4b O 105/19 – Aminosäuren-Derivate-Herstellung

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3159

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 02. März 2021, Az. 4b O 105/19

  1. I. Die Beklagte wird verurteilt,
    dem Kläger Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen darüber, in welchem Umfang sie und/oder mit ihr verbundene Unternehmen (§§ 15 ff. AktG) im In- und Ausland
  2. 1. Produkte, die unter Anwendung der dem europäischen Patent EP 2 352 XXX B1 „Neuartiges Verfahren zur Herstellung von Aminosäuren-Derivaten“ (Anlage TRI1) mit dem erteilten Patentanspruch 1

    Verfahren zur Herstellung von zu mindestens 95 % optisch reinem (R)-2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropionamid (I), umfassend die folgenden Schritte:

  3. (a) Trennen von 2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amid (II) in (R)-2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amid (I) und (S)-2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amid (III);
  4. (b) Razemisieren des dadurch erhaltenen (S)-2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amids (III) in 2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amid (II) und
  5. (c) weiteres Trennen des 2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amids (II) in die Verbindung der Formel (I) und die Verbindung der Formel (III)
  6. zugrunde liegenden Diensterfindung

    jeweils hergestellt, vertrieben und/oder in den Verkehr gebracht hat/haben

    und zwar unter Angabe

    a) der Herstellungsmengen, -zeiten,

  7. b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen sowie der Namen und Anschriften der jeweiligen Abnehmer,
  8. c) der pro Lieferung erzielten Netto- Einnahmen (Arzneimittelpreise ohne Mehrwertsteuer, ggfls. unter Angabe ausdrücklich spezifizierter Abzugspositionen),
  9. wobei sämtliche Angaben aufgeschlüsselt nach Kalenderjahren und Ländern zu erfolgen haben;
  10. 2. Lizenz- oder sonstige Einnahmen und/oder wirtschaftliche Vorteile mit der Diensterfindung gemäß Antrag I.1. erzielt hat/haben, wobei die Vertragspartner mit Firma und Adresse sowie die Einnahmen/Vorteile nach Kalenderjahren anzugeben und Verträge in Kopie vorzulegen sind;
  11. II. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
  12. III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.
  13. Tatbestand
  14. Der Kläger nimmt die Beklagte im Wege der Stufenklage auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung (erste Stufe) im Hinblick auf eine Erfindung in Anspruch, deren Gegenstand eine „Verbesserte Methode für die Synthese von SPM 927 (Lacosamid) Amino-dehalogenation mit 2-Chlor-3-Methoxy-propionsäre“ ist und die er als Miterfinder im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten schuf. Darüber hinaus begehrt er die Zahlung einer angemessenen Erfindervergütung sowie im Wege der Zwischenfeststellung, dass ein Miterfinderanteil in Höhe von 50 % anzusetzen ist (zweite Stufe).
    Der Kläger war auf Grund des Arbeitsvertrags vom 1. April 1977 als Wissenschaftler bei der Beklagten beschäftigt (siehe Angaben in Anlage TRI 2, Ziff. 3). Das Arbeitsverhältnis wurde zwischenzeitlich beendet.
    Mit Erfindungsmeldung vom 07.02.2006 (Anlage TRI 2) meldete der Kläger seiner damaligen Arbeitgeberin und Rechtsvorgängerin der Beklagten, der A AG, eine Erfindung mit der Bezeichnung „Verbesserte Methode für die Synthese von SPM 927 (Lacosamide)“. Die Beklagte nahm die gemeldete Erfindung mit Schreiben vom 27.03.2006 unbeschränkt in Anspruch (Anlage TRI 3). Am 02.03.2007 meldete der Kläger der Beklagten eine weitere Erfindung beruhend auf der Erfindungsmeldung vom 07.02.2006 mit der Bezeichnung „Verbesserte Methode für die Synthese von SPM 927 (Lacosamide) – Phosgenweg“, die von der Beklagten mit Schreiben vom 12.04.2007 (Anlage TRI 5) uneingeschränkt in Anspruch genommen wurde.
