4c O 27/21 – Landmaschinenaufhängung

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3257

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 27. Oktober 2022, Az. 4c O 27/21

  1. I. Die Klage wird abgewiesen.
    II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
    III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
  2. Tatbestand
  3. Die Klägerin verfolgt aus Patentrecht gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung und Feststellung der Entschädigungs- sowie Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach. Zudem begehrt sie die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
  4. Die Klägerin ist alleinige verfügungsberechtigte Inhaberin des deutschen Patents DE 10 2011 XXX XXX B4 (Anlage VP 2, im Folgenden: Klagepatent). Das Klagepatent wurde am 19. April 2011 angemeldet. Der Hinweis auf die Anmeldung wurde am 25. Oktober 2021 und derjenige auf die Erteilung am 02. August 2018 offengelegt. Das Klagepatent steht in Kraft. Eine Entscheidung über die Nichtigkeitsklage ist bislang nicht ergangen. Das Klagepatent betrifft eine Aufhängung für Landmaschinen und eine mit einer derartigen Aufhängung versehene Landmaschine.
  5. Ansprüche 1, 14 und 2 des Klagepatents in der hier geltend gemachten Kombination lauten:
  6. „Aufhängungen für Landmaschinen sowie Landmaschinen, die mit einer Aufhängung versehen sind, wobei die Aufhängungen umfassen:
    ein mit einem Fahrzeug koppelbares Traggestell; einen um eine Drehachse mit dem Traggestell schwenkbar verbundenen Maschinenrahmen; und mindestens ein zwischen dem Traggestell und dem Maschinenrahmen angeordneter Dämpfer zum Dämpfen der Bewegungen untereinander zwischen dem Traggestell und dem Maschinenrahmen; wobei die Aufhängungen gleichzeitig mit zwei getrennten in einem Abstand voneinander gelegenen die Drehachse haltenden Achsenträgern versehen sind, welche Achsenträger unabhängig voneinander mit dem Traggestell verstellbar verbunden sind; wobei zumindest einer der Achsenträger unter Zwischenschaltung eines Dämpfers verstellbar mit dem Traggestell verbunden ist.“
  7. Wegen des Inhalts der insbesondere geltend gemachten Ansprüche 4, 8 sowie 9 bis 13 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
  8. Folgende Figuren sind der Klagepatentschrift entnommen und dienen der Veranschaulichung der erfindungsgemäßen Lehre:
  9. Die Figur 1 zeigt eine perspektivische, teilweise aufgeschnittene Ansicht einer schematisch wiedergegebenen Aufhängung in Übereinstimmung mit der Erfindung und die Figur 3a veranschaulicht ein perspektivisch wiedergegebenes Landwirtschaftsfahrzeug mit einer daran mithilfe der Aufhängung in Übereinstimmung mit der Erfindung verbundenen Landmaschine, wobei die Bewegungsfreiheit von der nahe dem Boden gelegenen Seite der Landmaschine schraffiert wiedergegeben ist.
  10. Das Unternehmen der Klägerin befasst sich mit der Entwicklung und Herstellung insbesondere von Schleppschuh-Verteilern und weiteren Vorrichtungen für die Ausbringung von Gülle in der Landwirtschaft. Sie ist europaweit, aber auch darüber hinaus in den USA, Kanada und Neuseeland tätig.
  11. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen mit Sitz in Belgien, das ebenso Produkte für den landwirtschaftlichen Bereich herstellt. Zum Produktportfolio gehören vor allem Ausbringgeräte zum Auftragen von Gülle auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Die Beklagte verfügt hierbei über den als „XXX“ bezeichneten Schleppschuhverteiler mit Kufen (im Folgenden auch: angegriffene Ausführungsform). Fotografien der angegriffenen Ausführungsform sind – zur besseren Verdeutlichung – in den Entscheidungsgründen wiedergegeben.
  12. Die angegriffene Ausführungsform ist auf der in deutscher Sprache dargestellten Website der Beklagten unter der Domain www.A.com unter der Kategorie „Ausbringgeräten“ auffindbar. Auf der Produktseite ist ein Produktprospekt herunterladbar (vgl. Anlage VP 7), welches spezifische Produktinformationen bereithält. Zudem sind verschiedene Vertragshändler für die Bundesrepublik Deutschland abrufbar, über welche die angegriffene Ausführungsform bezogen werden kann. Die Beklagte bietet an und liefert die angegriffene Ausführungsform zu diesem Zweck ins Inland.
  13. Bereits im Oktober 2017 wies die Klägerin die Beklagte auf die Anmeldung des Klagepatents hin und war der Ansicht, dass die angegriffene Ausführungsform dagegen verstoße (vgl. Anlagenkonvolut VP 1). Diesen Vorwurf wies die Beklagte mit Schreiben von Anfang November 2017 zurück. Auch auf die weitere außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen im März 2019 reagierte die Beklagte unter Zurückweisung des Vorwurfs. Eine seitens der Klägerin vorgeschlagene Lizensierung kam nicht zustande. Letztmalig mahnte die Klägerin die Beklagte im Februar 2021 unter Beifügung eines Entwurfs der Klageschrift ab. Die Beklagte gab die begehrte Unterlassungserklärung nicht ab.
