4b O 81/20 – Installationsdose

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3207

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 01. März 2022, Az. 4b O 81/20

  1. I. Die Klage wird abgewiesen.
  2. II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
  3. III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
  4. Tatbestand
  5. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des Gebrauchsmusters DE 20 2016 XXX XXX U 1 (im Folgenden Klagegebrauchsmuster, Anlage K 5) auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach und Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsverfolgungskosten in Anspruch.
  6. Das Klagegebrauchsmuster wurde am 2. August 2016 angemeldet und gelangte am 3. August 2017 zur Eintragung (vgl. Registerauszug Stand 1. September 2020, Anlage K 6). Die Bekanntmachung im Patentblatt datiert vom 14. September 2017. Die Klägerin verfügt ferner über die als Anlage K 7 vorgelegte parallele europäische Patentanmeldung EP 3 XXX XXX A 1, die allerdings noch nicht zur Erteilung gelangt ist.
  7. Das Klagegebrauchsmuster betrifft eine Installationsdose für die Elektroinstallation.
    Der Wortlaut des hier maßgeblichen Gebrauchsmusteranspruchs 2 lautet wie folgt:
  8. „Installationsdose (1) für die Elektroinstallation, wobei die Dose eine innere Schicht aus einem elektrisch isolierenden Kunststoff aufweist sowie eine Beschichtung (2) aus einem intumeszierenden Material, das in Teilbereichen (2) auf der Außenfläche der inneren Schicht angebracht ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Installationsdose (1) Öffnungen (3) für die Einführung von Kabeln und/oder Lehrrohren aufweist und dass auf der Außenfläche der inneren Schicht im Bereich der Öffnungen (3) ein weichelastisches Material (4) angebracht ist, das zumindest diese Öffnungen (3) überdeckt, und dass das intumeszierende Material in den Teilbereichen (2) auf der Außenfläche der inneren Schicht aufgebracht ist, die sich nicht mit den Bereichen der Öffnungen (3) überdecken, die von dem weichelastischen Material (4) überdeckt sind.“
  9. Die nachfolgende Zeichnung gibt ein Ausführungsbeispiel der Erfindung wieder:
  10. Gegen das Klagegebrauchsmuster ist ein Löschungsverfahren beim Deutschen Patent- und Markenamt anhängig. Unter dem 15. Oktober 2021 erging der als Anlage K 14 vorgelegte Zwischenbescheid.
  11. Die Beklagte ist die deutsche Tochtergesellschaft der A mit Sitz in Tschechien. Sie betreibt einen Handel mit Elektroinstallationsmaterial und Zubehör.
  12. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen Angebot und Vertrieb der unter der Artikelbezeichnung XXX vertriebenen Brandschutzdose der Beklagten (nachfolgend: „angegriffene Ausführungsform“). Die nachfolgenden, der Anlage K 9 entnommenen Auszüge geben die angegriffene Ausführungsform wieder (Außenseite und Innenseite der Brandschutzdose):
  13. Mit dem als Anlage K 10 vorgelegten Schreiben vom 28. Mai 2020 forderte die Klägerin die Beklagte wegen Verletzung ihres Klagegebrauchsmusters zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Beklage ließ daraufhin mit dem als Anlage K 11 vorgelegten Schreiben vom 23. Juni 2020 mitteilen, dass sie eine Unterlassungserklärung nicht abgeben werde. Mit Schreiben vom 12. August 2020, das als Anlage K 12 vorliegt, ließ die Klägerin die Beklagte nochmals zur Abgabe der Unterlassungserklärung mit einer Frist bis zum 21. August 2020 auffordern. Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht.
  14. Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von den Merkmalen des geltend gemachten Klagegebrauchsmusteranspruchs Gebrauch. Denn es komme maßgeblich darauf an, dass bei der angegriffenen Ausführungsform die Öffnungen mit weichelastischem Material verschlossen seien und das intumeszierende Material diesen Bereich gerade frei lasse. Wie die angegriffene Ausführungsform im Einzelnen hergestellt werde und an welcher Stelle sich sonst weichelastisches Material befinden könne, sei nicht vorgegeben.
  15. Gemäß den Abbildungen der in Auszügen als Anlage K 9 vorgelegten Webseite und der eigenen Dokumentation der Beklagten gemäß Anlag HE 3 weise die Außenfläche der inneren Schicht bei der angegriffenen Ausführungsform in Teilbereichen ein intumeszierendes Material auf. Hingegen sei in dem Bereich der runden Öffnungen, die von dem weichelastischen Material überdeckt seien, das intumeszierende Material nicht angebracht. Ob eine geringfügige Überdeckung außerhalb der Öffnungen vorhanden sei, spiele bei der gebotenen funktionsorientierten Auslegung keine Rolle.