    Am selben Tag meldete der Kläger der Beklagten – ebenfalls auf Grundlage der Erfindungsmeldung vom 07.02.2006 – eine „Verbesserte Methode für die Synthese von SPM 927 (Lacosamide) Amino-dehalogenation mit 2-Chlor-3-Methoxy-propionsäure“ (Anlage CBH 1). Die Beklagte nahm diese Erfindung mit Schreiben vom 12.04.2007 (Anlage TRI 7) uneingeschränkt in Anspruch. Die Erfindung wird unter dem internen Aktenzeichen „XXX“ geführt (im Folgenden: „streitgegenständliche Erfindung“ oder „Streiterfindung“).
    Am 07.11.2008 meldete die Beklagte im Hinblick auf die Streiterfindung das europäische Patent mit der Anmeldenummer 08105XXX an und unter Inanspruchnahme dieser Priorität am 06.11.2009 das europäische Patent EP 2 352 XXX B1, dessen Erteilung am 07.03.2013 veröffentlicht wurde (Anlage TRI 1; im Folgenden: Streitpatent).
    In allen für die Beklagte und ihren Konzern wesentlichen Ländern wurden Schutzrechte angemeldet und erteilt (siehe Espacenet-Auszug, Anlage TRI 8).
    Die Streiterfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung von Lacosamid und geht von folgendem Stand der Technik aus:
    Das Streitpatent beschreibt einleitend, dass Lacosamid eine anti-epileptische Wirksamkeit gezeigt habe, Absatz [0003] des Klagepatents (alle folgenden, nicht näher bezeichneten Absätze sind solche des Streitpatents).
    Hinsichtlich eines möglichen Herstellungsverfahrens verweist es auf das US-Patent 5,378,XXX, das die Herstellung von funktionalisierten Aminosäuren durch die Reaktion von Aminen mit acetylierenden Derivaten einer Carbonsäure unter amidbildenden Bedingungen beschreibe. Das US-Patent 5,378,XXX schweige jedoch über die direkte Herstellung eines einzelnen Enantiomers von funktionalisierten Aminosäuren, wie z.B. Lacosamid, Absatz [0004].
    Ferner beziehe sich das US-Patent 5,773,XXX auf Verfahren zur Herstellung von „im Wesentlichen optisch reinem“ Lacosamid, wie darin definiert, ausgehend von D-Serin. Das genannte Herstellungsverfahren beinhalte die Verwendung von Methyl-Jodid und Silber-(I)-Oxid als O-Methylierungsmittel, was den Nachteil habe, dass es teuer sei und zu einer teilweisen Razemisierung des Produkts führe, das die O-Methylierung durchlaufe. Dies sei ein Hauptnachteil in Bezug auf die industrielle Produktivität des Prozesses, Absatz [0005]. Das US-Patent 6,048,XXX beschreibe darüber hinaus Varianten des in US-Patent 5,773,XXX beschriebenen Verfahrens, Absatz [0006].
    Die als WO 2006/037XXX veröffentlichte internationale Patentanmeldung beziehe sich auf einen verbesserten Syntheseweg zu Lacosamid, wobei ein alternatives O-Methylierungsmittel zu Methyl-Jodid und Silber-(I)-Oxid verwendet werde, insbesondere Dimethylsulfat, Absatz [0007]. Allerdings könne die Verwendung eines Überschusses an Dimethylsulfat, wie in WO 2006/037XXX beschrieben, zu Sicherheits- oder Umweltproblemen führen, wenn Lacosamid in großem Maßstab hergestellt werde. Außerdem könne die Verwendung von N-Schutz/N-Schutzabspaltungs-Schritten des Aminanteils zu Kosten- und Produktivitätsproblemen bei der industriellen Herstellung des Gesamtprozesses führen, Absatz [0008].
