4a O 73/20 – Stereoskopische Projektionsvorrichtung II

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3229

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 12. Juli  2022, Az. 4a O 73/20

  1. I. Die Beklagten werden verurteilt,
  2. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an einem ihrer gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  3. Vorrichtungen zum Projizieren stereoskopischer Bilder, umfassend:
  4. ein polarisierendes Teiler-Element, das dafür konfiguriert ist, Bildinformationen enthaltendes Bildlicht zu empfangen und das empfangene Bildlicht aufzuspalten in entlang eines primären Weges gelenktes Primärweg-Bildlicht und entlang eines sekundären Weges gelenktes Sekundärweg-Bildlicht, wobei das Primärweg-Bildlicht eine erste Polarisation aufweist, das Sekundärweg-Bildlicht eine zweite Polarisation aufweist, und die erste Polarisation orthogonal zu der zweiten Polarisation ist;
  5. ein reflektierendes Element, das dafür konfiguriert ist, entweder das Primärweg-Bildlicht oder das Sekundärweg-Bildlicht zu reflektieren und das reflektierte Bildlicht auf eine Oberfläche zu zu lenken, wobei das reflektierende Element operabel ist, um die Strahlwinkel des reflektierten Bildlichts so anzupassen, dass das Primärweg-Bildlicht und das Sekundärweg-Bildlicht auf der Oberfläche ausgerichtet sind;
  6. einen ersten Polarisationsmodulator, der in dem primären Weg angeordnet ist und dafür konfiguriert ist, das Primärweg-Bildlicht zu empfangen, das Primärweg-Bildlicht in zirkular polarisiertes Primärweg-Bildlicht umzuformen und das zirkular polarisierte Primärweg-Bildlicht auf die Oberfläche zu zu senden, und
    einen zweiten Polarisationsmodulator, der in dem sekundären Weg angeordnet und dafür konfiguriert ist, das Sekundärweg-Bildlicht zu
    empfangen, das Sekundärweg-Bildlicht in zirkular polarisiertes Sekundärweg-Bildlicht umzuformen und das zirkular polarisierte Sekundärweg-Bildlicht auf die Oberfläche zu zu senden,
  7. wobei das zirkular polarisierte Primärweg-Bildlicht und das zirkular polarisierte Sekundärweg-Bildlicht im Wesentlichen den gleichen Polarisationszustand aufweisen,
    (Anspruch 1 der EP 2 469 XXX B1)
  8. in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
  9. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 13. September 2017 begangen haben, und zwar unter Angabe
  10. a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
  11. b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
  12. c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
  13. wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  14. 3. der Klägerin gegliedert nach Kalendervierteljahren schriftlich in geordneter Form darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 13. Oktober 2017 begangen haben, und zwar unter Angabe:
  15. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
  16. b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
  17. c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
  18. d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  19. wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  20. 4. nur die Beklagte zu 1): die unter I.1. bezeichneten, seit dem 13. Oktober 2017 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 12.07.2022) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
  21. II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1 bezeichneten, seit dem 13. Oktober 2017 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  22. III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
  23. IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 200.000,00. Daneben sind die Ansprüche auf Unterlassung und Rückruf (Ziffern I.1. und I.4. des Tenors) gemeinsam gegen alle Beklagten gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 150.000,00. Die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung (Ziffern I.2 und I.3. des Tenors) sind gemeinsam gegen alle Beklagten gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 20.000,00. Die Entscheidung ist im Kostenpunkt gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
  24. Tatbestand
  25. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen behaupteter unmittelbarer wortsinngemäßer Verletzung des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 2 469 XXX B1 (im Folgenden: Klagepatent, vorgelegt mit Übersetzung als Anlagen BM-K 14 und BM-K 15) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf (nur die Beklagten zu 1)) und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung in Anspruch.
  26. Die Klägerin ist die im Register des deutschen Patent- und Markenamts eingetragene Inhaberin des Klagepatents mit dem deutschen Titel „Kombinieren von senkrecht und parallel polarisierten Lichtstrahlen für eine helle, stereoskopische Projektion“. Das in englischer Verfahrensprache erteilte Klagepatent wurde am 11.10.2007 unter Inanspruchnahme des Prioritätsdatums 18.10.2006 einer US-Schrift angemeldet. Das Europäische Patentamt veröffentlichte am 13.09.2017 den Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents.
  27. Die Kammer hat wegen der Verletzung des Klagepatents bereits eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagte zu 1) erlassen (Beschluss vom 14.11.2019 – 4a O 106/19). Auf Antrag der Beklagten zu 1) hat die Kammer der Klägerin eine Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage gesetzt. Das Klagepatent war zudem Gegenstand eines früheren Hauptsacheverfahrens vor der Kammer (4a O 138/17) gegen eine nicht am hiesigen Rechtsstreit beteiligten Partei.
  28. Das Klagepatent steht in Kraft. Auf einem Einspruch einer nicht am hiesigen Rechtstreit beteiligten Partei wurde das Klagepatent von der Einspruchsabteilung im vollen Umfang aufrechterhalten. Eine Nichtigkeitsklage ist nicht anhängig.
  29. Der geltend gemachte Anspruch 1 des Klagepatents lautet in der englischen Verfahrenssprache wie folgt:
  30. „An apparatus for projecting stereoscopic images, comprising:
    a polarizing splitting element (303, 620) configured to receive image light that includes image information and split the image light received into primary path image light directed along a primary path and secondary path image light directed along a secondary path, wherein the primary path image light has a first polarization, the secondary path image light has a second polarization, and the first polarization is orthogonal to the second polarization;
    a reflective element (308, 603) configured to reflect one of the primary path image light and the secondary path image light and direct the reflected image light toward a surface (309, 608), the reflective element being operable to adjust the beam angles of the reflected image light so that the primary path image light and the secondary path image light are aligned at the surface;
    a first polarization modulator positioned in the primary path and configured to receive the primary path image light, modulate the primary path image light into primary path circularly-polarized image light, and transmit the primary path
    circularly-polarized image light toward the surface; and
    a second polarization modulator positioned in the secondary path and configured to receive the secondary path image light, modulate the secondary path image light into secondary path circularly-polarized image light, and transmit the secondary path circularly-polarized image light toward the surface, wherein the primary path circularly-polarized image light and the secondary path circularly-polarized image light have substantially the same polarization state.“
  31. In der im Klagepatent eingetragenen deutschen Übersetzung lautet dieser Anspruch wie folgt:
  32. „Vorrichtung zum Projizieren von stereoskopischen Bildern, umfassend:
    ein polarisierendes Splitterelement (303, 620), das dafür konfiguriert ist, Bildlicht zu empfangen, das Bildinformationen enthält, und das empfangene Bildlicht aufzuspalten in Primärweg-Bildlicht, das entlang eines Primärweges gelenkt wird, und Sekundärweg-Bildlicht, das entlang eines Sekundärweges gelenkt wird, wobei das Primärweg-Bildlicht eine erste Polarisation aufweist, das Sekundärweg-Bildlicht eine zweite Polarisation aufweist, und die erste Polarisation orthogonal zu der zweiten Polarisation ist,
    ein reflektierendes Element (308, 603), das dafür konfiguriert ist, entweder das Primärweg-Bildlicht oder das Sekundärweg-Bildlicht zu reflektieren und das reflektierte Bildlicht auf eine Oberfläche (309, 608) zu lenken, wobei das reflektierende Element dazu dient, die Strahlwinkel des reflektierten Bildlichts so anzupassen, dass das Primärweg-Bildlicht und das Sekundärweg-Bildlicht an der Oberfläche ausgerichtet sind,
    einen ersten Polarisationsmodulator, der in dem Primärweg angeordnet ist und dafür konfiguriert ist, das Primärweg-Bildlicht zu empfangen, das Primärweg-Bildlicht in zirkular polarisiertes Primärweg-Bildlicht umzuformen und das zirkular polarisierte Primärweg-Bildlicht auf die Oberfläche zu senden, und
    einen zweiten Polarisationsmodulator, der in dem Sekundärweg angeordnet ist und dafür konfiguriert ist, das Sekundärweg-Bildlicht zu empfangen, das Sekundärweg-Bildlicht in zirkular polarisiertes Sekundärweg-Bildlicht umzuformen und das zirkular polarisierte Sekundärweg-Bildlicht auf die Oberfläche zu senden,
    wobei das zirkular polarisierte Primärweg-Bildlicht und das zirkular polarisierte Sekundärweg-Bildlicht im Wesentlichen den gleichen Polarisationszustand aufweisen.“
  33. Wegen der nur in Form von Insbesondere-Anträgen geltend gemachten Unteransprüche 3, 4, 5 und 8 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
  34. Nachfolgend wird Figur 3 des Klagepatents eingeblendet, die nach Abs. [0010] der Patentbeschreibung ein Beispiel eines zwei-Wege-Projektionssystems nach der Lehre des Klagepatents zeigt, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob diese Ausgestaltung vom Schutzbereich des Klagepatentanspruchs 1 erfasst wird:
  35. Die Klägerin ist eine weltweite Anbieterin von 3D-Kino-Ausrüstung.
  36. Die Beklagte zu 1) ist ein Unternehmen mit Sitz im US-Staat Washington (vgl. Anlagen BM-K 1 – BM-K 4) und stellt her und vertreibt Geräte mit der Bezeichnung „A“, die zur Vorführung von 3D-Filmen in Kinos vorgesehen sind und 2D-Kinoprojektoren um eine 3D-Funktionalität ergänzt (angegriffene Ausführungsform). Die Beklagten zu 2) bis 4) sind die Direktoren (Governors) der Beklagten zu 1).
  37. Die Beklagte zu 1) betreibt die Internetseiten unter www.XXX und www.XXX. Auf der Internetseite unter www.XXX stellte die Beklagte zu 1) zumindest am 03.11.2019 eine deutschsprachige Broschüre „B“, vorgelegt als Anlage BM-K 7, ein deutschsprachiges Produktdatenblatt „X“, vorgelegt als Anlage BM-K 8, und deutschsprachige Fragen & Antworten (FAQ), vorgelegt als Anlage BM-K 9, zum Abruf bereit.
