Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3223
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 17. Juni 2022, Az. 4b O 83/20
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meldung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, diese zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern, zu unterlassen,
im Inland Koksgasbeimischungsanlagen zur Benutzung im Inland anzubieten oder in Verkehr zu bringen, die dazu geeignet sind,
ein Verfahren zum pneumatischen Einblasen eines pulverförmigen Ersatzreduktionsmittels im Dichtstromverfahren, bei dem eine Fließdichte des pulverförmigen Ersatzreduktionsmittels 60% oder mehr der Packungsdichte im Schüttzustand beträgt, mittels eines Transportgases über eine Windform in einen Hochofen, so dass das Ersatzreduktionsmittel in einer Vergasungsreaktion vergast wird, anzuwenden, das dadurch gekennzeichnet ist, dass das Transportgas ein Brenngas, nämlich Kohlenmonoxid, Wasserstoff, Wasserdampf, Sauerstoff, Kohlenwasserstoff, Gichtgas, Erdgas, Koksgas, Konvertergas, ein anderes Kuppelgas oder eine Mischung hiervon aufweist; - 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 7. November 2018 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
b) der Menge der ausgelieferten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
wobei zum Nachweis der Angaben entsprechende Rechnungen in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen; - 3. der Klägerin in einem geordneten Verzeichnis in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die unter Ziffer I. 1. aufgeführten Handlungen seit dem 7. Dezember 2018 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
b) Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreisen sowie der Anlagenbezeichnungen, für welche die Anwendungen angeboten wurden, und der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs- und Vertriebskosten und des erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger bzw. bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist;II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser in Bezug auf die in Ziffer I. 1. begangenen Handlungen seit dem 7. Dezember 2018 entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 EUR.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 3 XXX 369B1 (Klagepatent, vorgelegt als Anlage HE 1) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
- Die Klägerin ist Inhaberin des Klagepatents, das am 3. Juli 2015 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 18. August 2014 von der A GmbH & Co. KG – diese wurde mit Eintragung im Handelsregister am 18. Mai 2021 auf die jetzige Klägerin verschmolzen – angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 7. November 2018 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft. Die Beklagte hat gegen die Erteilung des Klagepatents Einspruch beim Europäischen Patentamt (EPA) erhoben. Mit Entscheidung vom 20. Oktober 2020 hat die Einspruchsabteilung beim EPA den Einspruch zurückgewiesen. Die Begründung der Entscheidung liegt als Anlage B 2 vor. Dagegen hat die Beklagte Beschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.
- Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zum Einblasen von Ersatzreduktionsmitteln in einen Hochofen. Der von der Klägerin geltend gemachte Klagepatentanspruch 1 lautet:
- 1. Verfahren zum pneumatischen Einblasen eines pulverförmigen Ersatzreduktionsmittels im Dichtstromverfahren, bei dem eine Fließdichte des pulverförmigen Ersatzreduktionsmittels 60% oder mehr der Packungsdichte im Schüttzustand beträgt, mittels eines Transportgases in einen Reaktor, insbesondere in einen Vergasungsreaktor oder über eine Windform (7) in einen Hochofen,
so dass das Ersatzreduktionsmittel in einer Vergasungsreaktion vergast wird,
dadurch gekennzeichnet, dass das Transportgas ein Brenngas, nämlich Kohlenmonoxid, Wasserstoff, Wasserdampf, Sauerstoff, Kohlenwasserstoff, Gichtgas, Erdgas, Koksgas, Konvertergas, ein anderes Kuppelgas oder einer Mischung hiervon aufweist. - Die nachfolgend abgebildete Zeichnung stammt aus der Klagepatentschrift und stellt schematisch eine Einblasanlage für einen Hochofen dar, mit der das erfindungsgemäße Verfahren durchgeführt werden kann.
- Die Beklagte bietet Hochofenbetreibern die Nachrüstung bestehender Hochofenanlagen an. Unter anderem wurde sie von der B GmbH (nachfolgend B) mit der Auslegung, Lieferung und Montage von Koksgas-Eindüsungssystemen für die Hochöfen Nr. 4 und 5 der B (angegriffene Ausführungsform) beauftragt. Im Zuge dessen lieferte die Beklagte die technologischen Schlüsselkomponenten wie Durchflussregel- und Rückschlagventile, Behälter, Rohrleitungen und Stützkonstruktionen, montierte sie und sorgte für die Anlagenautomatisierung sowie die Integration in die Prozesstechnik und bestehende Anlagenkonfiguration. Die beiden Hochöfen sind grundsätzlich so ausgelegt, dass Einblaskohle mittels Stickstoff im Dichtstromverfahren pneumatisch gefördert und eingeblasen werden kann. Durch die Nachrüstung mit den angegriffenen Koksgas-Eindüsungssystemen kann nunmehr unter anderem Koksgas der Einblaskohle beigemischt werden. Die folgenden Abbildungen verdeutlichen die Nachrüstung der beiden Hochöfen. Sie stammen aus einem Vortrag vom 6. Dezember 2019 von Dr. C mit dem Titel „XXX“ im Rahmen des akademischen Forums für XXX (XXX) am Institut für XXX (XXX) der XXX (Anlage HE 7).
-
Die Klägerin ist der Ansicht, Angebot und Lieferung der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagte stellten eine mittelbare Verletzung der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 dar. Die angegriffene Ausführungsform sei im Rahmen der gesamten Hochofenanlage geeignet, das mit dem Klagepatent geschützte Verfahren anzuwenden.
Soweit der Klagepatentanspruch verlange, dass das Ersatzreduktionsmittel im Dichtstromverfahren eingeblasen werde, bei dem eine Fließdichte 60 % oder mehr der Packungsdichte im Schüttzustand betrage, sei es lediglich notwendig, dass die Bedingungen des Dichtstromverfahrens am Beginn der Transportleitung vorlägen. Dass das Brenngas erst später zugemischt werden, sei unbeachtlich. Dafür sei die angegriffene Ausführungsform aber geeignet. Dies hätten Berechnungen der Fließdichte für den Hochofen 5 in Dillingen gezeigt. Aber auch die Berechnungen und Angaben der Beklagten wiesen hinter der Mischkammer der angegriffenen Ausführungsform eine Fließdichte von 310 kg/m³ oder über 60 % der Packungsdichte aus.
Nach dem Austritt aus der Lanze werde bei der angegriffenen Ausführungsform das Ersatzreduktionsmittel zudem in einer Vergasungsreaktion vergast. Das Klagepatent schließe aber nicht aus, dass neben Vergasungsreaktionen auch Verbrennungsreaktionen stattfänden. Ebenso wenig sei erforderlich, dass die Reaktionsprodukte einer Vergasungsreaktion Kohlenmonoxid und Wasserstoff unmittelbar aus den zugeführten Ausgangsstoffen gebildet würden. Vielmehr lasse das Klagepatent – wie auch das EPA festgestellt habe – eine Zwischenverbrennung zu, bei der Kohlenmonoxid und Wasserstoff aufgrund des anwesenden Kohlenstoffüberschusses aus den Verbrennungsprodukten Kohlendioxid und Wasserdampf entstehen (Boudouard-Reaktion). Die Vergasungsreaktion sei keine Einbahnstraße im Sinne einer möglichen nachfolgenden möglichen Vervollständigung zur Verbrennungsreaktion. Vielmehr sei unter den vorherrschenden Bedingungen im Hochofen gewollt, dass nach einer eventuell unvermeidlichen Zwischenverbrennung eine Reduktion der Reaktions-(Zwischen-)Produkte erfolge, was die Verbrennungsreaktion zu einer Vergasungsreaktion mache. Die Zufuhr von zusätzlichem Sauerstoff über eine Koaxiallanze, die auch das Klagepatent als bevorzugte Ausführungsform beanspruche, ändere bei der angegriffenen Ausführungsform – auch wenn die Sauerstoffzufuhr der vollständigen Verbrennung diene – nichts an der Tatsache, dass das Ersatzreduktionsmittel in einer Vergasungsreaktion vergast werde.
Ein privates Vorbenutzungsrecht stehe der Beklagten nicht zu. Sie habe vor dem Prioritätstag des Klagepatents keinen Erfindungsbesitz gehabt. Die von der Beklagten installierten Anlagen würden das Ersatzreduktionsmittel nicht im Dichtstromverfahren transportieren. Soweit die Beklagte eine Anlage dahingehend abgeändert habe, um die Nachteile des Kohlenstaubtransports im Dünnstromverfahren zu vermeiden, weise das Transportgas kein Brenngas mehr auf. Auch die Luxemburgische Patentanmeldung der Beklagten offenbare kein Dichtstromverfahren und dokumentiere daher keinen Erfindungsbesitz. Soweit sich die Beklagte auf das XXX-Projekt beziehe, handele es sich um ein Forschungsprojekt, das nicht erkennen lasse, dass die Beklagte Benutzungshandlungen vorgenommen oder auch nur Veranstaltungen zur alsbaldigen Aufnahme der Benutzung getroffen habe.
Der von der Beklagten erhobene Einwand der widerrechtlichen Entnahme greife mangels Vindikationsanspruchs schon nicht durch. Noch weniger könne der Klägerin ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden, weil sie Erkenntnisse aus dem XXX-Projekt, von denen alle hätten profitieren sollen, in ihrer eigenen Patentanmeldung verwertet hätte. Das Klagepatent habe eine ganz andere Zielrichtung als das Forschungsprojekt XXX. - Die Klägerin beantragt,
- I. die Beklagte zu verurteilen,
- 1. es bei Meldung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, diese zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern, zu unterlassen,
im Inland Koksgasbeimischungsanlagen zur Benutzung im Inland anzubieten oder in Verkehr zu bringen, die dazu geeignet sind,
ein Verfahren zum pneumatischen Einblasen eines pulverförmigen Ersatzreduktionsmittels im Dichtstromverfahren, bei dem eine Fließdichte des pulverförmigen Ersatzreduktionsmittels 60% oder mehr der Packungsdichte im Schüttzustand beträgt, mittels eines Transportgases über eine Windform in einen Hochofen, so dass das Ersatzreduktionsmittel in einer Vergasungsreaktion vergast wird, anzuwenden, das dadurch gekennzeichnet ist, dass das Transportgas ein Brenngas, nämlich Kohlenmonoxid, Wasserstoff, Wasserdampf, Sauerstoff, Kohlenwasserstoff, Gichtgas, Erdgas, Koksgas, Konvertergas, ein anderes Kuppelgas oder eine Mischung hiervon aufweist; - 2. ihr darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 7. November 2018 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
b) der Menge der ausgelieferten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
wobei zum Nachweis der Angaben entsprechende Rechnungen in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen; - 3. ihr in einem geordneten Verzeichnis in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die unter Ziffer I. 1. aufgeführten Handlungen seit dem 7. Dezember 2018 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
b) Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreisen sowie der Anlagenbezeichnungen, für welche die Anwendungen angeboten wurden, und der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs- und Vertriebskosten und des erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger bzw. bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist;II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der dieser in Bezug auf die in Ziffer I. 1. begangenen Handlungen seit dem 7. Dezember 2018 entstanden ist und noch entstehen wird;
- hilfsweise ihre nachzulassen, im Unterliegensfall die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, die auch durch die Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden kann.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen,
- hilfsweise die Verhandlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Beschwerde gegen die den Einspruch gegen die Erteilung des Klagepatents zurückweisende Entscheidung des EPA auszusetzen.
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Sie ist der Ansicht, die Klägerin sei schon nicht aktivlegitimiert, weil sie nicht im Patentregister als Inhaberin des Klagepatents eingetragen sei.
