Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3211
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 28. April 2022, Az. 4a O 8/22
- I. Dem Verfügungsbeklagten wird aufgeben, es zu unterlassen, wie bei der Beschwerde vom 20.11.2021 unter der Beschwerdenummer X geschehen, gegenüber dem Betreiber der Verkaufsplattform A zu behaupten, die Produkte mit den (…)
- nämlich künstliche Weihnachtsbäume, verletzten die Rechte des Verfügungsbeklagten aus dem Gebrauchsmuster mit der Registernummer 20 2018 XXX 047.
- II. Dem Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das gerichtliche Verbot unter Ziffer I. ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, angedroht.
- III. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
- IV. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsklägerin 11/23 und der Verfügungsbeklagte 12/23.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung von 115 % des aufgrund dieses Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. - Tatbestand
- Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens über einen Unterlassungsanspruch wegen einer Sperrung von Angeboten der Verfügungsklägerin auf der Internethandelsplattform A.
- Der Verfügungsbeklagte ist der im Register (vgl. Anlage AS 3) eigetragene Inhaber des Gebrauchsmusters DE 2020 181 XXX U1 (im Folgenden: Streitgebrauchsmuster; vorgelegt als Anlage S 1) mit der Bezeichnung „Weihnachtsbaumständer für künstliche Weihnachtsbäume“. Das Streitgebrauchsmuster wurde am 13.07.2018 angemeldet und am 03.08.2018 eingetragen. Die Eintragung wurde am 13.09.2018 im Patentblatt bekannt gemacht.
- Das Streitgebrauchsmuster steht in Kraft. In einem als Anlage S 8 vorgelegten Recherchebericht vom 01.08.2018 sah das Deutsche Patent- und Markenamt zehn Entgegenhaltungen (Anlagen E1 bis E10) als potentiell neuheitsschädlich bzw. erfindungshöhegefährdend an.
- Die eingetragenen Schutzansprüche des Streitgebrauchsmusters lauten wie folgt:
- „1. Weihnachtsbaumständer (1) für künstliche Weihnachtsbäume umfassend Standfüße zum Aufstellen auf einen Fußboden und eine Aufnahme (5) für den künstlichen Weihnachtsbaum, dadurch gekennzeichnet, dass die Standfüße aus wenigstens zwei sich kreuzenden Standfußelementen (2, 3) gebildet werden, wobei die Standfußelemente (2, 3) derart ausgebildet sind, dass sie beim Anordnen in eine Nutzungsstellung auf ihrer zum Fußboden gerichteten Seite eine Fläche in einer Ebene bilden, und im Kreuzungsbereich der Standfußelemente (2, 3) ein Verbindungselement vorgesehen ist, welches die wenigstens zwei Standfußelemente miteinander verbindet.
- 2. Weihnachtsbaumständer (1) nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Standfußelemente (2, 3) lösbar miteinander verbunden sind.
- 3. Weihnachtsbaumständer (1) nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass in das in der Nutzungsposition obere Standfußelement (2) eine Aufnahme (5) eingelassen ist, in welche ein künstlicher Weihnachtsbaum einsteckbar ist.
- 4. Weihnachtsbaumständer (1) nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass in die Aufnahme (5) ein Halteelement (6) einsetzbar ist, das in der Nutzungsposition ein Fuß (7) eines künstlichen Weihnachtsbaumes umschließt.
- 5. Weihnachtsbaumständer (1) nach einem der Ansprüche 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet, dass der künstliche Weihnachtsbaum mit der Aufnahme (5) und/oder dem Halteelement (6) und/oder den Standfußelementen (2, 3) lösbar verbindbar ist.
- 6. Weihnachtsbaumständer (1) nach einem der Ansprüche 2 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass ein Befestigungselement zur Verbindung von Standfußelementen (2, 3) und künstlichen Weihnachtsbaum vorgesehen ist.
- 7. Weihnachtsbaumständer (1) nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Standfußelemente (2, 3) und/oder das Halteelement (6) aus Holz sind.“
- Der Verfügungsbeklagte verteidigt das Streitgebrauchsmuster in der folgenden Anspruchsfassung, die aus den eingetragenen Schutzansprüchen 1, 3, 5 und 7 zusammengesetzt ist:
- „1. Weihnachtsbaumständer (1) für künstliche Weihnachtsbäume umfassend Standfüße zum Aufstellen auf einen Fußboden und eine Aufnahme (5) für den künstlichen Weihnachtsbaum, wobei die Standfüße aus wenigstens zwei sich kreuzenden Standfußelementen (2,3) gebildet werden, wobei die Standfußelemente (2,3) aus Holz sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Standfußelemente (2,3) derart ausgebildet sind, dass sie beim Anordnen in eine Nutzungsstellung auf ihrer zum Fußboden gerichteten Seite eine Fläche in einer Ebene bilden, und im Kreuzungsbereich der Standfußelemente (2, 3) ein Verbindungselement vorgesehen ist, welches die wenigstens zwei Standfußelemente miteinander verbindet, und in das in der Nutzungsposition obere Standfußelement (2) die Aufnahme (5) eingelassen ist, in welche ein künstlicher Weihnachtsbaum einsteckbar ist, und der künstliche Weihnachtsbaum mit der Aufnahme (5) und/oder den Standfußelementen (2,3) mittels eines Befestigungselements lösbar verbindbar ist.“
- Den bisherigen Schutzanspruch 4 verteidigt sie als Unteranspruch 2:
- „2. Weihnachtsbaumständer (1) nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass in die Aufnahme (5) ein Halteelement (6) einsetzbar ist, das in der Nutzungsposition ein Fuß (7) eines künstlichen Weihnachtsbaumes umschließt.“
- Nachfolgend wird in verkleinerter Abbildung Figur 1 des Streitgebrauchsmusters eingeblendet, die in einer Explosionsansicht einen streitgebrauchsmustergemäßen Weihnachtsbaumständer zeigt:
- Die Verfügungsklägerin handelt auf der Internethandelsplattform A mit künstlichen Weihnachtsbäumen, die jeweils mit einem Ständer versehen sind. Der Verfügungsbeklagte verkauft im Internet ebenfalls künstliche Weihnachtsbäume.
- Am 23.11.2022 veranlasste der Verfügungsbeklagte einen Testkauf eines von der Verfügungsklägerin auf der Plattform A angebotenen künstlichen Weihnachtsbaums. Der Ständer (nachfolgend: streitgegenständliche Ausführungsform) des bestellten Weihnachtsbaumes ist wie auf den nachfolgenden Bildern (von S. 6 der Schutzschrift des Verfügungsbeklagten, Bl. 17 GA) ersichtlich ausgestaltet:
- Die Aufbauanleitung war wie folgt gestaltet:
- Der Verfügungsbeklagte sendete mit rechtsanwaltlicher E-Mail vom 01.12.2021 eine „Infringement-Meldung Gebrauchsmusterverletzung“ (nachfolgend: Schutzrechtsverletzungsanzeige, vorgelegt als Anlage S5) an die A-Rechtsabteilung. Hierin meldete er die Angebote der Verfügungsklägerin unter den (…) als schutzrechtsverletzend. Unter diesen zwölf C wurden von der Verfügungsklägerin drei unterschiedlich ausgestattete Weihnachtsbäume in jeweils vier unterschiedlichen Größen angeboten, wobei der Ständer der Bäume jeweils identisch war.
- Der Plattformbetreiber A sperrte am 07.12.2021 die Angebote der Verfügungsklägerin unter den vorgenannten Teil A (entsprechend der Schutzrechtsverletzungsanzeige) und zusätzlich auch die Angebote der Verfügungsklägerin unter den (…) (nachfolgend zusammenfassend als C Teil B bezeichnet).
- In der Sperrnachricht von A (Anlage AS 1) war der Verfügungsbeklagte als Beschwerdeführer angegeben. Als Art der Beschwerde war „Designnutzungsrecht“ und „Design Number: 20 2018 XXX 047“ angegeben. Eine weitere Nachricht des Rechteinhabers war nicht enthalten. Zudem enthielt die Nachricht den folgenden Hinweis von A:
- „Wenn Sie der Meinung sind, dass die Meldung des Rechteinhabers nicht zutrifft, wenden Sie sich bitte an den Rechteinhaber und bitten Sie ihn, die Meldung zu widerrufen. Der Rechteinhaber muss uns den Widerruf unter XXX@A.de zusenden oder die Widerrufsfunktion in Brand Registry (Markenanmeldung) verwenden.“
- „Wir können einen Widerruf nur akzeptieren, wenn der Rechteinhaber eindeutig angibt, dass die Meldung ein Fehler war. Falls ein anderer Grund vorliegt, erklären Sie uns bitte, warum Sie fälschlicherweise verwarnt wurden, damit wir die Angelegenheit untersuchen können.“
- Die Angebote unter den C Teil A betrafen Weihnachtsbäume entsprechend der oben dargestellten streitgegenständlichen Ausführungsform. Demgegenüber hatten die Angebote der C Teil B – die in der Schutzrechtsverletzungsanzeige des Verfügungsbeklagten nicht enthalten waren – Weihnachtsbäume zum Gegenstand, bei denen der Standfuß in Form eines zentralen Kunststoffelements mit drei eingesteckten Kunststofffüßen wie nachfolgend eingeblendet ausgeführt ist:
- Mit dem aus der Anlage AS 6 ersichtlichen anwaltlichen Schreiben vom 10.12.2021 mahnte die Verfügungsklägerin den Verfügungsbeklagten ab und forderte ihn erfolglos zur Rücknahme der Sperre sowie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung bis zum 15.12.2021 auf.
- Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, ihr stehe gegen den Verfügungsbeklagten der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 4 Nr. 4 UWG wegen gezielter Behinderung zu. Es handle sich bei der Veranlassung der Sperrung um eine unberechtigte Abnehmerverwarnung, die im Rahmen des § 4 Abs. 4 UWG als Boykottaufruf sanktioniert sei. Zwar sei A hier kein Abnehmer, sondern „Dritter“, jedoch sei dies für die Äußerung gegenüber Dritten ebenso anerkannt. Zudem stelle die Veranlassung der Sperre einen Eingriff in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, so dass sie den Anspruch hilfsweise auf §§ 823, 1004 BGB stütze.
