Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3276
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 1. März 2023, Az. 4b O 106/19
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- der Klägerin
eine angemessene Erfindervergütung in Höhe von 44.335,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 08.10.2022 zu zahlen. - II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 91% und die Beklagte zu 9 %.
- III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu voll-streckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
- Tatbestand
- Die Klägerin hat die Beklagte im Wege der Stufenklage zunächst auf Auskunft im Hinblick auf eine Erfindung in Anspruch genommen, deren Gegenstand eine „Verbesserte Methode für die Synthese von SPM 927 (Lacosamid) Amino-dehalogenation mit 2-Chlor-3-Methoxy-propionsäre“ ist und die Herr Dr. XXX – dessen Arbeitnehmererfindervergütungsanspruch die Klägerin im Wege der Abtretung erhielt – als Miterfinder im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten geschaffen hat.
- Herr Dr. XXX tätigte gemeinsam mit Herrn XXX – wobei das Vorhandensein weiterer Miterfinder zwischen den Parteien streitig ist – mehrere Arbeitnehmererfindungen, über die Herr XXX und Herr Dr. XXX im Jahre 2011 eine als „Erfindervergütungs-Grundvertrag“ bezeichnete Vereinbarung trafen. Diese sah vor, dass der Miterfinderanteil des Herrn Dr. XXX bezogen auf den Anteil der deutschen Erfinder auf 50 % zu bemessen sei. Zudem sah die Vereinbarung eine Abstaffelung nach Nr. 11 der Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst (im Folgenden: Richtlinien) sowie einen auf Herrn Dr. XXX entfallenden Anteilsfaktor von 10 % vor.
- Auf die Klage vom 22. Dezember 2019 verurteilte die Kammer die Beklagte mit Teil-Urteil vom 2. März 2021 (im Folgenden: „Teil-Urteil“),
- der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen darüber, in welchem Umfang sie und/oder mit ihr verbundene Unternehmen (§§ 15 ff. AktG) im In- und Ausland
- 1. Produkte, die unter Anwendung der dem europäischen Patent EP 2 XXX XXX B1 „Neuartiges Verfahren zur Herstellung von Aminosäuren-Derivaten“ (Anlage TRI1) mit dem erteilten Patentanspruch 1
Verfahren zur Herstellung von zu mindestens 95 % optisch reinem (R)-2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropionamid (I), umfassend die folgenden Schritte:
- (a) Trennen von 2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amid (II) in (R)-2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amid (I) und (S)-2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amid (III);
- (b) Razemisieren des dadurch erhaltenen (S)-2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amids (III) in 2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amid (II) und
- (c) weiteres Trennen des 2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amids (II) in die Verbindung der Formel (I) und die Verbindung der Formel (III)
-
zugrunde liegenden Diensterfindung
jeweils hergestellt, vertrieben und/oder in den Verkehr gebracht hat/haben
und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen, -zeiten,
- b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen sowie der Namen und Anschriften der jeweiligen Abnehmer,
- c) der pro Lieferung erzielten Netto- Einnahmen (Arzneimittelpreise ohne Mehrwertsteuer, ggfls. unter Angabe ausdrücklich spezifizierter Abzugspositionen),
- wobei sämtliche Angaben aufgeschlüsselt nach Kalenderjahren und Ländern zu erfolgen haben;
- 2. Lizenz- oder sonstige Einnahmen und/oder wirtschaftliche Vorteile mit der Diensterfindung gemäß Antrag I.1. erzielt hat/haben, wobei die Vertragspartner mit Firma und Adresse sowie die Einnahmen/Vorteile nach Kalenderjahren anzugeben und Verträge in Kopie vorzulegen sind.
- Mit Schriftsatz vom 22. März 2021 hat die Beklagte Berufung gegen das Teil-Urteil eingelegt. Diese wies das Oberlandesgericht mit Urteil vom 21. Oktober 2021 (Az. I-2 U 7/21) zurück. Die gegen dieses Urteil am 29. November 2021 beim Bundesgerichtshof eingegangene Nichtzulassungsbeschwerde nahm die Beklagte mit Schriftsatz vom 25. Februar 2022 zurück.
- Nachdem die Parteien sich übereinstimmend auf einen nicht unterschreitbaren Mindestumsatz der Beklagten von insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro bis Ende 2021 einigten (siehe die Auskunft der Beklagten, Anlage TRI 24), begehrt die Klägerin nunmehr ausgehend von diesem Umsatz die Zahlung einer ihrer Ansicht nach angemessenen Erfindervergütung in Höhe von mindestens 500.000,00 Euro im Wege der Teil-Höheklage. Es handelt sich um den zeitlich zuerst entstandenen Teil der Erfindervergütung. Eine Erhöhung behält sie sich vor.
- Die Klägerin meint, dass für die Ermittlung eines angemessenen Lizenzsatzes – wie bereits im Teil-Urteil festgestellt – auf den mit dem Arzneimittel XXX® erzielten Umsatz abzustellen sei. Sofern die Beklagte den Lizenzsatz allein auf die mit der Streiterfindung erzielten Einsparungen anwenden wolle, vermenge sie in unzulässiger Weise die Lizenzanalogiemethode mit dem erfassbaren betrieblichen Nutzen.
- Für die Ermittlung des wirtschaftlichen Werts der Streiterfindung sei im Sinne einer vorausschauenden Prognose auf den 27. Juni 2013 abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt sei das sogenannte „B“-Verfahren noch nicht zugelassen gewesen. Damit sei die Streiterfindung an ihren Vorteilen gegenüber dem vorbekannten und angewandten „C“-Syntheseweg zu messen. Die Klägerin bestreitet, dass die Beklagte „ohne Weiteres und zeitlich unbeschränkt“ das sogenannte, dem „C“-Syntheseweg folgende „1.1G“-Verfahren weiter hätte nutzen können, da die behördlichen Auflagen an die Entsorgung der hochgiftigen Einsatzstoffe stetig gestiegen seien. Die Beklagte habe auch die technische Ausstattung und das Know-How gehabt, um das Verfahren der Racemisierung und Wiederauftrennung gemäß dem streiterfindungsgemäßen Verfahren anzuwenden. Davon ausgehend habe die Streiterfindung zu Einsparungen von 50 % geführt. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang auf eine Verlautbarung aus dem Intranet der Beklagten, in welcher es heißt, dass sich die Einsparungen auf der Grundlage des erfindungsgemäßen Verfahrens jährlich auf 15 Mio Euro belaufen würden (Anlage TRI 19), was sich wiederum mit den Angaben in einem sogenannten „Technical Report“ über Einsparungen decken würde (Anlage TRI 23).
- Soweit die Beklagte auf den Drittbezug des Wirkstoffs Lacosamid abstelle, müsse dieser nach den Good-Manufacturing-Practices (GMP) hergestellt worden sein, die hohe Anforderungen an die Herstellung stellten. Dies sei bei dem Bezug des Wirkstoffs Lacosamid nicht ohne Weiteres gewährleistet.
- Die Klägerin ist der Ansicht, dass der hier zu Grunde zu legende Gesamtlizenzsatz bei mindestens 9 % liegen müsse, da die Beklagte Lizenzverträge mit einer Spanne von 9 % bis zu 14 % mit Dritten abgeschlossen habe. Dazu gehöre ein Patent-Lizenzvertrag mit der Firma D. Auch in der Entscheidung „Antimykotischer Nagellack“ des Bundesgerichtshofs habe der dortige Arbeitgeber mit einem Dritten Lizenzsätze von 15 % bis 9 % vereinbart. Da hier die konkrete Lizenzanalogie einschlägig sei, könnten die Einigungsvorschläge der Schiedsstelle, die einen Höchstlizenzsatz von 5 % bis 6 % im Pharmabereich vorsehen würden, nicht herangezogen werden.