    Die Streiterfindung beruht auf der Idee, diese Nachteile zu beseitigen, indem ein alternatives und verbessertes Verfahren für die Herstellung von Lacosamid aufgezeigt wird, das wettbewerbsfähig ist, kosteneffizienter ist, zu einer erhöhten Produktivität führt und keine größeren Nachteile in Bezug auf Sicherheit und/oder Umwelt aufweist, Absatz [0009].
    Der in englischer Sprache abgefasste Hauptanspruch 1 des Streitpatents lautet in deutscher Übersetzung wie folgt:
    Verfahren zur Herstellung von zu mindestens 95 % optisch reinem (R)-2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropionamid (I), umfassend die folgenden Schritte:
    (a) Trennen von 2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amid (II) in (R)-2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amid (I) und (S)-2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amid (III);
  15. (b) Razemisieren des dadurch erhaltenen (S)-2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amids (III) in 2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amid (II) und
    (c) weiteres Trennen des 2-Acetamido-N-benzyl-3-methoxypropion-amids (II) in die Verbindung der Formel (I) und die Verbindung der Formel (III)
  16. Wegen der weiteren Ansprüche und der technischen Lehre des Patents im Übrigen wird auf die Patentschrift (Anlage TRI 1) Bezug genommen.
    Mit Schreiben vom 01.10.2009 und vom 01.03.2011 bot die Beklagte dem Kläger die von ihr nicht weiter verfolgten Schutzrechtspositionen zur Übernahme an. Mit einer als „Erfindervergütungs-Grundvertrag“ bezeichneten Vereinbarung für die Streiterfindung vom 13.12.2011 bot die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 26.04.2011 eine Abkaufvereinbarung an (Anlagenkonvolut TRI 9). Danach wurde der Miterfinderanteil des Klägers „bezogen auf den Anteil, den die deutschen Erfinder, die zum Zeitpunkt der Erfindung bei der ehemals C GmbH angestellt waren, zur Erfindung beigetragen haben“ auf 50 % bemessen. Der Kläger akzeptierte die Abkaufangebote. In der Vereinbarung heißt es ferner, dass die Bezugsgröße erst im Nutzungsfall festgelegt werde (siehe Anlagenkonvolut TRI 9, § 2 Ziff. 2.1).
    In der Folgezeit wandte sich der Miterfinder Dr. D – auch im Namen des Klägers – wiederholt an die Beklagte, um Auskunft über die Nutzung der Streiterfindung zu erhalten. Auf ein Schreiben des anwaltlichen Vertreters des Klägers vom 12.02.2019 (Anlage TRI 10), mit dem dieser die Beklagte zur Auskunft und Rechnungslegung aufforderte, antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 04.03.2019 (Anlage TRI 11), dass die Streiterfindung bislang „nicht patentgemäß benutzt worden sei“. Eine solche werde voraussichtlich ab Sommer 2019 erfolgen. Mit weiterem Schreiben vom 13.05.2019 bestellten sich die anwaltlichen Vertreter der Beklagten und stellten eine Erfindungsnutzung in Abrede (Anlage TRI 16).
    Die Beklagte stellt her und vertreibt unter der Produktbezeichnung E ein Medikament mit dem mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens hergestellten Wirkstoff Lacosamid. Das Produkt wird zur Behandlung von fokalen (epileptischen) Anfällen eingesetzt.
    Vor dem Hintergrund, dass die Streiterfindung bei der Herstellung und den Verkäufen des Arzneimittels E verwendet wird, meint der Kläger, dass als rechnerische und technisch-wirtschaftliche Bezugsgröße auf den gesamten Arzneimittelumsatz abzustellen sei. Davon sei die Beklagte selbst in ihren Rechtekaufangeboten ausgegangen.
    Dabei böten die Einsparungen der Beklagten – auch wenn diese nicht mit dem Erfindungswert gleichzusetzen seien – zumindest einen Anhaltspunkt. Ausweislich der Verlautbarungen im Intranet der Beklagten beliefen sich diese jährlich auf 15 Millionen EUR, was sich mit einer Präsentation der Beklagten über Einsparungen in Höhe von 200 EUR/kg gegenüber dem bis dahin angewandten Herstellungsprozess decke.