  14. Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatents wortsinngemäß unmittelbar Gebrauch. Das Klagepatent verlange keine räumlich-körperliche Drehachse, um die der mit dem Traggestell schwenkbar verbundene Maschinenrahmen bewegt werden könne. Es könne sich auch nur um eine logische Achse handeln. Die Achsenträger würden diese Drehachse halten, indem sie diese durch ihre Position bestimmen würden. Die Achsenträger seien nach dem Klagepatent unabhängig verstellbar, wenn sie jedenfalls Positionen einnehmen könnten, ohne die Stellung des anderen Achsträgers zu beeinflussen. Es sei nicht erforderlich, dass dies in jeder beliebigen einnehmbaren Position der Fall sei. Ebenso wenig unterscheide das Klagepatent hierbei zwischen einer Arbeitsposition oder einer Ruheposition. Dies würde schon deshalb zu kurz greifen, weil die erfindungsgemäße Lehre nicht auf eine bestimmte Landmaschine bezogen sei.
  15. Diesen Anforderungen genüge die angegriffene Ausführungsform. Die Klägerin behauptet dazu, dass es auch im herunter geschwenkten Zustand des Schleppschuhverteilers zu einem Pendel-Effekt kommen könne. Ihre eigenen Versuche mit einem unter dem Schleppschuhverteiler aufgestellten Holzstück würden belegen, dass sich in diesem Fall nur eine Seite der angegriffenen Ausführungsform bewege und eine unabhängige Bewegung der äußeren Hebelarme vorliege. Entsprechendes gelte bei Anhebung einer Seite des Schleppschuhverteilers mittels eines Krans. Es lasse sich jeweils eine nur einseitige Veränderung eines Hydraulikzylinders erkennen. Der andere Hydraulikzylinder bewege sich nicht mit. Dies sei Beleg für eine unabhängige Verstellbarkeit der Achsenträger. Eine etwaige Mitbewegung des inneren Zylinders dabei führe zu einer leichten Kippbewegung, bewirke aber keine Verstellung des anderen Achsenträgers.
  16. Der Rechtsstreit sei schließlich auch nicht auszusetzen, weil sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen werde.
  17. Die Klägerin beantragt,
  18. I. die Beklagte zu verurteilen,
  19. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  20. Aufhängungen für Landmaschinen sowie Landmaschinen, die mit einer Aufhängung versehen sind, wobei die Aufhängungen umfassen:
    ein mit einem Fahrzeug koppelbares Traggestell; einen um eine Drehachse mit dem Traggestell schwenkbar verbundenen Maschinenrahmen; und mindestens ein zwischen dem Traggestell und dem Maschinenrahmen angeordneter Dämpfer zum Dämpfen der Bewegungen untereinander zwischen dem Traggestell und dem Maschinenrahmen
  21. in der Bundesrepublik Deutschland, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
  22. wobei die Aufhängungen gleichzeitig mit zwei getrennten in einem Abstand voneinander gelegenen die Drehachse haltenden Achsenträgern versehen sind, welche Achsenträger unabhängig voneinander mit dem Traggestell verstellbar verbunden sind, wobei zumindest einer der Achsenträger unter Zwischenschaltung eines Dämpfers verstellbar mit dem Traggestell verbunden sind;
  23. hilfsweise zu Ziff. I.1.
    es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  24. Aufhängungen für Landmaschinen, wobei die Aufhängungen umfassen: ein mit einem Fahrzeug koppelbares Traggestell; einen um eine Drehachse mit dem Traggestell schwenkbar verbundenen Maschinenrahmen; und mindestens ein zwischen dem Traggestell und dem Maschinenrahmen angeordneter Dämpfer zum Dämpfen der Bewegungen untereinander zwischen dem Traggestell und dem Maschinenrahmen
  25. in der Bundesrepublik Deutschland, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
  26. wobei die Aufhängungen gleichzeitig mit zwei getrennten in einem Abstand voneinander gelegenen die Drehachse haltenden Achsenträgern versehen sind, welche Achsenträger unabhängig voneinander mit dem Traggestell verstellbar oder unabhängig voneinander mit dem Maschinenrahmen verstellbar verbunden sind, wobei zumindest einer der Achsenträger unter Zwischenschaltung eines Dämpfers verstellbar mit dem Traggestell oder dem Maschinenrahmen verbunden ist;
  27. weiter hilfsweise:
    es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  28. Aufhängung für Landmaschinen, die umfasst: – ein mit einem Fahrzeug koppelbares Traggestell; – einen um eine Drehachse mit dem Traggestell schwenkbar verbundenen Maschinenrahmen; und – mindestens ein zwischen dem Traggestell und dem Maschinenrahmen angeordneter Dämpfer zum Dämpfen der Bewegungen untereinander zwischen dem Traggestell und dem Maschinenrahmen; wobei die Aufhängung gleichzeitig mit zwei getrennten in einem Abstand voneinander gelegenen die Drehachse haltenden Achsenträgern versehen ist, welche Achsenträger unabhängig voneinander mit dem Traggestell verstellbar oder unabhängig voneinander mit dem Maschinenrahmen verstellbar verbunden sind,
  29. in der Bundesrepublik Deutschland, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
  30. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 02. August 2018 begangen hat, und zwar unter Angabe
  31. a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
  32. wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  33. 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 25. November 2012 begangen hat, und zwar unter Angabe:
  34. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
  35. b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
  36. c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
  37. d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  38. wobei die Angaben nach Buchstabe d) nur für die Zeit seit dem 2. August 2018 (einschließlich) zu machen sind und der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  39. 4. die in ihrem (der Beklagten) unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter 1. bezeichneten Vorrichtungen an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;
  40. 5. die vorstehend unter 1. bezeichneten, seit dem 2. August 2018 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern schriftlich unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des … vom …) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
  41. II. festzustellen,
  42. 1. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die zu I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 25. November 2012 bis zum 1. August 2018 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
  43. 2. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 2. August 2018 (einschließlich) begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;
  44. III. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 15.607,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
  45. Die Beklagte beantragt,
  46. die Klage abzuweisen,
  47. hilfsweise den Rechtsstreit bei zu einer erstinstanzlichen Entscheidung über die Rechtsbeständigkeit des Klagepatents in dem anhängigen Nichtigkeitsverfahren auszusetzen.
