4a O 93/20 – Ionenstrahlvorrichtung

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3261

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 5. Januar 2023, Az. 4a O 93/20

  1. I.
    Die Beklagte wird verurteilt,
  2. 1.
    es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist,
  3. zu unterlassen,

    Vorrichtungen zum Behandeln eines Patienten mit ionisierender Strahlung

    in der Bundesrepublik Deutschland, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

  4. wobei die Vorrichtungen folgendes umfassen: ein ringförmiges Gestell, auf dem eine Halterung bereitgestellt ist, eine Strahlungsquelle, die an der Halterung befestigt ist; wobei das Gestell um eine Achse drehbar ist, die mit der Mitte des Rings zusammenfällt; wobei die Quelle mittels eines drehbaren Anschlussteils mit einer Drehachse, die zu der Gestellachse nicht parallel ist, an der Halterung befestigt ist; wobei die Achse des Anschlussteils durch die Achse des Gestells verläuft und die Strahlungsquelle kollimiert ist, um einen Strahl zu erzeugen, der durch das Zusammentreffen dieser Achsen verläuft;
  5. 2.
    der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 16. September 2020 begangen hat, und zwar unter Angabe
  6. a. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
  7. b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren;
  8. c. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
  9. wobei zum Nachweis der Angaben entsprechende Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  10. 3.
    der Klägerin in einer geordneten Aufstellung darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 16. September 2020 begangen hat, und zwar unter Angabe:
  11. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer;
  12. b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger;
  13. c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne;
  14. d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  15. wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
  16. II.
    Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, ihr durch die zu I. 1. bezeichneten und seit dem 16. September 2020 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  17. III.
    Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 25 %, die Beklagte zu 75 % zu tragen.
  18. IV.
    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 2.500.000,00. Davon entfallen auf die Vollstreckung von Ziffer I. 1. des Tenors EUR 1.900.000,00, auf die Vollstreckung der Ziffern I 2. und I. 3 des Tenors zusammen EUR 625.000,00 und auf die Vollstreckung wegen der Kosten 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
    Für die Beklagte ist das Urteil hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
  19. Tatbestand
  20. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 XXX XXX B 1 (Anlage K3a / K3b; nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung in Anspruch.
  21. Das Klagepatent wurde am XXX angemeldet und nimmt die Prioritäten der Schriften GB XXX XXX vom XXX sowie der GB XXX XXX vom XXX in Anspruch. Die Patenterteilung wurde am 27.08.2008 vom Europäischen Patentamt (nachfolgend: EPA) veröffentlicht.
  22. Die Klägerin ist seit dem XXX im Register (vgl. Anlage K2) des Deutschen Patent- und Markenamtes (nachfolgend: DPMA) als alleinige Inhaberin des Klagepatents eingetragen. Zuvor war ihre XXX Muttergesellschaft, die A (publ), als Inhaberin eingetragen.
  23. Das Klagepatent steht in Kraft. Die Beklagte erhob am 26.07.2021 gegen das Klagepatent Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht. Eine Entscheidung hierauf erging bisher nicht. Unter dem 17.11.2022 erließ das Bundespatentgericht einen qualifizierten Hinweis (vgl. Anlage K 20 / B 5).
  24. Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zur Behandlung von Patienten mit ionisierender Strahlung, die sich insbesondere für verschiedene Formen der Radiochirurgie und für bestimmte Formen der Strahlentherapie eignet.
  25. Der Klagepatentanspruch 1 lautet in der englischen Verfahrenssprache wie folgt:
  26. „Device for treating a patient with ionising radiation comprising:
    a ring-shaped support (24 ), on which is provided a mount (26),
    a radiation source (32) attached to the mount (26);
    the support (24) being rotateable about an axis
    coincident with the centre of the ring;
    characterised by
    the source (32) being attached to the mount (26) via a rotateable union (30) having an axis of rotation which is non-parallel to the support axis;
    wherein the axis of the union (30) passes through the axis of the support and the radiation source (32) is collimated so as to produce a beam which passes through the co-incidence of those axes.“
  27. In deutscher Übersetzung lautet der Klagepatentanspruch wie folgt:
  28. „Vorrichtung zum Behandeln eines Patienten mit ionisierender Strahlung, das Folgendes umfasst:
    ein ringförmiges Gestell (24), auf dem eine Halterung (26) bereitgestellt ist, eine Strahlungsquelle (32), die an der Halterung (26) befestigt ist;
    wobei das Gestell (24) um eine Achse drehbar ist, die mit der Mitte des Rings zusammenfällt;
    dadurch gekennzeichnet, dass
    die Quelle (32) mittels eines drehbaren Anschlussteils (30) mit einer Drehachse, die zu der Gestellachse nicht parallel ist, an der Halterung (26) befestigt ist; wobei die Achse des Anschlussteils (30) durch die Achse des Gestells verläuft und die Strahlungsquelle (32) kollimiert ist, um einen Strahl zu erzeugen, der durch das Zusammentreffen dieser Achsen verläuft.“
  29. Wegen der weiteren, lediglich als Insbesondere-Anträge geltend gemachten Unteransprüchen 2, 7 bis 17 des Klagepatents wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
  30. Die nachfolgend dargestellte Figur 5 des Klagepatents zeigt eine Vorrichtung zur Behandlung mit ionisierender Strahlung in klagepatentgemäßer Ausführung, wobei u.a. die Strahlungsquelle (32), die Halterung (26, 28) sowie das ringförmige Gestell (24) gezeigt sind.
  31. Die Beklagte, die 2014 gegründet wurde und ihren Sitz in XXX hat, ist Entwicklerin und Herstellerin des für die Radiochirurgie eingesetzten Produkts „XXX“ (nachfolgend: die angegriffene Ausführungsform), das sie auf der von ihr betriebenen Webseite www.XXX.com in englischer Sprache bewirbt. Auf der Seite besteht für den Nutzer die Möglichkeit, zum Zwecke der Kontaktaufnahme Deutschland als Heimatland auszuwählen.
  32. Zur Veranschaulichung werden im Folgenden ein von der Webseite der Beklagten stammendes Bild sowie eine schematische Darstellung der angegriffenen Ausführungsform (entsprechend Anlage K 6, S. 3, Figur 1) dargestellt:
  33. Am 11.01.2021 lieferte die Beklagte ein Exemplar der angegriffenen Ausführungsform an das in Deutschland belegene XXX.
  34. Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von allen Merkmalen des Anspruchs 1 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.
    Die angegriffene Ausführungsform weise ein ringförmiges Gestell auf, an dem eine Halterung befestigt sei. Bei dem ringförmigen Gestell handele es sich – wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung unter Verweis auf die Abbildungen in der Anlage K 21 klargestellt hat – um die ringförmige Öffnung an der rechten Seite des auf der dortigen Explosionszeichnung erkennbaren „schrägen Gehäuses“, die auf der Zeichnung von einem blauem Ring umgeben sei. Die Halterung werde durch den in der grünen Halbkugel oben gelagerten Ring verwirklicht. Die Halterung drehe sich auf diese Weise mit dem ringförmigen Gestell mit. Die im Klagepatent im Zusammenhang mit dem ringförmigen Gestell genannte Achse entspreche der Achse des schrägen Gehäuses, die in der Explosionszeichnung durch das daran angebrachte schwarze Bauteil gekennzeichnet sei. Der Umstand, dass bei dieser Betrachtungsweise das ringförmige Gestell mit der Halterung einstückig ausgebildet sei, stehe der Verwirklichung des Merkmals nicht entgegen, wonach die Vorrichtung ein ringförmiges Gestell umfasst, auf dem eine Halterung bereitgestellt ist.
    Das „drehbare Anschlussteil“ stelle in der angegriffenen Ausführungsform das gesamte Bauteil aus schrägem Strahlenschutzschild und der darin befestigten Strahlungsquelle dar. Dieses Bauteil sei durch den Torquemotor drehbar um die mittels eines weiteren schwarzen Bauteils gekennzeichnete Drehachse, die nicht parallel zu Achse des Rings sei. Auf diese Weise trage die Halterung auch die Strahlungsquelle. Die Befestigung der Strahlungsquelle werde durch den Torquemotor in seiner Gesamtheit bewirkt. Der Torquemotor sei in dem schrägen Gehäuse drehbar.