- Hinsichtlich des auf ein patentiertes Herstellungsverfahren entfallenden Lizenzanteils verweist die Klägerin auf Einigungsvorschläge der Schiedsstelle, in welcher diese dem Herstellungsverfahren 25 % bis 30 % beimaß. Zudem seien dem in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf mit dem Aktenzeichen I-2 U 78/16 bestellten Sachverständigen Wertanteile für komplexe Herstellungsverfahren von 25 % bekannt. Auch bei der streitgegenständlichen Erfindung handele es sich um ein komplexes Herstellungsverfahren, so dass ein vergleichbarer Anteil zu Grunde zu legen sei.
- Die Klägerin meint, dass keine Abstaffelung vorzunehmen sei, da eine solche bei den von der Beklagten vorgenommenen Lizenzverträgen mit Dritten auch nicht stattfinden würde. Außerdem sei eine Abstaffelung nach der Richtlinie 11 auch nach der ständigen Praxis der Düsseldorfer Patentstreitkammern und –senate nicht angezeigt. Hier komme allenfalls eine lineare Abstaffelung in Betracht, die höchstens bei 20 % liegen dürfe.
- Auch aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Erfindervergütungsvertrag vom 13. Dezember 2011 ergebe sich nichts anderes. Es fehle bereits an einer wirksamen Einbeziehung gemäß § 305 c Abs. 2 BGB, außerdem habe die Beklagte Herrn Dr. XXX arglistig über das Nichteingreifen einer Abstaffelung getäuscht. Die wesentlichen Folgen einer Abstaffelung seien Herrn Dr. XXX und Herrn XXX nicht mitgeteilt worden. Ihnen sei nicht verdeutlicht worden, dass 80 % des Umsatzes vergütungsfrei bleiben würden. Im Gegenteil habe die Beklagte versichert, dass keine Nachteile entstehen würden, wenn sie den vorformulierten Erfindervergütungsvertrag unterschreiben würden. In der fehlenden Aufklärung sei eine Täuschung zu sehen, die der Prozessbevollmächtigte der Klägerin innerhalb der Frist des § 124 Abs. 2 BGB angefochten habe.
- Desweiteren liege der Miterfinderanteil des Herrn Dr. XXX bei 50 %. Dieser habe gemeinsam mit Herrn XXX das vollständige Nutzungsrecht an der Streiterfindung vermittelt, weitere belgische Mitarbeiter hätten hingegen keinen Vergütungsanspruch, der die Beklagte zusätzlich belasten würde. Die Benennung dieser weiteren Mitarbeiter sei ohne Kenntnis und ohne Zustimmung des Herrn Dr. XXX und Herrn XXX erfolgt. Solche Beiträge seien auch nicht konkretisiert und nicht bekannt oder erkennbar. Die erfindungsgemäße Syntheseidee sowie die racemische Synthese selbst und ihre Aufarbeitung seien in XXX erfolgt. In Belgien hingegen sei lediglich ein zuvor in XXX racemisch hergestelltes Lacosamid zur weiteren Lizenzreifmachung und Serientauglichkeit getestet worden, ohne dass damit nachträglich miterfinderische Beiträge verbunden gewesen wären.
- Der in dem Erfindervergütungs-Grundvertrag vereinbarte Anteilsfaktor liegt bei 10 %.
- Die Klägerin beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, ihr für Nutzungen der dem europäischen Patent EP 2 XXX XXX B1 „Neuartiges Verfahren zur Herstellung von Aminosäuren-Derivaten“ (vorliegend Anlage TRI1) mit dem erteilten Patentanspruch 1
- Verfahren zur Herstellung von zu mindestens 95 % optisch reinem (R)-2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropionamid (I), umfassend die folgenden Schritte:
- (a) Trennen von 2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amid (II) in (R)-2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amid (I) und (S)-2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amid (III);
- (b) Razemisieren des dadurch erhaltenen (S)-2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amids (III) in 2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amid (II) und
- (c) weiteres Trennen des 2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amids (II) in die Verbindung der Formel (I) und die Verbindung der Formel (III)
- zugrunde liegenden Diensterfindung (= Streiterfindung)
- bis Ende 2021
- eine angemessene Erfindervergütung in Höhe von 500.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 30.09.2022 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen.
- Sie verweist zunächst auf das Urteil des Oberlandesgerichts, das bereits vorgezeichnet habe, dass konkrete, an die Erfindung anknüpfende Wertbetrachtungen bei der Bestimmung des Erfindungswerts anzustellen seien. Dabei sei – so das Oberlandesgericht – der wirtschaftliche Nutzen bei einer die Wirkstoffherstellung kostenmäßig optimierenden Erfindung tendenziell geringer als wenn der therapeutische Wirkstoff überhaupt erst bereitgestellt werde.
Die mit der Erfindung betriebene Wertschöpfung sei beschränkt auf die Herstellung des Wirkstoffs, für den ein eigenständiger Markt bestehe und zahlreiche potentielle Lieferanten zur Verfügung stünden. Hinzu komme, dass die Umsetzung der Streiterfindung mit erheblichen Kosten verbunden gewesen sei. Insofern sei es nach wie vor sachgemäß, den Lizenzsatz auf den Wert des eingesetzten Wirkstoffs zu beschränken. Die von der Klägerin veranschlagten Lizenzgebühren stünden vollkommen außer Verhältnis und knüpften an in der Rechtspraxis vorveröffentlichte Entscheidungen an, die mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbar seien. Vernünftige Lizenznehmer würden die Verhandlungen an Alternativen zu aus dem Stand der Technik bekannten Nutzungsmöglichkeiten ausrichten.
Der maßgebliche Erfindungswert sei dabei erst nach der Zulassung des Herstellungsverfahrens zu bestimmen. So sei erst im Jahr 2013 in den mittelfristigen Wechsel weg vom „1.1G“-Verfahren hin zum erfindungsgemäßen Verfahren investiert worden. Zu diesem Zeitpunkt hätte die notwendige Zulassung aber – ebenso wie die maßgeblichen Investitionen und der Aufbau einer Produktion – noch ausgestanden. Konkret sei der Aufbau einer parallelen Produktion zu dem „1.1G“-Verfahren geplant gewesen, bei der zunächst das sogenannte „B“-Verfahren und sodann das erfindungsgemäße Verfahren etabliert werden sollten. Das „B“-Verfahren, bei welchem auf die erfindungsgemäße Rückführung des Enantiomers verzichtet und dieses verworfen werde, stelle den maßgeblichen Stand der Technik dar.
Allein entscheidend für die Nutzung der Streiterfindung sei damals der hohe Einkaufspreis des chiralen Ausgangsstoffs des „1.1G“-Verfahrens sowie das Bestreben nach der Nutzung der ohnehin existierenden MCC-Anlage gewesen. Die dadurch erhofften Einsparungen von 40 % hätten sich jedoch nicht bestätigt. Denn der Syntheseweg, die Bedingungen der Trennung des Racemats und die Racemisierung des S-Enantiomers hätten neu entwickelt werden müssen. Ein Zurückgreifen auf das zur Herstellung des Arzneimittels XXX® angewandte Verfahren sei nicht möglich gewesen.
Hingegen seien die in der Streiterfindung genannten Nachteile des Standes der Technik – hohe Kosten, unnötige Abfallmengen sowie giftige und gefährliche Ausgangsverbindungen – allesamt von der Beklagten gut beherrscht worden. Hinzu komme, dass die Beklagte im Wege der Lohnfertigung bei externen Unternehmen habe herstellen lassen. Die genannten Nachteile hätten sich damit allein in den Herstellungskosten widergespiegelt.
Zudem werde der Wirkstoff Lacosamid von zahlreichen anderen Herstellern zu pharmazeutischen Zwecken hergestellt und vertrieben. Diese seien auch GMP-zertifiziert, ansonsten wären die Arzneimittel nicht verkehrsfähig. Die Beklagte habe indes vor, die Lieferung durch einen indischen Hersteller, der bereits Vertragspartner sei, auf mehr als 40 % zu steigern.
Seit dem Wegfall des Stoffschutzes sei der Markt zudem durch den Eintritt einer Vielzahl von Generikaherstellern gekennzeichnet, denen die Herstellung von Lacosamid offensichtlich keine Probleme bereite.