- Die Sperre sei unrechtmäßig erfolgt, da keine Rechtsverletzung durch ihre Angebote vorliege. Das Streitgebrauchsmuster sei offensichtlich nicht rechtsbeständig. Dessen Ansprüche seien derart breit gehalten sowie durch reine Zweckangaben charakterisiert, dass letztlich lediglich ein irgendwie gearteter Ständer beansprucht werde, der einen Standfuß aufweise, der aus zwei sich kreuzenden Elementen gebildet werde. Die Druckschriften (…) (Entgegenhaltung E1 bis E16) stünden dem Rechtsbestand des Streitgebrauchsmusters entgegen. Insbesondere die Entgegenhaltungen E6 (DE 32 04 XXX A1) und E5 (US 5,XXX,655) nähmen dessen Lehre neuheitsschädlich vorweg. Der Gegenstand der nun geltend gemachten Schutzansprüche 1 und 2 beruhe darüber hinaus nicht auf einem erfinderischen Schritt, etwa ausgehend von der E16 (US 6,138,XXX) in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns oder einer der Entgegenhaltung E1, E3-E6 oder E11-12.
- Die Weihnachtsbaumständer der Angebote unter den im Antrag zu Ziffer 1.b) aufgeführten C (C Teil B) verletzten darüber hinaus das Streitgebrauchsmuster nicht. Schutzanspruch 1 erfordere, dass der Standfuß des beanspruchten Weihnachtsbaumständers aus wenigstens zwei sich kreuzenden Standfußelementen gebildet werde. Demgegenüber weise der Standfuß der vorbenannten Weihnachtsbäume ein zentrales Befestigungselement auf, von dem aus sich drei Standfußelemente radial erstreckten, ohne sich dabei zu kreuzen.
- Der Verfügungsbeklagte sei auch für die Sperrung dieser Angebote (gemäß C Teil B) haftbar, trotz des Umstands, dass diese – insoweit unstreitig – nicht Gegenstand seiner Infringement-Meldung an A gewesen seien. Denn er habe mit seiner Meldung an A einen Automatismus in Gang gesetzt, der in der Sperre der Angebote gemündet habe, die umfangreicher gewesen sei als begehrt. Jedenfalls im Zeitpunkt der Abmahnung, spätestens mit Zustellung der Antragsschrift im hiesigen Verfahren habe er erkennen müssen, dass A seine Sperrnachricht falsch und umfangreicher als gedacht umgesetzt habe, und habe darauf mit der Mitteilung der Rücknahme der Meldung an A reagieren müssen. Den Verfügungsbeklagten treffe insoweit eine Garantenpflicht.
- Die Verfügungsklägerin beantragt mit ihrem bei Gericht am 07.02.2022 eingegangenen und durch Replik vom 21.03.2022 weiter konkretisierten Antrag,
- 1. es dem Verfügungsbeklagten aufzugeben, es zu unterlassen, wie bei der Beschwerde vom 20.11.2021 unter der Beschwerdenummer XXX geschehen, gegenüber dem Betreiber der Verkaufsplattform A zu behaupten, die Produkte mit den C
- (…)
- nämlich künstliche Weihnachtsbäume, verletzten die Rechte des Antragsgegners aus dem Gebrauchsmuster mit der Registernummer 20 2018 XXX 047;
- 2. dem Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das gerichtliche Verbot unter Ziffer 1. ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, angedroht.
- Der Verfügungsbeklagte beantragt,
- den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
- Im Hinblick auf die in der Schutzrechtsverletzungsanzeige aufgeführten Angebote (C Teil A) sei die Sperrung rechtmäßig erfolgt. Der Ständer der von der Verfügungsklägerin bei A angebotenen Weihnachtsbäume, der Gegenstand der Meldung gegenüber der A-Rechtsabteilung gewesen sei, verletze das Streitgebrauchsmuster in der geltend gemachten Fassung.
- Dieses sei auch schutzfähig. Natürliche und künstliche Weihnachtsbäume seien nicht wesensgleich, da letztere etwa sehr viel filigraner seien und weniger dichtes Astwerk besäßen. Weiterhin ergäben sich andere Anforderungen hinsichtlich der Ästhetik. Die Entgegenhaltungen E1 bis E10 seien nicht neuheitsschädlich. Gleiches gelte für die Entgegenhaltungen E11 (US 5 492 XXX A), E12 (DE 195 03 XXX A1) und E16 (US XXX).
- Zudem sei das Streitgebrauchsmuster erfinderisch. Aus ästhetischen Gründen sei bei der Erfindung ein wesentlicher Gesichtspunkt auf den Fuß des Baumes gerichtet worden, der sich nach dem Aufstellen wenigstens zu einem großen Teil in eine in das Standfußelement eingelassene Aufnahme einfüge. Keine der Entgegenhaltungen zeige eine entsprechende eingelassene Aufnahme für den Fuß eines künstlichen Weihnachtsbaumes, so dass für den Fachmann nicht naheliegend sei, dies so umzusetzen.
- Der Verfügungsbeklagte ist ferner der Auffassung, er sei für die Sperrung der unter Ziff. 1. b) des Antrags aufgeführten Angebote (C Teil B) nicht verantwortlich, da Gegenstand der Schutzrechtsverletzungsmeldung gegenüber A – insoweit unstreitig – ausschließlich die benannten zwölf C Teil A gewesen seien. Warum 23 C durch A gesperrt worden seien, sei ihm nicht bekannt und beruhe nicht auf seiner Meldung. Der Verfügungsbeklagte bestreitet einen Zusammenhang zwischen seiner Meldung und der Sperrung der weiteren Cs sowie, dass diese Cs Tannenbaumständer bezeichnen. Es bestehe insofern auch keine Wiederholungsgefahr.
- Das Gericht hat den Parteien und den Prozessbevollmächtigten von Amts wegen gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen über den von der Justiz des Landes NRW zur Verfügung gestellten Virtuellen Meetingraum (VMR) vorzunehmen. Davon haben die Verfahrensbevollmächtigten Gebrauch gemacht.
- Für die Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
- Entscheidungsgründe
- Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist teilweise begründet, teilweise unbegründet.
- A.
Der Antrag ist zulässig. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts für die begehrte einstweilige Verfügung ergibt sich hier als Gericht der Hauptsache aus §§ 937 Abs. 1, 943 ZPO i.V.m. § 32 ZPO bzw. § 14 Abs. 2 UWG. - I.
Die Zuständigkeit des Gerichts für die geltend gemachten Ansprüche wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beruht auf § 32 ZPO. Für Ansprüche aus §§ 823, 1004 BGB kann der Gerichtsstand aus § 32 ZPO folgen (BeckOK BGB/Fritzsche, 61. Ed. 1.2.2022, BGB § 1004 Rn. 138). Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Dies erfasst sowohl den Handlungs- als auch den Erfolgsort (BGH, NJW 1994, 1413, 1414 m.w.N.; Musielak/Voit/Heinrich, 19. Aufl. 2022, ZPO § 32 Rn. 15). Erfolgsort ist der Ort, an dem ein zum Haftungstatbestand der unerlaubten Handlung gehörender Erfolg eintritt (BeckOK ZPO/Toussaint, 43. Ed. 1.12.2021, ZPO § 32 Rn. 12). Dies gilt auch für Ansprüche wegen des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch eine ungerechtfertigte Verwarnung (BGH, Urteil vom 23.10.1979 – KZR 21/78 = GRUR 1980, 130 – Kfz-Händler). - Der Erfolgsort der streitgegenständlichen Handlung liegt vorliegend auch im Bezirk des angerufenen Gerichts. Der Erfolgsort ist nicht auf den Empfangsort der Infringement- Meldung (durch A) beschränkt. Vielmehr liegt der Erfolgsort des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vor allem dort, wo der Vertrieb der streitgegenständlichen Ausführungsformen nicht mehr möglich ist. Dies ist bundesweit – und damit auch im Bezirk des Landgerichts Düsseldorf – der Fall. Mit der Meldung beabsichtigte der Verfügungsbeklagte gezielt einen Vertriebsstopp der streitgegenständlichen Ausführungsformen auch im Bezirk des Landgerichts Düsseldorf, dessen Erfolg durch die Sperre ebenfalls hier eintrat.
- II.
Eine Zuständigkeit für Ansprüche nach dem UWG ergibt sich aus § 14 Abs. 2 UWG. Hiernach ist für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein UWG-Anspruch geltend gemacht wird, außerdem das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Zuwiderhandlung begangen wurde. Dabei ist als Begehungsort – wie nach § 32 ZPO – sowohl der Ort des Schadenseintritts (Erfolgsort) als auch der Handlungsort anzusehen (MüKoUWG/Ehricke/Könen, 3. Aufl. 2022, UWG § 14 Rn. 69). Als Erfolgsort ist im vorliegenden Fall auch der Bezirk des angerufenen Gerichts anzusehen. Insofern gilt das vorstehend Ausgeführte hier ebenfalls. - Der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts steht auch § 14 Abs. 2 S. 3 n.F. nicht entgegen. Es handelt sich hier nicht um einen Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien nach § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG. Diese Regelung erfasst nur Rechtsverletzungen, die ausschließlich in Telemedien verwirklicht werden, indem etwa durch den Inhalt eines im Internet angezeigten Angebots oder einer Internet-Werbung gegen lauterkeitsrechtliche Vorschriften verstoßen wird, da nur solche rein „virtuellen“ Verstöße das vom Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 S. 3 UWG adressierte Missbrauchspotential aufweisen (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen, 40. Aufl. 2022, UWG § 14 Rn. 21b). Vorliegend macht die Verfügungsklägerin aber keine Ansprüche wegen eines unlauteren Verhaltens des Verfügungsbeklagten im Internet geltend, sondern greift eine Handlung gegenüber A an, deren Erfolg auch im Bezirk des angegriffenen Gerichts eintritt.