  35. Das Klagepatent werde sich zudem im Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen und aufrechterhalten werden, weshalb der Rechtsstreit nicht auszusetzen sei.
    Sowohl die Entgegenhaltung US 4,XXX XXX– „XXX XXX“ (Anlagenkonvolut ES1, Bl. 273 – 277; nachfolgend: D1) als auch die Entgegenhaltung US 3,XXX XXX – „XXX XXX“ (Anlagenkonvolut ES1, Bl. 278 – 282; nachfolgend: D2) offenbarten nicht alle Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatents. Insbesondere bezögen sich die beiden Druckschriften jeweils auf Vorrichtung zur Untersuchung und nicht zur Behandlung des Patienten. Es bestehe darüber hinaus ein erheblicher Unterschied zwischen einer Untersuchung mittels Röntgenstrahlung und einer Behandlung durch ionisierender Strahlung, wie sie im Klagepatent offenbart sei. Dies ergebe sich etwa aus der Druckschrift US 2009/XXX XXX A1. Die Entgegenhaltung D1 zeige zudem nicht die Merkmale des Klagepatents, wonach das Gestell um eine Achse drehbar sein müsste, die mit der Mitte des Rings zusammenfalle und darüber hinaus auch nicht das Merkmal des Klagepatents, wonach die Strahlungsquelle entsprechend des Zusammentreffens der beiden Drehachsen kollimiert sein müsse. Letzteres Merkmal sei auch in der D2 nicht offenbart. Zu dem in der Druckschrift beanspruchten Röntgenstrahl lägen nur spärliche Informationen vor. Dazu, ob dieser etwa divergierend oder fokussiert/kollimiert entsprechend des vorgenannten Merkmals ausgeformt sei, finde sich in der D2 kein Hinweis. Der Fachmann lese in die D2 keinesfalls hinein, dass die Röntgenquelle einen Kollimator aufweise, der den Röntgenstrahlen durch den Schnittpunkt der Drehachse laufen lasse.
    Die Klägerin hat mit der ursprünglich eingereichten Klage die Anträge dergestalt angekündigt, dass sie zunächst die Auskunftserteilung (Klageantrag A. II.), die Rechnungslegung (Klageantrag A. III.) und die Feststellung der Schadenersatzpflicht (Klageantrag B) ab dem 27.09.2008 beantragt hat.
    In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die vorgenannten Anträge umgestellt und beantragt nunmehr,
    wie erkannt.
  36. Die Beklagte beantragt,
  37. die Klage abzuweisen;
  38. hilfsweise,
  39. den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen den deutschen Teil des Europäischen Patents EP 1 XXX XXX B1 erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.
  40. Die Beklagte meint, der Anspruch 1 des Klagepatents sei durch die angegriffene Ausführungsform nicht verletzt. Sie weise weder ein „ringförmiges Gestell“ noch ein „drehbares Anschlussteil“ im Sinne des Klagepatents auf.
    Der englischen Anspruchsfassung des Klagepatents sei zu entnehmen, dass das „ringförmige Gestell“ („ring-shaped support“) ein tragendes Teil sein müsse, da es auf das erhebliche Gewicht der rotierenden Vorrichtungsteile ausgelegt sein müsse. Die von der Klägerin gemeinte Struktur stelle vielmehr ein schräges Gehäuse bzw. eine abgeschrägte Hülle dar, die keine Ringform aufweise. Sie sei ferner mit dem durch die Klägerin als Halterung bezeichneten Bauteil einstückig ausgeformt, was aber im Widerspruch zur Lehre des Klagepatents stehe, die verlange, dass die Halterung ein räumlich-körperlich sowie technisch-funktional getrenntes Vorrichtungsteil sei. An der von der Klägerin bezeichneten Stelle befinde sich darüber hinaus ein Torquemotor, der zwar ringförmig ausgestaltet sei, aber keine Halterung bereitstelle. Klagepatentgemäß müsse die Halterung die Last der an ihr befestigten Strahlungsquelle auf das ringförmige Gestell übertragen. Die von der Klägerin als Halterung identifizierte Struktur erfülle diese Voraussetzungen indes nicht.
    Bei dem von der Klägerin als „drehbares Anschlussteil“ identifizierten Strukturelement handele es sich um einen schrägen Strahlenschutzschild. An diesem Strahlungsschild sei im Inneren der Vorrichtung die Strahlungsquelle befestigt. Die Quelle sei daher gerade nicht im Verhältnis zur Halterung drehbar, sondern steif und fix. Eine Drehbarkeit der Quelle sei aber Voraussetzung für die Verwirklichung des „drehbaren Anschlussteils“. Die Auffassung der Klägerin zur Verwirklichung des Merkmals durch den schrägen Strahlenschutzschild widerspreche zudem der zutreffenden Auslegung des Klagepatents an dieser Stelle. Unter einem „drehbaren Anschlussteil“ müsse hiernach – insbesondere unter Berücksichtigung der englischen Originalsprache des Klagepatents – vielmehr ein Anlenkpunkt im Sinne eines Zapfens verstanden werden. Der schräge Strahlenschutzschild der angegriffenen Ausführungsform wiege zudem mehr als 15 t und widerspreche damit dem Konstruktion- und Funktionsprinzip des Klagepatents.
    Schließlich sei die Verhandlung gemäß § 148 ZPO im Hinblick auf das vor dem Bundespatentgericht gegen das Klagepatent anhängige Nichtigkeitsverfahren auszusetzen.
    Das Klagepatent sei durch die Entgegenhaltungen D1 und D2 im Stand der Technik in allen Merkmalen neuheitsschädlich vorweggenommen.
    Der in der D1 genannte Zweck der Erfindung sei eine radiologische Vorrichtung zur Behandlung eines Subjekts mit radiologischer Strahlung, wobei der Begriff des „Behandelns“ weit zu verstehen sei. Die Entgegenhaltung offenbare damit sowohl das Merkmal „Vorrichtung zum Behandeln eines Patienten mit ionisierender Strahlung“ als auch alle übrigen Merkmale des Klagepatents.
    Auch die D2 beziehe sich bei der gebotenen weiten Auslegung auf eine Vorrichtung zum Behandeln eines Patienten mittels ionisierender Strahlung. Die Druckschrift zeige letztlich alle Merkmale des Klagepatents.
    Jedenfalls sei das Klagepatent nicht erfinderisch, da der Fachmann durch eine Kombination der D1 oder D2 mit der weiteren Entgegenhaltung D3 (WO XXX XXX A1) oder eine Kombination der D1 oder D2 mit der Entgegenhaltung D6 (US 4.XXX XXX) zur Lehre des Klagepatents gelangen würde.
  41. Das Gericht hat den Parteien und den Prozessbevollmächtigten von Amts wegen gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung am 22.11.2022 an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen über den von der Justiz des Landes NRW zur Verfügung gestellten Virtuellen Meetingraum (VMR) vorzunehmen. Davon haben die Verfahrensbeteiligten Gebrauch gemacht.
  42. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2022 verwiesen.
  43. Entscheidungsgründe
  44. Die zulässige Klage ist begründet.
    Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht sämtliche Merkmale des Klagepatents unmittelbar und wortsinngemäß, so dass der Klägerin gegen die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche zustehen. Eine Aussetzung im Hinblick auf das anhängige Nichtigkeitsverfahren kommt vorliegend nicht in Betracht.
  45. I.
    Die Klägerin ist zur Geltendmachung der zuletzt noch klagegegenständlichen Ansprüche aktivlegitimiert.
    Ab dem Zeitpunkt ihrer Eintragung im Register des DPMA kann sie sich auf die Legitimationswirkung dieses Registers gemäß § 30 Abs. 3 S. 2 PatG berufen.
