Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3183
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 18. November 2021, Az. 4b O 26/20
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
- Tatbestand
- Die Klägerin macht als im Patentregister eingetragene Inhaberin (vgl. Handelsregisterauszug vom 06.04.2020, Anlage TW A2) gegen die Beklagte auf die Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 3 109 XXX (im Folgenden: Klagepatent) gestützte Ansprüche auf Unterlassen, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf sowie Feststellung einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach geltend.
- Am 24.11.2020 schloss die Klägerin mit der „A“ eine als „Exclusive Collaboration, Co-Promotion and Sublicense Agreement“ bezeichnete Vereinbarung (in einer teilgeschwärzten Fassung als Anlage TW A21 vorgelegt), die auf eine Kooperation zwischen der Klägerin und der soeben genannten Partnerin abzielt.
- Das Klagepatent, das eine Priorität vom 25.06.2015 in Anspruch nimmt, wurde am 27.05.2016 angemeldet. Die Offenlegung der Anmeldung datiert vom 28.12.2016, die Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung vom 14.02.2018. Die hier maßgeblichen Klagepatentansprüche 1 und 16 lauten in der erteilten Fassung wie folgt:
- „1. Verfahren zum Herstellen einer Struktur auf einer Oberfläche eines flächigen Werkstückes (1) mit folgenden Schritten:
- (A) Aufbringen einer flüssigen Grundschicht (2) auf eine Oberfläche des Werkstückes (1);
- (B) Aufspritzen einer Vielzahl von Tröpfchen (3) in die noch flüssige Grundschicht (2) dergestalt, dass sich die Schichtdicke der Grundschicht (2) an den Stellen, an denen die Tröpfchen (3) aufgespritzt werden, verändert, wobei durch das Aufspritzen der Tröpfchen (3) in die zuvor aufgetragene, flüssige Grundschicht (2) Vertiefungen eingebracht werden;
- (C) Fixieren der flüssigen Grundschicht (2).“
- „ 16. Vorrichtung zur Erzeugung einer Struktur auf einer Oberfläche mit einer Transportvorrichtung (6) zum An- und/ oder Abtransport eines mit einer flüssigen Grundschicht (2) versehenen Werkstücks in einer Transportrichtung, mit einem oder mehreren Druckköpfen (4) und/ oder einem oder mehreren Digitaldüsenbalken zur Abgabe von Tröpfchen auf und/ oder in die flüssige Grundschicht (2) und mit einer Fixierungsvorrichtung (5), welche den Druckköpfen (2) und/ oder Düsenbalken in Transportrichtung nachgeordnet ist und welche Wärme und/ oder Licht auf die Grundschicht des Werksstücks zur Fixierung abstrahlt und/ oder diese zur Fixierung mittels Düsen trocknet, wobei die Vorrichtung eine Steuervorrichtung aufweist, welche ausgebildet ist zur Ausführung des Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche.“
- Wegen der Unteransprüche wird auf die Klagepatentschrift (Anlage TW A1) Bezug genommen.
- Auf ein unter anderem von der Beklagten eingeleitetes Einspruchsverfahren hielt die Einspruchsabteilung das Klagepatent nach mündlicher Verhandlung vom 10.03.2021 in beschränkter Fassung im Hinblick auf die hier maßgeblichen Ansprüche 1 und 16 wie folgt aufrecht (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind unterstrichen bzw. durchgestrichen):
- „1. Verfahren zum Herstellen einer Struktur auf einer Oberfläche eines flächigen Werkstückes (1) mit folgenden Schritten:
- (A) Aufbringen einer flüssigen Grundschicht (2) auf eine Oberfläche des Werkstückes (1);
- (B) Aufspritzen einer Vielzahl von Tröpfchen (3) in die noch flüssige Grundschicht (2) dergestalt, dass sich die Schichtdicke der Grundschicht (2) an den Stellen, an denen die Tröpfchen (3) aufgespritzt werden, verändert, wobei durch das Aufspritzen der Tröpfchen (3) in die zuvor aufgetragene, flüssige Grundschicht (2) Vertiefungen eingebracht werden, wobei die aufgespritzten Tröpfchen (3) nach einer digitalen Vorlage aufgespritzt werden, welche mit einem vorher oder nachträglich auf die Oberfläche gedruckten Dekorbild derartig abgestimmt ist, dass die entstandene Struktur mindestens in Teilbereichen der Oberfläche synchron zu dem gedruckten Dekorbild ist;
- (C) Fixieren der flüssigen Grundschicht (2).“
- „ 16. 13. Vorrichtung zur Erzeugung einer Struktur auf einer Oberfläche mit einer Transportvorrichtung (6) zum An- und/ oder Abtransport eines mit einer flüssigen Grundschicht (2) versehenen Werkstücks in einer Transportrichtung, mit einem oder mehreren Druckköpfen (4) und/ oder einem oder mehreren Digitaldüsenbalken zur Abgabe von Tröpfchen auf und/ oder in die flüssige Grundschicht (2) und mit einer Fixierungsvorrichtung (5), welche den Druckköpfen (2) und/ oder Düsenbalken in Transportrichtung nachgeordnet ist und welche Wärme und/ oder Licht auf die Grundschicht des Werksstücks zur Fixierung abstrahlt und/ oder diese zur Fixierung mittels Düsen trocknet, wobei die Vorrichtung eine Steuervorrichtung aufweist, welche ausgebildet ist zur Ausführung des Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche.“
- Unter anderem die Beklagte hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung mit Schriftsatz vom 15.07.2021 (Anlage B19), Beschwerde (Az.: T1132/21-3.2.05) erhoben, über die eine Entscheidung noch aussteht. Das Klagepatent steht in Kraft.
- Die Beklagte bietet über die Internetseite mit der Adresse https://B.com Druckmaschinen der Serie „Jetmaster“, insbesondere Geräte mit der Bezeichnung „C“ (im Folgenden: ursprünglich angegriffene Ausführungsform TXT) und „D“ (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform TRT) an, mittels denen jeweils eine Strukturbeschichtung auf die Oberfläche eines Werkstücks aufgebracht werden kann.
- Weiter führte die Beklagte die angegriffene Ausführungsform TRT vom 27.05. bis 31.05.2019 auf der Messe für die Holz- und Möbelindustrie „E“ vor und verteilte Muster der mit dieser an dem Messestand der Beklagten produzierten Bodenpaneele mit Strukturdruck an die Messebesucher.
- Das Verfahren, das mittels der angegriffenen Ausführungsform TRT zur Anwendung gelangt (auch bezeichnet als „Truetexture“), kann skizzenhaft wie folgt dargestellt werden (nachfolgende Skizze ist Anlage TW A13 entnommen):
- .
- In dem als „Beschichtung“ bezeichneten Verfahrensschritt wird auf die Oberfläche des Werkstücks eine flüssige Grundschicht aufgebracht. In einem darauffolgenden Verfahrensschritt („Strukturierung“) werden auf diese flüssige Grundschicht Tintentropfen („TRT-Produkt“) mittels eines Druckkopfs aufgespritzt, wobei die genaue Wirkung der Tropfen auf die Grundschicht zwischen den Parteien in Streit steht. Im Anschluss daran erfolgt in einem weiteren Verfahrensschritt die Fixierung der Tinte und der Grundschicht („Härten“). Daran schließt sich das „Ausbürsten“ der Spezialtinte an. Da diese weniger stark aushärtet als die Grundschicht, löst sich das Material an den Stellen, an denen die Tinte auf die Grundfläche getroffen ist, durch das Ausbürsten. Die gehärtete Grundschicht bleibt von dem Ausbürsten hingegen unberührt. Zwischen den Parteien steht im Übrigen in Streit, inwiefern es bereits in dem Verfahrensschritt der „Strukturierung“ im Zusammenhang mit dem Aufbringen der Tropfen auf die Grundschicht zu einer Veränderung der Grundschicht kommt.
- Die Klägerin behauptet unter Bezugnahme auf den von ihr und der A im November 2020 abgeschlossenen Vertrag, sie partizipiere auch nach der Vereinbarung mit der A wirtschaftlich an der Benutzung des Klagepatents. Die Beklagte bestreitet dieses Vorbringen insgesamt mit Nichtwissen.
- Die Klägerin ist weiter der Ansicht, die Beklagte verletze die Lehre des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß (Vorrichtungsanspruch 16, nunmehr 13, und Verfahrensanspruch 1) durch Anbieten und Vertreiben der angegriffenen Ausführungsform TRT. Denn bei dieser gelange das Verfahren nach Klagepatentanspruch 1 zur Anwendung.
- Bei dem mit der angegriffenen Ausführungsform TRT angewendeten Verfahren würden durch das Aufbringen von Tröpfchen insbesondere in klagepatentgemäßer Weise Vertiefungen in die noch flüssige Grundschicht eingebracht.
