4c O 12/22 – Eidesstattliche Versicherung

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3266

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 07. Februar 2023, Az. 4c O 12/22

  1. I. Die Beklagte wird verurteilt, durch ihren Geschäftsführer vor dem zuständigen Amtsgericht an Eides statt zu versichern, dass sie die Angaben zur Erfüllung der der Klägerin aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 13. August 2020 (Az. 4c O 20/19 – Klagepatent EP 1 XXX XXX B1) zustehenden Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche, in den Schreiben und Unterlagen vom 30. September 2020 (Anlagen K 2, B 2 und K 19), 13. Oktober 2020 (Anlage K 4), 27. November 2020 (Anlage K 5), 16. März 2022 (Anlagenkonvolut K 17), 23. Juni 2022 (Anlage B 3), 3. August 2022 (Anlagen K 12, K 13 und K 18) sowie vom 5. Dezember 2022 (Anlagenkonvolut K 16) nach bestem Wissen und Gewissen so richtig und vollständig erteilt hat, als sie dazu imstande war.
  2. II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  3. III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110.000,- Euro vorläufig vollstreckbar.
  4. Tatbestand
  5. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung im Hinblick auf Informationen, die im Rahmen einer Auskunftserteilung und Rechnungslegung angegeben wurden.
  6. Die Beklagte ist mit nunmehr rechtskräftigem Urteil der Kammer vom 13. August 2020 (Az. 4c O 20/19) aufgrund der Verletzung des Europäischen Patents EP 1 XXX XXX B1 durch die von ihr vertriebenen Insulinpumpen „XXX“ sowie die Behältereinheiten „XXX“ (im Folgenden auch: angegriffene Ausführungsformen) insbesondere zur Unterlassung, Auskunftserteilung sowie Rechnungslegung verurteilt worden (Anlage K1).
  7. Mit anwaltlichem Schreiben der Klägerin wurde die Beklagte Anfang September 2020 zur Auskunftserteilung aufgefordert. Darauf reagierte die Beklagte mit Schreiben vom 30. September 2020 (vgl. Anlagen K2, B2, K19) und übermittelte eine Aufstellung „A GmbH Purchase Schedule“ sowie eine Aufstellung „A GmbH Sales Schedule“ sowie Rechnungen über Verkäufe von angegriffenen Ausführungsformen an Zwischenhändler wie B GmbH, die C mbH, die D GmbH und die E GmbH (vgl. Anlagenkonvolut K2).
  8. Da die Klägerin vorgerichtlich die Angaben mit Schreiben vom 2. Oktober 2020 als unvollständig bemängelt hatte, wobei insbesondere die Ziffern 74 und 75 als unklar kritisiert wurden (vgl. Anlage K3), erläuterte die Beklagte ihre Angaben mit Schreiben vom 13. Oktober 2020 (Anlage K4) und übersandte schließlich unter dem 27. November 2020 eine aktualisierte Liste über die Verkäufe (Anlage K5). Ausgangsrechnungen an Endkunden waren hierbei nicht enthalten. Als Erklärung dazu hieß es, dass die fehlende Rechnungstellung auf abwicklungstechnische Gründe zurückzuführen, aber noch angestrebt wäre. Rückgezahlte Kaufpreise wären durch mangelhafte Produkte bedingt. Die parallele A GmbH Purchase List (Anlage K 13) wurde erst im August 2022 entsprechend überarbeitet und zudem um Vorgänge in den Ziffer 37, 38 und 39 ergänzt, jeweils datierend auf den 1. bzw. 2. November 2020.
  9. Mit weiterem anwaltlichen Schreiben der Klägerin vom 25. Januar 2022 (Anlage K8) wurde die Beklagte erneut aufgefordert, die Auskunft und Rechnungslegung richtigzustellen und zu ergänzen. Die Klägerin hatte zwischenzeitlich selbst mittels Rechnungen an Endkunden Kenntnis von weiteren Verkäufen erhalten (vgl. Anlagen K6 und K7), welche aber nicht in der Aufstellung der Beklagten enthalten waren. Im März 2022 ergänzte die Beklagte ihre Angaben und aktualisierte die tabellarische Aufstellung (Anlage ZV S 3). Darin enthaltene Schwärzungen von sechs Rechnungspositionen bemängelte die Klägerin im April 2022, woraufhin die Beklagte eine weitere Überprüfung vornahm, sich aber an einer umfassenden Kontrolle durch den behördlich verhängten Lock-Down in China gehindert sah.