- B.
Der Verfügungsantrag ist hinsichtlich der C Teil A (Antrag zu Ziffer 1.a)) begründet, da die Verfügungsklägerin insoweit einen Verfügungsanspruch (hierzu unter I.) und einen Verfügungsgrund (hierzu unter II.) glaubhaft gemacht hat. Dagegen fehlt es in Bezug auf den Antrag zu 1.b) zu den C Teil B an der Glaubhaftmachung eines Verfügungsanspruchs (hierzu unter III.). - I.
Die Verfügungsklägerin hat hinsichtlich der C Teil A, die in der Schutzrechtsverletzungsanzeige genannt sind, den begehrten Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs.1 BGB i. V. m. § 1004 BGB analog unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen Eingriffs in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb glaubhaft gemacht. - 1.
Das hier streitgegenständliche Verhalten – namentlich eine Schutzrechtverletzungsanzeige („Infringement-Meldung“) gegenüber A mit der beabsichtigten Folge, dass A den Verkauf der streitgegenständlichen Ausführungsformen auf ihrer Internetseite unterbinden – ist nach den rechtlichen Maßstäben einer Schutzrechtsverwarnung gegenüber einem Abnehmer zu beurteilen (so auch LG München I, GRUR-RS 2021, 31805; LG München I, GRUR-RS 2020, 29773). Wie bei einer Abnehmerverwarnung wendet sich der Abmahnende mit der Schutzrechtsverletzungsanzeige mit dem Vorwurf einer Schutzrechtsverletzung an einen Dritten und versucht so, die geschäftlichen Aktivitäten des behaupteten Schutzrechtsverletzers zu unterbinden. Wertungsmäßig macht es keinen Unterschied, ob der Dritte – wie im Falle der Abnehmerverwarnung – selbst vom Kauf eines Produkts abgehalten werden soll oder – wie hier – der Verkauf des Produkts dadurch verhindert werden soll, indem man einen Händler bzw. eine Internethandelsplattform hierzu auffordert. - Nach der Rechtsprechung des BGH können unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen einen rechtswidrigen und schuldhaften Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach § 823 Abs. 1 BGB darstellen und Ansprüche auf Schadensersatz und Unterlassung begründen (BGH, GRUR 2011, 152, Rz. 67 – Kinderhochstühle im Internet; BGH GRUR 2005, 882 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung; BGH GRUR 2006, 432 Rz. 20 – Verwarnung aus Kennzeichenrecht II; BGH GRUR 2006, 433 Rz. 17 – Unbegründete Abnehmerverwarnung). Die fehlende Berechtigung der Schutzrechtsverletzungsanzeige gegenüber A kann sich wie bei der unberechtigten Abnehmerverwarnung aus formellen oder aus materiellen Gründen ergeben (vgl. LG München I – GRUR-RS 2021, 31805 Rn. 52). Maßgebend ist dabei die objektive Rechtslage (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 38. Aufl. 2020, § 4 Rn. 4.170).2.
Die als Anlage S 5 vorgelegte Schutzrechtsverletzungsanzeige (Infringement-Meldung) vom 01.12.2021 gegenüber A war sowohl aus formellen (hierzu unter a)) als auch aus materiellen Gründen (hierzu unter b)) unberechtigt und stellt damit einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Verfügungsklägerin dar. - a)
Die Schutzrechtsverletzungsanzeige ist unter zwei Aspekten bereits formell unberechtigt: Zum einen lässt sie nicht erkennen, dass der Schutzanspruch 1 nur eingeschränkt geltend gemacht werden soll (hierzu unter aa)), zum anderen fehlt ein Hinweis auf den für die Schutzfähigkeit negativen Recherchebericht (hierzu unter bb)). - aa)
Die Schutzrechtsverletzungsanzeige ist zunächst deshalb formell rechtswidrig, weil sie nicht auf die jetzt vom Verfügungsbeklagten verteidigte Anspruchsfassung gerichtet war und die Schutzfähigkeit des eingetragenen Schutzanspruchs 1 nicht ersichtlich ist. - (1)
Die Verwarnung ist schon dann widerrechtlich, wenn sie – was bei Fehlen einer ausdrücklichen Einbeziehung von Unteransprüchen aus Sicht des Empfängers regelmäßig anzunehmen ist – auf den Hauptanspruch bezogen ist und das Gebrauchsmuster jedenfalls mit diesem Schutzumfang nicht schutzfähig ist (OLG Düsseldorf GRUR-RR 14, 315 – Bestattungsbehältnis; Benkard PatG/Grabinski/Zülch, 11. Aufl. 2015, GebrMG § 24 Rn. 15; weitergehend wohl LG München I, GRUR-RS 2001, 31805 Rn. 53, wonach es für eine bereits formale Rechtswidrigkeit spricht, wenn das Streitgebrauchsmuster in einer eingeschränkten Fassung geltend macht, wird während es womöglich gegenüber A die eingetragenen Fassung geltend gemacht wurde). Die Rechtswidrigkeit der Abmahnung entfällt nicht bereits dadurch, dass die Verwarnung anstatt auf einen schutzunfähigen Hauptanspruch auf eine schutzfähige Anspruchskombination hätte gestützt werden können (OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.04.2011 – I-2 U 21/10 = BeckRS 2011, 8591). Bei einer Verwarnung aus einem nicht rechtsbeständigen Schutzanspruch ist die Abmahnung daher rechtswidrig (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 14. Aufl. 2022, Kap. C Rn. 146). - (2)
Die Schutzrechtsverletzungsanzeige des Verfügungsbeklagten lässt nicht erkennen, dass das Streitgebrauchsmuster nur in einer eingeschränkten Fassung geltend gemacht werden soll. Zwar werden auch die Unteransprüche erwähnt; dass diese nur kombiniert geltend gemacht werden sollen, geht aus der Darstellung aber nicht hinreichend hervor. Gegen eine eingeschränkte Geltendmachung spricht bereits, dass die (eingetragenen) Ansprüche einzeln genannt werden. Weiterhin wird zwar ausgeführt, die Ansprüche 2 – 5 seien verwirklicht; eine Subsumtion unter Unteranspruch 3 (wonach „in das in der Nutzungsposition obere Standfußelement (2) eine Aufnahme (5) eingelassen ist, in welche ein künstlicher Weihnachtsbaum einsteckbar ist“), der nun Teil des Hauptanspruchs geworden ist, erfolgt aber nicht. Zwar ist die Subsumtion unter alle Merkmale zur Wirksamkeit der Abmahnung nicht zwingend erforderlich. Jedoch ist die fehlende inhaltliche Behandlung dieses Anspruchs ein starkes Indiz dafür, dass die eingetragenen Schutzansprüche gerade nicht in Kombination geltend gemacht werden sollen. - (3)
Ob vor diesem Hintergrund eine formelle Rechtswidrigkeit bereits deshalb besteht, weil der Verfügungsbeklagte das Streitgebrauchsmuster vorliegend nicht im Umfang des eingetragenen Schutzanspruchs 1 verteidigt, kann dahinstehen, da die Schutzunfähigkeit dieses Anspruchs hier positiv festgestellt werden kann. Das Streitgebrauchsmuster ist in der hier verteidigten, eingeschränkten Fassung nicht neu und erfinderisch, was erst recht für den breiteren, ursprünglich eingetragenen Schutzanspruch 1 gilt, aus dem sie aber abgemahnt hat (vgl. die Ausführungen zur Schutzfähigkeit unter b). - bb)
Die Schutzrechtsverletzungsanzeige ist darüber hinaus auch deshalb unberechtigt, weil der Verfügungsbeklagte hierin den Recherchebericht des Deutschen Patent- und Markenamtes (Anlage S 8) nicht erwähnt hat. - (1)
Zwar führt das Verschweigen von Umständen, die für die Beurteilung der Schutzfähigkeit relevant sind, nicht stets zur Rechtswidrigkeit der Abmahnung, es sei denn die Schutzunfähigkeit wird festgestellt (Benkard PatG/Grabinski/Zülch, 11. Aufl. 2015, GebrMG § 24 Rn. 15). Der Hinweis darauf, dass es sich bei einem Gebrauchsmuster um ein ungeprüftes Schutzrecht handelt, ist aber jedenfalls dann erforderlich, wenn im Zeitpunkt der Verwarnung für ein paralleles Patent ein Recherchebericht vorlag, der das Patent in dem mit der Verwarnung geltend gemachten Schutzumfang für nicht schutzfähig erklärt (LG Düsseldorf, Urteil vom 12.4.2012 – 4a O 17/12 – Rn. 36 bei Juris; Benkard PatG/Grabinski/Zülch, 11. Aufl. 2015, GebrMG § 24 Rn. 15). Dies gilt zwangslos auch dann, wenn der Recherchebericht nicht ein paralleles Patent, sondern das Abmahngebrauchsmuster selbst betrifft. - Die Pflicht zur Vorlage eines negativen Rechercheberichts in einer Abmahnung besteht erst recht, wenn es sich um eine Abnehmerverwarnung handelt. Hierbei sind an die Formalien strengere Anforderungen als an eine (übliche) Abmahnung zu stellen, da ein bloßes Vertriebsunternehmen eher bereit ist, sich der Abmahnung ohne nähere Prüfung zu beugen. Derartige Verwarnungen bergen für das Unternehmen des Herstellers besondere Gefahren. Die allgemein anerkannte Rechtspflicht eines jeden, sich bei der Verfolgung seiner Rechte unter Berücksichtigung auch der Belange des vermeintlichen Schädigers auf die hierzu notwendigen Mittel zu beschränken, gebietet es, zu der risikoträchtigen Abnehmerverwarnung erst dann zu schreiten, wenn die Herstellerverwarnung erfolglos geblieben ist oder bei verständiger Abwägung der besonderen Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise unangebracht erscheint und die vorausgegangene sorgfältige Prüfung der Rechtslage bei objektiver Betrachtungsweise den Verwarnenden davon überzeugen konnte, seine Ansprüche seien berechtigt (BGH, GRUR 2018, 832 Rn. 92 – Ballerinaschuh). Bei einer auf ein ungeprüftes Schutzrecht gestützten Verwarnung muss von dem Verwarner ein höheres Maß an Nachprüfung bezüglich dessen Rechtsbeständigkeit verlangt werden, als bei einem Vorgehen aus geprüften Schutzrechten (BGH, GRUR 1997, 741 – Chinaerde). Dies gilt insbesondere in Fällen wie den vorliegenden, bei denen die Abnehmerverwarnung an eine große Internethandelsplattform gerichtet wird, da die Folgen einer (unberechtigten) Schutzrechtsanzeige mit dem Ausschluss der Verkaufsmöglichkeit über A besonders gravierend sein können (LG München, GRUR-RS 2021, 31805 Rn. 135). Derartige Internethandelsplattformen sperren oftmals Angebote, sobald der Verdacht einer Rechtsverletzung durch den jeweiligen Hersteller oder Händler im Raume steht. Denn ihrem Bestreben, eine eigene Inanspruchnahme wegen des Vertriebs schutzrechtsverletzender Produkte zu vermeiden, steht nur ein geringes Interesse entgegen, Angebote einzelner kleinerer Hersteller oder Händler zuzulassen, da diese im Gesamtgeschäft keine besondere Bedeutung haben. Diese vom Verwarnenden zu beachtenden (Sorgfalts-) Anforderungen spiegeln sich in dem notwendigen Inhalt einer Abnehmerverwarnung bzw. Schutzrechtsverletzungsanzeige wider.