  16. Soweit bei der angegriffenen Ausführungsform der Bereich der Verbindungsstelle zwischen den Öffnungen von intumeszierendem Material überdeckt sei, führe dies nicht aus der Verletzung des Klagegebrauchsmusters heraus, denn hier liege ein Drei-Schicht-Aufbau – wie ihn das Klagegebrauchsmuster kritisiert – nicht vor. Den Nachteil des Drei-Schicht-Aufbaus vermeide die angegriffene Ausführungsform im Bereich der Verbindungsstelle gerade dadurch, dass sich in der inneren Schicht Vertiefungen und Rinnen im Sinne eines – wie die Beklagte dies beschreibe – „Kanalsystems“ befänden. Diese Vertiefungen in der inneren Schicht, die zur Verteilung der weichelastischen Masse vorgesehen seien, gehörten jedoch nicht zur Außenfläche der inneren Schicht, denn diese hätten weder im Rahmen des Schichtaufbaus noch bei der Einhaltung der Maße der Dose irgendeine Relevanz. Das weichelastische Material schließe nämlich im Bereich des „Kanalsystems“ flächenbündig mit der Außenseite der inneren Schicht ab.
  17. Jedenfalls liege eine äquivalente Verletzung des Klagegebrauchsmusteranspruchs vor. Es liege auf der Hand, dass die angegriffene Ausführungsform im Hinblick auf den Brandschutz die exakt gleiche Wirkung habe wie die durch das Klagegebrauchsmuster geschützte Dose. Auch die erforderliche Auffindbarkeit sei zu bejahen. Schließlich würde der Fachmann auch zu der Lösung greifen, wie sie bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht sei. Denn er erkenne in naheliegender Weise, dass durch das Vorsehen der Kanäle und das Einspritzen des weichelastischen Materials in diese eine Maßerhöhung gerade vermieden werde. Die erforderliche Gleichwertigkeit liege ebenfalls vor. Denn die Überlegungen, die der Fachmann anstellen müsse, um zu der gleichwirkenden Lösung zu gelangen, seien derart am Sinngehalt des Klagegebrauchsmusters orientiert, dass er die abweichende Lösung durch die angegriffene Ausführungsform als gleichwertig in Betracht ziehe.
  18. Die Gebrauchsmustereintragung sei wirksam und eine Aussetzung nicht geboten. Zweifel am Rechtsbestand des Klagegebrauchsmusters seien nicht gegeben, denn die Löschungsabteilung des Deutsche Patent- und Markenamts habe mit seinem durchgängig positiven Zwischenbescheid bereits zu erkennen gegeben, dass mit einer Zurückweisung des Löschungsantrags zu rechnen sei.
  19. Die Klägerin beantragt,
  20. I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, in der Bundesrepublik Deutschland zu unterlassen,
    Installationsdosen für die Elektroinstallation, wobei die Dose eine innere Schicht aus einem elektrisch isolierenden Kunststoff aufweist, sowie eine Beschichtung aus einem intumeszierenden Material, dass in Teilbereichen auf der Außenfläche der inneren Schicht angebracht ist
  21. anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
  22. wenn die Installationsdose Öffnungen für die Einführungen von Kabeln und/oder Leerrohren aufweisen und auf der Außenfläche der inneren Schicht im Bereich der Öffnungen ein weichelastisches Material angebracht ist, dass zumindest diese Öffnungen überdeckt, und dass das intumeszierende Material in den Teilbereichen auf der Außenfläche der inneren Schicht aufgebracht ist, die sich nicht mit den Bereichen der Öffnungen überdecken, die von dem weichelastischen Material überdeckt sind,
  23. hilfsweise:
  24. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, in der Bundesrepublik Deutschland zu unterlassen,
  25. Installationsdosen für die Elektroinstallation, wobei die Dose eine innere Schicht aus einem elektrisch isolierenden Kunststoff aufweist, sowie eine Beschichtung aus einem intumeszierenden Material, dass in Teilbereichen auf der Außenfläche der inneren Schicht angebracht ist
  26. anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
  27. wenn die Installationsdose Öffnungen für die Einführungen von Kabeln und/oder Leerrohren aufweisen und auf der Außenfläche der inneren Schicht im Bereich der Öffnungen ein weichelastisches Material angebracht ist, dass zumindest diese Öffnungen überdeckt, und dass das intumeszierende Material (a) in den Teilbereichen auf der Außenfläche der inneren Schicht aufgebracht ist, die sich nicht mit den Bereichen der Öffnungen überdecken, die von dem weichelastischen Material überdeckt sind und (b) im Übrigen Bereiche der Öffnungen, die von weichelastischem Material überdeckt sind, nur überdeckt, wenn das überdeckte weichelastische Material in Vertiefungen der inneren Schicht angebracht ist, so dass die Oberfläche des weichelastischen Materials in diesen Bereichen nicht die Oberfläche der seitlich angrenzenden inneren Schicht überragt;
  28. II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr (der Klägerin) für alle Handlungen gemäß Ziffer I. seit dem 14.10.2017 all denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihr (der Klägerin) entstanden ist und noch entstehen wird;
  29. III. die Beklagte zu verurteilen, ihr (der Klägerin) Auskunft zu erteilen und unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses Rechnung zu legen über Handlungen gemäß Ziffer I. seit dem 14.10.2017 und zwar über