- In diesem Zusammenhang behauptet die Klägerin, dass die Grundschicht dort, wo die Tröpfchen eingebracht worden seien, weniger stark ausgebildet sei. Durch das Bedrucken der Grundschicht mit der Tinte komme es physikalisch zwangsläufig zu Vertiefungen in der Grundschicht. Die Vertiefungen würden – zumindest auch – durch die (Fall-)Geschwindigkeit der Tröpfchen eingebracht.
- Unbeschadet dessen lasse die Lehre des Klagepatents auch zu, dass zusätzlich eine chemische Reaktion zwischen den aufgespritzten Tröpfchen und der noch flüssigen Grundschicht erfolge, wonach das Reaktionsprodukt zwischen Grundschicht und Tröpfchen die Struktur an der Stelle optisch und/ oder haptisch verändere. Dies berücksichtigend führe es nicht aus der Verletzung heraus, dass in den angegriffenen Ausführungsformen ausgehend von den in die Grundschicht eingebrachten Tröpfchen möglicherweise eine weitere Vertiefung der Struktur erfolge. Die Strukturveränderungen würden vielmehr auch insoweit auf die per Impuls eingebrachten Tröpfchen zurückgehen.
- Die Ausgestaltung der Oberfläche des Werkstücks sei ausgehend von der geschützten Lehre unerheblich. Diese sehe lediglich vor, dass das Verfahren der Herstellung einer Struktur auf einer Oberfläche diene. Ausreichend sei deshalb, dass durch das Einbringen von Vertiefungen in die Grundschicht die Möglichkeit der zweckentsprechenden Weiterverarbeitung gegeben sei.
- Der Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Klägerin gehe schon deshalb fehl, weil sie – die Klägerin – im Rahmen des Einspruchsverfahrens keine Verzichtserklärung abgegeben habe.
- Das Klagepatent werde sich schließlich auch im Rahmen der erhobenen Nichtigkeitsklage als rechtsbeständig erweisen.
- Nachdem die Klägerin im Hinblick auf die ursprünglich angegriffene Ausführungsform TXT die Klagerücknahme erklärt hat, stützt sie ihre Anträge nunmehr allein noch auf die angegriffene Ausführungsform TRT.
- Die Klägerin beantragt,
- I. die Beklagte zu verurteilen,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, die an dem jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
- a) Verfahren zum Herstellen einer Struktur auf einer Oberfläche eines flächigen Werkstücks
- in der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden oder anzubieten
- mit folgenden Schritten:
- (A) Aufbringen einer flüssigen Grundschicht auf eine Oberfläche des Werkstücks;
- (B) Aufspritzen einer Vielzahl von Tröpfchen in die noch flüssige Grundschicht dergestalt, dass sich die Schichtdicke der Grundschicht an den Stellen, an denen die Tröpfchen aufgespritzt werden, verändert, wobei durch das Aufspritzen der Tröpfchen in die zuvor aufgetragene, flüssige Grundschicht Vertiefungen eingebracht werden, und die aufgespritzten Tröpfchen nach einer digitalen Vorlage aufgespritzt werden, welche mit einem vorher oder nachträglich auf die Oberfläche gedruckten Dekorbild derartig abgestimmt ist, dass die entstandene Struktur mindestens in Teilbereichen der Oberfläche synchron zu dem gedruckten Dekorbild ist;
- (C) Fixieren der flüssigen Grundschicht,
- (Anspruch 1 EP 3 109 XXX),
- sowie
- b) Vorrichtungen zur Erzeugung einer Struktur auf einer Oberfläche mit einer Transportvorrichtung zum An- und/oder Abtransport eines mit einer flüssigen Grundschicht versehenen Werkstücks in einer Transportrichtung,
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- mit einem oder mehreren Druckköpfen und/ oder einem oder mehreren Digitaldüsenbalken zur Abgabe von Tröpfchen auf und/ oder in die flüssige Grundschicht und mit einer Fixierungsvorrichtung, welche den Druckköpfen und/ oder Düsenbalken in Transportrichtung nachgeordnet ist und welche Wärme und/ oder Licht auf die Grundschicht des Werksstücks zur Fixierung abstrahlen, wobei die Vorrichtungen eine Steuervorrichtung aufweisen, welche ausgebildet ist zur Ausführung des unter lit. a) genannten Verfahrens,
- (Anspruch 13 von EP 3 109 XXX);
- 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 14. März 2018 begangen hat, und zwar in einer geordneten, elektronisch auswertbaren Aufstellung unter Angabe
- a) der Menge der erhaltenen und bestellten zu Ziffer I. 1. bezeichneten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der zu Ziff. I. 1. bezeichneten Erzeugnisse;
- b) der einzelnen Lieferungen der zu Ziff. I. 1. bezeichneten Erzeugnisse, aufgeschlüsselt nach Liefermenge, -zeiten und –preisen und unter Angabe von Typenbezeichnungen sowie aufgeschlüsselt nach den Namen und den Anschriften der gewerblichen Abnehmer;
- c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger, wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in dem Verzeichnis enthalten ist;
- d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internetwerbung der jeweiligen Domain, Zugriffszahlen und Schaltungszeiträume;
- e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten der zu Ziff. I. 1. bezeichneten Erzeugnisse, einschließlich Bezugspreisen, und des erzielten Gewinns,
- f) der Art und des Umfangs eigener Verfahrensbenutzungshandlungen gemäß Ziffer I. 1. Unter Einschluss insbesondere der Angabe des erzielten Umsatzes sowie der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Kosten und des erzielten Gewinns,
- wobei
- – hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und lit. b) jeweils in Kopie die Einkaufs- oder Verkaufsbelege (Rechnungen) oder, falls keine Rechnungen ausgestellt wurden, Lieferpapiere vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 3. die vorstehend zu Ziffer I. 1. lit. b) bezeichneten, seit dem 14. März 2018 in den Verkehr gelangten und im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, schriftlich darüber informiert werden, dass die Kammer auf eine Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 3 109 XXX erkannt hat, und sie aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse die Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der durch die Rückgabe entstehenden Verpackungs- und Transport- bzw. Versandkosten zugesagt wird;
- II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 14. März 2018 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen.
- Wegen der weiteren in Form von „Insbesondere-Anträgen“ gestellten Klagepatentansprüche wird auf die Klageschrift verwiesen.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- Hilfsweise:
Die Klage bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den gegen das Klagepatent anhängigen Einspruch auszusetzen. - Die Beklagte, die meint die Klage sei bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses und fehlender Prozessführungsbefugnis der Klägerin unzulässig, ist weiter der Auffassung, bei der angegriffenen Ausführungsform TRT handele es sich um keine Vorrichtung im Sinne des Klagepatents (Klagepatentanspruch 16, nunmehr Klagepatentanspruch 13), Das nach dem Klagepatent (Anspruch 1) geschützte Verfahren gelange bei dieser nicht zur Anwendung.
- Bei der angegriffenen Ausführungsform TRT fehle es an Vertiefungen, die in klagepatentgemäßer Weise durch das Aufspritzen der Tröpfchen in die flüssige Grundschicht eingebracht werden würden.
- Nach ihrer, der Beklagten, Meinung, lasse es die geschützte Lehre zwar zu, dass Vertiefungen in der Grundschicht – anders als von der Einspruchsabteilung angenommenen – nicht nur durch den Tröpfchenimpuls (Masse * Geschwindigkeit) entstehen. Ausreichend sei vielmehr auch, dass die Vertiefungen auf andere Art und Weise auf das Aufbringen der Tröpfchen rückführbar seien, etwa durch die Oberflächenspannung der Flüssigkeit der Tröpfchen und/ oder der Grundschicht. Verfahren hingegen, bei denen Vertiefungen in der Grundschicht erst durch einen das Aufspritzen der Tröpfchen ergänzenden Verfahrensschritt herbeigeführt würden, seien aus der geschützten Lehre hingegen auszunehmen.
- Letzteres treffe auf das Verfahren der angegriffenen Ausführungsform TRT zu. Denn dort führe das Aufbringen der Tinte über die Druckköpfe zunächst zu einer Vermischung der Tinte und der Grundschicht, ohne dass eine für den Endkunden wahrnehmbare Struktur bzw. Vertiefungen entstehen würden. Eine solche werde es durch den sich an das „Härten“ anschließenden Verfahrensschritt des „Ausbürstens“ herbeigeführt. Vor dem Ausbürsten sei die Oberfläche des Werkstücks glatt.
- Die Beklagte ist zudem der Ansicht, die Klägerin könne sich auch auf eine Verletzung des Klagepatents nicht berufen, weil sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße, indem sie hinsichtlich des klagepatentgemäßen Verfahrensschritts des „Einbringens von Vertiefungen durch Aufspritzen von Tröpfchen“ in dem hiesigen Verletzungsverfahren eine andere Auffassung als in dem Einspruchsverfahren vertrete.
- Schließlich sei das Klagepatent – wie sich im Rahmen des gegen dieses anhängigen Beschwerdeverfahrens ergeben werde – auch nicht rechtsbeständig.
- Entscheidungsgründe
- Die Klage ist zulässig, aber – soweit sie nach der Teilklagerücknahme noch zur Entscheidung stand – unbegründet.