Ungeachtet dessen werde das Klagepatent nicht durch die angegriffene Ausführungsform mittelbar verletzt. Die Installation der angegriffenen Ausführungsform habe nicht dazu gedient, pulverförmige Ersatzreduktionsmittel in einen Hochofen, sondern Koksgas über die Windform in den Hochofen einblasen zu können. Die Beklagte behauptet, das in den Hochofen eingeblasene Ersatzreduktionsmittel werde nicht in einer Vergasungsreaktion vergast, sondern es finde eine vollständige Verbrennung statt. Dafür sei bei der angegriffenen Ausführungsform um das Kohlenstaubeinblasrohr herum ein weiteres Rohr angeordnet, durch das Sauerstoff ströme. Dieser werde nicht als Transportgas benutzt, sondern diene der vollständigen Verbrennung des gleichzeitig aus dem Koaxialrohr ausströmenden Kohlenstaubs zur Erzielung hoher Temperaturen für den Hochofenprozess. Das Ende des Lanzenrohrs sei ein Feststoffbrenner, wie er aus dem Stand der Technik bekannt sei. Die aus den Fotografien der als Anlage HE 7 vorgelegten Präsentation ersichtlichen Flammen am Ausgang des Koaxialrohrs zeigten, dass der Kohlenstaub vollständig verbrenne. Eine Vergasungsreaktion mit dem Ziel der unmittelbaren Generierung der Reduktionsgase Kohlenmonoxid und Wasserstoff sei nicht angestrebt und finde auch nicht statt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den vorgelegten Unterlagen. Das Klagepatent unterscheide hingegen deutlich zwischen Vergasungs- und Verbrennungsreaktionen; das patentgemäße Verfahren sei – anders als die angegriffene Ausführungsform – allein auf die unmittelbare Vergasung des Ersatzreduktionsmittels im Wege einer Vergasungsreaktion gerichtet.
Weiterhin werde das Ersatzreduktionsmittel in der angegriffenen Ausführungsform auch nicht im Dichtstromverfahren mit einer Fließdichte von 60 % oder mehr der Packungsdichte im Schüttzustand eingeblasen. Abzustellen sei insoweit nach dem Wortlaut des Anspruchs auf den Zeitpunkt, in dem das Ersatzreduktionsmittel in den Hochofen eingeblasen werde. Dem Klagepatent gehe es nicht um irgendein Einblasen des Ersatzreduktionsmittels, sondern um die Synergie zwischen hoher Fließdichte und der Aktion des Brenngases, durch die frühere Zündung ein Verstopfen der Hochofenschüttung zu vermeiden. Jedenfalls durch die Einspeisung des Brenngases werde jedoch die Fließdichte des Ersatzreduktionsmittels bei der angegriffenen Ausführungsform drastisch verringert und liege deutlich unter 60 % der Packungsdichte im Schüttzustand. Anderslautende Berechnungen der Klägerin seien unzutreffend. Auf die Veröffentlichung der Klägerin zum Dichtstromverfahren komme es für die Auslegung des Klagepatents nicht an. Selbst wenn für die Fließdichte auf den Beginn der Transportleitung am Ausgang des Fördergefäßes abgestellt werden sollte, wäre das für die Benutzung der patentgemäßen Lehre nicht ausreichend, weil dem Transportgas das Brenngas erst zu einem späteren Zeitpunkt zugesetzt werde.
Darüber hinaus könne sich die Beklagte mit Erfolg auf ein privates Vorbenutzungsrecht berufen. Sie habe am Hochofen 4 des damaligen Hochofenbetreibers D in XXX eine Halbanlage installiert, bei der ein neuartiges Kohlenstaub-Mengenstrom-Ventil mit herkömmlicher Dünnstromförderung zum Einsatz gekommen sei. Die Fließdichte unmittelbar hinter dem Dosierventil habe 345 kg/m³ betragen und damit über 60 % der Packungsdichte im Schüttzustand von 500 kg/m³. Nachfolgend sei Druckluft als Brenngas beigemischt worden. Die Anlage sei von ihr später umgebaut und auf das Dichtstromverfahren umgestellt worden, indem die Druckluftzufuhr geschlossen worden sei. Derartige Anlagen habe sie – die Beklagte – auch in Dillingen für B oder in Dünkirchen für E installiert, wobei die Anlagen auf ausdrücklichen Wunsch der Betreiber weiterhin wie die ursprüngliche Halbanlage in XXX mit der Zumischung von Druckluft in die Einblasleitungen betrieben worden seien. Der Erfindungsbesitz der Beklagten ergebe sich weiterhin aus einer von ihr im Jahr 2010 eingereichten Patentanmeldung. Veranstaltungen zur alsbaldigen Benutzungsaufnahme habe die Beklagte im Rahmen des Forschungsprojektes XXX vorgenommen. Unter anderem finde sich in einem Report die Darstellung durchgeführter Versuche und von Versuchsergebnissen mit dem Vorschlag der Beklagten, für die Kohleeinblasung das Prozessgas zu verwenden. Im Rahmen einer Besprechung seien die verschiedenen Entwicklungsergebnisse vorgestellt worden, darunter auch durch die Beklagte die in ihrer Patentanmeldung genannten Ergebnisse zur Brenngasbeimischung zum Transportgas in der Kohlenstaubeinblasleitung. Das entsprechende Einblassystem habe die Beklagte unter anderem in einem XXX-Meeting am 19. Juli 2010 in Paris den anderen Teilnehmern vorgestellt. Ähnliche Präsentationen habe es schon früher bei E oder in Eisenhüttenstadt gegeben. Die vorgestellten Maßnahmen seien so konkret gewesen, dass jederzeit eine Benutzungsaufnahme in einer großtechnischen Anlage möglich gewesen sei.
Die Beklagte erhebt weiterhin den Einwand widerrechtlicher Entnahme. Der Klägerin – darunter Herrn F, dem im Klagepatent genannten Erfinder – sei der in der Patentanmeldung belegte Erfindungsbesitz der Beklagten in einem XXX-Meeting offengelegt worden. Diese Erkenntnisse habe die Klägerin widerrechtlich entnommen, indem sie das Klagepatent angemeldet habe in dem Wissen, dass eine eigene Patentanmeldung der von einem Teilnehmer des XXX-Projektes vorgestellten technischen Lösung nicht gutgläubig sein könne.
Daher erhebt die Beklagte auch den Einwand unzulässiger Rechtsausübung. Die dem Klagepatent zugrundeliegende Erfindung sei aus dem gemeinsamen Forschungsprojekt XXX entstanden. Das Projekt habe einem übergeordneten Zweck gedient, insbesondere der Sicherung des Fortbestands der Stahlindustrie in der EU. Vor diesem Hintergrund erscheine es rechtsmissbräuchlich, aus der Forschungskooperation entstandene Erfindungen gegen die Teilnehmer der Forschungskooperation einzusetzen.
Schließlich werde sich das Klagepatent auch nicht als rechtsbeständig erweisen. Die Einspruchsabteilung beim EPA habe den Stand der Technik verkannt. Zudem sei die Erfindung nicht ausführbar offenbart. Daher werde die Beschwerde gegen die Einspruchsentscheidung Erfolg haben. - Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Die Klage ist zulässig und begründet.
- A
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin prozessführungsbefugt. - I.
Der Prozessführungsbefugnis der Klägerin steht § 265 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht entgegen. Daran ändert auch die Verschmelzung der früheren Klägerin, der A GmbH & Co. KG, auf die jetzige Klägerin nichts. Denn § 265 Abs. 2 S. 2 ZPO ist bei Erlöschen des übertragendend Rechtsträgers, wie es bei der Verschmelzung durch Aufnahme gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG vorliegend der Fall ist, nicht anwendbar (Zöller/Greger ZPO, 34.Aufl.: § 265 Rn 5a). - II.
Der Prozessführungsbefugnis steht nach der Verschmelzung der im Register eingetragenen A GmbH & Co. KG auf die jetzige Klägerin auch nicht die fehlende Eintragung der Klägerin im Patentregister entgegen. Gemäß § 30 Abs. 3 S. 2 PatG bleibt der frühere Patentinhaber weiterhin aus dem Patent berechtigt und verpflichtet, solange die Änderung der Inhaberschaft am Patent nicht im Register eingetragen ist. Die zitierte Vorschrift regelt nicht die materielle Berechtigung, sondern ihre Legitimationswirkung ist beschränkt auf die Befugnis zur Führung von Rechtsstreitigkeiten aus dem Patent (BGH GRUR 2013, 713 Rz. 53 – Fräsverfahren). Im Streitfall fehlt es aber an einem früheren Inhaber, weil die im Patentregister als Inhaberin eingetragene A GmbH & Co. KG infolge der Verschmelzung auf die Klägerin gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG erloschen ist. In einem solchen Fall der Gesamtrechtsnachfolge, bei der der als Inhaber des Patents im Register eingetragene Rechtsvorgänger erlischt oder anderweitig untergeht, ist § 30 Abs. 3 S. 2 PatG nicht anwendbar, sondern der Rechtsnachfolger prozessführungsbefugt, auch wenn er noch nicht im Register als neuer Patentinhaber eingetragen ist. -
B
Die Klage ist begründet. - Die Klägerin hat gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Schadensersatz dem Grunde nach aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB.
- I.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Infolge der Verschmelzung der ursprünglichen Klägerin, der A GmbH & Co. KG, auf die jetzige Klägerin ist diese gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG nunmehr Trägerin aller Rechte und Pflichten der A GmbH & Co. KG geworden und damit anspruchsberechtigt aus dem Klagepatent. - II.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zum pneumatischen Einblasen eines pulverförmigen Ersatzreduktionsmittels in einen Hochofen. - In der Klagepatentschrift wird zum Stand der Technik ausgeführt, es sei grundsätzlich bekannt – beispielsweise aus „XXX“ 133 (2013) Nr.1, S.49-62 – und üblich, bei der Roheisenerzeugung in einem Hochofen flüssige, gasförmige und/oder feste Ersatzreduktionsmittel bzw. Brennstoffe über die Windformen (auch: Blasformen) dem Hochofenprozess mit dem Zweck zuzuführen, vergleichsweise teuren Hochofenkoks zu ersetzen. Unter dem Begriff „Ersatzreduktionsmittel“ versteht das Klagepatent durchweg alle Reduktionsmittel und auch kohlenstoffhaltige Brennstoffe wie Kohle. Als feste Ersatzreduktionsmittel könnten neben Kohlen- und Koksstäuben auch zerkleinerte Kunststoffabfälle zum Einsatz kommen, wie sie beispielsweise in der DE 198 XXX 354 A1 beschrieben seien. Bei der Zuführung des Ersatzreduktionsmittels sei es besonders wichtig, dass möglichst keine festen Partikel in die Koksschüttung eindringen können, da andernfalls Durchgasungs- und damit Prozessstörungen des Hochofens die Folge sein könnten. Häufig werde das Ersatzreduktionsmittel durch eine Einblaslanze über die Windform in den Hochofen eingeblasen. Durch den Heißwind bilde sich eine Wirbelzone, in welcher sich das eingeblasene Ersatzreduktionsmittel mit dem Heißwind der Windform vermische. Um zu verhindern, dass feste Partikel in die Koksschüttung eindringen können, müsste das gesamte eingeblasene feste Ersatzreduktionsmittel in der Flugphase nach Austritt aus der Einblaslanze bis zum Ende der Wirbelzone, d.h. bevor es auf die Koksschüttung treffen könne, vergast werden (Abs. [0002]; Textstellen ohne Bezugsangabe sind solche der Klagepatentschrift).
- Weiter setzt sich die Klagepatentschrift einleitend mit dem Begriff der „Vergasung“ auseinander. Darunter versteht es im vorliegenden Zusammenhang eine unvollständige Verbrennung, aus der vorzugsweise CO und/oder H2 resultieren. Im Gegensatz dazu bedeute „Verbrennung“ eine vollständige Verbrennung, die beispielsweise zu CO2 und H2O führe. Da für den Hochofenprozess CO und H2 besonders nützlich seien, sei das Ziel des Einblasens des Ersatzreduktionsmittels eine Vergasungsreaktion, mit deren Reaktionsprodukten besonders viel hochpreisiger Koksbrennstoff eingespart werden könne. Im Hochofenprozess werde Reduktionsgas zur Gewinnung von Roheisen aus Eisenerz verwendet (Abs. [0003] und [0004]).