    a) Name und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b) Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren, hierbei insbesondere Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
    c) Menge der ausgelieferten, erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
    d) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
    e) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
    f) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
    g) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  30. wobei es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger nicht ihr (der Klägerin) mitzuteilen, sondern einem zur Verschwiegenheit gegenüber ihr (der Klägerin) verpflichteten öffentlich bestellten Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer, sofern die Beklagte dessen Kosten übernimmt und ihn beauftragt und ermächtigt, auf konkrete Fragen der Klägerin dieser Auskunft zu geben, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Auskunft enthalten ist
  31. und wobei die Beklagte ihr (der Klägerin) zum Nachweis der Angaben gemäß Ziffer III. b) und c) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen) in gut lesbaren Kopien vorzulegen hat;
  32. IV. die Beklagte zu verurteilen, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer I. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten;
  33. V. die Beklagte zu verurteilen, die vorstehend zu Ziffer I. bezeichneten, seit dem 14.10.2017 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse zurückzurufen und aus den Vertriebswegen zu entfernen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Gebrauchsmusters erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird;
  34. VI. die Beklagte zu verurteilen, an sie (die Klägerin) einen Betrag von € 1.162,70 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
  35. Die Beklagte beantragt,
  36. die Klage abzuweisen,
  37. hilfsweise:
    den Rechtsstreit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über das anhängige Gebrauchsmusterlöschungsverfahren, das unter dem Stammaktenzeichen des Gebrauchsmusters, also 20 2016 XXX XXX.9 geführt wird, auszusetzen.
  38. Die Beklagte ist der Ansicht, eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters liege nicht vor. Denn das Klagegebrauchsmuster verlange mit dem geltend gemachten Anspruch 2, dass sich in den Bereichen der Öffnungen, die von weichelastischem Material überdeckt seien, kein intumeszierendes Material befinde. Ein Drei-Schicht-Aufbau dahingehend, dass auf der inneren Schicht weichelastisches Material und darauf intumeszierendes Material aufgebracht sei, solle gerade vermieden werden.
  39. Die angegriffene Ausführungsform weise jedoch gerade einen Drei-Schicht-Aufbau auf. Denn das intumeszierende Material überdecke das kleeblattartig ausgebildete weichelastische Material im Bereich der Verbindungsstelle zwischen den Öffnungen. Dass die Gesamtschichtdicke der Installationsdose im Bereich des Drei-Schicht-Aufbaus nicht größer ist als in den benachbarten Bereichen, in denen kein weichelastisches Material bestehe, sei unerheblich.
  40. Die Beklagte ist ferner der Ansicht, eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters liege auch deshalb nicht vor, weil das intumeszierende Material direkt an die mit weichelastischem Material überdeckten Öffnungen angrenze und die Fasen der Öffnungen überwölbe. Mit diesen Überdeckungen liege zudem ein Drei-Schicht-Aufbau vor, der vom Klagegebrauchsmuster gerade nicht gewollt sei.
  41. Schließlich sei der Schutzgegenstand des Klagegebrauchsmusters nicht rechtsbeständig. Es fehle an einem erfinderischen Schritt des geltend gemachten Gebrauchsmusteranspruchs.
  42. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
  43. Entscheidungsgründe
  44. Die zulässige Klage ist nicht begründet.
  45. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach und Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsverfolgungskosten weder aufgrund einer wortsinngemäßen Verletzung des Klagegebrauchsmusters (nachfolgend unter A.) noch aufgrund einer Verletzung mit äquivalenten Mitteln ( nachfolgend unter B.) zu.
  46. A.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach und Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsverfolgungskosten wegen einer wortsinngemäßen Verletzung des Klagegebrauchsmusters, §§ 24 Abs. 1, Abs. 2, 24a, 24b GebrMG, §§ 242, 259, 683 S. 1, 677, 670 BGB.
  47. I.
    Die Erfindung des Klagegebrauchsmusters betrifft eine Installationsdose für die Elektroinstallation (Abs. [0001] des Klagegebrauchsmusters, Anlage K 5; nachfolgend sind Abschnitte ohne Bezeichnung solche des Klagegebrauchsmusters).
  48. Nach den einleitenden Ausführungen in der Klagegebrauchsmusterschrift in Abschnitt [0002] seien derartige Installationsdosen bekannt und werden insbesondere in der sogenannten Hohlwandinstallation verwendet. Bei der Hohlwandinstallation gehe es darum, dass Wände in Ständerbauweise errichtet werden, wobei die Wandflächen gebildet werden, indem diese in Ständerbauweise errichteten Tragstrukturen beplankt werden. Diese Beplankung erfolge üblicherweise mit Gipskartonplatten.