-
A.
Die Klage ist zulässig. - Es fehlt weder an der Prozessführungsbefugnis der Klägerin noch an ihrem Rechtsschutzbedürfnis.
-
I.
Die Klägerin ist prozessführungsbefugt. - Die Prozessführungsbefugnis ist gegeben, wenn der Kläger berechtigt ist, über das behauptete (streitige) Recht einen Prozess als Partei im eigenen Namen zu führen (BGH, GRUR 2005, 502, 503 – Leistungsschutzrechte der Mitglieder des Bayreuther Festspielorchesters, m. w. N.).
- Dies ist im Hinblick auf den im Patentregister eingetragenen Inhaber des Klageschutzrechts der Fall.
- Die Berechtigung zur Prozessführungsbefugnis ergibt sich im Patentrecht aus der Eintragung im Patentregister, vgl. § 30 Abs. 3 S. 2 PatG. Danach gilt der eingetragene Patentinhaber nach Maßgabe des Gesetzes als berechtigt und verpflichtet. Aus dieser formalen Stellung folgt somit eine Legitimationswirkung; der genannte Patentinhaber gilt als Berechtigter, und zwar auch für den Verletzungsprozess (Benkard/Schäfers, PatG, 11. Auflage 2015, § 30 Rn. 8a).
-
II.
Es fehlt auch nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin. - Die Beklagte meint, es fehle deshalb an einem Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin, weil sie unterschiedliche, einander widersprechende Auslegungen des Klagepatents vertrete.
- Dem vermag die Kammer nicht zu folgen.
- Sofern sich in dem Vortrag der Klägerin Widersprüche bei der Auslegung des Klagepatents in dem hiesigen Verletzungsverfahren im Vergleich zum Rechtsbestandsverfahren auftun, ist dieser Vortrag grundsätzlich im Rahmen der „Begründetheit“ der Klage zu würdigen, etwa können Ausführungen des Patentinhabers zur Auslegung in anderen Verfahren als sachverständige Stellungnahme zu berücksichtigen sein oder aber darauf hin zu überprüfen sein, ob sich der Patentinhaber mit seinem Verhalten treuwidrig verhält.
- Die Kammer vermag jedenfalls in dem hier zur Entscheidung stehenden Fall darüber hinaus keine Besonderheiten zu erkennen, die es rechtfertigen, dem Patentinhaber bereits ein Rechtsschutzinteresse an der Verfolgung der ihm aus dem Patent erwachsenden Rechte abzusprechen.
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B.
Die Klage ist unbegründet. - Da eine Verletzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform TRT nicht festgestellt werden kann, stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie Rückruf und Feststellung einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach nicht zu, Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1, Abs. 2, § 140b Abs. 1, 3, § 140a Abs. 3 PatG und §§ 242, 259 BGB.
-
I.
Die Klägerin verfügt über die für die Geltendmachung der anhängigen Ansprüche erforderliche Sachbefugnis. - Der gem. § 30 Abs. 3 Satz 2 PatG im Patentregister eingetragene grundsätzlich prozessführungsführungsbefugte Patentinhaber kann auch nach der Erteilung einer ausschließlichen Lizenz an einen Dritten eigene Ansprüche gerichtlich verfolgen, wenn ihm aus der Lizenzvergabe fortdauernde materielle Vorteile erwachsen (BGH, GRUR 2011, 711, Rn. 13 – Cinch-Stecker).
- So ist es vorliegend.
- Nach der Vorlage des Lizenzvertrags in teilgeschwärzter Fassung (Anlage TW A21) steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin in der beschriebenen Art und Weise an der Benutzung des Klagepatents wirtschaftlich partizipiert.
- Eine wirtschaftliche Beteiligung der Klägerin ergibt sich zuvorderst daraus, dass die Klägerin ausweislich Art. 2.4 und Art. 2.6 Satz 2 des Vertrags unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht zur eigenen Lizenzvergabe behält.
- Die Überzeugung der Kammer ist nicht dadurch erschüttert, dass – worauf die Beklagte hingewiesen hat – es in einer Pressemitteilung vom 12.01.2021, die sich mit dem Vertragsschluss zwischen der Klägerin und der A befasst, heißt, dass „F patentierte digitale Druck- und Strukturierungstechnologien nur mit einer I4F Lizenz erhältlich sind“ (Anlage B14, 1. Spiegelstrich unterhalb der Überschrift).
- Zum einen ist zu beachten, dass die Ausführungen nach dem vorgelegten vertraglichen Konstruktion grundsätzlich zutreffend erscheinen. Denn die Lizenzvergabe erfolgt danach grundsätzlich durch die A (vgl. Artt. 2.1, 2.2), die hier in Bezug genommenen Regelungen nach Artt. 2.4 und 2.6 sehen spezielle Sachverhalte vor, bei denen die Lizenzvergabe durch die Klägerin erfolgt. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Pressemitteilung vorliegend dazu dient, den grundsätzlich nicht juristisch geschulten Adressatenkreis über den Vertragsschluss zu informieren. Insoweit scheinen Zusammenfassungen des Regelungsinhalts, die dessen juristischen Aussagegehalt nicht vollständig treffen, nicht ungewöhnlich. Für die hier maßgebliche Frage der Sachbefugnis der Klägerin bleibt indes der in Auszügen vorgelegte Vertrag maßgeblich.
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II.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zum Herstellen einer Struktur auf einer Oberfläche eines flächigen Werkstücks, sowie eine Vorrichtung zum Herstellen der Struktur (Abs. [0001] des Klagepatents, Anlage K1; Abschnitte ohne Bezeichnung sind nachfolgend solche des Klagepatents). - Das Klagepatent beschreibt einleitend „dekorativ“ beschichtete Holzwerkstoffplatten zum Beispiel zum Herstellen von Möbeln, von Fußbodenlaminaten und von Wand-, Decken- oder Außenpaneelen als im Stand der Technik vorbekannt (Abs. [0002]). Beispielhaft werden eine Spanplatte, welche mit einem dekorativ bedruckten Papier beschichtet sei, und andere Arten von Faserplatten, etwa MDF (mitteldichte Faserplatten) oder HDF (hochdichte Faserplatten) oder Zementfaserplatten und zementgebundene Spanplatten genannt (Abs. [0002]). Für die Fälle, in denen diese Platten zur Anwendung gelangen würden, sei es wünschenswert neben einer dekorativen Beschichtung, beispielsweise einer Holznachbildung oder einer Fliesennachbildung für einen steinartig anmutenden Laminatfußboden, auch eine Struktur in der Oberfläche zu erhalten (Abs. [0003]).
- Das Klagepatent nimmt sodann auf einzelne vorbekannte Verfahren Bezug, mittels derer eine Oberflächenstruktur erhalten werden kann.
- So sei ein Melaminbeschichtungsverfahren bekannt, bei welchem ein mit einer Holzoptik bedrucktes Papier mit einem Melaminharz imprägniert, angetrocknet und dann in einer Heizpresse mit einem Prägeblech auf eine Spanplatte verpresst werde (Abs. [0004]). Das Ergebnis sei eine 12 mm dicke Spanplatte, die mit einer Buchennachbildungsoptik beschichtet sei, auf deren Oberfläche sich durch das Prägeblech Strukturen mit einer Tiefe von üblicherweise 20 μm bis zu 150 μm oder 200 μm ergeben würden. Diese Strukturen würden entweder holzähnlich unabhängig von der tatsächlich gedruckten Holzart als sogenannte „all-over“ Struktur hergestellt, oder es gelange – in entsprechend teureren Verfahren mit hochwertiger anmutenden Produkten – eine sog. Synchronpore zum Einsatz, bei der das Prägeblech eine Struktur aufweise, die synchron zu der gedruckten Holzoptik angewendet werde. (Abs. [0005]). In diesen Fällen sei etwa ein gedrucktes Astloch auch tatsächlich fühlbar tiefer als der daneben etwas höher stehende Rest der gedruckten Holzoptik (Abs. [0005]).
- In einem weiteren vorbekannten Verfahren werde zum Beispiel eine Holzwerkstoffplatte lackiert, bedruckt und dann mit einer transparenten Decklackschicht versehen (Abs. [0006]). Hier könne eine Oberflächenstruktur dadurch erhalten werden, dass die Struktur mittels einer strukturierten Decklachwalze aufgebracht werden könne (Abs. [0006]). So sei es beispielsweise in der DE 10 2007 019 XXX beschrieben (Abs. [0006]).
- Als mit Blick auf die dargestellten Verfahren nachteilig hebt das Klagepatent hervor, dass diese relativ wenig flexibel seien und bei der Änderung einer Struktur das jeweilige Werkzeug (die Walze oder das Pressblech) gewechselt werden müsse (Abs. [0007]).