  38. Auf der Internethandelsplattform Amazon.com befand sich zumindest am 03.11.2019 ein Angebot der Beklagten zu 1) unter der Bezeichnung C“ mit Liefermöglichkeit nach Deutschland. Wegen der Einzelheiten des Angebotes wird auf die Internetauszüge auf den Seiten 14 bis 19 der Anlage BM-K 6 Bezug genommen.
  39. Zudem war auf der von der Beklagten zu 1) betriebenen Internetseite unter XXX eine Verlinkung (vgl. S. 12 und 13 der Anlage BM-K 6) zu der F-Seite des Nutzers „D“ abrufbar, auf der ein F-Video mit der Bezeichnung „XXX“ „(nachfolgend kurz: das Video) abgerufen werden konnte. In dem Video wird von Minute X bis Minute X die angegriffene Ausführungsform beschrieben. Ein Ausschnitt des Videos wird nachfolgend eingeblendet (von der Klägerin etwa auf S. 43 der Klageschrift (Bl. 43 GA) gezeigt):
  40. Wegen der von der Klägerin angefertigten Transkription des englischsprachigen Ansagetextes nebst deutscher Übersetzung wird auf Anlage BM-K 11 Bezug genommen.
  41. Zur Veranschaulichung der angegriffenen Ausführungsform wird nachfolgend eine Abbildung aus der von den Beklagten eingereichten Anlage SSM 7 (dort S. 1) eingeblendet:
  42. Wie sich aus der vorstehenden Abbildung ergibt, umfasst die angegriffene Ausführungsform ein (Strahl-) Teiler-Element (BS = Beam Splitter), welches das eingehende Licht auf zwei Lichtwege aufteilt. Nach dem Strahlteiler ist die Polarisation auf den beiden Lichtwegen orthogonal zueinander. „P“ bezeichnet Primärweg-Bildlicht, das entlang des primären Weges in Richtung auf den ersten Polarisationsmodulator (PM, unten) gelenkt wird, der dieses P-Bildlicht in zirkular polarisiertes Bildlicht (C = circular) umwandelt und in Richtung der Oberfläche („Surface“) sendet. SPS bedeutet „same polarization status“.
  43. Mit „S“ ist Sekundärweg-Bildlicht bezeichnet, das entlang eines sekundären Weges in Richtung der PSO („Phase Shifting Optic“) gelenkt wird. Die PSO erzeugt Bildlicht mit einer veränderten Polarisation, das vom zweiten Polarisationsmodulator empfangen (PM, oben) wird, der dieses Bildlicht in zirkular polarisiertes Bildlicht umwandelt und in Richtung auf die Oberfläche sendet. Dort weist dieses Licht denselben Polarisationszustand wie das vom anderen PM gesendete Licht auf (SPS).
  44. Die PSO enthält eine Licht reflektierende Oberfläche, auf die eine Schicht („Wellenplattenfolie“) aufgebracht ist, welche die Polarisation des diese Schicht durchlaufenden Lichts verändert. Weiterhin ist die PSO mittels Einstellschrauben verkippbar (vgl. S. 58 der Bedienungsanleitung der Anlage BM-K 12). Zur weiteren Veranschaulichung des Aufbaus der PSO wird nachfolgend eine Abbildung von S. 28 der Klageerwiderung (Bl. 86 GA) eingeblendet:
  45. Der in der Abbildung oben dargestellte Polarisationsmodulator besteht tatsächlich aus drei optischen Elementen. Das aus der PSO (Phase Shifting Optic) austretende Licht trifft zuerst auf einen Reinigungspolarisator, der als Unreinheit im Bildweglicht verbleibendes nicht parallel zur P-Komponente polarisiertes Licht aus dem Bildweglicht herausfiltert. Das so bereinigte P-polarisierte Licht fällt auf einen zwischen zwei Modulationsschaltzuständen schaltbaren, elektro-optischen Linearpolarisations-modulator, der das Bildweglicht je nach seinem Modulationsschaltzustand in P- oder S-polarisiertes Licht umwandelt. Das so erzeugte linear polarisierte Licht wird dann zu einer Wellenplatte geleitet, die zirkular polarisiertes Licht erzeugt, das anschließend auf den Projektionsschirm fällt. Zur weiteren Veranschaulichung wird ein Ausschnitt aus der oben eingeblendeten Abbildung des Aufbaus der angegriffenen Ausführungsform eingeblendet, wobei die Beschriftungen von der Klägerin übersetzt wurden:
  46. Ferner lieferte die Beklagte zu 1) die angegriffene Ausführungsform auch ins Inland, etwa an die Abnehmerin E GmbH.
  47. Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagten verletzten durch Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform sowie durch das Video das Klagepatent unmittelbar wortsinngemäß. Die angegriffene Ausführungsform mache von sämtlichen Merkmalen des Klagepatentanspruchs Gebrauch, was auch in dem Video richtig dargestellt sei.
  48. Das Klagepatent verlange nicht, dass die vom Teiler-Element erzeugte, orthogonale Polarisation des Lichts auf den beiden Lichtwegen jeweils über den gesamten Lichtweg hinweg beibehalten werden müsse. Dies stelle das Klagepatent in Abs. [0022] seiner Beschreibung auch klar. So werde etwa in dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 3 bei dem Licht auf dem sekundären Lichtweg die S-Polarisation mittels eines Halbwellen-Verzögerers um 90° gedreht und so zu P-Polarisation umgeformt (vgl. [0021]). Entsprechendes werde durch den Halbwellen-Verzögerer XXX in Figur 6a (Abs. [0040]) und die Halbwellen-Verzögerer XXX/XXX in Figur 6b (Abs. [0042]) erreicht. Da die Auslegung der Beklagten nicht mit den Ausführungsbeispielen des Klagepatents zu vereinbaren sei, versuchten sie, diese durch eine geänderte Übersetzung des Wortlauts von Anspruch 1 ins Deutsche aus dessen Schutzbereich auszuschließen. Die klägerische Übersetzung der Ansprüche der Klagepatentschrift (Anlage BM-K 15) und die darauf basierende Merkmalsanalyse von Anspruch 1 (Anlage BM-K 16) seien aber zutreffend. Soweit die Beklagten „toward the surface“ als „in Richtung der Oberfläche“ übersetzen wollten, meinten sie damit „direkt und ohne Umweg zur Oberfläche“, was unzutreffend sei. Die Unrichtigkeit dieser Auslegung der Beklagten zeige sich schon darin, dass ein Großteil der in der Patentbeschreibung erörterten Ausführungsbeispiele nicht mehr erfindungsgemäß wäre.
  49. Die Klagepatentschrift verwende häufig „P“ als Abkürzung für „primärer Weg“ und „S“ für „sekundärer Weg“. Die dort jeweils herrschenden Polarisationen entsprächen aber nicht notwendigerweise der im Bereich der Physik / Optik üblichen Definition von „P-Polarisation“ und „S-Polarisation“.
  50. Entgegen der Ansicht der Beklagten müsse nicht entweder S- oder P-polarisiertes Licht auf das reflektierende Element fallen. Das Klagepatent mache keine Vorgaben zur Polarisation des auf das reflektierende Element ein- oder ausfallenden Lichtes.
  51. Zur Polarisation des Primärweg-Bildlichts beim Eintritt in den ersten Polarisationsmodulator mache Anspruch 1 ebenfalls keine Vorgaben.
  52. Auf Grundlage dieser Auslegung ergebe sich, dass der Aufbau der angegriffenen Ausführungsform von der Lehre des Klagepatents Gebrauch mache. Der (in der Abbildung) obere Polarisationsmodulator der angegriffenen Ausführungsform sei auch dazu konfiguriert, das Sekundärweg-Bildlicht zu empfangen. Der hierin angeordnete Polarisationsfilter lasse nur die P-Polarisations-Komponente des einfallenden Lichts durch und filtere den S-Anteil aus. Auf den nachgelagerten elektro-optischen Polarisationsmodulator falle also P-polarisiertes Licht mit hoher Reinheit ein.
  53. Das Video der Beklagten (Anlage BM-K10 / BM-K11) sei zwar bereits für sich genommen eine Patentverletzung durch Anbieten, stelle aber auch die physische angegriffene Ausführungsform in den relevanten Punkten zutreffend dar.
  54. Die Klägerin ist weiter der Auffassung, die Beklagten zu 2) bis 4) unterlägen als Direktoren („Governors“) der Beklagten zu 1) und damit als deren gesetzliche Vertreter der Haftung für gesetzliche Vertreter als Störer. Insoweit sei auch deutsches materielles Patentrecht anwendbar.
  55. Die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung seien nicht bereits erfüllt. Die Beklagten zu 2) bis 4) hätten – insoweit unstreitig – bis dato überhaupt keine Auskünfte erteilt oder Rechnung gelegt. Die Beklagte zu 1) habe ihre Auskünfte indes nur im Rahmen der Zwangsvollstreckung aus der (nicht rechtskräftigen) einstweiligen Verfügung der Kammer vom 14.11.2019 (Az. 4a O 106/19) „höchst vorsorglich und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ abgegeben, was für eine Erfüllung nicht ausreiche.
  56. Der Rückrufanspruch sei verhältnismäßig.
  57. Die Klägerin beantragt,
  58. – wie erkannt –
  59. Wegen der Insbesondere-Anträge zu den abhängigen Unteransprüchen 3, 4, 5 und 8 wird auf die Klageschrift verwiesen.
  60. Die Beklagten beantragen,
  61. die Klage abzuweisen.
  62. hilfsweise,
    ihnen zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung, die auch in Form einer Bankbürgschaft erbracht werden kann, ohne Rücksicht auf die Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.
  63. Die Beklagten meinen, sie verletzten das Klagepatent in Deutschland nicht.
  64. Das Primärweg-Bildlicht und das Sekundärweg-Bildlicht seien klagepatentgemäß durch ihre jeweilige Polarisation definiert, d.h. Licht, das nicht die erste Polarisation aufweise, könne kein Primärweg-Bildlicht sein, und Licht, das nicht die zweite Polarisation aufweist, könne kein Sekundärweg-Bildlicht sein. Die vom Anspruch vorgesehene Orthogonalität zwischen den Bildlichtern der verschiedenen Wege müsse über die gesamten Lichtwege hinweg bestehen. Dies zeige schon der Anspruchswortlaut „entlang eines primären/sekundären Weges“, was für den Fachmann zum Ausdruck bringe, dass im Verlauf des Lichtweges zueinander orthogonale Polarisationszustände vorliegen müssten. Eine elliptische Polarisation sei keine Art linearer Polarisation. Auf das reflektierende Element müsse entweder das Primärweg-Bildlicht oder das Sekundärweg-Bildlicht einfallen, also Licht entweder mit der ersten oder der zweiten Polarisation. Das auf das reflektierende Element und das auf die Polarisationsmodulatoren fallende Bildlicht müsse also damit diejenige Polarisation aufweisen, die anspruchsgemäß mit diesem Weg verknüpft sei und damit orthogonal zu dem Licht des anderen Lichtweges sein müsse.
