Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3203
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 02. März 2022, Az. 4a O 64/20
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I. Die Beklagten werden verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an dem Geschäftsführer ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin und hinsichtlich der Beklagten zu 2) an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
- a) Windturbinengeratoren, umfassend:
ein Anstellwinkelsteuersystem, um einen Anstellwinkel eines oder mehrerer Flügel zu verändern; eine Turbinensteuerung, die mit dem Anstellwinkelsteuersystem gekoppelt ist; einen Generator, der mit der Turbinensteuerung und dem Anstellwinkelsteuersystem gekoppelt ist, um während eines ersten Betriebsmodus Strom bereitzustellen;
- und eine nicht unterbrechbare Stromversorgung, die mit der Turbinensteuerung und mit dem Anstellwinkelsteuersystem gekoppelt ist, um während eines Niederspannungsereignisses Strom bereitzustellen, wobei ein Niederspannungsereignis besteht, wenn eine Ausgangsspannung des Generators für eine vorherbestimmte Zeit bei einem vorherbestimmten Pegel in Bezug auf eine Nennspannung für den Generator liegt, und wobei der vorherbestimmte Pegel geringer als 50 % der Nennspannung ist;
- wobei die Turbinensteuerung das Anstellwinkelsteuersystem als Reaktion auf eine Detektion eines Übergangs von dem ersten Betriebsmodus zu dem Niederspannungsereignis dazu bringt, den Anstellwinkel des einen oder der mehreren Flügel zu verändern; und wobei der Generator während des Niederspannungsereignisses mit einem Stromnetz verbunden und synchronisiert bleibt,
- in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- und/oder
- b) Windturbinengeneratoren, welche dazu geeignet sind,
- ein Verfahren, umfassend:
Bereitstellen von Strom an Windturbinenelemente unter Verwendung eines Generators der Windturbine während eines ersten Betriebsmodus;
- Detektieren eines Niederspannungsereignisses, wobei ein Niederspannungsereignis besteht, wenn eine Ausgangsspannung des Generators für eine vorherbestimmte Zeit bei einem vorherbestimmten Pegel in Bezug auf eine Nennspannung für den Generator liegt, und wobei der vorherbestimmte Pegel geringer als 50 % der Nennspannung ist;
Erhalten von Strom von einer nicht unterbrechbaren Stromversorgung für eine erste Untergruppe der Windturbinenkomponenten, wobei die erste Untergruppe der Windturbinenkomponenten ein Anstellwinkelsteuersystem umfasst, um das Anstellwinkelsteuersystem während eines Niederspannungsereignisses selektiv so zu bestromen, dass eine Rotorgeschwindigkeit unter einer vorherbestimmten Übergeschwindigkeitsgrenze behalten wird; und
Verändern des Anstellwinkels eines oder mehrerer Flügel als Reaktion auf die Detektion eines Übergangs von dem ersten Betriebsmodus zu dem Niederspannungsereignis; und wobei der Generator während des Niederspannungsereignisses mit einem Stromnetz verbunden und synchronisiert bleibt,
- durchzuführen,
- Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, und / oder an solche zu liefern,
- ohne
im Falle des Anbietens im Angebot ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die Windturbinengeneratoren nicht ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin des Patents EP 1 590 XXX B1/DE 60 2004 051 XXX.5 zur Durchführung des unter Ziffer 1. bezeichneten Verfahrens in der Bundesrepublik Deutschland verwendet werden dürfen;
- im Falle der Lieferung den Abnehmern unter Auferlegung einer an die Patentinhaberin zu zahlenden Vertragsstrafe von 100.000 EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung, mindestens jedoch 50.000 EUR pro Windturbinengenerator, die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die Windturbinengeneratoren nicht ohne Zustimmung der Patentinhaberin für ein Verfahren mit den vorstehend unter Ziffer 1.b) bezeichneten Merkmalen zu verwenden;
- 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 15. Juli 2020 begangen haben, und zwar unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
- b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
- wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kauf-belege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 15. Juli 2020 begangen haben, und zwar unter Angabe:
- a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
- b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefer-mengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
- c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
- d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
- 4. nur die Beklagte zu 1): die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter I.1.a) bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;
- 5. nur die Beklagte zu 1): die unter I.1.a) bezeichneten, seit dem 15. Juli 2020 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 02.03.2022) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
- II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 15. Juli 2020 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
- IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 4.000.000,00. Daneben sind die Anträge auf Unterlassung, Vernichtung und Rückruf (Anträge zu Ziffern I.1., I.4. und I.5.) gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung von EUR 3.000.000,00. Die Anträge auf Auskunft und Rechnungslegung sind gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 600.000,00. Weiterhin ist die Entscheidung im Kostenpunkt gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen unmittelbarer und mittelbarer Verletzung des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 1 590 XXX B1 (nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie auf Schadenersatzfeststellung in Anspruch. Die Beklagte zu 1) nimmt sie zusätzlich auch auf Rückruf und Vernichtung patentverletzender Erzeugnisse in Anspruch.
Die Klägerin ist die im Register des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragene Inhaberin (vgl. Anlage HL 8) des Klagepatents, das mit deutscher Übersetzung in den Anlagen HL 7 bzw. HL 7a vorgelegt wurde. Das in englischer Verfahrenssprache erteilte Klagepatent wurde am 23.01.2004 unter Inanspruchnahme des Prioritätsdatums 24.01.2003 der US 350 XXX angemeldet. Das Europäische Patentamt veröffentlichte am 04.10.2017 den Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents.
- Das Klagepatent steht in Kraft. Gegen dessen Erteilung hat unter anderem die Beklagte zu 1) Einspruch eingelegt, den die Einspruchsabteilung mit Entscheidung vom 14.01.2020 (vgl. Anlagen HL 9 (Entscheidung) und HL 21 (Verhandlungsprotokoll)) zurückgewiesen und so das Klagepatent in der erteilten Fassung aufrechterhalten hat. Über die hiergegen eingelegten Beschwerden hat die Technische Beschwerdekammer noch nicht entschieden.
- Die geltend gemachten unabhängigen Ansprüche 1 und 14 des Klagepatents lauten in der englischen Verfahrenssprache wie folgt:
- „1. A wind turbine generator comprising:
- a blade pitch control system (520) to vary a pitch of one or more blades (200);
a turbine controller (500) coupled with the blade pitch control system;
a generator (220) coupled with the turbine controller and the blade pitch control system to provide power during a first mode of operation; and
characterised by: - an uninterruptible power supply (530) coupled to the turbine controller and with the blade pitch control system (520) to provide power during a low voltage event, wherein a low voltage event exists when an output voltage of the generator is at a predetermined level with respect to a rated voltage for the generator for a predetermined time, and wherein the predetermined level is less than 50% of the rated voltage for the generator;
wherein the turbine controller (500) causes the blade pitch control system (520) to vary the pitch of the one or more blades (200) in response to detection of a transition from the first mode of operation to the low voltage event; and wherein the generator (220) remains connected to and synchronized with a power grid during the low voltage event.“ - „14. A method comprising:
providing power to wind turbine components using a generator (220) of the wind turbine during a first mode of operation; characterised by: - detecting a low voltage event, wherein a low voltage event exists when an output voltage of the generator (220) is at a predetermined level with respect to a rated voltage for the generator (220) for a predetermined time, and wherein the predetermined level is less than 50% of the rated voltage for the generator;
receiving power from an uninterruptible power supply (530) to a first subset of wind turbine components, wherein the first subset of wind turbine components comprises a blade pitch control system (520) to selectively power the blade pitch control system (520) to maintain a rotor speed below a predetermined overspeed limit during the low voltage event; and
varying the pitch of one or more blades (200) in response to detection of a transition from the first mode of operation to the low voltage event, and
wherein the generator (220) remains connected to and synchronized with a power grid during the low voltage event.“ - In der eingetragenen deutschen Übersetzung lauten diese Ansprüche wie folgt:
- „1. Windturbinengenerator, umfassend:
- ein Anstellwinkelsteuersystem (520), um einen Anstellwinkel eines oder mehrerer Flügel (200) zu verändern;
eine Turbinensteuerung (500), die mit dem Anstellwinkelsteuersystem gekoppelt ist;
einen Generator (220), der mit der Turbinensteuerung und dem Anstellwinkelsteuersystem gekoppelt ist, um während eines ersten Betriebsmodus Strom bereitzustellen;
und gekennzeichnet durch:
eine nicht unterbrechbare Stromversorgung (530), die mit der Turbinensteuerung und mit dem Anstellwinkelsteuersystem (520) gekoppelt ist, um während eines Niederspannungsereignisses Strom bereitzustellen, wobei ein Niederspannungsereignis besteht, wenn eine Ausgangsspannung des Generators für eine vorherbestimmte Zeit bei einem vorherbestimmten Pegel in Bezug auf eine Nennspannung für den Generator liegt, und wobei der vorherbestimmte Pegel geringer als 50 % der Nennspannung ist;
wobei die Turbinensteuerung (500) das Anstellwinkelsteuersystem (520) als Reaktion auf eine Detektion eines Übergangs von dem ersten Betriebsmodus zu dem Niederspannungsereignis dazu bringt, den Anstellwinkel des einen oder der mehreren Flügel (200) zu verändern; und wobei der Generator (220) während des Niederspannungsereignisses mit einem Stromnetz verbunden und synchronisiert bleibt.“ - „14. Verfahren, umfassend:
- Bereitstellen von Strom an Windturbinenelemente unter Verwendung eines Generators (220) der Windturbine während eines ersten Betriebsmodus; gekennzeichnet durch:
- Detektieren eines Niederspannungsereignisses, wobei ein Niederspannungsereignis besteht, wenn eine Ausgangsspannung des Generators (220) für eine vorherbestimmte Zeit bei einem vorherbestimmten Pegel in Bezug auf eine Nennspannung für den Generator (220) liegt, und wobei der vorherbestimmte Pegel geringer als 50 % der Nennspannung ist;
Erhalten von Strom von einer nicht unterbrechbaren Stromversorgung (530) für einen ersten Untersatz der Windturbinenkomponenten, wobei der erste Untersatz der Windturbinenkomponenten ein Anstellwinkelsteuersystem (520) umfasst, um das Anstellwinkelsteuersystem (520) während des Niederspannungsereignisses selektiv so zu bestromen, dass eine Rotorgeschwindigkeit unter einer vorherbestimmten Übergeschwindigkeitsgrenze behalten wird; und
Verändern des Anstellwinkels eines oder mehrerer Flügel (200) als Reaktion auf die Detektion eines Übergangs von dem ersten Betriebsmodus zu dem Niederspannungsereignis; und
wobei der Generator (220) während des Niederspannungsereignisses mit einem Stromnetz verbunden und synchronisiert bleibt.“ - Die nachstehend zur Veranschaulichung der beanspruchten Lehre eingeblendete Figur 2 des Klagepatents ist nach den Abs. [0010], [0013] der Beschreibung des Klagepatents eine schematische Darstellung einer Ausführungsform eines Windturbinengenerators. Hierbei führt Wind den mit einem Rotor 205 verbundenen (Rotor-) Blättern 200 Energie zu. Der Winkel der Blätter 200 kann durch in dieser Figur nicht dargestellte Steuervorrichtungen verändert werden. Dies erfolgt bei sich verändernder Windgeschwindigkeit, um die Rotordrehzahl zu regeln und Übergeschwindigkeiten zu verhindern:
- Die nachstehende Figur 5, die der Übersetzung des Klagepatents in Anlage HL 7a entnommen ist, zeigt nach Abs. [0010] der Patentbeschreibung ein Blockdiagramm einer Ausführungsform einer Turbinensteuerung und zugeordneter Komponenten zur Verwendung in einem Windturbinengenerator:
- Die Beklagte zu 1) entwickelt, vertreibt und verkauft drehzahlvariable Windturbinengeneratoren und deren Komponenten und bietet mit dem Betrieb verbundenen Serviceleistungen an. Die Beklagte zu 2) ist die persönlich haftende und geschäftsführende Gesellschafterin der Beklagten zu 1).
- Die Beklagte zu 1) vertreibt in Deutschland Windturbinen der sog. 4.X Plattform mit einer variablen Nennleistung zwischen XX und XX Megawatt (MW), zu denen die Turbinen B und C gehören, sowie Windturbinen der D Plattform mit einer variablen Nennleistung von bis zu XX MW bzw. XX MW, zu denen derzeit die Turbinenmodelle E und F gehören (im Folgenden: angegriffene Ausführungsformen). Die angegriffenen Ausführungsformen werden auch von Drittunternehmen im Auftrag der Beklagten installiert.
- Zur Veranschaulichung des Aufbaus der angegriffenen Ausführungsformen wird nachfolgend jeweils eine Abbildung einer XXX und einer D Turbine aus entsprechenden (…) der Beklagten (S. 7 Anlage HL 13 bzw. S. 9 Anlage HL 14, von S. 22 der Klageschrift) eingeblendet:
- Nach den Ausführungen in den „(…)“ zu den angegriffenen Ausführungsformen sind diese in der Lage, bei Spannungsschwankungen auf dem verbindenden Übertragungssystem oberhalb und unterhalb der Standardspannungsgrenzen weiter zu arbeiten. In den angegriffenen Ausführungsformen sind für Spannungsabfälle am Generator verschiedene Schwellenwerte für das Trennen (tripping) der Windturbine vom Netz festgelegt. Diese Schwellenwerte sind als Spannungspegel im Verhältnis zum Nennwert definiert. Für jeden Schwellenwert ist eine Zeit (in ms) festgelegt, nach deren Ablauf die jeweilige angegriffene Ausführungsform vom Netz getrennt wird. So wird eine angegriffenen Ausführungsform beispielsweise bei einem Abfall der Spannung auf unter 50 % der Nennspannung nach 2,1 Sekunden vom Netz getrennt, bei einem Abfall auf unter 20 % nach 1,1 Sekunden. Dieser Zusammenhang lässt sich auch aus Figur 1 aus Anlage HL 13 ersehen:
- Liegt das Wertepaar aus Zeit (X-Achse) und Spannungsabfall (Y-Achse) unterhalb der blauen Linie, erfolgt eine Trennung vom Netz.
- Die angegriffenen Ausführungsformen verfügen über sogenannte DFIG-Generatoren-Konfigurationen (DFIG = „Doubly-fed induction machines“). Dabei ist der Generator direkt mit dem Stromnetz verbunden, wobei der Umrichter nebengeschaltet ist. Der DFIG-Generator bleibt so auch während eines Spannungsabfalls für eine gewisse Zeit mit dem Stromnetz verbunden und synchronisiert. Die angegriffenen Ausführungsformen verfügen weiterhin über eine Batterie („Online UPS, Li Battery“), die zwischen Generator und Turbinensteuerung angeordnet ist und vom Generator aufgeladen wird. Diese Batterie bestromt die Turbinensteuerung, wenn kein Strom vom Generator bereitgestellt wird.
- Über das Pitch-System der angegriffenen Ausführungsformen können die Flügel(-winkelstellung) des Windturbinenrotors gesteuert werden. Dabei berechnen die angegriffenen Ausführungsformen fortlaufend einen jeweils optimierten Referenzwert („optimized pitch reference“) für den Blatteinstellwinkel, d.h. einen Winkel, den die Rotorblätter einnehmen sollen, was auch eine Übergeschwindigkeit des Rotors verhindern soll. Bei der Berechnung des optimierten Referenzwerts fließt auch die vom Spannungspegel abhängige Bremswirkung des Generators ein. Diese Berechnung erfolgt stets, also auch während eines Spannungsabfalls am Generator.
- In der Steuerung der angegriffenen Ausführungsformen wird bei einem Abfall der Spannung am Generator auf unter 90 % (bzw. 85 %) der Nennspannung ein sogenanntes „dip bit“ gesetzt. Dieses „dip bit“ bewirkt, dass bei Wiederherstellung der Nennspannung die Rotorblätter langsamer (verglichen mit dem Normalbetrieb) wieder in den Wind gedreht werden, um mechanische Belastungen der Windturbine zu begrenzen.
- Die G LLC (jetzt: G LLC) und die F S.A (jetzt: F S.L.U.)., eine Rechtsvorgängerin eines mit der Beklagten verbundenen Unternehmens, schlossen im Jahre 2005 einen Lizenzvertrag, der auch die Patentfamilie des Klagepatents umfasste und der H sowie deren verbundenen Unternehmen eine Lizenz hieran einräumte. Dieser Lizenzvertrag wurde mit Schreiben vom 16.01.2020 (Anlage HL 6) gekündigt, wobei eine Kündigung vertragsgemäß erst 180 Tage nach der Kündigung wirksam werden sollte. Ein ICC-Schiedsgericht bestätigte mit Entscheidung vom 30.04.2021 (vgl. Anlage HL 19) die Wirksamkeit dieser Kündigung mit Wirkung zum 14.07.2020 und das Ende aller in dieser Vereinbarung gewährten Rechte und Lizenzen.
- Die Klägerin nahm aus einem zur Patentfamilie des Klagepatents gehörenden US-Patent (US 6,921,XXX) Unternehmen aus dem Konzern der Beklagten vor der XXX hinsichtlich der auch hier angegriffenen Ausführungsformen in Anspruch (vgl. Anlagen HL 24/24a; Anlage 2sip 17).
- Die Klägerin meint, die angegriffenen Ausführungsformen verletzten das Klagepatent unmittelbar und mittelbar. Die Beklagte zu 2) hafte als alleiniges Vertretungsorgan der Beklagten zu 1) für deren Patentverletzungshandlungen.
- Die Beklagten stellten die angegriffenen Ausführungsformen in Deutschland ebenfalls her. Die Muttergesellschaft der Beklagten liefere – insoweit unstreitig – nur die Einzelteile der angegriffenen Ausführungsformen, die dann in Deutschland von den Beklagten oder von diesen beauftragten Dritte zur Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten gegenüber den Kunden zusammengebaut würden.
- Der Anspruchswortlaut „low voltage“ sei nicht als „Niederspannung“, sondern als „Unterspannung“ zu übersetzen und definiere einen bestimmten Spannungsbereich im Verhältnis zu einer bestimmten Sollspannung. Dies zeige sich auch darin, dass das Klagepatent die Unterspannung relativ zur Nennspannung anspreche. Aufgabe der klagepatentgemäßen Lehre sei es, solche Unterspannungsereignisse zu durchfahren, bei denen sich Turbinen aus dem Stand der Technik abschalten mussten, um Elektronikkomponenten von Spannungsschäden zu schützen und das Erreichen der Überdrehzahl des Rotors zu vermeiden. Vorbekannte Windturbinen hätten sich nach Abs. [0008] der Beschreibung des Klagepatents bereits bei einem Unterschreiten von 70 % der Nennspannung vom Netz getrennt. Demgegenüber könne eine klagepatentgemäße Vorrichtung auch bei Spannungsabfällen unterhalb von 50 % der Nennspannung mit dem Stromnetz verbunden und synchronisiert bleiben.