    Bei der Berechnung des Lizenzsatzes sei zu beachten, dass dieser in Ansehung der von der Beklagten gemeldeten Steigerung der Ausbeute von 40 % hier deutlich höher liege als bei dem von der Schiedsstelle in einem vergleichbaren Verfahren vorgeschlagenen 1 % für eine Steigerung von nur 10 -15 Prozentpunkten.
    Der Kläger ist ferner der Auffassung, dass der Miterfinderanteil von ihm und Dr. D bei jeweils 50 % liege. Daneben seien keine weiteren Miterfinder zu berücksichtigen. Soweit die Beklagte anführe, dass der wesentliche Schritt der Razemisierung in industriellem Ausmaß im belgischen Werk in Braine vorgenommen worden sei, hält der Kläger dem entgegen, dass die erfindungsgemäße Syntheseidee sowie die razemische Synthese selbst mitsamt ihrer Aufarbeitung durch ihn und Dr. D in Monheim erfolgt seien. Beide hätten bereits im Jahr 2001 festgestellt, dass eine Razemisierung mit Basen zu erfolgen habe, was auch in Anspruch 8 des Streitpatents seinen Niederschlag gefunden habe. Zudem ergebe sich aus der Erfindungsmeldung, dass auch der Kläger und der Miterfinder Dr. D einen Beitrag zu der kommerziell genutzten Herstellung geleistet hätten.
    Sofern Mitarbeiter der belgischen Schwester-Gesellschaft der Beklagten involviert gewesen seien, sei deren Mitarbeit darauf beschränkt gewesen, dass dort das in Monheim razemisch hergestellte Lacosamid zur weiteren Lizenzreifmachung und Serientauglichkeit getestet worden sei. Damit seien jedoch keine nachträglich miterfinderischen Beiträge verbunden gewesen. Sofern die Beklagte behaupte, dass auch Beiträge auf Erfinder der belgischen Konzern-Schwestergesellschaft entfallen würden, da diese an der Art und Weise der Razemisierung beteiligt gewesen seien, handele es sich dabei um eine pauschale Behauptung. Insbesondere seien in diesem Zusammenhang keine Laborjournale vorgelegt worden. Die Darlegungs- und Beweislast liege angesichts des Offenbarungsgehalts der Erfindermeldungen vom 07.02.2006 und vom 02.03.2007 bei der Beklagten. Dieser sei sie nicht nachgekommen. Im Übrigen bestreitet der Kläger den diesbezüglichen Vortrag der Beklagten mit Nichtwissen.
    Er ist zudem der Auffassung, dass es keiner näheren Aufklärung der Miterfinder-Anteile bedürfe, weil es sich um eine überbetriebliche Entwicklungskooperation handele, bei der jeder Arbeitgeber seine Erfinder als die alleinigen zu berücksichtigen habe.
    Im Hinblick auf den zeitlichen Umfang der Auskunftspflicht meint der Kläger, dass bereits die uneingeschränkte Inanspruchnahme der Erfindung durch die Beklagte Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung sowie Vergütung begründe. Damit sei auch die Herstellung und Lieferung zum Zwecke der Prüfung und Erprobung durch Dritte vergütungspflichtig, so dass auch die im Jahr 2015 hergestellten Validierungs-Batches dem Auskunftsanspruch unterfielen. Aus einer Intranet-Mitteilung der Beklagten vom 9. Januar 2016 (Anlage TRI 14) ergebe sich, dass „F“ zu diesem Zeitpunkt bereits validiert und der „optimierte Herstellungsprozess“ auf allen API-Anlagen bereits eingeführt worden sei. Aus einer weiteren Intranet-Mitteilung vom 27.04.2017 (Anlage TRI 15) ergebe sich, dass am 25. April 2017 die Zulassung für den „neuen optimierten Prozess 2 G für Lacosamide“ durch die FDA erteilt worden sei, nachdem zuvor Zulassungen durch die europäische EMA und die kanadischen Behörden erteilt worden seien.