  65. Dem stehe das Ausführungsbeispiel nach Figur 3 des Klagepatents nicht entgegen, da dieses keine anspruchsgemäße Gestaltung zeige. Die im Anspruchswortlaut verwendete Präposition „toward“ (etwa in Bezug auf die Polarisationsmodulatoren) sei als Richtungsangabe und nicht als die Abfolge optischer Elemente im Strahlengang zu verstehen. Der zweite Polarisationsmodulator müsse relativ zur Oberfläche, d.h. zum Projektionsschirm, so angeordnet sein, dass sich das aus dem zweiten Polarisationsmodulator austretende Licht in Richtung der Oberfläche ausbreite. Dafür müsse klagepatentgemäß die Austrittsoberfläche des zweiten Polarisationsmodulators auf die Oberfläche weisen. Damit falle die Gestaltung nach Figur 3 nicht in den Schutzbereich des Klagepatents, da der zweite Polarisationsmodulator hierin nicht Licht in Richtung des Projektionsschirms sende.
  66. Die angegriffene Ausführungsform verletzte das Klagepatent nicht, da kein reflektierendes Element vorhanden sei, das Primär- oder Sekundärweg-Bildlicht reflektiere. Sowohl das auf die reflektierende Oberfläche der Phase Shifting Optic (PSO) einfallende Licht als auch das aus der PSO austretende Licht sei kein solches Sekundärweg-Bildlicht, sondern elliptisch polarisiert. So belege eine Messreihe bei der Hinds Instruments, Inc. (USA), dass das aus der PSO austretende Licht einen anderen Polarisationszustand aufweise als das vom polarisierenden Strahlteiler transmittierte und reflektierte Licht. Aufgrund seiner ausgeprägten Elliptizität besitze das von der PSO empfangene und ausgesendete Licht nicht die beanspruchte Orthogonalität zur ersten Polarisation des Primärweg-Bildlichts.
  67. Weiterhin sei die PSO auch deshalb kein klagepatentgemäßes reflektierendes Element, weil sie die Polarisation des Lichts verändere.

    Die angegriffene Ausführungsform weise darüber hinaus keinen zweiten Polarisationsmodulator auf, der Sekundärwegbildlicht empfängt. Die angegriffene Ausführungsform verfüge zwar über einen zweiten Polarisationsmodulator, der auf dem sekundären Weg angeordnet sei. Jedoch empfange dieser kein Sekundärweg-Bildlicht mit der beanspruchten Polarisation, nämlich Licht mit einer zur Polarisation des Primärweg-Bildlichts orthogonalen Polarisation.

  68. Selbst wenn man unzutreffend davon ausgehe, dass das streitgegenständliche Video alle Merkmale des Patentanspruchs zeige, bestehe bei der angegriffenen physischen Ausführungsform im vorliegenden Fall keine Begehungsgefahr für patentverletzende Vertriebshandlungen. Das Video liefere keinen Beweis für eine Patentverletzung.
  69. Die Beklagten sind weiter der Ansicht, es fehle an einer Passivlegitimation der Beklagten zu 2) bis 4). Das im vorliegenden Fall anwendbare US-Recht kenne eine Haftung bzw. Einstandspflicht von Organvertretern einer Incorporation für deren angebliche Schutzrechtsverletzungen nur bei betrügerischen Handlungen der Organvertreter unter Missbrauch der Gesellschaftsform, nicht aber eine Verschuldensvermutung betreffend im Fall eines Organisationsverschuldens.
  70. Der Auskunftsanspruch sei bereits mit den Schreiben vom 27.08.2020 sowie 12.10.2020 (Anlagen SSM 13 und SSM 14) im Zwangsmittelverfahren vor der Kammer unter dem Az. 4a O 106/19 erfüllt worden. Gleiches gelte für den Rechnungslegungsanspruch in Bezug auf die Buchstaben lit. a) und lit. b). Dementsprechend fehle dem Schadensersatzfeststellungsantrag auch das Feststellungsinteresse, weil die Klägerin ihren konkreten Schaden berechnen könne.
  71. Schließlich sei der Rückrufanspruch unverhältnismäßig, zum einen weil allenfalls zwei nach Deutschland gelieferte Vorrichtungen betroffen seien, zum anderen weil ein Rückruf die durch die Corona-Krise stark betroffenen Kinobetreiber weiter beeinträchtigen würde.
  72. Auf die Einrede der Beklagten hin hat die Klägerin den Beklagten aufgrund des Beschlusses der Kammer vom 09.02.2021 Sicherheit wegen der Prozesskosten in Höhe von EUR 52.000,00 geleistet (Anlage BM-K 21-EP‘336).
  73. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2022 Bezug genommen.
  74. Entscheidungsgründe
  75. Die zulässige Klage ist begründet. Die angegriffene Ausführungsform sowie das Video der Beklagten zu 1) verwirklichen die Lehre von Anspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß (dazu unter I.). Durch Angebot und Lieferung der angegriffenen Ausführungsform im Inland verletzen die Beklagten das Klagepatent damit unmittelbar (dazu unter II). Die Klägerin hat aufgrund der klagepatentverletzenden Handlungen der Beklagten die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf sowie Schadensersatz dem Grunde nach aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1, 139 Abs. 2, Abs. 1, 140a Abs. 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB (dazu unter III.).
  76. I.
    Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäß Gebrauch.
  77. 1.
    Das Klagepatent (nachfolgend entstammen Abs. ohne Quellenangabe dem Klagepatent) betrifft die Anzeige stereoskopischer Filme und insbesondere die Erhöhung der Bildhelligkeit bei der Projektion stereoskopischer Bilder.
  78. In seiner einleitenden Beschreibung schildert das Klagepatent, dass stereographische Filme häufig unter Verwendung von Projektionssystemen übertragen werden. Ein großes Problem im Zusammenhang der stereoskopischen Bildprojektion ist die geringe Helligkeit des Bildes auf der Projektionsfläche. Bei im Stand der Technik bekannten Vorrichtungen ist das stereoskopische Bild weniger als halb so hell wie ein projiziertes planares Bild. Da Analysator-Polarisatoren zur Bildauswahl verwendet werden, resultiert die finale Helligkeit aus den Verlusten zweier Polarisatoren mit parallelen Achsen (Abs. [0002]).
  79. Zum Verringern des Verlusts an Helligkeit durch die Projektion unter Verwendung der Bildauswahl mittels Polarisatoren werden hocheffiziente Projektionsflächen verwendet. Dieses Verfahren kann den Helligkeitsverlust teilweise mildern, aber das mit den Absorptionspolarisatoren verbundene, grundsätzliche Problem des Verlustes an Licht bleibt dabei bestehen (Abs. [0003]).
  80. Der Stand der Technik WO 2006/XXX offenbart ein digitales Bildprojektionssystem zur Anzeige zeitsequentieller, stereographischer Bilder auf einem Schirm. Das offenbarte System teilt Licht in einen primären und einen sekundären Weg mit entgegengesetzter Polarisation auf und leitet diese auf entsprechende Shutter. Um nacheinander Bilder mit entgegengesetzter Polarisation anzuzeigen, werden die Shutter abwechselnd geöffnet und geschlossen (Abs. [0004]).
  81. Nach den Ausführungen des Klagepatents sei es von Vorteil, die in den vorbekannten Techniken zur stereoskopischen Bildauswahl vorhandene Helligkeits-Problematik anzugehen und zu überwinden und eine stereoskopische Projektionsvorrichtung oder eine Gestaltung bereitzustellen, die eine gegenüber Geräten, die den beschriebenen Verlust an Licht zeigen, verbesserte Helligkeit aufweist (Abs. [0004]). Anschließend nennt das Klagepatent zwei weitere Schriften aus dem Stand der Technik, ohne diese näher zu diskutieren (Abs. [0005] f.).
  82. Das Klagepatent nennt keine Aufgabe (technisches Problem). Dieses kann aber vor dem Hintergrund des vom Klagepatent diskutierten Stands der Technik darin gesehen werden, eine Vorrichtung zum Projizieren stereoskopischer Bilder bereitzustellen, bei der die Bilder eine bessere Helligkeit aufweisen.
  83. 2.
    Zur Lösung schlägt das Klagepatent eine Vorrichtung nach Maßgabe von Anspruch 1 vor, der sich in Form einer Merkmalsgliederung wie folgt darstellen lässt, wobei die Gliederung der im Klagepatent eingetragenen deutschen Fassung des Anspruchs folgt, wobei der maßgebliche englische Anspruchswortlaut in eckigen Klammern hinzugefügt ist, sofern die Richtigkeit der Übersetzung zwischen den Parteien streitig ist:
  84. 1 Vorrichtung zum Projizieren stereoskopischer Bilder, umfassend:
    1.1 ein polarisierendes Splitterelement (303, 620)
    1.2 ein reflektierendes Element (308, 603),
    1.3 einen ersten Polarisationsmodulator,
    1.4 einen zweiten Polarisationsmodulator.
  85. 2 Das polarisierendes Splitterelement (303, 620) ist dafür konfiguriert, Bildinformationen enthaltendes Bildlicht zu empfangen und das empfangene Bildlicht aufzuspalten in Primärweg-Bildlicht, das entlang eines Primärweges gelenkt wird, und Sekundärweg-Bildlicht, das entlang eines Sekundärweges gelenkt wird, wobei
    2.1 das Primärweg-Bildlicht eine erste Polarisation aufweist,
    2.2 das Sekundärweg-Bildlicht eine zweite Polarisation aufweist, und
    2.3 die erste Polarisation orthogonal zu der zweiten Polarisation ist.