- Nach dem Klagepatent liege ein „Unterspannungsereignisses“ nicht erst nach Ablauf der „vorherbestimmten Zeit“ vor, sondern beginne in dem Augenblick, in dem der Spannungspegel auf einen Wert von unter 50 % der Nennspannung des Generators falle. Ab diesem Zeitpunkt müsse der Windturbinengenerator jedenfalls für die „vorherbestimmte Zeit“ dieses Ereignis „durchfahren“ können, also trotz eines Spannungsabfalls mit dem Stromnetz verbunden und synchronisiert bleiben, ohne sich abzuschalten oder von dem Stromnetz zu trennen. Die klagepatentgemäß vorgesehenen Mittel – namentlich die Stromversorgung durch die UPS („uninterruptible power supply“) und die Steuermöglichkeit des Einstellwinkels – sollten sofort bei Eintritt eines Unterspannungsereignisses zur Verfügung stehen. Die „vorherbestimmte Zeit“ betreffe also keine Wartezeit bis zu Beginn des Unterspannungsereignisses oder bis zum Ergreifen klagepatentgemäßer Maßnahmen.
- Dieses Verständnis stehe im Einklang mit der vom Klagepatent zu lösenden Aufgabe, ein Unterspannungsereignis zu durchfahren. Dagegen sei es technisch unsinnig, nach der Detektion eines Spannungseinbruchs zunächst eine Zeit abzuwarten. Bei einem Abfall der Netzspannung werde der Tiefpunkt unmittelbar erreicht und führe sofort zu einem erheblichen Anstieg (abrupt und massiv) der Stromstärke am Generatormotor. Zudem erfolge bei einem Spannungsabfall innerhalb von weniger als 0,2 Sekunden eine Beschleunigung des Rotors, dessen Drehmoment sich dabei erheblich erhöhe. Der Wind führe nämlich weiter Energie zu, die der Generator aber nicht mehr ins Netz abführen könne. Ein Abwarten sei auch aufgrund der Kürze der Spannungsschwankungen nicht sinnvoll, da diese bereits nach wenigen Sekunden vorbei seien. Dieses Verständnis bestätige Unteranspruch 2. Dagegen sei ein untätiges Abwarten bei einem Spannungsabfall nirgendwo im Klagepatent beschrieben.
- Weiterhin bestätige der Privatsachverständige der Klägerin (Prof. J), dass sich die „vorherbestimmte Zeit“ auf die Zeitspanne beziehe, in der der beanspruchte Windturbinengenerator bei einer bestimmten Nennspannung elektrisch mit dem Stromnetz verbunden bleibe (Gutachten in Anlage HL 31). Ein Abwarten widerspräche auch den vom Klagepatent angesprochenen Anforderungen der Netzbetreiber. Dem Fachmann sei zudem bekannt, dass für die Low-Voltage-Ride-Through-Fähigkeit von Windturbinen beim Eintreten einer relevanten Spannungsschwankungen nicht erst mehre Sekunden abgewartet werden könne, bevor Maßnahmen ergriffen würden.
- Die Klägerin meint, ein Unterspannungsereignis im Sinne des Klagepatents könne auch dann vorliegen, wenn der Spannungsabfall oberhalb von 50 % der Nennspannung bleibe. Die Lehre des Klagepatents schließe nicht aus, dass die technische Lösung auch bei über 50 % der Nennspannung gewährleiste, dass die Turbine mit dem Netz verbunden und synchronisiert bleibe. In Abgrenzung zum Stand der Technik solle eine klagepatentgemäße Windturbine aber auch Spannungseinbrüche auf unter 50 % der Nennspannung durchfahren können.
- Klage patentgemäß müsse der „vorehrbestimmte Pegel“ von weniger als 50 % der Nennspannung nicht für einen bestimmten Zeitraum hinweg durchgehend gehalten werden. Vielmehr reiche aus, wenn der vorherbestimmte Pegel unterschritten werde. Das Klagepatent stelle auf Spannungsschwankungen („voltage fluctations“, Abs. [0008]) ab, nicht auf das Halten eines bestimmten Spannungslevels. Bei einer Netzstörung sei ein Verharren auf einen bestimmten Pegel über einen bestimmten Zeitraum hinweg auch nicht zu erwarten.
- Den Anspruchswortlaut „uninterruptible power supply“ (UPS) übersetze der Fachmann als „unterbrechungsfreie Stromversorgung“. Der Anspruchswortlaut verlange lediglich, dass eine Bestromung des Einstellwinkelsteuersystems mittels UPS jedenfalls auch während des Unterspannungsereignisses erfolgen müsse, schließe aber nicht aus, dass die UPS bereits in einem ersten Betriebsmodus – außerhalb eines Unterspannungsereignisses – die Stromversorgung übernehme. Auch dürften bei der Stromversorgung über den Generator Komponenten wie eine UPS zwischengeschaltet sein. Bei einem Unterspannungsereignis müsse daher weder ein Umschalten der Stromversorgung zur UPS erfolgen, noch verlange das Klagepatent zwei Stromanschlüsse am Einstellwinkelsteuersystem. Eine UPS mit nur einem Stromanschluss am Einstellwinkelsteuersystem („online UPS“) sei auch in Abs. [0022] und Figur 3 des Klagepatents beschrieben.
- Soweit das Klagepatent eine Detektion des Übergangs zu dem Unterspannungsereignis verlange, sei es nicht erforderlich, dass der Einstellwinkel unmittelbar verändert werde, wenn ein bestimmter Spannungslevel erreicht bzw. unterschritten werde. Die beanspruchte Lehre unterscheide sich von dem in Abs. [0006] des Klagepatents beschriebenen Stand der Technik, in dem eine UPS nur bereit gestellt worden sei, um die Rotorblätter in die „Parkposition“ drehen zu können. Dagegen erlaube es die klagepatentgemäße Vorrichtung, den Einstellwinkel auch während eines Unterspannungsereignisses zu kontrollieren und zu verändern. Es mache keinen Unterschied, ob ein Spannungsabfall bis auf knapp über 50 % der Nennspannung oder darunter vorliege. Das Klagepatent lehre eine Lösung für schwerwiegende Spannungsabfälle von mehr als 50 % der Nennspannung; dass die hierfür gelehrten Maßnahmen auch bei einem weniger gravierenden Spannungsabfall zum Einsatz kommen, schließe es nicht aus.
- Das Klagepatent enthalte keine Beschränkungen dahingehend, auf welche Art und Weise der Übergang zu einem Unterspannungsereignis detektiert werde. Wie sich aus der beispielshaften Nennung der Rotordrehzahl in Abs. [0032] der Beschreibung ergebe, könne auch nur ein Anstieg der Rotordrehzahl zur klagepatentgemäßen Detektion herangezogen werden. Entsprechend sei in Abs. [0034] beschrieben, dass während des Unterspannungsereignisses die UPS die Geschwindigkeitssensoren der Windturbine mit Strom versorge, um auf eine Erhöhung der Rotorgeschwindigkeit durch Änderung des Einstellwinkels der Rotorblätter reagieren zu können.
- Das Klagepatent verlange in Bezug auf die Änderung des Einstellwinkels keine spezifische Maßnahme, sondern erfasse sowohl ein Herausdrehen der Blätter aus dem Wind zur Verringerung der Windenergieaufnahme über die Rotorblätter als auch ein verlangsamtes Wiederhineindrehen der Blätter in den Wind zur Verhinderung einer zu schnellen Wiederaufnahme von Windenergie.
- Bei der Detektion eines Übergangs zu einem Unterspannungsereignis (= relevanter Spannungsabfall) gebe es keine zwingende Reihenfolge in Bezug auf die anderen von dem Klagepatent vorgesehenen Maßnahme zum Durchfahren des Unterspannungsereignisses.
- Das Klagepatent beziehe sich – wie Abs. [0003] zeige – ausdrücklich auch auf Windturbinen als Teil von Windparks als typischer Fall der Stromerzeugung. Eine Beschränkung auf Einzelturbinen könne auch dem Anspruchswortlaut nicht entnommen werden.
- Hiernach reagierten die angegriffenen Ausführungsformen auf ein Unterspannungsereignis mit den klagepatentgemäß vorgesehenen Mitteln.
- Bei den angegriffenen Ausführungsformen werde ein Unterspannungsereignis mit einer „vorherbestimmten Zeit“ in Abhängigkeit von dem Absinken der Netzspannung ermittelt. Dies ergebe sich bereits aus den Anlagen HL13 und HL 14 und den dort enthaltenen Angaben, für welchen Zeitraum die angegriffenen Ausführungsformen ein Unterspannungsereignis bei welchem Spannungsabfall durchfahren könnten. Dabei werde die Zeitdauer bis zur Abschaltung der Windturbine sofort ab dem Zeitpunkt gemessen, an dem die Netzspannung den jeweiligen Schwellenwert unterschreite.
- In den angegriffenen Ausführungsformen sei eine klagepatentgemäße UPS in Form einer Online-UPS verwirklicht. Es sei zwischen den Parteien unstreitig, dass bei den angegriffenen Ausführungsformen eine Verbindung zwischen dem Generator und der Turbinensteuerung bzw. dem Einstellwinkelsteuersystem bestehe, wobei die Verbindung über die (online) UPS erfolge. Damit versorge der Generator das Turbinen- bzw. Einstellwinkelsteuersystem jedenfalls mittelbar über die UPS mit Strom, indem er die UPS im Normalbetrieb auflade. Bei regulärer Betriebsspannung einschließlich der üblichen Spannungsschwankungen (± 10 %) erfolge die Stromversorgung – insoweit unstreitig – nicht über die UPS, sondern über den Generator (DC Link). Die Batterie sei im regulären Betriebszustand zwar mit dem DC Link verbunden, liefere jedoch – insoweit unstreitig – keinen Strom, da der Stromfluss bereits durch den Generator geliefert werde. Bei einem erheblichen Spannungsabfall (so auch auf unter 50 %) breche der vom Generator erzeugte Stromfluss im DC Link zusammen oder sei jedenfalls deutlich reduziert. Dann stamme der Strom für die Turbinensteuerung und das Einstellwinkelsteuerungssystem aus der Batterie. Dies bestätigten die Aussagen des Sachverständigen der dortigen Beklagten (Herr M) im ITC-Verfahren. Hieraus ergebe sich auch, dass der Generator der angegriffenen Ausführungsformen über den Umrichter der Online-UPS über eine direkte Verbindung mit der Einstellwinkelsteuerung und der Turbinensteuerung verfüge.
- Bei den angegriffenen Ausführungsformen bringe die Turbinensteuerung das Einstellwinkelsteuersystem als Reaktion auf die Detektion eines Übergangs von dem ersten Betriebsmodus zu dem Unterspannungsereignis dazu, den Einstellwinkel der Rotorflügel zu verändern. Nach Ansicht der Klägerin könnten hierfür drei verschiedene Funktionalitäten angeführt werden:
- Erstens detektieren die angegriffenen Ausführungsformen unstreitig einen Spannungsabfall auf unter 85 % bzw. unter 90 % und setzten infolge dieser Detektion ein „dip bit“. Es sei für die Verletzung des Klagepatents unerheblich, dass das „dip bit“ bereits bei einem Abfall der Nennspannung um mehr als 10 % erfolge, da dieses damit auch bei einem Spannungsabfall auf 50 % gesetzt werde. Das „dip bit“ bewirke eine Anpassung des Einstellwinkels, da es bei Rückkehr in den Normalmodus die Änderung des Einstellwinkels verlangsame. Jede Änderung des Winkels der Rotorblätter zur Ausrichtung dieser Blätter in den Wind sei im Ergebnis sowohl eine Änderung des Einstellwinkels auch als mittelbar des Anstellwinkels.
- Zweitens berechneten die angegriffenen Ausführungsformen auch während eines Unterspannungsereignisses fortlaufend einen jeweils optimierten Referenzwert für den Blatteinstellwinkel, d.h. einen Winkel den die Rotorblätter einnehmen sollen, um eine Übergeschwindigkeit des Rotors zu verhindern. Für die Steuerung sei jedoch die Bremswirkung des Generators eine zwingend zu berücksichtigende Einflussgröße, die wiederum vom verbleibenden Spannungspegel abhänge. Damit beeinflusse der gemessene Spannungspegel am Generatorausgang die Veränderung des Blatteinstellwinkels während des Unterspannungsereignisses. Entsprechend detektierten die angegriffenen Ausführungsformen unstreitig eine Zunahme der Rotorgeschwindigkeit, die auch Folge eines Spannungsabfalls im Netz sein könne, und passe hieraufhin den Einstellwinkel an. Dies reiche für die Verletzung aus, selbst wenn auch andere Ereignisse (z.B. eine Windböe) ein Anstieg der Rotorgeschwindigkeit verursachen könne. Es führe nicht aus der klagepatentgemäßen Lehre heraus, dass in den angegriffenen Ausführungsformen die Anpassung des Einstellwinkels kontinuierlich erfolge.
- Drittens seien die angegriffenen Ausführungsformen dazu eingerichtet, der jeweilige Spannungslevel durchgehend zu messen, da sie bei einem Spannungsabfall nur für eine vorherbestimmte Zeit in der Lage seien, mit dem Stromnetz verbunden und synchronisiert zu bleiben. Hierzu sei eine dauerhafte Überwachung bzw. Detektion eines Unterspannungsereignisses zwingend erforderlich. Entsprechend werde bei den angegriffenen Ausführungsformen abhängig vom detektierten Spannungspegel die Maximalzeit („Tuv“), in der die Turbine trotz Spannungsabfall noch mit dem Netz verbunden bleibe, festgesetzt.
- Bei zutreffenden Verständnis des Klagepatents könne es nicht aus dessen Schutzbereich herausführen, wenn die angegriffenen Ausführungsformen nur in Windparks eingesetzt werden könnten. Die angegriffenen Ausführungsformen könnten zudem nicht nur ausschließlich in Windparks zum Einsatz kommen.
- Eine Aussetzung der Verhandlung in Bezug auf das Einspruchsbeschwerdeverfahren komme bereits aufgrund der Aufrechterhaltung des Klagepatents durch die Einspruchsabteilung nicht in Betracht. Auch im Einspruchsbeschwerdeverfahren werde sich das Klagepatent als rechtsbeständig erweisen. Die Beklagten zeigten auch keine Fehler in der Einspruchsentscheidung auf. Soweit sich die Beklagten auf den neu im Einspruchsverfahren eingeführten Stand der Technik stützten, sei dies unzulässig, da die Beklagten nicht erläutern, weshalb diese Dokumente erst zweitinstanzlich ins Einspruchsverfahren eingeführt wurden. Inhaltlich könnten die von den Beklagten angeführten Dokumente weder die Neuheit noch die Erfindungshöhe des Klagepatents in Zweifel ziehen.
- Die Klägerin hat die Anträge auf Vernichtung und Rückruf patentverletzender Erzeugnisse ursprünglich auch gegenüber der Beklagten zu 2) angekündigt, die Klage aber in der mündlichen Verhandlung vom 18.01.2022 insoweit r zurückgenommen.
- Die Klägerin beantragt nunmehr,
- – wie erkannt –, jedoch hinsichtlich des Antrages zu Ziffer I.3. ohne den zuerkannten Wirtschafsprüfervorbehalt (am Ende des Antrags) und stattdessen mit dem Zusatz:
- wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Belege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.
- Die Beklagten beantragen,
- die Klage abzuweisen;
- hilfsweise:
Das Verfahren wird ausgesetzt bis eine rechtskräftige Entscheidung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts über den Rechtsbestand des Klagepatents ergangen ist. - Die Beklagten meinen, die angegriffen Ausführungsformen machten keinen widerrechtlichen Gebrauch von der Lehre des Klagepatents.
- Der Anspruchswortlaut des Klagepatents „low voltage“ werde entsprechend der eingetragenen Übersetzung mit „Niederspannung“ korrekt übersetzt und müsse nicht – wie von der Klägerin angeführt – in „Unterspannung“ korrigiert werden. Ein solches Niederspannungsereignis sei in den Ansprüchen 1 und 14 eindeutig und klar definiert und bedürfe keiner weiteren Auslegung. Erforderlich sei eine Ausgangsspannung am Generator auf ein vorherbestimmtes und zwar unterhalb von 50 % der Nennspannung liegendes Niveau für eine vorherbestimmte Zeit. Ein Abfall auf einen Wert von über 50 % der Nennspannung genüge dagegen nicht für den Beginn der „vorherbestimmten Zeit“ bzw. des Niederspannungsereignisses. Ein klagepatentgemäßes Niederspannungsereignis liege also noch nicht vor, wenn die Generatorspannung auf den vorherbestimmten Pegel von weniger als 50 % der Nennspannung hatte, sondern erst, wenn der Spannungsabfall auf diesen Pegel auch für die vorherbestimmte Zeit andauere. Erst nach Ablauf der im Anspruch verlangten „vorherbestimmten Zeit“ beginne ein Niederspannungsereignis im Sinne des Klagepatents. Die anspruchsgemäße „vorherbestimmte Zeit“ sei nicht die Zeit, für die der Windturbinengenerator bei einem Spannungsabfall von mindestens 50 % mit dem Stromnetz verbunden bleibe, sondern genau umgekehrt die Zeit, die verstreichen müsse, bis der Windturbinengenerator in einen zweiten Betriebsmodus für das „Niederspannungsereignis“ umschaltet. Die vorherbestimmte Zeit sei also eine Art Wartezeit bis zum Beginn des Niederspannungsereignisses. Es spreche bereits gegen das Verständnis der Klägerin, dass am Anfang des Niederspannungsereignisses noch nicht feststehe, wie lange dieses andauern werde, so dass hieran auch keine Detektion anknüpfen könne. Das Klagepatent gebe nicht vor, wie lange das System mit einer bestimmten Niederspannung umgehen können solle. Unteranspruch 2 schreibe nur vor, wie lange ein Spannungsabfall auf ein vorbestimmtes Spannungsniveau anhalten könne (bis zu 3 Sekunden), bevor ein Niederspannungsereignis detektiert werde. Im Falle eines Spannungsabfalls dauere es aufgrund der Massenträgheit des Rotors eine gewisse Zeit, bis eine kritische Übergeschwindigkeit erreicht werden könne. Nach der Lehre des Klagepatents werde der Spannungsabfall daher für die „vorherbestimmte Zeit“ toleriert. Die vorherbestimmte Zeit könne auch nur Bruchteile von Sekunden betragen. Entsprechend sei auch in Abs. [0038] ein Niederspannungsereignis so definiert, dass die Nennspannung des Generators für 0,5 Sekunden auf einen vorherbestimmten Prozentsatz von weniger als 50 % der Nennspannung abfällt. Ob der Abfall für 0,5 Sekunden andauere, sei erst nach Ablauf dieses Zeitraums bekannt.
- Für die Auslegung des Begriffes Niederspannungsereignis komme es nicht auf die Sicht von Prof. J, auf nachveröffentlichte Schriften oder die K-Anschlussregelungen an.