  17. Der Kläger beantragt,
  18. wie erkannt.
  19. Die Beklagte beantragt,
  20. die Klage abzuweisen.
  21. Die Beklagte meint, dass bei der Berechnungsmethode der Lizenzanalogie lediglich der Wert der nach dem erfindungsgemäßen Verfahren hergestellten Mengen des Wirkstoffs zu Grunde zu legen sei. Es liege fern, dass ein pharmazeutischer Hersteller bei der Entscheidung, woher er den Wirkstoff beziehe, angesichts der zahlreichen Anbieter und Herstellungsmethoden eine Lizenzgebühr auf das gesamte pharmazeutische Produkt akzeptiert hätte.
    Es sei zu berücksichtigen, dass die Erfindung gerade nicht einen konkreten Wirkstoff oder eine bestimmte Eigenschaft des Wirkstoffs an sich unter Schutz stelle. Geschützt sei nur eines von mehreren Herstellungsverfahren. Da der Wirkstoff Lacosamid frei auf dem Markt erworben werden könne und die Entscheidung für oder gegen den Einsatz des erfindungsgemäßen Verfahrens eine reine Kostenfrage bzw. eine Frage der Verlässlichkeit der Bezugsquelle sei und es darüber hinaus mit anderen Herstellungsverfahren konkurriere, beschränke sich der Wert der Erfindung auf die Marktstufe, die sich mit der Herstellung und dem Verkauf des Wirkstoffs befasse.
    Ein vernünftiger Lizenznehmer hätte sich auch deshalb nicht darauf eingelassen, Lizenzgebühren für alle Produkte zu bezahlen, in die der Wirkstoff Eingang findet, weil eine derartige Lizenzbelastung intransparent und nicht kalkulierbar wäre.
    Zudem seien mit der Entwicklung und Einführung des erfindungsgemäßen Verfahrens hohe Investitionen verbunden gewesen, die über Einsparungen auf der Ebene der Herstellungskosten erst wieder amortisiert werden müssten. Insofern könnten innerbetriebliche Ersparnisbetrachtungen nicht maßgeblich für die Bestimmung eines Lizenzsatzes im Rahmen einer Lizenzanalogie auf den hergestellten Wirkstoff sein. Konzerninterne Kosten könnten für die Herstellung auch deshalb kein Maßstab sein, weil der Wirkstoff frei auf dem Markt verfügbar sei.
    Der Erfinder sei schließlich nur an den wirtschaftlichen Vorteilen zu beteiligen, die dem Arbeitgeber kausal auf Grund des Patentschutzes zufließen würden. Daher sei allein zu berücksichtigen, was das erfindungsgemäße Verfahren auf der Ebene der Kosten an Ersparnissen ermögliche.
    Die Beklagte trägt vor, dass eine Nutzung der Erfindung erstmals im Jahre 2019 stattgefunden habe. Die kommerzielle Produktion entsprechend dem erfindungsgemäßen Verfahren habe in Braine erst im Frühjahr 2019 begonnen. Auf den Markt gebracht worden seien die fertig konfektionierten Arzneimittel dann erst ein halbes Jahr später. Seitdem seien 2.860 kg Lacosamid hergestellt und in 2019 veräußert worden. Soweit es davor zu Benutzungshandlungen gekommen sei, habe es sich um Vorbereitungshandlungen gehandelt, die eine zukünftige Verwertung erst ermöglichen sollten.
    Die Beklagte trägt vor, dass neben dem Kläger und dem Miterfinder Dr. D vier weitere Erfinder an der Entwicklung der Streiterfindung auf Seiten der belgischen UCB-Gesellschaft tätig gewesen seien. Auch in dem mit dem Kläger abgeschlossenen Erfindervergütungs-Grundvertrag sei die Erfinderschaft des Klägers relativiert worden, indem dieser Anteil sich nur auf die bei der ehemaligen C GmbH angestellten deutschen Erfinder bezogen habe. Eine abschließende Bewertung sollte erst auf der Grundlage der erteilten Schutzrechte erfolgen.