  10. Im Mai und Juni 2022 erläuterte die Beklagte die vorgenommenen Schwärzungen und wurde bei einem Datenabgleich mit den Datenbanken zugleich auf Unstimmigkeiten in der Datenerfassung aufmerksam. Sie brachte das A GmbH Sales Schedule in die aktuelle Fassung, vorgelegt als Anlage B3.
  11. Unter dem 15. Februar 2022 beantragte die Klägerin vor der Kammer die Verhängung von Zwangsmitteln gegen die Beklagte wegen des nicht erfüllten Auskunfts-/Rechnungslegungsanspruchs (Az. 4c O 20/19 ZV). Daraufhin erließ die Kammer mit Beschluss vom 8. Juni 2022 ein Zwangsgeld gegen die Beklagte. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten und wegen teilweiser Erledigung des Zwangsmittelantrags hielt die Kammer den Zwangsgeldbeschluss in Höhe von 1.000,- Euro aufrecht und hob ihn im Übrigen auf. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hob den Zwangsgeldbeschluss insgesamt auf und wies den darauf gerichteten Antrag zurück (vgl. Az. I-2 U 24/22), weil die Beklagte im Beschwerdeverfahren weitere Angaben machte, aufgrund derer die Klägerin das Verfahren insgesamt für erledigt erklärt hatte.
  12. Eine vorgerichtliche Aufforderung der Klägerin, eine eidesstattliche Versicherung abzugeben, wurde von der Beklagten Anfang März 2022 zurückgewiesen.
  13. Mit anwaltlichem Schreiben von Ende Oktober 2022 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz auf, welches diese mit anwaltlichem Schreiben vom 5. Dezember 2022 ablehnte und zugleich Ausführungen zu einzelnen Positionen in der A GmbH Sales Schedule machte (Anlagenkonvolut K 16).
  14. Bis zuletzt tauschten sich die Parteien über das Verständnis einzelner Aufstellungsposten aus.
  15. Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Gesamtverhalten der Beklagten den Schluss zulasse, die Angaben nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt zu haben. Andernfalls wären die diversen Ergänzungen und Korrekturen gegenüber der Erstauskunft nicht erforderlich gewesen. Insbesondere sei in der Zeit von Ende November 2020 bis zum Erinnerungsschreiben aus Januar 2022 keine weitere Berichtigung erfolgt. Ein etwaiger Lockdown in China könne die Beklagte nicht entlasten. Denn sie hätte bis zu dessen Beginn im Frühjahr 2022 den erforderlichen Abgleich vorgenommen haben können, zumal der eigentliche Geschäftssitz der Beklagten unstreitig in Deutschland liege, sodass entsprechende Buchhaltungsunterlagen dort vorhanden sein müssten.
  16. Die Klägerin sei davon ausgegangen, anhand des ersten Sales Schedule ihren Schadensersatz berechnen zu können. Erst im Laufe der Zeit hätten sich Unstimmigkeiten ergeben; insbesondere diverse als „unpaid & not invoiced“ gekennzeichnete Positionen (z.B. Ziff. 82 – 114) seien nicht aus sich heraus verständlich gewesen. Selbst bei der Verbuchung von Zahlungseingängen erst zu Beginn des Folgemonats wäre eine frühere Mitteilung zu den Abrechnungen 10/2020 und 11/2020 möglich gewesen als März 2022. Ebenso sei lange Zeit nicht nachvollziehbar gewesen, weshalb keine Rechnungen an Kassenpatienten hätten vorgelegt werden können.