- Sodann wird in der Klagepatentschrift erläutert, wie im Stand der Technik die Zuführung des Ersatzreduktionsmittels erfolgt. Ein kohlenstoffhaltiges, pulverförmiges Ersatzreduktionsmittel wie beispielsweise Kohlenstaub werde pneumatisch im Dichtstrom- oder Flugstromverfahren mittels Stickstoff als inertem Transportgas über eine oder mehrere Transportleitungen den Windformen des Hochofens zugeführt, wie insbesondere in „XXX“, Vol. 27, Nr. 4,1989, S. 272-277, EPXXXA1 und DE 36 XXX 078 C1 beschrieben sei. Darin werde das Ersatzreduktionsmittel entweder mittels wenigstens einer in die Windform ragenden und aus einem Rohr bestehenden einfachen Einblaslanze oder mittels wenigstens einer in die Windform ragenden koaxialen Einblaslanze unter Verwendung von Sauerstoff eingeblasen. Verschiedene Lanzenformen seien aus „XXX“ 84 (2012) Nr.7, S. 1076-1084, der DE 40 XXX 963 C1 oder der JPH-XXX (A) bekannt. Als Transportgas werde dabei stets reiner Stickstoff verwendet, der inert und damit vorteilhaft im Hinblick auf Explosionsschutz innerhalb der Förder- und Einblasanlage und außerdem in Hochofenwerken in der Regel leicht verfügbar sei. Darüber hinaus sei aus CN XXX(A), CN XXX(A) und CN XXX(A) bekannt, aus Gründen des Umweltschutzes und der Energieeinsparung weitgehend inerte Abgase oder Kohlendioxid statt Stickstoff als Transportgas zur pneumatischen Förderung und Einblasen von Kohlenstaub zu verwenden. Weiterhin verweist das Klagepatent auf die DE 10 2007 XXX 294 A1, wonach reines Kohlendioxid oder eine Mischung aus Kohlendioxid und Stickstoff dem pneumatischen Kohlenstaubtransportsystem als Inertisierungs-, Fluidisierungs- und Transportmedium zugeführt werden könne (Abs. [0005].
- In der Klagepatentschrift wird ausgeführt, dass – sofern als Transportgas Stickstoff eingesetzt werde – der Nachteil bestehe, dass Stickstoff eine reaktionshemmende und verzögernde Wirkung auf die Vergasungsreaktion des Ersatzreduktionsmittels habe. Da die Partikel des Ersatzreduktionsmittels vom Stickstoff umhüllt würden, könne die Reaktion erst beginnen, sobald der Stickstoff verdrängt worden sei. Dies führe zu einer Verzögerung der Reaktion und damit zu einer Verkürzung der für die Reaktion zur Verfügung stehenden Zeit gegenüber der Flugzeit des Ersatzreduktionsmittels, nachdem dieses die Einblaslanze verlassen habe (Abs. [0005]).
- Diese Zusammenhänge werden in der Klagepatentschrift im Einzelnen dahingehend erläutert, dass nur sehr kurze Reaktionszeiten für die Vergasung des Ersatzreduktionsmittels beim Einblasen in die Windform und die Wirbelzone des Hochofens von nur einigen Millisekunden zur Verfügung stehen und durch den Einsatz von Stickstoff als inertes Transportgas wichtige Reaktionszeit verloren gehe und das mögliche Vergasungspotenzial des Ersatzreduktionsmittels beim Einblasen in den Hochofen so nicht optimal ausgenutzt werde (Abs. [0006]). Werde Kohlendioxid als Transportgas verwendet, werde zwar weniger eine Hemmung der Reaktion beobachtet, allerdings seien die aus dem Stand der Technik bekannten Verfahren zur Verwendung von Kohlendioxid als Transportgas gegenüber der Verwendung von Stickstoff verhältnismäßig aufwendig und daher nachteilig. Außerdem lasse sich auch Kohlendioxid nicht optimal in den Vergasungsprozess des Ersatzreduktionsmittels einbinden, da verhältnismäßig viel Energie zugeführt werden müsse, um das Kohlendioxid-Gas an einer Reaktion mit dem Ersatzreduktionsmittel zu beteiligen (Abs. [0007]).
- Vor diesem Hintergrund besteht die Aufgabe (das technische Problem) darin, das Einblasen von Ersatzreduktionsmittel in einen Hochofen oder einen anderen Reaktor verfahrenstechnisch derart zu gestalten, dass die Vergasungsreaktion des Ersatzreduktionsmittels effektiv und schnellstmöglich ablaufen kann, um dadurch die erreichbare Einblasrate von Ersatzreduktionsmittel in den Reaktor, insbesondere den Hochofen, bei gleichzeitiger Reduzierung der Koksrate bzw. Brennstoffrate gemäß des Austauschfaktors Koks/Kohle bzw. Brennstoff/Ersatzreduktionsmittel weiter steigern und insgesamt die Brennstoffkosten weiter senken zu können.
- Zur Lösung dieses Problems schlägt das Klagepatent ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 des Klagepatents vor, die wie folgt gegliedert werden können:
- Verfahren
1. zum pneumatischen Einblasen eines pulverförmigen Ersatzreduktionsmittels mittels eines Transportgases
2. im Dichtstromverfahren, bei dem eine Fließdichte des pulverförmigen Ersatzreduktionsmittels 60% oder mehr der Packungsdichte im Schüttzustand beträgt;
3. über eine Windform (7) in einen Hochofen,
4. so dass das Ersatzreduktionsmittel in einer Vergasungsreaktion vergast wird,
5. wobei das Transportgas ein Brenngas, nämlich Koksgas aufweist. - III.
Der Klagepatentanspruch bedarf hinsichtlich der zwischen den Parteien streitigen Merkmale 2 und 4 der Auslegung. - 1.
Das erfindungsgemäße Verfahren setzt mit dem Merkmal 2 ein Dichtstromverfahren voraus, bei dem eine Fließdichte des pulverförmigen Ersatzreduktionsmittels 60 % oder mehr der Packungsdichte im Schüttzustand beträgt. Dafür ist nicht erforderlich, dass die Fließdichte des Ersatzreduktionsmittels jedenfalls beim Verlassen der Windform, d.h. genau im Zeitpunkt des Austritts aus der Einblaslanze oder einer anderen Zufuhrvorrichtung und beim Eintritt in den Hochofen, eine Fließdichte von mindestens 60% der Packungsdichte im Schüttzustand aufweist. Stattdessen ist es nach der Lehre des Klagepatents ausreichend, wenn das Ersatzreduktionsmittel am Beginn der Förderleitung, also nach seiner Fluidisierung, die genannte Fließdichte aufweist. - a)
Nach seinem Wortlaut ist der Patentanspruch zwar auf ein „Verfahren zum pneumatischen Einblasen eines pulverförmigen Ersatzreduktionsmittels im Dichtstromverfahren […] in einen Hochofen“ gerichtet. Dieser Wortlaut zwingt aber nicht zu einem Verständnis, wonach es für die Fließdichte von mindestens 60% der Packungsdichte im Schüttzustand genau auf den Zeitpunkt des Einblasens des Ersatzreduktionsmittels am Ende der Einblaslanze oder einer anderen Einblasvorrichtung in den Hochofen ankommt. Wird berücksichtigt, dass das pulverförmige Ersatzreduktionsmittel fluidisiert und mittels eines Transportgases über Zufuhrleitungen transportiert werden muss, bis es zu einer Windform gelangt, über die es schließlich in den Hochofen eingeblasen wird, ist nicht ausgeschlossen, für das Maß der Fließdichte auch auf einen früheren, dem Austritt aus der Einblaslanze vorgelagerten Zeitpunkt abzustellen. Vor allem der Begriff des Dichtstromverfahrens beschreibt diesen zeitlich gestreckten, den Transport des Ersatzreduktionsmittels umfassenden Vorgang. Dies kommt auch in der Klagepatentschrift zum Ausdruck, die mit den Begriffen „Dichtstromverfahren“ bzw. „Flugstromverfahren“ die beiden Varianten beschreibt, mit denen das pulverförmige Ersatzreduktionsmittels über Transportleitungen den Windformen zugeführt werden kann (Abs. [0005]). - b)
Für eine Auslegung des Anspruchs, nach der für die Fließdichte auf den Zeitpunkt der Fluidisierung des Ersatzreduktionsmittels abzustellen ist, spricht das Verständnis des Klagepatents vom Begriff des Dichtstromverfahrens. In der Klagepatentschrift wird ausdrücklich erklärt, „im Zusammenhang mit der vorliegenden Erfindung wird unter dem Dichtstromverfahren das Verfahren verstanden, wie es in ‘XXX‘, Vol. 27, Nr. 4,1989, S. 272-277 beschrieben wird“ (Abs. [0011]). Insofern ist das Klagepatent aber gleichsam sein eigenes Lexikon (BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube; GRUR 2001, 232 – Brieflocher; GRUR 2005, 754 – Knickschutz). - Bei der zitierten Fundstelle aus dem XXX handelt es sich um den Fachbericht „XXX“, der als Anlage HE 9 vorliegt (nachfolgend zitiert als „XXX“). Daraus ergibt sich, dass die Förderung im Flugstrom und die Förderung im Dichtstrom bereits im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Fachberichts bekannt waren und es sich um die beiden üblichen Verfahren zum kontinuierlichen Fördern mit gleichmäßiger Beladung von feinkörnigem Material handelt (XXX S. 272 li. Sp.). Die Leistung des Fachberichts besteht darin, dass er den Begriff der Fließdichte, den auch der Klagepatentanspruch verwendet, einführt, den Einfluss von Stoffparametern beschreibt und die Dichtstromförderung mathematisch näher charakterisiert. Der Fachbericht stellt zunächst fest, dass das Maß der Beladung μ regelmäßig nicht genügt, den Förderzustand feinkörniger Produkte zu beschreiben. Wörtlich heißt es dann:
- „Abhilfe schafft hier die Einführung des Begriffes der Fließdichte am Anfang der Förderung als kennzeichnende Größe“
(XXX S. 272 r. Sp.; Hervorhebung seitens der Kammer), - gefolgt von der mathematischen Formel der Fließdichte. Sodann werden die Förderverfahren nach dem Maß der Fließdichte definiert. Wieder heißt es wörtlich:
- „Ist die Fließdichte am Anfang der Förderleitung
Kl. – Gl. 25 % der Packungsdichte der Schüttung liegt Dünnstromtechnik vor
Gr. – Gl. 60 % der Packungsdichte der Schüttung liegt Dichtstromtechnik vor.“
(XXX S. 273 l. Sp.; Hervorhebung seitens der Kammer) - Das Dichtstromverfahren wird in dem Fachbericht XXX also als ein Förderverfahren definiert, bei dem am Anfang der Förderleitung die Fließdichte mindestens 60 % der Packungsdichte der Schüttung beträgt. Vor allem die Übernahme des Grenzwertes von 60 % der Packungsdichte der Schüttung in den Anspruch spricht dafür, dass das Klagepatent genau diese Definition des Dichtstromverfahrens und damit auch der Bestimmung der Fließdichte am Beginn der Förderleitung verwenden möchte.