- Für das Vorliegen eines Niederspannungsereignisses müsse ein „vorherbestimmter Pegel“ erreicht und für die vorherbestimmte Zeit gehalten werden, wie der englische Anspruchswortlaut „when an output voltage of the generator is at a predeterminded level“ eindeutig zeige.
- Das Klagepatent unterscheide zwischen zwei klar voneinander abgegrenzten Betriebsmodi. In dem ersten Betriebsmodus stelle der Generator und in dem zweiten Betriebsmodus die nicht unterbrechbare Stromversorgung (UPS) den Betriebsstrom für die Turbinensteuerung und das Anstellwinkelsteuersystem zur Verfügung. Aufgrund dieser beiden Alternativen müsse das Anstellwinkelsteuersystem über zwei Stromversorgungsanschlüsse (einen für den Generator, einen für die UPS) verfügen, zwischen denen umgeschaltet werde.
- Das Klagepatent verlange weiterhin die Detektion eines Übergangs von dem ersten Betriebsmodus zu dem Niederspannungsereignis, mithin die Detektion eines solches Niederspannungsereignisses. Nach der Lehre des Klagepatents müsse der Spannungsabfall selbst oder wenigstens ein Parameter detektiert werden, der eindeutig mit einem solchen Spannungsabfall verknüpft sei. Für die anspruchsgemäße Detektion eines Niederspannungsereignisses müssten drei Bedingungen erfüllt sein: (1) Der Windturbinengenerator müsse sich zunächst in einem ersten Betriebsmodus befinden, in dem der Generator die Turbinensteuerung und die Anstellsteuerwinkelsystem mit Strom versorge; (2.) der Pegel der Generatorspannung müsse im ersten Betriebsmodus auf einen Pegel von unterhalb von 50 % der Nennspannung des Generators abfallen und (3.) dieser vorherbestimmte Spannungspegel müsse eine vorherbestimmte Zeit gehalten werden. Bei einer über 50 % der Nennspannung liegenden Spannung befinde sich der Windturbinengenerator dagegen noch im ersten Betriebsmodus.
- Die Änderung des Anstellwinkels müsse kausal durch die Detektion ausgelöst und eine unmittelbare Folge der Detektion sein. Klagepatentgemäß reiche es nicht, wenn eine bereits oberhalb von 50 % der Nennspannung erfolgende Anstellwinkelsteuerung einfach weiter ausgeführt werde. Bei der Detektion des Übergangs von dem ersten Betriebsmodus zu dem Niederspannungsereignis müsse klagepatentgemäß der Anstellwinkel des einen oder der mehreren Flügel hin zur Fahnenstellung bewegt werden.
- Der Anspruchswortlaut gebe eine klare Reihenfolge vor: Zunächst werde das Vorliegen eines Niederspannungs- bzw. Umschaltereignis detektiert, danach werde auf die Stromversorgung durch die UPS umgeschaltet und erst danach werde der Anstellwinkel verändert.
- Das Klagepatent spreche nicht die Konstellation an, dass verschiedene Windturbinen zu einem Windpark zusammengeschlossen seien. Hierbei komme es auf den Übergabepunkt des Windparks zum Netz an, nicht auf den Ausgang der einzelnen Windturbine. Der erfindungsgemäße Windturbinengenerator müsse also unmittelbar mit dem Stromverteilungsnetz verbunden sein.
- Die wie vorstehend dargestellt zu verstehende Lehre des Klagepatents werde von den angegriffenen Ausführungsformen nicht benutzt.
- Die angegriffenen Ausführungsformen schalteten nicht wie vom Klagepatent gefordert auf eine Stromversorgung des Anstellwinkelsteuersystems und der Turbinensteuerung durch die UPS während eines Unterspannungsereignisses um; es sei bereits nur ein Stromanschluss vorhanden. Bei den angegriffenen Ausführungsformen seien die Turbinensteuerung und insbesondere die Anstellwinkelsteuerung immer unmittelbar mit der batteriegestützten UPS verbunden. Bei einem Abfall der Generatorspannung werde die Batterie der UPS weniger oder gar nicht (mehr) vom Generator geladen. Die Stromversorgung der Turbinensteuerung und der Einstellwinkelsteuerung werde hierdurch aber nicht beeinflusst, sondern erfolge unverändert direkt über die UPS.
- Die angegriffenen Ausführungsformen würden ein klagepatentgemäßes Niederspannungsereignis oder den Übergang hierzu weder erkennen noch berücksichtigen, weshalb auch keine Reaktion auf eine Detektion eines Übergangs von einem ersten Betriebsmodus zu einem zweiten Betriebsmodus erfolgen könne. Der Anstellwinkel der Rotorblätter der angegriffenen Ausführungsformen würde nicht auf Grund der Detektion eines Spannungsabfalls verändert.
- Weiterhin werde bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht ein Winkel in Reaktion auf eine Detektion des Übergangs zu einem Unterspannungsereignis verändert. Bei den angegriffenen Ausführungsformen erfolge die Steuerung des Winkels der Rotorblätter durch Auswertung der Rotordrehzahl, also der Rotorgeschwindigkeit und deren Veränderung. Dieser Winkel werde verändert, um das Gleichgewicht zwischen Energieentnahme auf der Windseite und Energieabgabe an das Stromnetz im Falle einer Störung beizubehalten. Dieser Steueralgorithmus sei aber grundsätzlich unabhängig von der Ursache des Ungleichgewichts. Die Steuerung der Einstellwinkel werde bei einem Abfall der Generatorspannung in dieser Hinsicht nicht verändert.
- Das Setzen des „dip bits“ könne die klagepatentgemäße Lehre nicht verwirklichen, da dieses – unstreitig – bei einem Abfall auf 90 % bzw. 85 % der Nennspannung gesetzt werde und damit vor einem etwaigen Erreichen eines Spannungspegels von unter 50 % der Nennspannung. Anhand des „dip bits“ könne weder festgestellt werden, ob die Generatorspannung auf einen konkreten Wert, gar auf einen vorherbestimmten Wert von weniger als 50 % der Nennspannung abfalle, noch für welche Zeit die Spannung unter einen Wert von 50 % falle. Weiterhin führe das Setzen des „dip bits“ nicht zu einer Änderung des Anstellwinkels im Sinne des Klagepatents. Auf den Anstieg der Rotorgeschwindigkeit reagiere die Anstellwinkelsteuerung unabhängig von sei Ursache des Anstiegs und unbeeinflusst von dem Umstand, ob das „dip bit“ gesetzt ist oder nicht. Die einzige durch das Setzen des „dip bits“ ausgelöste Veränderung sei eine Reduktion der maximal erlaubten Geschwindigkeit mit der die Rotorblätter nach Rückkehr der Netzspannung weg von der Fahnenstellung gedreht werden. Aber auch dabei steuere das „dip bit“ nicht den Winkel, sondern begrenze nur die Geschwindigkeit der Änderung. Die so eingeschränkte Bewegung erfolge im Übrigen nicht in die vom Klagepatent intendierte Richtung (nämlich in die Fahnenstellung zur Verlangsamung des Rotors).
- Bei den angegriffenen Ausführungsformen erfolge die Einstellung der Anstellwinkel ausschließlich anhand der Veränderung der gemessenen Drehzahlen am Rotor und der mit diesem verbundenen Generatorwelle. Die Kenntnis der Generatorspannung sei für das Einstellen eines Gleichgewichts zwischen der rotorseitig zugeführten Energie und der netzzeitig abfließenden Energie nicht erforderlich; sie werde vom Anstellwinkelsteuersystem nicht ausgewertet.
- Es liege auch keine klare Patentverletzung darin, dass die angegriffenen Ausführungsformen die anliegende Netzspannung fortlaufend bestimmten, um eine Abschaltung ab einer bestimmten Zeit bei einem bestimmten Pegel sicherzustellen. Die angegriffenen Ausführungsformen würden – insoweit – unstreitig sofort abgeschaltet und vom Netz getrennt, wenn ein bestimmter Pegel für eine diesem Pegel zugeordnete Zeit unterschritten sei.
- Anders als vom Klagepatent vorgesehen, seien die angegriffenen Ausführungsformen zum Einsatz in Windparks bestimmt, bei denen ein zentraler Übergabepunkt an das allgemeine Stromnetz vorhanden sei.
- Die angegriffenen Ausführungsformen würden von der L (ehemalige L) hergestellt, während die Beklagten die angegriffenen Ausführungsformen nicht herstellten und auch in der Vergangenheit nicht hergestellt hätten.
- Hilfsweise sei das Verfahren in Bezug auf das Einspruchsverfahren auszusetzen, da sich das Klagepatent vor der Beschwerdekammer als nicht schutzfähig erweisen werde. Das Klagepatent werde aufgrund von in der Beschwerdeinstanz neu eingeführten Dokumenten widerrufen werden. Dieses sei von dem in Anlage 2sip 9 vorgelegten Fachbeitrag zur XXX neuheitsschädlich getroffen. Dieses Dokument sei auch Stand der Technik des Klagepatents und dessen Vorlage im Verfahren nicht verspätet. Weiterhin fehle dem Klagepatent die Erfindungshöhe gegenüber der Entgegenhaltung E4/02 (Anlage 2sip 11) in Kombination mit einem im Einspruchsbeschwerdeverfahren neu eingeführten Stand der Technik (Anlage 2sip 12).
- Aufgrund des Beschlusses der Kammer vom 17.09.2020, Bl. 69 GA, hat die Klägerin den Beklagten Sicherheit wegen der Prozesskosten in Höhe von EUR 280.000,00 geleistet (vgl. Anlage HL 18, Bl. 68 GA).
- Das Gericht hat den Parteien und den Prozessbevollmächtigten von Amts wegen gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen über den von der Justiz des Landes NRW zur Verfügung gestellten Virtuellen Meetingraum (VMR) vorzunehmen. Davon haben die Parteien Gebrauch gemacht.
- Für die Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.01.2022 verwiesen.
- Entscheidungsgründe
- Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet. Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre des Klagepatents unmittelbar und mittelbar Gebrauch (hierzu unter I). Da dies mangels eines lizenzvertraglichen Nutzungsrechts widerrechtlich erfolgt, stehen der Klägerin gegen die Beklagten die geltend gemachten Ansprüche aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, Abs. 2, 140a Abs. 1, Abs. 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zu, wobei die Klägerin hinsichtlich des Rechnungslegungsanspruchs keinen Anspruch auf Belegvorlage hat und den Beklagten insoweit ein Wirtschaftsprüfervorbehalt zu gewähren war (hierzu unter II.). Im Rahmen des der Kammer nach § 148 ZPO zustehenden Ermessens wird die Verhandlung nicht im Hinblick auf das Einspruchsverfahren gegen das Klagepatent ausgesetzt (hierzu unter III.).
- I.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen unmittelbar von Anspruch 1 und mittelbar von Anspruch 14 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. - 1.
Das Klagepatent betrifft Windturbinengeneratoren und ein Verfahren zum Bereitstellen von Strom an Windturbinenkomponenten unter Verwendung eines Generators. - In seiner einleitenden Beschreibung schildert das Klagepatent, dem die nachfolgenden Absätze ohne Quellenangabe entstammen, dass derartige Generatoren und Verfahren etwa aus der WO 93/XXX bekannt sind.
- Damit Windturbinengeneratoren einem Stromnetz zuverlässig Strom zuführen können, müssen sie – wie andere Arten von Generatoren – Netzanbindungsstandards erfüllen, die Stromanbietern und großen Stromverbrauchern bestimmte Anforderungen auferlegen. Dabei erfordert eine Anforderung zum „Durchfahren von Unterspannung“ (LVRT = „Low-Voltage Ride Through“) zumeist, dass eine Stromerzeugungseinheit mit dem Netz verbunden und synchronisiert bleiben muss, wenn die Spannung an den Anschlüssen der Erzeugungseinheit auf vorgegebene Level abfällt (Abs. [0004]). Bei Dampf- und Gasturbinengeneratoranlagen werden diese LVRT-Anforderung durch die Verwendung von zentralen elektrischen Bussen erfüllt, die durch Gleichstromquellen und durch Hilfsbusse, welche mit den Generatoren verbunden sind, bestromt werden. Diese Erzeugertypen (Dampf- und Gasturbinengeneratoranlagen) sind im Allgemeinen widerstandsfähiger gegen Spannungsschwankungen als Windturbinengeneratoren (Abs. [0005]).
- In der Vergangenheit haben Windturbinen nur einen sehr kleinen Beitrag zur Gesamtstromerzeugung zur Versorgung von Stromnetzen geleistet, weshalb sie von den Stromnetzbetreibern im Hinblick auf die Sicherheit des Netzes nicht in Erwägung gezogen wurden. Mittlerweile sind jedoch Windturbinengeneratoren mit einer Nennleistung von 1,5 MW oder mehr verfügbar. Zudem existieren nunmehr Windparks mit hundert oder mehr Windturbinengeneratoren. Der „Block“ an Leistung, der von Windparks mit 1,5-MW-Windturbinengeneratoren zur Verfügung steht, ist vergleichbar mit einem modernen Gasturbinengenerator (Abs. [0003]).
- In der Vergangenheit – als Windturbinen nur einen sehr kleinen Beitrag zur Gesamtstromerzeugung beigetragen haben – durften Windturbinengeneratoren während eines Unterspannungsereignisses vom Netz getrennt werden. Beispielsweise ist das am weitesten verbreitete Sicherheitskonzept von Windturbinengeneratoren ein batteriegepuffertes Einstellwinkelsystem. Mit dieser Art von System ist es möglich, die Blätter der Windturbine von einer Betriebsposition in eine Ruheposition zu drehen, wenn kein Generatorstrom verfügbar ist (Abs. [0006]). Während eines Netzeinbruchs werden die Einstellwinkelantriebe von einem generatorbetriebenen Antrieb in einen batteriebetriebenen Antrieb umgeschaltet, bis die Blätter die Ruheposition erreichen. Ein solches Vorgehen erfüllt jedoch nicht die mittlerweile auch von Windturbinen zu erfüllenden LVRT-Anforderungen, da dem Windturbinengenerator eine Trennung vom Netz erlaubt wird ([0007]).
- Gegenwärtig können Spezifikationen für Windturbinengeneratoren eine Verbindung und Synchronisation mit dem Stromnetz bis zu Pegeln von 70 % der Nennspannung verlangen. Diesen Anforderungen kann zum Beispiel durch eine erhöhte Kapazität verschiedener Komponenten (Motoren, Generatoren, Wandlern usw.) und durch die Verwendung von unterbrechungsfreien Stromversorgungen (USV; uninterruptible power supplies = UPS) für empfindliche Steuerschaltungen entsprochen werden. Mit stärkeren Spannungsschwankungen, wie zum Beispiel Spannungen von 15 % Nennspannung, kann im Stand der Technik jedoch nicht umgegangen werden (Abs. [0008]).
- Das Klagepatent benennt keine konkrete Aufgabe. Vor dem Hintergrund des geschilderten Standes der Technik ist es als das technische Problem (Aufgabe) des Klagepatents anzusehen, einen Windturbinengenerator und ein Verfahren hierfür bereitzustellen, die ein Durchfahren einer Unterspannung (LVRT) auch bis einem Spannungsabfall auf Pegel von weniger als 70 % der Nennspannung erlauben und dabei mit dem Stromnetz verbunden und synchronisiert bleiben.
- Zur Lösung schlägt das Klagepatent einen Windturbinengenerator nach Anspruch 1 (hierzu unter 2.) und ein Verfahren nach Anspruch vor 14 (hierzu unter 3.) vor.
- 2.
Der Vorrichtungsanspruch 1 kann in Form einer Merkmalsanalyse wie folgt gegliedert werden, wobei bei zwischen den Parteien streitigen Übersetzungen der maßgebliche englische Anspruchswortlaut in eckigen Klammern nachgestellt ist: - 1 Windturbinengenerator, umfassend:
- 1.1 ein Einstellwinkelsteuersystem (520) [Anstellwinkelsteuersystem / blade pitch control system], um einen Einstellwinkel eines oder mehrerer Flügel (200) zu verändern;
- 1.2 eine Turbinensteuerung (500), die mit dem Einstellwinkelsteuersystem (520) gekoppelt ist;
- 1.3 einen Generator (220), der mit der Turbinensteuerung und dem Einstellwinkelsteuersystem (520) gekoppelt ist, um während eines ersten Betriebsmodus Strom bereitzustellen;
- 1.4 eine nicht unterbrechbare Stromversorgung (530) [uninterruptible power supply], die mit der Turbinensteuerung und mit dem Einstellwinkelsteuersystem (520) gekoppelt ist, um während eines Unterspannungsereignisses (Niederspannungsereignisses / low voltage event] Strom bereitzustellen.
- 1.5 Ein Unterspannungsereignis besteht, wenn eine Ausgangsspannung des Generators für eine vorherbestimmte Zeit bei einem vorherbestimmten Pegel in Bezug auf eine Nennspannung für den Generator liegt, und wobei der vorherbestimmte Pegel geringer als 50 % der Nennspannung ist.
- 1.6 Die Turbinensteuerung (500) bringt das Einstellwinkelsteuersystem (520) als Reaktion auf eine Detektion eines Übergangs von dem ersten Betriebsmodus zu dem Unterspannungsereignis dazu, den Einstellwinkel des einen oder der mehreren Flügel (200) zu verändern.
- 1.7 Der Generator (220) bleibt während des Unterspannungsereignisses mit einem Stromnetz verbunden und synchronisiert.
- Soweit zwischen den Parteien Streit hinsichtlich der Übersetzung verschiedener Begriffe besteht, kommt es hierauf nicht entscheidend an. Zum einen ist für das Verständnis nach Art. 71 EPÜ der Anspruchswortlaut in der englischen Verfahrenssprache des Klagepatents allein maßgeblich. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass die Unterschiede in den von den Parteien verwendeten Übersetzungen in einem relevanten Punkt zu einem anderen Verständnis des Klagepatents führen könnten.
- In der Gliederung und im Folgenden wird für den in der maßgeblichen englischen Verfahrenssprache verwendeten Begriff „blade pitch control system“ die Übersetzung „Einstellwinkelsteuersystem“ verwendet. Wie die Klägerin unwidersprochen dargelegt hat, ist zwischen einem Anstellwinkel und einem Einstellwinkel zu unterscheiden, wenngleich sich beide Begriffe inhaltlich überlappen. Der „Anstellwinkel“ beschreibt den Winkel der Rotorflügel in Bezug auf den Wind, während der „Einstellwinkel“ den Winkel der Flügel in Bezug zur Rotorebene bezeichnet (vgl. auch das in Anlage HL 20 vorgelegte Glossar eines Fachbuchs). Wie aus der Beschreibung des Klagepatents eindeutig hervorgeht, wird als „blade pitch“ der „Einstellwinkel“ bezeichnet. So wird in den Abs. [0013] und [0031] im Rahmen von Ausführungsbeispielen im Zusammenhang mit der Kontrolle des „pitch of blades“ bzw. „blade pitch“ als Bezugsgröße lediglich die Windgeschwindigkeit erwähnt. Würde das Klagepatent hiermit den Anstellwinkel meinen, wäre zu erwarten, dass das Klagepatent sich neben der Windgeschwindigkeit auch zur Windrichtung verhält. Hierzu schweigt das Klagepatent jedoch.