  17. Dass nachträgliche Angaben erforderlich geworden seien, beruhe auf der mangelhaften internen Organisation der Beklagten. Dabei könne von einem Kaufmann verlangt werden, seine geschäftlichen Aktivitäten hinreichend zu dokumentieren. Andernfalls sei er gesteigerten Informationsbeschaffungspflichten ausgesetzt.
  18. Ursprünglich hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, durch ihren Geschäftsführer vor dem zuständigen Amtsgericht an Eides statt zu versichern, dass sie die Angaben zur Erfüllung der der Klägerin aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 13. August 2020 (Az. 4c O 20/19 – Klagepatent EP 1 XXX XXX B1) zustehenden Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche, in den Unterlagen, die dem Unterzeichner am 30. September 2020, 13. Oktober 2020 und 27. November 2020 zugegangen sind, nach bestem Wissen und Gewissen so richtig und vollständig erteilt hat, als sie dazu imstande war.
  19. Nachdem die Beklagte im Laufe des vorliegenden Rechtsstreits weitere Auskünfte erteilt hat, hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, durch ihren Geschäftsführer vor dem zuständigen Amtsgericht an Eides statt zu versichern, dass sie die Angaben zur Erfüllung der der Klägerin aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 13. August 2020 (Az. 4c O 20/19 – Klagepatent EP 1 XXX XXX B1) zustehenden Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche, in den Unterlagen, die den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 30. September 2020, 13. Oktober 2020, 27. November 2020, 16. März 2022, 23. Juni 2022 und 3. August 2022 zugegangen sind, nach bestem Wissen und Gewissen so richtig und vollständig erteilt hat, als sie dazu imstande war.
  20. Abschließend beantragt die Klägerin,
  21. zu erkennen, wie geschehen.
  22. Die Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
  23. Sie meint, die Klage sei unbegründet. Bereits im September 2020 habe sie vollständig Auskunft erteilt. Vorgenommene Ergänzungen oder Berichtigungen hätten nicht stattgefunden. Es habe sich lediglich um zusätzliche Erläuterungen gehandelt, die sich auf einen Zeitraum nach der ersten Auskunftserteilung bezögen. Nur insoweit sei die erste Auskunftserteilung naturgemäß unvollständig gewesen.
  24. Die Übersendung einer aktualisierten Aufstellung Ende November 2020 sei aus eigenem Antrieb erfolgt und habe dazu gedient, nach Auskunftserteilung aus September verzeichnete Zahlungseingänge aufzuzeigen. Es werde erst zu Beginn des nächsten Monats eine Überprüfung von weiteren Zahlungseingängen vorgenommen; schon am 25. November 2020 auf dem Konto befindliche Geldbeträge seien daher erst Anfang Dezember erfasst worden. Insbesondere, so behauptet die Beklagte, seien der Klägerin zu den Ziffern 76 bis 81 Rechnungen an Endkunden überlassen worden.
  25. Die Beklagte habe bei der Auskunftserteilung die erforderliche Sorgfalt eingehalten. Soweit die Angaben hinsichtlich einzelner Positionen in den XXX Rechnungen vom 23. bzw. 24. November 2020 unvollständig gewesen seien, treffe sie kein Verschulden. Aufgrund des in Shanghai verhängten vollständigen Lockdowns sei es ihr nicht möglich gewesen, einen Datenabgleich mit physischen, sich dort in den Büroräumen befindlichen Unterlagen vorzunehmen. Ein solcher sei auf die Datenbank beschränkt gewesen. Ferner seien weitere Schreiben der Klägerin zur Aktualisierung der Auskunft von Ende Januar 2022 in die Zeit der chinesischen Neujahrsferien gefallen. Aus den gleichen Gründen habe die Auskunftsergänzung für eine Lieferung aus Juli 2020 erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen können. Zudem hätte das seitens der Klägerin angestrengte Ermittlungsverfahren zur Beschlagnahme von Unterlagen und somit Problemen beim Datenabgleich geführt. Weitere Ergänzungen seien im Übrigen nur zur Klarstellung und nicht wegen Unvollständigkeit vorgenommen worden. Teils hätten sich die fehlenden Angaben ohnehin nicht auf angegriffene Ausführungsformen bezogen. Im Übrigen sei eine gesammelte Aktualisierung gegenüber einer kleinteiligen und fortlaufenden Aktualisierung auch für die Klägerin vorteilhaft.