- (2)
Es kann dahingestellt bleiben, ob vor diesem Hintergrund grundsätzlich in einer Abnehmerverwarnung aus einem Gebrauchsmuster gegenüber Internethandelsplattformen zu dessen Schutzfähigkeit vorzutragen und die fehlende behördliche Prüfung zu erwähnen ist. Jedenfalls wenn ein negativer Recherchebericht zu dem betreffenden Gebrauchsmuster vorliegt, muss dies gegenüber dem abgemahnten Abnehmer erwähnt werden, um diesem eine realistische Einschätzung der Berechtigung der Abmahnung zu ermöglichen. - (3)
Hiernach ist die Schutzrechtsverletzungsanzeige des Verfügungsbeklagten (Anlage S 5) formell unrechtmäßig, da sie nicht erwähnt, dass zu dem Streitgebrauchsmuster ein Recherchebericht existiert, der für alle eingetragenen Schutzansprüche Entgegenhaltungen benennt, die für die Neuheit und/oder die Erfindungshöhe relevant sind. - b)
Die Schutzrechtsverletzungsanzeige (Anlage S 5) ist weiterhin materiell unberechtigt, da die Lehre des Streitgebrauchsmusters – auch in der beschränkt verteidigten Fassung – nicht schutzfähig ist. - aa)
Die Schutzrechtsverletzungsanzeige ist materiell unberechtigt, wenn sich die Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters, auf dem sie basiert, nicht feststellen lässt. - (1)
Es ist umstritten, ab wann bei einem Patent eine Abnehmerverwarnung wegen mangelnden Rechtsbestands materiell rechtswidrig ist. In jedem Falle ist eine Abnehmerverwarnung materiell rechtswidrig, wenn das Patent nicht besteht oder (nachträglich) rechtskräftig für nichtig erklärt wird. Umstritten ist dagegen, ob eine materielle Rechtswidrigkeit vorliegt, wenn der Rechtsbestand des Verwarnpatents angegriffen ist. Das LG Frankfurt/Main (LG Frankfurt, Urteil vom 19.12.2007 – 2/6 O 270/07 = Mitt. 2014, 30 – Ausländische Abnehmerverwarnung) bejaht eine Rechtswidrigkeit bereits bei nicht unerheblicher Erfolgsaussicht des Rechtsbestandsangriffs. Das LG München I sieht dagegen eine Schutzrechtsverwarnung nur dann als unberechtigt, wenn die Vernichtung des ihr zugrundeliegenden Patents mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (LG München I, GRUR-RS 2020, 29773). Zum Teil wird aber auch gefordert, dass die Vernichtbarkeit klar erkennbar ist (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 14. Aufl. 2022, Kap. C. Rn. 137). - Diese eingeschränkten Anforderungen an den Rechtsbestand begründen sich damit, dass ein Patent nach behördlicher Prüfung erteilt wurde und es dem Verletzungsgericht nicht zusteht, den Erteilungsakt zu revidieren, was aber faktisch geschieht, wenn eine Abmahnung aus einem erteilten Schutzrecht wegen Zweifeln am Rechtsbestand für unberechtigt erklärt wird. Dies lässt sich aber nicht auf eine Abnehmerverwarnung aus einem Gebrauchsmuster übertragen, da es hier keine behördliche Prüfung der Schutzfähigkeit gibt. Vielmehr entsteht nach § 13 Abs. 1 GebrMG kein Gebrauchsmusterschutz, wenn ein Löschungsanspruch besteht, so dass die Schutzfähigkeit vom Verletzungsgericht selbst geprüft werden kann und muss (weshalb das Verletzungsgericht im Verletzungsverfahren erst dann aus einem Gebrauchsmuster verurteilen kann, wenn es von dessen Schutzfähigkeit überzeugt ist, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.06.2018 – I-15 W 30/18). Eine Abnehmerverwarnung ist widerrechtlich, wenn das eingetragene Gebrauchsmuster zu Unrecht besteht, da die Eintragung nur dann ein ausschließliches Benutzungsrecht verleiht, wenn die materiellen Schutzvoraussetzungen gegeben sind (Benkard PatG/Grabinski/Zülch, 11. Aufl. 2015, GebrMG § 24 Rn. 15). Die Rechtmäßigkeit der Verwarnung setzt also – im Unterscheid zur patentrechtlichen Abmahnung – zusätzlich die Feststellung der Schutzfähigkeit des Gegenstands des Gebrauchsmusters voraus (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2014, 315; Keukenschrijver in: Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Aufl. 2020, § 24 Rn. 16).
- (2)
Im Rahmen der Prüfung der materiellen Berechtigung der Schutzrechtsverletzungsanzeige ist die Schutzfähigkeit des Streitgebrauchsmusters vollständig von der Kammer zu prüfen. Allerdings müssen nur diejenigen Einwände vom Gericht berücksichtigt werden, die der mögliche Verletzter konkret geltend macht. Da infolge der Eintragung eines Gebrauchsmusters eine Registerposition mit Rechtsschein entsteht, die zur Geltendmachung des Schutzes ohne Rücksicht auf die Schutzfähigkeit berechtigt, ist die Schutzfähigkeit zunächst, das heißt bis zur Erhebung der Einrede, grundsätzlich zu vermuten. Es bedarf insofern nicht der Substantiierung der anspruchsbegründenden Tatsache „Schutzfähigkeit“, so dass der vermeintliche Verletzer jedenfalls die Darlegungslast für das Fehlen der Schutzfähigkeit trägt (Grabinski/Zülch, in: Benkard, PatG, Kommentar 11. Auflage, 2015, § 24 GebrMG Rn. 18; Meier-Beck, GRUR 1988, 861, 864). Eine Prüfung der Schutzfähigkeit von Amts wegen ist nicht vorzunehmen und wäre auch mit den Grundsätzen des Zivilprozesses nicht vereinbar. - bb)
Das Streitgebrauchsmuster, dem die nachfolgend ohne Quellenangabe zitierten Absätze entstammen, betrifft einen Weihnachtsbaumständer für künstliche Weihnachtsbäume. - (1)
In seiner einleitenden Beschreibung erläutert das Streitgebrauchsmuster, dass sich künstliche Weihnachtsbäume mehr und mehr durchsetzen (Abs. [0002] f.). Zur sicheren Aufstellung von (natürlichen) Weihnachtsbäumen waren im Stand der Technik bereits verschiedene Weihnachtsbaumständer verfügbar, die jeweils den Anforderungen des Baumes entsprechen. So ist aus der Schrift DE 700 71 XXX U1 ein Weihnachtsbaumständer bekannt, der einen schweren Standfuß mit einer Aufnahme für den Weihnachtsbaum und einen in den Standfuß integrierten Beutel zu Verpackungszwecken aufweist. Solche Weihnachtsbaumständer kritisiert das Streitgebrauchsmuster als sehr aufwändig konstruiert und damit sehr teuer und störungsanfällig (Abs. [0004]). Auch der in der US 5 XXX 151 A dargestellte Weihnachtsbaumständer ist mit einer gewissen Störungsanfälligkeit versehen. Der dort gezeigte mehrfüßige Ständer weist Standfüße auf, die um eine zentrale Weihnachtsbaumaufnahme herum angeordnet sind. Außerhalb der Weihnachtszeit können die Standfüße weggeklappt werden, so dass eine weitestgehend platzsparende Lagerung möglich ist (Abs. [0005]). Schließlich wurde ein Weihnachtsbaumständer in der Schrift US 2011 014 740 A1 offenbart, der eine kastenförmige Form aufweist, wobei in die Außenseiten Motivbilder einschiebbar sind. Die Standfestigkeit dieses kleinen Topfes muss hinterfragt werden, auch wenn die optischen Eigenschaften gegenüber dem restlichen Stand der Technik hervorstechen (Abs. [0006]). - Vor diesem Hintergrund benennt es das Streitgebrauchsmuster in Abs. [0007] als seine Aufgabe, einen Weihnachtsbaumständer für künstliche Weihnachtsbäume bereitzustellen, der sicher steht und einfach gelagert werden kann, dabei aber trotzdem gewissen ästhetischen Ansprüchen der Nutzer entspricht.