  49. Es sei weiterhin bekannt, so das Klagegebrauchsmuster in Abschnitt [0003], in diese Beplankungen Öffnungen einzubringen, in die Installationsdosen von der Sichtseite der Beplankung eingeführt werden. Die Installationsdosen würden mittels sogenannter Spannbratzen befestigt. Spannbratzen seien Riegelelemente, die mittels einer Spannschraube angezogen werden. Die Spannschrauben seien durch Öffnungen im Randbereich der Installationsdose geführt und die Spannbratzen zum Einsetzen der Installationsdosen so an die Außenseite der Installationsdose angelegt, dass diese nicht seitlich über den Umfang der Installationsdose hinausstehen. Werden nach dem Einsetzen der Installationsdose die Spannschrauben angezogen, werden dadurch die Spannbratzen so gedreht, dass diese über den Umfang der Installationsdose herausstehen. Durch das Anziehen der Spannschrauben werden die Spannbratzen auf die Rückseite der Beplankung gezogen und hintergreifen somit diese Beplankung. Die Installationsdose weise weiterhin einen Kragen auf, der auf der Sichtseite der Beplankung im Randbereich der Öffnung der Beplankung aufliegt. Durch das Zusammenwirken der, über die Spannschrauben angezogenen Spannbratzen mit dem aufliegenden Kragen werde die Installationsdose befestigt.
  50. Bei Wänden in Ständerbauweise, so das Klagegebrauchsmuster weiter in Abschnitt [0004] ergebe sich ein Problem bei der Brandschutzklassifizierung. Üblicherweise würden die Beplankungen als Doppelbeplankungen zweier übereinander angeordneter Gipskartonplatten ausgeführt. Diese Wände hätten dann eine Feuerfestigkeitsklasse F 90. Problematisch sei dabei, dass die Öffnungen, die in die Beplankung eingebracht werden, diese Feuerfestigkeitsklasse nicht hätten. In der Hohlwand könnten sich insbesondere Brände ausbreiten, wobei die Flammen aus den Öffnungen der Beplankung heraustreten könnten.
  51. Dies erweise sich als besonders problematisch bei der Montage von Lichtschaltern. Denn diese würden in genormter Höhe mit einem genormten seitlichen Abstand zu einem Türrahmen montiert. Wird eine solche Wand in Ständerbauweise zur Trennung von zwei Räumen errichtet derart, dass in diese Wand eine Türöffnung eingebracht wird, ergebe sich, dass die Sollposition für die Lichtschalter in der Wand neben der Türöffnung genau „Rücken an Rücken“ angeordnet ist (Abs. [0005]).
  52. Dies ermögliche ein Übergreifen eines Feuers in einem der Räume auf den anderen Raum. Die Flammen könnten durch die eine Öffnung für den Lichtschalter in der Beplankung aus dem Raum, in dem das Feuer entstanden ist, in die Hohlwand hineintreten. Diese Flammen könnten besonders leicht direkt durch die Öffnung in der gegenüberliegenden Beplankung für den Lichtschalter in dem benachbarten Raum eindringen. Dadurch werde eine Ausbreitung des Feuers begünstigt (Abs. [0006]).
  53. Zur Lösung dieses Problems, so das Klagegebrauchsmuster weiter in Abschnitt [0007], sei es bekannt, eine Hohlwanddose so auszubilden, dass diese entweder vollständig aus intumeszierendem Material besteht oder eine Beschichtung aus diesem Material aufweist. Ebenso sei es bekannt, Pads aus intumeszierendem Material vorzusehen und diese in eine herkömmliche Hohlwanddose einzulegen (Abs. [0008]).
  54. Das bekannte intumeszierende Material bestehe aus einem Blähgraphit, der die Eigenschaft habe, sich bei Hitze auszudehnen. Diese Ausdehnung erfolge mit solchen Kräften, dass dabei die Struktur einer herkömmlichen Hohlwanddose zerstört werde. Der Blähgraphit dehne sich bei der Anwendung im Zusammenhang mit der Elektroinstallationsdose so aus, dass die Öffnung der Elektroinstallationsdose durch das intumeszierende Material verschlossen werde (Abs. [0009]).
  55. Nach der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters in Abschnitt [0010] könne durch dieses Verschließen der Öffnung durch das intumeszierende Material vorteilhaft der beschriebene Austritt von Flammen aus den Öffnungen in der Beplankung verhindert werden. Das intumeszierende Material habe sich durch die Hitzeentwicklung bereits ausreichend ausgedehnt, wenn die Flammen in die Nähe der Öffnung in der Beplankung kommen.
  56. Ferner, so das Klagegebrauchsmuster in Abschnitt [0011], würden auch Brandschutzdosen mit dem intumeszierenden Material bei der Unterputz-Montage bei dünnen Wänden vorgesehen mit einer Wandstärke von beispielsweise 100 mm. Auch bei diesen dünnen Wänden könne es sich ergeben, dass beispielsweise Lichtschalter in benachbarten Räumen derart installiert werden, dass deren Installationsdosen „Rücken an Rücken“ in einer Bohrung in der Wand angeordnet seien. Die Installationsdosen selbst würden mit den bekannten Spreizkrallen über die Installationsdose in der Wand oder mit den Montageschrauben in der Installationsdose befestigt. Durch diese Montage „Rücken an Rücken“ könne es bei dünnen Wänden ebenfalls dazu kommen, dass sich ein Brand aus einem Raum durch die Installationsdosen in den Nachbarraum ausbreitet.