  26. Manche Rechnungsposten habe die Klägerin auch erst im März 2022 beanstandet, weshalb die Beklagte zuvor nicht zu einer Überprüfung der Rechnungsdaten veranlasst gewesen sei. Ein anlassloser Abgleich sei für die Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt nicht geboten.
  27. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
  28. Die Akte des Zwangsmittelverfahrens zum Az. 4c O 20/19 (ZV) ist beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden.
  29. Entscheidungsgründe
  30. A.
    Die zulässige Klage ist begründet.
  31. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gem. §§ 259 Abs. 2, 242 BGB.
  32. I.
    Nach §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB hat derjenige, der nach §§ 139 Abs. 2 PatG, 242 BGB zur Vorbereitung des Schadensersatzanspruchs zur Auskunft verpflichtet ist, auf Verlangen an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Angaben so vollständig gemacht habe, als er dazu im Stande sei, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Rechnungslegung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erfolgt ist.
  33. Dieser Anspruch setzt zunächst voraus, dass eine Pflicht zur Rechenschaftslegung besteht. Eine solche existiert vorliegend, weil die Beklagte mit Kammerurteil vom 13. August 2020 rechtskräftig zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung verurteilt worden ist.
  34. Der Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung setzt weiter voraus, dass Grund zu der Annahme besteht, die in der Rechnung enthaltenen Angaben seien nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden. Es muss somit der Verdacht bestehen, dass die vorgelegte Rechnung unvollständig ist und dies auf mangelnder Sorgfalt beruht. Feststehen müssen die Unvollständigkeit der Rechnungslegung und die mangelnde Sorgfalt nicht. Der Verdacht muss sich auf Tatsachen gründen, die der Kläger als Berechtigter darlegen und notfalls beweisen muss. Ein entsprechender Verdachtsmoment kann sich dabei aus der Rechnungslegung selbst, aber auch aus den Umständen der Rechnungslegung, mithin dem Gesamtverhalten des Schuldners, ergeben (LG Düsseldorf, Urt. v. 19. Juni 2012 – 4a O 122/11 U., BeckRS 2013, 14823).
  35. Ein solcher Verdacht kann sich aus mehrfachem Ergänzen oder Berichtigen der Auskunft oder aus unplausiblen Erklärungen, warum weitergehende Auskünfte nicht erteilt werden könnten, aus fortlaufenden Auskunftsverweigerungen und dem Bemühen des Auskunftspflichtigen, die Ansprüche als nicht vorhanden hinzustellen oder den wahren Sachverhalt nicht offenzulegen oder auch aus widersprüchlichen Angaben ergeben (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 26. Mai 2005 – 3 U 91/04; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28. April 2005 – 2 U 44/04, BeckRS 2008, 04704 m.w. Nachw.).
  36. Auch die frühere Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit einer zunächst gelegten und später berichtigten oder ergänzten Rechnung kann zur Beurteilung der Frage herangezogen werden, ob die nunmehr insgesamt vorliegende Rechnung mit der erforderlichen Sorgfalt gelegt ist (Benkard PatG/Grabinski/Zülch, 11. Aufl. 2015, PatG § 139, Rn. 91). Dem Verpflichteten ist insoweit zwar zuzugestehen, die Unrichtigkeit einer erteilten Auskunft zu erkennen und diese aus eigenen Stücken zu korrigieren. Von dem Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung sind die erst erteilten Auskünfte aber nur dann ausgenommen, wenn der Schuldner unmissverständlich klarstellt, dass er diese nicht mehr gelten lassen will und sie als überholt betrachtet (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 15. Aufl., Kap. H, Rn. 301). Solange es an einer solchen Klarstellung fehlt, ist die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auch nicht auf die zuletzt erteilten Informationen beschränkt.
  37. II.
    Diese Voraussetzungen sind zur Überzeugung der Kammer vorliegend erfüllt.
  38. 1.