Bei der Ermittlung eines angemessenen Lizenzsatzes müsse man sich an vernünftigen Vertragsparteien orientieren. Daher dürfe der Lizenzsatz nicht so hoch gewählt werden, dass die Beklagte unter Einkalkulierung der geforderten Lizenzgebühr höhere Herstellkosten pro Kilogramm des Wirkstoffs zu verzeichnen hätte, als es mit bestehenden oder alternativen Verfahren möglich gewesen wäre. Schließlich sei die Entscheidung der Beklagten zu Gunsten der Streiterfindung ausschließlich mit Blick auf die Kostenersparnis getroffen worden. Daher dürfe auch nicht die gesamte Kostenersparnis in die Lizenzgebühr fließen. Ein Lizenzgeber sei maximal bereit, 20 % seiner erzielten Ersparnisse an den Lizenzgeber als Lizenzgebühr fließen zu lassen.
Der von der Klägerin angesetzte Lizenzsatz sei hingegen überzogen. Die von ihm herangezogenen, vergleichsweise hohen Lizenzsätze gebe es nur für Erfindungen, die eine echte Monopolwirkung hätten. Die Streiterfindung führe hingegen zu keinen messbaren Einschränkungen für Wettbewerber, da der Wirkstoff Lacosamid aus zahlreichen Quellen bezogen werden könne und es eine Vielzahl von möglichen Herstellungsverfahren gebe.
Die Herstellung von Lacosamid sei auch nicht komplex, was bereits der Umstand zeige, dass es eine Vielzahl von alternativen Herstellungsmöglichkeiten gebe. Es handele sich um eine konventionelle chemische Synthese und nicht um die eines komplexen biologischen Moleküls. Komplex sei allein die Auftrennung des Racemats, was sich wiederum lizenzmindernd auswirken müsse. Auch der Umstand, dass die Nutzung der Erfindung für Außenstehende nicht nachvollziehbar sei, wirke sich lizenzmindernd aus.
Die Beklagte trägt weiter vor, dass neben Herrn XXX und Herrn Dr. XXX weitere Miterfinder zu berücksichtigen seien, von deren Erfindungsbeiträgen Herr XXX und Herr Dr. XXX nicht profitieren dürften. Dass es weitere Miterfinder gegeben habe, sei den beiden bereits aus der E-Mail-Korrespondenz mit der Patentabteilung klar gewesen, in die die weiteren XXX Erfinder miteinbezogen worden seien. Darin hätten Herr XXX und Herr Dr. XXX außerdem eingeräumt, dass es neben ihnen noch weitere Erfinder gebe, wenngleich sie diesen nur einen Miterfinderanteil von 10 % einräumten.
Konkret hätten Herr XXX und Herr Dr. XXX zwar einen Vorschlag zur Racemattrennung gemacht, der jedoch in dieser Form nicht umgesetzt worden sei. Vielmehr hätten die XXX Erfinder die Racemattrennung intensiv bearbeitet, die dann auch Eingang in die Patentanmeldung gefunden habe. Auch hätten weder Herr XXX, noch Herr Dr. XXX Beiträge zur Racemisierung des abzutrennenden Enantiomers geleistet. Dieser Beitrag sei allein auf die XXX Erfinder zurückzuführen und habe entscheidend zu der Argumentation zu Gunsten der Erfindungshöhe beigetragen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Erfindervergütungs-Grundvertrag (Anlage CBH 2), da damit nur die Miterfinderanteile der deutschen Erfinder untereinander geregelt werden sollten.
Der Zweifelsregelung des § 742 BGB folgend ergebe sich hier demnach ein Anteil des Herrn Dr. XXX in Höhe von 16,67 %.
Die Beklagte meint ferner, dass im Rahmen des zwischen den Parteien vereinbarten Erfindervergütungs-Grundvertrags eine Abstaffelung verbindlich vereinbart worden sei. Es bestünden keine Anhaltspunkte für eine Anwendbarkeit des § 305c Abs. 2 BGB. Gleiches gelte für eine angebliche Täuschung durch die Beklagte. Sollte die vereinbarte Abstaffelung nicht zur Anwendung kommen, sei hier zumindest die sogenannte Düsseldorfer Praxis anzuwenden.
Die Akte aus dem Verfahren mit dem Aktenzeichen 4b O 105/19 ist beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands, insbesondere im Hinblick auf die Einzelheiten zur Streiterfindung, wird vor allem auf das Teil-Urteil vom 2. März 2021 verwiesen. - Entscheidungsgründe
- Der Klägerin steht aus der Erfindung des Herrn Dr. XXX ein Betrag in Höhe von 44.335,00 Euro aus § 9 Abs. 1 ArbErfG gegen die Beklagte zu.
- I.
Als Grundlage dienen die zwischen den Parteien unstreitigen Nettoverkaufserlöse von 1.597.551.700,00 Euro (siehe unten, Ziff. 1.), auf die ein Gesamtlizenzsatz von 4 % anzuwenden (siehe unten, Ziff. 2) und dieser sodann auf einen Anteil von 20 % zu reduzieren ist, so dass sich ein finaler Lizenzsatz von 0,8 % ergibt (siehe unten, Ziff. 3.). Zudem ist nach dem zwischen den Parteien vereinbarten Erfindervergütungs-Grundvertrag eine Abstaffelung vorzunehmen (siehe unten, Ziff. 4). Weiterhin ist die Miterfinderschaft des Herrn Dr. XXX reduzierend zu berücksichtigen, die sich hier auf 16,67 % beschränkt und ein Anteilsfaktor von 10 % anzuwenden (siehe unten, Ziff 5). - 1.
Bei betrieblich benutzten Erfindungen kann der Erfindungswert nach drei verschiedenen Methoden ermittelt werden. Dazu gehört neben der Lizenzanalogie der betrieblich erfassbare Nutzen oder die Schätzung (siehe RL 3).
Vorliegend wird der Erfindungswert nach der Lizenzanalogie erfasst, wobei der Außenumsatz die maßgebliche Bezugsgröße darstellt. Dies wurde bereits im Teil-Urteil entschieden und näher erläutert. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insofern auf das Teil-Urteil Bezug genommen (dort Ziff. II 2. a) aa) und bb)).
Hier sind demnach die von den Parteien unstreitig gestellten Nettoverkaufserlöse des Arzneimittels XXX® zu Grunde zu legen. Diese betrugen im Jahr 2019 insgesamt 99.282.200,00 Euro, im Jahre 2020 insgesamt 533.242.500,00 Euro und im Jahr 2021 insgesamt 965.027.000,00 Euro. In Summe bilden damit Nettoverkaufserlöse in Höhe von 1.597.551.700,00 Euro die Basis. - 2.
Mangels auf dem Markt ausgehandelter, vergleichbarer Lizenzverträge ist die Ermittlung eines angemessenen Lizenzsatzes auf der Grundlage der konkreten Lizenzanalogie vorliegend nicht möglich, so dass hier ein Rückgriff auf die allgemeine Lizenzvertragspraxis erfolgt (siehe unten, Ziff. a)), an Hand derer ein zunächst abstrakt für den Pharmabereich anzuwendender Höchstlizenzsatz bestimmt wird. Anhand der der Umstände des hier vorliegenden Einzelfalls wird im nächsten Schritt ein konkreter, für das gesamte Produkt geltender Gesamtlizenzsatz bestimmt (siehe unten, Ziff. b)).
Bereits Bartenbach/Volz halten fest, dass eine Heranziehung von Lizenzverträgen des Arbeitgebers über marktreife Arzneimittel, die (auch) die zu vergütende Diensterfindung zum Gegenstand haben, angesichts der erfindungsneutralen Arbeitgeberleistungen an Grenzen stößt (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindervergütung, 4. Aufl. 2017, RL 10, Rn. 118).
Hier ist bereits nicht zu konkreten Lizenzverträgen, die überhaupt die Streiterfindung betreffen, von den Parteien vorgetragen worden.