  48. Sie meint, mit der angegriffenen Ausführungsform die erfindungsgemäße Lehre nicht zu verwirklichen. Es seien keine Achsenträger vorhanden, welche dieselbe Drehachse halten würden. Das Klagepatent verlange hierfür ein physisches Bauteil, das die Drehachse bilde und in Querrichtung zur Aufhängung verlaufe. Es seien ferner keine unabhängig voneinander verstellbaren Achsträger vorhanden. Die Dreiteilung der angegriffenen Ausführungsform in einen Mittelteil und zwei verbundene Seitenteile ermögliche unterschiedliche Bewegungen. Keine dieser Bewegungen entspreche aber der Lehre des Klagepatents. Die beiden Seitenteile seien über ein Gelenk mit dem Mittelteil verbunden und könnten darüber in der Höhe verstellt werden, wenn das Tastrad einen Höhenunterschied überfahre. Nach Überwinden des Höhenunterschieds würden die Seitenteile aufgrund ihres Eigengewichts in die Ausgangsposition zurückkehren. Beim Schwenkeffekt der Aufhängung von einer Position am Boden in eine Anti-Tropf-Stellung seien die Zylinder aktiv. Hierzu behauptet die Beklagte, dass die zwei Hydraulikzylinderpaare aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu demselben Hydraulikkreislauf nur gemeinsam und ausschließlich in Abhängigkeit voneinander zu betätigen seien. Jeweils ein rechter und linker Zylinder seien miteinander verbunden. Beim Pendel-Effekt seien die Zylinder passiv. Er diene dazu, die angegriffene Ausführungsform in einer waagerechten Position zu halten; dies werde durch Fliehkräfte sowie das Eigengewicht der angegriffenen Ausführungsform erreicht. Auch nur durch das Eigengewicht werde auf die Zylinderkolben eingewirkt. Wenn auf einer Seite ein Kolben herausgedrückt werde, werde der Kolben auf der anderen Seite um das gleiche Maß eingedrückt. Die Beträge der abhängigen Gegenbewegungen seien im Wesentlichen gleich. Etwaige Abweichungen seien allenfalls geringfügig und durch den in Fahrtrichtung hinten liegenden Ansatzpunkt der Stützvorrichtung begründet. Dieses Abhängigkeitsverhältnis habe durch Untersuchungen belegt werden können.
  49. Jedenfalls sei der Rechtsstreit auszusetzen, da sich die mangelnde Rechtsbeständigkeit des Klagepatents im Nichtigkeitsverfahren erweisen werde. Die Lehre des Klagepatents sei nicht neu gewesen; die DE 20 2010 XXX XXX U1 (Anlage B4; im Folgenden auch: NK 2) sowie die US 5,XXX,XXX (Anlage B10; im Folgenden auch: NK 21) stünden ihr neuheitsschädlich entgegen. Entsprechendes gelte für „Low-Lift“-Aufhängung der Beklagten. Bereits diese aus dem Jahr 2009 stammende Aufhängung verwirkliche sämtliche Merkmale des Klagepatents.
  50. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftstücke nebst Anlagen Bezug genommen.
  51. Entscheidungsgründe
  52. A.
    Die zulässige Klage ist unbegründet.
  53. I.
    Das Klagepatent betrifft eine Aufhängung für Landmaschinen, die umfasst: ein mit einem Fahrzeug zu verbindendes Traggestell und einen um eine Drehachse schwenkbar mit dem Traggestell verbundenen Maschinenrahmen (Abs. [0001]).
  54. Landmaschinen werden mit den dafür vorgesehenen landwirtschaftlichen Fahrzeugen, wie Traktoren zur Ausführung einer gewünschten Bearbeitung wie Säen, Ausbringen von Düngemitteln oder Pflügen über/durch eine Bodenoberfläche bewegt.
    Bei dieser Art Bearbeitung wird gewünscht, dass die Position des Werkzeugs sich an Änderungen der örtlichen Ausrichtung der Bodenoberfläche in Bezug auf das das Werkzeug tragende Fahrzeug anpassen kann. Wenn die Landschaft Neigungen aufweist und/oder wenn das Fahrzeug aufgrund örtlicher Unebenheiten seine Ausrichtung ändert, ist es erwünscht, dass die Position der Landmaschine dem Boden so gut wie möglich folgt (Abs. [0002]).
  55. In Abs. [0007] führt das Klagepatent konkret vor Augen, welche Folgen die nur eingeschränkte Bewegungsfreiheit haben kann: Wenn eine Landmaschine, die mit einem Maschinenrahmen nach dem Stand der Technik verbunden ist, mit dem Traggestell in einem Abstand von 1 Meter von der zentralen Drehachse entfernt (beispielsweise als Folge einer Bodenunebenheit) 10 Zentimeter nach oben gedrückt wird, dann wird die Landmaschine an der anderen Seite der Drehachse in einem Abstand von 1 Meter um 10 Zentimeter nach unten gedrückt; der Zusammenbau aus Landmaschine und Drehachse besitzt nämlich die Funktion einer „Wippe“. Das verursacht, dass in der Praxis eine Landmaschine dem Boden oft nicht auf kurzem Abstand folgen kann.
