Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3187
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. April 2021, Az. 4c O 46/20
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen
- Energieautarke elektromechanische Funkschalter oder Funktaster mit
- – zumindest einer Schaltwippe,
– zumindest einem Wandlerelement zur Wandlung von mechanischer in elektrische Energie,
– zumindest einer Totpunktmechanik,
– zumindest einer Elektronik, die mit dem Wandlerelement elektrisch verbunden ist, zur Erzeugung und Absendung eines Funksignals,
– zumindest ein Betätigungsfeld mit zumindest einem Sensor pro Betätigungsfeld und
– zumindest einer Mechanik zur Umlenkung der durch die Schaltwippe eingebrachten Kraft auf die Totpunktmechanik, - wobei mittels der Totpunktmechanik eine mechanische Verbindung zwischen der Schaltwippe und dem Wandlerelement gebildet ist und eine durch die Schaltwippe eingebrachte mechanische Energie in der Totpunktmechanik bis zum Erreichen eines Wendepunkts gespeichert wird und nach dem Überschreiten des Wendepunkts die Energie an das Wandlerelement übertragen wird, wobei die Kraft und die Geschwindigkeit der damit erreichten Anregung des Wandlerelements durch die Totpunktmechanik bestimmt ist,
- in der Bundesrepublik anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen
- dadurch gekennzeichnet, dass
- die Totpunktmechanik einen oberen Totpunkt und einen unteren Totpunkt aufweist, der jeweils einen Bewegungsendpunkt einer gerichteten Bewegung der Totpunktmechanik bildet und wobei
- der Wendepunkt zwischen den Totpunkten angeordnet ist und
- die Totpunktmechanik das Wandlerelement in der Bewegungsrichtung der Energiespeicherung anregt;
- 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziff. I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 24. Juli 2010 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
- b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen in Deutschland sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden wobei
- zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 24. Juli 2010 begangen hat und zwar unter Angabe
- a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
- b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
- c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
- d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- 4. die unter I.1. bezeichneten und in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
- II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 20. August 2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 16.193,80 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. September 2020 zu bezahlen.
- IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- V. Das Urteil ist hinsichtlich des Tenors zu I. vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Antrags zu III. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages.
- Tatbestand
- Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patentes 1 550 XXX B1 (nachfolgend Klagepatent), welches am 19. September 2003 angemeldet und dessen Anmeldung am 6. Juli 2005 veröffentlicht wurde. Die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung sowie der Veröffentlichung der Patentschrift erfolgten am 7. Juni 2006. Das Klagepatent, welches in Kraft steht, wird bei dem Deutschen Patent- und Markenamt unter der Registernummer DE 503 03 XXX.8 geführt. Der Patentanspruch 1 hat den im Urteiltenor zu I.1. genannten Wortlaut.
- Die Beklagte ist ein Großhandel, Importeur und Exporteur von Elektrogeräten mit Sitz in Großbritannien. Den internationalen Vertrieb über das Internet bietet die Beklagte über die Internetseite www.B.co.uk unter der Bezeichnung „A“ an. Zu ihrem Produktsortiment gehören energieautarke Funkschalter unter der Bezeichnung C, insbesondere Installationsschalter mit einem oder mehreren Betätigungsfeldern sowie eine batterielose Fernbedienung, D (nachfolgend angegriffene Ausführungsformen). Die Klägerin ließ sowohl einen Betätigungsschalter mit zwei Betätigungsfeldern, E, als auch einen Funkschalter F bestellen, welche auch nach Deutschland geliefert wurden.
- Den Vertrieb des energieautarken Schalters Gnahm die Klägerin zum Anlass an die Beklagte mit Schreiben vom 25. Februar 2020 eine Berechtigungsanfrage zu richten. Die Berechtigungsanfrage bezog sich neben dem Klagepatent auch auf das deutsche Patent DE 103 15 XXX B4 und das europäische Patent 1 611 XXX B3. Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht. Auch auf das weitere Schreiben der Klägerin vom 4. Mai 2020 erfolgte keine Reaktion. Daraufhin mahnten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 2. Juni 2020 auf Basis des Klagepatentes und der beiden vorgenannten weiteren Schutzrechte mit Blick auf den Installationsschalter C ab. Die gesetzte Frist zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zum 17. Juni 2020 verstrich ohne Erfolg.
- Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2020 nahm die Klägerin die Beklagte im Klageweg wegen Verletzung des Klagepatentes auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung in Anspruch. Die Klage wurde der Beklagten am 7. September 2020 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2020 beantragten die hiesigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten die Klage abzuweisen; mit weiterem Schriftsatz vom 21. Dezember 2020 erkannte die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche gemäß Ziffer I. und II., nicht hingegen Ziffer III., an.
- Die Klägerin beantragt, nachdem die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft, Unterlassung und Rechnungslegung, Rückruf und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anerkannt hat,
- die Beklagte zum Ersatz der Kosten der vorgerichtlichen Abmahnung in Höhe von EUR 16.193,80 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage wegen der Abmahnkosten abzuweisen.
- Die Beklagte macht geltend, dass der Ersatz der Abmahnkosten in der geltend gemachten Höhe nicht gerechtfertigt sei. Soweit eine Orientierung am Streitwert erfolgt sei, sei dieser mit EUR 500.000,00 zu hoch angesetzt, da die Beklagte mit der angegriffenen Ausführungsform in Deutschland lediglich einen Umsatz von ungefähr EUR 435,00 getätigt habe. Zudem betrage die Laufzeit des Klagepatentes weniger als drei Jahre.
- Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Antragsschrift sowie der weiteren Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
- Entscheidungsgründe
- Nach dem § 307 ZPO ist die Beklagte, nachdem sie die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Rückruf und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anerkannt hat, – wie aus dem Tenor zu ersehen – durch (Teil-)Anerkenntnisurteil zu verurteilen.
- Der Klägerin steht indes ferner Ersatz der außergerichtlichen Abmahnkosten in der geltend gemachten Höhe aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB zu. Die Beklagte vermochte sich nicht mit Erfolg gegen die von der Klägerin in Ansatz gebrachte EUR 16.193,80 Höhe zu wenden. Der zugrundegelegte Streitwert in Höhe von EUR 500.000,00 ist angemessen.
- Der Gegenstandswert der Abmahnung wegen Patentverletzung bestimmt sich grundsätzlich nach denselben Regeln, nach denen der Streitwert einer Verletzungsklage zu bemessen ist (§ 23 Abs. 3 Satz 2 RVG). Die Wertangabe des Abmahnenden ist dabei vom Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu überprüfen (vgl. Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 13. Aufl. Kap. C Rn. 51). Wird die Abmahnung, d.h. das konkret mit ihr verbundene, einheitliche Unterlassungsverlangen, auf mehrere Schutzrechte gestützt, setzt sich der Gegenstandswert nicht aus der Summe aller Einzelstreitwerte der verfolgten Klagegründe zusammen; vielmehr entspricht der Gegenstandswert der Abmahnung dem einfachen Unterlassungsinteresse des Abmahnenden. Die für die Abmahnung angefallenen Kosten sind daher bereits dann in voller Höhe erstattungsfähig, wenn sich der abgemahnte Anspruch als nach nur einem der zu seiner Rechtfertigung angeführten Schutzrechte begründet erweist (BGH, GRUR 2016, 1301 – Kinderstube; Kühnen, a.a.O. Kap. C. Rn 51). Dies ist vorliegend der Fall, da die Beklagte die auf das Klagepatent gestützten Anträge zu Ziffer I. und II. anerkannt hat.