Soweit die Klägerin Bezug nimmt auf einen Lizenzvertrag der hiesigen Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung in dem Verfahren vor dem Landgericht Düsseldorf mit dem Aktenzeichen 4c O 25/13 gewesen sei, dem sogenannten „D-Lizenzvertrag“, mangelt es an der Vergleichbarkeit mit dem hiesigen Verfahren. Die Klägerin führt aus, dass Gegenstand der Lizenz ein Produkt gewesen sei, das unter „XXX®“ verkauft und zur Behandlung des sogenannten „Restless Leg“-Syndroms eingesetzt worden sei. Dabei handelt es sich jedoch um einen gänzlich anderen Wirkstoff und ein vollkommen anderes Einsatzgebiet als bei dem Wirkstoff Lacosamid, der eine anti-epileptische Wirkung zeigt. - a)
In dem hier einschlägigen Bereich der Pharmaindustrie wird von einem üblicherweise angenommenen Höchstlizenzsatz, also einem maximal zu erreichenden Lizenzsatz für das gesamte Arzneimittel, von 5 % ausgegangen, der auch hier als Ausgangspunkt zu Grunde gelegt wird.
Die Pharmaindustrie lebt von ihrer Forschungsproduktivität, die mit erheblichen Investitionen über die Entwicklungsphase hinaus bis hin zur Zulassung verbunden ist. Dabei sind Unternehmen sowohl einem starken Preisdruck der Konkurrenz und einem gestiegenen Wettbewerb mit Alternativprodukten als auch den massiven Sparvorgaben der Kostenträger ausgesetzt (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindervergütung, 4. Aufl. 2017, RL Nr. 10 Rn. 118). Auch der Bundesgerichtshof erkennt die Besonderheiten im pharmazeutischen Bereich, wenn er in seiner Entscheidung „Antimykotischer Nagellack“ festhält (BGH, Urt. v. 19.10.2011; GRUR 2012, 605, Rn. 24):
„[E]in forschendes Arzneimittelunternehmen muss nicht nur mit den Erträgen aus dem Vertrieb patentgeschützter Erzeugnisse seine Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen auch für nicht auf den Markt gelangende oder auf dem Markt nicht erfolgreiche Produkte refinanzieren. Es trägt darüber hinaus auch das Risiko, dass das Erzeugnis überhaupt auf dem Markt erfolgreich vertrieben werden kann. (Gedachte) vernünftige Lizenzvertragsparteien tragen dem Rechnung, weil der Lizenzgeber einerseits auch bei einem niedrigeren Lizenzsatz proportional vom Markterfolg profitiert und andererseits ein hoher Lizenzsatz ohne Wert ist, wenn der Markterfolg ausbleibt.“
In vorangegangen gerichtlichen Entscheidungen und Einigungsvorschlägen der Schiedsstelle wurde in der Regel ein Höchstlizenzsatz von maximal 4 % angesetzt. In der „Tolbutamid“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 06.03.1980 – X ZR 49/78, in GRUR 1980, 841) setzte dieser den vom gerichtlichen Sachverständigen ermittelten Höchstlizenzsatz von 8 % an mit der Feststellung, dass dieser am oberen Rand zu verorten sei und um 60 % über der üblichen Lizenzhöhe liege. Das heißt, dass der Bundesgerichtshof im Jahr 1980 noch einen Mittelwert von 5 % ansetzte.
Die Schiedsstelle geht von ähnlichen Höchstwerten aus. In ihrem Einigungsvorschlag vom 19.02.2016 (Arb.Erf. 28/13) hielt sie fest:
„Nicht hilfreich bei der Bestimmung der marktüblichen Lizenzsätze sind hierbei die in RL Nr. 11 angegebenen Lizenzsatzrahmen. Diese spiegeln nämlich schon seit Jahrzehnten nicht mehr den am Markt üblichen Rahmen wider, da sie im Wesentlichen aus den Richtlinien von 1944 übernommen wurden und somit zum Zeitpunkt des Erlasses der Vergütungsrichtlinien im Jahr 1959 bereits veraltet waren. […]
Dementsprechend ist der marktübliche Lizenzsatz nach ständiger Schiedsstellenpraxis und der neueren Rechtsprechung des BGH unter Rückgriff auf Erfahrungswerte und die Auswertung der am Markt für gleichartige oder vergleichbare Erzeugnisse erzielbaren Lizenzsätze zu ermitteln (BGH vom 17.11.2009, Az.: X ZR 137/07 – Türinnenverstärkung).
In der Literatur sind für den Pharmabereich Einzellizenzsätze bis 3 % für den Wirkstoff allein bzw. von bis zu 4 % für Fertigarzneimittel belegt, bei ganz außergewöhnlichen „Blockbuster“ – Arzneien ausnahmsweise auch 5 % für den Wirkstoff bei 7 – 9 % für das Arzneimittel (Hellebrand/Himmelmann, Lizenzsätze für technische Erfindungen, 4. Auflage 2011, S.330). Nach Bartenbach/Volz hätten Umfrageergebnisse ergeben, dass für reine Stofferfindungen üblicherweise Lizenzsätze von 0,5 bis 2,5 % gezahlt werden und dass Lizenzsätze bis 10 % nur im absoluten Ausnahmefall und nur für das ganze fertige Produkt mit herausragenden Eigenschaften erreicht werden, wobei 60 – 80 % eines solchen Lizenzsatzes in der Praxis der behördlichen Zulassung und nicht dem Ausschlusswert hinsichtlich der technischen Lehre zugemessen würden (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindervergütung, 3. Auflage 2009, RL Nr. 10 RNr. 118). Nach Trimborn liegen die Lizenzsätze für fertige Arzneimittel üblicherweise bei 1 – 5 % und 0,5 – 2,5 % für reine Stofferfindungen (Trimborn, Lizenzsätze für Erfindungen in Deutschland ab 1995, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 2009 S. 261). In Reimer/Schade/Schippel wird unter Verweis auf einen Einigungsvorschlag aus dem Jahr 1995 ein Lizenzsatz für ein Fertigarzneimittel in Höhe von 4 % als oberer Bereich angesehen (Reimer/Schade/Schippel, ArbEG, 8. Auflage 2007, S. 376). Im Schiedsstellenverfahren Arb.Erf. 69/11 – Einigungsvorschlag vom 15.07.2015 (nicht veröffentlicht) hat die Schiedsstelle Höchstlizenzsätze für Schutzrechtskomplexe von 4,2 % für bekannte Arzneimittel gebilligt, wobei Verfahrensschutzrechten innerhalb dieses Komplexes ein Lizenzsatz von 0,6 % zugebilligt wurden. - Nach Auffassung der Schiedsstelle ergibt sich hieraus, dass ein Gesamtlizenzsatz von 4 %, der ein Arzneimittel als Ganzes zur Bezugsgröße hat, im Normalfall im oberen marktüblichen Bereich liegt.“
- In ihrer aktuellen Praxis geht die Schiedsstelle demnach von einem Höchstlizenzsatz von 4 % aus, der als Bezugsgröße ein Arzneimittel als Ganzes hat und in welchem unterschiedliche Schutzrechte enthalten sind. Auch Bartenbach/Volz gehen von einem Höchstlizenzsatz für einen Schutzrechtskomplex in Höhe von 4 % – 5 % aus (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindervergütung, 4. Aufl. 2017, RL Nr. 10 Rn. 118).
Dem folgend wird auch hier davon ausgegangen, dass der maximal zu erreichende Lizenzsatz für das gesamte Arzneimittel bei 5 % liegt. Es sind keine Umstände ersichtlich oder vorgetragen, die ein Abweichen des Höchstlizenzsatzes nach oben hin rechtfertigen würden. Zwar bezeichnet die Klägerin das Arzneimittel XXX® als Blockbuster; es ist jedoch weder ersichtlich, noch vorgetragen, aus welchen Gründen es sich um einen Blockbuster handeln sollte. Vielmehr ist der Wirkstoff Lacosamid längst bekannt gewesen und der Stoffschutz zwischenzeitlich sogar abgelaufen. - b)
Nach Bestimmung des maximal anzusetzenden Höchstlizenzsatzes von 5 % ist dieser hier nach Abwägung der Umstände des Einzelfalls auf einen konkret anzuwendenden Gesamtlizenzsatz von 4% für das gesamte Arzneimittel zu reduzieren.