    Die Hauptschwierigkeit der industriellen Synthese habe darin gelegen, den durch Razemisierung zu erreichenden Weg kommerziell gangbar zu machen. Dies sei das Ergebnis der Entwicklung der belgischen Erfinder gewesen. Zudem unterscheide sich das in der Erfindungsmeldung vorgeschlagene Verfahren von dem kommerziell erfolgreichen Verfahren, in welchem sich eine Enantiomeren-/Razemat-Trennung erst im letzten Schritt durchgesetzt habe. Auch dies sei in Braine entwickelt worden.
    Hier liege auch kein Fall der überbetrieblichen Entwicklungskooperation zwischen unabhängigen Dritten vor. Es wäre konstruiert, einzelne Konzerngesellschaften als eigenständig bei der Nutzung der Erfindung zu betrachten.
  22.  Entscheidungsgründe
  23. Über die Klage war zunächst lediglich im Hinblick auf das Begehren auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung zu entscheiden. Insoweit ist die Klage zulässig (dazu Ziff. I.) und begründet (dazu Ziff. II.).
  24. I.
    Das angerufene Gericht ist gem. § 21 Abs. 1 ZPO örtlich und gem. § 39 Abs. 1 ArbEG i.V.m. § 143 Abs. 1 PatG i. V. m. § 1 der Verordnung über die Zuweisung von Gemeinschaftsmarken-, Gemeinschaftsgeschmacksmuster-, Patent-, Sortenschutz-, Gebrauchsmuster-streitsachen und Topographieschutzsachen sachlich zuständig.
    Der Klageerhebung steht auch nicht die Vorschrift des § 37 Abs. 1 ArbEG entgegen, wonach dem Verfahren vor den ordentlichen Gerichten zunächst ein Verfahren vor der Schiedsstelle vorauszugehen hat. Denn dieses Erfordernis gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer – wie hier – aus dem Betrieb des Arbeitgebers ausgeschieden ist, § 37 Abs. 2 Nr. 3 ArbEG.
  25. II.
    Dem Kläger stehen Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche in dem nach Antrag Ziff. I. begehrten Umfang zu.
    Ein Anspruch auf Auskunft- und Rechnungslegung des Arbeitnehmers besteht dann, wenn diesem dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung zusteht, den er ohne die begehrten Auskünfte, über deren Inhalt er ohne Verschulden im Ungewissen ist, nicht beziffern kann, während dem Arbeitgeber eine Auskunftserteilung ohne weiteres möglich und zumutbar ist (BGH, Urt. v. 17.05.1994, in GRUR 1994, 898, 900 – Copolyester). Die Auskunft erstreckt sich dann auf all diejenigen Informationen, die zur Bezifferung des Zahlungsanspruchs erforderlich sind.
  26. 1.
    Dem Kläger steht gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Anspruch auf Vergütung gem. § 9 Abs. 1 ArbEG im Hinblick auf die Streiterfindung zu. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber einen Vergütungsanspruch, wenn dieser – wie hier geschehen – die Diensterfindung in Anspruch genommen hat.
  27. a)
    Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich bei der Streiterfindung um eine Diensterfindung im Sinne von § 4 Abs. 2 ArbEG handelt, an welcher der Kläger als Arbeitnehmer der Beklagten jedenfalls in gewissem, wenn auch streitigem, Umfang beteiligt war.
  28. b)
    Die Beklagte nahm die Streiterfindung auch in Anspruch.