- c)
Dies ergibt sich auch mit Blick auf die Darstellung des Standes der Technik in der Klagepatentschrift. Im Zuge dieser Darstellung verweist die Klagepatentschrift für die Beförderung der pulverförmigen Ersatzreduktionsmittel ebenfalls auf den Fachbericht im XXX und die beiden Varianten Dichtstrom- und Flugstromverfahren. Wenn nun der Klagepatentanspruch das im Stand der Technik bekannte Dichtstromverfahren zur Charakterisierung des geschützten Verfahrens aufgreift, ist im Zweifel anzunehmen, dass die Lehre des Klagepatents in dieser Hinsicht gerade nicht hinter dem Stand der Technik zurückbleiben möchte. Denn es gibt keine Anhaltspunkte im Patentanspruch oder in der Beschreibung des Klagepatents, dass sich die Lehre des Klagepatents von diesem Stand der Technik unterscheiden oder abgrenzen möchte (vgl. für den umgekehrten Fall: BGH Urt. v. 02.03.2021 – X ZR 17/19 – Schnellwechseldorn). - d)
Auch bei der gebotenen funktionalen Betrachtung ergibt sich kein anderes Verständnis von der Lehre des Klagepatents. Das Klagepatent äußert sich nicht konkret zur Funktion des Dichtstromverfahrens und der geforderten Fließdichte. Vielmehr geht die Lehre des Klagepatents von der Anwendung des Dichtstromverfahrens aus, die gerade zu dem technischen Problem, das der Erfindung zugrunde liegt, führt. Gemäß der Darstellung des Klagepatents ist die Reaktionszeit für die Vergasung des Ersatzreduktionsmittels aufgrund der kurzen Flugzeit sehr gering (Abs. [0006]). Das Vergasungspotential kann nicht vollständig ausgeschöpft werden, weil die Partikel des Ersatzreduktionsmittels von dem inerten Transportgas umhüllt sind (Abs. [0005] und [0006]). Während beim Flugstromverfahren eher die hohe Geschwindigkeit der Partikel einer vollständigen Vergasung entgegensteht, ist es beim Dichtstromverfahren eher die Masse der eingebrachten Partikel. Gelöst wird dieses Problem dadurch, dass dem Transportgas ein Brenngas zugesetzt wird, das die Vergasungsreaktion beschleunigt, weil die Reaktion früher gezündet werden kann (Abs. [0015]). Das Dichtstromverfahren als solches oder der Wert der Fließdichte leisten zur erfindungsgemäßen Lösung hingegen keinen spezifischen Beitrag. Mit ihnen sind lediglich die allgemeinen, aus dem Stand der Technik bekannten Vorteile verbunden, die beispielsweise in dem Fachbericht aus dem XXX aufgezählt sind (vgl. dort S. 272 m. Sp.). Für das Verständnis des Begriffs des Dichtstromverfahrens oder die Bestimmung der Fließdichte ergeben sich daraus keine Einschränkungen. - e)
Gegen diese Auslegung des Klagepatentanspruchs kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass sich aus dem Fachbericht im XXX ergebe, dass die Fließdichte auch am Ende der Förderleitung in der Einblaslanze mindestens 60 % der Packungsdichte im Schüttzustand betragen müsse. In dem Fachbericht wird zwar im Zusammenhang mit der Darstellung des Dichtstromverfahrens auch erläutert, den Druck im Sendegefäß, die Fluidisierungsbedingungen, den Förderleitungsdurchmesser und den Drossellanzendurchmesser so zu wählen, dass auf dem Weg zum Empfangsbehälter – dort befindet sich die als Lanze ausgebildete Drosselstelle – der Druckverlust der Leitung möglichst gering, die Entmischung des Zweistoffgemisches vernachlässigbar klein sei und das Förderrohr völlig mit dem Gemisch gefüllt bleibe; damit könnten die Förderleitungen als Verlängerung des Sendegefäßes aufgefasst werden (XXX S. 273 m. Sp.). Dem lässt sich aber nicht entnehmen, dass die Fließdichte auch in der Einblaslanze zwingend mindestens 60 % der Packungsdichte im Schüttzustand betragen müsse. Es handelt sich lediglich um eine Empfehlung zur Auslegung der Fluidisierungs- und Förderanlage, die aber weder zwingend ist, noch Änderungen in der Fließdichte ausschließt. Dementsprechend heißt es auch nur, „die Förderleitungen [können] als Verlängerung des Sendegefäßes aufgefasst werden“ (XXX S. 273 m. Sp.). Über die konkreten Druck- und Geschwindigkeitsverhältnisse sowie die Fließdichte ist damit nichts Abschließendes gesagt. - Ebenso wenig greift gegen die Auslegung des Anspruchs der Einwand durch, dass bei der Bestimmung der Fließdichte zwingend auch der Anteil des Brenngases im Transportgas zu berücksichtigen sei. Wenn sich die allgemeine Definition der Fließdichte auf den Beginn der Förderleitung bezieht und dort bestimmt werden soll, ist im Laufe des Transports des Ersatzreduktionsmittels eine Verringerung der Fließdichte – auch unter den für die Definition des Dichtstromverfahrens charakteristischen Wert der Fließdichte von mindestens 60 % der Packungsdichte im Schüttzustand – möglich. Dann ist aber auch eine Verringerung der Fließdichte durch die nachträgliche Beimischung eines Brenngases zum Transportgas hinzunehmen, selbst wenn dadurch die Fließdichte unter 60 % der Schüttdichte fallen sollte. Das Klagepatent stellt für die Fließdichte grundsätzlich nicht auf den Zeitpunkt ab, in dem das Ersatzreduktionsmittel die Einblaslanze verlässt und in den Hochofen eintritt.
- Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Absatz [0014] der Klagepatentschrift. Soweit es dort heißt, „grundsätzlich ist das Transportgas beim Einblasen zu betrachten, d. h. in der Zusammensetzung, wie es in den Vergasungsreaktor oder über die Windform in den Hochofen einzublasen ist“ (Abs. [0014]). Weder ist dieser Textstelle zwingend zu entnehmen, dass für die Fließdichte auf den Ausgang der Einblaslanze abzustellen ist. Noch bezieht sich die Textstelle überhaupt auf die Fließdichte, sondern auf die Zusammensetzung des Transportgases, insbesondere auf die Hinzufügung eines Brenngases (vgl. den vorangehenden Abs. [0013]).
- 2.
Gemäß Merkmal 4 des Klagepatentanspruchs soll das pulverförmige Ersatzreduktionsmittel in einen Hochofen eingeblasen werden, so dass es in einer Vergasungsreaktion vergast wird. Dies schließt anfängliche Verbrennungsreaktionen des Ersatzreduktionsmittels nicht aus, solange gleichzeitig oder unmittelbar im Anschluss (Zwischenverbrennung) weitere Vergasungsreaktionen stattfinden, so dass das Ersatzreduktionsmittel – jedenfalls teilweise – als gasförmiges Reduktionsmittel für Hochofenprozesse zur Verfügung steht. - Das Klagepatent definiert die Begriffe „Vergasung“ und „Verbrennung“ wie folgt. Demnach „bedeutet ‚Vergasung‘ eine unvollständige Verbrennung, aus der vorzugsweise CO und/oder H2 resultieren. Im Gegensatz dazu bedeutet ‚Verbrennung‘ eine vollständige Verbrennung, die beispielsweise zu CO2 und/oder H2O führt“ (Abs. [0003]).
- Weiterhin beschreibt das Klagepatent auch, welche chemischen Reaktionen patentgemäß als Vergasungsreaktionen des Ersatzreduktionsmittels anzusehen sind (Abs. [0019]):
Oxidation der Flüchtigen: vol + O2 → CO + H2 + N2
Partieller Koksausbrand: C + ½ O2 → CO
CO Oxidation / Dissoziation von Kohlendioxid: 2CO + O2 ↔ 2CO2
Boudouard-Reaktion: C + CO2 ↔ 2CO
Wassergasreaktion (heterogen): C + H2O → CO + H2
Wassergasreaktion (homogen): CO + H2O ↔ CO2 + H2
Knallgasreaktion / Dissoziation von Wasserdampf: H2 + O2 ↔ 2H2O
Erdgasreaktion: CH4 + 2O2 → CO2 + 2H2O - Die Funktion der Vergasungsreaktion besteht darin, als Reaktionsprodukte CO und H2 bereitzustellen, da diese für den Hochofenprozess nützlich sind und so hochpreisiger Koksbrennstoff eingespart werden kann (Abs. [0003]). Es geht also nicht darum, Vergasungsreaktionen herbeizuführen, damit keine festen Partikel in die Koksschüttung eindringen können. Dieses Ziel kann auch durch eine Verbrennung des Ersatzreduktionsmittels herbeigeführt werden, weil die Reaktionsprodukte einer vollständigen Verbrennung in erster Linie CO2 und Wasserdampf sind, also gasförmige Reaktionsprodukte, mit denen nicht die Gefahr einer Verstopfung der Koksschüttung verbunden ist. Es ist eben nicht so, dass – wie die Beklagte vorträgt – bei einer Verbrennung nur Asche zurückbliebe. Ziel der Vergasungsreaktionen ist es vielmehr, Reaktionsprodukte bereitzustellen, die allgemein für den Hochofenprozess nützlich sind. Damit sind jedoch anfängliche Verbrennungsreaktionen oder auch eine Zwischenverbrennung des Ersatzreduktionsmittels dergestalt, dass die Verbrennungsprodukte unmittelbar anschließend wieder reduziert werden und als Reduktionsmittel zu Verfügung stehen, nicht ausgeschlossen.
- Dies zeigen auch die möglichen Vergasungsreaktionen wie beispielsweise die CO-Oxidation, die Knallgasreaktion oder die Erdgasreaktion, bei denen eine vollständige Verbrennung stattfindet. Auch hinsichtlich des Brenngases weist das Klagepatent darauf hin, dass es Komponenten O2, H2O oder CO2 oder deren Oxidationskomponenten umfassen kann. Es handelt sich dabei um CO, H2 oder CH4, die vor der Vergasungsreaktion des Ersatzreduktionsmittels noch eine Oxidationsreaktion, also eine Verbrennungsreaktion durchlaufen (vgl. Abs. [0012] und [0015]). Auf eine solche Verbrennung des Ersatzreduktionsmittels weist auch die in der Klagepatentschrift bevorzugte Zusammenführung von Sauerstoff oder einem sauerstoffhaltigen Gas mit dem Ersatzreduktionsmittel und dem Transportgas kurz vor dem Eintritt in den Hochofen hin. Das Klagepatent sieht Sauerstoff als einen für die Vergasungsreaktion wichtigen Reaktionspartner an (Abs. [0024]). In einer bevorzugten Ausführungsform wird daher Sauerstoffgas oder ein sauerstoffhaltiges Gasgemisch so in den Hochofen eingeblasen, dass das Transportgas und das Ersatzreduktionsmittel im Mündungsbereich der Einblaslanze mit dem Sauerstoff oder dem sauerstoffhaltigen Ersatzreduktionsmittel zusammengeführt werden (Abs. [0022]). Infolgedessen wird es zwangsläufig beim Eintritt in den Hochofen auch zu den vom Patent noch als Vergasungsreaktionen angesehenen Verbrennungsreaktionen kommen.
- Vor diesem Hintergrund ist es entscheidend, dass die aus diesen Reaktionen (CO-Oxidation, Knallgasreaktion oder Erdgasreaktion) hervorgegangenen Verbindungen für weitere Vergasungsreaktionen zur Verfügung stehen. Das ist – wie aber die Boudouard-Reaktion, die Wassergasreaktionen oder die Knallgasreaktion zeigen – der Fall, weil CO2 und H2O auch wieder reduziert werden können. Es ist also nach den oben angegebenen Vergasungsreaktionen eben nicht so, dass die Verbrennungsreaktionen unumkehrbar sind. Vielmehr hängt es von den Reaktionsbedingungen ab, ob den Verbrennungsprodukten CO2 und H2O wieder Sauerstoff entzogen werden kann. Insofern kommt es – worauf die Klägerin hingewiesen hat – auf die stöchiometrische Zusammensetzung der zugeführten Edukte, nämlich des Ersatzreduktionsmittels, des Brenngases, des weiteren Transportgases und sonstiger Ausgangsstoffe an.