  57. Vor dem Hintergrund des dargestellten Technikstands macht es sich das Klagegebrauchsmuster zur Aufgabe (technisches Problem), die Brandschutzwirkung der bekannten Installationsdose zu verbessern (Abs. [0012]).
  58. Hierfür sieht das Klagegebrauchsmuster eine Installationsdose mit den Merkmalen des Anspruchs 2 vor wie folgt:
  59. 1. Installationsdose (1) für die Elektroinstallation;
    2. die Dose weist eine innere Schicht aus einem elektrisch isolierenden Kunststoff auf
    3. sowie eine Beschichtung (2) aus einem intumeszierenden Material;
    3.1 dieses intumeszierende Material ist in Teilbereichen (2) auf der Außenfläche der inneren Schicht angebracht;
    4. die Installationsdose (1) weist Öffnungen (3) für die Einführung von Kabeln und/oder Leerrohren auf;
    5. auf der Außenfläche der inneren Schicht im Bereich der Öffnungen (3) ist ein weichelastisches Material (4) angebracht, das zumindest diese Öffnungen (3) überdeckt;
    6. das intumeszierende Material ist in den Teilbereichen (2) auf der Außenfläche der inneren Schicht aufgebracht, die sich nicht mit den Bereichen der Öffnungen (3) überdecken, die von dem weichelastischen Material (4) überdeckt sind.
  60. II.
    Eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters liegt nicht vor. Dabei kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob das Klagegebrauchsmuster schutzfähig ist. Denn jedenfalls fehlt es an einer Verwirklichung des Merkmals 6.
  61. 1.
    Der Schutzanspruch 2 des Klagegebrauchsmusters bedarf im Hinblick auf das Merkmal 6 der Auslegung.
  62. a)
    Eine erfindungsgemäße Dose weist gemäß Merkmal 2 eine innere Schicht aus einem elektrisch isolierenden Kunststoff sowie gemäß Merkmal 3 eine Beschichtung aus einem intumeszierenden Material in Teilbereichen auf der Außenfläche der inneren Schicht auf.
  63. aa)
    Soweit der Schutzanspruch in den genannten Merkmalen die Begriffe „innere Schicht“ und „Außenfläche“ verwendet, sind diese auf den Schichtaufbau im Hinblick auf die Installationsdose zu verstehen. Wird die Dose als offener Hohlkörper verstanden, befindet sich die innere Schicht aus dem isolierenden Kunststoff im Doseninneren und die Beschichtung aus intumeszierendem Material auf der Außenseite der so durch die innere Schicht geformten Dose. Für ein abweichendes Verständnis von den Begriffen „innere Schicht“ und „Außenfläche“ bietet das Klagegebrauchsmuster keine Anhaltspunkte.
  64. bb)
    Weiterhin beschreibt das Klagegebrauchsmuster mit dem Begriff der „Außenfläche“ die Fläche der inneren Schicht, die die Installationsdose zur äußeren Umgebung – also nach außen – hin räumlich abgrenzt und nicht lediglich die gedachte Kurve der Außenfläche im Sinne einer „Einhüllenden“.
  65. Die so beschriebene Außenfläche umfasst auch die Teilbereiche der inneren Schicht, die Vertiefungen, Rinnen oder Kanäle aufweisen. Denn der Begriff der Außenfläche beschreibt die räumliche Begrenzung der inneren Schicht der Installationsdose nach außen. Ob die innere Schicht dabei eine gleichmäßige Schichtdicke aufweist oder die Schichtdicke durch Vertiefungen, Rinnen oder Kanäle verringert ist, ist für die räumliche Abgrenzung nach außen und damit für die Außenfläche nicht relevant. Dies ergibt sich auch im Zusammenhang mit der Auslegung der weiteren Begriffe des Schutzanspruchs 2 (s.u.).
  66. b)
    Neben dem auf der Außenfläche der inneren Schicht angebrachten intumeszierenden Material weist die innere Schicht gemäß Merkmal 5 auf ihrer Außenfläche im Bereich der Öffnungen zudem ein weichelastisches Material auf, dass auch die Öffnungen in der Installationsdose für die Einführung Kabeln und/oder Leerrohren (vgl. Merkmal 4) überdecken soll.
  67. Das Klagegebrauchsmuster beschreibt mit dem „Bereich der Öffnungen“ im Merkmal 5 und auch in Merkmal 6, der den Begriff ebenfalls verwendet, nicht nur die Öffnungen selbst, sondern auch einen an die Öffnungen angrenzenden Bereich. Räumlich-körperlich nimmt das Klagegebrauchsmuster mit dem Begriff „Bereich der Öffnungen“ sowohl auf die Ausdehnung der Öffnungen selbst als auch auf deren Umgebung Bezug. Dies folgt zum einen aus dem Begriff „Bereich der Öffnungen“ und zum anderen aus der Systematik des Anspruchs.