  86. 3 Das reflektierende Element (308, 603)
    3.1 ist dafür konfiguriert, entweder das Primärweg-Bildlicht oder das Sekundärweg-Bildlicht zu reflektieren und das reflektierte Bildlicht auf eine Oberfläche (309, 608) zu lenken [direct the reflected image light toward a surface];
    3.2 dient dazu, die Strahlwinkel des reflektierten Bildlichts so anzupassen, dass das Primärweg-Bildlicht und das Sekundärweg-Bildlicht an der Oberfläche ausgerichtet sind.
  87. 4 Der erste Polarisationsmodulator
    4.1 ist in dem Primärweg angeordnet und
    4.2 ist dafür konfiguriert, das Primärweg-Bildlicht zu empfangen, das Primärweg-Bildlicht in zirkular polarisiertes Primärweg-Bildlicht umzuformen und das zirkular polarisierte Primärweg-Bildlicht auf die Oberfläche [toward the surface] zu senden.
  88. 5 Der zweite Polarisationsmodulator
    5.1 ist in dem sekundären Weg angeordnet und
    5.2 ist dafür konfiguriert, das Sekundärweg-Bildlicht zu empfangen, das Sekundärweg-Bildlicht in zirkular polarisiertes Sekundärweg-Bildlicht umzuformen und das zirkular polarisierte Sekundärweg-Bildlicht auf die Oberfläche [toward the surface] zu senden.
  89. 6 Das zirkular polarisierte Primärweg-Bildlicht und das zirkular polarisierte Sekundärweg-Bildlicht weisen im Wesentlichen den gleichen Polarisationszustand auf.
  90. Soweit die Wiedergabe des Anspruchs in Ziffer I.1. des Tenors hierzu abweichende Begriffe (etwa „zu zu senden“ in den Merkmalen 4.2 und 5.2) verwendet, sind diese synonym mit den vorstehenden aufgeführten Ausdrücken.
  91. 3.
    Das Klagepatent schlägt eine Vorrichtung zum Projizieren stereoskopischer Bilder, also insbesondere zur Vorführung von 3D-Filmen vor. Bei der beanspruchten Projektionsvorrichtung teilt ein polarisierendes Teiler-Element (Merkmal 1.1 und Merkmalsgruppe 2) das Licht in Primärweg-Licht und Sekundärweg-Licht auf, wobei die beiden Bildlichter eine zueinander orthogonale Polarisation aufweisen (Merkmale 2.1 – 2.3). Diese beiden Bildlichter bleiben erhalten und werden auf die Oberfläche – also auf den Bildschirm oder die Kinoleinwand – projiziert, so dass kein Lichtanteil verloren geht. Hierdurch erreicht das Klagepatent die beabsichtigte verbesserte Helligkeit der projizierten Bilder.
  92. Damit das vom polarisierenden Teiler-Element aufgespaltene Licht auf der Oberfläche trotz der beiden Lichtwege zueinander ausgerichtet ankommt, ist ein von Merkmalsgruppe 3 näher beschriebenes reflektierendes Element vorgesehen. Dieses sorgt dafür, dass das Licht der beiden Lichtwege sich überlagern und damit – etwa auf einer Leinwand (Bezugsziffer 309 in Figur 3; Abs. [0020]) – ein helleres Gesamtbild ergeben. Das reflektierende Element kann etwa ein verkippbarer Spiegel sein, wie ihn Unteranspruch 4 lehrt.
  93. Im primären und im sekundären (Bildlicht-) Weg ist jeweils ein Polarisationsmodulator vorgesehen (vgl. Merkmale 1.3, 1.4 und 4 – 5.2). Die Polarisationsmodulatoren sollen das primäre bzw. sekundäre Bildlicht jeweils in zirkular polarisiertes Licht umformen und dieses auf die Oberfläche senden. Schließlich sollen beide Bildlichter nach Merkmal 6 den im Wesentlichen gleichen Polarisationszustand aufweisen. Dies setzt voraus, dass die Polarisation eines der nach dem polarisierenden Teiler-Element orthogonalen Bildlichter an den Polarisationszustand des Bildlichts angeglichen wird.
  94. 4.
    Vor dem Hintergrund des Streits der Parteien bedürfen die Merkmale 3.1 und 5.2 der näheren Auslegung.
  95. a)
    Soweit diese Merkmale die Reflektion (Merkmal 3.1) bzw. den Empfang (Merkmal 5.2) von Sekundärweg-Bildlicht vorsehen, ist es nach dem Klagepatent jeweils nicht erforderlich, dass dieses Licht hierbei eine Polarisation aufweist, die orthogonal zur Polarisation des Primärweg-Bildlicht ist.
  96. aa)
    Nach Merkmalsgruppe 2 empfängt das polarisierende Splitterelement Bildlicht und spaltet dieses in entlang eines primären Weges gelenktes Primärweg-Bildlicht und entlang eines sekundären Weges gelenktes Sekundärweg-Bildlicht auf, wobei das Primärweg-Bildlicht gemäß Merkmal 2.1 eine erste Polarisation aufweist, das Sekundärweg-Bildlicht gemäß Merkmal 2.2 eine zweite Polarisation aufweist und die erste Polarisation gemäß Merkmal 2.3 orthogonal zu der zweiten Polarisation ist. Es sollen nach dem Durchlaufen des polarisierenden Teiler-Elements also zwei Lichtwege (Primärweg-Bildlicht und Sekundärweg-Bildlicht) mit jeweils orthogonal zueinander polarisiertem Licht vorhanden sein.
  97. Allerdings sieht das Klagepatent eine zueinander orthogonale Polarisation der beiden Weg-Bildlichter in Merkmal 2.3 nur als Ergebnis der Verarbeitung durch das polarisierende Splitterelement (Teiler) vor. Dagegen verlangt das Klagepatent nicht, dass die vom Splitterelement erzeugte Polarisationen bzw. ihre Orthogonalität auf dem gesamten Weg erhalten bleibt. Soweit der Klagepatentanspruch in den weiteren Merkmalen Primär- oder Sekundärweg-Bildlicht anspricht, ist damit vielmehr das Licht auf dem entsprechenden Weg gemeint, ohne dass das Klagepatent hieran eine bestimmte Polarisation knüpft.
  98. (1)
    Wie sich das orthogonal zueinander polarisierte Licht auf den zwei Lichtwegen im Folgenden verhält und ob es durchgehend die Polarisation aufweisen muss, die sie jedenfalls unmittelbar nach dem Durchlaufen des polarisierenden Strahlteilers aufgewiesen hat, gibt der Anspruch nicht vor. Die Bezeichnung Primär- oder Sekundärweg-Bildlicht dient nicht der Angabe einer bestimmten Polarisation, sondern der sprachlichen Unterscheidung des Lichts auf dem betreffenden Weg. Maßgeblich für die Unterscheidung in Primärweg- und Sekundärweg-Bildlicht ist, dass es sich – unabhängig von Veränderungen der Polarisation auf dem jeweiligen Weg – auf zwei voneinander unterschiedlichen Lichtpfaden, einem ersten und einen zweiten Lichtpfad, befindet.
  99. (2)
    Entsprechend lässt sich dem Klagepatent kein Anhaltspunkt entnehmen, dass die vom Splitterelement erzeugte Polarisation beibehalten werden muss. Dass das Licht „entlang eines Primärweges (bzw. Sekundärweges) gelenkt“ wird, versteht der Fachmann nur dahingehend, dass es auf einen Weg geleitet wird. Irgendeine Aussage zur Polarisation auf diesen Wegen ist damit nicht verbunden.
  100. (3)
    Funktional gibt es ebenfalls keinen Grund, warum die vom Splitter erzeugte orthogonale Polarisation der Weg-Bildlichter beibehalten werden muss. Die beiden Lichtpfade sollen letztlich mit einer im Wesentlichen gleichen zirkulären Polarisation auf die Oberfläche gelangen (Merkmale 4.2, 5.2 und 6). Um die von Merkmal 6 vorgeschriebene im wesentlichen gleiche Polarisation zu erreichen, muss das Licht an irgendeiner Stelle des Lichtwegs umgewandelt und die Orthogonalität aufgehoben werden. Ohne Angleichung wäre grundsätzlich auch das Licht nach der Umformung in zirkular polarisiertes Bildlicht (Merkmal 4.2 bzw. 5.2) orthogonal zu einander polarisiert, da unmittelbar nach dem polarisierenden Teiler-Element das Licht auf den beiden Lichtwegen orthogonal zueinander polarisiert ist (Merkmal 2.3). Der Fachmann erkennt aber, dass auf der Oberfläche (etwa eine Kinoleinwand) das Licht aus beiden Lichtwegen die gleiche Polarisation aufweisen muss – was auch Merkmal 6 ausdrücklich vorschreibt. Die im Wesentlichen gleiche Polarisation auf der Oberfläche ist funktional erforderlich, damit der Zuschauer ein scharfes und helles Bild auf der Leinwand sehen kann.
  101. Um den von Merkmal 6 vorgegebenen, gleichen Polarisationszustand zu erreichen, muss das Bildlicht also auf dem primären oder sekundären Lichtweg umgewandelt werden. Dagegen ist kein funktionaler Grund ersichtlich, warum das Licht auf den gesamten Lichtwegen bis zur Oberfläche oder auch nur bis zu den Polarisationsmodulatoren (Merkmalsgruppen 4 und 5) orthogonal zueinander polarisiert sein müsste.
  102. Eine Vorgabe zum Ort oder Zeitpunkt der Polarisationsangleichung enthält der Anspruchswortlaut nicht. Funktional kommt es dem Klagepatent insoweit nur darauf an, dass am Ausgang der Projektionsvorrichtung das Licht beider Lichtwege dieselbe zirkulare Polarisation aufweist und entsprechend gleichartig polarisiertes Licht auf die Oberfläche (Leinwand) projiziert wird.
  103. (4)
    Dass das Sekundärweg-Bildlicht nicht auf dem Lichtweg orthogonal polarisiert zu dem Primärweg-Bildlicht bleiben muss, bestätigt das Ausführungsbeispiel gemäß der Figur 3, das in den Abs. [0020] ff. beschrieben ist.
  104. (a)
    In diesem Ausführungsbeispiel reflektiert das reflektierende Element 306 auf dem Sekundärweg Licht, das nicht mehr orthogonal zu dem Licht auf dem primären Lichtweg ist, sondern von einem nach dem Polarisationsteiler (303) angeordneten Halbwellen-Verzögerer (306) um 90 Grad gedreht worden ist (Abs. [0021]).