- (2)
Zur Lösung der Aufgabe schlägt das Streitgebrauchsmuster einen Weihnachtsbaumständer für künstliche Weihnachtsbäume vor. Die hier verteidigte Fassung des beschränkten Schutzanspruch 1 lässt sich wie folgt gliedern: - 1 Weihnachtsbaumständer (1) für künstliche Weihnachtsbäume.
- 2 Der Weihnachtsbaumständer (1) umfasst Standfüße zum Aufstellen auf einen Fußboden.
- 3 Der Weihnachtsbaumständer (1) umfasst eine Aufnahme (5) für den künstlichen Weihnachtsbaum.
- 4 Die Standfüße werden aus wenigstens zwei sich kreuzenden Standfußelementen (2,3) gebildet.
- 5 Die Standfußelemente (2,3) sind aus Holz.
- 6 Die Standfußelemente (2,3) sind derart ausgebildet, dass sie beim Anordnen in eine Nutzungsstellung auf ihrer zum Fußboden gerichteten Seite eine Fläche in einer Ebene bilden.
- 7 Im Kreuzungsbereich der Standfußelemente (2, 3) ist ein Verbindungselement vorgesehen, welches die wenigstens zwei Standfußelemente (2, 3) miteinander verbindet.
- 8 Die Aufnahme (5) ist in das in der Nutzungsposition obere Standfußelement (2) eingelassen.
- 9 In die Aufnahme (5) ist ein künstlicher Weihnachtsbaum einsteckbar.
- 10 Der künstliche Weihnachtsbaum ist mit der Aufnahme (5) und/oder den Standfußelementen (2,3) mittels eines Befestigungselements lösbar verbindbar.
- Das Streitgebrauchsmuster beansprucht einen Weihnachtsbaumständer für künstliche Weihnachtsbäume (Merkmal 1). Dabei bilden wenigstens zwei sich kreuzende Standfußelemente aus Holz Standfüße, die in der Nutzungsstellung auf ihrer zum Fußboden gerichteten Seite eine Fläche in einer Ebene bilden (Merkmale 2, 4, 5 und 6). Die mindestens zwei Standfußelemente werden in ihrem Kreuzungsbereich von einem Verbindungselement miteinander verbunden (Merkmal 7). Diese Anordnung ermöglicht eine hohe Standsicherheit, indem radial um die Stehachse des Weihnachtsbaumes herum eine gleichmäßige Kraftverteilung auf den Fußboden erzielt wird (Abs. [0009]). Die Verwendung von Holz erleichtert die Herstellung der Standfußelemente und verbessert die Ästhetik (Abs. [0015]).
- Der künstliche Weihnachtsbaum soll mit der Aufnahme und/oder den Standfußelementen mittels eines Befestigungselements lösbar verbindbar sein (Merkmale 3, 9 und 10). Durch das Befestigungselement kann auf eine Vielzahl von Verbindungselementen verzichtet werden (Abs. [0014]). Die Aufnahme ist wiederum in das in der Nutzungsstellung obere Standfußelement eingelassen (Merkmal 8), was die Standfestigkeit weiter verbessern soll (Abs. [0011]).
- (3)
Vor dem Hintergrund des Streits der Parteien bedürfen einige Merkmale der weiteren Erörterung. Dabei erfolgt die Auslegung des Streitgebrauchsmusters nach den auch für Patente anwendbaren Grundsätzen, da § 12a GebrMG mit § 14 PatG / Art. 69 Abs. 1 EPÜ inhaltlich übereinstimmt (BGH, GRUR 2007, 1059 Rn. 24 – Zerfallszeitmessgerät; BeckOK PatR/Loth, 23. Ed. 15.1.2022, GebrMG § 12a Rn. 1). - (a)
Der Anspruch schreibt vor, dass es sich um einen Weihnachtsbaumständer „für künstliche Weihnachtsbäume“ (Merkmal 1) handeln muss und ein künstlicher Weihnachtsbaum mittels eines Befestigungselements in die Aufnahme lösbar eingesteckt werden kann (Merkmale 3, 9 und 10). Dies bedeutet, dass ein streitgebrauchsmustergemäßer Gegenstand in der Lage sein muss, einen denk- und konstruierbaren künstlichen Weihnachtsbaum anspruchsgemäß aufzunehmen. - Bei den genannten Merkmalen handelt es sich um Eignungsangaben. Derartigen Eignungsangaben kommt regelmäßig keine unmittelbare schutzbereichsbeschränkende Wirkung zu (vgl. BGH, GRUR 1996, 747 – Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem; BGH, GRUR 1991, 436 – Befestigungsvorrichtung II). Allerdings können sie mittelbar eine bestimmte, in den übrigen Merkmalen nicht zum Ausdruck kommende Konstruktion umschreiben, nämlich dergestalt, dass diese Bauteile so ausgebildet sein müssen, dass sie die im Patentanspruch erwähnte Wirkung herbeiführen können (BGH, GRUR 2009, 837 – Bauschalungsstütze; BGH, GRUR 2012, 475 – Elektronenstrahltherapiesystem; OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.05.2014 – I-2 U 74/13 – Rn. 189 bei Juris). Das Streitgebrauchsmuster macht weder im Anspruch Vorgaben, noch gibt es in seiner Beschreibung Hinweise dazu, wie ein vom beanspruchten Weihnachtsbaumständer aufzunehmender künstlicher Weihnachtsbaum beschaffen sein muss. Dem entnimmt der Fachmann, dass der vom Streitgebrauchsmuster offenbarte Weihnachtsbaumständer nur in der Lage sein muss, einen beliebigen künstlichen Weihnachtsbaum aufzunehmen. Für die Verwirklichung der Lehre des Streitgebrauchsmusters ist es dagegen nicht erforderlich, dass der Weihnachtsbaumständer jeden oder auch nur einen Großteil der am Markt verfügbaren künstlichen Weihnachtsbäume aufnehmen kann. Auch muss ein passender Weihnachtsbaum nicht derzeit erhältlich sein. Vielmehr reicht es zur Merkmalsverwirklichung aus, wenn ein künstlicher Weihnachtsbaum denk- und konstruierbar ist (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2018, 1219), der von dem streitgebrauchsmustergemäßen Ständer in der beanspruchten Weise aufgenommen werden kann. Allerdings reicht es für die Merkmalsverwirklichung nicht aus, wenn ein irgendwie konstruierbarer Gegenstand von dem Ständer aufgenommen werden kann. Vielmehr muss der denk- und konstruierbare künstliche Weihnachtsbaum sich im Rahmen dessen bewegen, was man allgemein unter einem künstlichen Weihnachtsbaum versteht. Mangels eigenständiger (vorrangiger) Definition im Streitgebrauchsmuster ist für den Begriff des künstlichen Weihnachtsbaums nämlich vom allgemeinen Sprachverständnis auszugehen. Der allgemeine Sprachgebrauch hat zwar für die Ermittlung des maßgeblichen technischen Sinngehalts (vgl. BGH, GRUR 1999, 902, 912 – Spannschraube) des Anspruchs / Merkmals keine abschließende Bedeutung; auf ihn darf bei der Auslegung nichts desto trotz zurückgegriffen werden, weil in der Regel Begriffe mit ihrem (auf dem betroffenen Fachgebiet) üblichen Inhalt verwendet werden (vgl. BGH, GRUR, 2016, 169 Rn. 17 – Luftkappensystem).
- (b)
Nach Merkmal 6 sollen die Standfußelemente so ausgebildet sein, dass sie beim Anordnen in eine Nutzungsstellung auf ihrer zum Fußboden gerichteten Seite eine Fläche in einer Ebene bilden. Indem die Unterseite der Standfußelemente eine Fläche in einer Ebene bildet, wird die Standsicherheit des Weihnachtsbaums gewährleistet. - Dem Streitgebrauchsmuster lässt sich aber nicht entnehmen, dass die gesamte Unterseite der Standfußelemente eine Ebene bilden muss. Eine entsprechende Forderung enthält der geltend gemachte Schutzanspruch nicht, der nur das Vorhandensein einer Fläche in einer Ebene verlangt. Für die vom Streitgebrauchsmuster mit Merkmal 6 angestrebte Standsicherheit (Abs. [0009]) reicht es aus, wenn die Standfüße radial um die Stehachse eines eingesteckten Weihnachtsbaums eine Ebene bilden, da bereits so eine gleichmäßige Kraftverteilung auf den Fußboden erzielt wird. Hierfür ist ein vollflächiges Aufliegen der Standfußelemente nicht erforderlich.
- Soweit der Verfügungsbeklagte meint, aus dem „Anmeldetext“, insbesondere aus Figur 3, folge, dass die Standfüße vollflächig auf dem Boden aufliegen müssten (S. 6 DU = Bl. 84 GA), kann dem nicht gefolgt werden. Figur 3 ist nur ein Ausführungsbeispiel, das keine einschränkende Auslegung eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Anspruchs erlaubt (BGH, GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung; BGH GRUR 2007, 778 – Ziehmaschinenzugeinheit). Dies gilt ebenfalls für das in Abs. [0018] beschriebene Ausführungsbeispiel nach Figur 1. Soweit in der Beschreibung des Streitgebrauchsmusters eine Schraubenaufnahme vorgesehen ist, „damit ein ebenes Abschließen der Standfußelemente 2, 3 weiterhin gewährleistet ist“, kann hieraus bereits kein vollflächiges Aufliegen entnommen werden. Im Übrigen wäre auch dies nur ein Ausführungsbeispiel.
