem Vortrag der Beklagten und der Streithelferin, teilt ein Mobilgerät, auf dem die angegriffene App installiert ist und das von einem angegriffenen Sensor BLE advertisements erhalten hat, die entsprechenden Daten dem Server im Backend mit. Dieser – so die Beklagten und die Streithelferin – entscheidet daraufhin, ob das Mobilgerät die Verbindung beibehalten oder abbrechen soll. Entscheidungskriterium soll demnach sein, ob der mitgeteilte Sensor für diesen Benutzer registriert ist. Auf eine Registrierung des Mobilgeräts komme es nicht an; sie erfolge auch nicht. Angesichts dieses Vortrags ist seitens der Klägerin nicht konkret vorgetragen, wie der Sensor ein Erkennen eines Mobilgeräts im Sinne von Merkmal 3 bewerkstelligen können sollte. Auch der Verweis auf die EP 3 XXX XXX B1 der Streithelferin ist in dem Zusammenhang unbehelflich, stützt ihr Inhalt doch eher den Vortrag der Beklagten als die Ansichten der Klägerin. - Nach alledem ist der Server die maßgebende Komponente, die entscheidet, ob es zu einer BLE Verbindung zwischen dem Sensor und dem Mobilgerät kommt. Dabei wird auch nicht das Mobilgerät als registriertes Gerät erkannt, sondern es wird geprüft, ob der Sensor, dessen Daten vom Mobilgerät übermittelt wurden, einem registrierten Benutzer zugeordnet ist. Der Sensor spielt in diesem Zusammenhang im Übrigen keine Rolle. Er kann nicht entscheiden, mit welchem Mobilgerät er eine Verbindung eingeht. Vor allem haben die Beklagten in Abrede erstellt, dass der Sensor Daten hat oder erhält, anhand derer er die Feststellung treffen könnte, dass es sich um ein registriertes Mobilgerät handelt: Eine Registrierung eines Mobilgeräts finde überhaupt nicht statt. Es werde keine technische Adresse des Mobilgeräts genutzt und keine Kennung zugeordnet, unter der das Mobilgerät erkannt werden könnte; der Sensor habe auch keine entsprechende Prüfroutine.
- Auch der Umstand, dass mehrere Benutzer für ein Fahrzeug bzw. einen Sensor registriert sein können und sich der Sensor mit jedem ihrer Mobilgeräte verbinden kann, lässt nicht zwingend die Feststellung zu, dass der Sensor in der Lage ist, jedes einzelne Mobilgerät und jeden einzelnen Benutzer zu erkennen. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung in dieser Hinsicht vorgetragen, dass der Sensor mit dem erstbesten Mobilgerät eine BLE-Verbindung herstellt, das eine solche Verbindung zulässt. Es kann sich nach dem Vortrag der Beklagten zur Funktionsweise des angegriffenen Verfahrens dabei nur um ein Mobilgerät handeln, das nicht vom Server im Backend die Mitteilung erhalten hat, die Verbindung nicht aufrecht zu erhalten. Dies sind nur solche Mobilgeräte, für deren Benutzer der Sensor registriert ist. Diese Vorgehensweise, bei mehreren Mobilgeräten verschiedener registrierter Benutzer mit dem erstbesten Mobilgerät eine BLE-Verbindung einzugehen, erscheint auch sinnvoll, da das Fahrzeug versichert ist und die Fahrzeugbetriebsdaten infolgedessen dem Fahrzeug und nicht dem jeweiligen Benutzer zugeordnet werden.
- Umgekehrt erklärt die von den Beklagten dargestellte Funktionsweise des angegriffenen Verfahrens auch, warum ein Ehemann, der für einen Sensor in seinem Fahrzeug registriert ist, mit seinem Mobilgerät nicht ohne weiteres eine Verbindung zu einem Sensor in dem Fahrzeug seiner Ehefrau aufbauen kann, für den er nicht registriert ist. Die Klägerin kann wiederum nur vermuten, dass es an der fehlenden Regis-trierung des Mobilgeräts liege. Dies haben die Beklagten jedoch in Abrede gestellt. Nach ihrem Vortrag lässt sich das Phänomen damit erklären, dass der Sensor nicht dem Ehemann zugeordnet ist, sondern der Ehefrau. Es genüge, dass sich der Ehemann mit den LogIn-Daten der Ehefrau im System anmeldet. Dies sei auch der Grund dafür, dass ohne weiteres neue Mobilgeräte verwendet werden könnten, solange nur die App installiert und der Benutzer für den jeweiligen Sensor eingeloggt sei. Eine Registrierung des Mobilgeräts oder dessen Erkennung setzt all dies nicht voraus.
- Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Sensor erkennt, wenn keine Kommunikationsverbindung zu einem anderen Gerät aufgebaut werden konnte und infolgedessen akustische Signale von sich gibt. Zwar beschreibt das Klagepatent ein ähnliches Szenario, in dem die Fahrzeugeinheit, wenn das Fahrzeug in Abwesenheit der mobilen Einheit gefahren wird, dem unbekannten Fahrer akustisch oder über Lichtsignale mitteilt, dass eine mobile Einheit nicht verbunden ist (vgl. Abs. [0026]). Dies ist aber nicht Gegenstand des Klagepatentanspruchs 1 und vor allem nicht von Merkmal 3. Nach der Lehre des Anspruchs kommt es nicht darauf an, wie die Fahrzeugeinheit reagiert, wenn sie ein Mobilgerät nicht erkennt. Vielmehr ist patentgemäß verlangt, dass die Fahrzeugeinheit ein Mobilgerät als ein registriertes Gerät erkennt. Daran fehlt es aber aus den vorgenannten Gründen und es ergibt sich auch nicht im Umkehrschluss aus der Reaktion des Sensors auf eine fehlende Verbindung zu einem Mobilgerät. Dass der Sensor in einer solchen Situation piept, liegt nämlich nicht daran, dass er kein Mobilgerät als registriertes Gerät erkannt hat. Dass die Funktionen des angegriffenen Sensors eine solche Prüfung umfassen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr spricht mehr dafür, dass der Sensor lediglich prüft, ob es überhaupt eine Kommunikationsverbindung gibt, und einen Warnton abgibt, wenn eine solche Verbindung über einen gewissen Zeitraum nicht festgestellt wird. Die Feststellung, ob es sich um ein registriertes Mobilgerät bzw. einen registrierten Benutzer handelt, trifft nach wie vor der Server im Backend.
- b)
Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass im Zuge der Erfassung von Fahrzeugbetriebsdaten im Rahmen des angegriffenen Produkts „XXX“ der Sensor den Benutzer des assoziierten Mobilgeräts als aktuellen Fahrer des Fahrzeugs identifiziert (Merkmal 4). - Da schon nicht ersichtlich ist, dass der angegriffene Sensor das Mobilgerät als registriertes Mobilgerät erkennt, ist auch nicht nachvollziehbar, wie der Sensor den Benutzer dieses Mobilgeräts als Fahrer identifizieren sollte. Denn die Lehre des Klagepatents ist hinsichtlich der Merkmale 2 bis 4 darauf gerichtet, über das Mobilgerät den Benutzer dieses Geräts als Fahrer zu identifizieren. Nach der Einrichtung der Kommunikationsverbindung sendet der Sensor jedoch nur noch fortlaufend Fahrzeugbetriebsdaten. Eine weitergehende Identifizierung eines Benutzers, dem diese Daten zugeordnet werden könnten, leistet der Sensor nicht. Auch die Klägerin trägt in dem Zusammenhang lediglich vor, der Versicherungsnehmer werde mittelbar als Fahrer identifiziert, indem der Sensor das Mobilgerät als zuvor registriert erkenne. Abgesehen davon, dass letzteres – wie ausgeführt – sich nicht feststellen lässt, genügt für das Identifizieren des Benutzers des Mobilgeräts auch nicht lediglich das Erkennen des Mobilgeräts als registriertes Gerät.
- Letztlich haben die Beklagten bestritten, dass sich auf dem Sensor irgendwelche Daten zu irgendeinem Benutzer befinden. Das ist auch nicht notwendig, wenn die Fahrzeugbetriebsdaten vom Sensor über die bestehende BLE-Verbindung an das Mobilgerät und von diesem an den Server im Backend gesendet werden. Eine Zuordnung dieser Daten zu einem Benutzer, so sie überhaupt stattfindet, und die dafür erforderliche Identifizierung des Benutzers könnten ohne weiteres vom Mobilgerät oder dem Server geleistet werden.
- Letztlich folgt das angegriffene Verfahren einem anderen Prinzip als das Verfahren nach dem Klagepatentanspruch 1. Es ist nicht der Sensor, der wie die Fahrzeugeinheit die Identifizierung des Benutzers mittels des Mobilgeräts übernimmt. Stattdessen ist es nach dem Vortrag der Beklagten der Server, der den Benutzer des Mobilgeräts und den Sensor erkennt und die gesendeten Fahrzeugbetriebsdaten einem Fahrzeug zuordnet.