In diesem Zusammenhang zeigt die Richtlinie 6 zahlreiche Aspekte auf, die bei der Ermittlung eines angemessenen Lizenzsatzes heranzuziehen sind: - „In Betracht zu ziehen sind insbesondere die Verbesserung oder Verschlechterung der Wirkungsweise, der Bauform, des Gewichts, des Raumbedarfs, der Genauigkeit, der Betriebssicherheit, die Verbilligung oder Verteuerung der Herstellung, vor allem der Werkstoffe und der Arbeitsstunden; die Erweiterung oder Beschränkung der Verwendbarkeit; die Frage, ob sich die Erfindung ohne weiteres in die laufende Fertigung einreihen läßt oder ob Herstellungs- und Konstruktionsänderungen notwendig sind, ob eine sofortige Verwertung möglich ist oder ob noch umfangreiche Versuche vorgenommen werden müssen; die erwartete Umsatzsteigerung, die Möglichkeit des Übergangs von Einzelanfertigung zur Serienherstellung, zusätzliche oder vereinfachte Werbungsmöglichkeiten, günstige Preisgestaltung. Es ist ferner zu prüfen, welcher Schutzumfang dem Schutzrecht zukommt, das auf den Gegenstand der Erfindung erteilt ist, und ob sich der Besitz des Schutzrechts für den Betrieb technisch und wirtschaftlich auswirkt.“
- Demnach ist vor allem zu ermitteln, welche Vorteile die streitgegenständliche Erfindung gegenüber dem Stand der Technik vermittelt (siehe unten, Ziff. aa)). Ergänzend werden die weiteren Aspekte untersucht, zu denen vor allem auch die konkrete Kostenersparnis gehört (siehe unten, Ziff. bb)).
- aa)
Eine Erfindung ist vor allem nach ihrer Wertigkeit am Stand der Technik zu messen. Dazu gehören alle im Markt vorhandenen technischen Lösungen und Alternativen; auch der innerbetriebliche Stand der Technik ist einzubeziehen (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindervergütung, 4. Aufl. 2017, RL Nr. 10 Rn. 45). Je geringer der Abstand der zu vergütenden Erfindung zum allgemeinen Stand der Technik oder zu einem darüber hinausgehenden betrieblichen Stand der Technik ist, umso niedriger fällt der Lizenzsatz aus und umgekehrt. Werden Verfahren lediglich verbessert, rechtfertigt das häufig nur einen relativ niedrigen Lizenzsatz (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindervergütung, 4. Aufl. 2017, RL Nr. 10 Rn. 46).
Der Zeitpunkt der Beurteilung orientiert sich grundsätzlich an dem in § 12 Abs. 3 ArbErfG vorgegebenen Endtermin für die Vergütungsbestimmung, der bei drei Monaten nach Benutzungsaufnahme, spätestens aber bei drei Monaten nach Schutzrechtserteilung liegt (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindervergütung, 4. Aufl. 2017, RL 6, Rn. 85). Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss die Lizenzgebühr im Wege einer vorausschauenden Prognose bestimmt werden, wobei nach § 12 Abs. 6 ArbErfG sogar eine spätere Korrektur möglich ist (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindervergütung, 4. Aufl. 2017, RL 6, Rn. 85). Dafür spricht auch, dass im freien Lizenzmarkt die Arzneimittelbewertung nach der Zulassung und Markteinführung wesentlich ist (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindervergütung, 4. Aufl. 2017, RL 10 Rn. 118, 444m).
Vorliegend wurde die Streiterfindung im Jahre 2008 zum europäischen Patent angemeldet, dessen Erteilung am 07.03.2013 veröffentlicht wurde. Zu diesem Zeitpunkt war die Streiterfindung am „B“-Verfahren zu messen. Es kommt nicht darauf an, ob dieses Verfahren zu diesem Zeitpunkt bereits zugelassen war und zur Anwendung kam. Denn zumindest mussten vernünftige Lizenzparteien davon ausgehen, dass dieses Verfahren, das allein Schritt a) der Streiterfindung nutzt, einen notwendigen Zwischenschritt auf dem Weg zur Nutzung der Erfindung darstellt. Dies gilt zum einen im Hinblick auf eine mögliche Zulassung des Verfahrens. Denn das streiterfindungsgemäße Verfahren umfasst das „B“-Verfahren und beinhaltet darüber hinausgehend den weiteren Schritt der Racemisierung. Damit war den Parteien klar, dass eine Zulassung des streiterfindungsgemäßen Verfahrens auch die Zulassung des „B“-Verfahrens beinhalten würde. Dieselben Erwägungen gelten zum anderen im Hinblick auf die Umsetzung des Verfahrens. Vernünftige Lizenzvertragsparteien hätten gewusst, dass eine möglicherweise notwendige Umstellung der Produktionsanlagen auf das streiterfindungsgemäße Verfahren hin immer mit dem Umstand einhergehen würde, dass diese auch das „B“-Verfahren durchführen können.
Vernünftige Lizenzvertragsparteien hätten vor diesem Hintergrund die Vorteile der Streiterfindung nicht in Gegenüberstellung mit dem „C-Syntheseweg“ oder dem „1.1G“-Verfahren ermittelt, sondern auf der Basis des „B“-Verfahrens. Dass dieses für sich genommen von der Erfindervergütung nicht umfasst ist, ist zwischen den Parteien unstreitig. Insofern ist davon auszugehen, dass sich ein Lizenzsatz am freien Markt auch nur an den Vorteilen orientiert hätte, die die Streiterfindung gegenüber dem „B“-Verfahren bietet, ungeachtet des Umstands, ob dieses Verfahren bereits etabliert war und zu diesem Zeitpunkt noch nicht von der Beklagten umgesetzt wurde. Denn dies ist auf die zu diesem Zeitpunkt noch fehlende Zulassung zurückzuführen. Die Parteien mussten jedoch davon ausgehen, dass es eine solche in Zukunft geben würde, da anderenfalls auch die streitgegenständliche Arbeitnehmererfindung nicht hätte umgesetzt werden können.
Gegenüber dem „B“-Verfahren bietet die Streiterfindung den Vorteil, dass das dabei entstehende, unbrauchbare Enantiomer, welches zu einem Ausschuss von 50 % führte, in den Herstellungsprozess zurückgeführt werden kann. Gegenüber dem aus dem Stand der Technik bekannten „B“-Verfahren wird also die Ausbeute erhöht. - bb)
Der unter Ziff. aa) beschriebene Umstand, dass das streiterfindungsgemäße Verfahren gegenüber dem aus dem Stand der Technik bekannten „B“-Verfahren die Ausbeute erhöht, bedingt auch die weiteren, in Richtlinie 6 genannten weiteren Aspekte, die bei der Ermittlung eines angemessenen Lizenzsatzes heranzuziehen sind. - Da das streiterfindungsgemäße Verfahren einen weiteren Weg zur Herstellung des Wirkstoffs Lacosamid aufzeigt, der sich seinem Inhalt nach nicht von anderweitig hergestelltem Lacosamid unterscheidet, geht eine Veränderung der Wirkungsweise des Stoffs damit nicht einher. Vielmehr ist allein die Herstellungsweise und damit einhergehende Vor- und Nachteile, zu denen insbesondere die Kostenreduzierung gehört, betroffen.
