4b O 66/04 – Schwangerschaftstestgerät XIII

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1380

Landgericht Düsseldorf
Teilversäumnis- und Teilverzichtsurteil vom 21. Januar 2010, Az. 4b O 66/04

I. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit im Hinblick auf den Unterlassungsantrag (Antrag zu I.1. der Klageschrift vom 2. März 2004) erledigt ist.

II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie in der Zeit vom 16. März 1994 bis zum 26. April 2008

in der Bundesrepublik Deutschland

analytische Testgeräte, umfassend einen trockenen porösen Träger, ein unmarkiertes spezifisches Bindungsreagenz für einen Analyten, welches unmarkierte Reagenz auf dem porösen Träger in einer Nachweiszone permanent immobilisiert und daher in feuchtem Zustand nicht beweglich ist, in trockenem Zustand in einer Zone stromaufwärts von der Nachweiszone ein markiertes spezifisches Bindungsreagenz für dieselbe Nachweissubstanz, welches markierte spezifische Bindungsreagenz innerhalb des porösen Trägers in feuchtem Zustand frei beweglich ist, so dass die Flüssigkeitsprobe, die dem Gerät zugeführt ist, das markierte Reagenz aufnehmen und danach in die Nachweiszone eindringen kann, bei denen der poröse Träger und das markierte spezifische Bindungsreagenz innerhalb eines hohlen Gehäuses enthalten sind, das Gehäuse aus feuchtigkeitsundurchlässigen festem Material aufgebaut ist, der poröse Träger direkt oder indirekt mit dem Äußeren des Gehäuses derart in Verbindung steht, dass flüssige Testprobe auf dem porösen Träger aufgebracht werden kann, das Gehäuse Mittel zum Feststellen des Ausmaßes (sofern gegeben) beinhaltet, bis zu dem das markierte Reagenz in der Nachweiszone gebunden ist, der Markierungsstoff ein Direktmarkierungsstoff in Form eines Farbsols, Goldsols oder gefärbter Latexteilchen ist, das markierte Reagenz in einer ersten Zone des trockenen porösen Trägers enthalten ist und das unmarkierte Reagenz in einer von der ersten Zone räumlich getrennten Nachweiszone immobilisiert ist, die beiden Zonen derart angeordnet sind, dass eine auf dem porösen Träger aufgebrachte Flüssigkeitsprobe über die erste Zone in die Nachweiszone dringen kann und der poröse Träger einen Streifen oder eine Folie von porösem Material umfasst;

angeboten hat, in Verkehr gebracht hat oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken entweder eingeführt oder besessen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, und –preisen (gegebenenfalls der Marken- und/oder Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen (gegebenenfalls der Marken- und/oder Typenbezeichnungen) sowie die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu (a) und (b) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen haben,

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten gesamtschuldnerisch trägt und ihn ermächtiget und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziffer I. bezeichneten, seit dem 16. März 1994 bis zum 26. April 2008 begangenen Handlungen entstanden ist und noch zukünftig entstehen wird.

IV. Im Übrigen wird die Klage wegen des Anspruchs auf Vernichtung abgewiesen.

V. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin ist seit dem 21. Juni 2002 eingetragene Inhaberin des mit Wirkung u.a. für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 291 XXX (nachfolgend Klagepatent), das auf einer Anmeldung vom 26. April 1988 beruht und dessen Erteilung am 16. Februar 1994 veröffentlicht wurde. Das Klagepatent, welches anlaytische Testgeräte betrifft, wurde in einem Einspruchsbeschwerdeverfahren geringfügig eingeschränkt. In einem beim Bundespatentgericht geführten Nichtigkeitsverfahren wurde das Klagepatent am 7. Juni 2005 widerrufen. Auf die gegen die Entscheidung beim Bundesgerichtshof durchgeführte Berufung wurde das Klagepatent mit Urteil vom 4. November 2008 eingeschränkt aufrechterhalten. Das Klagepatent ist seit dem 26. April 2008 wegen Zeitablaufs erloschen.

Der geltende Patentanspruch lautet in deutscher Übersetzung wie folgt:

„Analytisches Testgerät, umfassend einen trockenen porösen Träger (10), unmarkiertes spezifisches Bindungsreagenz für einen Analyten, welches unmarkierte Reagenz auf dem porösen Träger in einer Nachweiszone (14) permanent immobilisiert und daher in feuchtem Zustand nicht beweglich ist, und in trockenem Zustand in einer Zone (12) stromaufwärts von der Nachweissubstanz ein markiertes spezifisches Bindungsreagenz für dieselbe Nachweissubstanz, welches markierte spezifische Bindungsreagenz innerhalb des porösen Trägers in feuchtem Zustand frei beweglich ist, so dass die Flüssigkeitsprobe, die dem Gerät zugeführt ist, das markierte Reagenz aufnehmen und danach in die Nachweiszone eindringen kann, dadurch gekennzeichnet, dass der poröse Träger und das markierte spezifische Bindungsreagenz innerhalb eines hohlen Gehäuses (30) enthalten sind, das aus feuchtigkeitsundurchlässigem, festem Material aufgebaut ist, der poröse Träger direkt oder indirekt mit dem Äußeren des Gehäuses derart in Verbindung steht, dass flüssige Testprobe auf den porösen Träger aufgebracht werden kann, das Gehäuse Mittel (32) zum Feststellen des Ausmaßes (sofern gegeben) beinhaltet, bis zu dem das markierte Reagenz in der Nachweiszone gebunden ist, der Markierungsstoff ein Direktmarkierungsstoff in Form eines Farbsols, Goldsols oder gefärbter Latexteilchen ist, das markierte Reagenz in einer ersten Zone (12) des trockenen porösen Trägers enthalten ist und das unmarkierte Reagenz in einer von der ersten Zone räumlich getrennten Nachweiszone immobilisiert ist, wobei die beiden Zonen derartig angeordnet sind, dass eine auf den porösen Träger aufgebrachte Flüssigkeitsprobe über die erste Zone in die Nachweiszone dringen kann, und der poröse Träger einen Streifen oder eine Folie von porösem Material umfasst.“