- Im Stand der Technik gebe es – zur Umgehung dieser Nachteile – bereits ein in der DE 10 2009 044 XXX beschriebenes Verfahren zur digitalen Aufbringung einer Struktur (Abs. [0008]). Jedoch erweise sich auch dieses als nachteilig. So werde eine große Menge an strahlenhärtender Tinte verwendet, die sehr teuer sei (Abs. [0009]). Auch gelinge es nicht immer, eine volle Abdeckung der Oberfläche über die aufgedruckte Struktur zu erzielen (Abs. [0009]). Die aufgebrachte Tinte sei zudem weniger kratzfest und widerstandsfähig als bei anderen bereits in Bezug genommenen (Abs. [0009]).
- Die EP 1 902 XXX A1 offenbare ein Tintenstrahldruckverfahren, bei dem eine Grundschicht teilweise ausgehärtet werde und danach mit Tinte bedruckt werde, wobei Tintentröpfchen in die Grundschicht eingebracht werden würden (Abs. [0010]).
- Aus der WO 2015/078XXX A1 sei ein Verfahren für den Tintenstrahl- oder Tintendruck bekannt, wobei eine flüssige Farbaufnahmeschicht auf ein Substrat aufgebracht werde, auf diese anschließend flüssige Druckmedien aufgebraucht würden und die Farbaufnahmeschicht danach verfestigt werde (Abs. [0011]).
- Vor dem Hintergrund des dargestellten Technikstandes macht es sich das Klagepatent zur Aufgabe (technisches Problem), ein Verfahren und eine Vorrichtung bereitzustellen, die Vorteile der Flexibilität einer digitalen Struktur zu erhalten und gleichzeitig die genannten Nachteile auszuschließen (Abs. [0012]).
- Die Lösung der Aufgabe erfolgt klagepatentgemäß mit einem Verfahren gemäß Klagepatentanspruch 1 entsprechend der nachfolgenden Gliederung:
- 1. Verfahren zum Herstellen einer Struktur auf einer Oberfläche eines flächigen Werkstücks mit folgenden Schritten:
- 2. Aufbringen einer flüssigen Grundschicht auf eine Oberfläche des Werkstücks;
- 3. Aufspritzen einer Vielzahl von Tröpfchen in die noch flüssige Grundschicht dergestalt;
- 3.1 dass sich die Schichtdicke der Grundschicht an den Stellen, an denen die Tröpfchen aufgespritzt werden verändert;
- 3.2 wobei durch das Aufspritzen der Tröpfchen in die zuvor aufgetragene, flüssige Grundschicht Vertiefungen eingebracht werden; und
- 3.3 dass die aufgespritzten Tröpfchen nach einer digitalen Vorlage aufgespritzt werden, welche mit einem vorher oder nachträglich auf die Oberfläche gedruckten Dekorbild derartig abgestimmt ist, dass die entstandene Struktur mindestens in Teilbereichen der Oberfläche synchron zu dem gedruckten Dekorbild ist;
- 4. Fixieren der flüssigen Grundschicht,
- und mittels einer Vorrichtung gemäß des Klagepatentanspruchs 16 (nunmehr Klagepatentanspruch 13), dessen Merkmale sich gegliedert wie folgt darstellen lassen:
- 1. Vorrichtung zur Erzeugung einer Struktur auf einer Oberfläche;
- 2. mit einer Transportvorrichtung zum An- und/ oder Abtransport eines mit einer flüssigen Grundschicht versehenen Werkstücks in einer Transportrichtung;
- 3. mit einem oder mehreren Druckköpfen und/ oder einem oder mehreren Digitaldüsenbalken zur Abgabe von Tröpfchen auf und/ oder in die flüssige Grundschicht und
- 4. mit einer Fixierungsvorrichtung,
- 4.1 welche den Druckköpfen und/ oder Düsenbalken in Transportrichtung nachgeordnet ist und
4.2 welche Wärme und/ oder Licht auf die Grundschicht des Werkstücks zur Fixierung abstrahlt,
- 5. wobei die Vorrichtung eine Steuervorrichtung aufweist, welche zur Ausführung des Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche ausgebildet ist.
-
III.
Eine Verletzung des Klagepatents gem. § 9 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 PatG kann nicht festgestellt werden. - Die angegriffene Ausführungsform TRT stellt kein Verfahren entsprechend dem Klagepatentanspruch 1 bereit, weshalb es sich auch bei ihr nicht um eine Vorrichtung im Sinne des Klagepatentanspruchs 16 (nunmehr Klagepatentanspruch 13) handelt.
- Die nachfolgenden Ausführungen zur Auslegung und Verletzung sind – entsprechend dem Parteivorbringen – an einer Merkmalsverwirklichung des Verfahrensanspruchs ausgerichtet. Da der erteilte Vorrichtungsanspruch 16 (nunmehr Anspruch 13) ausweislich des Merkmals 5 eine Steuervorrichtung aufweist, welche ausgebildet ist, zur Ausführung des Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, und sich der Streit der Parteien auch im Hinblick auf den Vorrichtungsanspruch darauf beschränkt, ob bei der angegriffenen Ausführungsform ein Verfahren nach Klagepatentanspruch 1 zur Anwendung gelangt, gelten die Ausführungen zu dem Verfahrensanspruch und zur Nichtverwirklichung desselben gleichermaßen für den Vorrichtungsanspruch.
- 1.
Angesichts des Streits der Parteien bedürfen die Merkmale 1. und 3.2 einer Auslegung. - Bei der nachfolgenden Auslegung ist von einem Fachmann in Form eines Diplom-Ingenieurs der Fachrichtung Maschinenbau auszugehen, der über langjährige Erfahrung im Entwurf von Verfahren zur Herstellung von Dekoren und Beschichtungen, insbesondere für die Möbelindustrie, verfügt und der ferner umfangreiche Erfahrungen in der Auslegung von entsprechenden Produktionsmaschinen hat. So hat ihn die Klägerin in ihrer das Einspruchsverfahren betreffenden Eingabe vom 08.04.2019 (Anlage B4, S. 9, Rn. 23) definiert, ohne dass die Beklagte dem erkennbar entgegengetreten ist oder sich aus den vorgelegten Ausführungen der Einspruchsabteilung etwas dieser Annahme Entgegenstehendes ergibt.
- a)
Merkmal 1. beschreibt das geschützte Verfahren als ein solches - „zum Herstellen einer Struktur auf einer Oberfläche eines flächigen Werkstücks.“
- Der Fachmann entnimmt dem, dass die geschützte Lehre ein in sich abgeschlossenes Verfahren bereitstellt, an dessen Ende die Oberfläche des flächigen Werkstücks eine haptisch und/oder optisch wahrnehmbare dreidimensionale Ausprägung aufweist.
- aa)
Das hier in Rede stehende Merkmal enthält eine Zweckangabe, aus der nicht unmittelbar zwingend folgt, dass mit den genannten Verfahrensschritten die Struktur auf der Oberfläche abschließend ausgebildet ist. Ebenso kann mit einer solchen Angabe auch lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass das geschützte Verfahren einen Beitrag zu der von Merkmal 1 beschriebenen Oberflächenstruktur leistet, deren endgültige Erzeugung aber im Übrigen von weiteren Schritten außerhalb des geschützten Verfahrens abhängig ist. - Zweckangaben sind bei einem Verfahrensanspruch ebenso zulässig wie bei einem Sachanspruch (BGH, GRUR 2010, 1081, Rn. 11 – Bildunterstützung bei Katheternavigation). Sie bringen regelmäßig zum Ausdruck, dass das Verfahren für den genannten Zweck oder die genannte Funktion objektiv geeignet sein muss (zum Sachanspruch: BGH, GRUR 2018, 1128, Rn. 12f. – Gurtstraffer). Nicht erforderlich ist, dass die übrigen Merkmale des Anspruchs die Mittel angeben, mit denen der Zweck zuverlässig erreicht wird, denn für diesen Fall bedürfte es der zusätzlichen Zweckangabe nicht (BGH, Urt. 06.05.2014, Az.: X ZR 61/11, Rn. 18 – zitiert nach BeckRS 2014, 16944). Es kann jedoch – was durch Auslegung zu ermitteln ist – einem rechtlich anerkennenswerten Bedürfnis entsprechen, die Ausgestaltung der Mittel durch Zweckangaben mittelbar so festzulegen, dass der Zweck, dem zu dienen sie bestimmt sind, erfüllt werden kann (a.a.O.).
- bb)
Die Kammer gelangt orientiert an den soeben dargestellten Auslegungsgrundsätzen vorliegend zu der Auffassung, dass die in Merkmal 1 enthaltene Zweckangabe das geschützte Verfahren derart charakterisiert, dass jedenfalls nach Abschluss der in dem Anspruchswortlaut genannten Verfahrensschritte eine Oberflächenstruktur auf dem flächigen Werkstück in Form einer haptisch und/oder optisch wahrnehmbaren dreidimensionale Ausprägung vorliegt, wodurch etwa das Aussehen von natürlichem Holz oder Stein nachempfunden wird (Abs. [0034], Sp. 6, Z. 21 – Z. 23). Verfahren, bei denen eine solche Struktur hingegen erst mit außerhalb des Anspruchs liegenden Mitteln herbeigeführt wird, sind von der geschützten Lehre nicht umfasst. - Bei diesem Verständnis geht der Fachmann im Ausgangspunkt von der Systematik des Anspruchswortlauts aus, wie sich diese unter Berücksichtigung auch des Inhalts der Klagepatentbeschreibung darstellt.