Hinsichtlich der „uninterruptible power supply“ (nachfolgend: UPS) wird dagegen die eingetragene Übersetzung „nicht unterbrechbare Stromversorgung“ verwendet, da die Übersetzung „nicht unterbrechbar“ jedenfalls nicht weniger treffend als der von der Klägerin bevorzugte Begriff „unterbrechungsfrei“ ist.
- Schließlich ist der Begriff „low voltage event“ abweichend von der eingetragenen Übersetzung als „Unterspannungsereignis“ zu übersetzen, da der eingetragene Begriff „Niederspannungsereignis“ nicht vollständig zutreffend ist. Eine „Niederspannung“ wird im Allgemeinen als Abgrenzung etwa zur „Hochspannung“ verwendet und beschreibt einen absoluten Spannungsbereich. Demgegenüber zeigt Merkmal 1.5 eindeutig, dass mit „low voltage event“ ein relatives Unterschreiten einer Nennspannung, also eine Unterspannung, gemeint ist. Ein abweichendes Verständnis lässt sich auch der übrigen Klagepatentschrift nicht entnehmen.
- a)
Patentanspruch 1 schützt einen Windturbinengenerator, der eine Turbinensteuerung aufweist (Merkmal 1.2), die wiederum mit einem Einstellwinkelsteuersystem (blade pitch control system) verbunden ist (Merkmal 1.1). Das Einstellwinkelsteuersystem soll nach Merkmal 1.1 den Einstellwinkel eines oder mehrerer Flügel – gemeint sind die Rotorblätter der Windturbine – verändern können. Die von dem Windturbinengerator aufgenommene (Wind-) Energie ist abhängig von dem Einstellwinkel der Flügel und der Windrichtung. Änderungen des Einstellwinkels werden beispielsweise vorgenommen, um die Drehzahl des vom Wind angetriebenen Rotors steuern zu können. - Der anspruchsgemäße Windturbinengenerator umfasst weiterhin einen Generator, der mit der Turbinensteuerung und dem Einstellwinkelsteuersystem gekoppelt ist und diese in einem ersten Betriebsmodus mit Strom versorgen kann. Der Fachmann, der die einzelnen Merkmale stets im Gesamtzusammenhang des Anspruchs betrachtet (BGH, GRUR 2012, 1124 – Polymerschaum; BGH, GRUR 2004, 845 – Drehzahlermittlung;), versteht den „ersten Betriebsmodus“ als Abgrenzung zu dem in den Merkmalen 1.4 – 1.7 erwähnten Unterspannungsereignis. Während der erste Betriebsmodus (Merkmal 1.3) den Normalbetrieb der Windturbine bezeichnet, ist das in Merkmal 1.5 beschriebene Unterspannungsereignis ein Sonderfall, für den das Klagepatent eine Verbesserung gegenüber dem Stand der Technik anstrebt.
- Bei einem solchen Spannungsabfall ist der Windturbinengenerator zumeist daran gehindert, Energie an das Stromnetz abzugeben. Wenn der Wind dem Turbinenrotor nun weiter Energie zuführt, kann die überschüssige Energie nur als kinetische Energie in Form einer erhöhten Rotorgeschwindigkeit gespeichert werden. Wenn in diesem Falle keine Maßnahmen getroffen werden, kann dies dazu führen, dass der Rotor seine Überdrehzahlgrenze erreicht und sich vom Netz trennt, wie Abs. [0025] erläutert. Dieser beschreibt zwar ein Ausführungsbeispiel, auf das die Erfindung grundsätzlich nicht beschränkt werden darf (BGH, GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung). Es spricht aber nichts dagegen, Anhaltspunkte dafür, welche technische Funktion einem Merkmal im Rahmen der Erfindung zukommen soll, solchen Beschreibungsstellen zu entnehmen, die sich auf ein konkretes bevorzugtes Ausführungsbeispiel beziehen (vgl. BGH, GRUR 2011, 701, 703 – Okklusionsvorrichtung). Dies gilt hier insbesondere, da in Abs. [0025] allgemeine technische Zusammenhänge erläutert werden. Weiterhin können die hohen, vom Generator bei einem Spannungsabfall erzeugten Ströme zu Schäden an verschiedenen Komponenten des Windturbinengenerators führen, wie es beispielshaft in Abs. [0023] f. beschrieben ist. Wie der Fachmann der einleitenden Beschreibung entnimmt, konnten vorbekannte Windturbinengeneratoren nur Spannungsabfälle bis 70 % der Nennspannung durchfahren (vgl. Abs. [0008]).
- Das Klagepatent definiert dagegen ein Unterspannungsereignis gemäß Merkmal 1.5 als Abfall der Ausgangsspannung des Generators auf einen vorherbestimmten Pegel von weniger als 50 % der Nennspannung des Generators für eine vorherbestimmte Zeit. Während eines solchen Unterspannungsereignisses soll nach Merkmal 1.4 die nicht unterbrechbare Stromversorgung (UPS) die Bestromung der Turbinensteuerung und des Einstellwinkelsteuersystem übernehmen, die im ersten Betriebsmodus vom Generator erbracht wird. Als Beispiel einer UPS nennt das Klagepatent in Abs. [0022] etwa Batteriesysteme, Photovoltaik-Systeme oder jede andere Art von Energiespeichersystem. Weiterhin soll der Generator nach Merkmal 1.7 auch während des Unterspannungsereignisses mit einem Stromnetz verbunden und synchronisiert bleiben. Damit kann eine klagepatentgemäße Windturbine gegenüber dem Stand der Technik nicht nur Spannungsabfälle auf 70 % der Nennspannung, sondern auch solche auf unter 50 % der Nennspannung durchfahren.
- Merkmal 1.6 betrifft den Übergang von dem ersten Betriebsmodus zu dem Unterspannungsereignis. Wird ein solcher Übergang detektiert, soll klagepatentgemäß die Turbinensteuerung das Einstellwinkelsteuersystem (die beide nach Merkmal 1.4 während des Unterspannungsereignisses von der UPS mit Strom versorgt werden) dazu bringen, den Einstellwinkel des einen oder mehrerer Flügel zu verändern. Das Klagepatent verlangt also nicht nur die fortgesetzte Stromversorgung u.a. des Einstellwinkelsteuersystems während des Unterspannungsereignisses; vielmehr wird auch das Bewirken einer Änderung des Einstellwinkels verlangt, wenn der Übergang zu einem solchen Ereignis erkannt wird. Als Beispiel einer solchen Einstellwinkeländerung wird in Abs. [0033] ein Abdrehen der Blätter beschrieben, um die Rotation der Rotorwelle zu verlangsamen oder zu stoppen.
- Das Klagepatent nennt in Abs. [0011] vier Vorteile der klagepatentgemäßen Lehre:
- (1) Die Windturbine bleibt auch während Spannungsschwankungen mit dem Stromnetz synchronisiert, was Gegenstand von Merkmal 1.7.
- (2) Die Funktionsfähigkeit des Einstellwinkelsystems wird trotz mangelnder Spannung an den Generatoranschlüssen aufrechterhalten, was funktional die in Merkmal 1.4 vorgesehene UPS leistet.
(3) Der Leistungswandler und der Generator werden vor hohen Spannungen und Strömen geschützt. Funktional wird dies von Merkmal 1.6 erreicht, da eine Veränderung des Einstellwinkels der Flügel die Energieaufnahme verringern kann. Aber auch die Bestromung des Einstellwinkelsteuersystems durch die UPS während des Unterspannungsereignisses trägt hierzu bei, da so die Änderung der Einstellwinkel ermöglicht wird.
- (4) Nicht unbedingt notwendige Untersysteme können vorübergehend abgeschaltet werden. Dies ermöglicht die Lehre des Klagepatents, indem die Bestromung bestimmter Komponenten vorgesehen wird, so dass andere Bauteile abgeschaltet werden können.
- aa)
Laut Merkmal 1.3 soll der Generator mit der Turbinensteuerung und dem Einstellwinkelsteuersystem verbunden sein, um diese im ersten Betriebszustand mit Strom zu versorgen. Das Klagepatent schließt aber nicht aus, dass neben dem ersten Betriebsmodus und dem Unterspannungsereignis weitere Betriebszustände des Windturbinengenerators existieren, für die das Klagepatent keine Vorgaben macht und deren Ausgestaltung entsprechend dem Fachmann überlassen bleibt. Dem Klagepatent lässt sich nicht entnehmen, dass außerhalb eines Unterspannungsereignisses nach Merkmal 1.5 stets der erste Betriebszustand vorliegen muss. Vielmehr führt es nicht aus der Lehre des Klagepatents, wenn ein Windturbinengenerator noch weitere Betriebszustände kennt. Auch reicht es aus, wenn der Generator die Bereitstellung des Stroms mittelbar vornimmt. - (1)
Der Fachmann betrachtet Merkmal 1.3 im Zusammenhang insbesondere mit Merkmal 1.4, wonach die Stromversorgung von Turbinensteuerung und Einstellwinkelsteuersystem bei einem Unterspannungsereignis mittels der UPS erfolgen soll. Das Klagepatent beschreibt also zwei Betriebszustände – erster Betriebsmodus und Unterspannungsereignis –, die sich in der Stromversorgung der genannten Steuerungen unterscheiden. Aus dem Gesamtzusammenhang des Klagepatents ergibt sich, dass der erste Betriebszustand den Normalbetriebszustand darstellt. Da der erste Betriebszustand nur an die Stromversorgung durch den Generator geknüpft ist, ist der Rückschluss rechtfertigt, dass solange die Turbinensteuerung und das Einstellwinkelsteuersystem vom Generator versorgt werden, grundsätzlich der erste Betriebszustand vorliegt. - Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass der Generator den Strom weiter bereitstellt, wenn weder erster Betriebszustand noch Unterspannungsereignis gegeben sind. Aus der Kombination der Merkmale 1.3 und 1.4 schließt der Fachmann nur, dass sich der Windturbinengenerator jedenfalls dann, wenn ein Unterspannungsereignis vorliegt, nicht mehr im ersten Betriebsmodus befindet. Jedoch liegt der erste Betriebsmodus nicht zwingend vor, wenn kein Unterspannungsereignis besteht. Auch wenn ein Unterspannungsereignis im Sinne von Merkmal 1.5 nicht vorliegt, also wenn der Spannungspegel 50 % der Nennspannung nicht unterschreitet oder ein Spannungsabfall unter 50 % nicht die vorherbestimmte Zeit andauert, befindet sich der Windturbinengenerator nicht (zwingend) im ersten Betriebsmodus.
- Für den ersten Betriebsmodus schreibt das Klagepatent die Stromversorgung von Turbinensteuerung und Einstellwinkelsteuersystem über den Generator vor (Merkmal 1.3), während dies während des Unterspannungsereignisses über die UPS erfolgt (Merkmal 1.4); zudem soll während des Unterspannungsereignisses der Einstellwinkel der Flügel verändert werden und die Verbindung und Synchronisation mit dem Stromnetz beibehalten bleiben (Merkmale 1.6 und 1.7). Der Anspruch enthält also Vorgaben für den ersten Betriebsmodus (allerdings nur hinsichtlich des Generators) und für das Unterspannungsereignis; er schließt aber nicht aus, dass weitere Betriebszustände existieren.
- Es findet sich im Klagepatent kein Anhaltspunkt dafür, dass außerhalb eines Unterspannungsereignisses stets der erste Betriebsmodus vorliegt. Im Gegenteil versteht der Fachmann, dass es auch im Rahmen der klagepatentgemäßen Lehre Spannungsabfälle geben kann, bei denen der erste Betriebsmodus verlassen wird, aber (noch) kein Unterspannungsereignis gemäß der (engeren) Definition in Merkmal 1.5 vorliegt. So belegt die Beschreibung in Abs. [0008], dass es bei Spannungsabfällen bis 70 % im Stand der Technik bekannt war, auf die Stromversorgung per UPS zurückzugreifen. Das Klagepatent grenzt sich hiervon nicht durch eine Beibehaltung des ersten Betriebsmodus‘ bei Spannungsabfällen bis 50 % ab, sondern durch die Durchfahrbarkeit auch von Spannungsfällen auf unter 50 % des Nennpegels.
- (2)
Dass es klagepatentgemäß neben dem ersten Betriebsmodus und dem Unterspannungsereignis weitere Betriebszustände geben darf, wird nicht durch Merkmal 1.6 in Frage gestellt, das an die „Detektion eines Übergangs von dem ersten Betriebsmodus zu dem Unterspannungsereignis“ anknüpft. Vielmehr ist der angesprochene „Übergang“ ein Hinweis auf weitere Betriebszustände, die bei einem Spannungsabfall zwischen dem ersten Betriebsmodus als Normalzustand und dem Unterspannungsereignis durchlaufen werden (können). Es soll gerade nicht der Eintritt eines Unterspannungsereignisses selbst detektiert werden, sondern der Übergang zwischen erstem Betriebsmodus und Unterspannungsereignisses. - (3)
Wann der erste Betriebszustand verlassen wird, ist im Rahmen der Lehre des Klagepatents unerheblich, solange er jedenfalls beim Vorliegen eines Unterspannungsereignisses endet. Abgesehen davon, dass die Stromversorgung im Unterspannungsereignis über die UPS und nicht mehr über den Generator erfolgt, schließt das Klagepatent aber weder für den ersten Betriebszustand noch für das Unterspannungsereignis bestimmt Maßnahmen explizit aus. Mit anderen Worten: Das Ende des ersten Betriebsmodus‘ muss nicht zwingend dazu führen, dass eine klagepatentgemäße Vorrichtung Maßnahmen ergreift; solche sind gemäß Merkmal 1.6 erst vorgesehen, wenn ein Übergang vom ersten Betriebsmodus zu dem Unterspannungsereignis vorliegt. - (4)
Das Klagepatent fordert in Merkmal 1.3 nur eine Koppelung zwischen Generator und Turbinensteuerung / Einstellwinkelsteuersystem, ohne sich aber näher zur Art der Koppelung zu verhalten. Die Koppelung dient ersichtlich dazu, dass der Generator den Strom „bereitstellen“ kann. Es kommt dem Klagepatent also entscheidend darauf an, dass der Generator die Quelle des Stroms für die Turbinensteuerung und das Einstellwinkelsteuersystem darstellt. Dagegen ist es dem Fachmann überlassen, wie der Strom vom Generator zu diesen Komponenten gelangt. Dies belegt die Beschreibung von Ausführungsbeispielen, von denen grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass sie anspruchsgemäße Gestaltungen zeigen (vgl. BGH, GRUR 2015, 972 – Kreuzgestänge; BGH, GRUR 2015, 875, 876 Rn. 16 – Rotorelemente). So wird in Figur 3 des Klagepatents die Turbinensteuerung mit der UPS verbunden, welche wiederum mit dem Generator verbunden ist. Hierzu heißt es in Abs. [0020], dass der Generator Strom an den Wechselrichter und an eine Niederspannungsverteilung (LVDP) bereitstellt und weiter in Abs. [0022], dass die LVDP die Turbinensteuerung über die UPS mit 24V-DC Strom versorgt. Der Strom kann also mittelbar vom Generator bereitgestellt werden. - bb)
Für das Verständnis des Klagepatents ist das „Unterspannungsereignis“ der zentrale Begriff. Nach der Definition in Merkmal 1.5 liegt ein solches Unterspannungsereignis vor, wenn eine Ausgangsspannung des Generators für eine vorherbestimmte Zeit bei einem vorherbestimmten Pegel von geringer als 50 % einer Nennspannung für den Generator liegt. Das Unterspannungsereignis wird also anspruchsgemäß über die Dauer und den Wert (Pegel) des relativen Abfalls der Generatorspannung definiert. - Ein anspruchsgemäßes Unterspannungsereignis beginnt unmittelbar mit Spannungsabfall auf einen vorab definierten Spannungspegel, der auf einen Wert unterhalb 50 % der Nennspannung für den Generator festgelegt sein muss, und dauert für die vorherbestimmte Zeit an. Die vorherbestimmte Zeit ist also keine Wartezeit bis zum Beginn des Unterspannungsereignisses. Auch muss für das Bestehen eines Unterspannungsereignisses der vorherbestimmte Pegel über die vorherbestimmte Zeit nicht konstant gehalten werden.
- (1)
Der Fachmann versteht Merkmal 1.5 vor dem Hintergrund des geschilderten Standes der Technik und der Aufgabe des Klagepatents, eine Vorrichtung bereitzustellen, die Spannungsabfälle auch unterhalb eines Pegels von 70 % der Nennspannung durchfahren kann (vgl. Abs. [0008]). Entsprechend ermöglicht es die klagepatentgemäße Lehre, für eine gewisse Dauer – die vorherbestimmte Zeit – auch Spannungsabfälle auf einen Wert von unter 50 % der Nennspannung – den vorherbestimmten Pegel – durchfahren zu können, was das Klagepatent über die Definition des Unterspannungsereignisses in Merkmal 1.5 klarstellt. - Hiermit legt das Klagepatent eine Mindestvoraussetzung eines Spannungsabfalls fest, mit dem ein anspruchsgemäßer Windturbinengerator umgehen können und dabei insbesondere mit dem Stromnetz verbunden und synchronisiert bleiben muss (so Merkmal 1.7). Es führt freilich nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents heraus, wenn eine Vorrichtung diesen Mindeststandard übertrifft und auch einen Spannungsabfall durchfahren kann, bei dem die Spannung unterhalb des vorher festgelegten, vorherbestimmten Pegels abfällt und/oder dieser Abfall länger als die vorherbestimmte Zeit andauert.
- Daneben definiert das Unterspannungsereignis in Merkmal 1.5 aber eine Mindestvoraussetzung auch in dem Sinne, dass eine klagepatentgemäße Windturbine ebenfalls weniger gravierende und/oder kürzere Spannungsabfälle, die damit kein Unterspannungsereignis darstellen, durchfahren können muss. Wie bereits ausgeführt, beschreibt das Klagepatent einen ersten Betriebsmodus (Normalzustand) und ein Unterspannungsereignis, lässt aber weitere Betriebszustände zu und überlässt deren konkrete Behandlung durch die Windturbine dem Fachmann. Wenngleich dies vom Klagepatent nicht ausdrücklich angesprochen wird, ist dem Fachmann klar, dass eine klagepatentgemäße Vorrichtung erst recht weniger gravierende Spannungsabfälle (verglichen mit den in Merkmal 1.5 definiertem Unterspannungsereignis) durchfahren können und dabei mit dem Stromnetz verbunden und synchronisiert bleiben muss. Es wäre schlichtweg sinnlos, wenn eine Vorrichtung ein Unterspannungsereignis durchfahren kann, sich aber bei geringeren Spannungsschwankungen vom Netz trennt. Für ein solches Verständnis findet sich im Klagepatent keine Stütze. Vielmehr zeigt dessen einleitende Beschreibung, dass im Stand der Technik Windturbinen mit Spannungsabfällen bis zu 70 % umgehen konnten. Bereits vor diesem Hintergrund wird der Fachmann nicht annehmen, dass das Klagepatent hinter dem Stand der Technik zurückfällt.