    Die Eintragung im Patentregister ist zwar für die materielle Rechtslage nicht konstitutiv; ihr kommt aber für die Frage, wer materiell-rechtlich Inhaber des Patents ist, eine erhebliche Indizwirkung zu (BGH, GRUR 2013, 713, 716 f. – Fräsverfahren). Eine Partei, die geltend macht, die materielle Rechtslage weiche vom Registerstand ab, muss vielmehr konkrete Anhaltspunkte aufzeigen, aus denen sich die Unrichtigkeit ergibt. Welche Anforderungen hierbei zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. So wird der Vortrag, ein im Patentregister eingetragener Rechtsübergang habe einige Wochen oder Monate vor dessen Eintragung stattgefunden, in der Regel keiner näheren Substantiierung oder Beweisführung bedürfen. Der Vortrag, der eingetragene Inhaber habe das Patent nicht wirksam oder zu einem anderen Zeitpunkt erworben, erfordert demgegenüber in der Regel nähere Darlegungen dazu, woraus sich die Unwirksamkeit des eingetragenen Rechtsübergangs ergeben soll (BGH, GRUR 2013, 713, 716 f. – Fräsverfahren).
    Hier hat die Klägerin vorgetragen und durch Vorlage eines entsprechenden Registerauszuges auch substantiiert, dass sie seit dem 16.09.2020 eingetragene Inhaberin des Klagepatents ist. Dem ist die Beklagte nicht mehr entgegengetreten.
  46. II.
    1.)
    Das Klagepatent (die nachfolgend genannten Absätze ohne Quellenangabe sind solche des Klagepatents) betrifft eine Vorrichtung zum Behandeln eines Patienten mit ionisierender Strahlung, insbesondere für verschiedene Formen der Radiochirurgie oder Strahlentherapie (Abs. [0001]).
    Aus dem Stand der Technik ist bekannt, dass bei einer ionisierenden Bestrahlung von menschlichen oder tierischen Gewebe die so bestrahlten Zellen abgetötet werden. Diese Methode findet zur Behandlung von pathologischen Zellen, etwa von Tumoren, Anwendung. Befinden sich die Tumore allerdings im tieferen Inneren des Körpers, so muss die Strahlung zunächst gesundes Gewebe durchdringen, um die pathologischen Zellen zu bestrahlen und zu zerstören. Dies birgt das Risiko, dass große Teile gesunden Gewebes einer schädlichen Strahlendosis ausgesetzt sind, was für den Patienten zur verlängerten Genesungszeiten führt. Eine Vorrichtung zur Behandlung eines Patienten mit ionisierender Strahlung soll daher so beschaffen sein, dass die pathologischen Zellen einer Strahlendosis ausgesetzt sind, die zu ihrem Absterben führt, wobei gleichzeitig die Strahlenbelastung des gesunden Gewebes auf ein Minimum begrenzt wird. Um dies zu erreichen, sind aus dem Stand der Technik mehrere Verfahren bekannt. Viele funktionieren so, dass die Strahlung entweder gleichzeitig aus mehreren Strahlungsquellen oder durch Mehrfachbestrahlung aus einer einzigen Quelle aus verschiedenen Richtungen auf den Tumor gerichtet wird. Dabei ist die Intensität der Strahlung, die von der Strahlungsquelle jeweils abgegeben wird, geringer als es zur Zerstörung der Zellen erforderlich wäre. Nur dort, wo die Strahlen aus den verschiedenen Quellen zusammenlaufen, reicht sie zur Abgabe einer therapeutischen Dosis aus (Absätze [0002], [0003]).
    Der Schnittpunkt der verschiedenen Strahlen wird als „Zielpunkt“ bezeichnet, das einen Zielpunkt umgebende Strahlungsfeld als „Zielvolumen“, dessen Größe durch eine Änderung der Maße der sich schneidenden Strahlen variieren kann (Absatz [0004]).
    Eine entsprechende Bestrahlungsvorrichtung ist bereits unter dem Namen „XXX XXX“ (LGK) bekannt. Bei dieser wird eine Vielzahl von Strahlungsquellen halbkugelförmig um den Kopf des Patienten herum angeordnet. Durch geeignete Kollimatoren werden die Strahlungen der jeweiligen Quellen auf einen Bereich im Gehirn fokussiert. Der behandelnde Chirurg kann so kleine Bereiche präzise und schnell herausschneiden, ohne die umliegenden Strukturen zu beschädigen. Zur exakten Verortung des Tumors nutzt das LGK Magnetresonanztomografie (MRT) oder Computertomografie (CT), PET und/oder oder Angiografie (Absätze [0005], [0006]).
    In dem US-Patent 5,XXX XXX wird eine Abwandlung des LGK vorgeschlagen, bei dem unter anderem Kobaltquellen in einer Ringkonfiguration angeordnet werden. Eine Gruppe unterschiedlicher Kollimatoren für jede Quelle ist auf einem halbkugelförmigen Gestell angebracht, das relativ zu den Quellen drehbar ist, sodass für jede Quelle ein Kollimator aus der Gruppe zugeordnet wird. Dadurch kann auf Kosten von weniger Kobaltquellen und entsprechend längerer Behandlungszeiten eine größere Auswahl von Kollimatoren verwendet werden (Absatz [0008]).
    Andere Formen der Strahlentherapie werden mit Linearbeschleunigersystemen durchgeführt. Dieser erzeugt mittels Hochfrequenzenergie ein variierendes, magnetisches und elektrisches Feld in einer länglichen Beschleunigungskammer. Elektronen werden in die Kammer eingespeist und damit auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Der so entstandene Strahl kann entweder direkt zur Bestrahlung verwendet werden oder wird, was üblich ist, über einen geeigneten Block aus Schwermetall, wie z.B. Wolfram, auf das Ziel gerichtet. Der Wolframblock gibt sodann einen Röntgenstrahl ab, der in eine geeignete Form gebündelt wird und sodann den Körper des Patienten durchdringt, wobei er Gewebeschäden verursacht. Durch geeignete Bündelung und indem der Linearbeschleuniger um den Patienten herum bewegt wird, kann ein solches System die Dosis außerhalb des Tumors auf ein Minimum und innerhalb des Tumors auf ein Maximum bringen (Absätze [0009], [0010]).
    Das Klagepatent führt weiter aus, dass ein Hauptnachteil von Linearbeschleunigern darin besteht, dass diese extrem schwer sind. Um elektrische und thermische Eigenschaften miteinander zu verbinden, muss die Beschleunigungskammer aus großen Kupferblöcken bestehen. Um die durch die Röntgenstrahlen erzeugte unerwünschte Strahlung abzufangen, müssen zudem große Mengen von Schirmmaterialien, wie z.B. Wolfram verwendet werden. Diese Bauteile machen die Vorrichtung insgesamt extrem schwer. Um dieses Gewicht zu stützen und zugleich die Vorrichtung präzise bewegen zu können, um den Strahl aus verschiedenen Richtungen auf den Patienten zu richten, werden Linearbeschleuniger üblicherweise auf einen Arm montiert, der von einer drehbaren Halterung ausgeht. Allerdings sind solche Systeme üblicherweise nicht für Tumore im Gehirn geeignet, da sie zu unflexibel sind, weil der Strahl aus einer Richtung auf den Patienten zukommen muss, die auf einer einzigen Ebene liegt. Befindet sich auf dieser Ebene zugleich eine empfindliche Struktur im Körper des Patienten, wie etwa der Sehnerv, können schwere Schäden entstehen (Absätze [0011], [0012] und [0013]).
    Laut Absatz [0014] besteht eine weitere Möglichkeit darin, den Linearbeschleuniger auf einen Roboterarm anzubringen, sodass ein breiteres Spektrum von Bewegungen ausgeführt werden kann. Allerdings führt auch hier das Gewicht des Linearbeschleunigeraufbaus dazu, dass es außerordentlich schwierig ist, einen Roboterarm so zu konstruieren, dass die Bewegung mit der für Gehirntumore erforderlichen Präzision ausgeführt wird. Derartige Vorrichtungen können daher zwar für Tumore im Körper, nicht allerdings für Gehirntumore Anwendung finden.
    In einer Publikation zur Radiomedizin (Nakagawa et al.) wird ein System vorgeschlagen, indem ein gewisser Grad an Bewegungsfreiheit zugunsten einer größeren Genauigkeit geopfert wird. Dabei wird der Linearbeschleuniger an einem Ende eines C-Bogens angebracht, der wiederum auf einem drehbaren Gestell gelagert ist. Der C-Bogen kann sich auf dem Gestell bewegen und ändert hierdurch den Eintrittswinkel des Strahls. Allerdings verschiebt sich mit der Bewegung des C-Bogens auch der Schwerpunkt der Vorrichtung, sodass Fehler auftreten. In der Erfindung wird deshalb ein komplexes System aus abnehmbaren Gegengewichten erforderlich, die Bewegungen verhindern sollen. Das kritisiert das Klagepatent als eine potentielle Schwäche hinsichtlich der Genauigkeit der Vorrichtung (Absatz [0015]).