- Der Anspruch beschreibt zunächst, dass auf die Oberfläche des Werkstücks eine Grundschicht aufgebracht wird (Merkmal 2). Diese Grundschicht bildet so gerade die Werkstückoberfläche im Sinne des Merkmals 1. Merkmalsgruppe 3 konkretisiert sodann einen Prozess, mittels dessen die Grundschicht, die der Werkstückoberfläche nach Merkmal 1 entspricht, derart verändert wird, dass ein Profil (in Form von Vertiefungen) in sie eingebracht wird. Bereits dies bringt zum Ausdruck, dass es sich bei „Vertiefungen in der Grundschicht“ (Merkmal 3.2) und der „Struktur auf der Werkstückoberfläche“ (Merkmal 1.) technisch-funktional um dasselbe handelt. Im Hinblick auf dieses Profil/ diese Vertiefungen ist dann auch konsequenterweise sowohl im Anspruchswortlaut – in Merkmal 3.3 heißt es die „entstandene Struktur“ sei synchron zu dem gedruckten Dekorbild – als auch in der Klagepatentbeschreibung bereits von einer „Struktur“ (insoweit auch nach dem Einspruchsverfahren unverändert: Abs. [0013], Sp. 2, Z. 42 und Abs. [0035], Sp. 6, Z. 38, vgl. Anlage B17) die Rede. Demgegenüber widmet sich die Klagepatentbeschreibung an keiner Stelle der Frage, inwiefern die nach Merkmal 3.2 eingebrachten Vertiefungen nach der Fixierung der Grundschicht (Merkmal 4.) technisch sinnvoll als Zwischenprodukt für die Herstellung einer Oberflächenstruktur eines flächigen Werkstücks dienlich sind.
- Die im Sinne des Merkmals 3.2 bearbeitete Grundschicht wird am Ende des klagepatentgemäßen Verfahrens noch fixiert, wobei die gem. Art. 69 Abs. 1 Satz 2 EPÜ bei der Auslegung ergänzend heranzuziehende Beschreibung dem Fachmann den Schritt des „Fixierens“ lediglich noch im Sinne einer Konservierung der erzeugten Struktur durch Aushärten/ Trocknen der Grundschicht – die Klagepatentbeschreibung spricht in diesem Zusammenhang auch von einem „Erstarren der Grundschicht“ (Abs. [0031], Sp. 5, Z. 51) – offenbart (insoweit auch nach dem Einspruchsverfahren unverändert: Abs. [0013], Sp. 2, Z. 42f., 45f.; Abs. [0031], Sp. 5, Z. 45; insoweit auch nach dem Einspruchsverfahren unverändert: Abs. [0035], Sp. 6, Z. 39f und 41f.).
- Bei einer Betrachtung der so im Anspruchswortlaut angegebenen Verfahrensschritte in ihrer Gesamtheit und des Beschreibungsinhalts erkennt der Fachmann, dass das geschützte Verfahren die Strukturierung der Oberfläche entsprechend Merkmal 1. ohne weitere Verfahrensschritte zu leisten im Stande ist und es der geschützten Lehre auf eine tatsächlich bereits strukturierte Oberfläche des Werkstücks im Sinne einer dreidimensionalen haptisch und/ oder optischen Ausprägung auch ankommt.
- Die in dem Anspruchswortlaut enthaltene Zweckangabe nimmt somit an der Bestimmung des Schutzgegenstandes des Klagepatents derart teil, dass das geschützte Verfahren so ausgestaltet ist, dass es die betreffende Funktion auch tatsächlich erfüllen kann. Eine bloße Eignung des Verfahrens zur „Herstellung einer Oberflächenstruktur“ beizutragen, erfasst den Schutzgegenstand indes vorliegend aus den angeführten Gründen nicht hinreichend (vgl. ähnlich zum Sachanspruch: BGH, GRUR 2006, 923, Rn. 15 – Luftabscheider für Milchsammelanlagen).
- cc)
In dieses Verständnis fügen sich auch die Unteransprüche 2, 3 und 11. - Unteranspruch 2 sieht vor, dass die aufgespritzten Tröpfchen ggf. nach dem Fixieren verdampft werden, Unteranspruch 3 schützt eine Ausführungsform, wonach die aufgespritzten Tröpfchen mit fixiert werden. Nach dem Aussagegehalt des Unteranspruchs 11 bewirkt eine chemische Reaktion zwischen Grundschicht und Tröpfchen eine Veränderung der Struktur (vgl. auch Abs. [0023]).
- Die so gekennzeichneten Ausführungsformen versteht der Fachmann nicht etwa derart, dass mit den – gegenüber dem Hauptanspruch – zusätzlichen Verfahrensschritten eine Struktur nach Merkmal 1 erst geschaffen wird. Sie setzen eine solche vielmehr voraus bzw. bauen auf einer solche auf. Das Klagepatent stellt zwar mit dem Verfahren nach Klagepatentanspruch 1 bereits eine 3-Dimensionalität der Oberfläche zur Verfügung, schließt indes nicht aus, dass darüber hinaus eine Strukturierung zusätzlich auch auf andere Art und Weise erzielt wird. So beschreibt beispielsweise auch Abschnitt [0027] (Sp. 4, Z. 15f.) eine Ausgestaltung, wonach nicht ausschließlich die Vertiefungen der Grundschicht die Oberflächenstruktur verursachen, sondern zusätzlich auch Erhöhungen auf der Grundschicht vorhanden sind, die dadurch entstehen, dass bei dem Verdrängen des Lacks durch die Tröpfchen Material der Grundschicht aufgeworfen wird.
- dd)
Hingegen verbietet sich eine allein am Wortlaut von Merkmal 3.1 und 3.2 orientierte isolierte Betrachtung der Grundschicht, wonach das Einbringen von Vertiefungen in der Grundschicht genügt, selbst wenn nach dem Aushärten keine optisch/haptisch wahrnehmbare Struktur auf der Werkstückoberfläche verbleibt – etwa weil die Grundschicht vor dem Aushärten bereits wieder zusammengelaufen ist und sich die Vertiefungen geschlossen haben oder weil die Vertiefungen durch die aufgebrachten Tröpfchen vollständig gefüllt sind. Gerade für den letzten Fall macht der Klagepatentanspruch deutlich, dass die Tröpfchen nur Mittel zur Herstellung der Struktur in Form der Vertiefungen darstellen. Im Übrigen schenkt das Klagepatent den Tröpfchen für die dann ausgebildete Struktur keine Beachtung, das heißt sie besteht unabhängig davon, ob die Tröpfchen in der Oberfläche verbleiben oder nicht. Für die zu bildende Struktur unterscheidet das Klagepatent also nicht zwischen der Grundschicht und den aufgebrachten Tröpfchen. Dies wäre auch widersprüchlich, weil gerade in dem Fall, in dem die Tröpfchen die Vertiefungen ausfüllen, das patentgemäße Verfahren bereits verwirklicht wäre, bevor überhaupt eine optisch/haptisch wahrnehmbare Struktur auf der Werkstückoberfläche entstanden ist und eine solche auch nicht einmal notwendigerweise entstehen muss. Ähnliches gilt, wenn zwar Vertiefungen in die Grundschicht eingebracht sind, aber die aufgespritzten Tröpfchen über die Ebene der Grundschicht ragen und dadurch eine strukturierte Oberfläche bilden. Denn zu einer solchen Struktur leisten die Vertiefungen in der Grundschicht keinen Beitrag. Die technische Lehre besteht aber darin, eine Struktur auf der Oberfläche eines Werkstücks gerade durch die Vertiefungen in einer zuvor aufgetragenen Grundschicht zu erzeugen, unabhängig davon, ob die dafür aufgespritzten Tröpfchen in der Grundschicht verbleiben oder nicht. - ee)
Das hier vertretene Auslegungsergebnis steht schließlich auch im Einklang mit der Entscheidung der Einspruchsabteilung in dem das Klagepatent betreffenden Einspruchsverfahren. - Auch das EPA geht davon aus, dass die in die Grundschicht – durch Verdrängung derselben – eingebrachten Vertiefungen und die Struktur im Sinne des Merkmals 1 „einander entsprechen“ (Anlage B17, S. 17, unter lit. e)). Die Vertiefungen in der Grundschicht würden die Struktur nicht allein bewirken, sondern auch mit dieser identisch sein (Anlage B17, S. 18, unter lit. e) a. E.). In dem Bescheid vom 24.07.2019, mit welchem die Einspruchsabteilung ihre vorläufige – aber insoweit in der abschließenden Rechtsbestandsentscheidung unveränderte – Auffassung kundtat, heißt es weiter:
- „Die Einspruchsabteilung ist jedoch weiterhin der Auffassung, dass für den Fachmann, der das Patent mit dem Willen es zu verstehen liest unmissverständlich klar ist, dass das Resultat des beanspruchten Verfahrens eine dreidimensional strukturierte Oberfläche ist, wie sie beispielsweise auch in Figur 3 des Streitpatents schematisch dargestellt wird. (Anlage B1, S. 7, Ziff. 3.7.1, letzter Abs.).