  105. Zunächst wird der von der Projektionslinse (302) kommende Lichtstrahl unter Verwendung eines polarisierenden Teilers (303) in „einen primären Weg P und einen sekundären Weg S, oder genauer gesagt in orthogonale Polarisationszustände“ aufgeteilt. In dem Ausführungsbeispiel projizieren die P-Strahlen (310) geradeaus durch den Teiler (303) hindurch entlang eines primären Weges und weisen eine Polarisationsrichtung auf, und die S-Strahlen (311) werden mit zu den P-Strahlen orthogonaler Polarisation entlang eines sekundären Wegs reflektiert. Die Bezeichnung eines Strahls als P oder S bedeutet, dass er in dieser Form von einem Teiler kommt und ursprünglich entweder in der bezeichneten Form transmittiert oder reflektiert wurde, obwohl er in seiner Form von Verzögerern oder anderen Komponenten verändert werden kann (Abs. [0022]), wie es in Figur 3 durch Halbwellen-Verzögerer (306) geschieht. Zur Veranschaulichung wird Figur 3 nachfolgend verkleinert eingeblendet:
  106. Damit ist das auf den zweiten Polarisationsmodulator (307) und auf das reflektierende Element (308) einfallende Licht in Figur 3 nicht (mehr) orthogonal zu dem Primärweg-Bildlicht polarisiert. Vielmehr schildert das Klagepatent in Abs. [0022], dass die Drehung der Achsen der polarisierten Strahlen erforderlich ist, um die Achsen „parallel zu machen“, was wiederum der von Merkmal 6 verlangten Angleichung der Polarisationszustände dient und in Figur 3 – wie erwähnt – mittels des Halbwellen-Verzögerers (306) erreicht wird.
  107. (b)
    Dieses Ausführungsbeispiel zeigt eine anspruchsgemäße Ausgestaltung und ermöglicht den Rückschluss, dass es nach der Lehre des Klagepatents allgemein zulässig ist, wenn die orthogonale Polarisation nach dem Splitter nicht beibehalten wird. Im Zweifel ist ein Verständnis der Beschreibung und des Anspruchs geboten, das beide Teile der Patentschrift nicht in Widerspruch zueinander bringt, sondern sie als aufeinander bezogene Teile der dem Fachmann mit dem Patent zur Verfügung gestellten technischen Lehre als eines sinnvollen Ganzen versteht. In der Regel ist daher davon auszugehen, dass Ausführungsbeispiele vom Patentanspruch erfasst werden. Eine Auslegung des Patentanspruchs, die zur Folge hätte, dass in der Patentschrift geschilderte Ausführungsbeispiele vom Gegenstand des Patents nicht erfasst würden, kommt nur dann in Betracht, wenn andere Auslegungsmöglichkeiten, die zumindest zur Einbeziehung eines Teils der Ausführungsbeispiele führen, zwingend ausscheiden oder wenn sich aus dem Patentanspruch hinreichend deutliche Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass tatsächlich etwas beansprucht wird, das so weitgehend von der Beschreibung abweicht (vgl. BGH, GRUR 2015, 972 – Kreuzgestänge; BGH, GRUR 2015, 875, 876 – Rotorelemente; BGH, GRUR 2015, 159 – Zugriffsrechte).
  108. Derartige Anhaltspunkte dafür, dass Figur 3 eine nicht anspruchsgemäße Ausgestaltung wäre, sind hier nicht ersichtlich. Vielmehr wird die Gestaltung in Figur 3 in der Beschreibung des Klagepatents (Abs. [0010], [0020]) als erfindungsgemäß bezeichnet. Soweit die Beklagten meinen, Figur 3 falle gleichwohl nicht in den Schutzbereich des Klagepatents, kann dem nicht gefolgt werden.
  109. (aa)
    Die Beklagten begründen ihre Ansicht damit, dass es in dieser Figur an einem zweiten Polarisationsmodulator gemäß Merkmalsgruppe 5 fehle, da das sich ausbreitende Licht von dem dargestellten Polarisationsmodulator 307 nicht in Richtung auf den Projektionsschirm gesandt werde, sondern in Richtung des Spiegels (308). Dagegen verlange der maßgebliche englische Anspruchswortlaut von Merkmal 5.2 „transmitting the (…) light toward the surface“ ein unmittelbares Lenken des Lichts auf die Oberfläche.
  110. Dem kann nicht gefolgt werden. Das Ausführungsbeispiel nach Figur 3 ist anspruchsgemäß, wobei insbesondere der Polarisationsmodulator 307 in dieser Figur ein zweiter Polarisationsmodulator nach Merkmalsgruppe 5 ist. Die gegenteilige Ansicht der Beklagten beruht auf einer unzutreffenden Auslegung von Merkmal 5.2.
  111. Die eingetragene deutsche Anspruchsfassung „auf die Oberfläche zu senden“ in Merkmal 5.2 ist eine zutreffende Übersetzung des englischen Anspruchswortlauts. Diesem Wortlaut – auf den es alleine bei der Auslegung ankommt, Art. 70 Abs. 1 EPÜ – kann der Fachmann nicht entnehmen, dass der Polarisator das Licht direkt und ohne Zwischenschaltung weiterer Bauteile auf die Oberfläche senden soll. Merkmal 5.2 enthält keine Vorgabe, dass das Licht unmittelbar vom zweiten Polarisationsmodulator auf die Oberfläche gelenkt werden muss. Bei der gebotenen, am Zweck eines Merkmals orientierten Betrachtung (BGH, GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I; GRUR 1999, 909 – Spannschraube) ergibt sich ebenfalls kein Grund für eine solche Vorgabe. Das vom zweiten Polarisationsmodulator umgeformte Licht soll nach Merkmal 5.2 letztlich auf die Oberfläche gelangen, wo es von einem Zuschauer betrachtet werden kann. Dem Klagepatent kommt es insoweit auf die Eigenschaft des Lichts und dessen Endpunkt (die Oberfläche) an. Dagegen findet sich weder im Anspruch noch in der Beschreibung ein Hinweis darauf, dass kein Spiegel oder ein anderes Element zwischen dem zweiten Polarisator und der Oberfläche geschaltet werden darf oder dass das Licht in gerader Linie auf die Oberfläche gesendet werden muss. Dies wird auch von dem Ausführungsbeispiel nach Figur 3 bestätigt, das gerade eine solche Ausgestaltung zeigt. Im Zweifel – die hier nicht mal besteht – ist ein Merkmal so zu verstehen, dass die in der Patentschrift als patentgemäß dargestellten Ausführungsbeispiele in den Schutzbereich fallen (vgl. BGH, GRUR 2015, 972 – Kreuzgestänge; BGH, GRUR 2015, 875, 876 – Rotorelemente; BGH, GRUR 2015, 159 – Zugriffsrechte).
  112. (bb)
    Soweit die Beklagten weiterhin vortragen, das Ausführungsbeispiel nach Figur 3 sei auch deshalb nicht von Klagepatentanspruch 1 erfasst, weil dort P-polarisiertes Licht und S-polarisiertes Licht, mithin linear polarisiertes Bildweglicht, auf den Projektionsschirm (309) treffe, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn zum einen zeigt das Ausführungsbeispiel die Polarisation der Strahlen auf den beiden Lichtwegen nicht, zum anderen erzeugen hierin die Polarisationsmodulatoren zirkular polarisiertes Bildlicht gemäß der Merkmale 4.2 und 5.2. Dies geht aus den Abs. [0022], [0024] i.V.m. [0014] eindeutig hervor.
  113. (5)
    Ein weiteres Indiz dafür, dass die Polarisation des Lichts verändert werden darf, nachdem es den Splitter (303) verlassen hat, ist das Vorsehen eines Reinigungs-Polarisators (305) in Figur 3 (vgl. Abs. [0023]). Aufgrund dieses Polarisators wird das Sekundärweg-Bildlicht modifiziert, bevor es auf das reflektierende Element (308) auftrifft.
  114. b)
    Nach Merkmal 3.1 ist das reflektierende Element dafür konfiguriert, entweder das Primärweg-Bildlicht oder das Sekundärweg-Bildlicht zu reflektieren und das so reflektierte Bildlicht auf eine Oberfläche zu lenken. Das reflektierende Element muss demnach so angeordnet und ausgebildet sein, dass das Licht auf dem jeweiligen Lichtweg am Ende auf die Oberfläche bzw. Projektionsfläche trifft. Wie vorstehend ausgeführt wurde, ist die Polarisation sowohl des empfangenen als auch des reflektierten Lichts für die Lehre des Klagepatents unerheblich.
  115. Zudem ist das reflektierende Element gemäß Merkmal 3.2 so ausgebildet, dass es die Strahlwinkel des reflektierten Bildlichts so anpassen kann, dass das Primärweg-Bildlicht und das Sekundärweg-Bildlicht auf der Oberfläche ausgerichtet sind. Wie dies im konkreten Fall geschieht, ob allein oder im Zusammenwirken mit anderen Elementen, bleibt dem Fachmann überlassen.
  116. aa)
    Das Klagepatent lässt ferner offen, ob das reflektierende Element ein unabhängiges, für sich allein stehendes oder mit anderen Komponenten des Systems einheitlich ausgebildetes Element ist. Möglich ist die Ausbildung des reflektierenden Elements als reflektierende Oberfläche, beispielsweise in Gestalt eines Spiegels (308), wie es in dem Ausführungsbeispiel der Figur 3 der Fall ist, der verwendet wird, um eine Abknickung des S-Strahls in die Richtung der Projektionsfläche (309) durchzuführen (vgl. Abs. [0025]). Dabei kann das reflektierende Element, hier der Spiegel, verformbar sein, um den Vergrößerungs-Unterschied der Strahlen auf den beiden Lichtwegen anzupassen bzw. auszugleichen, um die gleiche Position auf der Projektionsfläche zu treffen (vgl. Abs. [0025]) bzw. um zu bewirken, dass die Bilder im Wesentlichen zusammentreffen (vgl. Abs. [0028]). Maßgeblich ist aber nur, dass beide Lichtbildwege im Wesentlichen am selben Ort auf der Projektionsfläche zusammenfallen, um dort eine erhöhte Helligkeit zu erreichen (vgl. Abs. [0027]).