    Die Beklagte hat bis zur Beendigung des zum Az. 4c O 20/19 (ZV I) geführten Beschwerdeverfahrens sukzessiv Angaben zu den geschuldeten Auskünften und Rechnungslegungen gemacht, wobei immer wieder neue Positionen erläuterungsbedürftig wurden. Scheinbar erstmalig im Oktober 2022 lagen alle Informationen in für die Klägerin nachvollziehbarer Weise vor in Gestalt der A GmbH Purchase List sowie dem A GmbH Sales Schedule, sodass sie ihren Schadensersatz berechnen konnte. Bis dahin waren die Angaben der Beklagten nicht vollständig und insbesondere nicht aus sich heraus verständlich. Die Klägerin sah sich mehrfach veranlasst, auf Unstimmigkeiten hinzuweisen oder weitere Erklärungen anzufordern, um die mitgeteilten Informationen verifizieren zu können. Dies wird nicht zuletzt durch die weiteren Angaben aus dem außergerichtlichen Schriftsatz der Beklagten vom 5. Dezember 2022 (Anlagenkonvolut K 16) belegt. Denn erstmals in diesem Zusammenhang wurden interne Verrechnungsvorgänge dargestellt und erläutert, dass sich mitunter einzelne Positionen des A GmbH Sales Schedule inhaltlich aufeinander beziehen bzw. auch die Rückabwicklung zu einer getätigten Bestellung als eigener Posten in der Aufstellung erfasst wurde. Dieser relevante Kontext ist der tabellarischen Aufstellung allein nicht zu entnehmen.
  39. Erst im letzten Schriftsatz hat die Beklagte erläutert, wie die Ziffer 114 mit dem Hinweis „not invoiced“ zu verstehen ist. Der dort zugewiesene Zahlungseingang sei nämlich fälschlicherweise dort verortet worden. Eine Veranlassung, den Zahlungseingang in der Aufstellung herauszunehmen, sah die Beklagte aber offenbar nicht.
  40. In Ziffer 68 ist sowohl der Vermerk „unpaid“ als auch die Spalte „amount received“ ausgefüllt. Dies erkläre sich nach jetzigen Ausführungen der Beklagten aus einer erhaltenen Teilzahlung. Hierzu räumt die Beklagte selbst ein, dass dieser (vermeintliche) Widerspruch aus der von ihr für das Schedule gewählten Darstellungsweise resultiert, welche alle Bestellungen in einem einheitlichen Dokument listet und zudem nicht strikt zwischen bezahlten und unbezahlten Rechnungen trennt. Dieser Hinweis zeigt, dass der Beklagten bewusst ist, dass es zu Verständnisproblemen kommen und überdies von Außenstehenden die inhaltliche Richtigkeit nicht ohne Weiteres überprüft werden kann.
  41. Hinsichtlich der Ziffern 71 und 58 zeigt die Beklagte erst zuletzt einen Zusammenhang auf, indem die Ziffer 71 eine Retoure zu der Bestellung auf Ziffer 58 darstellt, welche ihrerseits mit der Bestellung aus Ziffer 67 verrechnet worden ist. Diese Verbindung ergibt sich aus dem Rechnungslegungsdokument allein nicht.
  42. Im Hinblick auf die Ziffern 72, 73 und 115, 116 wurden jeweils Retouren von bzw. Bestellungen von B GmbH und D GmbH erfasst/rückabgewickelt, teils auf der Basis eines zwischen der Beklagten und der jeweiligen Abnehmerin geschlossenen Vergleichs.
  43. Die Bestellung zur abgewickelten Ziffer 72 findet sich in Ziffer 17. Hierbei konnte die Klägerin ohne nähere Informationen der Beklagten schon deshalb nicht eigenständig einen Zusammenhang herstellen, weil die Rechnungsnummer in der Ziffer 72 anders lautet. Welcher spiegelbildliche Vorgang zur Retoure der Ziffer 73 gehört, ist aus der Auflistung nicht zu erkennen.