- (2)
Die „vorherbestimmte Zeit“ legt die Dauer eines Unterspannungsereignisses fest und bestimmt keine Wartezeit, bis ein Unterspannungsereignis vorliegt. Ein Unterspannungsereignis beginnt unmittelbar mit dem Spannungsabfall auf den vorherbestimmten Pegel, auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststehen mag, ob der Spannungsabfall die vorherbestimmte Zeit andauert und sich daher später herausstellen kann, dass ein Spannungsabfall doch nicht die Definition eines Unterspannungsereignisses nach Merkmal 1.5 erfüllt. - (a)
Zwar mag der isoliert betrachtete Wortlaut des Anspruches auch die Auslegung zulassen, dass erst eine vorherbestimmte Zeit vergangen sein muss, bis das Unterspannungsereignis beginnt. Der Fachmann bleibt aber nicht beim Wortlaut stehen, sondern stellt auf den technischen Gesamtzusammenhang ab, den der Inhalt der Patentschrift ihm vermittelt (BGH, GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I; BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Vom dem Anspruchswortlaut ist ebenso ein Verständnis umfasst, gemäß dem die vorherbestimmte Zeit zwar die Dauer des Unterspannungsereignisses betrifft, aber gleichwohl keine Wartezeit beschreibt, sondern eine Zeitspanne, die von Beginn des Spannungsabfalls auf weniger als 50 % an gemessen wird. - (b)
Der Zweck der „vorherbestimmten Zeit“ innerhalb der Definition des Unterspannungsereignisses ist es, sicherzustellen, dass die Windturbine Spannungsabfälle für eine bestimmte Zeit durchfahren kann. Das Unterspannungsereignis ist der Anknüpfungspunkt für die Maßnahmen in den Merkmalen 1.4, 1.6 und 1.7, deren Funktion es ist, während der Dauer des Spannungsabfall die Ziele der klagepatentgemäßen Lehre (vgl. Abs. [0011]) erreichen zu können. Die konkrete Dauer der vorherbestimmten Zeit gibt das Klagepatent nicht vor und legt auch keine Mindestzeitspanne fest. Bei der Konstruktion einer klagepatentgemäßen Windturbine muss der Fachmann nicht unmittelbar eine vorherbestimmte Zeit festlegen. Vielmehr muss die Windturbine nur rein tatsächlich für eine gewisse Dauer die (Dauer-) Vorgaben der Merkmale 1.4 und 1.7 erfüllen können. Diese Zeitdauer entspricht dann der „vorherbestimmte Zeit“. - (c)
Dieses Verständnis steht in Einklang mit Unteranspruch 2, wonach „der vorherbestimmte Zeitraum bis zu 3 Sekunden beträgt“. Damit konkretisiert dieser Unteranspruch, dass eine klagepatentgemäße Windturbine Unterspannungsereignisse mit einer Dauer von bis zu 3 Sekunden durchfahren können muss und gibt damit einen möglichen Höchstwert bei der vom Fachmann auszufüllenden Definition des Unterspannungsereignisses vor. - (d)
Dagegen lässt sich im Klagepatent kein Anhaltspunkt dafür finden, dass die „vorherbestimmte Zeit“ eine Art Wartezeit bis zu Beginn des Unterspannungsereignisses ist, dessen Dauer dann unbestimmt wäre. Vielmehr ist dem Fachmann klar, dass die für ein Unterspannungsereignis klagepatentgemäß vorgesehenen Vorgaben unmittelbar mit dem Abfall der Spannung gelten sollen und nicht erst nach Ablauf der vorherbestimmten Zeit. - Der Fachmann wird die vorherbestimmte Zeit bereits deshalb nicht als Wartezeit verstehen, da er der Beschreibung entnimmt, dass die negativen Folgen einer Unterspannung unmittelbar mit dem Spannungsabfall drohen. So verweist Abs. [0012] auf den Spannungsverlauf in Figur 1, die nachfolgend (in der Fassung nach Anlage HL 7a) verkleinert eingeblendet ist:
- Wie in Figur 1 zu erkennen ist, fällt bei einem Spannungsabfall die Spannung schlagartig ab. Nach Abs. [0012] soll der Generator der Windturbine während eines solches Abfalls mit dem Stromnetz verbunden und synchronisiert bleiben, was sich auch in Merkmal 1.7 im Anspruch wiederspiegelt. Mit einer solchen Vorgabe ließe sich nicht vereinbaren, wenn eine Windturbine zunächst abwarten müsse. Auch beschreibt das Klagepatent in Abs. [0025] die drohende Überschreitung der Überdrehzahlgrenze des Rotors mit Bezugnahme auf den in Figur 1 gezeigten Abfall des Spannungspegels, also unmittelbar mit dessen Beginn. Ferner weiß der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens, dass die in Abs. [0023] f. angesprochenen Schäden an Turbinenkomponenten in Folge von Spannungsschwankungen bereits zu Beginn des Spannungsabfalls auftreten können. So hat die Klägerin unter Verweis auf das Privatsachverständigengutachten von Prof. J (Anlage HL 31 / 31a, dort. S. 8) dargelegt, dass bei einem Spannungseinbruch die Stromstärken am Generator unmittelbar stark ansteigen, was zu Schäden an den elektrischen Komponenten der Windturbine führen kann. Hierbei handelt es sich um physikalische Gesetzmäßigkeiten, die dem Fachmann bereits zum für die Auslegung relevanten Prioritätszeitpunkt des Klagepatents bekannt waren. Aus diesem Grunde ist es in dieser Hinsicht unerheblich, dass sich Prof. J zum Beleg auf einen Aufsatz von Yan et al. stützt, der erst 2010 veröffentlicht wurde.
- Demgegenüber haben die Beklagten nicht ausreichend dargelegt, dass im Falle eines Spannungsabfalls ein Abwarten nicht zu Schäden an der Windturbine führen kann. Dass die Beschleunigung des Rotors aufgrund dessen Masse etwas verzögert erfolgt, ändert nichts daran, dass die schädlichen Überspannungen bereits mit dem Spannungseinbruch entstehen. Diese werden durch eine Beschleunigung des Rotors nur noch verschärft. Nach Unteranspruch 2 soll die vorherbestimmte Zeit bis zu 3 Sekunden betragen. Vor dem geschilderten Hintergrund würde innerhalb einer solchen Zeitspanne der Untätigkeit massive Schäden drohen, so dass auch aus diesem Grunde der Fachmann von einem Verständnis der vorherbestimmten Zeit als Wartezeit abrückt.
- Dass die „vorherbestimmte Zeit“ keine Wartezeit ist, zeigt auch Abs. [0038], wonach Unterspannungsereignisse „gemäß der Erfindung auch zeitlich definiert [sind], zum Beispiel kann ein Prozentsatz der Nennspannung des Generators für mehr als 0,5 Sekunden als ein Unterspannungsereignis betrachtet werden“. In diesem Beispiel ist die vorherbestimmte Zeit 0,5 Sekunden, die mit dem Abfall der Spannung beginnen.
- Schließlich verlangt das Klagepatent in Merkmal 1.7, dass während des Unterspannungsereignisses die Verbindung und Synchronisation mit dem Stromnetz bestehen bleiben soll. Dem Fachmann ist klar, dass die Verbindung und Synchronisation durchgehend vom Beginn des Spannungsabfalls und während des Unterspannungsereignisses aufrechterhalten bleiben soll. Es wäre ersichtlich nicht sinnvoll, bei einem Spannungseinbruch zunächst eine Wartezeit abzuwarten und ggf. eine Trennung vom Netz zu riskieren, bis diese Vorgabe aus Merkmal 1.7 eingreift.
- (e)
Dem Verständnis, dass das Unterspannungsereignis direkt mit dem Spannungsabfall beginnt, steht nicht entgegen, dass so zu Beginn eines Spannungsabfalls noch nicht bekannt ist, wie lange dieser dauern wird und sich damit erst nach Ablauf der „vorherbestimmten Zeit“ feststellen lässt, ob ein Unterspannungsereignis im Sinne von Merkmal 1.5 tatsächlich besteht. Die technischen Maßnahmen, die das Klagepatent mit dem Begriff des Unterspannungsereignisses verknüpft, setzen nicht voraus, dass bei Beginn des Spannungsabfalls bekannt ist, dass ein Unterspannungsereignis vorliegt, wie sich bei der Betrachtung der einzelnen Maßnahmen zeigt: - (aa)
Während des Unterspannungsereignisses soll Merkmal 1.4 die UPS Turbinensteuerung und Einstellwinkelsteuersystem mit Strom versorgen. Damit muss die UPS spätestens bei Abfall des Spannungspegels auf oder unterhalb des vorherbestimmten Pegels die Bestromung übernehmen. Nur so ist gewährleistet, dass die UPS während des Unterspannungsereignisses den Strom für die beiden Komponenten bereitgestellt hat, wenn tatsächlich ein Unterspannungsereignis vorliegt. Dem steht nicht entgegen, dass die UPS damit auch dann die Stromversorgung übernimmt, wenn der Spannungsabfall nicht die Definition eines Unterspannungsereignisses erfüllt. Im Klagepatent finden sich keine Anhaltspunkte, dass ein solches Verhalten der beanspruchten Lehre zuwiderläuft. Im Gegenteil erscheint es sinnvoll, die Stromversorgung der UPS unmittelbar bei einem Spannungsabfall auf den vorherbestimmten Pegel zu überantworten. - (bb)
Auch aus Merkmal 1.6 lässt sich nicht herleiten, dass ein Unterspannungsereignis klagepatentgemäß erst nach dem Ablauf einer Wartezeit beginnen darf. Dies gilt insbesondere, da die von diesem Merkmal vorgeschriebene Veränderung des Einstellwinkels nicht erst im Falle eines Unterspannungsereignisses erfolgen soll, sondern bereits „als Reaktion auf eine Detektion eines Übergangs von dem ersten Betriebsmodus zu dem Unterspannungsereignis“. Die Reaktion soll also schon vor einem (möglichen) Unterspannungsereignis erfolgen. Das Klagepatent sieht hier gemäß Abs. [0038] eine „Schwellenspannung vor, die als Übergang zu einem Unterspannungsereignis gilt“. Diese Schwellenspannung, die in dem Ausführungsbeispiel nach Abs. [0038] der Detektion des Übergangs zu dem Unterspannungsereignis dient, kann dem „vorherbestimmten Pegel“ entsprechen, sie kann aber auch darüber liegen, beispielsweise bei 80 % der Nennspannung. Zu dem Zeitpunkt der Detektion des Übergangs steht dabei naturgemäß noch nicht fest, ob ein Spannungsabfall als Unterspannungsereignis zu qualifizieren sein wird. Auch im Rahmen von Merkmal 1.6 macht es die klagepatentgemäße Lehre also notwendig, Maßnahmen unabhängig davon zu ergreifen, ob tatsächlich ein Unterspannungsereignis vorliegt. Eine solche, vorgreifende Reaktion ist aber nicht schädlich, da auch bei weniger gravierenden Spannungsabfällen Änderungen des Einstellwinkels nötig oder jedenfalls sinnvoll werden können. - (cc)
Die dritte Maßnahme, die das Klagepatent mit einem Unterspannungsereignis verknüpft, betrifft die Verbindung und Synchronisation des Generators mit dem Stromnetz, die nach Merkmal 1.7 während des Unterspannungsereignisses bestehen bleiben soll. Diese Vorgabe gilt ersichtlich unmittelbar mit dem Beginn des Spannungsabfalls, ob er sich als Unterspannungsereignis nach Merkmal 1.5 herausstellt oder nicht. Denn auch wenn letztlich doch kein Unterspannungsereignis vorliegt, soll der Generator permanent mit einem Stromnetz verbunden und synchronisiert bleiben. - (3)
Mit dem „vorherbestimmten Pegel in Bezug auf die eine Nennspannung für den Generator“ meint das Klagepatent einen vorab festgelegten, relativen Wert, den die Generatorspannung für das Vorliegen eines Unterspannungsereignisses unterschreiten muss. Es ist in das Belieben des Fachmanns gestellt, welchen Wert der Fachmann als vorherbestimmten Pegel wählt, solange dieser – wie im Anspruch festgelegt – weniger als 50 % der Nennspannung für den Generator beträgt. Unteranspruch 3 begrenzt diesen Bereich in eine Richtung, da hiernach der Wert zwischen 15 und 50 % der Generatornennspannung liegen kann. Nach der Lehre von Anspruch 1 kann dagegen der vorherbestimmte Pegel sogar einen Wert von weniger als 15 % haben. - Es ist nicht erforderlich, dass der vorherbestimmte Pegel für die vorherbestimmte Zeit konstant beibehalten wird. Vielmehr reicht es aus, dass der vorherbestimmte Pegel für die Dauer des Unterspannungsereignisses unterschritten wird, da dann die vom Klagepatent für den Fall des Unterspannungsereignis vorgesehenen Vorgaben eingehalten werden müssen. Dagegen erschiene es aus der Sicht des Fachmanns fernliegend, für ein Unterspannungsereignis das konstante Halten eines Spannungspegels zu verlangen, da bei einem Spannungsabfall derartiges kaum vorkommen wird. Auch das Klagepatent spricht im Zusammenhang von Spannungsabfällen von Spannungsschwankungen (voltage fluctations), so bereits in der einleitenden Beschreibung (Abs. [0005], [0008]). Auch wird als Vorteil der geschützten Lehre vom Klagepatent ausgeführt, sie ermögliche eine Synchronisation zum Stromnetz auch bei schweren Spannungsschwankungen (Abs. [0011]). Spannungsschwankungen zeichnen sich aber gerade nicht durch das Abfallen der Spannung auf einen konstanten Pegel aus.
- cc)
Nach Merkmal 1.4 soll der Windturbinengenerator eine nicht unterbrechbare Stromversorgung (nachfolgend: UPS) umfassen, die mit der Turbinensteuerung und mit dem Einstellwinkelsteuersystem gekoppelt ist, um während eines Unterspanungsereignisses Strom bereitzustellen. Die UPS soll damit die Stromversorgung dieser beiden Komponenten im Falle eines Unterspannungsereignisses vom Generator übernehmen, der sie nach Merkmal 1.3 im ersten Betriebsmodus bestromt. Die UPS kann aber auch außerhalb eines Unterspannungsereignisses die Turbinensteuerung und das Einstellwinkelsteuersystem mit Strom versorgen, sofern nicht der erste Betriebsmodus vorliegt, der über die Bestromung durch den Generator definiert ist. Aus den Merkmalen 1.3 und 1.4 lässt sich nicht herleiten, dass die Turbinensteuerung mehrere Stromanschlüsse aufweisen muss.(1)
Die in Merkmal 1.4 vorgesehen Versorgung der Turbinensteuerung und des Einstellwinkelsteuersystems während eines Unterspannungsereignisses ist eine Mindestvorgabe. Das Klagepatent schließt weder aus, dass weitere Komponenten von der UPS bestromt werden, noch ist die Stromversorgung auf das Unterspannungsereignis begrenzt. Es ist vielmehr dem Fachmann überlassen, insbesondere bei Spannungsabfällen, die kein Unterspannungsereignis darstellen oder bei denen noch unklar ist, ob diese die Definition von Merkmal 1.5 erfüllen werden, die UPS die Stromversorgung vom Generator übernehmen zu lassen. - Die UPS muss so ausgebildet sein, dass sie in der Lage ist, die Stromversorgung für die Turbinensteuerung und das Einstellwinkelsystem während des Unterspannungsereignisses sicherzustellen. Das Klagepatent überlässt deren konkrete Ausgestaltung dem Fachmann, wobei es sich insoweit nicht grundsätzlich von dem im Stand der Technik beschriebenen Modellen abgrenzt.