  68. aa)
    Begrifflich unterscheidet der Schutzanspruch zwischen den „Öffnungen“, durch die Kabel und Leerrohre in die Installationsdose geführt werden können (Merkmal 4), und dem „Bereich der Öffnungen“, zu dem auch die innere Schicht gehören kann (Merkmal 5). Diese Unterscheidung findet sich auch in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters (Abs. [0032] und [0034] sowie Abs. [0048]).
  69. bb)
    Auch in systematischer Hinsicht ergibt sich aus den Merkmalen 4 und 5, dass zum Bereich der Öffnungen jedenfalls auch die Umgebung der Öffnungen selbst gehört. Denn wenn die Öffnungen sich dadurch auszeichnen, dass es an ihrer Stelle an einer inneren Schicht und an intumeszierendem Material fehlt, um die Kabel und Leerrohre in die Dose einführen zu können (Merkmal 4), muss der Bereich der Öffnungen auch die Umgebung der Öffnung umfassen, weil in diesem Bereich die innere Schicht vorhanden sein muss, um darauf das weichelastische Material anbringen zu können (Merkmal 5). Daher ordnet der Anspruch im zweiten Teil von Merkmal 5 auch noch einmal eigens an, dass das weichelastische Material die Öffnungen überdeckt. Dies wäre nicht nötig, wenn sich der Bereich der Öffnungen ohnehin nur auf die Öffnungen selbst bezöge.
  70. c)
    Während sich aus Merkmal 3.1 und Merkmal 5 ergibt, dass sowohl intumeszierendes Material als auch weichelastisches Material auf der Außenfläche der inneren Schicht angebracht sein sollen, klärt Merkmal 6, wie die weiteren Materialien räumlich-körperlich zueinander angeordnet sein sollen. Demnach soll das intumeszierende Material in den Teilbereichen auf der Außenfläche der inneren Schicht aufgebracht sein, die sich nicht mit den Bereichen der Öffnungen überdecken, die von dem weichelastischen Material überdeckt sind (Merkmal 6). Intumeszierendes und weichelastisches Material sollen also – jedenfalls im Bereich der Öffnungen – allenfalls nebeneinander, aber nicht übereinander angeordnet sein.
  71. Dieses Verständnis folgt unmittelbar aus dem Wortlaut von Merkmal 6, aber auch aus seiner funktionsorientierten Auslegung. Dass sich jedenfalls im Bereich der Öffnungen weichelastisches und intumeszierendes Material nicht überdecken, sondern allenfalls nebeneinander angeordnet sind, hat nach der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters den Vorteil und damit die Funktion zu vermeiden, dass die Installationsdose aus drei Schichten aufgebaut ist, ohne die Brandschutzwirkungen zu verlieren (Abs. [0035]). Bereits diese Funktion schließt ein Überlappen von intumeszierendem Material und weichelastischem Material aus. Zweck dieser Anordnung ist es, den Einbauraum der Dose zu vergrößern (Abs. [0038]). Das Klagegebrauchsmuster geht davon aus, dass der Einbauraum im Doseninneren – selbst innerhalb des Normmaßes – größer ist, wenn kein dreischichtiger Aufbau benötigt wird. Dies leuchtet unmittelbar ein, weil ein zweischichtiger Aufbau per se dünner ist als ein dreischichtiger Aufbau.
  72. Aus den vorgenannten Gründen kann für die Außenfläche der inneren Schicht auch nicht – wie bereits angedeutet – auf die Einhüllende abgestellt werden, sondern gehören auch Vertiefungen und Rillen zur Außenfläche. Der Einwand der Klägerin, die Gesamtdicke der Dose verändere sich nicht, wenn in Vertiefungen und Rillen im Bereich der Öffnungen intumeszierendes Material und darüber – in einer Ebene – weichelastisches Material angebracht sei, greift nicht durch. Zunächst kann nicht in Abrede gestellt werden, dass das Gesamtpaket aus innerer Schicht, intumeszierendem Material und weichelastischem Material dicker ist als ein an dieser Stelle nur aus der inneren Schicht und dem weichelastischem Material bestehendes Schichtenpaket. Das gilt auch dann, wenn im Fall von Vertiefungen und Rillen in der inneren Schicht nur weichelastisches Material und kein intumeszierendes Material aufgebracht wird. Dann steht diese Einsparung in der Dicke des Schichtenpakets aber auch für zusätzlichen Bauraum zur Verfügung. Ob der Fachmann davon Gebrauch macht, ist eine andere Frage. Entscheidend ist, dass Schutzanspruch 2 die Möglichkeit bietet, den Bauraum zu vergrößern, indem er im Bereich der Öffnungen einen dreischichtigen Aufbau mittels der räumlich-körperlichen Anordnung der verschiedenen Materialien gemäß Merkmal 6 verbietet.