  117. bb)
    Das Klagepatent schließt ebenfalls nicht aus, dass das reflektieren Element Teil einer anderen Vorrichtung ist, die etwa zugleich die Polarisation ausgleicht. Entgegen den Ausführungen der Beklagten kann den Abs. [0040], [0042] nicht entnommen werden, dass das reflektierende Element nicht zugleich auch eine Änderung der Polarisation bewirken darf. Im Übrigen beschreiben die Abs. [0040], [0042] Ausführungsbeispiele (nach Figur 6A und 6B), so dass diese einen weitergehenden Wortsinn des Anspruchs nicht beschränkten könnten. Der Anspruch gibt jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass das reflektierende Element selbst oder das Bauteil, welches das reflektierende Element umfasst, keine weiteren Funktionen aufweisen darf. Hierfür ist auch kein funktionaler Grund ersichtlich.
  118. cc)
    Da das reflektierende Element nach Merkmal 3.1 entweder das Primärweg-Bildlicht oder das Sekundärweg-Bildlicht reflektiert, muss das reflektierende Element entweder auf dem primären oder dem sekundären Lichtweg angeordnet sein, um das jeweilige Bildlicht – unabhängig von dessen konkreter Polarisation – zu empfangen. Die konkrete Positionierung des reflektierenden Elements auf dem jeweiligen Lichtweg gibt der Anspruchswortlaut nicht vor und auch im Übrigen finden sich hierzu im Klagepatent keine Vorgaben.
  119. c)
    Die Merkmalsgruppen 4 und 5 spezifizieren jeweils einen Polarisationsmodulator der auf dem Primär- bzw. Sekundärweg angeordnet ist (Merkmal 4.1 bzw. 5.1). Diese sollen jeweils das auf dem jeweiligen Weg vorhandene Licht (Primärweg- bzw. Sekundärweg-Bildlicht) empfangen, in zirkular polarisiertes Primärweg- oder Sekundärweg-Bildlicht umformen und dann auf die Oberfläche senden (Merkmal 4.2 oder 5.2). In Abs. [0018] der Beschreibung wird klargestellt, dass der Begriff „zirkular“ oder „zirkulare Polarisation“ oder „zirkular polarisiert“ alle elliptischen Polarisationen abdecken soll, d.h. Polarisation bei irgendeiner Wellenlänge unter einer allgemein elliptischen und nicht linearen Polarisation. Auf welche Art und Weise der jeweilige Polarisationsmodulator die Umwandlung des Sekundärweg-Bildlichts in zirkular polarisiertes Sekundärweg-Bildlicht bewirkt, bleibt dem Fachmann überlassen.
  120. Der Anspruchswortlaut gibt die konkrete räumlich-körperliche Ausgestaltung des zweiten Polarisationsmodulators ebenfalls nicht vor, so dass dieser sowohl einstückig als auch mehrteilig ausgebildet sein kann. Dies geht auch aus Abs. [0026] der Beschreibung im Kontext mit dem Ausführungsbeispiel gemäß der Figur 3 hervor, wonach anstelle der dort dargestellten Polarisationsmodulatoren (304, 307) und damit eines zweiteiligen Aufbaus auch ein einziger relativ großer Polarisationsmodulator verwendet werden kann, der beide Bildlichtwege erfasst. Auch bleibt dem Fachmann überlassen, wie der zweite Polarisationsmodulator das zirkular polarisierte Sekundärweg-Bildlicht auf die Oberfläche leitet, also etwa allein oder im Zusammenwirken mit anderen Elementen, wie zum Beispiel mit dem reflektierenden Element.
  121. Schließlich muss das vom zweiten Polarisationsmodulator nach Merkmal 5.2 zu empfangene Sekundärweg-Bildlicht – wie oben dargelegt – nicht orthogonal zu dem Primärweg-Bildlicht polarisiert sein.
  122. 5.
    Auf Grundlage der vorstehenden Erwägungen lässt sich die wortsinngemäße Verwirklichung aller Merkmale des Klagepatentanspruch 1 durch die angegriffene Ausführungsform feststellen (hierzu unter a)). Eine klagepatentverletzende Gestaltung ist auch aus dem streitgegenständlichen Video der Beklagten zu 1) erkennbar (hierzu unter b)).
  123. a)
    Die allein streitige Verwirklichung der Merkmalsgruppe 3 (hierzu unter aa)) und des Merkmals 5.2 (hierzu unter bb)) durch die angegriffene Ausführungsform lässt sich feststellen. Dagegen stellen die Beklagten die Verwirklichung der übrigen Merkmale nicht in Abrede, so dass es hierzu keiner weiteren Ausführungen bedarf.
  124. aa)
    Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht Merkmalsgruppe 3. Hiernach umfasst die beanspruchte Vorrichtung zum Projizieren stereoskopischer Bilder ein reflektierendes Element, das dafür konfiguriert ist, entweder das Primär- oder das Sekundärweg-Bildlicht zu reflektieren und das reflektierte Bildlicht auf eine Oberfläche zu lenken (Merkmal 3.1). Weiterhin dient dieses Element anspruchsgemäß dazu, die Strahlwinkel des reflektierten Bildlichts so anzupassen, dass das Primärweg-Bildlicht und das Sekundärweg-Bildlicht an der Oberfläche ausgerichtet sind (Merkmal 3.2).
  125. Ein solches reflektierendes Element ist in der angegriffenen Ausführungsform im Rahmen der Phase Shifting Optic (PSO) verwirklicht. Die PSO befindet sich auf dem zweiten Bildweg und reflektiert mittels einer reflektierenden Oberfläche („reflective surface“) das auf diesem Bildweg befindliche Licht in Richtung des (oberen) Polarisationsmoduls.
  126. Dass sich die reflektierende Fläche innerhalb des PSO befindet bzw. mit diesem einheitlich ausgebildet ist, und hierin die Polarisation geändert wird, ist nach dem oben dargestellten Verständnis des Fachmanns unschädlich. Ebenso kann es nicht aus dem Schutzbereich herausführen, dass das Licht zwar beim Eintritt in die PSO, nicht aber beim Auftreffen auf die reflektierende Fläche und beim Verlassen der PSO (rein-) linear S-polarisiert ist. Für die Verwirklichung der Lehre des Klagepatents ist – wie oben dargestellt – ausreichend, dass das Licht auf dem Sekundärlichtweg durch das polarisierende Teiler-Element eine Polarisation aufweist, die orthogonal zur Polarisation des Lichts auf dem Primärlichtweg ist. Dies ist unstreitig der Fall. Die Polarisation des Sekundärweg-Bildlichts auf dem weiteren Lichtweg ist dagegen für die Lehre des Klagepatents unerheblich.
  127. Zudem dient die reflektierende Schicht in der PSO im Einklang mit Merkmal 3.2 dazu, das reflektierte Licht so zu lenken, dass das Primärweg-Bildlicht und das Sekundärweg-Bildlicht auf der Oberfläche ausgerichtet sind. Dies zeigt sich schon darin, dass die PSO unstreitig verkippbar ist, so dass der reflektierte Lichtstrahl ausgerichtet werden kann.
  128. bb)
    Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht auch Merkmalsgruppe 5, wonach ein zweiter Polarisationsmodulator vorhanden sein soll, der in dem sekundären Weg angeordnet ist (Merkmal 5.1) und dafür konfiguriert ist, das Sekundärweg-Bildlicht zu empfangen, das Sekundärweg-Bildlicht in zirkular polarisiertes Sekundärweg-Bildlicht umzuformen und das zirkular polarisierte Sekundärweg-Bildlicht auf die Oberfläche zu senden (Merkmal 5.2).
  129. Ausgehend von der vorstehenden Auslegung handelt es sich bei dem (in der Abbildung oben dargestellten) elektro-optischen Polarisationsmodulator in Zusammenwirkung mit der nachgelagerten Viertelwellenplatte der Polarisationsmodulator-Baugruppe (PM) um einen klagepatentgemäßen Polarisationsmodulator nach Merkmalsgruppe 5. Dieser auf dem zweiten Lichtweg angeordnete Polarisationsmodulator empfängt unstreitig das Sekundärweg-Bildlicht auf dem zweiten Lichtpfad, das von dem PSO ausgegeben wird, formt dieses in zirkular polarisiertes Sekundärweg-Bildlicht um und sendet es auf die Oberfläche zu bzw. in Richtung der Projektionsfläche. Welchen Polarisationszustand das empfangene Licht auf dem zweiten Lichtweg bei Auftreffen auf den Polarisationsmodulator aufweist, ist nach der vorgenommenen Auslegung unerheblich. Maßgeblich ist, dass bei Auftreffen des zirkular polarisierten Primärweg- und Sekundärweg-Bildlichts auf der Oberfläche diese im Wesentlichen den gleichen Polarisationszustand aufweisen. Dies ist bei der angegriffenen Ausführungsform unstreitig der Fall. Zudem führt es aus dem Schutzbereich nicht heraus, dass der zweite Polarisationsmodulator mehrteilig ausgebildet ist.
  130. b)
    Die Verwirklichung der Merkmale des Klagepatentanspruchs 1, insbesondere hinsichtlich der Merkmale 3 – 3.2 und 5.2, geht auch aus der visuellen Darstellung des Aufbaus und der Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform in dem F-Video hervor. Das Video stellt die angegriffene Ausführungsform jedenfalls in Bezug auf die für die Verwirklichung der Lehre des Klagepatents relevanten Aspekte zutreffend dar.
  131. Wie anhand des von der Klägerin beschrifteten und nachfolgend eingeblendeten Ausschnitts aus dem F-Video ersichtlich,
  132. wird das von dem Projektor ausgehende, auf den polarisierenden Strahlteiler treffende Lichtbündel aufgespalten und auf einen ersten und einen zweiten Lichtweg („P“) und („S“) geschickt, wobei die unterschiedliche Polarisation aus den senkrechten („P“) und waagerechten („S“) Doppelpfeiler für den Betrachter deutlich erkennbar ist. Zudem beschreibt die Beklagte die Darstellung selbst damit, dass das Licht in zwei Wege mit „gegenteilig polarisiertem Licht“ aufgespalten wird, einen „bevorzugten Weg“ und einen „sekundären Weg“ (vgl. Transkription der Anlage BM-K 11).