    Ausgehend von diesem Stand der Technik stellt sich das Klagepatent in den Absätzen [0018] und [0019] die Aufgabe, ein auf die Bedürfnisse von Neurochirurgen optimiertes Gerät zur Strahlentherapie bzw. Operation bereitzustellen, d. h. zur Behandlung von pathologischem Gewebe im Gehirn oder in der Umgebung. Es soll ein Bestrahlungsgerät konzipiert werden, das die größtmögliche Freiheit bei der Abgabe der Strahlendosis ermöglicht. Die Strahlung soll präzise und sehr selektiv auf kleine Regionen von empfindlichen neurologischen und anderem Gewebe abgegeben werden. Das angestrebte Gerät vereint die Eigenschaften von guter Genauigkeit, einfacher Anwendung und Bedienung mit hoher Zuverlässigkeit und minimaler technischer Unterstützung.
    Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent eine Vorrichtung vor, die entsprechend der nachfolgenden Merkmalsgliederung dargestellt werden kann:
    1 Vorrichtung zum Behandeln eines Patienten mit ionisierender Strahlung, welche Folgendes umfasst:
    1.1 Ein ringförmiges Gestell, auf dem eine Halterung bereitgestellt ist.
    1.1.1 wobei das Gestell um eine Achse drehbar ist, die mit der Mitte des Rings zusammenfällt.
    1.2 Eine Strahlungsquelle ist an der Halterung befestigt ist.
    1.2.1 Die Quelle ist mittels eines drehbaren Anschlussteils mit einer Drehachse, die zu der Gestellachse nicht parallel ist, an der Halterung befestigt.
    1.2.1.1 Die Achse des Anschlussteils verläuft durch die Achse des Gestells und die Strahlungsquelle ist kollimiert, um einen Strahl zu erzeugen, der durch das Zusammentreffen dieser Achsen verläuft.
  47. Der Kern der Erfindung besteht darin, dass die Strahlungsquelle um zwei Hauptdrehachsen drehbar ist, wobei sich die Achsen in einem Isozentrum treffen und so in der Lage ist, präzise Tumorgewebe zu bestrahlen.
  48. III.
    Vor dem Hintergrund des Streits der Parteien bedürfen die Merkmale 1.1 i.V.m. 1.1.1 und 1.2.1 des Klagepatents der näheren Erörterung.
  49. 1.)
    Merkmal 1.1 des Klagepatents lehrt das Vorhandensein eines ringförmigen Gestells, auf dem eine Halterung bereitgestellt ist. Hierzu ergänzend sieht Merkmal 1.1.1 vor, dass das Gestell um eine Achse drehbar ist, die mit der Mitte des Rings zusammenfällt.
    Unter diesem Merkmal versteht der Fachmann ein gleichförmig rundes, kreisförmig in sich geschlossenes Bauteil, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass dieses noch von weiteren Bauteilen umgeben ist. Nicht zwingend ist hierbei, dass das ringförmige Gestell und die Halterung zwei räumlich-konstruktiv voneinander verschiedene Bauteile sind. Der Anspruch erfasst auch Ausgestaltungen, in denen beide Bauteile einstückig zueinander ausgebildet sind.
    Dem Anspruchswortlaut kann bereits eine bestimmte Beschaffenheit des Gestells entnommen werden. Dieses muss ringförmig beschaffen sein, also nach der Form eines Ringes. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist ein Ring ein gleichmäßig runder, kreisförmig in sich geschlossener Gegenstand. Das Klagepatent selbst geht ebenfalls einem von diesem allgemeinen Verständnis entsprechenden Bedeutung des Begriffs „Ring“ bzw. „ringförmig“ aus. So lehrt Absatz [0047] unter Verweis auf Figur 5, dass in einem Befestigungsring (20) ein zweiter, drehbarer Ring (24) gelagert ist, sodass beide ineinander drehbar sind. Hierbei handelt es sich angesichts des auf dem drehbaren Ring (24) gezeigten Paars einer ersten und zweiten Halterung (26, 28) um das ringförmige Gestell (Absatz [0047]). Aus der Illustration in Figur 5, die nachfolgend nochmals zum Zwecke der Veranschaulichung dargestellt ist, wird deutlich, dass sowohl der Befestigungsring (20) als auch der drehbare Ring (24) genau die vom allgemeinen Sprachgebrauch vorausgesetzte Bedeutung des Begriffs „Ring“, nämlich eine kreisförmige, runde und in sich geschlossene Konstruktion, aufweisen.
  50. Auch die weiteren Figuren des Klagepatents stellen, soweit sie den Befestigungsring (20) und den drehbaren Ring (24) zeigen (z.B. Figuren 6, 7 und 8), diesen stets in der vorbeschriebenen Weise dar.
    Dass der Fachmann bei der Lektüre des Klagepatents von einem anderen Sprachverständnis des Begriffs „Ring“ bzw. „ringförmig“ ausgehen würde, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
    Darüber hinaus ist nicht ausgeschlossen, dass das ringförmige Gestell noch von anderen Bauteilen umgeben wird. So zeigen die Ausführungsbeispiele als Basis für die Vorrichtung einen Befestigungsring 20, der aus haltbarem und festem Material, z.B. Stahl besteht (vgl. Abs. [0046]). Da der Anspruch dem Fachmann hier keinerlei Vorgaben macht, kann ein solches Bauteil auch andere Formen, z.B. eine Halbkugel, annehmen. Funktional erleichtert die Ringform des Gestells dessen Drehbarkeit (Merkmal 1.1.1), da die Achse mit der Mitte des Rings zusammenfällt.
    Anders die Beklagte meint, setzt das Merkmal 1.1 im Weiteren aber nicht voraus, dass es sich bei der Halterung und dem Gestell um räumlich-körperlich verschiedene Elemente der Vorrichtung handelt, die getrennt voneinander ausgebildet sind und wobei die Halterung an dem Gestell angebracht sein muss. Der Wortlaut des Merkmals 1.1 („auf dem eine Halterung bereitgestellt ist“) setzt eine solche konstruktive Verschiedenheit der Elemente nicht voraus. Das „Bereitstellen“ einer Halterung auf dem Gestell kann auch dadurch erfolgen, dass Halterung und Gestell aus einem Stück gefertigt sind.
    Auch in der nach Art. 70 Abs. 1 EPÜ maßgeblichen englischen Verfahrenssprache des Klagepatents verlangt der Wortlaut nicht zwei voneinander getrennte und aneinander befestigte Konstruktionselemente. Der Wortlaut („a ring-shaped support, on which is provided a mount“) entspricht vielmehr der deutschen Sprachfassung und führt mithin zu demselben Auslegungsergebnis. Das Wort „provided“ ist mit „bereitgestellt“ oder „mitgeliefert“ zu übersetzen. Gleichfalls bedeutet das Wort „mount“ in dem hiesigen Kontext „Halterung“ oder „Befestigung“
    Ferner gebietet die Beschreibung des Klagepatents kein anderes Verständnis des Fachmanns. Der Beschreibungstext des Klagepatents verlangt an keiner Stelle zwingend, dass die Halterung und das ringförmige Gestell zwei konstruktiv unterschiedliche Bauteile darstellen. Auch wenn die Figuren des Klagepatents, in denen die Halterung (26) gezeigt ist (Figuren 5, 6, 7, 8, und 11) diese jeweils als ein konstruktiv von dem Gestell (24) verschiedenes Bauteil darstellen, schließt dies eine einstückige Bauweise nicht aus. Denn als bloße Ausführungsbeispiele sind sie nicht geeignet, den weiteren Offenbarungsgehalt des Anspruchs zu beschränken (vgl. (BGH, GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; BGH GRUR 2007, 778 – Ziehmaschinenzugeinheit).