- Auch die Einspruchsabteilung führt ihr Verständnis dabei – wie die Kammer hier – auf die Anspruchssystematik und den Mechanismus des Einbringens von Vertiefungen in die Grundschicht zurück (vgl. Anlage B1, S. 10, Ziff. 6.2). Insoweit vollzieht die Kammer auch nach, dass – wie die Einspruchsabteilung ausführt – das Auslegungsergebnis auch eine Anbindung an die objektive Aufgabenstellung aufweise, die unter anderem derart zu fassen sei, dass ein vereinfachtes Herstellungsverfahren bereitgestellt werde (Anlage B17, S. 25, 1. Abs.).
- b)
Merkmal 3.2, - „wobei durch das Aufspritzen der Tröpfchen in die zuvor aufgetragene, flüssige Grundschicht Vertiefungen eingebracht werden“,
- konkretisiert das Mittel, mit dem die geschützte Lehre eine Oberflächenstruktur auf einem flächigen Werkstück erzeugt, derart, dass Tröpfchen auf eine zuvor aufgebrachte flüssige Grundschicht (vgl. Merkmal 2.) aufgetragen werden. Dies führt zu einer Reduzierung der Schichtdicke, so dass ein einer Struktur im Sinne von Merkmal 1. entsprechendes Höhen- und Tiefenprofil in der Grundschicht entsteht. Die Art und Weise, wie die Tröpfchen auf die Grundschicht zur Ausbildung von Tröpfchen einwirken, steht – innerhalb der Grenzen, die sich daraus ergeben, dass – wie im Zusammenhang mit Merkmal 1. bereits gewürdigt – das Aufspritzen der Tröpfchen der Verfahrensschritt ist, der (allein) die Vertiefungen bewirkt, im Belieben des Fachmannes.
- aa)
Als „Vertiefungen“ im Sinne des Merkmals 3.2 sind stellenweise Materialreduzierungen in der Grundschicht zu verstehen. - Dies folgt aus einer gemeinsamen Betrachtung mit dem Merkmal 3.1. Darin heißt es, dass das Aufbringen der Tröpfchen „die Schichtdicke der Grundschicht […] verändert“, diese Veränderung besteht – wie Merkmal 3.2 konkretisiert – in der Materialreduzierung der Grundschicht. Eine solche Veränderung der Schichtdicke erfolgt nach dem für die Auslegung maßgeblichen Anspruchswortlaut bereits in der noch flüssigen Grundschicht. Gestützt wird dieses Verständnis weiter durch den allgemeinen Beschreibungsteil des Klagepatents, wenn es dort heißt:
- „In einem zweiten Schritt wird dann in dieser noch flüssigen Grundschicht mit Hilfe von aufgespritzten, flüssigen Tröpfchen eine Struktur erzeugt.“ (Abs. [0013], Sp. 2, Z. 37 – 39; Hervorhebung diesseits).
- bb)
Bei der Höhen- und Tiefenstruktur der Grundschicht handelt es sich auch bereits um eine Struktur im Sinne des Merkmals 1. - Zwar lässt es die Lehre des Klagepatents, wie Abschnitt [0037],
- „Dieses [gemeint ist das als Grundschicht fungierende lösemittelbasierte Lacksystem] wird nach dem Aufspritzen der Tröpfchen dann z.B. ein [gemeint ist wohl „in“] einem Düsentrockner getrocknet und erhält so die Struktur.“,
- zu erkennen gibt, zu, dass die Struktur im Sinne von Merkmal 1. endgültig erst mit dem Fixieren der Grundschicht (Merkmal 4.) zur Entstehung gelangt. Damit geht indes kein Verfahrensschritt mehr einher, der geeignet ist, ein Profil überhaupt erstmals in die Grundschicht einzubringen. Dies erfolgt vielmehr bereits durch den Schritt nach Merkmal 3.2, der Verfahrensschritt des Fixierens sorgt – wie bereits zu Merkmal 1. ausgeführt – lediglich noch für eine Festigung der Vertiefungen, indem durch Aushärten der Grundschicht deren Verlaufen verhindert wird (Abs. [0031], Sp. 5, Z. 50 – Z. 52) – was die einmal entstandenen Vertiefungen wieder beseitigen könnte.
- cc)
Die Art und Weise, wie die Tröpfchen auf die Grundschicht zur Ausbildung von Tröpfchen einwirken, steht im Belieben des Fachmannes, wobei dieser berücksichtigt, dass – entsprechend den Ausführungen zu Merkmal 1. (zuvor unter lit. a)) – nach der Lehre des Klagepatents neben dem Aufbringen der Tröpfchen keine weiteren Verfahrensschritte zur Erzeugung des Profils, das die Oberflächenstruktur bildet, mehr in Betracht kommen. - (1)
Der Anspruchswortlaut legt sich in diesem Zusammenhang auf keinen bestimmten Wirkmechanismus fest, offenbart wird danach lediglich ein Kausalzusammenhang zwischen dem „Aufspritzen der Tröpfchen“ und den „Vertiefungen“, sprachlich angezeigt mit dem Wort „durch“. Auch der allgemeine Beschreibungsteil enthält eine bloß allgemeine Angabe dessen, was das Aufbringen der Tröpfchen bewirkt, wenn es dort heißt, dass in die noch flüssige Grundschicht „mit Hilfe“ von aufgespritzten, flüssigen Tröpfchen eine Struktur erzeugt werde (auch nach dem Einspruchsverfahren unverändert: Abs. [0013], Sp. 2, Z. 37f.). - (2)
Die Klagepatentbeschreibung weist den Fachmann auf Ausgestaltungen hin, bei denen die aufgebrachten Tröpfchen die Grundschicht „verdrängen.“ So beschreibt es das Klagepatent etwa in Abschnitt [0027] (Sp. 4, Z. 14 – Z. 16; ähnlich auch in Abs. [0031], Sp. 5, Z. 30 und Z. 40), wobei für das Ausmaß der Verdrängungswirkung unter anderem das Material der Tröpfchen, deren Geschwindigkeit und Volumen bestimmend sein können (Abs. [0027], Z. 12 – Z. 14; Abs. [0031], Sp. 5, Z. 33 – 35). Des Weiteren nennt das Klagepatent im Zusammenhang mit einem konkreten Ausführungsbeispiel weitere Parameter (Abs. [0031], Z. 16 – Z. 20: Viskosität der Tinte, Verarbeitungstemperatur, Druck und Oberflächenspannung), woraus der Fachmann entnimmt, dass auch diese die technische Einwirkung der Tröpfchen auf die Grundfläche beeinflussen können. - Angesichts des weiten Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs im Anspruchswortlaut („durch das Aufspritzen“) und dem allgemeinen Beschreibungsteil („mit Hilfe der aufgespritzten Tröpfchen“) ist die Lehre des Klagepatents aber auf solche Ausgestaltungen nicht beschränkt. Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Lehre des Klagepatents auch chemische Reaktionen zwischen den Tröpfchen und der Grundschicht kennt, auch wenn diese „lediglich“ im Zusammenhang mit der optisch/haptischen Veränderung der (bereits vorhandenen) Struktur offenbart sind (Abs. [0023] und Unteranspruch 11; vgl. hierzu auch die vorherigen Ausführungen unter Ziffer 1. lit. a), cc)).
- Die Kammer übersieht in diesem Zusammenhang nicht, dass die Einspruchsabteilung in ihrer das Klagepatent betreffenden Entscheidung davon ausging, dass Abschnitt [0038] eine chemische Reaktion beschreibt und dass diese nicht klagepatentgemäß sei (Anlage B17, S. 12f., Ziff. 4.4.). Das Ausführungsbeispiel unterfällt der geschützten Lehre aber bereits deshalb nicht, weil die Grundschicht (in der Form „wässrigen Acrylatlacks“) danach erst im Anschluss an die Tinte aufgebracht wird, die die Oberflächenstruktur bewirken soll (vgl. Abs. [0038], Sp. 7, Z. 15f.). Die Entscheidungsbegründung des EPA legt nicht offen, im Hinblick worauf die Einspruchsabteilung das Ausführungsbeispiel für nicht erfindungsgemäß erachtet. Zu dem gleichwohl beschränkenden Verständnis des EPA von dem „Aufspritzen der Tröpfchen“ nachfolgend unter Ziffer (3).