  56. Aus dem Stand der Technik war eine Aufhängung des eingangs erwähnten Typs mit mindestens einem zwischen dem Traggestell und dem Maschinenrahmen angeordneten Dämpfer zum Dämpfen der Bewegungen untereinander zwischen dem Traggestell und dem Maschinenrahmen bekannt, wie das Klagepatent in Abs. [0003] unter Bezugnahme auf die US 2004/XXX A1 ausführt. Die Aufhängung wies zwei getrennte in einem Abstand voneinander gelegene Achsträger auf, welche die Drehachse gehalten haben. Die Achsenträger waren abhängig voneinander verstellbar mit dem Maschinenrahmen verstellbar verbunden.
  57. Hieran kritisiert das Klagepatent, wie in Abs. [0004] erläutert, als nachteilig, dass derlei Aufhängungen einer Landmaschine immer nur eine Bewegungsfreiheit verschaffen, welche im Einsatz noch immer das Anschließen an die Bodenoberfläche erschwert.
  58. Das Klagepatent stellt sich daher die Aufgabe, eine verbesserte Aufhängung für Landmaschinen bereitzustellen, wodurch diese ohne grundlegende Empfindlichkeitszunahme einen verbesserten Anschluss auf der Bodenoberfläche haben (vgl. Abs. [0005]).
  59. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent daher eine Vorrichtung vor, welche nach der Kombination der Ansprüche 1, 14 und 2 folgende Merkmale aufweist:
  60. 1. Aufhängung für Landmaschinen
    1.1. Die Aufhängung umfasst ein mit einem Fahrzeug koppelbares Traggestell
    1.2. Die Aufhängung umfasst einen um eine Drehachse mit dem Traggestell schwenkbar verbundenen Maschinenrahmen
    1.3. Die Aufhängung umfasst mindestens einen zwischen dem Traggestell und dem Maschinenrahmen angeordneten Dämpfer zum Dämpfen der Bewegungen untereinander zwischen dem Traggestell und dem Maschinenrahmen
    1.4. Die Aufhängung ist gleichzeitig mit zwei getrennten in einem Abstand voneinander gelegenen die Drehachse haltenden Achsenträgern versehen
    1.4.1. Die Achsenträger sind unabhängig voneinander mit dem Traggestell verstellbar verbunden
    1.5 zumindest einer der Achsenträger unter Zwischenschaltung eines Dämpfers verstellbar mit dem Traggestell verbunden ist.
  61. II.
    Zur Überzeugung der Kammer steht schon die Verwirklichung des Merkmals 1.4.1 nicht fest. Ausführungen der Kammer zu den weiteren Merkmalen bedarf es daher nicht.
  62. 1.
    Das Klagepatent beansprucht in Merkmal 1.4.1, dass die Achsträger unabhängig voneinander mit dem Traggestell verstellbar verbunden sind.
  63. „Unabhängig voneinander verstellbar“ versteht das Klagepatent dahin, dass jeder Achsenträger für sich beweglich ist. Die beiden Achsträger dürfen sich nicht umgekehrt parallel verhalten in dem Sinne, dass die Bewegung des einen Achsträgers eine zwingende Gegenbewegung des anderen um das gleiche Ausmaß zur Folge hat. Allenfalls ist eine Abstimmung aufeinander in dem Maß zulässig, wie es für die Funktionsfähigkeit der gesamten Vorrichtung erforderlich und technisch nicht vermeidbar ist.
  64. Der Anspruchswortlaut konkretisiert die unabhängige Verstellbarkeit der Achsträger nicht. Er gibt nur vor, dass die Unabhängigkeit zwischen den Achsträgern und die durch sie herbeigeführte Verstellbarkeit im Verhältnis zum Traggestell bestehen sollen.
  65. Rein philologisch bedeutet „unabhängig“, dass etwas für sich und losgelöst von etwas anderem besteht. Von einem entsprechenden Verständnis geht auch das Klagepatent aus. Denn nach der Lehre der Erfindung des Klagepatentes soll keiner der Achsenträger in seiner Bewegung mit dem anderen zusammenhängen. Jeder ist für sich frei beweglich, ohne zugleich eine Mitbewegung des anderen Achsenträgers zu erzwingen. Dieses Verständnis findet Unterstützung durch die Klagepatentbeschreibung.
  66. Schon in Abs. [0007] erhält der Fachmann einen Hinweis, wie sich in der praktischen Anwendung im Betriebszustand einer Landmaschine die unabhängige Verstellbarkeit der Achsenträger auswirken soll:
  67. „[…] Wenn eine Landmaschine, die mit einem Maschinenrahmen gemäß der Erfindung mit dem Traggestell in einem Abstand von 1 Meter von der zentralen Position verbunden ist (da, wo sich zuvor die Drehachse befand) 10 Zentimeter nach oben gedrückt wird (beispielsweise aufgrund einer Bodenunebenheit) dann wird die Landmaschine an der anderen Seite der zentralen Position in einem Abstand von 1 Meter nicht mehr um 10 Zentimeter nach unten gedrückt; abhängig von der örtlichen Bodenbeschaffenheit dort, besteht die Freiheit, örtlich nach oben zu bewegen, nicht zu bewegen oder nach unten zu bewegen. […]“
  68. Das Klagepatent führt hier drei unterschiedliche Bewegungsmöglichkeiten an, die ein Achsenträger ausführen können muss, ohne Rücksicht darauf, wie sich der andere Achsenträger verhält. Für den Fachmann gibt dies einen Anhaltspunkt auf die konstruktive Ausgestaltung einer erfindungsgemäßen Vorrichtung, weil diese so zusammengesetzt sein muss, dass jede dieser drei Bewegungen ausführbar ist. Wie dabei die Verstellbarkeit der einzelnen Achsenträger bewerkstelligt wird, gibt das Klagepatent nicht vor. Es ist vielmehr dem Belieben des Fachmanns überlassen, ob die Verstellbarkeit durch bloße Gewichtsverlagerung innerhalb der Vorrichtung, äußere Einflüsse oder Motorsteuerung erreicht wird.