    Funktional dient die Halterung dazu, die Strahlungsquelle generell an der Vorrichtung zu befestigen. Ob die Halterung sich bei einem einstückigen Aufbau mit dem ringförmigen Gestell dreht, ist hierfür unerheblich. Das Erfordernis der zwei Drehachsen der Strahlungsquelle (Abs. [0042]) wird vielmehr durch die Drehbarkeit des Gestells (Merkmal 1.1.1) und des drehbaren Anschlussteils mit eigener Drehachse (Merkmal 1.2.1) gewährleistet. Dass das drehbare Gestell erheblichen Lasten aushalten und bewegen muss, spricht schließlich auch nicht gegen eine einstückige Ausbildung.
    Aus dem dargelegten Verständnis des Begriffes der Halterung ergibt sich ferner, dass diese im Hinblick auf die Strahlungsquelle nicht zwingend eine tragende Funktion aufweisen muss. Die Merkmale 1.2 i.V.m. 1.2.1 des Klagepatents sehen lediglich vor, dass die Strahlungsquelle mittels eines drehbaren Anschlussteils an der Halterung befestigt ist. Der Wortlaut („befestigt“) spricht nicht für ein anderes Verständnis des Merkmals durch den Fachmann. Gleiches gilt für die englische Originalfassung des Klagepatents. Der dort verwendete Begriff „attached“ ist ebenfalls nur im Sinne von „befestigen“ oder „anheften“ zu verstehen und impliziert damit keine tragende Eigenschaft der Halterung. Auch die Beschreibung des Klagepatents setzt eine solche Eigenschaft an keiner Stelle voraus.
  51. 2)
    In Merkmal 1.2.1 sieht das Klagepatent vor, dass die (Strahlungs-)Quelle mittels eines drehbaren Anschlussteils mit einer Drehachse, die zu der Gestellachse nicht parallel ist, an der Halterung befestigt sein muss.
    Unter einem drehbaren Anschlussteil versteht der Fachmann ein räumlich-körperliches Bauteil, welches eine drehbare Verbindung zwischen Strahlungsquelle und der Halterung schafft und um zwei Achsen schwenkbar ist.
    Dem Wortlaut des Merkmals kann entnommen werden, dass das Anschlussteil die Verbindung zwischen der Halterung und der Quelle darstellt, da die Strahlungsquelle ausweislich des Merkmals 1.2 an der Halterung befestigt ist. Hierfür spricht sowohl der Satzzusammenhang als solcher („mittels … befestigt“) als auch der Begriff des „Anschlussteils“. Der Bezeichnung als „Anschlussteil“ entnimmt der Fachmann, dass dessen Funktion darin besteht, einen Anschluss zu bewirken. Im konkreten Kontext des Merkmals schließt es die Quelle an die Halterung an. Das Anschlussteil stellt also das Mittel zur Befestigung der Quelle an der Halterung dar.
    Für dieses Verständnis streitet auch der Wortlaut des Merkmals in der englischen Verfahrenssprache, wo es heißt „the source being attached to the mount via a rotateable union“ – wobei sich in der englischen Anspruchsfassung, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, ein Schreibfehler befindet und es richtigerweise „rotatable“ heißen müsste. In diesem Zusammenhang kommt dem Wort „union“ die Bedeutungen „Anschlussstück“, „Anschlussteil“ oder „Verbindungsstück“ zu.
    Aus der Definition des Anschlussteils als „drehbar“ in der deutschen bzw. „rotatable“ in der englischen Sprachfassung wird zudem deutlich, dass dieses als solches drehbar sein muss. Funktional wird durch das drehbare Anschlussteil wie sich aus dem Gesamtzusammenhang des Merkmals 1.2.1 unter Bezugnahme auf die dort genannte Drehachse ergibt, die Drehbarkeit der Quelle um eine weitere Achse bewirkt. Insofern ist die Strahlungsquelle über das Anschlussteil zur Halterung drehbar, wobei der Wortlaut des Klagepatents eine Drehbarkeit sowohl des Anschlussteils als auch der Quelle zulässt.
    Der Inhalt der Klagepatentschrift bestätigt dieses Auslegungsergebnis. So ergibt sich aus Absatz [0042] die Verwendung einer Quelle, die so angebracht ist, dass sie um zwei Achsen drehbar ist. Mit Bezug zu den Figuren 1a bis 1c stellt Absatz [0031] ferner dar, dass in diesen Figuren die Wirkung der Drehung um das drehbare Anschlussteil gezeigt wird. Demgegenüber zeigen die Figuren 2a bis 2c die Wirkung der Drehung des Gestells. Entsprechend der Ausführungen unter 2), wird mithin die Drehbarkeit um die erste Achse vorliegend durch das ringförmige Gestell (Merkmal 1.1) und die Drehbarkeit der Quelle um die zweite Achse durch das drehbare Anschlussteil (Merkmal 1.2.1) bewirkt.
    Entgegen der Auffassung der Beklagten kann aber dem Klagepatent nicht entnommen werden, dass das drehbare Anschlussteil im Sinne einer punktförmigen Befestigung oder eines Zapfens ausgebildet sein muss. Der Anspruchswortlaut bietet für eine solche Auslegung keinen Anhalt. Auch der übrige Inhalt der Klagepatentschrift legt nicht nahe, dass eine solche Gestaltung zwingend sein könnte. Insbesondere kann den Absätzen [0047] und [0049], die von einem „drehbaren Befestigungspunkt (30)“ (englisch: „pivotal mounting point“) sprechen und im Zusammenhang mit Absatz [0046] zu sehen sind, der seinerseits auf die Figur 5 verweist, eine solche Auslegung nicht entnommen werden. Richtig ist, dass das in der Figur 5 mit der Ziffer (30) – also entsprechend dem drehbaren Anschlussteil gemäß Merkmal 1.2.1 des Anspruchs 1 – markierte Bauteil punktförmig oder bei einer unterstellten dreidimensionalen Ansicht gegebenenfalls in Form eines Zapfens dargestellt ist. Bei den Absätzen [0046] ff. und der Figur 5 handelt es sich aber um keine Definition, sondern nur um Ausführungsbeispiele der Erfindung, die deren Offenbarungsgehalt nicht beschränken. Gegen das Verständnis der Beklagten an dieser Stelle streitet vielmehr das in Figur 7 gezeigte Ausführungsbeispiel, das das ebenfalls mit der (30) markierte Bauteil nicht punkt- oder zapfenförmig, sondern in einer länglichen Gestalt zeigt. Entsprechend lehrt das Klagepatent im zugehörigen Absatz [0057] ein Gerät mit einer senkrechten Drehachse. Dies belegt, dass klagepatentgemäß das Anschlussteil auch in einer anderen als einer Punkt- oder Zapfenform ausgebildet sein kann.
    Hieraus ergibt sich auch, dass das Klagepatent kein bestimmtes Gewichtsverhältnis zwischen der Strahlungsquelle einerseits und dem drehbaren Anschlussteil andererseits voraussetzt. Die Kammer liegt hier auf einer Linie mit der Ansicht des Bundespatentgerichts, nach der weder dem Anspruch noch der Beschreibung des Klagepatents konstruktive Besonderheiten, um das Gewicht der Strahlungsquelle aufzunehmen, zu entnehmen sind (vgl. Anlage K20/B5, S. 15).
  52. IV.
    Das vorstehende Verständnis des Klagepatents zugrunde gelegt, macht die angegriffene Ausführungsform von allen Merkmalen des Anspruchs 1 des Klagepatents Gebrauch.
    Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich unstreitig um eine Vorrichtung zur Behandlung eines Patienten mit ionisierender Strahlung, die eine Strahlungsquelle aufweist, die um mehrere Achsen drehbar ist. Weitere Ausführungen hierzu erübrigen sich.
    Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht indes ebenfalls die Merkmale 1.1 und 1.2.1 des Klagepatentanspruchs.
  53. 1.)
    Die angegriffene Ausführungsform weist mit dem in der Explosionszeichnung (Anlage K 21) eingezeichneten „schrägen Gehäuse“ ein ringförmiges Gestell auf, auf dem eine Halterung bereitgestellt ist und das zugleich – entsprechend dem Untermerkmal 1.1.1 – drehbar ist. Die Explosionszeichnung ist nachfolgend zum Zwecke der Veranschaulichung dargestellt.