- Um die mit der Streiterfindung möglichen Kostenersparnisse zu ermitteln, muss das erfindungsgemäße Verfahren aus den oben unter Ziff. aa) geltenden Gründen, die auch hier gelten, mit dem „B“-Verfahren verglichen werden. Die Beklagte führt insofern aus, dass sich gegenüber diesem Verfahren eine gemittelte Ersparnis pro hergestelltem Kilogramm des Wirkstoffs Lacosamid von 60,00 Euro ergebe. Dem ist die Klägerin nicht hinreichend entgegen getreten. Soweit sie auf eine Veröffentlichung im Intranet der Beklagten vom 10.12.2015 verweist, bietet diese schon keine hinreichende Grundlage für konkrete Berechnungen. Zudem handelte es sich dabei lediglich um eine Prognose, die sich – so von der Beklagten vorgetragen – nicht realisiert hat. Dass allein eine solche Prognose nicht die dauerhafte Grundlage von Lizenzvereinbarungen sein kann, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass nach § 12 Abs. 6 ArbErfG ein Anspruch auf Anpassung besteht, wenn sich die Umstände wesentlich ändern. Hinzu kommt, dass in der betrieblichen Praxis üblicherweise bei der Vergütung der betrieblichen Verwertung von Diensterfindungen nachkalkulatorisch auf einen jährlichen Nutzungszeitraum abgestellt wird, und zwar zweckmäßigerweise bezogen auf das vorangegangene Geschäftsjahr des Arbeitgebers, da erst dann die für die Vergütungsbemessung relevanten Daten verlässlich vorliegen (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindervergütung, 4. Aufl. 2017, Einleitung, Rn. 67). Insofern kann hier nicht die von der Beklagten im Jahre 2015 erwartete Gewinnsteigerung maßgeblich sein.
- Um den von der Beklagten vorgenommenen Berechnungen substantiiert entgegen zu treten, hätte die Klägerin dem eigene konkrete Berechnungen entgegenhalten müssen. Dies wäre ihr auf der Basis des ihr gegen die Beklagte zustehenden Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs auch möglich gewesen. Sofern sie vorträgt, dass die Beklagte nur „rudimentär“ Auskunft erteilt habe, muss sie sich auf das ihr offen stehende Zwangsvollstreckungsverfahren verweisen lassen, dass ihr auf der Basis des Grund-Urteils möglich ist. Da sie von diesem keinen Gebrauch gemacht und der Höhe-Teilklage allein die von der Beklagten mitgeteilten Nettoumsätze zu Grunde gelegt hat, reicht ein pauschales Bestreiten der Richtigkeit der von der Beklagten zu Grunde gelegten, mit dem streiterfindungsgemäßen Verfahren zu erzielenden Ersparnis nicht aus.
- Neben den Kostenersparnissen gegenüber dem „B“-Verfahren kommt es auf mögliche Einsparungen auf der Basis eines Drittbezugs nicht an. Wie die Beklagte vorträgt, möchte sie sich bei dem Bezug des Wirkstoffs Lacosamid nicht auf eine Bezugsquelle beschränken. Dies muss insbesondere für den Bezug des Wirkstoffs von Dritten gelten, so dass hier davon ausgegangen wird, dass das streiterfindungsgemäße Verfahren allein die betriebsintern angewandten Verfahren ablösen sollte.
- Ein weiterer Faktor bei der Bestimmung des Lizenzsatzes liegt in dem Umstand, inwiefern sich die Umsetzung des streiterfindungsgemäßen Verfahrens in die laufende Fertigung einfügen lässt. In diesem Zusammenhang gibt die Beklagte einerseits an, dass der Umsetzung des streiterfindungsgemäßen Verfahrens das Bestreben zu Grunde lag, die ohnehin existierenden MCC-Anlagen auszulasten. Auf der anderen Seite trägt sie vor, dass sie beträchtliche Entwicklungskosten und Investitionen getätigt habe. Diese Umstände sind von der Klägerin mit dem Vortrag, dass der zu Grunde liegende chemische Prozess „sehr einfach“ sei, nicht hinreichend bestritten worden. Allein die Einfachheit des chemischen Prozesses sagt noch nichts über die Umsetzung im Rahmen eines konkreten Herstellungsverfahrens aus.
- Sofern die Klägerin weitere Vorteile des streiterfindungsgemäßen Verfahrens darin sieht, dass eine größere Produktsicherheit gegeben sei, generische Herstellverfahren blockiert seien, eine bessere Energiebilanz vorliege und die Synthese umweltfreundlicher sei, gilt dies nur eingeschränkt. Denn anders als die Klägerin meint, sind die streiterfindungsgemäßen Vorteile an dem „B“-Verfahren zu messen. Die größere Produktsicherheit war aber nur gegenüber dem „C“-Syntheseweg gegeben. Und generische Herstellverfahren mögen zwar blockiert sein, sofern sie sich auf das streiterfindungsgemäße Verfahren beziehen, tatsächlich ist eine Rechtsdurchsetzung jedoch mangels Nachweismöglichkeiten stark eingeschränkt.
Insgesamt wirkt sich der Umstand, dass es sich bei der Streiterfindung um eine Verbesserung im Hinblick auf das Herstellungsverfahren handelt, das die Ausbeute erhöht und damit zu einer gewissen Kostenersparnis führt, lizenzerhöhend aus, während dies für die Ausnutzung bestehender Prozesse nicht gilt, da auch unter Nutzung der MCC-Anlagen noch hohe Investitionen notwendig waren. Soweit das Streitpatent darüber hinaus weitere Vorteile aufzeigt, haben auch diese außer Betracht zu bleiben, da sie allein gegenüber dem „C“-Syntheseweg, nicht aber dem hier maßgeblich zu Grunde zu legenden „B“-Verfahren gelten. Unter Zugrundelegung dieser Umstände wird hier der im Pharmabereich insgesamt mögliche Höchstlizenzsatz von 5 % nicht voll ausgeschöpft, sondern vorliegend ein Gesamtlizenzsatz von 4 % angesetzt. - 3.
Dem streiterfindungsgemäßen Verfahren kommt an diesem für das gesamte Arzneimittel angemessenen Gesamtlizenzsatz ein Anteil von 20 % zu, woraus sich ein auf die Streiterfindung entfallender finaler Lizenzsatz von 0,8 % ergibt.
Da es sich bei XXX® um ein pharmazeutisches Produkt handelt, sind die bei solchen Produkten allgemein geltenden Besonderheiten zu beachten. Sofern im Teil-Urteil festgehalten worden ist, dass bei pharmazeutischen Verbindungen regelmäßig keine abgrenzbaren Problemkreise bestehen und daher der Wert der gesamten Verbindung anzusetzen ist (siehe Teil-Urteil, Ziff. II 2. a) aa) und bb) (a)), bezieht sich dies allein auf die generelle Bestimmung der Bezugsgröße, auf die sich die Auskunftspflicht bezieht. Dass bei der Bestimmung der konkreten Lizenz jedoch ein prozentualer Wertanteil zu bestimmen ist, der zu der Bestimmung eines Lizenzanteils führt, ist zwischen den Parteien unstreitig.
Konkret lassen sich bei Arzneimitteln die Problemkreise betreffend Wirkstoff, Herstellung und Formulierung voneinander abgrenzen. Die Schiedsstelle geht davon aus, dass dem Wirkstoff wegen seiner besonderen Bedeutung für ein Arzneimittel rund 50 – 70 %, dem Herstellungsverfahren bis zu 30 % und der Formulierung häufig rund 15 % zukommen können (siehe Schiedsst. V. 19.02.2016 Arb.Erf. 28/13; Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindervergütung, 4. Aufl. 2017, RL Nr. 10 Rn. 118).