    Die Inanspruchnahme der Streiterfindung bestimmt sich für den vorliegenden Fall nach den §§ 6, 7 ArbEG a. F. Gem. § 43 Abs. 3 ArbEG sind für Erfindungen, die vor dem 01.10.2009 angemeldet worden sind, die Vorschriften des Arbeitnehmererfindungsgesetzes in der bis zum 30.09.2009 geltenden Fassung anwendbar. Im Unterschied zur aktuell geltenden Rechtslage trennen diese Vorschriften zwischen der beschränkten und der unbeschränkten Inanspruchnahme, wobei der Vergütungsanspruch die unbeschränkte Inanspruchnahme voraussetzt (Urteil vom 17.05.1994 § 9, Rn. 11). § 6 Abs. 2 Satz 1 ArbEG a. F. setzt weiter eine schriftliche Inanspruchnahmerklärung des Arbeitgebers voraus.
    Die danach erforderliche Erklärung liegt in Form des Schreibens vom 12.04.2007 (Anlage TRI 7) vor.
  29. 2.
    Der Kläger kann Auskunftserteilung und Rechnungslegung im Hinblick auf die mit dem nach Klageantrag Ziff. I. begehrten Auskünfte verlangen.
  30. a)
    Inhalt und Umfang des aus §§ 242, 259 BGB i. V. m. § 9 Abs. 1 ArbEG folgenden Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs bestimmen sich unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Verkehrsübung und Abwägung der beiderseitigen Interessen aus dem Zweck der Rechnungslegung (OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.09.2007, Az.: I-2 U 113/05, Rn. 22 – Türinnenverstärkung, zitiert nach juris). Grundsätzlich muss die Auskunft alle Angaben enthalten, die der Arbeitnehmer benötigt, um seine Erfindervergütung berechnen sowie beurteilen zu können, ob und in welchem Umfang ihm ein Vergütungsanspruch zusteht (a.a.O.). Alle für die Bemessung seiner Vergütung in Betracht zu ziehenden Tatsachen und Bewertungsfaktoren sind ihm deshalb grundsätzlich mitzuteilen; die Kontrolle der mitgeteilten Angaben auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit muss ihm ermöglicht werden (a.a.O.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass gem. § 9 Abs. 2 ArbEG für die Bemessung der Vergütung insbesondere auch die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Diensterfindung heranzuziehen ist. Über Informationen, aus denen sich die wirtschaftliche Verwertbarkeit erkennen lässt, ist der Arbeitnehmer aufgrund der Tatsache, dass es sich um betriebsinterne Informationen des Arbeitgebers handelt, jedoch typischerweise ohne Verschulden im Unklaren (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 20), während dem Arbeitgeber eine Auskunftserteilung regelmäßig zumutbar ist. Im Allgemeinen wird deshalb von einem weiten Umfang auszugehen sein (a.a.O.), jedoch ist der Umfang der mitzuteilenden Angaben insbesondere durch die Erforderlichkeit und Zumutbarkeit und/oder Geheimhaltungsinteressen des Arbeitgebers begrenzt (a.a.O.).
  31. aa)
    Die Auskunft- und Rechnungslegungspflicht umfasst die nach der Lizenzanalogie zu erteilenden Angaben.
    Diese ist zur Ermittlung des marktgerechten Erfindungswertes besonders geeignet und regelmäßig heranzuziehen (BGH, Urt. v. 16.4.2002, in GRUR 2002, 801, 803 – Abgestuftes Getriebe; Bartenbach/Volz, Arbeitnehmerfindungsgesetz, 6. Aufl. 2019, § 9 Rn. 104 f.). Sie ist immer dann angebracht, wenn erfindungsgemäße Produkte vom Arbeitgeber hergestellt und verkauft werden, wenn mit der Erfindung also ein Außenumsatz verbunden ist, der den Marktwert am zutreffendsten widerspiegelt (Bartenbach/Volz, a.a.O.). Werden erfindungsgemäße Umsatzgeschäfte getätigt, ändert auch der Umstand, dass der Einsatz der Erfindung erhebliche Einsparungen im Produktionsprozess bewirkt, nichts an der Maßgeblichkeit der Lizenzanalogie (Bartenbach/Volz a.a.O.). Der Vorrang der Lizenzanalogie gilt insofern auch dann, wenn die Erfindung nur innerbetrieblich eingesetzt wird, damit aber mittelbar Umsatzgeschäfte verbunden sind. Dies gilt beispielsweise bei Wegfall eines aufwändigen Verfahrensschritts bei der Produktion (Bartenbach/Volz, a.a.O., Rn. 109).