  69. Die Notwendigkeit der unabhängigen Verstellbarkeit wird zudem in Abs. [0009] hervorgehoben:
  70. „Es wird nachdrücklich darauf hingewiesen, dass es notwendig ist, dass die Achsenträger unabhängig voneinander verstellt werden können; gerade hierdurch wird die verbesserte Bewegungsfreiheit des Maschinenrahmens in Bezug auf das Traggestell erreicht.“

    Entgegen dem Stand der Technik, wie er in Abs. [0007] unter Bezugnahme auf den „Wippeffekt“ dargestellt wurde, soll nach der erfindungsgemäßen Lehre eine Bewegung des Achsenträgers nicht mehr die spiegelbildliche Bewegung des anderen Achsenträgers nach sich ziehen. Der andere Achsenträger verfügt über einen eigenen Bewegungsspielraum, welcher ihn zu unterschiedlichen Bewegungen veranlassen kann. Dabei kann es sein, dass er sich spiegelbildlich zur ersten Bewegung des einen Achsenträgers verhält. Maßgeblich ist aber, dass dies nicht seine einzige zwingende Reaktionsmöglichkeit ist.

  71. Die unabhängige Verstellbarkeit im Sinne von voneinander losgelösten Bewegungsmöglichkeiten wird von Abs. [0011] ferner veranschaulicht:
  72. „Wenn wenigstens einer der Achsenträger in Bezug auf das Traggestell und den Maschinenrahmen festgesetzt werden kann, wird es möglich, den Maschinenrahmen in einer gewünschten Position in Bezug auf das Traggestell festzusetzen. […].“
  73. Die Beschreibungsstelle verdeutlicht, dass weiterhin auf den einen Achsenträger eingewirkt und eine bestimmte Bewegung des Maschinenrahmens provoziert werden kann, ohne zeitgleich eine Ausweichbewegung des anderen Achsträgers auszulösen. Denn eine solche Bewegung wird durch dessen Festsetzung schon technisch unterbunden. Konstruktiv entnimmt der Fachmann dieser Beschreibung damit den eindeutigen Hinweis, dass die Führung der Achsenträger eine Ausgestaltung erfahren muss, welche ihnen die für eine separate Bewegung erforderliche Freiheit einräumt. Dies gilt umso mehr, als durch die Verbindung mit dem Traggestell oder Maschinenrahmen ein weiterer Aspekt in der Konstruktion hinzukommt, der einer unabhängigen Bewegung entgegenstehen könnte, da er die beiden Seiten der Aufhängung in Höhe der Achsträger miteinander verbindet und dadurch den Bewegungsradius einschränken oder gar zu einer spiegelbildlichen Bewegung führen könnte.
  74. Abs. [0008] offenbart kein anderes Verständnis der unabhängigen Verstellbarkeit. Dort heißt es zwar:
  75. „[…] Ebenso kann es vorteilhaft sein, die Verstellbarkeit der Achsenträger in Bezug auf das Traggestell oder die Verstellbarkeit der Achsenträger in Bezug auf den Maschinenrahmen innerhalb eines bestimmten Rahmens einzuschränken. Hierdurch werden den Bewegungsausschlägen des Maschinenrahmens Beschränkungen auferlegt […].“
  76. Die genannte eingeschränkte Verstellbarkeit ist aber nicht im Sinne einer nur abhängigen Verstellbarkeit der Achsenträger zu begreifen. Denn die Verstellbarkeit der Achsenträger wird im Verhältnis zum Traggestell oder Maschinenrahmen eingeschränkt. Die Achsenträger selbst werden dadurch in ihrer Verstellbarkeit zueinander nicht beeinträchtigt. Sie bleiben trotz des insgesamt eingeschränkten Bewegungsrahmens der Vorrichtung unabhängig verstellbar.
  77. Den Figuren zur erfindungsgemäßen Lehre ist kein gegenteiliges Verständnis für eine unabhängige Verstellbarkeit zu entnehmen. In den Figuren 2a und 2b und als Andeutung schon in der Figur 1 zeigt das Klagepatent eine Aufhängung und dies stets in Verbindung mit dem Maschinenrahmen in neutraler Position. Lageveränderungen des Maschinenrahmens und Auswirkungen auf die Achsenträger zeigen diese Figuren schon nicht. Die Figuren 3a und 3b dagegen zeigen einen erweiterten Arbeitsbereich, der durch die unabhängigen Achsenträger hergestellt werden soll. Gezeigt ist dabei allerdings nicht, welche Positionen die Achsenträger im Einzelnen einnehmen, um diese vergrößerte Fläche zu erzielen.
  78. Überdies bekräftigt Unteranspruch 8 das erörterte Verständnis. Danach kann mindestens einer der Achsenträger arretiert werden, in Bezug auf das Traggestell und den Maschinenrahmen. Den Achsenträgern ist es danach möglich, gänzlich unterschiedliche Positionen einzunehmen und eine dauerhafte Positionierung des einen Achsenträgers schränkt die Bewegungsfreiheit des anderen Achsenträgers in keiner Weise ein.