- 2.
Aus den vorstehenden Ausführungen zu dem angegriffenen Verfahren ergibt sich zugleich, dass auch der angegriffene Sensor und die angegriffene App „XXX“ nicht geeignet sind, in einem System im Sinne des Klagepatentanspruchs 11 verwendet zu werden bzw. das Verfahren nach dem Klagepatentanspruch 1 anzuwenden. - B
Die Widerklage ist unbegründet. - Die Beklagten haben gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten, die durch die auf die Abmahnung der Klägerin erfolgte Antwort entstanden. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 683, 677, 670 BGB, noch aus einem unberechtigten und schuldhaften Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, § 823 BGB.
I.
Ein Anspruch aus §§ 683, 677, 670 BGB ist zu verneinen, weil es sich bei dem Antwortschreiben der Beklagten vom 16. August 2021 bereits nicht um eine Gegenabmahnung handelt. Es werden gegen die Klägerin keine Gegenansprüche erhoben, insbesondere nicht die Unterlassung der Behauptung einer Patentverletzung gefordert. Abgesehen davon entspräche eine solche Gegenabmahnung auch nicht dem mutmaßlichen Willen und dem Interesse der Klägerin. - Zwar ist die Abmahnung der Klägerin unberechtigt gewesen, weil der Klägerin tatsächlich keine Ansprüche wegen einer Verletzung des Klagepatents zustehen. Dies allein genügt jedoch nicht, um einen Anspruch auf Erstattung der Kosten einer Gegenabmahnung zu begründen.
- Zweck einer (Gegen-)Abmahnung ist es, Streitigkeiten über Unterlassungspflichten nach erfolgten Verletzungshandlungen ohne Inanspruchnahme der Gerichte zu regeln (BGH, GRUR 2002, 357 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung). Das Abmahnverfahren liegt im Interesse des Gläubigers, weil er sehr rasch ein dem gerichtlichen Unterlassungstitel nachgebildetes Instrument an die Hand bekommt, mit dessen Hilfe er weitere Verstöße unterbinden kann. Es liegt aber auch im Interesse des Schuldners, der auf diese Weise dem an sich bestehenden Unterlassungsanspruch die Grundlage entziehen und den Gläubiger klaglos stellen kann, ohne dass die Kosten eines Gerichtsverfahrens anfallen (vgl. BGH a.a.O.).
- Nach diesen Grundsätzen kann eine Gegenabmahnung regelmäßig nur dann veranlasst sein, wenn die unberechtigte Abmahnung in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht auf offensichtlich unzutreffenden Annahmen beruht, bei deren Richtigstellung mit einer Änderung der Auffassung des vermeintlich Verletzten gerechnet werden kann, oder wenn seit der Abmahnung ein längerer Zeitraum verstrichen ist und der Abmahnende entgegen seiner Androhung keine gerichtlichen Schritte eingeleitet hat (BGH, GRUR 2004, 790 – Gegenabmahnung). Da im Streitfall beides zu verneinen ist, ist ein Kostenerstattungsanspruch aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag nicht begründet.
- II.
Auch ein Anspruch aus § 823 BGB wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist zu verneinen. Nicht nur fehlt es an einer Gegenabmahnung, sondern auch an einem der Klägerin vorwerfbaren Verschulden im Zusammenhang mit der unberechtigten Abmahnung. Ein Verschulden ist zu verneinen, wenn – wie hier – der Abmahnende anwaltlich beraten war und er eine Verletzung des Schutzrechts aus vernünftigen Überlegungen für so naheliegend halten durfte, dass die Abmahnung auch zur Klärung etwa verbliebener Ungewissheiten gerechtfertigt erscheinen durfte (OLG Hamburg, GRUR-RR 2020, 364 – siebenmedia). Im Streitfall lag aufgrund der im Internet auffindbaren Erläuterungen der Beklagten die Annahme nahe, dass das angegriffene Verfahren und das angegriffene System das Klagepatent verletzen. Dass sich diese Annahme nach näherer Erläuterung der angegriffenen Ausführungsformen durch die Beklagten und die Streithelferin als nicht zutreffend erwies, führt zu keiner anderen Bewertung. - C
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. - Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
- Streitwert: 1.900.000 EUR