- Diese Auslegung wird von der fachkundig besetzen Einspruchsabteilung beim EPA in der Begründung ihrer Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2020 (vorgelegt im Anlagenkonvolut B 2) bestätigt. In der mündlichen Verhandlung über den Einspruch hatte die Klägerin unter Verweis auf den Absatz [0019] des Klagepatents noch vorgetragen, dass das Klagepatent eine Zwischenverbrennung nicht ausschließe (S. 1 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung über den Einspruch, vorgelegt im Anlagenkonvolut B 2). Die Einspruchsabteilung teilt in der Einspruchsentscheidung diese Auffassung, wenn sie erklärt, dass keine chemische Reaktion in einem Hochofen komplett ablaufe. Der Fachmann wisse aber, dass ein unterstöchiometrischer Sauerstoff-Zusatz zum Vergasen führe. So wie es auch einen Unterschied zwischen einem Vergasungsreaktor und einem Verbrennungsreaktor gebe, so wisse der Fachmann, dass Temperatur, Druck und Gaszusammensetzung den Ausgleich zwischen den chemischen Reaktionen steuern und das Ergebnis bestimmen (S. 7 der Einspruchsentscheidung in Anlage B 2). Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass es beim Einblasen des Ersatzreduktionsmittels mittels des Transportgases sowohl zu Verbrennungs- oder Oxidationsreaktionen einerseits, als auch zu Vergasungsreaktionen im engeren Sinne bzw. Reduktionsreaktionen andererseits kommen kann, aber von Temperatur, Druck und Gaszusammensetzung abhängt, welche Reaktionen überwiegen. Insbesondere führt ein unterstöchiometrischer Sauerstoffzuschuss, mit dem im Hochofen ein stöchiometrischer Kohlenstoffüberschuss korrespondiert, im Ergebnis zu einer Vergasung des Ersatzreduktionsmittels.
- IV.
Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagte stellen eine verbotene Benutzung des Klagepatents im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG dar. - 1.
Zwischen den Parteien ist zu Recht unstreitig, dass die Beklagte die angegriffene Ausführungsform – wie etwa für die Hochöfen 4 und 5 der B – in der Bundesrepublik Deutschland zur inländischen Benutzung anbietet und liefert. Es handelt sich bei der angegriffenen Ausführungsform zudem um ein Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht. Dies wird von der Beklagten ebenfalls zu Recht nicht in Abrede gestellt. - 2.
Die angegriffene Ausführungsform ist objektiv geeignet, das Verfahren nach dem Klagepatentanspruch 1 anzuwenden. Dies ist für die Merkmale 1, 3 und 5 zu Recht unstreitig. Denn mittels der an den Hochöfen Nr. 4 und 5 der B installierten angegriffenen Ausführungsform kann Staubkohle (PC = pulverised coal) mit Hilfe von Stickstoff als Transportgas in einen Hochofen eingeblasen werden, wobei wahlweise Koksgas beigemischt werden kann. Insofern macht es keinen Unterschied, ob ein Gemisch aus Stickstoff und Koksgas als Transportgas bereitgestellt wird, um Staubkohle zu befördern, oder die Staubkohle zunächst mittels Stickstoff transportiert und sodann Koksgas als weiteres Transport- und Brenngas zugemischt wird, wie dies bei der in Dillingen installierten angegriffenen Ausführungsform der Fall ist. - Zudem werden die Merkmale 2 und 4 verwirklicht.
- a)
Die angegriffene Ausführungsform, wie sie in den beiden Hochöfen der B installiert wurde, ist mit den weiteren Bestandteilen der Hochöfen geeignet, pulverförmiges Ersatzreduktionsmittel im Dichtstromverfahren, bei dem eine Fließdichte des Ersatzreduktionsmittels mindestens 60% der Packungsdichte im Schüttzustand beträgt (Merkmal 2), in die Hochöfen einzublasen. - Einigkeit besteht zwischen den Parteien, dass die angegriffenen Anlagen Einblaskohle als Ersatzreduktionsmittel in die Hochöfen einblasen können, deren Packungsdichte im Schüttzustand 500 kg/m³ beträgt. Demzufolge muss die Fließdichte für ein Verfahren nach der Lehre des Klagepatents mindestens 300 kg/m³ betragen.
- Die Klägerin hat dargelegt, dass die Fließdichte am Hochofen 5 der B bei Verwendung der angegriffenen Ausführungsform mindestens 324,832 kg/m³ und damit mehr als 300 kg/m³, wie vom Klagepatentanspruch gefordert, beträgt. Sie stützt sich dafür auf Berechnungen, die sie auf der Grundlage von Zahlen und Werten, die sie aus verschiedenen Fachberichten und Veröffentlichungen (Anlagen HE 7 bis HE 9) gewonnen hat, angestellt hat.
- Die Beklagte ist diesem Vortrag im Ergebnis nicht erheblich entgegengetreten. Sie bestreitet zwar, dass die Fließdichte des Ersatzreduktionsmittels am Lanzenausgang oder auch schon ab dem Zeitpunkt der Beimischung des Koksgases im beanspruchten Bereich liegt. Darauf kommt es aber bei zutreffender Auslegung nicht an. Vielmehr genügt es, wenn die Fließdichte am Anfang der Förderleitung mindestens 60 % der Schüttdichte beträgt. In dieser Hinsicht bestreitet die Beklagte jedoch eine Fließdichte im beanspruchten Bereich nicht. Sie bemängelt nur, dass dazu Vortrag der Klägerin fehle.
- Die Beklagte hat weiterhin anhand einer Prinzipskizze der Kohlenstaubeinblasanlage (PCI Anlage) des Hochofens der B und einer tabellarischen Aufstellung die Fließdichten an verschiedenen Anlagepunkten für verschiedene Beimischungsmengen an Koksofengas (KOG) dargestellt:
- Es fällt bereits auf, dass die Beklagte für die Anlagepunkte 1 bis 4 keine Fließdichten angibt und damit eine Fließdichte von mindestens 60 % der Schüttdichte nicht substantiiert in Abrede stellt. Dagegen kann auch nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass an diesen Anlagepunkten noch kein Koksofengas zugemischt worden sei. Denn bei zutreffender Auslegung kommt es darauf nicht an, sondern nur auf die Fließdichte am Anfang der Zuführleitung, sprich: Anlagepunkt 2 oder 3. Allerdings beträgt die berechnete Fließdichte ohne Koksofengas hinter der Mischkammer, also am Anlagepunkt 5, immer noch über 300 kg/m³. Denn muss sie vor der Mischkammer, also an den Anlagepunkten 2 und 3 erst Recht über 300 kg/m³ betragen. Denn die Beklagte trägt sinngemäß selbst vor, dass die Fließdichte unter anderem durch die Expansion des Transportgases, welche aus dem Druckabfall in der Leitung bis zum Beimischungspunkt des Brenngases resultiert, sinkt.
- Zuletzt hat die Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass die angegriffene Ausführungsform im Dichtstromverfahren betrieben wird. Dass die Vorrichtungen zum Transport und Einblasen von Staubkohle bereits vor der Installation der angegriffenen Ausführungsform im Dichtstromverfahren betrieben wurden und die Beklagte, wie sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, lediglich Eindüsstellen für Brenngas hinzugefügt hat, ist unerheblich. Die Eignung für das patentgemäße Verfahren, zu dem die Merkmale des Klagepatentanspruchs in ihrer Gesamtheit zu betrachten sind und zu denen neben dem Merkmal 2 auch Merkmal 5 gehört, wurde erstmals durch die Installation der angegriffenen Ausführungsform erzielt.
- b)
Durch die angegriffenen Einblasanlagen kann das Ersatzreduktionsmittel so in den Hochofen eingeblasen werden, dass die Ersatzreduktionsmittel in einer Vergasungsreaktion vergast werden (Merkmal 4). - Die Hochöfen Nr. 4 und 5 der B verwenden als pulverförmiges Ersatzreduktionsmittel Staubkohle (PC = pulverised coal). Dass diese Staubkohle jedenfalls teilweise auch an Vergasungsreaktionen teilnimmt, ergibt sich bereits aus der als Anlage HE 7 vorgelegten Präsentation zu dem Vortrag „XXX“ vom 6. Dezember 2019 von Dr. C im Rahmen des akademischen Forums für XXX (XXX) am Institut für XXX (XXX) der XXX. Mit dieser Präsentation wird unter anderem die Koksgasbeimischung zur Kohleeinblasung an den Hochöfen der B dargestellt. Anhand eines Kohlekorns sind auch die stattfindenden chemischen Reaktionen wiedergegeben (S. 12 der Anlage HE 7). Bei allen anhand des Kohlekorns dargestellten Reaktionsprodukten handelt es sich – abgesehen von der Darstellung der flüchtigen Bestandteile – um Vergasungsreaktionen im Sinne des Klagepatents (vgl. Abs. [0019]).
- O2 + 2 C → 2 CO
CO2 + C → 2 CO
H2O + C → H2 + CO - Bei den weiteren neben dem Kohlekorn angegebenen Reaktionsgleichungen handelt es sich ebenfalls durchweg um Vergasungsreaktionen im Sinne des Klagepatents (Abs. [0019]), selbst wenn in zwei der Reaktionen H2 und CO mit Sauerstoff vollständig zu H2O und CO2 reagieren. Auch diese beiden Reaktionen sind als Vergasungsreaktionen im Klagepatent angegeben. Es wird weiter deutlich, dass der eingesetzte Sauerstoff für die Vergasungsreaktionen durchaus notwendig ist, indem etwa der Kohlenstoff des Kohlekorns zu Kohlenmonoxid oxidiert. Damit handelt es sich bei der Einblaskohle um ein pulverförmiges Ersatzreduktionsmittel, das durch das Einblasen in den Hochofen in einer Vergasungsreaktion vergast wird.
- Soweit die Beklagte behauptet, mit der angegriffenen Ausführungsform werde keine Vergasungsreaktion angestrebt, sondern mit dem gleichzeitig am Lannzenende koaxial zuströmenden Sauerstoff werde der Kohlenstaub vollständig verbrannt, um die erwünschten hohen Temperaturen für den Hochofenprozess zu erzeugen, mit der Folge, dass CO2 und H2O entstehen, vermag sie damit nicht durchzudringen. Der Vortrag der Beklagten lässt schon mangels Substantiierung nicht die Feststellung zu, dass der Kohlenstaub und die brennbaren Bestandteile des Koksgases tatsächlich vollständig verbrannt werden. Es kommt auch nicht darauf an, ob eine Vergasungsreaktion oder eine Verbrennungsreaktion angestrebt ist, sondern welche Reaktionen tatsächlich stattfinden. Zu den stöchiometrischen Verhältnissen, insbesondere zum Verhältnis von Sauerstoff einerseits und Wasserstoff und Kohlenstoff andererseits beim Austritt aus der Lanze verhält sich die Beklagte aber nicht. Auch aus der als Anlage HE 7 vorgelegten Präsentation lässt sich nicht entnehmen, dass mit der angegriffenen Ausführungsform eine vollständige Verbrennung des Kohlenstaubs angestrebt und tatsächlich erzielt wird. Nach den anhand des Kohlekorns wiedergegebenen chemischen Reaktionen (vgl. Seite 12 der Anlage HE 7) scheint auch die Beklagte davon auszugehen, dass zunächst das Koksgas und auch freigesetzter Wasserstoff verbrennen und die Reaktionsprodukte sowie weiterhin vorhandener Sauerstoff die Kohlekörner der Staubkohle in einer Vergasungsreaktion reduzieren. Dass es sich um ein Kohlekorn der eingeblasenen Staubkohle handelt, geht aus der angegebenen Grenzschicht, die das Transportgas N2 verdeutlich, hervor.