  79. Die Lehre des Klagepatents will einen vergrößerten Arbeitsbereich für eine an der Aufhängung angebrachte Landmaschine bereitstellen und sieht dafür zwei Achsträger vor, die in ihrer Bewegung voneinander losgelöst sind. Dies ist unter technischen Gesichtspunkten erforderlich, weil nur so der aus dem Stand der Technik bekannte „Wippeffekt“ ausgeräumt werden kann. Technisch entscheidend ist, dass sich jeder Achsenträger zumindest in einem gewissen Rahmen eigenständig und ohne Auswirkung auf den anderen Achsenträger bewegen kann. Insbesondere dürfen keine spiegelbildlichen Bewegungen entstehen. Da aber die Achsenträger Teil einer Gesamtvorrichtung sind und sich ihre Bewegung auf die Position des Maschinenrahmens auswirkt, ist jedenfalls dann, wenn eine Seite nicht komplett fixiert ist, ab einem gewissen Bewegungsgrad eine Mitbewegung des anderen Achsträgers technisch nicht vermeidbar. Trotz einer etwaigen Mitbewegung, sofern sie nicht durch entsprechende konstruktive Gestaltung komplett ausgeschlossen werden kann, muss jedenfalls eine erhöhte Bewegungsfreiheit der Landmaschine zur Verfügung gestellt werden. Denkbar ist eine solche technisch erforderliche Mitbewegung insbesondere dann, wenn der Maschinenrahmen quer zwischen den Achsträgern verläuft und dadurch die beiden Seiten der Aufhängung miteinander verbindet. Eine solche wechselseitige Beeinflussung ist erst schädlich und nach der Lehre des Klagepatents unzulässig, wenn der Vorteil nicht mehr erzielt werden kann.
  80. 2.
    Die Kammer vermag eine Verletzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform unter Zugrundelegung des vorstehenden Verständnisses nicht festzustellen. Es fehlt in der angegriffenen Ausführungsform an einer unabhängigen Verstellbarkeit der Achsträger (Merkmal 1.4.1).
  81. a.
    Die angegriffene Ausführungsform besteht aus einer Aufhängung und einem daran angebrachten Schleppschuhverteiler zum Ausbringen von Gülle. Dieser ist dreigliedrig und setzt sich aus einem Mittelteil sowie je einem rechten und einem linken Seitenteil zusammen. Zudem verfügt er über zwei sogenannte Tasträder, welche im Betriebszustand über den Boden laufen, während die Kufen durch einen Anpressdruck leicht in die Bodenoberfläche getrieben werden. In die dadurch erzeugten Rillen wird über die Gummiausläufe Gülle ausgebracht. Nachfolgende Abbildungen aus der Klageschrift bzw. Klageerwiderung (nebst Markierungen der Beklagten) veranschaulichen den Aufbau der angegriffenen Ausführungsform:
  82. Abhängig vom Betriebs- oder Transportzustand kann die angegriffene Ausführungsform teilweise geklappt (Klappeffekt), geschwenkt (Schwenkeffekt) oder ausgependelt (Pendeleffekt) werden.
  83. Der Klappeffekt wird durch ein Tastrad ausgelöst und passt ein Seitenteil im Betriebszustand an Bodenunebenheiten an, was anhand nachfolgender Abbildung gezeigt wird:
  84. Der Schwenkeffekt verbringt den Schleppschuhverteiler von einer angehobenen und hochgekippten Anti-Tropfposition in eine abgesenkte und heruntergekippte Position. Die angegriffene Ausführungsform ist hierzu mit zwei Hydraulikzylinderpaaren ausgestattet, wobei die beiden äußeren Zylinder eine ergänzende vertikale Bewegung und die beiden inneren Zylinder die eigentliche Kippbewegung durchführen. Hinsichtlich dieses Effekts streiten die Parteien um die Arbeitsweise der Zylinder, insbesondere darüber, ob diese nur jeweils im Paar gegenläufige und damit voneinander abhängige Bewegungen ausführen können.
  85. Der Schwenkeffekt kann anhand nachfolgender Lichtbilder veranschaulicht werden (Abbildung aus der Klageerwiderung):
  86. Der Pendeleffekt kommt jedenfalls in der Anti-Tropf-Position, also bei hoch geklapptem Schleppschuhverteiler zur Anwendung. Er dient dazu, den Schleppschuhverteiler immer wieder in einer waagerechten Position zu halten und einen horizontalen Ausgleich zu schaffen. Bewirkt wird dies über das Eigengewicht der beiden Seitenteile. Die Hydraulikzylinder wirken an diesem Vorgang nicht aktiv mit. Ausweislich der eigenen Prospektbeschreibung der Beklagten wird so ein Schutz des Gestänges sowie eine gute Ausfederung zwischen Fass und Balken bewirkt, vgl.:
  87. b.
    Ausgehend von den zuvor dargestellten grundsätzlichen Bewegungsmöglichkeiten will die Klägerin anhand einer zum Boden geneigten Vorrichtung nachweisen, dass es auch in dieser Position einen die Lehre des Klagepatents verwirklichenden Pendeleffekt geben kann. Dies ist ihr indes zur Überzeugung der Kammer nicht gelungen.
  88. Die Parteien machen die Achsenträger in der angegriffenen Ausführungsform jedenfalls an der Stelle aus, wo die äußeren Hydraulikzylinder in das Gelenk übergehen, welches in seiner Verlängerung mit dem Maschinenrahmen verbunden ist. Nachfolgende Abbildungen aus der Klageschrift sowie Klageerwiderung zeigen die Achsträger:
  89. Für die Beurteilung der Patentverletzung bedarf es keiner Klärung, ob der Pendel-Effekt planmäßig im Betriebszustand mit Bodenkontakt möglich wäre oder nur in der Anti-Tropf-Position. Denn jedenfalls hat die Klägerin auch für einen zum Boden geneigten Zustand des Schleppschuhverteilers nicht vermocht, eine unabhängige Verstellbarkeit der Achsträger darzulegen.