- (2)
Dem Klagepatent kann nicht entnommen werden, dass klagepatentgemäße Vorrichtungen über zwei Stromanschlüsse verfügen müssen. Eine entsprechende Vorgabe findet sich weder im Anspruch, noch deutet die Beschreibung hierauf hin. Das Klagepatent sieht die Koppelung mit und das Bereitstellen von Strom für die Turbinensteuerung und das Einstellwinkelsteuersystem einerseits durch den Generator im ersten Betriebsmodus (Merkmal 1.3) und andererseits durch die UPS während des Unterspannungsereignisses (Merkmal 1.4) vor, wobei auch die Turbinensteuerung mit dem Einstellwinkelsteuersystem gekoppelt ist (Merkmal 1.2). Zwar sieht das Klagepatent damit für die Turbinensteuerung zwei unterschiedliche Stromquellen vor, zwischen denen gewechselt werden muss, damit ist aber nichts hinsichtlich der Stromanschlüsse gesagt. Das Klagepatent überlässt die Art der Koppelung der Stromquellen mit der Turbinensteuerung dem Fachmann. Diese kann unmittelbar oder indirekt erfolgen. Entscheidend für die klagepatentgemäße Lehre ist nicht, auf welchem Weg der Strom bei der Turbinensteuerung und dem Einstellwinkelsteuersystem ankommt, sondern dessen Quelle, damit die Funktionsfähigkeit dieser Bauteile während des Unterspannungsereignisses gesichert ist. Entsprechend sollen Generator und UPS den Strom bereitstellen, womit die Stromquelle angesprochen ist, nicht aber der Weg des Stroms zu den zu versorgenden Bauteilen. Entsprechend ist auch in der schematischen Darstellung nach Figur 3 die Turbinensteuerung nur mit der UPS verbunden. - (3)
Zwar muss es anspruchsgemäß zwischen dem ersten Betriebsmodus und dem Unterspannungsereignis zu einem Wechsel der Stromquelle kommen. Das Klagepatent macht aber keine Vorgaben, wann dieses Umschalten erfolgt und wie es ausgelöst wird. Entscheidend für die klagepatentgemäße Lehre ist nur, dass der Strom für die Turbinensteuerung und das Einstellwinkelsteuersystem in den beiden definierten Betriebszuständen von der jeweils vorgesehenen Stromquelle bereitgestellt wird. Eine Detektion – etwa eines Unterspannungsereignisses – sehen die Merkmale 1.3 und 1.4 – im Unterschied zu Merkmal 1.6 – gerade nicht vor. - dd)
Nach Merkmal 1.6 soll die Turbinensteuerung der klagepatentgemäßen Windturbine das Einstellwinkelsteuersystem als Reaktion auf eine Detektion eines Übergangs von dem ersten Betriebsmodus zu dem Unterspannungsereignis dazu bringen, den Einstellwinkel des einen oder der mehreren Flügel zu verändern. Das Klagepatent spricht also die Turbinensteuerung und das Einstellwinkelsteuersystem an und schreibt für diese eine Voraussetzung-Folge-Kombination vor: Wenn der Übergang von dem ersten Betriebsmodus zu dem Unterspannungsereignis detektiert wird, dann soll der Einstellwinkel des oder der Flügel verändert werden. Diese beiden Maßnahmen müssen also kausal miteinander verknüpft sein. Die vorgesehene Winkel-Änderung muss dabei nicht konkret von der Windturbine vorgesehen sein. Als klagepatentgemäße Reaktion im Sinne von Merkmal 1.6 reicht es aus, wenn ein für die Winkelsteuerung maßgeblicher Algorithmus als Folge der Detektion des Übergangs zu einem Unterspannungsereignis modifiziert wird. - (1)
Während Merkmal 1.7 allgemein das Ziel der klagepatentgemäßen Lehre (Aufrechterhaltung der Verbindung und der Synchronisation mit dem Stromnetz) vorgibt und Merkmal 1.4 die Stromversorgung von Turbinensteuerung und Einstellwinkelsteuersystem sicherstellt und damit deren Funktionsfähigkeit aufrechterhalt, beschreibt Merkmal 1.6 eine konkrete Reaktion auf den Spannungsabfall. Auf den Übergang zu einem Unterspannungsereignis soll die klagepatentgemäße Windturbine mit einer Änderung des Einstellwinkels reagieren. - Um diese Reaktion auch während des Unterspannungsereignisses zu ermöglichen, stellt Merkmal 1.4 die Stromversorgung von Turbinensteuerung und Einstellwinkelsteuersystem per UPS sicher. Anders als der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vom 18.01.2022 dargetan hat, ist die anspruchsgemäße Lehre jedoch nicht auf die Durchfahrbarkeit von Unterspannungsereignisse durch die Sicherstellung der Stromversorgung beschränkt. Ein solches Verständnis würde den vorrangig zu berücksichtigenden Anspruchswortlaut von Merkmal 1.6 unzulässigerweise außer Acht lassen. Im Übrigen besteht auch kein Widerspruch zwischen Beschreibung und Anspruch. Zwar ist in den im Klagepatent beschriebenen Ausführungsbeispielen keine spezifische Reaktion auf die Detektion des Übergangs vom ersten Betriebsmodus zu dem Unterspannungsereignis beschrieben. Hierin besteht jedoch kein Widerspruch, da eine Merkmal 1.6 entsprechende Reaktion hierin auch nicht ausgeschlossen wird. Das Fehlen einer konkreten Beschreibung kann aber nicht dazu führen, dass ein Merkmal des Patentanspruchs letztlich ignoriert wird.
- (2)
Wie bereits oben zu Merkmal 1.5 ausgeführt, verlangt das Klagepatent in Merkmal 1.6 gerade nicht die Detektion eines Unterspannungsereignisses, sondern des Übergangs vom ersten Betriebsmodus zu dem Unterspannungsereignis. Als Beispiel beschreibt das Klagepatent in Abs. [0038] das Unterschreiten einer Schwellenspannung. Die Schwellenspannung muss nicht unterhalb von 50 % der Nennspannung liegen, sondern kann auch schon bei einem geringeren Spannungsabfall zu einer Detektion nach Merkmal 1.6 führen. - Die merkmalsgemäß vorgesehene Änderung des Einstellwinkels soll also gegebenenfalls schon vor dem Vorliegen eines Unterspannungsereignisses erfolgen, etwa weil die „vorherbestimmte Zeit“ noch nicht abgelaufen ist oder die Nennspannung noch nicht den „vorherbestimmten Pegel“ unterschritten hat. Ab wann eine klagepatentgemäße Vorrichtung von einem „Übergang“ ausgeht, bestimmt der Anspruch nicht konkret. Es ist auch nicht erforderlich, dass einer Detektion des Übergangs zwingend tatsächlich ein Unterspannungsereignis folgt. So kann ein Spannungsabfall, der als Schwellenwert für die Detektion vorgesehen ist, gleichwohl nicht zu einem Unterspannungsereignis führen, etwa, weil er nicht den „vorherbestimmten Pegel“ unterschreitet oder nicht die „vorherbestimmte Zeit“ andauert.
- (3)
Wenngleich der Fachmann Gestaltungsspielraum hat, wie und ab welcher Schwellenspannung der Übergang detektiert wird, verlangt das Klagepatent, dass eine Detektion stattfinden muss und diese die merkmalsgemäße Reaktion auslöst. Eine klagepatentgemäße Vorrichtung muss daher einen oder mehrere Parameter erfassen und auswerten, die bei einem bestimmten Wert eine Reaktion auslösen. Allerdings muss sich die Detektion auf die Parameter beziehen, die ein Unterspannungsereignis ausmachen – also die Spannung am Generator – oder zwingend auf ein solches Rückschlüsse erlauben. Dagegen ist es von der klagepatentgemäßen Lehre nicht mehr erfasst, wenn eine Vorrichtung den Einstellwinkel abhängig nur von der Drehzahl des Rotors ändert. Zwar kann auch ein Unterspannungsereignis eine Beschleunigung des Rotors verursachen (wie es in Abs. [0025] beschrieben ist); die Lehre des Klagepatents knüpft aber nicht an die Rotordrehzahl an, sondern unmittelbar an das Unterspannungsereignis, welches sich – ohne Gegenmaßnahmen – auf die Rotordrehzahl auswirken kann. Entsprechend findet sich im Anspruchswortlaut keine Bezugnahme auf die Drehzahl des Rotors. Es besteht auch kein zwingender Zusammenhang zwischen Spannungsabfall und Rotordrehzahl; insbesondere kann sich die Rotordrehzahl auch ohne Spannungsabfall erhöhen, etwa bei einer Zunahme des Windes. - Zwar ist in Abs. [0032] die Rotordrehzahl erwähnt, welche die Turbinensteuerung verarbeitet, um das Vorliegen eines Unterspannungsereignisses zu bestimmen. Hierbei handelt es sich aber nur um einen zusätzlichen Parameter neben der auch in Abs. [0032] genannten Generatorausgangspannung. Anhand der Rotordrehzahl alleine lässt sich auch nicht feststellen, ob tatsächlich ein Unterspannungsereignis oder ein Übergang hierzu vorliegt, da dieses nach der Definition in Merkmal 1.5 gerade nicht an die Rotordrehzahl, sondern an die Spannung am Generator anknüpft.
- Gleiches gilt für Abs. [0034], worin beschrieben ist, die Rotordrehzahl zu überwachen, um hierauf angemessen reagieren zu können. Dies betrifft das „wie“ der Änderung des Einstellwinkels, nicht aber die Detektion und damit das „ob“ der klagepatentgemäß vorgesehenen Reaktion. Diese muss nach dem vorrangig zu beachtenden Anspruchswortlaut an die Detektion des Übergangs zu einem Unterspannungsereignis anknüpfen.
- (4)
Merkmal 1.6 knüpft an die Detektion eine bestimmte Reaktion, namentlich, dass die Turbinensteuerung das Einstellwinkelsteuersystem dazu bringt, den Einstellwinkel des oder der Flügel der Windturbine zu verändern. Diese Winkeländerung muss nicht konkret vorgegeben sein; vielmehr reicht es aus, wenn als Reaktion auf die Detektion ein für die Winkelsteuerung zuständiger Algorithmus verändert wird. - Merkmal 1.6 schließt nicht aus, dass eine klagepatentgemäße Turbinensteuerung auch ohne Detektion des Übergangs zu dem Unterspannungsereignis die Einstellwinkel der Flügel verändert. Allerdings bedarf es für die Verwirklichung von Merkmal 1.6 (auch) einer kausale Verknüpfung zwischen der Detektion des Übergangs und einer Veränderung des Einstellwinkels. Mit anderen Worten: Es muss hinsichtlich der Änderung des Einstellwinkels eine spezifische Reaktion auf die Detektion des Übergangs erfolgen. Die Detektion liefe ins Leere, wenn zwar der Übergang zu dem Unterspannungsereignis erfasst würde, dies aber ohne Folgen für die Einstellwinkelsteuerung bliebe, etwa weil die Steuerung auf Basis der Rotordrehzahl unverändert fortgesetzt wird.
- Es reicht aber für die Verwirklichung von Merkmal 1.6 aus, wenn die Detektion des Übergangs zu irgendeiner Veränderung in der Berechnung des Winkels führt, etwa indem ein Algorithmus geändert wird oder ein Parameter darin verändert wird. Auch schreibt das Klagepatent nicht vor, dass die Winkeländerung zeitlich unmittelbar nach Detektion des Übergangs erfolgen muss. Wie und wann die Windturbine den Einstellwinkel verändern soll, gibt das Klagepatent nicht vor. Eine konkrete (absolute) Vorgabe (etwa ein Winkel von 45° oder ähnliches) wäre auch nicht sinnvoll, da die gewünschte Änderung des Winkels von verschiedenen Faktoren abhängen kann, zum Beispiel von dem Ausmaß des Spannungsabfalls und den gegenwärtigen Windverhältnissen. Auch darf die Detektion des Übergangs nicht alleine an die Drehzahl des Rotors anknüpfen; gleichwohl lässt es das Klagepatent zu, dass diese Drehzahl bei der Winkeländerung berücksichtigt wird. Eine Überwachung der Rotordrehzahlen während des Unterspannungsereignisses ist etwa in Abs. [0039] beschrieben. Entsprechend sehen die Abs. [0032] und Abs. [0035] auch eine Erfassung und Berücksichtigung der Rotorgeschwindigkeit vor. Diese Information kann dann auch bei der Winkeländerung berücksichtigt werden.
- (5)
Schließlich ist es für die Lehre des Klagepatents ohne Belang, wie die von der Turbinensteuerung und dem Einstellwinkelsteuersystem vorgenommene Änderung des Einstellwinkels der Flügel umgesetzt wird. Die Merkmale des Anspruchs betreffen die Steuerung und nicht die tatsächliche Umsetzung der Einstellwinkeländerung. Aus diesem Grunde führt es nicht aus der Lehre des Klagepatents, wenn die tatsächliche Verstellung der Flügel mittels eines hydraulischen Antriebs erfolgt, unabhängig davon, woher dieser seine Energie nimmt. - ee)
Merkmal 1.7, wonach der Generator während des Unterspannungsereignisses mit einem Stromnetz verbunden und synchronisiert bleibt, stellt ein technischer Zweck der klagepatentgemäßen Lehre dar. Die bereitgestellte Vorrichtung soll auch solche Spannungsabfälle durchfahren können, die als Unterspannungsereignis nach Merkmal 1.5 zu qualifizieren sind und bei denen ein Pegel von 50 % der Nennspannung unterschritten wird. Insbesondere hierin liegt der Vorteil eines klagepatentgemäßen Windturbinengenerators gegenüber den im Stand der Technik bekannten Vorrichtungen (vgl. Abs. [0008]). - (1)
Das Klagepatent verlangt nur eine (bestehen bleibende) Verbindung und Synchronisation mit einem Stromnetz, nicht aber das die Windturbine unmittelbar – ohne Zwischenschaltung weiterer Elemente – mit dem Stromnetz verbunden ist. Merkmal 1.7 schließt insbesondere nicht solche Windturbinen aus dem Schutzbereich aus, die nicht unmittelbar mit dem Stromnetz verbunden sind, sondern im Rahmen eines Windparks über eine gemeinsame Verbindungsstelle mit dem Stromnetz verfügen. - Eine einschränkende Auslegung, wonach nur eine unmittelbare Verbindung mit dem Stromnetz von Merkmal 1.7 erfasst ist, findet demgegenüber im Klagepatent keine Stütze. Auch wenn ein gemeinsamer Übergabepunkt oder eine sonstige Vorrichtung zwischen Windturbine und Stromnetz geschaltet ist, ist es vorteilhaft, wenn die beanspruchte Vorrichtung bereits für sich genommen Unterspannungsereignisse durchfahren kann. Zudem erwähnt das Klagepatent in Abs. [0003] ausdrücklich die Relevanz von Windparks für das Stromnetz und dessen Stabilität. Vor diesem Hintergrund wäre es fernliegend, dass eine klagepatentgemäße Windturbine hierin keinen Einsatz finden darf, insbesondere, da sich im Klagepatent kein Anhaltspunkt für einen solchen Ausschluss finden lässt.
- (2)
Im Übrigen beschreibt das Klagepatent eine Vorrichtung, die für eine solche Verbindung mit dem Stromnetz geeignet sein muss. Es steht einer Patentverletzung nicht entgegen, dass eine Vorrichtung normalerweise anders bedient wird oder der Hersteller sogar ausdrücklich eine andere Verwendung seiner Vorrichtung empfiehlt und die Abnehmer deshalb von der patentverletzenden Lehre regelmäßig keinen Gebrauch machen, soweit die Nutzung der klagepatentgemäßen Lehre möglich ist (BGH, GRUR 2006, 399 – Rangierkatze). Damit liegt eine Patentverletzung auch dann vor, wenn eine Windturbine während eines Unterspannungsereignisses mit dem Stromnetz verbunden und synchronisiert bleiben kann, auch wenn sie tatsächlich gar nicht an das Stromnetz angeschlossen ist. - ff)
Eine einzuhaltende Reihenfolge der Maßnahmen lässt sich Patentanspruch 1 nicht entnehmen, bei dem es sich um einen Vorrichtungsanspruch handelt. Weiterhin ist nicht erkennbar, dass die Maßnahmen der Merkmale 1.4, 1.6 und 1.7 in einer bestimmten Reihenfolge abgearbeitet werden müssen. Merkmal 1.6 knüpft an die Detektion des Übergangs vom ersten Betriebsmodus zum Unterspannungsereignis an, wohingegen die Merkmalen 1.4 und 1.6 Dauermaßnahmen während des Unterspannungsereignisses beschreiben. - b)
Die angegriffenen Ausführungsformen machen von Patentanspruch 1 wortsinngemäß Gebrauch. - aa)
Zunächst ist festzustellen, dass eine Patentverletzung nicht an Merkmal 1.5 scheitern kann, da es sich hierbei um eine reine Definition handelt. Ab wann bei einer angegriffenen Ausführungsform ein Unterspannungsereignis nach Merkmal 1.5 vorliegt, ist vielmehr eine Frage, die sich bei den an ein Unterspannungsereignis anknüpfenden Merkmalen stellt. - Als Beispiel eines Unterspannungsereignis lässt sich beispielsweise ein Spannungsabfall auf 20 % der Nennspannung des Generators (= vorherbestimmter Pegel) für 1 Sekunde (= vorherbestimmte Zeit) ansehen. Bei einem Spannungsabfall auf 20 % wird die angegriffene Ausführungsform nach 1,1 Sekunden vom Netz getrennt, so dass als vorherbestimmte Zeit eine kürzere Zeitspanne – etwa von 1 Sekunden – angesetzt werden kann.
- bb)
Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen die Merkmale 1.1 bis 1.4, was hinsichtlich der Merkmale 1.1 und 1.2 zwischen den Parteien zu recht unstreitig ist, weshalb weitere Ausführungen hierzu entbehrlich sind. - Aber auch die Merkmale 1.3 und 1.4 werden von den angegriffenen Ausführungsformen implementiert. Das Vorhandensein eines Generators und einer UPS in Form einer vom Generator geladenen Batterie in den angegriffenen Ausführungsformen ist zwischen den Parteien unstreitig. Dieser Generator lädt während des Normalbetriebs die „Li Battery“ (also die klagepatentgemäße UPS) auf und versorgt die Turbinensteuerung und das Einstellwinkelsteuersystem mit Strom. Bei einem erheblichen Spannungsabfall (so auch auf unter 50 % und damit auch während eines Unterspannungsereignisses nach Merkmal 1.5), bricht der vom Generator erzeugte Stromfluss im XXX zusammen und die Batterie übernimmt die Stromversorgung mit Hilfe der zuvor aufgeladenen Energie. Für die Verwirklichung von Merkmal 1.3 reicht es aus, dass der Generator im Normalbetrieb die Batterie auflädt und damit den Strom (indirekt) für Turbinensteuerung und Einstellwinkelsteuerungssystem im ersten Betriebsmodus bereitstellt. Gleiches gilt für den Fall, dass die Batterie nicht an der Stromversorgung beteiligt ist, sondern nur passiv dazwischen geschaltet. Das Klagepatent verlangt – wie oben ausgeführt – weder eine unmittelbare Koppelung des Generators mit der Turbinensteuerung und dem Einstellwinkelsteuersystem, noch das Vorhandensein von zwei Stromanschlüssen an diesen Bauteilen.
- Auch Merkmal 1.4 ist verwirklicht: Fällt die Generatorspannung auf unter 50 % ab, kann der Generator in den angegriffenen Ausführungsformen die Batterie nicht mehr aufladen und auch nicht den Strom für die Windturbinenkomponenten bereitstellen. Die UPS übernimmt dann die Bereitstellung des Stroms und zwar auch dann, wenn der Pegel für eine gewisse Zeit auf unterhalb von 50 % der Nennspannung abfällt – also während eines Unterspannungsereignisses. Für die Merkmalsverwirklichung ist unerheblich, ob oder wie die angegriffenen Ausführungsformen das Unterspannungsereignis detektieren oder wann genau die Batterie die Stromversorgung übernimmt. Vielmehr reicht es für die Verwirklichung von Merkmal 1.4 aus, dass bei einem Unterspannungsereignis der Strom von der Batterie bereitgestellt wird. Dies ist bei den angegriffenen Ausführungsformen der Fall, da auch bei einem Spannungsfall auf einen Pegel von unter 50 % der Nennspannung für eine gewisse Zeit die Batterie den Strom für Turbinensteuerung und das Einstellwinkelsteuersystem bereitstellt.
- Dies gilt auch für den hier angenommenen Fall eines Unterspannungsereignisses bei einem Spannungsabfall auf 20 % der Nennspannung für 1 Sekunde. Während eines solchen Unterspannungsereignisses übernimmt bei der angegriffenen Ausführungsform die Batterie die für Merkmal 1.4 relevante Stromversorgung.