- Auch der in der Präsentation verwendete Begriff der „Zündung“ und der „Umsetzungsgrad der Einblaskohle“ (vgl. Seite 23 der Anlage HE 7) weisen nicht zwingend auf eine vollständige Verbrennung oder auch nur auf das Ziel einer solchen Verbrennung hin. Selbst die Klagepatentschrift verwendet den Begriff der Zündung für die Einleitung der Vergasungsreaktion (vgl. z.B. Abs. [0015], [0025]). Ebenso kann die Umsetzung der Einblaskohle den Anteil der Staubkohle beschreiben, der Vergasungsreaktionen in Form einer unvollständigen Verbrennung unterliegt, verstanden werden. Schließlich stellt auch die Leuchterscheinung beim Austritt des Ersatzreduktionsmittels aus der Einblaslanze in den Hochofen (vgl. S. 13 ff. der Anlage HE 7) nicht zwingend einen Beleg für die sofortige vollständige Verbrennung des Ersatzreduktionsmittels dar. Eine in Teilen vollständige Verbrennung nimmt das Klagepatent jedoch unzweifelhaft hin. Denn es weist selbst darauf hin, dass insbesondere bei der Zuführung von Sauerstoff eine Lichterscheinung auftreten kann, wenn das Ersatzreduktionsmittel mit dem Brenngas reagiert. Diese Lichterscheinung könne genutzt werden, um die Beladung des Transportgases zu optimieren und so viel Ersatzreduktionsmittel zuzugeben, bis die Lichterscheinung erlischt (Abs. [0040]). Die durch die Anwesenheit von Sauerstoff erzeugte Lichterscheinung ist zwar nichts anderes als eine Verbrennung des Ersatzreduktionsmittels. Die Textstelle ist aber ein Beleg dafür, dass das Klagepatent eine solche Verbrennung hinnimmt. Es geht dem Patent nicht darum, das Ersatzreduktionsmittel und das Brenngas beim Austritt aus der Lanze unmittelbar und vollständig im Wege einer Vergasungsreaktion im engeren Sinne umzusetzen. Die Lichterscheinung bei der angegriffenen Ausführungsform führt für sich genommen jedenfalls nicht aus der Lehre des Klagepatents heraus.
- Gegen eine unmittelbare und vollständige Verbrennung des durch die angegriffene Ausführungsform eingeblasenen Ersatzreduktionsmittels spricht auch der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläuterte und mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 3. Mai 2022 eingereichte Auszug aus dem Handbuch „XXX“ (Anlage B 19). Wenn die angegriffene Ausführungsform nach diesem Prinzip, nach dem die Sauerstofflanze in die Düse zum Einblasen des Ersatzreduktionsmittels in den Hochofen ragt und der Verbrennung des Koksgases und des Ersatzreduktionsmittels dienen soll, findet jedenfalls keine vollständige Verbrennung statt. Dies wird aus den Figuren 4-1 und 4-2 des Handbuchauszugs deutlich. Zwar finden – wie dies auch im Fließtext beschrieben wird – Verbrennungsreaktionen im Sinne des Klagepatents statt, bei denen CO2 entsteht, denn die Kurve für den CO2-Anteil am Gas steigt, und das auch noch nach dem Austritt aus der Düse. Allerdings steigt auch der CO-Anteil im Gas, und zwar ab einem Zeitpunkt, bevor der CO2-Anteil sein Maximum erreicht. Es finden also bereits Vergasungsreaktionen statt, bevor sämtliche Bestandteile des Ersatzreduktionsmittels und des Brenngases vollständig verbrannt sind. Dies geht auch noch einmal aus der Figur 4-2 hervor, wonach sich unmittelbar an den Düsenausgang die „Oxidation zone“ anschließt, in der Kohlenstoff unter anderem mit Sauerstoff zu Kohlenmonoxid (CO) reagiert, bevor in der nachfolgenden Solution-loss reaction zone der Kohlenstoff der Staubkohle mit Kohlendioxid (CO2) oder Wasser (H2O) zu Kohlenmonoxid reagiert. Bei alledem ist zu berücksichtigen, dass diese Reaktionen in einer Kaverne bzw. einer Wirbelzone in oder unmittelbar vor der eigentlichen Hochofenschüttung stattfinden (vgl. Fig. 4-2 des Handbuchauszugs) und allein die Staubkohle betreffen. Es handelt sich also nicht oder allenfalls im geringen Umfang um Reaktionen mit dem in der Schüttung vorhandenen Kohlenstoff. Im Ergebnis erlaubt der Handbuchauszug nicht die Feststellung, dass das Ersatzreduktionsmittel beim Austritt aus der Düse unmittelbar und vollständig verbrennt. Vielmehr stützt sie die Auffassung, dass es selbst bei der Zufuhr von Sauerstoff von Beginn an auch zu Vergasungsreaktionen kommt. Selbst wenn es aber zu einer vollständigen Verbrennung käme, schließen sich unmittelbar, nämlich noch in der Wirbelzone, Vergasungsreaktionen an, durch die Reduktionsmittel für den Hochofenprozess bereitgestellt werden. Auch eine solche Zwischenverbrennung ist nach der Lehre des Klagepatents unschädlich. Dementsprechend beschreibt auch Herr G, Mitarbeiter der Beklagten, im XXX vom Januar 2020 das Einblasen der Staubkohle als „Einblasen von Zusatz-Reduktionsmitteln“. Selbst das als Brenngas beigemischte Koksgas wird als Reduktionsmittel bezeichnet (Anlage HE 6). Auf eine Zwischenverbrennung – so sie überhaupt vollständig stattfindet – kommt es dem Fachmann nicht an.
- 3.
Es ist schließlich offensichtlich, dass die angegriffene Ausführungsform von den Angebotsempfängern und Abnehmern zur Anwendung des patentgeschützten Verfahrens verwendet wird. - Für die Offensichtlichkeit ist maßgeblich, ob im Zeitpunkt des Angebots oder der Lieferung nach den gesamten Umständen des Falls die drohende Patentverletzung aus der Sicht des Anbieters oder Lieferanten so deutlich erkennbar war, dass ein Angebot oder eine Lieferung der wissentlichen Patentgefährdung gleichzustellen ist (BGH GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat). Es genügt, wenn aus der Sicht des Dritten bei objektiver Betrachtung nach den Umständen die hinreichend sichere Erwartung besteht, dass der Abnehmer die angebotenen oder gelieferten Mittel zur patentverletzenden Verwendung bestimmen wird (BGH GRUR 2006, 839 – Deckenheizung). Zur Feststellung dieses Tatbestandsmerkmals kann auf Erfahrungen des täglichen Lebens zurückgegriffen werden (BGH GRUR 2005, 848, 851 – Antriebsscheibenaufzug). Regelmäßig liegt der notwendig hohe Grad der Erwartung einer Patentverletzung dann vor, wenn der Anbieter oder Lieferant selbst eine solche Benutzung vorgeschlagen hat (BGH GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat). Dies kann der Fall sein, wenn in Bedienungsanleitungen oder dergleichen der Angebotsempfänger oder Belieferte darauf hingewiesen wird, das Mittel in einer klagepatentgemäßen Weise zu verwenden, weil die Erfahrung dafür spricht, dass sich der Angebotsempfänger oder Abnehmer nach derartigen Anleitungen oder Empfehlungen richten wird (BGH GRUR 2005, 848, 853 – Antriebsscheibenaufzug).
- Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall die Verwendungsbestimmung jedenfalls offensichtlich.
- Eine nicht patentgemäße Verwendung könnte sich allenfalls dadurch ergeben, dass das pulverförmige Ersatzreduktionsmittel nicht im Dichtstromverfahren den Windformen zugeführt und in den Hochofen eingeblasen wird. Allerdings hängt die Wahl zwischen dem Dichtstromverfahren und dem Flugstromverfahren nicht einfach vom Gutdünken des Anlagenbetreibers ab. Zunächst ist davon auszugehen, dass Rohrleitungen, Vorrats- und Mischgefäße sowie Ventile für die Anwendung des Dichtstromverfahren konzipiert sind und nicht ohne weiteres vom Dichtstrom- zum Flugstromverfahren übergegangen werden kann. Dafür spricht auch, dass – wie die Beklagte zuletzt in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat – die Anlage von vorherein für das Dichtstromverfahren konzipiert war und sie lediglich die Eindüsstellen für den Zusatz von Koksgas konzipierte und montierte. Wird weiterhin berücksichtigt, dass die Wahl eines Beförderungsverfahren vom Betriebszustand des Hochofens und den darin herrschenden Reaktionsbedingungen abhängt, die wiederum von einer Vielzahl von Faktoren abhängig sind, ergibt sich letztlich die Anwendung des geschützten Verfahrens zwangsläufig, wenn der Betriebszustand des Hochofens ein Einblasen des Ersatzreduktionsmittels im Dichtstromverfahren erfordert. Werden zudem die mit dem Dichtstromverfahren verbundenen Vorteile berücksichtigt, besteht die hohe Erwartung, dass die Anlagen von vornherein so konzipiert sind, dass die Staubkohle im Dichtstromverfahren dem Hochofen zugeführt wird und auch so betrieben wird. Etwas anderes behauptet auch die Beklagte nicht.
- Ob auch ein Betrieb des Hochofens, bei dem dem Transportgas kein Brenngas in Form von Koksgas zugesetzt wird, als patentfreie Verwendung anzusehen ist, nachdem die Beklagte nur die Eindüsstellen nachgerüstet hat, bedarf an dieser Stelle keiner abschließenden Entscheidung. Denn der Zusatz von Koksgas zum Transportgas ist mit technischen und wirtschaftlichen Vorteilen für den Betrieb des Hochofens verbunden (vgl. Anlage HE 7), die sicher erwarten lassen, dass der Hochofenbetreiber regelmäßig Koksgas zusetzen wird. Dass die Anlage – wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat – seit mehreren Monaten ohne den Zusatz von Koksgas betrieben wird, führt zu keiner anderen Bewertung, da unklar ist, weshalb die angegriffene Ausführungsform in dieser Form nicht mehr genutzt wird. Dies kann beispielsweise daran liegen, dass sie defekt ist oder der Betrieb aus Sorge vor einer Patentverletzung vorsorglich eingestellt wurde. Dies ändert aber nichts an der grundsätzlichen Vorteilhaftigkeit, Koksgas dem Ersatzreduktionsmittel und dem Transportgas zuzusetzen. Aus diesem Grund wurde die angegriffene Ausführungsform überhaupt installiert.
- V.
Die Wirkungen des Klagepatents treten auch gegenüber der Klägerin ein. Diese kann sich nicht mit Erfolg auf ein privates Vorbenutzungsrecht gemäß § 12 PatG berufen. - Der Erwerb des Vorbenutzungsrechts setzt zunächst – über den Wortlaut des § 12 PatG hinaus – voraus, dass der Handelnde selbstständig Erfindungsbesitz erlangt und diesen redlich erworben hat (BGH, GRUR 1960, 546 (548) – Bierhahn; OLG Düsseldorf, GRUR 2018, 814, Rn. 91 – Schutzverkleidung für funktechnische Anlagen). Das Entstehen eines Erfindungsbesitzes verlangt – wie der Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 1 PatG vorgibt – weiter eine Betätigung des Erfindungsbesitzes.
- Diese Voraussetzungen lassen sich im Streitfall nicht feststellen. Die Beklagte befand sich nicht im Erfindungsbesitz und, soweit sie ihn doch erlangt haben sollte, wurde weder die Benutzung der Erfindung durch die Beklagte aufgenommen, noch wurden die für eine alsbaldige Benutzungsaufnahme erforderlichen Veranstaltungen unternommen.
- 1.