  90. Zuzugeben ist der Klägerin, dass Gegenstand der Verletzungsdiskussion die gesamte angegriffene Ausführungsform ist und nicht ein bestimmter Betriebsvorgang wie der Schwenkeffekt oder der sich automatisch einstellende Pendel-Effekt. Dennoch sind es diese Betriebszustände der angegriffenen Aufhängung, die von der Kammer zu würdigen sind, weil erst in deren Zusammenhang bestimmte Reaktionen einzelner Vorrichtungsteile wie etwa der Achsenträger ermittelt werden können. Daher ist insbesondere der Pendel-Effekt geeignet, das Verhalten der angegriffenen Aufhängung zu veranschaulichen, weil dieser den Ausleger bei hügeligem Gelände in einer waagerechten Ausrichtung halten soll.
  91. Die Klägerin hat entsprechend der ihr obliegenden Darlegungslast Versuche an einer angegriffenen Ausführungsform durchgeführt und diese als Videos dokumentiert (vgl. Anlagen VP 9, VP 12, VP 13). Zudem hat sie Screenshots aus diesen Videos, versehen mit Anmerkungen, in ihren Schriftsätzen eingeblendet. Anhand objektiver Messdaten hat die Klägerin ihre Versuche und das Bewegungsverhalten der Hydraulikzylinder aber nicht nachvollzogen.
  92. Die Lichtbilder von Seite 34 und Seite 35 der Klageschrift erbringen keinen Verletzungsnachweis. Während das Bild auf Seite 34 eine gleichmäßige Ausrichtung des Schleppschuhverteilers mit parallel ausgerichteten äußeren Hydraulikzylindern zeigt, soll das weitere Bild von Seite 35 die unabhängige Verstellbarkeit belegen.
  93. Dies vermag die Kammer nicht mit der erforderlichen Überzeugung festzustellen. Aufgrund der nur ausschnittsweise gezeigten Perspektive ist schon nicht zu erkennen, wie die Anhebung des Maschinenrahmens erfolgt ist. Zudem befindet sich der linke, im Bild vordere äußere Hydraulikzylinder in einer eingefahrenen Position, die nicht weiter verändert werden kann, sodass nicht beurteilt werden kann, ob eine parallele Gegenbewegung erfolgt wäre, sie aber schlicht nicht mehr möglich war.
  94. Auch der Versuch in dem Video VP 9 vermag eine Verletzung des Klagepatents nicht zu begründen. Er bezieht sich auf eine heruntergeschwenkte Position der Schleppschuhe und soll die Reaktionen der angegriffenen Ausführungsform auf ein Hindernis nachweisen. Hierzu hat die Klägerin ein Stück Holz hochkant unter den Schleppschuhverteiler gestellt und diesen aus der Anti-Tropf-Position auf das Holzstück herabgelassen. Das Verhalten der äußeren Hydraulikzylinder hat die Klägerin unter anderem fotografisch dokumentiert. Daraus will sie das Verhältnis der Schwenkarme zueinander ableiten.
  95. Tatsächlich ist aus den Aufnahmen beim Herabsenken des Schleppschuhverteilers auf das Holzstück zu erkennen, dass sich die rechte Seite des Schleppschuhverteilers hebt, während sich die linke Seite herabsenkt. Nachfolgende, der Replik entnommene Bilder zeigen das Verhalten der äußeren Hydraulikzylinder sowie dasjenige der Schwenkarme:
  96. Aus dem vorstehend dokumentierten Verhalten der beiden äußeren Zylinder bzw. unmittelbar daran anschließenden Schwenkarme („Achsträger“) ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aber nicht, dass sie ihren Zustand jeweils aufgrund einer unabhängigen Verstellbarkeit eingenommen haben. Vielmehr führt die Klägerin selbst aus, dass ein Anheben auf der einen Seite der Vorrichtung zu einem Absenken auf der anderen Seite führt, was genau für eine nur abhängige Verstellbarkeit („Wippeffekt“) und daher für ein erwartungsgemäß gegenläufiges Bewegungsverhalten der Zylinder spricht. Jedenfalls sind aufgrund der zur Akte gereichten bildlichen Nachweise keine anderen Feststellungen durch die Kammer möglich. Allein die unterschiedliche Ausrichtung der Achsenträger zueinander, welche in den Bildern auch grafisch veranschaulicht wurde, genügt für den Nachweis einer unabhängigen Verstellbarkeit nicht. Zudem ist nicht auszuschließen, dass bestimmte Positionen von Bauteilen perspektivisch lediglich falsch wahrgenommen werden.
  97. An dem durch vorstehende Lichtbilder sowie dem Video in Anlage VP 9 dokumentierten Versuchsaufbau bestehen zudem grundsätzliche Bedenken und daher zugleich an dessen Geeignetheit als Verletzungsnachweis. Die Klägerin hat den Schleppschuhverteiler in eine abgesenkte Arbeitsposition verbracht. Hierbei hat sie durch das Holzstück das Einwirken eines Hindernisses simuliert. Indes handelt es sich bei einem solchen Hindernis nicht um eine im regulären Betrieb der angegriffenen Ausführungsform erwartbare Bodenunebenheit. Insbesondere die ruckartige Bewegung des Schleppschuhverteilers bei dessen Rückführung in eine angehobene Position, wenn kein Druck durch das Holzstück mehr auf die Vorrichtung ausgeübt wird, dürfte die nicht ordnungsgemäße Einwirkung auf die Vorrichtung durch das Holzstück verdeutlichen.