  44. Ebenso wenig waren die Ziffern 74 und 75 aus sich heraus nachvollziehbar, weshalb die Klägerin weitere Nachfragen dazu anstellte. Es handelt sich um Bestellungen der E GmbH, welche mit „replacement“ gekennzeichnet sind. Allenfalls durch aus einer im Dezember 2022 vorgelegten Anlage (Anlagenkonvolut 16, dort Anlage 3), enthaltend Überweisungsbelege, ergibt sich, dass die Beklagte die Rechnungsbeträge der E GmbH erstattet hat. Weshalb in der Auflistung ein „replacement“ verzeichnet ist, erschließt sich nicht. So hat die Beklagte auch erst in ihrem letzten Schriftsatz von Ende Januar 2023 erklärt, wie die Verwendung des Begriffs „replacement“ zu verstehen ist, nämlich als Synonym für eine Retoure, bei der der erhaltene Betrag rückerstattet wird. Dieser Hinweis wäre von Anfang an relevant gewesen, damit die Klägerin das A GmbH Sales Schedule nachvollziehen kann. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Klägerin die Ziffern 74 und 75 bereits im Oktober 2020 beanstandet hat und die Beklagte dazu erst im Dezember 2022 abschließende Informationen erteilt hat.
  45. Die in Ziffer 115 gelistete Retoure von der D GmbH bezieht sich auf die Bestellung aus Ziffer 63. Hierbei räumt die Beklagte selbst ein, dass es aufgrund eines internen Fehlers zu einer Vergabe von falschen Rechnungsnummern gekommen ist, weshalb ein Zusammenhang dieser Positionen ohne nähere Erläuterung nicht zu erkennen war.
  46. Soweit die Klägerin hinsichtlich Ziffer 116 bemängelt, keinen dieser Retoure entsprechenden Bestellvorgang auffinden zu können, hat die Beklagte auch diesen Umstand erst im Dezember 2022 mit einem zwischen ihr und der D GmbH geschlossenen Vergleich erläutert. Ziffer 116 stellt insoweit die Vergleichssumme dar.
  47. Unerheblich ist, ob die Klägerin Kenntnis von zugunsten der D GmbH ausgestellten Gutschriften, resultierend aus Ziffern 115 und 116, hatte und damit die Bedeutung dieser beiden Positionen hätte verständlich sein können. Denn auch deren Richtigkeit kann nur überprüft werden, wenn der Kontext klar ist, mithin welche Bestellvorgänge den Retouren zugrunde lagen. Indes enthält das anwaltliche Schreiben, mit dem die Beklagte zunächst diese Gutschriften vorgelegt hat (Anlage K 17), derlei ergänzende Informationen nicht. Die Klägerin konnte bislang die Richtigkeit mangels erklärender Angaben der Beklagten nicht feststellen, sodass sie die Bestellungen aus Ziffer 63 in ihre Schadensberechnung einstellte, was zu einer folgerichtigen, aber falschen Bemessung eines möglichen Schadensersatzes führte.
  48. Ohne den von der Klägerin aufgestellten Schadensersatzanspruch sah sich die Beklagte nicht veranlasst die vorstehend skizzierten Zusammenhänge in nachvollziehbarer Weise klarzustellen. Wie aber die Klägerin als Anspruchsinhaberin ohne diese Angaben die übermittelte Aufstellung korrekt hätte auswerten und für sich zur Schadensberechnung hätte nutzen können, ist für die Kammer nicht zu erkennen und erscheint nahezu ausgeschlossen. Hinzukommt, dass die Ziffern 115 und 116 unverändert seit der Erstauskunft von Ende September 2020 in der Aufstellung enthalten waren. Jedenfalls seit dem Vergleichsschluss mit der D GmbH im März 2021 hätte die Beklagte diese Informationen nachreichen müssen, um die Angaben für die Klägerin verständlich zu machen.