  73. Dass der Anspruchswortlaut, wie die die Klägerin einwendet, einen Aufbau aus drei Schichten vermeiden zu wollen, nicht expressis verbis vorgibt, steht diesem Verständnis nicht entgegen, da es sich jedenfalls aus dem Merkmal 6 ergibt. Denn Merkmale und Begriffe des Schutzanspruchs – hier das Merkmal 6 – sind so zu deuten, wie dies angesichts der ihnen nach dem offenbarten Erfindungsgedanken zugedachten technischen Funktion angemessen ist (BGH, GRUR 2009, 655 – Trägerplatte, BGH, GRUR 2007, 309 – Schussfädentransport; OLG Düsseldorf, GRUR 2000, 599 (601) – Staubsaugerfilter). Demnach schließt der Anspruch im Bereich der Öffnungen einen dreischichten Aufbau mit sowohl intumeszierendem Material als auch weichelastischem Material auf der Außenfläche der inneren Schicht generell aus.
  74. Ein abweichendes Verständnis ist, anders als die Klägerin meint, auch bei technisch-funktionaler Betrachtung nicht geboten. Das Klagegebrauchsmuster verbindet mit der Reduzierung der Schichten eine Reduzierung der Schichtdicke insgesamt. Verbunden damit ist der bereits genannte Vorteil eines größeren Einbauraums im Doseninneren (Abs. [0038]). Dieser Vorteil besteht insbesondere dann, wenn die Installationsdose den vorgegebenen Außenmaßen entsprechen muss und daher ein größerer Einbauraum nicht durch die Vergrößerung des Außenumfangs der Dose erreicht werden kann. Zur Lösung dieses Problems geht es dem Klagegebrauchsmuster indes nicht darum, den Einbauraum der Dose irgendwie zu vergrößern, sondern verlangt konkret, eine Überdeckung von intumeszierendem und weichelastischem Material im Bereich der Öffnungen, mithin einen Drei-Schicht-Aufbau generell zu vermeiden (Abs. [0035]). Das gilt auch dann, wenn der innere Einbauraum (zusätzlich) durch eine verringerte Schichtdicke vergrößert werden könnte. Ob der Fachmann (auch) von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, lässt der Schutzanspruch 2 offen. Es geht jedenfalls nicht an, einen dreischichtigen Aufbau mit dem Argument als erfindungsgemäß anzusehen, dass auch ein zweischichtiger Aufbau das Potential einer möglichst dünnen Dosenwand (noch) nicht ausgeschöpft hätte.
  75. 2.
    Nach diesem Verständnis verwirklicht die angegriffene Ausführungsform das Merkmal 6 des geltend gemachten Klagegebrauchsmusteranspruchs nicht wortsinngemäß.
  76. a)
    Die angegriffene Installationsdose besteht aus einer inneren Schicht aus einem elektrisch isolierenden Kunststoff. Auf der Außenfläche dieser inneren Schicht ist in Teilbereichen intumeszierendes Material aufgebracht. Soweit auch im Innenraum der Dose auf der Innenfläche der inneren Schicht intumeszierendes Material angebracht ist, ist dies für die Frage der Merkmalsverwirklichung unbeachtlich. Diese aus innerer Schicht und intumeszierender Beschichtung bestehende Dose weist mehrere Öffnungen auf, durch die Kabel oder Leerrohre durchgeführt werden können. Im Bereich dieser Öffnungen weist die angegriffene Installationsdose weichelastisches Material auf. Auf der nachfolgenden Produktabbildung, die der Webseite der Beklagten gemäß Anlage K 9 entnommen wurde, sind das grau-schwarze intumeszierende Material sowie das weiße weißelastische Material über den runden Öffnungen erkennbar:
  77. Die weichelastische Schicht auf der inneren Schicht der Installationsdose hat die Form eines Sterns und deckt die Öffnungen in der inneren Schicht vollständig ab (Abbildungen entnommen aus dem Anlagenkonvolut HE 3):
  78. Die kreuzförmigen Stege des weichelastischen Materials zwischen den Öffnungen sind dabei in Vertiefungen in der inneren Schicht eingelassen. Das intumeszierende Material reicht bis an die Öffnungen mit dem weichelastischen Material heran und überlagert diese in Richtung Mitte der Installationsdose im Bereich der kreuzförmig angeordneten Stege. Ein Schnitt durch die Mitte der Installationsdose zeigt den folgenden Schichtaufbau:
  79. Einen Schnitt durch die Installationsdose im Bereich eines Öffnungsrandes zeigt das folgende Bild:
  80. b)
    Den vorstehenden Abbildungen ist zu entnehmen, dass das in Teilbereichen auf der Innenschicht der Installationsdose angebrachte intumeszierende Material das weichelastische Material im Bereich der Öffnungen überdeckt und infolgedessen das Merkmal 6 nicht wortsinngemäß verwirklicht wird.