  133. Ein reflektierendes Element gemäß Merkmalsgruppe 3 befindet sich in Gestalt der Phasenverschiebe-Optik (Phase Shifting Optic) auf dem zweiten Lichtpfad und sorgt für ein Lenken des Lichtbündels in Richtung der Leinwand, erkennbar daran, dass das zweite Lichtbündel auf dem zweiten Lichtpfad ersichtlich in Richtung des Polarisationsmodulators und der Leinwand reflektiert wird. Zudem ist die Phasenverschiebe-Optik und damit auch das Reflektorelement nach der Beschreibung des Videos verformbar und damit kippbar, um die Bilder der beiden Lichtwege genau auszurichten (vgl. Transkription der Anlage BM-K 11). Dass die Phasenverschiebe-Optik mit dem Reflektorelement einstückig ausgebildet ist, ist nach der vorgenommenen Auslegung unschädlich. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob eine elliptische Polarisation auf dem zweiten Lichtweg aus dem Video hervorgeht, wie es die Beklagten behaupten. Denn dies würde der Verletzung des Klagepatents nicht entgegenstehen.
  134. Zudem umfasst die angegriffene Ausführungsform nach dem Video der Beklagten einen zweiten Polarisationsmodulator gemäß Merkmal 5.2, der wirksam ist für den Empfang von zweiten Lichtbündeln jeweils von dem zweiten Lichtpfad und der die Polarisationszustände der zweiten Lichtbündel in einen zweiten Ausgangs-SOP – hier in Gestalt der sich rechts befindlichen zwei Pfeilkreise – umwandelt. Insoweit wird die Darstellung damit beschrieben, dass der Polarisationsmodulator synchronisiert links- und rechtshändig zirkulare Polarisation erzeugt (vgl. Transkription der Anlage BM-K 11).
  135. II.
    Die Beklagte zu 1) hat die angegriffene Ausführungsform im Inland angeboten und vertrieben (hierzu unter 1.). Die Beklagten zu 2) bis 4) haften ebenfalls für die schutzrechtsverletzenden Handlungen der Beklagten zu 1) in Deutschland (hierzu unter 2.).
  136. 1.
    Die Beklagte zu 1) hat die angegriffene Ausführungsform entgegen § 9 S. 2 Nr. 1 PatG sowohl ins Inland geliefert als auch angeboten.
  137. a)
    Die Beklagte zu 1) lieferte bereits jedenfalls ein Exemplar der angegriffenen Ausführungsform entgegen § 9 S. 2 Nr. 1 PatG nach Deutschland an den Kunden E GmbH.
  138. b)
    Die Beklagte zu 1) hat die angegriffene Ausführungsform auch im Inland angeboten.
  139. Das Anbieten ist eine eigenständige Benutzungsart, die selbstständig zu beurteilen und für sich allein anspruchsbegründend ist (vgl. BGH, GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte; GRUR 2006, 927, 928 – Kunststoffbügel; GRUR 2007, 221, 222 – Simvastin; OLG Düsseldorf, GRUR 2004, 417, 419 – Cholesterinspiegelsenker). Der Begriff des Anbietens ist rein wirtschaftlich zu verstehen. Er umfasst jede im Inland begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert den Gegenstand der Nachfrage in äußerlich wahrnehmbarer Weise zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitstellt (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014 – I-15 U 19/14 = BeckRS 2014, 16067). Maßgeblich ist, ob mit der fraglichen Handlung tatsächlich eine Nachfrage nach dem schutzrechtsverletzenden Gegenstand geweckt wird, die zu befriedigen mit dem Angebot in Aussicht gestellt wird (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014 – 15 U 19/14 = GRUR-RS 2014, 16067). Ein Mittel für das Anbieten ist auch die bloße Bewerbung eines Produkts im Internet, da dies bereits dazu bestimmt und geeignet ist, Interesse an dem beworbenen Gegenstand zu wecken und diesen betreffende Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259, 261 – Thermocycler). Schließlich ist es weder erforderlich, dass das angebotene Erzeugnis bereits fertig gestellt ist oder sich im räumlichen Geltungsbereich des verletzten Schutzrechtes – hier Deutschland – befindet, noch, dass tatsächlich eine Herstellungs- und/oder Lieferbereitschaft des Anbietenden besteht oder dass das Angebot Erfolg hat, es also zu einem Inverkehrbringen führt (OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2015, 18679 Rn. 57, m.w.N.).
  140. aa)
    Insoweit hat die Beklagte zu 1) auf der von ihr betriebenen Internetseite unter XXX eine deutschsprachige Broschüre „XXX“, vorgelegt als Anlage BM-K 7, ein deutschsprachiges Produktdatenblatt „A 3D“, vorgelegt als Anlage BM-K 8, und deutschsprachige Fragen & Antworten (FAQ), vorgelegt als Anlage BM-K 9, zum Abruf bereitgehalten und damit die angegriffene Ausführungsform beworben. Dies stellt ein Anbieten im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG dar.
  141. Durch das Bewerben der angegriffenen Ausführungsform mittels der zugehörigen Broschüre, des Produktdatenblatts und der FAQ in deutscher Sprache wurde eine inländische Nachfrage nach dem schutzrechtsverletzenden Gegenstand geweckt, die zu befriedigen mit dem Angebot in Aussicht gestellt wurde. Die Werbung der Beklagten zu 1) betraf zudem einen Gegenstand, der von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht. Insoweit müssen sich nicht alle Merkmale des Klagepatentanspruchs aus den online abrufbaren Werbedokumenten ergeben, sofern deren Vorliegen aus sonstigen, objektiven Gesichtspunkten zuverlässig geschlossen werden kann (BGH, GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte; BGH, GRUR 2005, 665 – Radschützer; OLG Düsseldorf, GRUR 2004, 417 – Cholesterinspiegelsenker). Dies ist vorliegend der Fall. Die tatsächliche Ausgestaltung der bereits im Inland vertriebenen und damit existenten angegriffenen Ausführungsform, wie sie die Beklagte zu 1) beschrieben hat, ist patentverletzend.
  142. bb)
    Zudem hat die Beklagte zu 1) die angegriffene Ausführungsform auf der Internethandelsplattform Amazon.com mit Liefermöglichkeit nach Deutschland im Sinne des § 9 S. 2 Nr. 1 PatG angeboten (vgl. Internetauszüge auf den Seiten 14 bis 19 der Anlage BM-K 6).
  143. cc)
    Schließlich liegt ein inländisches Angebot auch in dem auf der Internetplattform F abrufbaren Video „XXX“ der Beklagten zu 1). Auch bei der Beschreibung der angegriffenen Ausführungsform und Erläuterung von deren Funktionsweise in dem F-Video handelt es sich um eine Maßnahme bzw. Werbung, die bestimmt und geeignet ist, Interesse an dem beworbenen Gegenstand zu wecken. Soweit die Beklagten einwenden, das Video gebe nicht den tatsächlichen Aufbau wieder, ist dies zunächst unerheblich. Beschreibt eine Werbung sämtliche Merkmale des Patentanspruchs als vorhanden, so liegt ein verletzendes Angebot unabhängig davon vor, ob das beworbene Produkt überhaupt erhältlich ist oder ob das beworbene Produkt mit der Werbebeschreibung übereinstimmt oder nicht (Kühnen, a.a.O., Kap. A Rn. 325). Wie oben dargelegt, stimmt aber die Darstellung des Videos in den für die Verletzung des Klagepatents relevanten Aspekten ohnehin mit der tatsächlich vertriebenen angegriffenen Ausführungsform überein.
  144. 2.
    Die Beklagten zu 2) bis 4) haften als gesetzliche Vertreter der Beklagten zu 1) für die festgestellten Patentverletzungen.
  145. a)
    Für die Voraussetzungen und Folgen einer Schutzrechtsverletzung sowie für die Entstehung, die Rechteinhaberschaft, den Bestand und die Übertragung eines deutschen Patents bzw. eines europäischen Patents, das sich auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland erstreckt, gilt das Schutzlandprinzip (lex fori protectionis) (OLG Düsseldorf, BeckRS 2018, 34555 Rn. 71; Art. 64 EPÜ, Art. 8 Abs. 1 Rom II-Verordnung). Gemäß Art. 15 lit. g Rom II-VO gelten die Kollisionsnormen der Rom II-Verordnung und damit Art. 8 Abs. 1 Rom II-Verordnung auch für die Haftung für die von einem anderen begangenen Handlungen, wodurch insbesondere die Störerhaftung erfasst ist (BeckOGK/J. Schmidt, 1.3.2022, Rom II-VO Art. 15 Rn. 50, m.w.N.; vgl. auch MüKoBGB/Drexl, 8. Aufl. 2021, Rom II-VO Art. 8 Rn. 236, wonach vertreten wird, für die immaterialgüterrechtliche Haftung von mittelbar handelnden Personen Art. 8 Abs. 1 Rom II-VO unmittelbar anzuwenden). Erfasst wird auch die Haftung juristischer Personen bzw. nichtrechtsfähiger Personenvereinigungen für ihre Organe (wobei Fälle einer Verletzung spezifisch gesellschaftsrechtlicher Pflichten ausgenommen sind, vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom II-VO; BeckOGK/J. Schmidt, a.a.O.).
  146. b)
    Unter Zugrundelegung des danach anwendbaren deutschen materiellen Rechts haften auch die Beklagten zu 2) bis 4) für die von der Beklagten zu 1) begangenen Verletzungshandlungen in eigener Verantwortung.
  147. aa)
    Ein gesetzlicher Vertreter haftet für Verletzungshandlungen der Gesellschaft jedenfalls dann, wenn er daran durch positives Tun beteiligt gewesen ist oder wenn er sie aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hat verhindern müssen (BGH, GRUR 2016, 257 Rn. 108 – Glasfasern II; BGH, GRUR 2014, 883 – Geschäftsführerhaftung; BGH, GRUR 2015, 672 Rn. 80 – Videospiel-Konsolen II). Eine solche Garantenstellung ist im Streitfall gegeben.