- (3)
Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass eine chemische Reaktion zwischen Grundschicht und Tröpfchenmaterial der Auffassung der sachverständigen Einspruchsabteilung zuwider läuft, wonach gerade die Impulswirkung der Tröpfchen die Ausbildung der Vertiefung bedingt (vgl. Bescheid v. 24.07.2019, Anlage B1, S. 10, Rn. 6.2 und Bescheid v. 27.07.202, Anlage B2, S. 9, Rn. 6.2 und Zwischenentscheidung vom 10.03.2021, Anlage B17, S. 17, lit. e)). - Ein solches lässt die insoweit weiter gefasste Fassung des den Schutzbereich bestimmenden Anspruchswortlauts jedoch außer Acht. Auch die Einspruchsabteilung argumentiert insoweit unter Bezugnahme auf das in der Beschreibung enthaltene Ausführungsbeispiel 1 und schließt von dem dort offenbarten Mechanismus auf den Schutzbereich des Klagepatents. Die Kammer kann in diesem Zusammenhang nicht erkennen, dass der weitergehende Anspruchswortlaut und der allgemeine Beschreibungsteil in die Bewertung der Einspruchsabteilung eingeflossen sind, die aber für die Kammer gewichtige Argumente für das von ihr vertretene weitere Auslegungsergebnis sind.
- Im Ergebnis scheint der Kammer aber auch ein Widerspruch zur Auslegung der Einspruchsabteilung insoweit nicht allzu eklatant, weil auch die Kammer zu einem Verständnis gelangt, wonach jedenfalls solche Ausgestaltungen aus dem Schutzbereich herausfallen, bei denen die Einleitung der chemischen Reaktion weitere Schritte erfordert als derjenige des Aufbringens der Tröpfchen auf die Grundschicht.
- 2.
Die angegriffene Ausführungsform TRT setzt das klagepatentgemäße Verfahren nach Klagepatentanspruch 1 nicht um. Es fehlt an einer Verwirklichung des Merkmals 1. und des Merkmals 3.2. - a)
Das Verfahren der angegriffenen Ausführungsform TRT verwirklicht das Merkmal 1. nicht. - Denn dasjenige Werkstück, das mit der angegriffenen Ausführungsform TRT bearbeitet wird, erhält eine haptisch und/ oder optisch ausgeprägte dreidimensionale Oberflächenstruktur (noch) nicht nach Fixierung (Trocknung) der aufgebrachten Grundschicht, sondern erst durch den darauf folgenden, außerhalb der geschützten Lehre liegenden Verfahrensschritt des „Ausbürstens“.
- aa)
Es kann insbesondere nicht angenommen werden, dass eine dreidimensionale optisch/ haptisch wahrnehmbare Struktur bereits nach dem Aufbringen des sog. „TRT-Produkts“ (in der Skizze bezeichnet als „Strukturierung“) bzw. spätestens nach dem als „Härten“ bezeichneten Verfahrensschritt entsteht. Selbst dann, wenn der Vortrag der Klägerin zutrifft, dass das Aufbringen des Materials bereits zu einer irgendwie gearteten Strukturierung in der Grundschicht (in Form von Vertiefungen im Sinne der Lehre des Klagepatents, dazu nachfolgend unter lit. b)) führt, hat sie – als nach allgemeinen Grundsätzen darlegungsbelastete Partei – auf das qualifizierte Bestreiten der Beklagten gemessen an § 138 Abs. 2 ZPO nicht hinreichend dazu vorgetragen, dass eine so strukturierte Grundschicht spätestens nach dem Verfahrensschritt des Härtens soweit freigelegt ist, dass eine dreidimensionale, optisch und/ oder haptisch wahrnehmbare Oberflächenstruktur zur Entstehung gelangt ist. - Die Klägerin bezieht sich bei ihrer Verletzungsdiskussion im Wesentlichen auf die skizzenhafte Darstellung des Verfahrens der angegriffenen Ausführungsform nach Anlage TW A13 (vgl. zu dieser auch den unstreitigen Teil des Tatbestandes). Auch diese legt indes nahe, dass etwaige Vertiefungen in der Grundschicht an der Oberfläche jedenfalls deshalb noch nicht im Sinne einer dreidimensionalen Struktur erkennbar sind, weil sie (noch) durch Material eingenommen werden. Dieser Aussagegehalt liegt aus Sicht der Kammer insbesondere deshalb nahe, weil in dem Teil der Skizze, der mit „Strukturierung“ / „Härten“ überschrieben ist, die Bereiche der Grundschicht, auf die das „TRT-Produkt“ aufgebracht worden sind, mit schwarzer Farbe ausgefüllt sind und die Oberfläche so glatt erscheinen lässt. Ein dreidimensionales Höhen- und Tiefenprofil entsteht nach der Skizze erst mit dem auf das „Härten“ folgenden Verfahrensschritt des „Bürstens“. Auch die Beklagte hat insoweit vorgebracht, dass die Grundschicht, nachdem das „TRT-Produkt“ auf diese aufgebracht worden ist, eine glatte Oberfläche bilde.
- bb)
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der angegriffenen Ausführungsform TRT bearbeiteten Werkstück, welches die Beklagte als Anlage B9 vorgelegt hat, und auf welches sich die Klägerin in Anbetracht der Tatsache bezogen hat, dass dieses auch auf dem nicht ausgebürsteten Teil seiner Oberfläche ein dreidimensionales Höhen- und Tiefenprofil zeigt. - Das vorgelegte Muster ist jedoch weder geeignet, einen Eindruck davon zu vermitteln, wie sich die flüssige (!) Grundschicht nach dem Aufbringen der Tröpfchen darstellt, noch lässt dieses Rückschlüsse darauf zu, in welchem Zustand sich die Oberfläche des behandelten Werkstücks zwischen dem Verfahrensschritt des „Härtens“ und des „Bürstens“ befindet.
- Bei dem als Anlage B9 vorgelegten Muster handelt es sich nach dem Vortrag der Beklagten um ein nur teilweise ausgebürstetes Erzeugnis, welches sie vorgelegt hat, um die Unterschiede zwischen dem Zustand vor und nach dem Verfahrensschritt des „Ausbürstens“ zu verdeutlichen. Zu diesem Zweck ist das Muster nach dem Vorbringen der Beklagten einem besonders intensiven Härtungsprozess unterzogen worden, welcher die Unebenheiten auch in der ungebürsteten Oberfläche verursacht habe und welcher sich von dem Härtungsschritt unterscheide, der bei der angegriffenen Ausführungsform TRT herkömmlicherweise zur Anwendung gelange. Dieses intensive Aushärten habe durchgeführt werden müssen, weil andernfalls eine flüssig-pastöse Masse in dem nicht ausgebürsteten Teilen zurückgeblieben wäre, so dass eine Vorlage als Muster nicht hätte erfolgen können. Es seien deshalb – mittels des besonderen Härtungsverfahrens – auch diese flüssig-pastösen Teile gehärtet worden. Der starke Vorgang des Erhitzens habe das Aufplatzen von Rissen (Mikrofissuren) sowie die Verdunstung von Material verursacht.
- Das Bestreiten dieses Vorbringens mit Nichtwissen durch die primär darlegungsbelasteten Klägerin ist in diesem Zusammenhang unbehelflich.
- Sofern die Klägerin das vorgelegte Muster zur Substantiierung ihres Vorbringens verwendet, hat sie – ggf. auch gegen einen entsprechenden Vortrag der Beklagten – aufzuzeigen, dass dieses geeignet ist, die Richtigkeit ihres Vorbringens zu stützen, woran es hier fehlt. Insoweit erachtet die Kammer insbesondere den pauschalen Vortrag, bei der Höhen- und Tiefenstruktur auf dem unausgebürsteten Teil des Holzstücks würde es sich um eine solche handeln, die typisch für den Einschlag von Tröpfchen seien, nicht als ausreichend. Es bleibt unklar, was genau die Typik begründet und inwieweit sich Unterschiede zu der Ausgestaltung auftun, die die Beklagte mit dem intensiven Aushärtungsverfahren in Bezug nimmt.
- b)
Die Kammer kann auch nicht feststellen, dass bei dem Verfahren, das mittels der angegriffenen Ausführungsform durchgeführt wird, in die noch flüssige Grundschicht Vertiefungen im Sinne von Merkmal 3.2 eingebracht werden. - Aus Sicht des darlegungsbelasteten Patentinhabers genügt zunächst – ohne Gegenvortrag des vermeintlichen Verletzers – die konkrete Behauptung, die angegriffene Ausführungsform mache von jedem Merkmal des Patentanspruchs Gebrauch (OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.01.2017, Az.: I-2 U 41/12, GRUR-RS 2017, 102029, Rn.104). Bestreitet der Beklagte daraufhin die Verwirklichung einzelner Merkmale – wofür zunächst – spiegelbildlich zu dem klägerischen Vortrag pauschaler Vortrag genügt – ist der Kläger gehalten, seinen Verletzungsvorwurf weiter auszuführen (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Tut er dies, erhöhen sich auch für den Beklagten die Anforderungen an sein Bestreiten. Das bedeutet aber nicht, dass der Beklagte dann, wenn es an substantiiertem Klägervortrag fehlt, das Gericht und den Kläger über den wirklichen Verletzungstatbestand unterrichten muss (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
- Nach dieser Maßgabe hat die Klägerin nicht aufgezeigt, dass das Aufbringen der Tröpfchen eine Reduzierung der Schichtdicke der Grundschicht im Sinne der Lehre des Klagepatents herbeiführt.