  98. An vorstehender Bewertung ändern auch die weiteren Erläuterungen in der Triplik – unbeschadet dessen, dass die seitens der Kammer gewährte Stellungnahmefrist schon nicht auf die Verletzung bezogen war und womit sich die Beklagte aber noch in der mündlichen Verhandlung detailliert auseinandergesetzt hat – nichts. Die weiteren Videos zu durchgeführten Tests (vgl. Anlagen VP 12, VP 13) sollen zeigen, dass ein Anheben des Schleppschuhverteilers eine Verstellung des linken Achsenträger bewirke, während der rechte Achsträger nahezu unverändert in seiner Position verbleibe. Auch der innere Zylinder bewege sich, was aber lediglich ein leichtes Kippen des Verteilers verursache. Die Bewegung des inneren Zylinders steht insoweit zwischen den Parteien außer Streit.
  99. Nach Ansicht der Kammer erbringt das Video der VP 12 keinen Verletzungsnachweis. Es fehlt schon an einer sichtbaren unmittelbaren Gegenüberstellung der beiden Achsenträger, weshalb ein Vergleich der beiden Bewegungsabläufe der äußeren Zylinder nicht möglich ist. Hinzukommt, dass auch die Position des Schleppschuhverteilers nicht eindeutig zu bestimmen ist. So ist nicht zu erkennen, ob die rechte Seite durchgängig im Bodenkontakt und sich der Zylinder daher in seiner Endstellung befindet, was – wie schon zuvor – eine weitere (abhängige) Bewegung des Zylinders von vornherein ausschließt.
  100. Das Video gemäß Anlage VP 13 zeigt eine Rückansicht der angegriffenen Ausführungsform, während derselbe Versuch wie in dem Video VP 12 durchgeführt wird. Er soll nach Ansicht der Klägerin in der gleichen Weise die Verletzung des Klagepatents belegen. Indes ist eine Bewegung auch nur eines der Hydraulikzylinder aus dieser Perspektive nicht zu erkennen. Zu sehen ist nur, wie der Schleppschuhverteiler in seiner Breite rechts angehoben und links weiter abgesenkt ist. Unmittelbare Rückschlüsse auf die behauptete Funktionsweise der Hydraulikzylinder bzw. Achsträger sind daraus nicht zu gewinnen.
  101. Zur Überzeugung der Kammer belegt nach alledem aber gerade die in dem Video VP 12 dokumentierte Mitbewegung des inneren Zylinders eine nur abhängige Verstellbarkeit der Achsträger. Sie veranschaulicht die hydraulische Verbundenheit der beiden Zylinderpaare in der angegriffenen Ausführungsform. Wie zwischen den Parteien unstreitig, sind alle Zylinder an denselben Hydraulikkreislauf angeschlossen, was bedingt, dass sich eine Bewegung eines Zylinders, vermittelt über die Hydraulikflüssigkeit, auf die übrigen Zylinder auswirkt und diese zu einer Mitbewegung veranlasst. Gegenteiliges hat die Klägerin jedenfalls nicht unter Bezugnahme auf die Anlage B1, Ziff. 4 „XXX“, welche unterschiedliche Positionen der angegriffenen Ausführungsform anhand des Hydraulikkreislaufs darstellt, darzulegen vermocht. Die Klägerin erläutert erstmals in der Triplik den sich nach ihrer Auffassung ergebenden Aussagegehalt der B1, woraus sich ihrer Ansicht nach keine abhängige Verstellbarkeit der Hydraulikzylinder ergeben solle. Es bedarf allerdings keiner Aufklärung, welcher Aussagegehalt der B1 insofern beizumessen ist. Denn in der zitierten Passage enthält die B1 nur einen Verweis auf den seitens der Parteien als Klappeffekt bezeichneten Vorgang (vgl. Punkt 4 „XXX“). Für diesen aber ist unstreitig, dass eine Patentverletzung ausscheidet (vgl. Bl. 175 GA), sodass auch Ausführungen zum Verhalten der Zylinder insoweit für die hier in Rede stehenden Bewegungsabläufe keinen Aufschluss geben können.
  102. Ungeachtet dessen hat die Beklagte ihrerseits erheblich zum Bewegungsablauf der angegriffenen Ausführungsform vorgetragen. Sie hat ausgehend von dem Versuchsaufbau eigene Messungen vorgenommen und dazu Messpunkte an den Zylindern gewählt, um deren Bewegungsverhalten zu detektieren. Dadurch hat sie insbesondere aufgezeigt, dass die Winkel, um die sich die Trägerarme im Pendel-Effekt bewegen, zwar betragsmäßig unterschiedlich ausfallen. Zugleich hat die Beklagte hierfür zur Begründung aber in nachvollziehbarer Weise den Schwenkeffekt angeführt, der sich bei einer wie im Versuchsaufbau einwirkenden Kraft bemerkbar macht. Dies erscheint seitens der Kammer zumindest plausibel, weil dies gerade Ausdruck der nur abhängigen Verstellbarkeit ist. Denn der Schwenkeffekt wird durch die inneren Zylinder, verbunden über das silberne Gestänge mit dem Maschinenrahmen, initiiert. Die inneren Zylinder ihrerseits kommen aufgrund des einheitlichen Hydraulikkreislaufes mit den äußeren Zylindern in Bewegung. Vor diesem Hintergrund wäre es an der Klägerin gewesen, weiter substantiiert zur Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform vorzutragen, zumal die Messergebnisse als solche nach der Triplik unstreitig sind.
  103. B
    Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
  104. Streitwert: 1.000.000,- Euro

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