  148. Eine Garantenpflicht kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn der Betroffene ein Schutzgut der Einflusssphäre der Gesellschaft anvertraut hat oder wenn aus sonstigen Gründen eine konkrete Gefahrenlage für das Schutzgut besteht und der gesetzliche Vertreter für die Steuerung derjenigen Unternehmenstätigkeit verantwortlich ist, aus der sich die Gefahrenlage ergibt (vgl. zur Haftung eines Geschäftsführers: BGH, GRUR 2016, 257, 264 Rn. 113 – Glasfasern II). Die Haftung des Geschäftsführers beruht in diesen Fällen gerade nicht auf seiner Geschäftsführerstellung als solcher, sondern auf der – von der Rechtsform des Unternehmens unabhängigen – tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeit und Zumutbarkeit der Beherrschung einer Gefahrenlage für absolut geschützte Rechte Dritter (BGH, a.a.O.). Das Organ trifft insoweit über die Organstellung hinaus eine mit der Zuständigkeit für die Organisation und Leitung und der daraus erwachsenden persönlichen Einflussnahme auf die Gefahrenabwehr und Gefahrensteuerung verbundene persönliche Verantwortung (BGH, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf den Schutz von Patenten jedenfalls dann typischerweise erfüllt, wenn ein Unternehmen technische Erzeugnisse herstellt oder in den inländischen Markt einführt, da für praktisch jeden Bereich der Technik eine Vielzahl von Patenten mit unterschiedlichsten Gegenständen in Kraft steht (BGH, 2016, 257, 264, Rn. 114 f. – Glasfasern II). Die Verpflichtung, die Schutzrechtslage zu überprüfen, beruht nicht allein auf der allgemeinen Pflicht zum Schutz fremder Rechtsgüter. Sie ist vielmehr Ausdruck der gesteigerten Gefährdungslage, der technische Schutzrechte typischerweise ausgesetzt sind (BGH, a.a.O., Rn. 115 f. – Glasfasern II). Kraft seiner Verantwortung für die Organisation und Leitung des Geschäftsbetriebs und der damit verbundenen Gefahr, dass dieser so eingerichtet wird, dass die Produktion oder Vertriebstätigkeit des Unternehmens die fortlaufende Verletzung technischer Schutzrechte Dritter zur Folge hat, ist der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft deshalb grundsätzlich gehalten, die gebotenen Überprüfungen zu veranlassen oder den Geschäftsbetrieb so zu organisieren, dass die Erfüllung dieser Pflicht durch dafür verantwortliche Mitarbeiter gewährleistet ist (BGH, a.a.O., Rn. 117 – Glasfasern II). Für die Annahme, dass die schuldhafte Verletzung eines Patents durch eine Gesellschaft, die ein Produkt herstellt oder in den inländischen Markt einführt, auf einem schuldhaften Fehlverhalten ihres gesetzlichen Vertreters beruht, bedarf es daher im Regelfall keines näheren Klägervortrags und keiner näheren tatrichterlichen Feststellungen zu den dafür maßgeblichen Handlungen des gesetzlichen Vertreters (BGH, a.a.O., Rn. 118 – Glasfasern II).
  149. bb)
    Hiernach haften die Beklagten zu 2) bis 4) für die festgestellten Patentverletzungen. Die Beklagten zu 2) bis 4) sind mangels gegenteiligen Vortrags als alleinige Direktoren (Governors) der Beklagten zu 1) für die Organisation und Leitung des Geschäftsbetriebs betreffend die Herstellung und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform verantwortlich. Dass sie die gebotenen Überprüfungen der Schutzrechtslage veranlasst hätten, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Damit beruht die Verletzung des Klagepatents auf dem schuldhaften Fehlverhalten der Beklagten zu 2) bis 4).
  150. Dass das – hier nicht anzuwendende – US-amerikanische Recht eine Haftung auf der Grundlage eines Organisationsverschuldens der organschaftlichen Vertreter einer Corporation nur unter besonderen Voraussetzungen kennen mag, ist unerheblich. Maßgeblich ist vielmehr, dass ein (faktisches) Organisationsverschulden festgestellt werden kann.
  151. III.
    Aus der Verletzung des Klagepatents ergeben sich die beantragten Rechtsfolgen:
  152. 1.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagten den geltend gemachten Anspruch auf Unterlassung aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG, da die Beklagten den Erfindungsgegenstand im Inland ohne Berechtigung benutzt haben. Die Beklagten haben die durch die Verletzungshandlung indizierte Wiederholungsgefahr nicht durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ausgeräumt.
  153. 2.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagten den geltend gemachten Anspruch auf Feststellung der gesamtschuldnerischen Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG.
  154. Die Beklagten handelten schuldhaft, da sie als Fachunternehmen bzw. deren Governors die Patentverletzung bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätten erkennen können, § 276 BGB.
  155. Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass den Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO. Insbesondere kann die Klägerin ihren Schaden noch nicht anhand der bereits erteilten Auskünfte abschließend beziffern (vgl. die Ausführungen unter Ziffer III.3.c)).
  156. 3.
    Die Klägerin hat auch die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung.
  157. a)
    Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 1 PatG ohne Berücksichtigung eines Karenzmonats, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG.
  158. b)
    Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihre Schadensersatzansprüche zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagten weiterhin ein Anspruch auf Rechnungslegung im zuerkannten Umfang aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 242, 259 BGB zu. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagten werden durch die ihnen abverlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
  159. c)
    Die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung sind nicht durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB).
  160. Soweit die Beklagte zu 1) bereits auf der Grundlage des Vollstreckungstitels im einstweiligen Verfügungsverfahren Angaben gemacht hat, führt dies nicht zu einer Erfüllung der Ansprüche. Denn die Erbringung einer Leistung zwecks Abwendung der Zwangsvollstreckung stellt keine Erfüllung im Sinne des § 362 BGB dar. Sofern der Schuldner nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt, erfolgt die Leistung im Fall der Vollstreckung aus einem nur für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil lediglich unter dem Vorbehalt des Rechtskrafteintrittes (OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.11.2017 – I-2 U 81/16, m.w.N.; BGH, NJW 1985, 2405, 2407; BGH, NJW 2014, 2199, 2200). Dies gilt auch für unter dem Druck der Zwangsvollstreckung erteilte Auskünfte (OLG Düsseldorf, a.a.O.; BGH, NJW 1985, 2405, 2407). Überdies hat der Gläubiger eines Auskunftsanspruchs auch nach Erhalt der Auskunft noch ein schutzwürdiges Interesse an einer rechtskräftigen Entscheidung über das Bestehen des Auskunftsanspruchs. Ohne eine solche rechtskräftige Entscheidung, an der es zumindest bei einer übereinstimmenden Erledigungserklärung fehlt, könnte der Schuldner des Auskunftsanspruchs die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, sofern der Auskunftsberechtigte eine solche verlangt, schon mit der Begründung verweigern, er sei bereits zur Auskunftserteilung nicht verpflichtet gewesen und somit auch nicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung. Der Auskunftsberechtigte müsste dann im Verfahren über die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung erneut die Voraussetzungen für das Bestehen seines Auskunftsanspruchs darlegen und ggf. beweisen. Dass dies weder prozessökonomisch noch dem Auskunftsverpflichteten zumutbar ist, liegt auf der Hand (OLG Düsseldorf, a.a.O., m.w.N.).
  161. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Beklagten zu 2) – 4) die geschuldeten Angaben gemacht haben. Schließlich ist eine Erfüllung nicht eingetreten, da die Beklagten nicht über den gesamten jetzt streitgegenständlichen Zeitraum Auskunft erteilt haben. Auf eine Teilauskunft muss sich die Klägerin aber nicht verweisen lassen.
  162. 4.
    Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1) schließlich auch der geltend gemachte Anspruch auf Rückruf nach Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 3 PatG zu.
  163. Dieser Anspruch ist nicht nach § 140a Abs. 4 PatG unverhältnismäßig. Nach dieser Vorschrift ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist, wobei bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit auch die berechtigten Interessen Dritter zu berücksichtigen sind. Bei § 140a Abs. 4 PatG handelt sich insoweit um einen Ausnahmetatbestand, der eng auszulegen ist. Die Interessen des Verletzers und des Eigentümers sind zu diesem Zweck gegeneinander abzuwägen, wobei von einem Rückruf nur abzusehen ist, wenn berechtigte Belange des Verletzers deutlich überwiegen. Dabei sind unter anderem ein Verschulden und der Verschuldensgrad, die Schwere des Eingriffs in das Schutzrecht, das Bestehen und das Ausmaß einer Wiederholungsgefahr sowie der Gedanke der Generalprävention und der Sanktionscharakter des Rückrufs zu berücksichtigen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.01.2015 – I-15 U 23/14 = GRUR-RS 2015, 06710 Rn. 41 – Andockvorrichtung).
  164. Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte zu 1) keine Tatsachen aufgezeigt, die eine Unverhältnismäßigkeit rechtfertigen würden. Bei den von den Beklagten angeführten – lediglich pauschal vorgetragenen – Umständen, wie dem Vertrieb nur geringer Stückzahlen oder der mutmaßlichen finanziellen Beeinträchtigung der betroffenen Kino-Betreiber, handelt es sich nicht um Ausnahmefälle, aufgrund derer die Klägerin den fortgesetzten Eingriff in ihre Rechtsposition ausnahmsweise dulden müsste. Geringe Lieferungen sind grundsätzlich kein Grund für eine Unverhältnismäßigkeit. Der pauschale Vortrag der Beklagten zu den Folgen der Corona-Pandemie für die Kinobetreiber als Abnehmer der angegriffenen Ausführungsformen dürfte im relevanten Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung weitgehend überholt sein. Im Übrigen wird den Kinobetreibern im Rahmen des Rückrufs der Kaufpreis der angegriffenen Ausführungsformen zurückerstattet, so dass eine besondere Belastung für diese nicht ersichtlich ist.
  165. IV.
    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 100, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
  166. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Auf Antrag der Klägerin waren Teilsicherheiten für die vorläufige Vollstreckung der einzelnen Ansprüche festzusetzen.
  167. Der hilfsweise Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten war abzuweisen, da die Beklagten einen nicht zu ersetzenden Nachteil der Vollstreckung (§ 712 Abs. 1 ZPO) weder dargelegt, noch – wie von § 714 Abs. 2 ZPO vorgeschrieben – glaubhaft gemacht haben.
    V.
    Der Streitwert wird auf EUR 200.000,00 festgesetzt. Hiervon entfallen EUR 20.000,00 auf den Anspruch auf gesamtschuldnerischen Schadensersatz.

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