- Der von der Klägerin insgesamt angesetzte Streitwert im Abmahnschreiben in Höhe von EUR 500.000,00, ist gerechtfertigt. Grundsätzlich gilt für die Streitwertbemessung das wirtschaftliche Interesse, das der Kläger mit seiner Klage objektiv verfolgt, wobei es auf die Verhältnisse bei Klageeinreichung ankommt, § 40 GKG. Ist Gegenstand des Verfahrens ein Unterlassungsanspruch, welcher im Regelfall 70 % des Streitwerts ausmacht, ist entscheidend, mit welchen Nachteilen der Kläger bei einer Fortsetzung des beanstandeten Verhaltens rechnen muss. Die Streitwertfestsetzung hat insoweit dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Rechtsschutzziel nicht in einer Sanktion für bereits vorliegende, die Wiederholungsgefahr begründende Verstöße besteht, sondern dahin geht, den Kläger vor zukünftigen Verletzungshandlungen zu bewahren. Ausschlaggebend ist daher das wirtschaftliche Interesse an einer Abwehr der mit weiteren Verstößen verbundenen Nachteile. In diesem Zusammenhang sind die bei Klageerhebung noch gegebene Restlaufzeit des Klagepatents zu berücksichtigen sowie die Verhältnisse beim Kläger (Umsatz, Größe Marktstellung), Art, Ausmaß und Schädlichkeit der Verletzungshandlung sowie die Intensität der Begehungs- und Wiederholungsgefahr. Handelt es sich bei der Verletzungshandlung erkennbar um einen singulären Einzelfall ohne die ernstliche Gefahr der Wiederholung, kann sich ein sechsstelliger Streitwert verbieten (BGH, GRUR 2014, 206 – Einkaufskühltasche).
- Herrscht Uneinigkeit über die richtige Bemessung des Streitwerts, kann eine über die restliche Laufzeit des Patents angestellte Lizenzbetrachtung einen rechnerischen Anhaltspunkt bieten, indem diejenigen Lizenzgebühren ermittelt werden, die dem Kläger mutmaßlich zustehen würden, wenn die Verletzungshandlungen bis zum Ablauf des Klagepatentes fortgesetzt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Parteien dem Gericht belastbares Zahlenmaterial zur Verfügung stellen. Der Streitwertangabe des Klägers kommt für die Festsetzung dabei überragendes Gewicht zu, weil die Parteien mit den für die Streitwertbemessung maßgeblichen Umständen am besten vertraut sind. Das gilt umso mehr, je weniger die Parteien sich zum Umsätzen und Lizenzsätzen verhalten, die eine rechnerische Ermittlung des Streitwerts erlauben würden. Genauso aufschlussreich kann der Streitwert für eine der Klage vorausgehende Abmahnung sein. Die Streitwertangabe des Klägers steht daher erst dann zur Disposition, wenn konkret Anhaltspunkte bestehen, dass die Angabe ersichtlich überhöht ist (vgl. Kühnen, a.a.O. Kap. C. Rn. 179).
- Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der für die Abmahnung angesetzte Streitwert von EUR 500.000,00 gerechtfertigt. Hierbei handelt es sich um den Streitwert, den die Klägerin auch der Abmahnung zugrunde gelegt hat und diese ist regelmäßig darauf gerichtet, den Schutzrechtseingriff endgültig abzustellen und stimmt infolgedessen mit dem Rechtsverfolgungsinteresse einer nachfolgenden Unterlassungsklage überein. Die Beklagte vermochte demgegenüber nicht mit der gebotenen Konkretheit Anhaltspunkte aufzuzeigen, dass dieser Streitwert überhöht ist. Dies folgt bereits nicht aus dem Umstand, dass die Laufzeit des Klagepatentes zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch drei Jahre betrug. Denn auch bei reduzierter Laufzeit eines Patentes kann das wirtschaftliche Interesse der Klägerin noch erheblich sein. Soweit die Beklagte ferner darauf verwiesen hat, dass in Deutschland lediglich Umsätze im dreistelligen Bereich getätigt worden seien, vermag die Kammer diesen Umstand der Beurteilung nicht zugrundezulegen, da es sich insoweit um eine pauschale Behauptung handelt, die nicht durch entsprechendes Zahlenmaterial unterlegt wurde. Eine über die Laufzeit des Patents anzustellende Lizenzbetrachtung setzt jedoch voraus, dass dem Gericht belastbares Zahlenmaterial zur Verfügung gestellt wird, was vorliegend nicht der Fall war.
- Insofern hat es bei der von der Klägerin angegebenen Streitwertangabe zu verbleiben, so dass die vorgerichtlich entstandenen Abmahnkosten auf Grundlage dieses Streitwerts zu erstatten sind.
- Die Kostenentscheidung beruht auf den § 91 Abs. 1 ZPO.
- Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 1, 709 ZPO.
- Der Streitwert wird auf EUR 500.000,00 festgesetzt.