In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass die Schiedsstelle in dem angeführten Einigungsvorschlag vom 19.02.2016 nur den Lizenzanteil für eine bestimmte Formulierung festlegte und dabei nur beiläufig festhielt, dass dem Herstellungsverfahren ein Anteil von bis zu 30 % zugeordnet werden könne. Mit einem solchen beschäftigte sie sich in dem Verfahren nur am Rande und führte aus wie folgt:
„Ein Arzneimittel entsteht nämlich in einer Vielzahl von Entwicklungsschritten, von welchen jeder für sich dem Patentschutz zugänglich sein kann mit entsprechender Relevanz für die Monopolstellung des Unternehmens am Markt. So geschehen erste Patentanmeldungen bereits kurz nach der Identifizierung von chemischen Verbindungen, die als Arzneimittelkandidaten in Frage kommen. Im Idealfall wird der später selektierte Wirkstoff schon als einer unter vielen beansprucht, jedoch nicht explizit offenbart. Solche in einem zeitlich sehr frühen Stadium erfolgende Schutzrechtsanmeldungen dürften im Hinblick auf die relevanten Zeitachsen im Regelfall eher die Entwicklungstätigkeit als das Endprodukt absichern. Erst später werden explizit die selektierten Wirkstoffe zum Patent angemeldet. Solche Stoffpatente sind von Konkurrenten nicht durch eigene Alternativentwicklungen umgehbar. Sie bilden daher aufgrund ihrer Sperrwirkung die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg. Dementsprechend ist ihnen auch regelmäßig der größte Anteil am Schutzrechtskomplex zuzubilligen. Hinzu treten im weiteren Verlauf Formulierungspatente, welche im Rahmen der klinischen Forschung bekannt gewordene Details zur Bereitstellung und Dosierung des Wirkstoffs in einer Form, die eine gute Anwendbarkeit und optimale Bioverfügbarkeit ermöglicht, unter Schutz stellen. Begleitend erfolgen Patentanmeldungen für Herstellungsverfahren.“
Aus den Ausführungen der Schiedsstelle ergibt sich, dass Herstellungsverfahren zwar ein beträchtlicher Wertanteil von bis zu 30 % zukommen kann. Dass dies den Regelfall darstellt, kann dem Einigungsvorschlag aber nicht entnommen werden. Vielmehr wird deutlich, dass Patentanmeldungen für Herstellungsverfahren nur „begleitend“ erfolgen.
So verweist die Klägerin selbst auf Gutachten aus einem vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf geführten Verfahren (Az. I-2 U 78/16), in welchem der Sachverständige festhält, dass der Schutzrechtsanteil von Herstellungsverfahren gering sei und häufig weniger als 20 % betrage, bei fehlenden Verletzungsmöglichkeiten auch weniger als 10 %. Zwar seien dem Sachverständigen persönlich auch Fälle bekannt, bei denen ein Schutzrechtsanteil von 25 % zugebilligt worden sei, diese hätten sich jedoch auf außergewöhnlich komplexe Wirkstoffe bezogen.
Dass es sich bei Lacosamid um einen außergewöhnlich komplexen Wirkstoff handelt, wird von der Klägerin nicht hinreichend vorgetragen. Vielmehr hat sie im Rahmen ihrer dem Teil-Urteil vorangegangenen Replik vom 28.09.2020 selbst eingeräumt, dass der dem erfindungsgemäßen Verfahren zu Grunde liegende chemische Prozess „sehr einfach“ sei und die Beklagte das Verfahren kenne. Insofern gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Wirkstoff oder dessen Herstellung über die Maßen komplex gewesen ist.
Die Klägerin verweist ferner auf einen Einigungsvorschlag der Schiedsstelle (Arb.Erf 16/17 vom 02.05.2019), bei dem für das Herstellungsverfahren für den Wirkstoff ein Komplexanteil von 25 % zu Grunde gelegt wurde. Diesem Fall lag jedoch die Besonderheit zu Grunde, dass das Wirkstoffpatent bereits vor Markteinführung abgelaufen war und das Produkt damit im Vorhinein von einem Erfindungskomplex ohne Wirkstoffpatente geprägt war. Aus diesem Grunde nahm die Schiedsstelle Abstand davon, den Höchstlizenzsatz anzusetzen und wollte dem Erfinder daher bei der Bestimmung des Wertanteils entgegenkommen.
Hier wurde das Wirkstoffpatent für Lacosamid erst im Jahre 2022 gemeinfrei, also nachdem die Beklagte die Nutzung des streiterfindungsgemäßen Verfahrens im Jahre 2019 aufgenommen hatte. Auch wenn der Erfindungskomplex mit Ablauf des Stoffpatents stärker vom streitigen Verfahrenspatent geprägt war, kann sich dies mangels Nachweismöglichkeiten nicht anteilserhöhend auswirken. Denn der Wirkstoff lässt keine Rückschlüsse auf das Herstellungsverfahren zu und so ist der Nachweis dafür, dass einer der vielen nunmehr auf den Markt getretenen generischen Wettbewerber das streiterfinderische Verfahren verwendet, nur schwer möglich.
Geht man vorliegend von einem mittleren Anteil von 20 % aus, ergibt sich insgesamt ein finaler Lizenzsatz von 0,8 %. Dieser bewegt sich auch im Rahmen dessen, was Bartenbach/Volz als angemessenen Lizenzsatz für Verfahrenspatente veranschlagen, denn diese gehen von einer Spanne von 0,5 – 1,2 % aus (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindervergütung, 4. Aufl. 2017, RL 10 Rn. 18). - 4.
Vorliegend ist entsprechend der Vereinbarung zwischen Herrn Dr. XXX und der Beklagten im Erfindervergütungs-Grundvertrag eine Abstaffelung vorzunehmen, nach welcher sich ein Erfindungswert von 2.659.568,20 Euro ergibt.
Das Vornehmen einer Abstaffelung ist nicht nur im Erfindervergütungs-Grundvertrag unter Verweis auf die Richtlinie 11 ausdrücklich zwischen Herrn Dr. XXX und der Beklagten festgehalten worden, sondern bei hohen Umsätzen grundsätzlich anzuwenden und im Arbeitnehmererfinderbereich üblich (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindervergütung, 4. Aufl. 2017, RL 11, Rn. 20). Dies gilt insbesondere im Pharma-Bereich (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindervergütung, 4. Aufl. 2017, RL 11, Rn. 29).
Insofern greifen die Einwände der Klägerin, dass die Vereinbarung einer Abstaffelung im Rahmen des Erfindervergütungs-Grundvertrags eine arglistige Täuschung dargestellt habe bzw. einer AGB-Kontrolle nach § 305c BGB nicht standhalte, nicht durch. Die Beklagte war wegen der Üblichkeit der Abstaffelung nicht dazu angehalten, Herrn Dr. XXX über die Auswirkungen gesondert aufzuklären. Auch die von der Klägerin vorgetragene Behauptung der Beklagten, dass Herrn Dr. XXX mit dem Unterschreiben des Grundvertrags keine Nachteile entstehen würden, laufen dem nicht zuwider. Denn Herr Dr. XXX musste davon ausgehen, dass die Abstaffelung auch für die von ihm gemeldete Erfindung gelten werde.
Vor dem Hintergrund der zwischen Herrn Dr. XXX und der Beklagten ausdrücklich einbezogenen Richtlinie 11 ist ein Rückgriff auf die sogenannte „Düsseldorfer Praxis“, nach der nur eine lineare Abstaffelung vorgenommen wird, hier nicht angezeigt.
Zu dem Eingreifen eines Ausnahmetatbestands hat die Klägerin nicht hinreichend vorgetragen. Sofern sie auf das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurts (Urteil vom 21.04.2020 – X ZR 75/18, in GRUR 2020, 839) verweist, ist eine Vergleichbarkeit nicht zu erkennen. Es ist nicht klar, inwiefern auch hier von Arzneimittelumsätzen mit reduzierter Bezugsgröße auszugehen sein soll. - 5.
Vorliegend ist der Klägerin eine Erfindervergütung in Höhe des Miterfinderanteils des Herrn Dr. XXX von 16,7 % (1/6) zuzusprechen, der den Anteil unter Berücksichtigung des zwischen den Parteien vereinbarten Anteilsfaktors von 10 % auf 44.335,00 Euro reduziert.
Die Beklagte hat substantiiert vorgetragen, dass es neben Herrn XXX und Herrn Dr. XXX noch weitere Erfinder gab (siehe unten, Ziff. a)). Da die Klägerin wiederum ihrer Darlegungs- und Beweislast für den von ihr behaupteten Umfang des Miterfinderanteils des Herrn Dr. XXX nicht nachgekommen ist, wird hier gemäß § 742 BGB von gleichen Anteilen ausgegangen (siehe unten, Ziff. b)).