- cc)
Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen über das „dip bit“ auch Merkmal 1.6, das eine Veränderung des Einstellwinkels des oder der Flügel in Reaktion auf eine Detektion eines Übergangs von dem ersten Betriebsmodus zu dem Unterspannungsereignis verlangt. - (1)
Das Setzen des „dip bits“ ist die Folge einer Detektion des Übergangs vom ersten Betriebsmodus zu dem Unterspannungsereignis. Das „dip bit“ wird gesetzt, wenn die Spannung auf 90 bzw. 85 % der Nennspannung abfällt. Diese Spannungswerte stellen eine Schwellenspannung dar, wie sie in Abs. [0038] angesprochen ist. Wie oben ausgeführt, kann für die Verwirklichung dieses Merkmals dahinstehen, ob bei einem Spannungsabfall auf einen solchen Pegel noch der erste Betriebsmodus mit der Stromversorgung durch den Generator besteht, da nur der Übergang zu dem Überspannungsereignis detektiert werden muss. Auch kommt es für die Verwirklichung von Merkmal 1.6 nicht darauf an, ob tatsächlich ein Unterspannungsereignis eintritt. Ein solcher Übergang kann klagepatentgemäß auch auf Grundlage des Unterschreitens eines Schwellenwerts von 85 oder 90 % der Nennspannung detektiert werden, wie es bei den angegriffenen Ausführungsformen erfolgt. - (2)
Das Setzen des „dip bits“ löst auch eine klagepatentgemäße vorgeschriebene Reaktion in Form der Veränderung des Einstellwinkels der Flügel aus. Die Detektion des Übergangs verändert den Algorithmus für die Winkelsteuerung. Bei den angegriffenen Ausführungsformen wird der Winkel der Rotorflügel anhand einer „optimized pitch reference“ eingestellt. Diese – unabhängig von der Detektion des Übergangs zu einem Unterspannungsereignisse erfolgende – Steuerung wird durch das von der Detektion des Übergangs gesetzte „dip bit“ modifiziert, indem in der Erholungsphase nach einem Spannungsabfall die Rotorflügel langsamer (als ohne Einfluss des „dip bits“) wieder in den Wind gedreht werden, wodurch der Rotor langsamer beschleunigt. Damit bewirkt das „dip bit“ eine vom Klagepatent in Merkmal 1.6 vorgeschriebene Änderung des Winkels der Rotorflügel, indem der Algorithmus in Folge des Spannungsabfalls verändert wird. - Es steht der Verwirklichung von Merkmal 1.6 nicht entgegen, dass sich die Reaktion auf die Detektion erst in der Erholungsphase – nach Wiederherstellung der Spannung – auswirkt. Dem Klagepatent lässt sich nicht entnehmen, zu welchem Zeitpunkt die Reaktion erfolgen muss. Weiterhin ist es für die klagepatentgemäße Lehre unerheblich, dass das „dip bit“ keine Bewegung der Flügel in die Fahnenstellung bewirkt, sondern nur die Bewegung in die umgekehrte Richtung verlangsamt, um eine Überbeschleunigung des Rotors zu verhindern. Beides stellt eine Veränderung des Einstellwinkels der Flügel dar. Auch auf diese Weise trägt das „dip bit“ dazu bei, dass die angegriffene Ausführungsform ein Unterspannungsereignis schadlos durchfahren kann.
- dd)
Schließlich verwirklichen die angegriffenen Ausführungsformen auch Merkmal 1.7, wonach der Generator während des Unterspannungsereignisses mit einem Stromnetz verbunden und synchronisiert bleibt. Die angegriffenen Ausführungsformen können unstreitig Unterspannungsereignisse mit einem Spannungsabfall von unter 50 % der Nennspannung für eine vorherbestimmte Zeit (in Form der in der angegriffenen Ausführungsform vorgesehenen Abschaltzeit) durchfahren, also etwa für eine Sekunde einen Spannungsabfall auf 20 % der Nennspannung. - Es steht der Klagepatentverletzung auch nicht entgegen, dass die angegriffenen Ausführungsformen für den Einsatz in Windparks bestimmt sein mögen. Zum einen ist unklar, worin eine solche Bestimmung liegen könnte; zum anderen hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass die angegriffenen Ausführungsformen auch unmittelbar mit dem Stromnetz verbunden werden könnten. Es ist aber auch nicht ersichtlich, wie der Einsatz in einen Windpark aus dem Schutzbereich des Klagepatents hinausführen sollte, da die angegriffenen Ausführungsformen auch in diesem Falle mit dem Stromnetz verbunden sind.
- 3.
Zur Lösung der unter II.1. dargestellten Aufgabe schlägt das Klagepatent ferner ein Verfahren nach Anspruch 14 vor. Dieser kann in Form einer Merkmalgliederung wie folgt dargestellt werden: - 14.1 Das Verfahren umfasst das Bereitstellen von Strom an Windturbinenelemente unter Verwendung eines Generators (220) der Windturbine während eines ersten Betriebsmodus.
- 14.2 Detektieren eines Unterspannungsereignisses.
- 14.3 Ein Unterspannungsereignis besteht, wenn eine Ausgangsspannung des Generators (220) für eine vorherbestimmte Zeit bei einem vorherbestimmten Pegel in Bezug auf eine Nennspannung für den Generator (220) liegt, und wobei der vorherbestimmte Pegel geringer als 50 % der Nennspannung ist.
- 14.4 Erhalten von Strom von einer nicht unterbrechbaren Stromversorgung (530) für einen ersten Untersatz der Windturbinenkomponenten.
- 14.5 Der erste Untersatz der Windturbinenkomponenten umfasst ein Einstellwinkelsteuersystem (520), um das Einstellwinkelsteuersystem (520) während des Unterspannungsereignisses selektiv so zu bestromen, dass eine Rotorgeschwindigkeit unter einer vorherbestimmten Übergeschwindigkeitsgrenze behalten wird.
- 14.6 Verändern des Einstellwinkels eines oder mehrerer Flügel (200) als Reaktion auf die Detektion eines Übergangs von dem ersten Betriebsmodus zu dem Unterspannungsereignis.
- 14.7 Der Generator (220) bleibt während des Unterspannungsereignisses mit einem Stromnetz verbunden und synchronisiert.
- Hinsichtlich der Übersetzung der Begriffe Unterspannungsereignis (low voltage event), Einstellsteuerwinkelsteuersystem (blade pitch control system) und nicht unterbrechbare Stromversorgung (uninterurptible power supply) gilt das zu Anspruch 1 Ausgeführte hier entsprechend.
- a)
Auch wenn es auf eine solche Vorrichtung nicht zurückbezogen ist, spiegelt das von Patentanspruch 14 gelehrte Verfahren weitgehend das Vorgehen einer von Patentanspruch 1 geschützten Vorrichtung beim Durchfahren eines Unterspannungsereignisses wieder. Grundsätzlich kann daher auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden, wobei im Folgenden insbesondere die für dieses Verfahrens relevanten Unterschiede (neben der anderen Anspruchskategorie) dargestellt werden. - aa)
Gemäß Merkmal 14.1 soll unter Verwendung eines Generators während eines ersten Betriebsmodus Strom an Windturbinenelemente bereitgestellt werden. Während Anspruch 1 in Merkmal 1.3 (auch) eine Kopplung des Generators mit der Turbinensteuerung und dem Einstellsteuerwinkelsystem verlangt, fehlt eine solche Vorgabe in Anspruch 14. Auch konkretisiert der Verfahrensanspruch 14 im Gegensatz zu Anspruch 1 nicht, dass gerade diese beiden Komponenten vom Generator mit Strom versorgt werden sollen, sondern spricht allgemein Windturbinenelemente an. Zu diesen Windturbinenelementen können allerdings auch bei Anspruch 14 eine Turbinensteuerung und ein Einstellwinkelsteuersystem zählen. Hinsichtlich des ersten Betriebsmodus kann auf die Ausführungen zu Patentanspruch 1 verwiesen werden. - bb)
Die Definition eines „Unterspannungsereignis“ in Merkmal 14.3 ist identisch mit der Definition dieses Begriffes in Merkmal 1.5 von Anspruch 1, worauf Bezug genommen wird. Weiterhin lässt es Anspruch 14 ebenso wie Anspruch 1, dass neben dem ersten Betriebsmodus und dem Unterspannungsereignis weitere Betriebszustände existieren können. - cc)
Merkmal 14.4 verlangt allgemein, dass eine UPS eine erste Untergruppe der Windturbinenkomponenten mit Strom versorgt. Zu dieser Untergruppe gehört nach Merkmal 14.5 ein Einstellwinkelsteuersystem. Weiterhin soll die UPS das Einstellwinkelsteuersystem während eines Unterspannungsereignisses selektiv so bestromen, dass eine Rotorgeschwindigkeit unter einer vorbestimmten Übergeschwindigkeitsgrenze gehalten wird. Merkmal 14.5 schreibt also nicht nur vor, dass die UPS das Einstellwinkelsteuersystem während eines Unterspannungsereignisses mit Strom versorgen soll; vielmehr soll dies auch selektiv zu dem Zwecke erfolgen, dass eine Überdrehzahl des Rotors vermieden wird. Der Fachmann versteht, dass das Einstellwinkelsteuersystem den Einstellwinkel der Flügel so verändern können soll, dass der Rotor sich nicht zu schnell dreht, wenn der Generator aufgrund eines Spannungsabfalls nicht mehr den vom Wind produzierten Strom abnehmen kann. Die Verhinderung zu hoher Rotordrehzahlen kann beispielsweise erfolgen, indem die Flügel in die Fahnenstellung gedreht werden. Allerdings verlangt dieses Merkmal keine konkrete Winkeländerung des Flügels zur Verhinderung der Überdrehzahl. Vielmehr soll Merkmal 14.5 sicherstellen, dass die Windturbine eine Überdrehzahl verhindern kann, indem auch bei einem Spannungsabfall die Stromversorgung der hierfür erforderlichen Steuerungskomponenten sichergestellt wird. - Die Lehre des Verfahrensanspruchs 14 unterscheidet sich vom Vorrichtungsanspruch 1 also insofern dadurch, dass einerseits die Bestromung der Turbinensteuerung nicht genannt ist, während andererseits das Ziel der Stromversorgung des Einstellwinkelsteuersystems (also die Kontrolle der Rotorgeschwindigkeit) Teil des geschützten Verfahrens ist.
- Dabei ergibt sich aus dem Begriff „selektiv“ nicht das Erfordernis, dass die UPS allein das Einstellwinkelsteuersystem während eines Unterspannungsereignisses bestromt. So soll der erste Untersatz der Windturbinenkomponenten das Einstellwinkelsteuersystem „umfassen“, wobei dieser Begriff auf eine nicht abschließende Aufzählung hindeutet (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.06.2015 – I-15 U 106/14 – Rn. 252 bei Juris). Im Zusammenspiel mit der Zweckangabe, wonach die Bestromung so zu erfolgen hat, dass die Rotorgeschwindigkeit unter einer Übergeschwindigkeitsgrenze gehalten werden soll, ist „selektiv“ so zu verstehen, dass jedenfalls die Bestromung für das Einstellwinkelsteuersystem gesichert sein soll. Reicht demnach der Strom aus der UPS auch für weitere Komponenten, führt dies nicht aus der Lehre des Klagepatents hinaus.
- dd)
Nach Merkmal 14.6 umfasst das Verfahren eine Veränderung des Einstellwinkels von einem oder mehreren Flügeln „als Reaktion auf die Detektion eines Übergangs von dem ersten Betriebsmodus zu dem Unterspannungsereignis“. Weiterhin schreibt Merkmal 14.7 vor, dass im Rahmen des beanspruchten Verfahrens der Generator während des Unterspannungsereignisses mit einem Stromnetz verbunden und synchronisiert bleiben soll. Die Merkmale 14.6 und 14.7 entsprechen den Merkmalen 1.6 und 1.7 des Patentanspruchs 1, so dass auf die dortigen Ausführungen verwiesen wird. - ee)
Die Patentansprüche 1 und 14 unterscheiden sich aber – neben der Abweichung in den Merkmalen 14.4 und 14.5 – darin, dass Patentanspruch 14 nach Merkmal 14.2 zusätzlich eine Detektion eines Unterspannungsereignisses verlangt. Zwar sieht auch Anspruch 1 für das Unterspannungsereignis bestimmte Maßnahmen vor, jedoch kann der Vorrichtungsanspruch auch verwirklicht werden, wenn diese Maßnahmen während des Unterspannungsereignisses ohne dessen vorherige Detektion durch die Windturbine ergriffen werden. - Allerdings knüpft das Klagepatent im Verfahrensanspruch 14 an die Detektion eines Unterspannungsereignisses – was erst nach Ablauf der „vorherbestimmten Zeit“ festgestellt werden kann – keine zwingenden Folgen. Die Stromversorgung des Einstellwinkelsteuersystems durch die UPS (Merkmal 14.5) und die fortbestehende Verbindung und Synchronisation mit einem Stromnetz (Merkmal 14.7) sollen während des Unterspannungsereignisses erfolgen, müssen aber nicht von der Detektion ausgelöst werden. Dagegen basiert die Veränderung des Einstellwinkels der Flügel gemäß Merkmal 14.6 gerade nicht auf der Detektion des Unterspannungsereignisses, sondern auf der hiervon unabhängigen „Detektion eines Übergangs von dem ersten Betriebsmodus zu dem Unterspannungsereignis“, die zeitgleich oder auch zeitlich vor der Detektion des Unterspannungsereignisses selbst erfolgen kann. Eine entsprechende Verknüpfung – also eine vorgeschriebene Reaktion – fehlt bei der Detektion des Unterspannungsereignisses selbst. Es bleibt daher dem Fachmann überlassen, welche Auswirkungen die Detektion des Unterspannungsereignisses hat.
- ff)
Eine bestimmte Reihenfolge des Vorgehens sieht auch der Verfahrensanspruch 14 nicht vor. Einzig Merkmal 14.6 sieht eine Detektion und notwendigerweise anschließend eine Reaktion vor. Dagegen beschreiben die Merkmale 14.5 und 14.7 Dauermaßnahmen, die während des Unterspannungsereignis vorzunehmen sind, deren Anfang und Ende zeitlich aber nicht denen des Unterspannungsereignisses entsprechen müssen, sondern bereits vor dem Unterspannungsereignis beginnen können und über dessen Ende fortdauern können. Maßgeblich ist, dass das Unterspannungsereignis durchfahren werden kann. - b)
Die Beklagten verletzen durch das Anbieten und Liefern der angegriffenen Ausführungsformen die dargestellte Lehre von Anspruch 14 mittelbar nach § 10 Abs. 1 PatG. Nach dieser Vorschrift ist es jedem Dritten verboten, anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwertet zu werden. - So liegen die Dinge hier.
- aa)
Bei den angegriffenen Ausführungsformen handelt es sich um Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht. Dies ist der Fall, wenn das Mittel geeignet ist, mit einem solchen bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken (BGH, GRUR 2004, 758, 761 – Flügelradzähler). Da der Patentanspruch maßgeblich für den Umfang der geschützten Lehre ist, sind regelmäßig alle im Patentanspruch benannten Merkmale wesentliche Elemente der Erfindung, soweit sie nicht ausnahmsweise zum erfindungsgemäßen Leistungsergebnis nichts beitragen (BGH, GRUR 2007, 769 – Pipettensystem). Im Zusammenhang mit einem Verfahrensanspruch bedeutet dies, dass eine im Patentanspruch genannte Vorrichtung, die zur Ausführung des Verfahrens verwendet wird, sich regelmäßig auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht (BGH, GRUR 2007, 773 – Rohrschweißverfahren). - Die angegriffenen Ausführungsformen sind objektiv geeignet, um von der klagepatentgemäßen Lehre Gebrauch zu machen. Bei ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung werden alle Merkmale des geschützten Verfahrens verwirklicht.
- (1)
Merkmal 14.2 – also die Detektion des Unterspannungsereignisses – wird bei Betrieb der angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht. Die angegriffenen Ausführungsformen messen den Spannungsabfall und die Zeitdauer, die der Spannungsabfall andauert, da diese sich nach einer von dem Spannungsniveau abhängigen Zeitdauern abschalten. Damit detektieren sie die beiden Parameter, die ein Unterspannungsereignis im Sinne von Merkmal 14.3 ausmachen. - (2)
Auch hinsichtlich der übrigen Merkmale verwirklichen die angegriffen Ausführungsformen die Lehre von Anspruch 14. Dies steht zwischen den Parteien entweder nicht in Streit oder sie haben spezifisch zu Anspruch 14 nichts geltend gemacht, was ein zu Anspruch 1 abweichendes Ergebnis rechtfertigen könnte. Insofern kann auf die Ausführungen zur Verwirklichung von Anspruch 1 verwiesen werden, ohne das weitergehende Ausführungen erforderlich sind. - bb)
Auch die übrigen Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung liegen vor, was die Beklagten ebenfalls nicht in Abrede gestellt haben. Der von § 10 PatG verlangte „doppelte Inlandsbezug“, also dass sowohl das Anbieten oder Liefern des Mittels durch den mittelbaren Verletzer als auch die vom Angebotsempfänger bzw. Belieferten vorgesehene Benutzungshandlung müssen im Inland erfolgen müssen (vgl. LG Düsseldorf, InstGE 2, 82 – Lasthebemagnet I), ist unstreitig gegeben. - Auch die objektive Eignung zur Benutzung der Erfindung ist gegeben, da die Lehre des Klagepatents beim Betrieb der angegriffenen Ausführungsformen zwangsläufig verwendet wird, wenn es zu einem Unterspannungsereignis kommt.
- Ferner haben die Beklagten subjektiv auch Kenntnis von der Eignung zur Patentverletzung und der entsprechenden Verwendungsbestimmung der Abnehmer und Angebotsempfänger. Schließlich handelt es sich bei diesen auch unstreitig um Nichtberechtigte im Sinne von § 10 PatG.
- 4.
Der Feststellung der Verwirklichung der Lehre des Klagepatents durch die angegriffenen Ausführungsformen steht die Entscheidung der ITC nicht entgegen. Zwar sind Entscheidungen der Instanzen des Europäischen Patentamts oder der Gerichte anderer Vertragsstaaten des EPÜ vom Verletzungsgericht zu berücksichtigen (BGH, GRUR 2010, 950 – Walzenformgebungsmaschine), wozu jedoch die ITC nicht gehört. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Entscheidung nach den hier anwendbaren Auslegungsmaßstäben zu einem Schutzrecht erfolgt ist, das mit dem Klagepatent identisch ist. - II.
Die Beklagten machen damit in dem streitgegenständlichen Zeitraum widerrechtlich Gebrauch von der geschützten Lehre (§ 9 S. 2 Nr. 1 PatG und § 10 Abs. 1 PatG). Ihnen steht kein Nutzungsrecht am Klagepatent aufgrund des Lizenzvertrages zwischen der G LLC und der H U, S.A aus dem Jahre 2005 zu. Dieser Vertrag wurde wirksam gekündigt, so dass mit Wirkung zum 14.07.2020 (180 Tage nach der Kündigung) die Lizenz am Klagepatent beendet wurde. Dem Verlust des Nutzungsrechts sind die Beklagten zu Recht nicht mehr entgegengetreten, nachdem das Schiedsgericht die Wirksamkeit der Kündigung zum 14.07.2020 bestätigt hat. - Die Beklagte zu 2) haftet als geschäftsführende Gesellschafterin der Beklagten zu 1) für die von ihr vorgenommenen Patentverletzungen. Der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft, die ein patentverletzendes Erzeugnis herstellt oder erstmals im Inland in den Verkehr bringt, haftet für Patentverletzungen, wenn er die ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen unterlässt, die Geschäftstätigkeit des Unternehmens so einzurichten und zu steuern, dass hierdurch keine technischen Schutzrechte Dritter verletzt werden (vgl. BGH, GRUR 2016, 257 – Glasfasern II). Dies gilt nicht nur für den Geschäftsführer, sondern auch für die geschäftsführende Gesellschafterin.