- (c)
Bei dem von Merkmal 7 vorgesehenen Verbindungselement, das im Kreuzungsbereich der Standfußelemente vorgesehen ist und diese verbindet, muss es sich streitgebrauchsmustergemäß nicht um ein separates Element oder Bauteil handeln. Eine entsprechende Forderung lässt sich dem Streitgebrauchsmuster nicht entnehmen. Vielmehr wird im Ausführungsbeispiel in der Beschreibung des Streitgebrauchsmusters das Verbindungselement durch zwei Ausnehmungen 4 in den Standfußelementen gebildet. Da keine gegenteiligen Anhaltspunkte ersichtlich sind, ist davon auszugehen, dass die im Ausführungsbeispiel gezeigte Ausgestaltung in den Schutzbereich der Schutzansprüche fällt (vgl. BGH, GRUR 2015, 972 – Kreuzgestänge; BGH, GRUR 2015, 875, 876 Rn. 16 – Rotorelemente; BGH, GRUR 2015, 159 Rn. 26 – Zugriffsrechte). - (d)
Merkmal 10 sieht vor, dass der künstliche Weihnachtsbaum mit der Aufnahme und/oder den Standfußelement mittels eines Befestigungselements lösbar verbindbar sein soll. Das Streitgebrauchsmuster fordert also zusätzlich zur Aufnahme ein Befestigungselement, das den künstlichen Weihnachtsbaum im Ständer festhält. Beispielhaft sieht das Streitgebrauchsmuster ein (hülsenartiges) Haltelement 6 vor (vgl. Abs. [0018] und Figuren 1 – 3), das den Fuß des künstlichen Weihnachtsbaums aufnimmt. Anders als der Verfügungsbeklagte meint, stellt das Streitgebrauchsmuster an das Befestigungselement keine bestimmten ästhetischen Anforderungen. Hierfür lässt sich weder dem Anspruch noch der Beschreibung etwas entnehmen. Vielmehr wird die Ästhetik des beanspruchten Weihnachtsbaumständers nur im Hinblick auf die Wahl von Holz als Material der Standfüße angesprochen (Abs. [0015]). Die übrigen (räumlich-körperlichen und funktionalen) Vorgaben des Streitgebrauchsmusters sehen kein zusätzliches Merkmal eines ästhetischen Aussehens des beanspruchten Gegenstands vor. - cc)
Bei der Frage des Offenbarungsgehalts einer Entgegenhaltung ist nicht zu ermitteln, in welcher Form der Fachmann eine gegebene allgemeine Lehre ausführen oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Schrift aus fachmännischer Sicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist (BGH, GRUR 2014, 758 – Proteintrennung; BGH, GRUR 2009, 382 – Olanzapin). Zu dem danach Offenbarten gehört allerdings nicht nur dasjenige, was im Wortlaut der Veröffentlichung ausdrücklich erwähnt wird. Nicht anders als bei der Ermittlung des Wortsinns eines Patentanspruchs ist vielmehr der Sinngehalt der Veröffentlichung maßgeblich, also diejenige technische Information, die der fachkundige Leser der jeweiligen Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwissens entnimmt (BGH, GRUR 2014, 758 – Proteintrennung; BGH GRUR 2009, 382 – Olanzapin). Hierzu gehören auch Abwandlungen und Ergänzungen, die nach dem Gesamtzusammenhang der Schrift für den Fachmann derart naheliegen, dass sie sich ihm bei aufmerksamer, weniger auf die Worte als ihren erkennbaren Sinn achtenden Lektüre ohne Weiteres erschließen, so dass er sie gleichsam mitliest, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist (BGH GRUR 2014, 758 – Proteintrennung; BGH GRUR 1995, 330 – Elektrische Steckverbindung; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.01.2018 – I-15 U 66/17 = GRUR-RS 2018, 1291 – Rn. 78 bei Juris). - (1)
Die vorstehend erörterten Grundsätze zur Offenbarung von Merkmalen gelten auch für die objektive Eignung eines Gegenstandes mit Blick auf Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben im Patentanspruch (BGH BeckRS 2015, 14874). Ein auf ein Erzeugnis als solches gerichteter Patentanspruch, der das Erzeugnis unter anderem mit der bloßen Eignung für eine bestimmte Funktion, zu einem bestimmten Zweck, einer Nutzung oder Wirkung definiert, ohne allein diese Verwendung zu beanspruchen, ist folglich nicht neu, sofern ein solcher Gegenstand dem Wortsinn nach zum Stand der Technik gehörte und die entsprechende Eignung aufwies, auch wenn die Möglichkeit einer dieser Eignung entsprechenden Nutzung oder Wirkung dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt nicht bekannt war (BGH, BeckRS 2015, 15056 Rn. 21; BGH, GRUR 1998, 899 – Alpinski). Die Neuheit ist nur dann zu bejahen, wenn im Stand der Technik keine Lehre und keine Vorbenutzung öffentlich zugänglich war, deren Gegenstand geeignet gewesen wäre, entsprechend den im Patentanspruch definierten Funktions-, Zweck- und Wirkungsangaben benutzt zu werden (BGH, BeckRS 2015, 15056; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.01.2018 – I-15 U 66/17 = GRUR-RS 2018, 1291 – Rn. 80 bei Juris). - (2)
Die auf einen künstlichen Weihnachtsbaum bezugnehmenden Merkmale 1, 3, 9 und 10 können jedenfalls grundsätzlich auch von einem Gegenstand vorweggenommen werden, welcher die Lehre dieser Merkmale in Bezug auf einen (natürlichen) Weihnachtsbaum erfüllt. - Wie oben dargelegt, reicht es für die Verwirklichung der Merkmale 1, 3, 9 und 10 aus, dass ein (üblicher) künstlicher Weihnachtsbaum denk- und konstruierbar ist, der von dem betreffenden Ständer in einer Aufnahme mittels eines Befestigungselements gehalten werden kann. Dies gilt ebenfalls für die Vorwegnahme dieser Merkmale: Es reicht aus, wenn ein voroffenbarter Weihnachtsbaumständer aufgrund seiner Ausgestaltung einen denk- und konstruierbaren künstlichen Weihnachtsbaum in anspruchsgemäßer Weise aufnehmen könnte.
- Der grundsätzlichen Einbeziehung von Stand der Technik zu natürlichen Weihnachtsbäumen steht nicht entgegen, dass künstliche Weihnachtsbäume oftmals filigraner sind. Dies führt nicht dazu, dass die – möglicherweise robuster konstruierten – Weihnachtsbaumständer nicht zur Aufnahme von künstlichen Weihnachtsbaumen geeignet sind, insbesondere da auch größere künstliche Weihnachtsbäume möglich erscheinen, die in ihrem Ausmaßen natürlichen Weihnachtsbäumen entsprechen. Allerdings muss bei jeder Offenbarung eines Ständers für einen natürlichen Weihnachtsbaum geprüft werden, ob der konkret gezeigte Gegenstand tatsächlich die erforderliche Eignung für einen künstlichen Weihnachtsbaum besitzt.
- (3)
Der Stand der Technik zu Weihnachtsbaumständern für natürliche Bäume ist für die Schutzfähigkeit des Streitgebrauchsmusters nicht aus ästhetischen Gesichtspunkten irrelevant. Ein allgemeines Merkmal der Ästhetik findet sich im geltend gemachten Schutzanspruch nicht, wie oben dargestellt wurde. - dd)
Der beschränkte Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters ist nicht schutzfähig, da dessen Lehre nicht neu gegenüber den Entgegenhaltungen E5 und E6 und nicht erfinderisch gegenüber der Entgegenhaltung E16 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen ist (§§ 13 Abs. 1; 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG i.V.m. § 1 Abs. 1 GebrMG). - (1)
Die Entgegenhaltung US 5,XX,XXX (nachfolgend: Entgegenhaltung E5; Maschinenübersetzungen sind als Anlagen E5b und E5c eingereicht worden) nimmt die Lehre des von dem Verfügungsbeklagten verteidigten Schutzanspruchs neuheitsschädlich vorweg. - Zur Veranschaulichung der Lehre der E5 werden nachfolgend die Figuren 1 und 2 der E5 eingeblendet:
- Die Entgegenhaltung E5 betrifft „eine Stütze zum Erfassen des Stammes am stumpfen Ende eines gefällten Baumes“ (S. 1 Z. 16 Anlage E5c).