Der Vortrag der Beklagten zum Bau einer Anlage zum Entladen, Vorhalten, Aufbereiten und Einblasen von Kohlenstaub am Hochofen 4 im Werk XXX des Unternehmens D durch eine Arbeitsgemeinschaft der beiden Parteien mit der Klägerin als Konsortialführer lässt nicht erkennen, dass sich die Beklagte im Erfindungsbesitz befand. - a)
Erfindungsbesitz hat, wer auf Grund eigener Erkenntnis oder die eines für ihn handelnden Gehilfen weiß, welche Maßnahmen er treffen muss, um zum erfindungsgemäßen Erfolg zu gelangen. Dieses Wissen ist gegeben, wenn die sich aus Aufgabe und Lösung ergebende technische Lehre objektiv fertig und subjektiv erkannt worden ist, dass und wie eine tatsächliche Ausführung möglich ist (BGH, GRUR 2012, 895, Rn. 18 – Desmopressin). Daran fehlt es hier. - b)
Unstreitig wurden am Hochofen 4 in XXX zwei Halbanlagen gebaut, jeweils eine durch die Klägerin und eine durch die Beklagte, von denen jede zum Einblasen von Kohlenstaub an einer Hälfte der Windformen des Hochofens geeignet war. Während die Klägerin als neuartiges Einblasverfahren das Dichtstromverfahren zum Einsatz bringen sollte, sollte die Beklagte ein neuartiges Kohlenstaub-Mengenstrom-Regelventil (Dosierventil) mit herkömmlicher Dünnstromförderung einsetzen. - Die von der Klägerin konzipierte Halbanlage sah unter anderem ein Verteilgefäß und daran anschließend Auflockerungskammern mit integriertem Dosierventil für den Kohlenstaub vor. In den Auflockerungskammern wird Stickstoff als Auflockerungsgas mit Druck in den Kohlenstaub eingeblasen, um diesen so transportfähig zu machen. Im Anfangsbereich der sich an die Auflockerungskammern und die Dosierventile anschließenden Einblasleitung befand sich eine Mischkammer zum Einbringen von Druckluft. Die Fließdichte des mit Stickstoff versetzten Kohlenstaubs lag mit 345 kg/m³ über 60 % der Packungsdichte im Schüttzustand, jedoch nach dem Zusatz der Druckluft unterhalb von 60 % der Packungsdichte. Die Anlage ging im Jahr 1985 in Betrieb.
- Die Konzeption der in XXX am Hochofen 4 installierten Halbanlage lässt nicht erkennen, dass sich die Beklagte im Erfindungsbesitz befand, da es an Merkmal 2 fehlt. Zwar lag die Fließdichte des Kohlenstaubs zu Beginn der Einblasleitung über 60 % der Packungsdichte im Schüttzustand, jedoch durch den unmittelbar nachfolgenden Zusatz von Druckluft zum Transportgas unterhalb von 60 % und damit außerhalb des erfindungsgemäßen Bereichs. Aus dem als Anlage B 7 vorgelegten Funktionsbild mit einer zeichnerischen Darstellung von Auflockerungskammer, Dosierventilen, Mischkammern und dem Beginn der Einblasleitung ist ersichtlich, dass sich die Zufuhr von Druckluft unmittelbar an die Auflockerungskammern mit den Dosierventilen anschließt, mithin zu Beginn der Einblasleitung erfolgt. Der eigentliche Transport des Kohlenstaubs findet daher im Dünnstromverfahren statt. Darin liegt nach dem Verständnis der Kammer auch der Unterschied zur angegriffenen Ausführungsform, bei der das Koksofengas erst später zugemischt wird und der eigentliche Transport des Kohlenstaubs im Dichtstromverfahren erfolgt. Diesem Verständnis, wonach sich die Mischkammern unmittelbar an die Auflockerungskammern mit den Dosierventilen anschließen, ist die Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung nicht weiter entgegengetreten. Dementsprechend hat die Beklagte selbst schriftsätzlich vorgetragen, dass am Hochofen 4 in XXX das Dünnstromverfahren angewendet wurde.
- 2.
Es lässt sich auch nicht erkennen, dass die Beklagte in der Folgezeit Erfindungsbesitz erlangte. Zwar wurde ein bis zwei Jahre später die Halbanlage am Hochofen 4 in XXX von der Beklagten umgebaut. Der Betreiber D hatte keinem Verfahren der beiden Parteien den Vorzug gegeben. Er hatte die dem Verfahren der Klägerin innewohnenden Eigenschaften als vorteilhaft gewürdigt und zugleich bei dem Verfahren der Beklagten den Eintrag von Kohlenstaub zusammen mit Druckluft – trotz der „weniger vorteilhaften Fördertechnik“ – als vorteilhaft für die Umsetzung des Kohlenstaubs im Hochofen angesehen. Dieser „weniger vorteilhaften Fördertechnik“ – gemeint ist das Dünnstromverfahren – nahm sich die Beklagte an und erprobte an der Halbanlage die Umstellung auf die Dichtstromförderung. Dafür wurde unter anderem die Luftzufuhr zu den Mischkammern in den Einblasleitungen geschlossen. - Die Klägerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die von der Beklagten umgebaute Anlage nach wie vor nicht geeignet war, das erfindungsgemäße Verfahren anzuwenden, weil mit der Schließung der Druckluftzufuhr zwar das Dichtstromverfahren angewandt wurde, das Transportgas nun aber kein Brenngas mehr in Form der Druckluft aufwies und daher das Merkmal 5 des Klagepatentanspruchs nicht verwirklicht wurde.
- 3.
Soweit die Beklagte vorträgt, sie habe in den nachfolgenden Jahren von ihr installierte Einblasanlagen an verschiedenen Hochofenanlagen auf Dosierventile wie in XXX umgerüstet, begründen auch diese Anlagen keinen Erfindungsbesitz. Denn die Beklagte trägt vor, auf ausdrücklichen Wunsch der Hochofenbetreiber seien die Anlagen weiterhin mit Druckluftzugabe in die Einblasleitungen konzipiert worden, obwohl die Dichtstromförderung bereits zur Verfügung stand. Damit gilt das zu der Halbanlage am Hochofen 4 in XXX Gesagte: Es fehlt entweder am Merkmal 2 oder am Merkmal 5. Insbesondere für die Anlage am Hochofen 5 in XXX ist anhand der als Anlage B 8 vorgelegten Spezifikation der Verrohrung vorgetragen, dass dem Kohlenstaub im Anfangsbereich jeder Einblasleitung ein fester Luftmengenstrom – das ist die Beimischung der Druckluft – zugeführt wird. Damit fehlt es aber am Transport des Ersatzreduktionsmittels im Dichtstromverfahren. - 4.
Erfindungsbesitz der Beklagten ergibt sich auch nicht aus der von ihr am 27. Juli 2010 und damit vor dem Prioritätstag des Klagepatents eingereichten Patentanmeldung LU XXX. Gegenstand dieser Anmeldung ist ein Verfahren zum Zuführen von Brennstoff, vorzugsweise pulverisierte oder granulierte Kohle, in einen Schachtofen, wobei das Transportgas unter anderem mit einem Brennwert – etwa in Form eines Brenngases – versehen werden sollte. Allerdings offenbart die Patentanmeldung unstreitig kein Dichtstromverfahren. - 5.
Noch weniger lässt sich schließlich den vorgetragenen Inhalten des XXX-Projektes entnehmen, dass die Beklagte Erfindungsbesitz hatte. Bei XXX handelt es sich um ein Forschungsprojekt der Europäischen Union und bedeutet XXX. Es begann im Jahr 2004 und erstreckte sich bis zum 31. Dezember 2012. Es waren über 40 Teilnehmer beteiligt, darunter auch die Klägerin und die Beklagte. Ziel des Projekts war es, Wege zur Reduzierung von CO2 bei der Stahlherstellung zu ermitteln (vgl. Anlage B 9). Unter anderem sollte dies durch die Beimischung von Brenngas zum Kohlenstaub erreicht werden. Es ist jedoch schon nicht ersichtlich, dass das Brenngas bereits dem Transportgas hinzugefügt werden sollte. Noch weniger lässt sich feststellen, dass die Bedingungen, unter denen der Kohlenstaub transportiert werden sollten, bei dem Projekt thematisiert wurden. Damit fehlt es aber auch hier an den Merkmalen 2 und 5. So weist die Klägerin – von der Beklagten unwidersprochen – darauf hin, dass etwa bei dem Treffen am 19. Januar 2012 zwar über die Beimischung von Kohlenmonoxid als Brenngas zum Kohlenstaub berichtet wurde (vgl. Anlage B 10), die Beimischung aber erst am Ende der Transportleitung an der Lanzenspitze erfolge. Infolgedessen weist das Transportgas kein Brenngas auf. Ob zudem das Dicht- oder Flug-/Dünnstromverfahren zur Anwendung gelangen sollte, wurde gar nicht thematisiert. Gleiches gilt für die weiteren als Anlagen B 11 bis B 14 vorgelegten Präsentationen, die sich mit der Eindüsung von mit Kohlenmonoxid als Brenngas versetzter Einblaskohle und Sauerstoff beschäftigen, sich aber weder zum Beförderungsverfahren (Dicht- oder Flug-/Dünnstrom) verhalten, noch im Einzelnen aufzeigen, wo das Kohlenmonoxid beigemischt wird. - 6.
Selbst wenn unterstellt wird, dass der Beklagten – etwa aus der Arbeitsgemeinschaft mit der Klägerin zur Installation der Halbanlagen in XXX – bekannt war, dass Kohlenstaub mit einem mit Brenngas – etwa Druckkluft oder Kohlenmonoxid – versetzten Transportgas im Dichtstromverfahren grundsätzlich transportiert werden konnte, lässt sich nicht feststellen, dass sie diesen Erfindungsbesitz betätigte. - a)
Die Betätigung des Erfindungsbesitzes kann entweder dadurch geschehen, dass der Verletzer in vorprioritärer Zeit Benutzungshandlungen vorgenommen hat, oder aber – wenn es im Prioritätszeitpunkt zu solchen Benutzungshandlungen noch nicht gekommen ist – jedenfalls Veranstaltungen zur alsbaldigen Aufnahme der Benutzung getroffen hat. - Veranstaltungen zur alsbaldigen Aufnahme der Benutzung setzen voraus, dass der Verletzer – erstens – den festen und endgültigen Entschluss gefasst hat, die Erfindung gewerblich zu benutzen, und dass er – zweitens – solche Vorkehrungen (technischer oder kaufmännischer Art) getroffen hat, die die alsbaldige Umsetzung dieses Entschlusses in die Tat vorbereiten (BGH, GRUR 1969, 35 (36) – Europareise). Handlungen, die eine noch ungewisse zukünftige Benutzung vorbereiten und die erst Klarheit darüber schaffen sollen, ob die gemachte Erfindung im Inland gewerblich benutzt werden kann und/ oder soll, die also dazu dienen, den auf die gewerbliche Benutzung der Erfindung im Inland gerichteten Willen erst zu bilden, sind keine Veranstaltungen im Sinne von § 12 PatG (BGH, GRUR 1969, 35 (36f.) – Europareise). Maßgeblich ist, ob die gesamten Umstände für einen unbefangenen Betrachter erkennen lassen, dass die Benutzungsaufnahme bevorsteht (Kühnen, Hb. der Patentverletzung, 14. Aufl.: Kap. E. Rn. 571). Das Gesamtverhalten vor der Anmeldung (bzw. vor dem Prioritätstag) ist für die Beurteilung der Frage heranzuziehen, ob im Anmeldezeitpunkt der ernstliche Wille zur alsbaldigen Benutzung der Erfindung erkennbar war (Scharen, in: Benkard, PatG, Kommentar, 11. Auflage, 2015, § 12, Rn. 13).