- aa)
Sie hat zwar auf der Grundlage der Skizze nach Anlage TW A13 ausgeführt, dass das Material der Grundschicht durch die Impulswirkung der Tröpfchen dort, wo diese auf die Grundschicht gelangen, minimiert werde. Diesem Vorbringen ist aber die Beklagte hinreichend entgegengetreten, indem sie behauptet hat, dass es lediglich zu einer Vermischung – im physikalischen Sinne – von Tröpfchenmaterial und Grundschicht komme. Die Beklagte muss auch diesen Vortrag nicht mit weiteren Informationen darüber anreichern, welches Material bei Grundschicht und Tröpfchen jeweils zum Einsatz gelangt, um zu plausibilisieren, dass es zu einer Vermischung kommt. Denn die primär darlegungsbelastete Klägerin hat ihrerseits den Vortrag, dass es zur Ausbildung von Vertiefungen komme, nicht konkretisiert, sondern macht weiterhin im Wesentlichen die schematische Abbildung der Anlage TW A13 für die Richtigkeit ihres Vorbringens fruchtbar. Diese Skizze ist indes – worauf die Kammer bereits im Zusammenhang mit der Nichtverwirklichung des Merkmals 1. hingewiesen hat (unter lit. a), aa)) – insoweit unergiebig. Die Klägerin kann den hier in Rede stehenden Vortrag der Beklagten auch nicht mit bloßem Nichtwissen bestreiten, denn sie – die Klägerin – trägt die primäre Darlegungslast für die Verletzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform. - Nach dem Vorbringen der Beklagten aber liegt das Material der Grundschicht noch immer derart vor, dass es mit dem Rest der Grundschicht eine glatte Oberfläche bildet (vgl. zu diesem Vorbringen der Beklagte bereits unter lit. a), aa)). Der Teil der Grundschicht, der mit den Tröpfchen in Kontakt gekommen ist, enthält zwar Materialeinschlüsse des „TRT-Produkts“, dabei aber handelt es sich nicht um eine Reduzierung der Schichtdicke im Sinne der Lehre des Klagepatents. Denn das Material der Grundschicht liegt nach wie vor vor – wenngleich in einer anderen physikalischen Anordnung – und bildet die Schichtdicke somit aus.
- Dementsprechend hat die Beklagte weiter auch vorgetragen, dass die eingebrachte Spezialtinte ähnlich einer Maske wirke und an der Stelle, an der sie aufgebracht worden sei, das Aushärten der Grundschicht verhindere. Infolgedessen würden beim Ausbürsten nicht nur die aufgebrachten Tröpfchen, sondern auch Teile der Grundschicht entfernt. Dies steht der Annahme entgegen, dass durch das Aufspritzen der Tröpfchen Vertiefungen in der Grundschicht entstehen. Vielmehr hat es den Anschein, dass die Beklagte mit dem angegriffenen Verfahren einem anderen Prinzip folgt, als es der Lehre des Klagepatents zugrunde liegt.
- bb)
Die Klägerin hat weiter noch ausgeführt, dass eine Impulswirkung der Tröpfchen auf die Grundschicht der angegriffenen Ausführungsform physikalisch zwingend sei. Dem aber vermag die Kammer so nicht zu folgen. - Der Kammer erschließt sich nicht, weshalb es sich bei der Ausbildung von Vertiefungen (im Sinne des Klagepatents) um eine technische Notwendigkeit handelt. Zweifel sind bereits im Hinblick auf die grundsätzliche Annahme, dass jedes Aufbringen von Tröpfchen überhaupt eine Verdrängungswirkung erzielt, begründet. Das Klagepatent selbst nennt eine Vielzahl von Parametern, von denen die Verdrängungswirkung der Tröpfchen auf die Grundschicht abhängig ist (Abs. [0016], Sp. 3, Z. 7f., Abs. [0027], Sp. 4, Z. 12 – Z.16, Abs. [0031]), so dass eine solche gerade nicht zwingend erscheint. Jedenfalls aber verhält sich die Klägerin auch nicht dazu, dass die von ihr als zwingend angenommene Verdrängungswirkung zur Ausbildung von Vertiefungen im Sinne einer bleibenden Materialreduzierung in der flüssigen Grundschicht führt.
- Hiergegen steht nicht nur der anderslautende Vortrag der Beklagten (vgl. dazu zuvor unter lit. aa)), sondern auch die fachmännischen Ausführungen der Einspruchsabteilung in der Entscheidung über die teilweise Aufrechterhaltung des Klagepatents vom 20.05.2021. Dort wird unter anderem ausgeführt:
- „Es ist unbestreitbar, dass jedes von einem Tintenstrahldrucker verspritzte Tröpfchen einen Impuls hat, jedoch kann die Einspruchsabteilung die Behauptung der Einsprechenden nicht nachvollziehen, dass jedes dieser verspritzten Tröpfchen zwangsläufig eine Vertiefung in eine flüssige Grundschicht verursacht, denn die Fähigkeit eine Vertiefung zu verursachen, hängt nicht allein von der Größe, Dichte und der Geschwindigkeit des Tröpfchens ab, sondern auch von der Beschaffenheit der Grundschicht in ihrem flüssigen Zustand.“ (Anlage B17, S. 17, unter lit. c)).
-
IV.
Der Klageerweiterungsschriftsatz der Klägerin vom 11. November 2021 gibt keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung gemäß § 156 ZPO wiederzueröffnen. - Nach Schluss der mündlichen Verhandlung angekündigte neue Sachanträge, zu denen auch eine Klageerweiterung zählt, fallen zwar nicht unter § 296a ZPO, sie sind aber gleichwohl unzulässig, da sie spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung, nach der das Urteil ergeht, zu stellen waren (Zöller/Greger, ZPO 33. Aufl.: § 296a Rn 2a). Das Gericht kann jedoch gemäß § 156 ZPO die mündliche Verhandlung wiedereröffnen (Zöller/Greger, a.a.O.).
- Zwingende Gründe im Sinne von § 156 Abs. 2 ZPO, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, liegen nicht vor. Das ihr gemäß § 156 Abs. 1 ZPO eingeräumte Ermessen übt die Kammer ebenfalls dahingehend aus, die mündliche Verhandlung nicht wiederzueröffnen. Bei der Ausübung ihres Ermessens hat die Kammer zum einen die Konzentrationsmaxime berücksichtigt, die den raschen Abschluss der Instanz gebietet (vgl. Zöller/Greger, ZPO 33. Aufl.: § 156 Rn 5 und § 296a Rn 2a). Zum anderen hat die Kammer in die Ermessensentscheidung einbezogen, dass die Klägerin durch die Ablehnung der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gehalten sein könnte, die weiteren Anträge in einem etwaigen Berufungsverfahren klageerweiternd oder im Wege einer gesonderten Klage geltend zu machen. Eine Klageerweiterung in der Berufungsinstanz ist nur unter den Voraussetzungen von § 533 ZPO zulässig, wobei gegebenenfalls der aus § 145 PatG resultierende Zwang zur Klagekonzentration Berücksichtigung finden kann (OLG Düsseldorf GRUR-RR 2021, 150 – Kopierschutz). Im Fall einer gesonderten Klage besteht ebenfalls die Gefahr, dass der neuen Klage die Rüge aus § 145 PatG entgegengehalten wird. Allerdings sieht es die Kammer als nicht gerechtfertigt an, die Klägerin durch eine ohne Anhörung der Beklagten ergangene Ermessensentscheidung, mit der die mündliche Verhandlung wiedereröffnet wird, vor einem etwaigen Gegenrecht der Beklagten zu schützen. Stattdessen ist dieses Gegenrecht in einem Verfahren oder Verfahrensstadium zu prüfen, in dem es auch geltend gemacht werden kann. Die Klägerin ist dadurch nicht unangemessen benachteiligt oder rechtlos gestellt, weil § 145 PatG den Erfolg der Rüge davon abhängig macht, ob der Kläger ohne sein Verschulden nicht in der Lage war, auch das weitere Patent in dem früheren Rechtsstreit geltend zu machen. Genau diese Frage ist aber aufgeworfen, wenn die Klägerin erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung die Klage erweitert und dies damit begründet, erst mit der Duplik Kenntnis von den Details des angegriffenen Verfahrens und der Verletzung des weiteren Patents erhalten zu haben. Die Frage ist jedoch nicht im Rahmen einer Entscheidung über die Wiedereröffnung der Verhandlung zu beantworten.
-
V.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 Abs. 1, Satz 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. - Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 Satz 1, 2 ZPO.
- VI.
Der Streitwert wird gem. § 51 Abs. 1 Satz 1 GKG auf EUR 600.000,- festgesetzt.