  81. Das intumeszierende Material überdeckt das auf der Außenfläche der inneren Schicht der angegriffenen Installationsdose in Form von sich kreuzenden Stegen angebrachte weichelastische Material (markiert als Verbindungsstelle mit der Bezugsziffer 18, 34 in den obigen Abbildungen). Bei den zwischen den Öffnungen verlaufenden, sich kreuzenden Verbindungsstegen aus weichelastischem Material handelt es sich um den Bereich der Öffnungen. Denn der Bereich der Öffnungen geht bei zutreffender Auslegung über die Öffnung selbst hinaus und erfasst auch daran angrenzende Teilbereiche der inneren Schicht, auf deren Außenfläche weichelastisches Material angebracht ist, mithin die sich kreuzenden Stege. Dieser Bereich ist jedoch von intumeszierendem Material überdeckt (von der Beklagten als zentraler Stern mit der Bezugsziffer 34 bezeichnet). An dieser Stelle besteht ein drei- bzw. vierschichtiger Aufbau, den das Klagegebrauchsmuster gerade vermeiden möchtet. Dass das weichelastische Material in Rinnen und Vertiefungen der inneren Schicht eingebracht ist und die seitlich angrenzende innere Schicht nicht überragt, führt nach dem hier maßgeblichen Verständnis zu keiner anderen Beurteilung.
  82. B.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach und Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsverfolgungskosten wegen einer Verletzung des Klagegebrauchsmusters mit äquivalenten Mitteln, §§ 24 Abs. 1, Abs. 2, 24a, 24b GebrMG, §§ 242, 259, 683 S. 1, 677, 670 BGB.
  83. I.
    Damit eine vom Wortsinn des Gebrauchsmusteranspruchs abweichende Ausführung in dessen Schutzbereich fällt, muss regelmäßig dreierlei erfüllt sein. Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine im Prioritätszeitpunkt gegebenen Fachkenntnisse den Fachmann befähigt haben, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquivalente) Lösung in Betracht zu ziehen sein (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 10. Juni 2021, Az. 2 U 19/19 Rn. 56; st. Rspr. des BGH zum Patent; vgl. GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I; GRUR 2007, 959 – Pumpeinrichtung; GRUR 2011, 313 – Crimpwerkzeug IV; GRUR 2014, 852 – Begrenzungsanschlag; GRUR 2015, 361 – Kochgefäß; GRUR 2021, 574, 577 – Kranarm; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2014, 185 – WC-Sitzgelenk; OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.03.2019, Az.: I-2 U 114/09, BeckRS 2019, 6081; Urt. v. 08.04.2021, Az.: I-2 U 46/20, GRUR-RS 2021, 9045, Rz. 73 – Roller).
  84. II.
    Danach liegt eine Verwirklichung des Merkmals 6 des Klagegebrauchsmusteranspruchs 2 mit äquivalenten Mitteln nicht vor. Denn jedenfalls fehlt es an einer Gleichwertigkeit der aufgefundenen Lösung. Die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, um zu der gleichwirkenden Lösung zu gelangen, sind nicht an der Lehre des Schutzanspruchs 2 des Klagegebrauchsmusters orientiert.
  85. Das zu dem durch die Verhinderung einer Überdeckung von intumeszierendem und weichelastischem Material und damit zweischichtigem Aufbau alternative Mittel liegt nach Auffassung der Klägerin bei der angegriffenen Ausführungsform darin, dass das weichelastische Material in Vertiefungen der inneren Schicht eingebracht ist und dadurch der Einbauraum – was von der Beklagten insoweit im Termin zur mündlichen Verhandlung bestritten worden ist – nicht nachteilig verkleinert wird, obwohl die angegriffene Ausführungsform in diesem Bereich einen dreischichtigen Aufbau aufweist.
  86. Die alternative Lösung – hier das Einbringen des weichelastischen Materials in Vertiefungen der inneren Schicht mit Überdeckung durch intumeszierendes Material in diesem Bereich – ist der erfindungsgemäßen Lehre gleichwertig, wenn ihr Auffinden sowohl an dem mit dem erfindungsgemäßen Schichtaufbau verbundenen Zweck als auch an der für die Erreichung dieses Zwecks maßgeblichen Funktionsweise ausgerichtet ist (BGH, Urt. v. 10.05.2016, X ZR 113/14 – Wärmetauscher). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn der Schutzanspruch 2 sieht mit dem Merkmale 6 eine (weitere) Verringerung des Einbauraums dadurch vor, dass die verschiedenen Materialien – intumeszierendes Material und weichelastisches – nebeneinander, aber gerade nicht übereinander angeordnet werden und der Drei-Schicht-Aufbau vermieden wird. Dazu diametral im Gegensatz steht die alternative Lösung wenn sie das weichelastische Material in Rillen unterbringt und den Drei-Schicht-Aufbau in diesem Bereich gerade zulässt. Durch den dreischichtigen Aufbau wirkt die alternative Lösung einer Verringerung des Einbauraums gerade entgegen, weil sich ohne die Überdeckung durch das intumeszierende Material eine geringere Schichtdicke ergäbe, die einem vergrößerten Einbauraum zugutekommen könnte. Insofern hat die Alternativlösung schon nicht die gleiche Wirkung wie die erfindungsgemäße Lösung.
  87. C
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
  88. D.
    Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Klägerin vom 27. Januar 2022 und der Beklagten vom 4. Februar 2022 gaben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
  89. Der Streitwert wird gemäß §§ 51 Abs. 1 GKG auf 150.000,00 Euro festgesetzt.

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