- Aus der festgestellten unmittelbaren und mittelbaren Klagepatentverletzung ergeben sich die zuerkannten Rechtsfolgen:
- 1.
Der Unterlassungsanspruch beruht auf Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG, da die Benutzung des Erfindungsgegenstandes ohne Berechtigung erfolgt und eine Wiederholungsgefahr gegeben ist. Ein Ausschluss des Unterlassungsanspruchs wegen unverhältnismäßiger Härten im Einzelfall gemäß § 139 Abs. 1 S. 3 PatG ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. - a)
Die Verurteilung hat auch die Benutzungshandlung des Herstellens zu umfassen. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Beklagten angegriffene Ausführungsformen im Inland durch andere Unternehmen in ihrem Auftrag errichten lassen. Dass die Beklagten die Einzelteile nicht selbst herstellen, steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, GRUR 2019, 1171 – Schutzverkleidung). - b)
Im Hinblick auf die mittelbare Patentverletzung waren die von der Klägerin beantragten Maßnahmen auszusprechen. Welche Vorsorgemaßnahmen der Anbieter oder Lieferant eines Mittels, das sowohl patentverletzend als auch patentfrei verwendet werden kann, zu treffen hat, bestimmt sich nach Abwägung aller Umstände im Einzelfall. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Maßnahmen einerseits geeignet und ausreichend sein müssen, um Patentverletzungen mit hinreichender Sicherheit zu verhindern, andererseits den Vertrieb des Mittels zum patentfreien Gebrauch nicht in unzumutbarer Weise behindern dürfen (BGH, GRUR 2007, 679, 685 – Haubenstretchautomat m.w.N.). Als im Vergleich zum Schlechthinverbot mildere Maßnahmen zur Verhinderung von Patentverletzungen sind insbesondere Warnhinweise oder – subsidiär, falls ein Warnhinweis nicht ausreicht – der Abschluss von Unterlassungsverpflichtungs-Vereinbarungen (ggf. mit Strafbewehrung) mit Abnehmern vorranging zu prüfen (vgl. BGH, GRUR 2007, 679, 685 – Haubenstretchautomat). - Vorliegend ist bereits nicht vorgetragen, inwiefern die angegriffenen Ausführungsformen wirtschaftlich sinnvoll patentfrei verwendet werden können. Allerdings macht die Klägerin selbst kein Schlechthin-Verbot geltend, sondern begehrt nur die Verurteilung zum Hinweis auf das Klagepatent im Angebot bzw. zum verpflichtenden Abschluss einer vertragsstrafenbewehrten Unterlassungserklärung. Dass diese Maßnahmen nicht zur Verhinderung der Patentverletzung geeignet oder unangemessen sind, haben die Beklagten weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich.
- 2.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, der aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG folgt. - Als Fachunternehmen hätten die Beklagten die Patentverletzung bzw. die Nutzung der angemeldeten Lehre bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB.
- Da überdies durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten die Entstehung eines Schadens hinreichend wahrscheinlich ist, der durch die Klägerin aber noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.
- 3.
Der Anspruch auf Auskunft ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 1 PatG; der Umfang der Auskunftspflicht folgt aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 3 PatG. Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit. - Die Pflicht zur Rechnungslegung folgt aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 242, 259 BGB. Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, die Schadensersatzansprüche zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagten ein Anspruch auf Rechnungslegung im beantragten Umfang zu. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Sofern eine Rechnungslegung hinsichtlich der Herstellungspreise beantragt wurde, ergibt sich aus dem Antrag durch den Rückbezug auf Ziffer I. 3.a) unzweifelhaft, dass offensichtlich Herstellungszeiten gemeint gewesen sind. Dies hat im Tenor entsprechen Berücksichtigung gefunden. Allerdings war den Beklagten bezüglich ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. statt aller OLG Düsseldorf, InstGE 3, 176 – Glasscheiben-Befestiger). Hinsichtlich des Rechnungslegungsanspruchs sind die Beklagten nicht zur Belegvorlage verpflichtet, da insoweit die hierfür nach § 259 Abs. 1 BGB erforderliche Üblichkeit nicht ersichtlich ist.
- 4.
Schließlich kann die Klägerin die Beklagte zu 1) aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1, Abs. 3 PatG auf Vernichtung und Rückruf patentverletzender Erzeugnisse in Anspruch nehmen. Eine Unverhältnismäßigkeit gemäß Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 4 PatG hat die Beklagte zu 1) nicht dargetan. - III.
Die Verhandlung wird nicht im Rahmen des der Kammer nach § 148 ZPO zustehenden Ermessens in Bezug auf das in der Beschwerde befindliche Einspruchsverfahren gegen das Klagepatent ausgesetzt. - 1.
Nach § 148 ZPO kann das Gericht bei der Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens die Verhandlung eines Rechtsstreits aussetzen. Die Vorgreiflichkeit ist aufgrund der angenommenen Verletzung des Schutzrechtes hinsichtlich des anhängigen Einspruchsverfahrens gegeben. Die Erhebung eines Einspruchs stellt ohne Weiteres noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen. Die Patenterteilung ist auch für die (Verletzungs-) Gerichte bindend. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage oder den Einspruch vor dem jeweiligen Patentamt zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent nicht als Einwand im Verletzungsverfahren geführt werden. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits im Rahmen der nach § 148 ZPO zu treffenden Ermessenentscheidung ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage oder dem erhobenen Einspruch nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.06.2015 – I-2 U 64/14). - a)
Wurde das Klagepatent bereits – wie hier – in einem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren erstinstanzlich bestätigt, so hat das Verletzungsgericht grundsätzlich die von der zuständigen Fachinstanz (DPMA, EPA, BPatG) nach technisch sachkundiger Prüfung getroffene Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Klagepatents hinzunehmen. Einen Grund, die parallele Rechtsbestandsentscheidung in Zweifel zu ziehen und von einer Verurteilung vorerst abzusehen, besteht nur dann, wenn das Verletzungsgericht die Argumentation der Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz für nicht vertretbar hält oder wenn der Angriff auf den Rechtsbestand nunmehr auf (z. B. neue) erfolgversprechende Gesichtspunkte gestützt wird, die die bisher mit der Sache befassten Stellen noch nicht berücksichtigt und beschieden haben (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.12.2012 – I-2 U 46/12 = BeckRS 2013, 13744; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.10.2019 – I-2 U 11/18 = BeckRS 2019, 31342; Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 14. Aufl., Kap. E. Rn. 816). - Allerdings gilt für erst in zweiter Instanz in ein Einspruchsverfahren eingeführte Entgegenhaltungen ein strengerer Aussetzungsmaßstab, sofern das späte Einbringen auf Nachlässigkeit der Beklagten beruht. An einer solchen Nachlässigkeit fehlt es, wenn der Beklagte trotz ausreichend gründlicher Recherche den betreffenden Stand der Technik zuvor nicht auffinden konnte, was von ihm detailliert darzulegen ist. Hierzu ist erforderlich, dass der Verletzungsbeklagte darlegt und erforderlichenfalls glaubhaft macht, warum eine Recherche, die das Dokument zutage gefördert hätte, in erster Instanz (noch) nicht veranlasst war. Er muss konkret dartun, wie er das Suchprofil seiner anfänglichen (erfolglosen) Recherche angelegt und warum er ein solches Profil gewählt hat und nicht dasjenige, welches später zur Ermittlung der neuen Entgegenhaltung geführt hat (vgl. BGH, GRUR 2021, 701 – Scheibenbremse).
- Kann eine dem Beklagten vorliegende oder wenigstens bei ausreichender Recherche für ihn auffindbare Entgegenhaltung bereits im Einspruchsverfahren in erster Instanz zum Widerruf des Klagepatents führen und unterlässt der Beklagte dennoch einen diesbezüglichen Rechtsbestandsangriff, so erscheint es grundsätzlich unbillig, das Verletzungsverfahren trotz Aufrechterhaltung durch die erste Instanz im Rechtsbestandsverfahren auszusetzen. Zu einer Aussetzung besteht in dieser Fallgestaltung nur dann ausnahmsweise Anlass, wenn die neue Entgegenhaltung auch für das Verletzungsgericht ganz offensichtlich und eindeutig (d.h. ohne jeden vernünftigen Zweifel) zur Vernichtung des Klagepatents führen wird. In einer solchen Situation darf das Verletzungsgericht nicht sehenden Auges aus einem offensichtlich nichtigen Schutzrecht verurteilen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.09.2021 – I-2 W 17/21 = GRUR-RS 2021, 28789 für den vergleichbaren Fall der Präsentation eines neuen Stands der Technik in einer Nichtigkeitsklage nach einem rechtskräftig abgeschlossenen Einspruchsverfahren hinsichtlich desselben Patents).
- Diese verschärften Voraussetzungen für eine Aussetzung gelten auch dann, wenn nicht eine beklagte Partei des Verletzungsverfahrens erst in zweiter Instanz des Rechtsbestandsverfahrens eine Entgegenhaltung einbringt, sondern ein am Rechtsbestandsverfahren beteiligter Dritter, auf dessen Angriff sich der Beklagte im Verletzungsverfahren beruft. Es kommt nicht darauf an, ob dem Dritten ein Verspätungs- oder Nachlässigkeitsvorwurf gemacht werden kann. Vielmehr ist zu fragen, warum es der Beklagte des Verletzungsverfahrens versäumt hat, die entsprechende Entgegenhaltung zu recherchieren und einzubringen. Es entkräftet den Nachlässigkeitsvorwurf gegenüber dem Beklagten nicht, wenn ein anderer Einsprechender eine Entgegenhaltung auffindet.
- b)
Hiernach können die neuen Entgegenhaltungen nur unter den oben dargestellten, verschärften Maßstab zu einer Aussetzung des Verletzungsverfahrens führen. Es ist nicht ersichtlich, warum die Beklagte zu 1) die neuen Entgegenhaltung in den Anlagen 2sip 9 und 2sip 12 nicht ohne Nachlässigkeitsvorwurf finden und in erster Instanz in das Einspruchsverfahren einführen konnte. - Ohne dass es hierauf ankommt, wäre eine Verschärfung des Aussetzungsmaßstabs hier auch deswegen angezeigt, da die Beklagten ihren Rechtsbestandsangriff zu spät ins Verfahren eingeführt haben. Sie haben diesen dem Verletzungsgericht weder in der Klageerwiderung, noch – wie in dieser angekündigt – in einem gesonderten Schriftsatz, sondern erst in der Duplik präsentiert. Ein Grund für dieses nachlässige Vortragsverhalten ist nicht ersichtlich.
- 2.
Die erst im Einspruchsbeschwerdeverfahren vorgelegten Entgegenhaltungen lassen keine für eine Aussetzung hier erforderlichen starken Zweifel am Rechtsbestand des Klagepatents erkennen. - a)
Die Entgegenhaltung Kristiansen (vorgelegt als Anlage 2sip 9 in englischer Sprache) ist ein Fachbeitrag von Kristiansen et al. zur 6. Deutschen Windenergiekonferenz DEWEK 2002, der im Tagungsband der Konferenz erschienen ist. - aa)
Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Entgegenhaltung Kristiansen vom Europäischen Patentamt zum Stand der Technik (Art. 54 Abs. 2 EPÜ) des Klagepatents gezählt wird. Dessen Prioritätsdatum ist der XX, während die Windenergiekonferenz XX 2002 am XXX stattfand, also nur X Monate vor dem Prioritätsdatum. Es ist nicht ausgeschlossen, dass nach dem Ende einer Konferenz mehr als X Monate vergehen, bis ein entsprechender Tagungsband veröffentlicht wird. Die Beklagten tragen kein konkretes Veröffentlichungsdatum des Tagungsbands vor. Ob die Veröffentlichungsangabe („X“) im Katalogeintrag im Katalog der Technischen Informationsbibliothek X (Anlage 2sip 15) den strengen Anforderungen des EPA hinsichtlich der Veröffentlichung von Entgegenhaltungen ausreichen wird, lässt sich von der Kammer nicht ausreichend prognostizieren. - bb)
Letztlich kann die Frage des Veröffentlichungszeitpunkts der Entgegenhaltung aber dahingestellt bleiben. Auch wenn man unterstellt, dass diese zum Stand der Technik des Klagepatents gehört, kann hierauf keine Aussetzung gestützt werden. Entsprechend braucht auch die Frage nicht näher diskutiert werden, ob diese Entgegenhaltung im Einspruchsverfahren zugelassen wird. - (1)
Die Beklagten haben nicht ausreichend dargetan, dass die Entgegenhaltung Kristiansen die Lehre der Ansprüche 1 und/oder 14 des Klagepatents offenbart. Die Beklagten haben auf den entsprechenden Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 17.12.2021 (vgl. S. 25 f. QD = Bl. 357 GA) nicht erwidert. Sie haben zudem keine vollständige deutsche Übersetzung der englischsprachigen Entgegenhaltung Kristiansen zur Akte gereicht. Alleine aufgrund dieser Umstände kann bei den hier anwendbaren Aussetzungsgrundsätzen eine Aussetzung nicht erfolgen. - (2)
Aber auch wenn man den üblichen Aussetzungsmaßstab anwendet, bestünde keine Veranlassung zur Aussetzung der Verhandlung. Die Entgegenhaltung Kristiansen (Anlage 2sip 9) formuliert in dem von den Beklagten angeführten Abschnitten 4.3 und 4.4 nur äußerst pauschal Anforderungen an eine Windturbine zum Durchfahren von Spannungsabfällen. Hierin werden verschiedene Merkmale der Patentansprüche 1 und 14 jedenfalls nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. - (a)
So fehlt es an einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung von Merkmal 1.3 (Anspruch 1), wonach die klagepatentgemäße Windturbine einen Generator umfassen soll, „der mit der Turbinensteuerung und dem Einstellwinkelsteuersystem gekoppelt ist, um während eines ersten Betriebsmodus Strom bereitzustellen“. Der pauschale Verweis der Beklagten auf die Erwähnung von „Windturbinengeneratoren des Active-Stall-Typs, die eine direkt verbundene Induktionsmaschine verwenden“ in der Entgegenhaltung lässt eine Offenbarung dieses Merkmals nicht ausreichend erkennen. Ob der Fachmann Merkmal 1.3 mitlesen würde, kann die Kammer – auch mangels entsprechenden Vortrags der Beklagten – nicht ersehen. - (b)
Ferner fehlt es an einer ausreichenden Offenbarung einer UPS, die während eines Unterspannungsereignisses das Einstellwinkelsteuersystem (und die) Turbinensteuerung mit Strom versorgt (Merkmal 1.4 bzw. Merkmale 14.4 / 14.5). Derartiges lässt sich aus den Satz „Notwendige Änderungen umfassen Design-Änderungen und Modifikationen hinsichtlich (…) unterbrechungsfreier Stromversorgung“ in der Entgegenhaltung X jedenfalls nicht unmittelbar und eindeutig ersehen. Vielmehr bedürfte es weitergehender Überlegungen des Fachmanns, um aus diesem Satz eine UPS im Sinne des Klagepatents zu erkennen. - (c)
Weiterhin wird in der Entgegenhaltung Kristiansen nur allgemein eine „Drehmomentsteuerung“ und ein „Anstellwinkelsystem“ erwähnt, wobei die „hohe[n] Anforderungen an die Geschwindigkeit der Drehmomentsteuerung, um auf die Spannungsänderung zu reagieren“ sowie das Bedürfnis nach einer „aktive[n] und schnelle[n] Drehmomentsteuerung“ angesprochen werden. Dieser Problembeschreibung lässt sich nicht im Ansatz eine Offenbarung der Merkmale 1.6 bzw. 14.6 des Klagepatents entnehmen. Dass in der Entgegenhaltung ein „Übergang vom ersten Betriebsmodus zu dem Unterspannungsereignis“ detektiert wird, zeigen die Beklagten ebenso wenig auf, wie einen kausalen Zusammenhang („als Reaktion auf“) zwischen Detektion und Winkeländerung. Vielmehr wird allgemein eine nicht näher erläuterte Drehmomentsteuerung angesprochen. - b)
Die Kammer kann auch nicht prognostizieren, dass das Klagepatent mangels erfinderischer Tätigkeit im Einspruchsverfahren widerrufen wird. - aa)
Die Beklagten verweisen darauf, dass die Einspruchsabteilung bei der Entgegenhaltung E4/02 (auch „Akhmatov“ genannt; Anlage 2sip 11) lediglich Merkmal 1.4 (UPS) als nicht offenbart angesehen habe, wobei sich dieses Merkmal in naheliegender Weise aus einer Beschreibung der Windturbine GROWIAN aus dem Jahre 1984 (nachfolgend: Entgegenhaltung GROWIAN; Anlage 2sip 12) ergebe, die eine Pufferbatterie aufweise. - bb)
Eine Aussetzung aufgrund der Kombination dieser Entgegenhaltungen kann schon alleine deshalb nicht erfolgen, weil für die Erfindungshöhe ein wertender Akt ist und damit ein Naheliegen ohne vernünftigen Zweifel (was für eine Aussetzung mit dem hier anwendbaren Maßstab erforderlich wäre) von der Kammer nicht prognostiziert werden kann. Die Beklagten sind auch dem Vortrag der Klägerin nicht entgegen getreten, dass die Einspruchsabteilung ähnliche Kombinationen bereits behandelt hat. Die Beklagten haben für die Entgegenhaltung GROWIAN nicht ausreichend dargelegt, warum der Fachmann die in dieser Schrift gezeigte Batterie mit der Lehre der Entgegenhaltung E4/02 kombinieren sollte, um so zur Lehre des Klagepatents zu gelangen. Weiterhin hat die Klägerin unwidersprochen darauf hingewiesen, dass die Windturbine GROWIAN sich während eines Unterspannungsereignisses vom Netz getrennt hat und zudem die Batterie nicht mit der Turbinensteuerung verbunden gewesen sei, was aber Merkmal 1.4 verlangt. - cc)
Eine fehlende Erfindungshöhe des Patentanspruchs 14 haben die Beklagten im hiesigen Verfahren nicht geltend gemacht. - IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs.3 S. 2 ZPO. Die Zuvielforderung der Klägerin in Form der gegenüber der Beklagten zu 2) zurückgenommenen Anträge auf Vernichtung und Rückruf sowie die Einschränkung durch den Wirtschafsprüfervorbehalts statt der Belegvorlage waren verhältnismäßig geringfügig im Sinne dieser Vorschrift. - Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §S 709, 108 ZPO..
- V. Der Streitwert wird auf EUR 4.000.000,00 festgesetzt.