  49. Auch der Umgang mit dem Rechnungsposten Ziffer 123, welcher vorstehend benannte Lieferung betrifft, veranschaulicht, dass die Beklagte nicht von Anfang an in nachvollziehbarer und richtiger Weise ihre Informationen übermittelt hat. Denn noch im Beschwerdeverfahren ist selbst bei diesem nachgemeldeten Posten eine Falschbezeichnung aufgefallen und erst zu dieser Zeit hat die Beklagte nachvollziehbar und abschließend erklärt, dass und weshalb ihr selbst kein Rechnungsbeleg zu diesem Vorgang vorliegt. Derart umfassend hatte sie diesen Umstand bislang nicht erläutert.
  50. 2.
    Aus vorstehend skizziertem Gesamtverhalten folgt der begründete Verdacht, dass die Beklagte bei der Erfüllung der gegen sie ausgesprochenen Auskunftsansprüche nicht die geschuldete Sorgfalt hat walten lassen.
  51. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob für die Beklagte aus einer Kaufmannseigenschaft erhöhte Sorgfaltsanforderungen folgen, weil die Beklagte jedenfalls auch schon den allgemeinen Sorgfaltsanforderungen nicht gerecht geworden ist. Denn jedenfalls ohne die mehrfachen Erinnerungen und Bitten der Klägerin zu ergänzenden Informationen hätte die Beklagte ihre Informationen weder ergänzt noch erläutert. Der Klägerin wäre der richtige Umgang mit dem A GmbH Sales Schedule nicht möglich gewesen.
  52. Die Beklagte hat nicht kenntlich gemacht, dass die anfangs erteilten Informationen nur vorläufigen Charakter haben sollten und damit in jedem Fall eine Nachbesserung erfolgen würde. Die Beklagte hat nicht mitgeteilt, wie ihre Datenerfassung funktioniert und dass es auch nach der ersten Auskunft von September 2020 zu weiteren Mitteilungen über erfasste Zahlungseingänge kommen würde.
  53. Die Klägerin hatte demnach keinen Grund anzunehmen, dass die Auskunftserteilung nur vorläufig war. Dass die sich aus einer Überprüfung der Aufstellung ergebenden Nachfassungen der Klägerin dennoch berechtigt waren, um Unklarheiten und Unstimmigkeiten zu beseitigen, zeigen die jeweiligen Reaktionen der Beklagten. Denn mit jeder Antwort lieferte die Beklagte neue Erklärungen für einzelne Aufstellungsposten, nahm Korrekturen sowie Ergänzungen vor. Insoweit kündigte die Beklagte der Klägerin auch an, selbständig weitere Angaben liefern zu werden. Daraufhin folgte jedoch ein Zeitraum von über 14 Monaten, in dem sich die Beklagte entgegen ihrer Ankündigung nicht meldete. Eine plausible Erklärung für diesen Verzug vermag die Kammer nicht festzustellen. Probleme in der Datenerfassung sowie die Installierung und Koordinierung von mehreren Datenbänken, auch noch aufgeteilt zwischen verschiedenen Standorten, gehen zulasten der Auskunftsschuldnerin als Verantwortliche für ihre interne Organisation. Hierbei begründen im Zuge der Covid19-Pandemie verhängte Lockdowns ebenso wenig eine nur schleppende Informationsübermittlung. Selbst wenn die physische Einsichtnahme in Unterlagen nicht möglich gewesen sein sollte, überzeugt es nicht, wenn nicht zumindest über eine entsprechende Digitalisierung der erforderlichen Unterlagen deren Durchsicht hätte umgesetzt werden können; immerhin war die Beklagte gehalten, einen gerichtlich tenorierten Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch zu befolgen.
  54. Es kommt schließlich nicht darauf an, ob die zuletzt erteilten Auskünfte der Beklagten endlich richtig sind. Einem Auskunftsschuldner ist nämlich zuzugestehen, wiederholt Auskünfte zu machen und dadurch mehr oder weniger bestehende Unrichtigkeiten, Unvollständigkeiten oder Ungenauigkeiten zu beheben. Dies steht der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung aber nicht entgegen, weil die vorangegangenen Korrekturen bereits den Verdacht begründen, dass die zunächst erteilten Informationen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt unterbreitet worden sind (vgl. LG Düsseldorf, GRUR-RR 2009, 195; Harmsen, GRUR 1960, 249).
  55. B.
    Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

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