  54. Das schräge Gehäuse ist an seinem – auf der Explosionszeichnung rechtsseitig gelagerten und mit einem dunkelblauen Ring umgebenen – Auslass entsprechend der obigen Definition ringförmig aufgebaut, d. h. es ist an dieser Stelle gleichmäßig rund und kreisförmig. Mit dem ebenfalls ringförmig ausgestalteten Auslass, der auf der obigen Explosionszeichnung am linken oberen Rand des schrägen Gehäuses vorhanden ist, weist die angegriffene Ausführungsform zudem eine Halterung auf, an der – entsprechend dem Merkmal 1.2 des Anspruchs 1 des Klagepatents – über den obigen Torquemotor der schräge Strahlenschutzschild sowie die Strahlungsquelle (Linac) befestigt sind. Der Umstand, dass das ringförmige Gestell und die Halterung bei der angegriffenen Ausführungsform einstückig ausgestaltet sind, führt entsprechend der obigen Auslegung ebenso wenig aus der Verletzung heraus, wie der Umstand, dass die Halterung in der angegriffenen Ausführungsform nicht das Gewicht des schrägen Strahlenschutzschildes und der Strahlungsquelle trägt.
    Das schräge Gehäuse ist darüber hinaus in seiner Gesamtheit drehbar, und zwar um eine Achse, die dem auf der Explosionszeichnung erkennbaren schwarzen Bauteil am äußeren linken Rand der Zeichnung entspricht. Diese Achse fällt zugleich mit der Mitte des Rings am rechten Auslass des Gehäuses zusammen.
  55. 2.)
    Ferner verfügt die angegriffene Ausführungsform mit dem schrägen Strahlenschutzschild über ein drehbares Anschlussteil im Sinne des Merkmals 1.2.1 des Klagepatents, über welches die Strahlungsquelle an der Halterung befestigt ist. Bei der angegriffenen Ausführungsform ist die Strahlungsquelle fest auf dem schrägen Strahlenschutzschild montiert. Dieser ist jedoch seinerseits mittels des Torquemotors drehbar und zugleich über den Motor an der Halterung, nämlich gemäß der obigen Ausführungen dem ringförmigen, oben links gelagerten Auslass an dem schrägen Gehäuse befestigt.
    Nach der vorstehend vorgenommenen Auslegung des Klagepatents spielt es für die Verwirklichung des Merkmals keine Rolle, dass der schräge Strahlenschutzschild als drehbares Anschlussteil ein erhebliches Gewicht aufweist. Gleiches gilt für den Umstand, dass bei der angegriffenen Ausführungsform nicht die Strahlungsquelle selbst, sondern das Anschlussteil, nämlich der schräge Strahlenschutzschild drehbar ist. Denn über den schrägen Strahlenschutzschild wird mittels des Torquemotors eine drehbare Verbindung zwischen der Strahlungsquelle und der Halterung auf dem schrägen Gehäuse bereitgestellt und die Strahlungsquelle ist über den beweglichen Strahlenschutzschild im Verhältnis zu Halterung drehbar.
    Die Drehachse verläuft hierbei entsprechend einer durch die Mitte des Torquemotors hindurch führenden Achse, die nicht mit der Drehachse des schrägen Gehäuses parallel ist. Beide Drehachsen treffen in dem von der im Strahlenschutzschild sitzenden Strahlungsquelle zusammen.
  56. V.
    Die Beklagte nimmt im Inland Benutzungshandlungenhandlungen im Sinne des § 9 S. 2 Nr. 1 PatG vor.
    Sie bietet zum einen die angegriffene Ausführungsform im Inland an. Der Begriff des Anbietens ist im wirtschaftlichen Sinne zu verstehen. Entscheidend ist, ob eine im Inland begangene Handlung nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt einen schutzrechtsverletzenden Gegenstand der Nachfrage zur Verfügung stellt. Ebenso wenig wie das Anbieten im Sinne Patentgesetzes ein Angebot i.S. des § 145 BGB voraussetzt, ist es deshalb erforderlich, dass der Anbietende bevollmächtigt oder beauftragt ist, für den Abschluss von Geschäften über den schutzrechtsverletzenden Gegenstand mit Dritten zu werben. Der Begriff des „Anbietens” erfasst auch vorbereitende Handlungen, die das Zustandekommen eines späteren Geschäfts über einen unter Schutz stehenden Gegenstand ermöglichen oder fördern sollen, das die Benutzung dieses Gegenstands einschließt (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel).
    Das Handeln der Beklagten erfüllt die vorgenannten Anforderungen. Unstreitig bewirbt sie die angegriffene Ausführungsform auf ihrer englischsprachigen Webseite www.XXX.com. Dies stellt auch ein Angebot mit Bezug auf den inländischen Markt dar. Denn zum einen kann der Besucher der Webseite zum Zwecke der Kontaktaufnahme Deutschland als Heimatland auswählen, womit sich ergibt, dass das Angebot auch für aus Deutschland stammende potentielle Kunden gilt. Der Umstand, dass die Webseite in englischer Sprache gestaltet ist, steht einem auf Deutschland bezogenen Angebot danach nicht entgegen. Denn insoweit ist unstreitig, dass die durch das Angebot angesprochene Fachöffentlichkeit auch in Deutschland gewohnt ist, in englischer Sprache zu kommunizieren.
    Darüber hinaus bringt die Beklagte die angegriffene Ausführungsform im Inland in Verkehr. Inverkehrbringen meint Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über das Erzeugnis. Im Gegensatz zum Anbieten muss der Gegenstand, der die Erfindung verkörpert, schon hergestellt sein. Das Inverkehrbringen umfasst die Erstverbreitung und jede weitere Verbreitung des Erzeugnisses, kann also auf allen Vertriebsstufen tatbestandlich vorliegen (BeckOK PatR/Ensthaler/Gollrad PatG § 9 Rn. 44-46, mwN).
    Auch diese Voraussetzungen sind mit der unstreitigen Lieferung der angegriffenen Ausführungsform vom 11.01.2021 durch die Beklagte an das XXX vorliegend erfüllt.
  57. VI.
    Aufgrund der festgestellten Patentverletzung der Beklagten stehen der Klägerin die nachfolgenden Ansprüche zu:
  58. 1)
    Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG ein Unterlassungsanspruch in tenorierten Umfang zu. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ergibt sich hier ohne weiteres aus dem Umstand, dass die Beklagte, wie dargestellt, bereits in der Vergangenheit im Inland rechtswidrige Verletzungshandlungen vorgenommen haben (vgl. BGH, GRUR 2014, 363 – Peter Fechter (zum Urheberrecht)), und diese nicht durch geeignete Maßnahmen ausgeräumt hat.
  59. 2)
    Der mit dem Klageantrag zu I.2. geltend gemachte Auskunftsanspruch über die Herkunft und die Vertriebswege der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich gegen die Beklagte gemäß Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 1 PatG unmittelbar aus dem Umstand, dass sie die klagepatentverletzende angegriffene Ausführungsform im Inland entgegen § 9 S. 2 Nr. 1 PatG benutzt.
  60. 3)
    Der darüber hinaus mit dem Klageantrag I.3. verfolgte Anspruch auf Rechnungslegung ergibt sich aus §§ 242, 259 BGB. Die Klägerin befindet sich in unverschuldeter Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen der Beklagten und kann sich diese Kenntnis auch nicht in zumutbarer Weise selbst verschaffen. Gleichzeitig bedarf sie dieser Informationen, um etwa ihren ebenfalls geltend gemachten Anspruch auf Schadenersatz beziffern.
  61. 4)
    Schließlich steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadenersatz aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 S. 1 PatG dem Grunde nach zu.
    Dieser Anspruch kann vorliegend im Wege der Feststellungsklage verfolgt werden. Insbesondere liegt das hierfür gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Die Klägerin ist derzeit noch nicht in der Lage, die Höhe des Schadensersatzanspruches zu beziffern, da sie auf die noch zu erteilenden Auskünfte der Beklagten angewiesen ist. Deshalb kann ihr nicht zugemutet werden, den Anspruch im Wege der Leistungsklage verfolgen. Etwa zum Zwecke der Hemmung der Verjährung muss ihr daher eine Geltendmachung im Wege der Feststellungsklage zugebilligt werden.