Die nachfolgenden Figuren 1 bis 3 der Patentschrift zeigen ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung:

Die Beklagte, welche am 21. September 2007 aus dem Firmenbuch gelöscht wurde, ist ein Vertriebsunternehmen, das im Vertrieb von diagnostischen Tests tätig ist. Sie beliefert von Österreich aus deutsche Vertriebsunternehmen mit derartigen Produkten. Die Klägerin legte als Anlage A 13 einen Internet-Ausdruck vom 17. Januar 2004 vor, anhand dessen sich die von der Beklagten angebotenen hCG-Schwangerschaftstestgeräte und LH-Ovulationsgeräte ergeben. Als Anlage A 14 legte die Klägerin ein Schwangerschaftstestgerät mit dem Handelsnamen „B“ nebst Gebrauchsanweisung vor. Eine weitere Gebrauchsanweisung eines Testgerätes mit dem Handelsnamen „C“ legte die Klägerin als Anlage A 15 vor.

Die angegriffene Ausführungsform umfasst einen Träger aus Polyethylen, auf den eine trockene poröse Membran aufgebracht ist. Auf der porösen Membran befindet sich ein Glasfaserkissen mit goldmarkiertem Maus-Anti-hCG-Antikörper, welcher an das beta-Epitop des hCG-Schwangerschaftshormons bindet. Die angegriffene Ausführungsform weist des Weiteren eine stromabwärts vom Glasfaserkissen gelegene Detektionszone auf. In dieser Detektionszone liegt ein immobilisierter monoklonaler Anti-Maus-Antikörper, der an die alpha-Kette des Schwangerschaftshormons bindet. Stromabwärts der Detektionszone befindet sich die Kontrollzone, in der ein Anti-Maus-Antikörper vorliegt. Außer dem goldmarkierten hCG-spezifischen Antikörper liegen auf dem Glasfaserkissen weitere unmarkierte Antikörper vor, die spezifisch sind für das hCG-verwandte Hormon LH, das von der Beklagten als ein „Abfangantikörper“ bezeichnet wird. Die Anordnung aus Polyethylenträger, Membran und Glasfaserkissen ist in eine Umhüllung aus Pappe eingebettet. Die äußere Umhüllung auf Seiten der Anwendungsoberfläche ist mit einer Kunststoffbeschichtung versehen. Die Seitenkanten sind nicht mit Kunststofffolie überzogen.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die streitbefangenen Schwangerschaftstest wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch gemacht haben. Vorliegend nimmt sie die Beklagte deshalb, nachdem sie den Rechtsstreit im Hinblick auf den Ablauf der Schutzdauer für das Klagepatent für erledigt erklärt hat und sich die Beklagte der Erledigungserklärung nicht angeschlossen hat, sowie einen Verzicht hinsichtlich des ursprünglich geltend gemachten Vernichtungsanspruches erklärt hat, auf Feststellung der Erledigung des Unterlassungsanspruches, Rechnungslegung und Schadenersatz in Anspruch.

Die Klägerin beantragt, nachdem die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht vertreten war,

zu erkennen, wie geschehen im Wege eines Versäumnisurteils.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Nach dem Paragraphen 331 Absatz 3 der deutschen Zivilprozessordnung ist die Beklagte – wie aus dem Tenor zu ersehen – durch Teilversäumnisurteil zu verurteilen.

Die Beklagte ist nach Paragraph 50 der deutschen Zivilprozessordnung trotz Löschung aus dem Firmenbuch weiterhin parteifähig (vergleiche Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 27. Auflage, Paragraph 50 Randnummer 4).

Entgegen der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 26. November 2009, welche der Beklagten am 2. September 2009 über ihre ehemaligen Prozessbevollmächtigten zugestellt worden ist, ist die Beklagte im Termin nicht erschienen. Nach dem Paragraphen 331 Absatz 1 der deutschen Zivilprozessordnung gilt daher das Klagevorbringen der Klägerin als zugestanden.

Hiervon ausgehend stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Schadensersatz nach den Artikeln 64 Absatz 1 und 69 Absatz 1 des Europäischen Patentübereinkommens in Verbindung mit den Paragraphen 9 Nummer 1, 14, 15 Absatz 2, 139 Absatz 1 und 2, 140b Absatz 1 und 2 des deutschen Patentgesetzes und den Paragraphen 242, 259 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches zu, weil die angegriffenen Ausführungsformen nach dem zugestandenen Klagevorbringen unberechtigt von allen Merkmalen des Klagepatents wortlautgemäßen Gebrauch macht. Im Hinblick auf den Ablauf der Schutzdauer für das Klagepatent ist der Rechtsstreit wegen des ursprünglich beanspruchten Unterlassungsanspruches auch erledigt. Die ursprüngliche Klage war zulässig und begründet.

Hinsichtlich des klägerseits erklärten Verzichts auf den ursprünglich geltend gemachten Vernichtungsanspruchs konnte ein Teilverzichtsurteil gemäß Paragraph 306 der deutschen Zivilprozessordnung ergehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem Paragraphen 92 Absatz 2 der deutschen Zivilprozessordnung. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus dem Paragraphen 708 Nummer 2 der deutschen Zivilprozessordnung.

Die Einspruchsfrist gegen dieses Versäumnisurteil wird auf 3 Wochen festgelegt.

Der Streitwert beträgt 1.000.000,- €.