Sofern die Klägerin vorträgt, dass Herr Dr. XXX sich nur unter gewissen Bedingungen an einen Anteilsfaktor von 10 % gebunden sehe, ist dies hier unerheblich, da ein solcher im Erfindervergütungs-Grundvertrag verbindlich zwischen Herrn Dr. XXX und der Beklagten vereinbart worden ist. - a)
Hinsichtlich eines dem Grunde nach vorliegenden Miterfinderanteils liegt die Darlegungs- und Beweislast bei der Beklagten. Es gelten die allgemeinen Beweislastregeln, nach denen derjenige, der eine (Mit-) Erfinderschaft bzw. darauf beruhende Vergütungsansprüche beansprucht, darlegungs- und beweispflichtig ist (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindervergütung, 4. Aufl. 2017, Einl., Rn. 128). Vor dem Hintergrund, dass Herr XXX und Herr Dr. XXX hier unstreitig Miterfinder der Streiterfindung sind und die Beklagte vorträgt, dass diese um die Anteile weiterer Miterfinder zu reduzieren sind, obliegt dieser die Darlegungs- und Beweislast.
Dabei dürfen entgegen der Auffassung der Klägerin weitere Miterfinderanteile der XXX Mitarbeiter jedenfalls nicht bereits deshalb außer Betracht bleiben, weil diese einem anderen Arbeitgeber in Form einer konzernverbundenen Gesellschaft zuzuordnen sind. Schließlich ist – wie auch bei der Bestimmung der Umsätze – in diesem Zusammenhang von einem einheitlich zu betrachtenden Konzern auszugehen. Etwas anderes gilt auch nicht für den Fall, dass die Anteile der XXX Miterfinder nicht vergütungspflichtig sind und die Beklagte daher nicht zusätzlich belasten würden. Eine mögliche Vergütungsfreiheit von Arbeitnehmererfindungen in Belgien kann nicht dazu führen, dass Herr Dr. XXX und der Miterfinder Herr XXX die weiteren Erfindungsbeiträge einfach „zugeschlagen“ werden. Dies stellte eine ungerechtfertigte Bevorteilung der beiden Arbeitnehmererfinder dar. Denn diesem Teil der Vergütung steht eine erfinderische Leistung der beiden Arbeitnehmererfinder nicht gegenüber. Stattdessen steht der Wert der Erfindung in Fällen, in denen das ausländische Recht einen finanziellen Ausgleich für die Arbeitnehmer nicht vorsieht, insoweit dem Arbeitgeber – hier der Beklagten – zu.
Für eine Miterfinderschaft der XXX Mitarbeiter der Beklagten spricht zunächst, dass diese auch in der Patentschrift genannt sind. Diese weist neben Herrn XXX und Herrn Dr. XXX auch die weiteren Mitarbeiter XXX, XXX, XXX und XXX aus. Dass die Ernennung dieser weiteren Erfinder ohne Wissen und Zustimmung des Herrn Dr. XXX bzw. des Herrn XXX geschah, kann nicht nachvollzogen werden. Es ist davon auszugehen, dass eine solche Unrichtigkeit Herrn XXX bzw. Herrn Dr. XXX schon früher aufgefallen wäre. Dann hätte es ihnen nach § 63 Abs. 2 PatG offen gestanden, Klage zu erheben auf Zustimmung zu einer entsprechenden Änderung. Dass dies geschehen ist, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Zudem verweist die Beklagte auf die interne E-Mail-Korrespondenz zwischen der zuständigen Mitarbeiterin der Patentabteilung, Frau XXX, mit den Erfindern (Anlage CBH 21 und CBH 22). Diese E-Mail ließ in der Adresszeile alle weiteren, in dem Patent mitbenannten Erfinder – bis auf Frau XXX – erkennen, die daraufhin über ihre Beiträge zur Erfindung informierten (Anlagen CBH 23 bis CBH 26). In einer E-Mail vom 02.12.2009 wiederum beanspruchten Herr XXX und Herr Dr. XXX eine Miterfinderschaft von insgesamt 90 %, wobei sie diese zu jeweils 45 % untereinander aufteilen wollten. Das macht deutlich, dass Herr Dr. XXX sowie Herr XXX selbst davon ausgingen, dass es neben ihnen noch weitere Erfinder gibt. Auch der mit der Beklagten vereinbarte Erfindervergütungs-Grundvertrag regelt in der Präambel ausdrücklich nur die Anteile der deutschen Erfinder und verdeutlicht damit, dass weitere Miterfinder zumindest nicht ausgeschlossen sind. - b)
Die Klägerin hat hinsichtlich des behaupteten Umfangs des Miterfinderanteils von 50 % im Hinblick auf Herrn Dr. XXX nicht hinreichend substantiiert vorgetragen.
Die Vergütung eines Miterfinders erfolgt entsprechend seinem Anteil am Zustandekommen der Diensterfindung (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungsgesetz, 6. Aufl. 2019, § 12 Rn. 30). Für die Größenbestimmung des Miterfinderanteils sind die technische Lehre in ihrer Gesamtheit und die (schöpferischen) Beiträge der einzelnen Miterfinder zum Zustandekommen dieser Lehre zu betrachten. Die Bemessung hat auf der Grundlage der (erschöpfenden) Beschreibung der gesamten Erfindung in der Schutzrechtsanmeldung zu erfolgen (§ 12 Rn. 30). Bei der Prüfung, welche Leistung der Einzelne zu der Erfindung beigesteuert hat, muss die gesamte dem Schutzrecht zugrunde liegende Erfindung und deren Zustandekommen betrachtet werden. Ausschlaggebend für die Größenbestimmung des Miterfinderanteils ist das Gewicht, das den Einzelbeiträgen der an der Erfindung Beteiligten zueinander im Verhältnis zu der Gesamtleistung zukommt. Das kann erschöpfend nur beurteilt werden, wenn auf Grund aller relevanten Umstände zunächst der Gegenstand der geschützten Erfindung ermittelt, sodann die Einzelbeiträge der Beteiligten am Zustandekommen der Erfindung festgestellt und schließlich deren Gewicht im Verhältnis zueinander und zur erfinderischen Gesamtleistung abgewogen werden (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungsgesetz, 6. Aufl. 2019, § 12 Rn. 31). Die Beurteilung der Wertigkeit hat vom allgemeinen Stand der Technik und dem Können des Durchschnittsfachmanns her zu erfolgen. Erst wenn nach Ausschöpfung aller sich anbietenden Erkenntnisquellen keine eindeutige Anteilsbestimmung möglich ist, kann nach § 742 BGB von gleichen Anteilen ausgegangen werden (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungsgesetz, 6. Aufl. 2019, § 12 Rn. 32).
Die Darlegungs- und Beweislast für den Umfang des Miterfinderanteils trifft den Arbeitnehmer, hier also Herrn Dr. XXX bzw. die Klägerin (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungsgesetz, 6. Aufl. 2019, § 12 Rn. 32).
Dieser ist die Klägerin nicht hinreichend nachgekommen. Sie trägt vor, dass Herr Dr. XXX und Herr XXX das vollständige Benutzungsrecht an der Streiterfindung vermittelt hätten. Das ist bereits im Lichte der hiesigen Ausführungen, nach denen Herr Dr. XXX und Herr XXX selbst einräumten, dass es neben ihnen noch weitere Miterfinder gebe, nicht plausibel. Insofern setzt sich die Klägerin auch nicht weiter mit der Patentschrift und den einzelnen Beiträgen dazu auseinander. Damit wird sie ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht gerecht. Sofern sie die von der Beklagten behaupteten Erfindungsbeiträge der XXX Mitarbeiter mit Nichtwissen bestreitet, ist dies hier unzulässig, da ihr in Abgrenzung dazu ein Vortrag zu dem erfinderischen Beitrag zumindest in Bezug auf Herrn Dr. XXX möglich gewesen wäre.
Vor diesem Hintergrund ist hier auf § 742 BGB zurückzugreifen und von gleichen Anteilen auszugehen. Da hier in der Patentschrift insgesamt sechs Erfinder genannt sind, ist demnach von einem Miterfinderanteil des Herrn Dr. XXX von 16,67 % (1/6) auszugehen. - II.
Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung auf Grund der Ausführungen der Klägerin in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 27. Januar 2023 war nicht geboten. - III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. - Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
- Der Streitwert wird gemäß §§ 51 Abs. 1 GKG auf 500.000,00 Euro festgesetzt.