    Der Schadensersatzanspruch ist auch materiell berechtigt. Die rechtswidrige Patentverletzung der Beklagten erfolgte diese schuldhaft im Sinne des § 139 Abs. 2 S. 1 PatG i.V.m. § 276 BGB. Bei ihr handelt es sich um Fachunternehmen, das auf einem ähnlichen Geschäftsfeld wie die Klägerin tätig ist. Als solchem war es ihr ohne weiteres möglich und zumutbar, sich vor Vornahme von Benutzungshandlungen nach etwaigen entgegenstehenden Schutzrechten Dritter zu vergewissern und in der Folge die patentverletzenden Benutzungshandlungen zu unterlassen.
  62. VII.
    Die Verhandlung ist nach Ausübung des der Kammer insoweit zukommende Ermessens nicht nach § 148 ZPO in Bezug auf das Nichtigkeitsverfahren gegen das Klagepatent auszusetzen.
  63. 1.)
    Nach § 148 ZPO kann das Gericht bei der Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens die Verhandlung eines Rechtsstreits aussetzen. Die Vorgreiflichkeit ist hier aufgrund der vorstehend angenommenen Verletzung des Klagepatents hinsichtlich der anhängigen Nichtigkeitsklage gegeben.
    Die Erhebung einer Nichtigkeitsklage stellt allerdings ohne Weiteres noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen. Denn die Patenterteilung ist auch für die (Verletzungs-) Gerichte bindend. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage oder den Einspruch vor dem jeweiligen Patentamt zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent nicht als Einwand im Verletzungsverfahren geführt werden.
    Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits im Rahmen der nach § 148 ZPO zu treffenden Ermessenentscheidung ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage oder dem erhobenen Einspruch nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.06.2015 – I-2 U 64/14).
    Wegen des vorstehend beschriebenen Regelungsgehaltes der §§ 139 ff. PatG sind bei der Frage, ob ein Rechtsstreit im Hinblick auf einen Einspruch oder ein Nichtigkeitsverfahren auszusetzen ist, nur diejenigen Einwände zu prüfen, die der die Aussetzung begehrende Beklagte geltend macht. Mithin trägt der Beklagte die Darlegungslast für den mangelnden Rechtsbestand des Klagepatents.
    Für die von der Kammer anzustellende Prognose des Ausgangs des Nichtigkeitsverfahrens hat ein qualifizierter Hinweis des Bundespatentgerichts nach § 83 Abs. 1 PatG, jedenfalls soweit er hinreichend begründete Erwägungen erhält, eine große Bedeutung. Die vorläufige Auffassung des Rechtsbestandsgerichts ist zwar nicht bindend und sie nimmt die spätere Entscheidung selbstverständlich auch nicht vorweg. Andererseits ist davon auszugehen, dass der vorläufigen Auffassung bereits eine umfassende und sorgfältige Prüfung zugrunde liegt und das Bundespatentgericht in einem solchen Bescheid entsprechende Hinweise nicht leichtfertig erteilt (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.3.2021 – I-2 U 25/20, GRUR-RS 2021, 4420 Rn. 23, m.w.N.). Vorliegend hat das Bundespatentgericht in seinem qualifizierten Hinweis neben Ausführungen zur Neuheit im Lichte der der D1 (US 4,XXX XXX– „XXX XXX“; im Anlagenkonvolut ES1, Bl. 273 – 277) und D2 (US 3,XXX XXX – „XXX XXX“, im Anlagenkonvolut ES1, Bl. 278 – 282) auch Ausführungen zu einer möglichen Kombination der Entgegenhaltungen D6 (US 4.XXX XXX) und D3 (WOXXX XXX A1) mit jeweils der D1 und der D2 gemacht.
  64. 2.
    Die Beklagte ist der Auffassung, das Klagepatent sei gegenüber den Entgegenhaltungen D1 und D2 nicht neu. Gemessen an den vorstehend ausgeführten Grundsätzen ist es aus Sicht der Kammer nicht hinreichend wahrscheinlich, dass Anspruch 1 des Klagepatents von den Druckschriften D1 und D2 neuheitsschädlich vorweggenommen wird.
  65. a)
    Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Zu ermitteln ist deshalb nicht, in welcher Form der Fachmann etwa mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen kann oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen (allgemeinen) Lehre entnimmt. Der Fachmann muss die technische Lehre des Patents der Vorveröffentlichung unmittelbar und eindeutig entnehmen können. Über den „reinen Wortlaut” ist dabei mitoffenbart, was in den Merkmalen des Patentanspruchs und im Wortlaut der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt, aus der Sicht des Fachmanns jedoch nach seinem allgemeinen Fachwissen für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich oder unerlässlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf (BGH, GRUR 2009, 382 – Olanzapin).
  66. b)
    Gegen eine Aussetzung spricht bereits, dass die Beklagte keine deutschen Übersetzungen der englisch-sprachigen Entgegenhaltungen D1 und D2 vorgelegt hat (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 04.07.2013 – 4b O 13/12 – Rn. 70 bei Juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Juni 2014 – I-2 U 58/13 – Rn. 38 bei Juris; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 29. April 2010 – I-2 U 126/09 –, Rn. 48 bei Juris – Harnkatheterset). Den Parteien ist in der prozessleitenden Verfügung vom 16.11.2020 (Bl. 53 ff GA) aufgegeben worden, von fremdsprachigen Unterlagen mit demselben Schriftsatz eine deutsche Übersetzung einzureichen. Dieser Auflage ist die Beklagte nicht nachgekommen.
  67. c)
    Die Kammer vermag nicht zu prognostizieren, dass das Bundespatentgericht das Klagepatent wegen fehlender Neuheit gegenüber der Entgegenhaltung D1 vernichten wird.
    In dieser Entgegenhaltung ist bereits das Merkmal 1 des Anspruchs 1 des Klagepatents, nämlich eine Vorrichtung zum Behandeln eines Patienten mit ionisierender Strahlung nicht offenbart.
    Die D1 beschreibt bereits in ihrer Zusammenfassung („Abstract“) eine Röntgenröhre („X-Ray-tube“), die laut Spalte 1, Zeile 12 bis 16 nützlich für bestimmte Arten von Röntgenuntersuchungen ist („useful for some types of radiographic examinations“). Auch im weiteren, unter der Zusammenfassung der Erfindung (Spalte 1 Zeile 22 f.) wird erwähnt, dass es sich bei dieser um einen Röntgenapparat für die Untersuchung eines Subjekts handele („radiological apparatus for examination of a subject“). Der Offenbarungsgehalt der D1 bezieht sich demzufolge ausdrücklich auf Geräte zur Untersuchung von Patienten mittels Röntgenstrahlung. Der englische Begriff „examination“ wird im medizinisch-technischen Kontext ausschließlich mit „Untersuchung“ übersetzt. Der Begriff der Behandlung (im englischen Sprachgebrauch des Klagepatents „treating“ bzw. „treatment“) bezeichnet im Unterschied zur Untersuchung die Anwendung eines bestimmten Heilverfahrens oder einer Therapie. Die Untersuchung ist daher von der Behandlung abzugrenzen und ihr vorgelagert.
    Demgegenüber bezieht sich das Klagepatent ausweislich Merkmal 1 auf eine Vorrichtung zum Behandeln eines Patienten mit ionisierender Strahlung. Es handelt sich daher um einen von der Offenbarung D1 verschiedenen Erfindungsgegenstand, da der Zweck der Erfindung nicht deckungsgleich ist.
    Entsprechend der eingangs dargelegten Grundsätze aus der Olanzapin-Entscheidung des BGH wird das Merkmal 1 des Klagepatents in der D1 auch nicht dadurch offenbart, dass der Fachmann erwägen würde, die in der D1 gezeigte Erfindung auch zur Behandlung von Patienten einzusetzen.
    Aus dem Umstand, dass die klagepatentgemäße Erfindung auch zur Bildgebung eingesetzt werden kann, wie sich aus Abs. [0054] des Klagepatents ergibt, kann indes nicht der Schluss gezogen werden, dass die in D1 offenbarte Vorrichtung gleichermaßen zur Strahlungsbehandlung verwendet werden kann. Wie das Bundespatentgericht in seinem Hinweisbeschluss vom 17.11.22 zu Recht ausführt, sprechen bereits ein anderer Energieaufwand und andere Fokussierungsmöglichkeiten gegen einen solchen Einsatz (vgl. Anlage K20/B5, S. 8).