- (a)
Die E5 offenbart die Merkmale 1, 3 und 9, welche die Aufnahme eines künstlichen Weihnachtsbaums in der Aufnahme des Weihnachtsbaumständers mittels Einstecken verlangen. In der Entgegenhaltung ist die Aufnahme als „zylindrischer Körper 16“ („“) offenbart (vgl. die oben eingeblendete Figur 2). Weiterhin soll diese Aufnahme einen echten Weihnachtsbaum aufnehmen können, womit auch die Eignung zur Aufnahme eines künstlichen Weihnachtsbaums gezeigt ist. Denn ein künstlicher Weihnachtsbaum in den Maßen eines – ggf. kleinen – natürlichen Weihnachtsbaums ist ohne weiteres denk- und konstruierbar. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Entgegenhaltung E5 irgendwelche Vorgaben macht, welche der Aufnahme eines künstlichen Weihnachtsbaums – im Gegensatz zu einem natürlichen Baum – entgegenstehen könnten. - (b)
Die Offenbarung der Merkmale 2, 4 und 5 in der E5 ist unstreitig und ergibt sich ohne weiteres aus der oben eingeblendeten Figur 2 der E5. Die sich kreuzenden Standfußelemente sind durch die Querstangen („“) 48 und 50 gezeigt, die eine Maserung aufweisen. - (c)
Ferner zeigt die E5 Merkmal 6, wonach die Standfußelemente derart ausgebildet sind, dass sie bei der Anordnung in eine Nutzungsstellung auf ihrer zum Fußboden gerichteten Seite eine Fläche in einer Ebene bilden. Dies ist insbesondere in der oben eingeblendeten Figur 1 E5 erkennbar. Soweit der Verfügungsbeklagte auch bezogen auf Merkmal 6 meint, die E5 offenbare keinen in die Standfußelemente eingelassene Aufnahme für einen künstlichen Weihnachtsbaum, geht dies ins Leere, da jedenfalls Merkmal 6 Entsprechendes nicht verlangt.(d)
Das von Merkmal 7 gelehrte Verbindungselement wird vom Gegenstand der E5 in Form von Kerben 52, 54 verwirklicht. Auch insoweit stellt der Verfügungsbeklagte die Offenbarung dieses Merkmals nicht konkret in Abrede, wenn er hinsichtlich der Merkmale 6 bis 9 meint, die E5 offenbare keine in die Standfußelemente eingelassene Aufnahme für einen künstlichen Weihnachtsbaum. - (e)
Weiterhin wird Merkmal 8 von der E5 offenbart. Die streitgebrauchsmustergemäße Aufnahme, die in der E5 in Form des zylindrischen Körpers 16 realisiert ist, ist im oberen Standfußelement eingelassen. Hierfür sind am Querbalken 50 die nach oben gerichteten Kerben 60 und 62 vorgesehen. - (f)
Schließlich ist mit dem U-förmigen Joch 30 aus mehreren Verbindungsmitteln 32, 34, 36 und 38 in der E5 ein Befestigungselement gemäß Merkmal 10 des Streitgebrauchsmusters vorgesehen, mittels dem der künstliche Weihnachtsbaum mit der Aufnahme (zylindrischer Körper 16) lösbar verbunden werden kann. Zur Veranschaulichung werden nachfolgend die Figuren 3 und 5 der E5 auszugsweise verkleinert eingeblendet:
Soweit der Verfügungsbeklagte anführt, dies genüge „nicht den ästhetischen Anforderungen und findet daher auch keine Entsprechung in der gegenständlichen Gebrauchsmusterschrift“, geht dies ins Leere. Es ist nicht ersichtlich, welche technische, vom Streitgebrauchsmuster vorgesehene Ausgestaltung er als nicht offenbart ansieht. Das Streitgebrauchsmuster verlangt hinsichtlich des Befestigungselements keine bestimmte Ästhetik. - (2)
Die Entgegenhaltung DE 32 04 XXX A1 (nachfolgend: Entgegenhaltung E6) nimmt die Lehre des Streitgebrauchsmusters ebenfalls neuheitsschädlich vorweg. - (a)
Hierfür spricht bereits, dass der Prüfer des Rechercheberichts (Anlage S 8) die E6 als relevant für die Neuheit aller eingetragenen Schutzansprüche angesehen hat. Hierbei handelt es sich um eine vom Gericht zu berücksichtigende fachkundige Äußerung, deren Gewicht allerdings etwas dadurch eingeschränkt wird, dass der Recherchebericht keine nähere Begründung aufweist. - (b)
Die E6 lehrt einen Ständer, bei dem zwei kreuzweise über- und aneinander gleichartige Balken (1) fixiert sind, die im Zentrum der Kreuzung eine Bohrung (7) zum Einsetzen des Christbaumes aufweisen. Die Bohrung (7) weist in radialer Richtung mindestens eine Erweiterung (6) auf, in die Keile (4) zum Halten des Christbaumes am Ständer eingesetzt werden können. Zur Veranschaulichung der Lehre der E6 wird nachfolgend deren Figuren 1 und 2 verkleinert eingeblendet: - (c)
Die E6 zeigt die Merkmale 1, 3, 8 und 9 des Streitgebrauchsmusters, die eine Aufnahme im oberen Standfußelement zur (einsteckbaren) Aufnahme eines künstlichen Weihnachtsbaums verlangen. Dies ergibt sich aus den oben eingeblendeten Figuren und etwa aus S. 5 Z. 12 – 19 E6. Aus der Eignung zur Aufnahme von Christbäumen folgt auch die Aufnehmbarkeit von künstlichen Weihnachtsbäumen. Es ist nicht ersichtlich, dass der von der E6 gelehrte Gegenstand hierzu nicht in der Lage sein könnte. Vielmehr soll der von der E6 beschriebene Ständer gemäß der Aufgabenstellung „…“ bieten (S. 5 Z. 6 – 10 E6). Ferner wird auf S. 9 Z. 19 – 21 E6 explizit die Eignung für das Aufstellen von Verkehrsschildern angesprochen, was ebenfalls für die Eignung für die Aufnahme auch von künstlichen Weihnachtsbäumen spricht. Die streitgebrauchsmustergemäße Aufnahme wird in der E6 von der Bohrung 7 verwirklicht und ist damit in Einklang mit Merkmal 8 im oberen Standfußelement eingelassen. - Dass unter den Ständer ein Wasserbehälter für den Christbaum gestellt werden kann (S. 6 Z. 24 – 31 E6), steht der Vorwegnahme dieser Merkmale nicht entgegen, da ein Freiraum für ein entsprechendes Gefäß von der Lehre des Streitgebrauchsmusters nicht ausgeschlossen wird.
- (d)
Der Verfügungsbeklagte stellt zu Recht nicht in Abrede, dass die E6 die Merkmale 2, 4 und 5 des Streitgebrauchsmusters zeigt. Holz wird als Werkstoff auf S. 5 Z. 26 – 30 E6 vorgeschlagen. - (e)
Aber auch Merkmal 6 wird von der E6 gezeigt. Wie aus Figur 1 E6 hervorgeht, bilden die Unterseiten der an den Balken 1 befestigten Füße 3 eine Fläche in einer Ebene. Weiterhin handelt es sich bei den Füßen 3 um ein optionales Element, welches in Unteranspruch 3 der E6 beansprucht wird. Lässt man diese Füße weg, liegen die Balken unmittelbar auf dem Boden auf. Auch wenn man – anders als die Kammer –ein vollflächiges Aufliegen der Standfußelemente in einer Ebene verlangt, dürfte der Fachmann dieses in der E6 daher mitlesen. - (f)
Die E6 offenbart ebenfalls ein Verbindungselement nach Merkmal 7 des Streitgebrauchsmusters und zwar in Form von Nuten 10 auf der Ober- bzw. Unterseite der Querbalken 1 in einer bevorzugten Ausführungsform (S. 6 Z. 31 – 35 und S. 9 Z. 6 f. E6). Zur Veranschaulichung wird nachfolgend Figur 3 der E6 verkleinert eingeblendet: - (g)
Schließlich zeigt die E6 mit dem Keil 4 auch ein Befestigungselement, mit dem ein künstlicher Weihnachtsbaum lösbar mit der Aufnahme verbindbar ist (Merkmal 10). Diese Keile dienen zum Halten des Christbaums in dem Ständer. - Der Verfügungsbeklagte hat zuletzt die neuheitsschädliche Vorwegnahme der Lehre des Streitgebrauchsmusters durch die E6 nur noch in Bezug auf Merkmal 10 in Abrede gestellt und gemeint, „beim Eintreiben der Keile in eine Öffnung“ würde ein Nutzer „den Stamm oder andere Teile des künstlichen Weihnachtsbaumes beschädigen“. Dem ist nicht zu folgen, da nicht ersichtlich ist, warum ein (denk- und konstruierbarer) künstlicher Weihnachtsbaum nicht durch Keile befestigt werden kann. Es lässt sich bereits nicht ersehen, dass künstliche Weihnachtsbäume insoweit notwendigerweise empfindlicher als natürliche Weihnachtsbäume oder die von der E6 auch angesprochenen Verkehrsschilder sind.Soweit der Verfügungsbeklagte weiter ausführt,
- „Auch die vereinfachte Aufbewahrung ist hier in Frage zu stellen, da die Keile leicht verloren gehen können, für eine Aufbewahrung dieser in den Füßen vorgesehenen Bohrungen jedoch eine für einen künstlichen Weihnachtsbaum unattraktive Klobigkeit entsteht“ (S. 4 f. Duplik = Bl. 82 f. GA),
- trägt er damit nicht vor, welches Merkmal des Streitgebrauchsmusters nicht in der E6 gezeigt sein soll. Zur Klobigkeit des beanspruchten Weihnachtsbaumständers verhält sich das Streitgebrauchsmuster nicht.
- (3)
Die Entgegenhaltung US 6,XXX,977 (nachfolgend: Entgegenhaltung E6; eine Maschinenübersetzung ist als Anlage E16b vorgelegt worden) legt in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen den Gegenstand des Streitgebrauchsmusters nahe (Löschungsgrund nach §§ 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GebrMG). - (a)
Die im Recherchebericht nicht genannte Entgegenhaltung E16 betrifft einen Weihnachtsbaumständer zum Stützen eines künstlichen Weihnachtsbaums (S.1 Z. 19 f. E16). Zur Veranschaulichung der Lehre der Entgegenhaltung E16 wird nachfolgend deren Figur 1 verkleinert eingeblendet: - Der in der E16 gelehrte Weihnachtsbaumständer umfasst einen Hauptkörper 1 und einen Sekundärkörper 2. Der Hauptkörper 1 ist ferner mit einem inneren Hülsenabschnitt 11 definiert (vgl. S. 2 Z. 65 – 74 E16b), in den ein Stamm eines Weihnachtsbaumes eingelassen werden kann (S. 3 Z. 101 f. E16b). Nach Einlassen des Baums kann eine Vielzahl von Bolzen 13 jeweils bis zu einer bestimmten Tiefe durch die Löcher 123 des ersten äußeren Hülsenabschnitts 12 in den Baumstamm 3 geschraubt werden (S. 3 Z. 103 – 105 E16b).