- b)
Dass die Beklagte – selbst wenn sie die Lehre des Klagepatents erkannt haben sollte – Benutzungshandlungen vornahm, mit der sie den Erfindungsbesitz betätigte, ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Aber auch Veranstaltungen zur alsbaldigen Aufnahme einer solchen Benutzung lassen sich nicht feststellen. Es fehlt an der Darlegung eines Entschlusses, zukünftig Anlagen zu installieren, die das erfindungsgemäße Verfahren anwenden. Ebenso wenig sind Maßnahmen ersichtlich, die in irgendeiner Weise auf eine solche alsbaldige Benutzungsaufnahme hindeuten. Die Präsentationen mit Einblasdüsen und -lanzen, mit denen Einblaskohle unter Zusatz von Druckluft oder einem anderem Brenngas parallel zu Sauerstoff in den Hochofen eingeblasen werden kann, lassen zwar erkennen, dass der Beklagten der Zusatz von Brenngas zur Einblaskohle bekannt war. Ob damit aber auch die Entscheidung getroffen war, die Ausgangsstoffe im Dichtstromverfahren zuzuführen und bereits dem Transportgas das Brenngas zuzugeben und nicht erst kurz vor dem Austritt aus der Düse, ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig lassen sich entsprechende Maßnahmen technischer oder kaufmännischer Art feststellen, die die Beklagte zur Umsetzung einer solchen Entscheidung zwecks alsbaldiger Aufnahme der Benutzung ergriffen haben könnte. - VI.
Da die Beklagte das Klagepatent benutzt, ohne dazu berechtigt zu sein, ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen. - 1.
Die Beklagte ist der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG. Auch die Verhängung eines Schlechthinverbots ist gerechtfertigt. Zwar kommt ein Schlechthinverbot im Rahmen einer nur mittelbaren Patentverletzung regelmäßig dann nicht in Betracht, wenn die angegriffene Ausführungsform auch patentfrei benutzt werden kann (vgl. Schulte/Rinken, PatG 10. Aufl.: § 10 Rn 34 ff). Dabei müssen jedoch die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt werden. - Im Streitfall kann der Hochofenbetreiber eine Patentverletzung zwar dadurch vermeiden, dass das Ersatzreduktionsmittel mit einer Fließdichte von unter 60 % der Packungsdichte im Schüttzustand transportiert und in den Hochofen eingeblasen wird. Ob dies aber der Fall ist, hängt nicht allein vom Willen des Nutzers der angegriffenen Ausführungsform ab, sondern vom Betriebszustand des Hochofens und den darin herrschenden Reaktionsbedingungen und damit von einer Vielzahl von Faktoren, die, wenn sie vorliegen, zwangsläufig ein Einblasen des Ersatzreduktionsmittels im Dichtstromverfahren mit der patentgemäßen Fließdichte nach sich ziehen. Dies gilt umso mehr, wenn berücksichtigt wird, dass die Verwendung des Dichtstromverfahrens mit einer Vielzahl von Vorteilen gegenüber dem Flugstromverfahren verbunden ist (vgl. XXX S. 272 m. Sp.). Wird weiterhin dem Umstand Rechnung getragen, dass ohnehin nicht ohne weiteres vom Dichtstrom- zum Flugstromverfahren gewechselt werden kann, scheinen sowohl ein Warnhinweis als auch eine Verpflichtung zum Abnahme eines Vertragsstrafeversprechens untunlich, zumal die Klägerin die konkrete Verwendung der angegriffenen Ausführungsform gar nicht überwachen kann.
- Die Klägerin trägt zudem vor, eine uneingeschränkte Verurteilung zur Unterlassung komme auch deshalb nicht in Betracht, weil das Verfahren nach dem Klagepatent weiterhin dann nicht angewendet werde, wenn in der Anlage kein Koksgas beigemischt werde. Dem vermag die Kammer nicht zu folgen, denn die Nichtnutzung der angegriffenen Ausführungsform stellt keine patentfreie Verwendung dar. Angegriffene Ausführungsform ist die Koksgaseindüsungs- bzw. Koksgasbeimischungsanlage. Die Umrüstung der Hochöfen Nr. 4 und 5 der B und die Montage der angegriffenen Ausführungsform machte die Beimischung von Koksgas erst möglich. Das Einblasen von Staubkohle, also eines Ersatzreduktionsmittels mit Hilfe eines Transportgases ohne Beimischung von Koksgas war schon vor der Umrüstung der Anlage möglich. Wird kein Koksgas beigemischt, stellt dies letztlich nur eine Nichtnutzung der angegriffenen Ausführungsform dar, nicht aber ihre Verwendung – sei sie nun patentfrei oder patentgemäß. Ungeachtet dessen kommen ein Warnhinweis oder die Verpflichtung zum Abschluss einer Vertragsstrafe als Einschränkung der Unterlassungspflicht nicht in Betracht. Denn kein Hochofenbetreiber wird eine Anlage wie die angegriffene Ausführungsform installieren, um sie von vornherein nicht oder jedenfalls nur teilweise, also ohne die Benutzung der Eindüsstellen für das Koksgas, zu benutzen. Dies rechtfertigt letztlich ein Schlechthinverbot.
- 2.
Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG, weil die Beklagte die Patentverletzung schuldhaft beging. Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht. - 3.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. - VII.
Der von der Beklagten erhobene Einwand der widerrechtlichen Entnahme steht der Geltendmachung und Durchsetzung der Ansprüche aus dem Klagepatent durch die Klägerin nicht entgegen. - Der Einwand der widerrechtlichen Entnahme ist eine Ausprägung des allgemeinen Arglisteinwands aus § 242 BGB, wonach es unredlich und treuwidrig ist, denjenigen in Anspruch zu nehmen, dem die durch das Patent geschützte Erfindung entwendet worden ist. Voraussetzung ist daher, dass der Verletzer gegen den Patentinhaber einen Vindikationsanspruch hat, mithin der Patentinhaber zwar als Inhaber eines Patents im Register eingetragen ist, der Verletzer gegen den Inhaber aber einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Übertragung des Patents oder Umschreibung des Registers, jedenfalls aber auf Einräumung einer Mitberechtigung am Patent hat (vgl. Kühnen, Hb. d. Patentverletzung: Kap. E Rn 652 f.). Dafür ist im Streitfall jedoch nichts dargetan.
- Die Beklagte befand sich – wie zuvor ausgeführt – nicht im Erfindungsbesitz. Dieser ergibt sich weder aus der luxemburgischen Patentanmeldung, noch aus einer Präsentation, die ein Mitarbeiter der Beklagten im Rahmen des XXX-Projekts unter Anwesenheit von Mitarbeitern der Klägerin hielt. Die Beklagte trägt dementsprechend auch nur vor, dass sie jedenfalls die Hinzufügung von Brenngas zur Einblaskohle als vorteilhaft präsentiert habe. Aber auch dies begründet keinen Anspruch auf Einräumung einer Mitberechtigung am Klagepatent, weil schon nicht vorgetragen ist, dass die Beklagte in Bezug auf die präsentierten Erkenntnisse selbst Berechtigte ist.
- Ungeachtet dessen ist aber auch die zweijährige Frist zur Geltendmachung von Vindikationsansprüchen gemäß Art. 2 § 5 Abs. 2 IntPatÜG bereits abgelaufen mit der Folge, dass auch der Einwand der widerrechtlichen Entnahme nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden kann. Es lässt sich nach dem Vortrag der Parteien nicht feststellen, dass die Klägerin bei der Anmeldung des Klagepatents Kenntnis davon hatte, dass sie kein Recht auf das europäische Patent hatte. Die bloße Anwesenheit von Mitarbeitern der Klägerin bei einer Präsentation aus dem Hause der Beklagten genügt dafür nicht. Es ist nicht ersichtlich, welche konkreten Inhalte die Präsentation hatte, dass die Beklagte an diesen Inhalten berechtigt war und die Inhalte selbst einen schöpferischen Beitrag zu der Erfindung der Klägerin darstellten, zu deren Verwertung diese nicht berechtigt gewesen sein sollte.
- VIII.
Schließlich kann der Beklagten auch nicht mit Erfolg eine unzulässige Rechtsausübung vorgeworfen werden. Die Verwendung von Erkenntnissen aus dem gemeinsamen XXX-Projekt für die eigene Patentanmeldung stellt jedenfalls keine solche unzulässige Rechtausübung dar. Solange die Teilnehmer an dem Forschungsprojekt keine Regeln über die Verwertung von Erkenntnissen aus dem XXX-Projekt getroffen hatten, war es jedem Teilnehmer im Rahmen der gesetzlichen Regelungen unbenommen, Patente oder andere Schutzrechte anzumelden. Eine widerrechtliche Entnahme lässt sich nach den vorstehenden Ausführungen jedenfalls nicht feststellen. Da Vereinbarungen über die Verwertung von Forschungsergebnissen, gegen die die Klägerin verstoßen hätte, ebenso wenig vorgetragen sind wie Vereinbarungen zur Geheimhaltung oder vergleichbare Regelungen, kann das Verhalten der Klägerin nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. - C
Für eine Aussetzung der Verhandlung besteht keine Veranlassung. - Nachdem das Klagepatent erstinstanzlich von der Einspruchsabteilung beim EPA aufrechterhalten wurde, kommt eine Aussetzung allenfalls unter engen Voraussetzungen in Betracht. Diese – unter Beteiligung technischer Fachleute zustande gekommene – erstinstanzliche Rechtsbestandsentscheidung hat das Verletzungsgericht aufgrund der gesetzlichen Kompetenzverteilung grundsätzlich hinzunehmen. Es ist nicht Sache des Verletzungsgerichts, das Einspruchsbeschwerde- oder Nichtigkeitsberufungsverfahren in allen Einzelheiten vorweg zu nehmen. Immer dann, wenn die Argumentation im Rechtsbestandsverfahren möglich und mit nachvollziehbaren Gründen vertretbar erscheint, hat es bei der getroffenen Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung zu verbleiben, so dass, wenn nicht im Einzelfall ganz besondere Umstände vorliegen, für eine Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits keine Veranlassung besteht. Sie ist erst dann geboten, wenn die Rechtsbestandsentscheidung auf für das Verletzungsgericht nachweisbar unrichtigen Annahmen oder einer nicht mehr vertretbaren Argumentation beruht oder wenn mit dem Rechtsmittel gegen die Rechtsbestandsentscheidung, ohne dass insoweit ein Nachlässigkeitsvorwurf angebracht ist, weiterer Stand der Technik präsentiert wird, der, weil er der Erfindung näher kommt als der bisher gewürdigt Stand der Technik, mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit eine Vernichtung des Klagepatents erwarten lässt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.07.2011, I-2 U 66/10).
- Nach diesen Grundsätzen war eine Aussetzung der Verhandlung nicht veranlasst. Die Beklagte hat schriftsätzlich lediglich vorgetragen, die Einspruchsabteilung habe den Stand der Technik nicht ausreichend gewürdigt. Dem Klagepatent gehe es im Wesentlichen darum, die gewünschte Vergasungsreaktion des Kohlenstaubs durch die Zugabe von Brenngas zu beschleunigen. Die physikalisch-chemische Tatsache, dass staubförmiger brennbarer Feststoff in Gegenwart von Brenngas reaktionsfreudiger ist, sei seit Jahrzehnten bekannt. Daher stelle die Lehre des Klagepatents keine erfinderische Leistung dar. Damit setzt die Beklagte aber nur ihre eigene Auffassung der Begründung der Einspruchsentscheidung entgegen, ohne aufzuzeigen, dass diese auf unrichtigen Annahmen oder einer unvertretbaren Argumentation beruht. Zur Anwendung des Dichtstromverfahrens verhält sich die Beklagte gar nicht. Neuer Stand der Technik wird schriftsätzlich auch nicht präsentiert.
- D
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. - Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
- Streitwert: 500.000 EUR