    Ferner fehlt es an einer Offenbarung des Merkmals 1.2.1.1 des Klagepatents. Die D1 erwähnt an keiner Stelle, dass die Strahlungsquelle, hier also die Röntgenröhre („X-Ray-tube“), in irgendeiner Weise kollimiert würde, um klagepatentgemäß einen Strahl zu erzeugen, der durch das Zusammentreffen der beiden Achsen verläuft. Unter dem Begriff der Kollimation versteht der Fachmann die Ausrichtung eines Strahls. D1 lehrt lediglich in Spalte 1 Zeile 67 bis Spalte 2 Zeile 5, dass an der Röntgenröhre zwei rotierende, röntgenstrahlenundurchlässige Scheiben mit Öffnungen angebracht sind, die einen beweglichen fächerförmigen Röntgenstrahl durchlassen, was den Vorteil hat, dass die Röntgenexposition des Patienten vermindert wird („On the X-ray tube limb of the carriage are two rotating, X-ray opaque disks and with apertures transmitting a moving fan-shaped beam of X-rays, […] which has the advantage of reducing X-ray exposure of the patient.“). Es wird an dieser Stelle nicht unmittelbar und eindeutig offenbart, dass durch diese beiden Scheiben der Röntgenstrahlung auch der Strahl fokussiert wird, sodass er auf das Zusammentreffen von zwei Achsen ausgerichtet ist. Angesichts der Ausführungen des Bundespatentgerichts zu diesem Punkt (Anlagen K 20/B5, S. 10) vermag die Kammer keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Vernichtung des Klagepatents zu erkennen.
  68. d)
    Auch eine Vernichtung des Klagepatents mangels Neuheit gegenüber der D2 kann die Kammer nicht prognostizieren.
    Hier fehlt es ebenfalls schon an einer Offenbarung des Merkmals 1 des Klagepatents. Bereits in der Einleitung wird die Erfindung als ein System zur Röntgenuntersuchung („X-Ray examining system“) bezeichnet. Zur näheren Beschreibung der Erfindung heißt es in Spalte 1 Zeile 1 ff., dass sich diese auf ein Gerät zur radiologischen Untersuchung („radionlogical examination apparatus“) beziehe. Auch im weiteren Verlauf ist stets von einem Gerät zur Röntgen- bzw. radiologischen Untersuchung die Rede. Ein Gerät zur Behandlung mittels (ionisierender) Strahlung wird an keiner Stelle offenbart. Damit ist das Merkmal 1 des Klagepatents nicht gezeigt da unter Untersuchung und Behandlung aus fachmännischer Sicht verschiedene Dinge verstanden werden. Insoweit wird auf die Ausführungen zur D1 oben unter a) verwiesen.
    D2 offenbart ebenfalls nicht das Merkmal 1.2.1.1 des Klagepatents. Auch hier fehlt es daran, dass die Strahlungsquelle, wie vom Klagepatent verlangt, kollimiert wird, um einen Strahl zu erzeugen, der durch das Zusammentreffen der beiden Achsen läuft. Die D2 thematisiert an keiner Stelle näher die Art und Weise bzw. Ausrichtung der Röntgenstrahlen. In Spalte 2, Zeile 43 bis 47 heißt es hierzu lediglich, dass die Struktur des Geräts die Position des Patienten und der Quelle der Röntgenstrahlen sowie den Röntgenempfänger für alle Einfallsachsen verbindet, d.h. für alle Wege des Röntgenstrahls („The structure of the apparatus accurately interconnects the position for the patient, on its support, and the source of X-rays, as well as the X-ray receiver for all axes of incidence, that is for all paths of the X-ray beam“). Dass der Röntgenstrahl in irgendeiner Weise fokussiert oder ausgerichtet würde, ergibt sich gerade nicht. Damit ist ein Kollimieren durch das Zusammentreffen zweier Achsen in der D2 nicht eindeutig und unmittelbar gezeigt wird. So sieht auch das Bundespatentgericht eine Realisierung der angesprochenen Merkmale als nicht gegeben an (Anlage K 20/B 5, S. 10)
  69. c)
    Schließlich ist im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit ebenfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ersichtlich, dass die weiteren, im Hinweis des Bundespatentgerichts behandelten Entgegenhaltungen zu einer Vernichtung des Klagepatents führen.
  70. Vorliegend hat das Bundespatentgericht in seinem qualifizierten Hinweis eine Kombination der D6 mit der D1 oder der D2 für diskutabel erachtet, wobei es seine Ansicht offen gelassen hat.
    Die D6 offenbart eine Vorrichtung zur Durchführung von Radiochirurgie und zeigt nach Ansicht des Bundespatentgerichts eine Strahlungsquelle, die einen kollimierten Strahl auf eine zu behandelnde Zielregion ausgeben kann, wobei es augenscheinlich nicht offenbart sieht, dass die Strahlungsquelle alle erfindungsgemäßen Ausrichtungen erlaubt (Anlage K 20/B 5, S. 13 f.). Gegen eine Veranlassung des Fachmanns, die Vorrichtung aus der D6 hinsichtlich der Befestigung der Strahlungsquelle abzuändern und sich an den in der D1 und D2 gezeigten Konstruktionen zu orientieren, sprechen nach Auffassung des Bundespatentgerichts die unterschiedlichen Zweckbestimmungen der jeweiligen Vorrichtungen und damit neue, konstruktive Schwierigkeiten (Anlage K 20/B 5, S. 14). Insofern könnte der Fachmann angesichts der Konfrontation mit neu anzustellenden Überlegungen hinsichtlich der Konstruktion abgehalten werden, die Positionierung der Halterung aus der D1 und D2 zu übernehmen. Hierin ist aber ein vernünftiges Argument zu sehen, das für die erfinderische Tätigkeit streitet. Daher ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass das Bundespatentgericht insofern eine mangelnde Erfindungshöhe in diesem Punkt annehmen wird.
    Die D3 zeigt eine Vorrichtung zur Radiotherapie, die nach Ansicht des Bundespatentgerichts alle Merkmale bis auf die erfindungsgemäße rotierbare Ausrichtung der Strahlungsquelle. Diskussionswürdig ist im Rechtsbestandsverfahren nach Ansicht des Bundespatentgericht einerseits die Veranlassung des Fachmanns, die bekannte Vorrichtung der D3 abzuändern und andererseits, ob er sich im Falle einer Abänderung der Vorbilder aus der D1 und D2 bedienen würde (vgl. Anlage K 20/ B5, S. 16). Zwar geht das Bundespatentgericht hinsichtlich des zweiten Schritts davon aus, dass der Fachmann zur Verbesserung der in der D3 gezeigten Vorrichtung im Hinblick auf Ausrichtung, Genauigkeit und damit vergrößerte Behandlungsmöglichkeiten das in der D1 bzw. D2 gezeigte Prinzip eines ringförmigen, rotierenden Trägers auch auf die D3 anwenden würde. Allerdings spricht im ersten Schritt gegen eine Veranlassung, dass die D3 eine in sich geschlossene Lösung präsentiert. Denn mit den gezeigten Verstellmöglichkeiten um die Achsen s und h kann die Strahlungsquelle bereits in gewünschter Weise auf das Zielgebiet im Kopf des Patienten ausgerichtet werden (vgl. Anlage K 20/B5, S. 16). Warum der Fachmann sich demgegenüber nach konstruktiven Alternativen umschauen sollte, ist nicht ersichtlich. Die Erwähnung der Ausstattung der Vorrichtung mit einer Bildgebungsvorrichtung (Anlagenkonvolut ES 1, NK 8 D3a, S.9 f.) lässt ebenfalls nicht zwingend den Schluss zu, dass der Fachmann sich angesichts dessen mit der Veränderung der Ausrichtung der Strahlungsquelle befasst. Insofern sprechen hier ebenfalls vernünftige Argumente für eine erfinderische Tätigkeit.
  71. VIII.
    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 S. 1, S. 2, 108 ZPO.
    Der – nicht nachgelassene – Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 05.12.2022 gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, §§ 296a, 156 ZPO.
    Der Streitwert wird auf 2.500.000,00 EUR festgesetzt.

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