- (b)
Die Merkmale 1 bis 4 und 7 bis 10 werden in der E16 offenbart, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt. Zwar meint der Verfügungsbeklagte, nur Merkmal 1 sei offenbart (S. 5 f. DU = Bl. 83 f. GA). Allerdings trägt er nicht konkret vor, welches Merkmal aus welchem Grund in der E16 nicht offenbart sein soll. Dass es „technisch keine Übereinstimmungen“ gebe, ist nicht nachvollziehbar und genügt den Anforderungen an einen konkreten Sachvortrag nicht. - (c)
Auch Merkmal 6 ist in der E16 gezeigt, da in der E16 die Füße an den radial äußeren Rändern des Haupt- und Sekundärkörpers eine Fläche in einer Ebene bilden. - (d)
Die E16 zeigt unstreitig keine Standfußelemente, die aus Holz gefertigt sind, wie es aber Merkmal 5 des Streitgebrauchsmusters verlangt. Dieses Merkmal ist aber nahegelegt und kann damit keine Erfindungshöhe des Streitgebrauchsmusters begründen. Die Verfügungsklägerin hat ausgeführt, dass Holz leichter zu bearbeiten ist und die Verwendung von Holz bei Weihnachtsbaumständern zum fluiden Wissen des Fachmanns gehöre. Weiterhin hat sie auf verschiedene Schriften aus dem Stand der Technik (Entgegenhaltungen E1, E3 – E6, E11 und E12) verwiesen, die Weihnachtsbaumständer aus Holz beschreiben. Dem ist der Verfügungsbeklagte nicht entgegengetreten. Wenn also ein Fachmann ausgehend von der E16 sich die Aufgabe stellt, einen Weihnachtsbaumständer aus einem anderen Material herzustellen, würde er ohne erfinderischen Schritt zur Verwendung von Holz kommen. - (4)
Die Schutzfähigkeit ließe sich auch nicht durch Hinzunahme des neuen Unteranspruchs 2 erzielen, der dem ursprünglich eingetragenen Schutzanspruch 4 des Streitgebrauchsmusters entspricht. Dieser enthält das zusätzliche Merkmal, „dass in die Aufnahme (5) ein Halteelement (6) einsetzbar ist, das in der Nutzungsposition ein Fuß (7) eines künstlichen Weihnachtsbaumes umschließt“. Dieses Merkmal taugt aber – jedenfalls in Bezug auf die vorstehend erörterten Entgegenhaltungen – nicht zum Erzielen der Schutzfähigkeit und beschränkt die Lehre des nunmehr verteidigten Schutzanspruch 1 nicht nennenswert. Das in dem neuen Unteranspruch 2 erwähnte Halteelement selbst ist nicht Teil des beanspruchten Gegenstands, sondern des (künstlichen) Weihnachtsbaums. Die nähere Ausgestaltung des Halteelements wird vom Streitgebrauchsmuster nicht vorgeschrieben. Wenn aber ein künstlicher Weihnachtsbaum von einem Ständer aufgenommen werden kann, gilt dies regelmäßig auch für einen künstlichen Weihnachtsbaum mit einem Halteelement. Dies trifft jedenfalls auf die diskutierten Entgegenhaltungen zu. - II.
Ferner besteht ein Verfügungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Verfügung, da die Sache dringlich ist. - 1.
Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG gilt auch dann für das Vorgehen gegen unberechtigte Abnehmerverwarnungen, wenn nach §§ 823, 1004 BGB vorgegangen wird, so dass die Dringlichkeit vermutet wird (LG Frankfurt, Urteil vom 19.12.2007 – 2/6 O 270/07 – Rn. 44 bei Juris = Mitt. 2014, 30 – Ausländische Abnehmerverwarnung). Eine Dringlichkeit ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn der Antragsteller durch sein Verhalten selbst zu erkennen gibt, dass es „ihm nicht eilig ist“ (BGH, GRUR 2000, 151; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2014, 273 – Rücklastschriftkosten). Das ist z.B. der Fall, wenn er längere Zeit zuwartet, obwohl er den Wettbewerbsverstoß und die Person des Verantwortlichen kennt oder grob fahrlässig nicht kennt (OLG Düsseldorf, a.a.O., m.w.N). Nach der Rechtsprechung des 20. Zivilsenats des OLG Düsseldorf wird ein Zuwarten von zwei Monaten im Allgemeinen als nicht dringlichkeitsschädlicher Zeitraum erachtet (OLG Düsseldorf, BeckRS 2009, 22007). - 2.
Nach diesen Maßgaben ist eine Dringlichkeit gegeben. Die Verfügungsklägerin hat genau zwei Monate ab Kenntniserlangung am 07.12.2021 der Sperrung (Anlage AS 1) zugewartet, bis sie den Verfügungsantrag am 07.02.2021 gestellt hat. Weiterhin hat sie den Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 10.12.2021 mit Frist bis zum 15.12.2021 abgemahnt, ist also nicht untätig geblieben. Zwar hat sie nach Fristablauf bis zum 07.02.2022, also 1,5 Monate, weiter zugewartet. Dies reicht aber nicht aus, um eine dringlichkeitsschädliche Verzögerung anzunehmen. Denn ein Zeitraum von zwei Monaten zwischen Kenntniserlangung und Antragstellung wird nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf regelmäßig nicht als dringlichkeitsschädlich erachtet; zudem lagen die Weihnachtsfeiertage in diesem Zeitraum. - III.
Die Verfügungsklägerin hat keinen Verfügungsanspruch für die in Ziffer 1.b) begehrte Unterlassung. Nach diesem Antrag soll der Verfügungsbeklagte es unterlassen, gegenüber A zu behaupten, die Produkte gemäß den in Ziffer 1.b) aufgeführten C (C Teil B) würde die Rechte aus dem Streitgebrauchsmuster verletzen. - 1.
Ein Anspruch hierauf wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach §§ 823, 1004 BGB oder auf Grundlage von § 4 Abs. 4 UWG wegen gezielter Behinderung eines Mitbewerbers scheitert schon daran, dass weder eine Erstbegehungs- noch eine Wiederholungsgefahr für das zu untersagende Verhalten ersichtlich ist. Eine solche Gefahr ist aber für einen Unterlassungsanspruch nach beiden Rechtsgrundlagen erforderlich (§ 1004 Abs. 1 BGB bzw. § 8 Abs. 1 UWG). - Der Verfügungsbeklagte hat gegenüber A nie geltend gemacht, die Angebote gemäß der in Ziffer 1.b) des Antrags aufgeführten C (C Teil B) würden das Streitgebrauchsmuster verletzen. Die C Teil B waren unstreitig nicht Teil der Schutzrechtsverletzungsanzeige des Verfügungsbeklagten. Warum A auch die Angebote unter diesen C gesperrt hat, kann nicht festgestellt werden. Der Verfügungsbeklagte hat einen Zusammenhang zu seiner Schutzrechtsverletzungsanzeige bestritten. Aber selbst wenn man unterstellt, die Schutzrechtsverletzungsanzeige habe die Sperrung der Angebote mit den C Teil B ausgelöst, besteht kein Grund für die beantragte Unterlassung. Unabhängig von der Ursache der Sperrung ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass diese durch ein (objektiv zurechenbares) Fehlverhalten des Verfügungsbeklagten ausgelöst wurde. Hinsichtlich der C Teil B liegt überhaupt keine relevante Handlung des Verfügungsbeklagten vor. Weiterhin setzt ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stets eine Betriebsbezogenheit des Eingriffs voraus (BeckOK BGB/Förster, 61. Ed. 1.2.2022, BGB § 823 Rn. 183), der aber nicht vorliegt, wenn eine Schutzrechtsverletzungsanzeige unbeabsichtigt dazu führt, dass auch nicht aufgeführte Angebote von A gesperrt werden. Gleichermaßen scheidet eine gezielte Behinderung nach § 4 Abs. 4 UWG aus, wenn die Sperrung auf einem Irrtum eines Dritten beruhte und vom Verfügungsbeklagten nicht beabsichtigt war.
- 2.
Die Verfügungsklägerin kann einen Unterlassungsanspruch nicht mit der Unterlassung einer Korrektur durch den Verfügungsbeklagten begründen. - Es ist schon nicht ersichtlich, welches vorhergehende gefährdende Tun (Ingerenz) hier eine Garantenstellung des Verfügungsbeklagten auslösen könnte. Ein solches kann nicht darin gesehen werden, dass die Schutzrechtsverletzungsanzeige hinsichtlich der C Teil A unberechtigt war, da insofern keine zurechenbare Gefahr für eine Sperrung auch der C Teil B vorliegt. Ist nur ein Teil des Inhalts der Warnung unberechtigt, ist Kausalität für den Schaden gegeben, wenn auch der widerrechtliche Teil für sich allein die gleiche Wirkung beim Verwarnten hervorgerufen hätte (Werner in: Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Aufl. 2020, § 139 Rn. 5). Hier besteht aber gerade keine Kausalität zwischen der fehlenden Berechtigung der Schutzrechtsrechtsverletzungsanzeige zu den C Teil A und der Sperrung der Angebote gemäß der C Teil B.
- Weiterhin kann nicht festgestellt werden, dass bei einer Schutzrechtsverletzungsanzeige stets die Gefahr besteht, dass nicht monierte Angebote von A gesperrt werden. Dass die Schutzrechtsverletzungsanzeige gegenüber A in einer schnellen Sperrung der Angebote resultieren kann, führt zu einer Gefährlichkeit eines solchen Vorgehens nur in Bezug auf die jeweils in der Anzeige genannten Angebote, nicht aber für andere Angebote desselben Händlers.
- 3.
Im Übrigen bleibt unklar, welches Verhalten der Verfügungsbeklagte konkret unterlassen müsste, würde eine einstweilige Verfügung im Umfang von Ziffer 1.b) erlassen werden. Bei einer entsprechenden Verurteilung dürfte der Verfügungsbeklagte im Ergebnis überhaupt keine Schutzrechtsverletzungsanzeige abgeben, da er einen Fehler auf Seiten von A nie ausschließen kann. Es ist nicht ersichtlich, was der Verfügungsbeklagte bei einer Schutzrechtsanzeige anders hätte machen sollen, um die Sperrung der C Teil B zu vermeiden.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO und orientiert sich an der Anzahl der Angebote (C) hinsichtlich der eine der Parteien jeweils unterliegt. - Soweit die einstweilige Verfügung erlassen wurde, ist diese vorläufig vollstreckbar (MüKoZPO/Götz, 6. Aufl. 2020, ZPO § 704 Rn. 15). Soweit der Antrag dagegen zurückgewiesen wurde, folgt die Vollstreckbarkeitsentscheidung hinsichtlich der Kosten aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.
V.
Der Streitwert wird auf EUR 30.000,00 festgesetzt.