    Schwierigkeiten bei der Auswahl der für die Lizenzgebühr maßgeblichen Parameter, etwa im Rahmen von Konzernnutzungen, rechtfertigen für sich allein nicht, die Heranziehung der Lizenzanalogie in Frage zu stellen (Bartenbach/Volz, a.a.O.). Auch das Vorhandensein einer gleichermaßen geeigneten anderen Berechnungsmethode reicht nicht aus, um die Lizenzanalogie als rechtsfehlerhaft anzusehen (Bartenbach/Volz, a.a.O.).
    Im Gegensatz zur Lizenzanalogie ist die alternative Berechnung nach dem erfassbaren betrieblichen Nutzen mit erheblichen Nachteilen verbunden und sollte nur in Betracht gezogen werden, wenn sich die Erfindung ausschließlich innerbetrieblich auswirkt, ohne sich in Verkaufsprodukten niederzuschlagen (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmerfindungsgesetz, 6. Aufl. 2019, § 9 Rn. 110). Dies kann der Fall sein, wenn sich die Erfindung nicht auf Umsatzgeschäfte des Arbeitgebers im weitesten Sinne erstreckt und der Erfindungsgegenstand keinen direkten Bezug auf zu veräußernde Erzeugnisse aufweist (Bartenbach/Volz, a.a.O.). Die Methode kann aber nicht bereits deshalb herangezogen werden, weil die Benutzung in erster Linie Einfluss auf die Gewinn- und nicht die Umsatzentwicklung hat, da sie zu der Einsparung von Kosten bei der Herstellung von erfindungsgemäßen Waren führt (Bartenbach/Volz, a.a.O.).
    Die Anwendung der Lizenzanalogie schließt aus, bei der Berechnung des Erfindungswertes erfindungsgemäß ersparte Aufwendungen oder verbesserte Herstellungsbedingungen unmittelbar in Ansatz zu bringen, weil innerbetriebliche Ersparnisse eigenständig nur bei der Ermittlung des Erfindungswertes nach dem erfassbaren betrieblichen Nutzen berücksichtigt werden können. Eine Kombination oder Vermischung beider Berechnungsmethoden scheidet aus (Bartenbach/Volz, a.a.O., Rn. 109).
    Im vorliegenden Fall sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die eine Abweichung von der grundsätzlich anzuwendenden Lizenzanalogie rechtfertigen. Die Streiterfindung betrifft die Herstellung von Lacosamid, das als Wirkstoff in das Arzneimittel E Eingang findet. Mit dem Arzneimittel sind Außenumsätze verbunden. Wie aufgezeigt, führt der Umstand, dass mit der Streiterfindung nur ein innerbetrieblicher Nutzen verbunden ist, ebenso wenig wie die mit einer Konzernnutzung verbundenen Berechnungsschwierigkeiten, zu einer anderen Bewertung. Im Übrigen gehen auch die Parteien übereinstimmend von dieser Berechnungsmethode aus.
  32. bb)
    Im Rahmen der Lizenzanalogie wird als Erfindungswert die Gegenleistung zu Grunde gelegt, die der Arbeitgeber einem freien Erfinder im Rahmen eines Lizenzvertrags für die Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts an der Erfindung zahlen würde. (BGH, Urt. v. 16.4.2002, in GRUR 2002, 801, 802 – Abgestuftes Getriebe; Bartenbach/Volz, Arbeitnehmerfindungsgesetz, 6. Aufl. 2019, § 9 Rn. 121). Es wird also gefragt, welche Gegenleistung einem gedachten Lizenznehmer zustehen würde, wenn vernünftige Lizenzvertragsparteien Art und Umfang der Nutzung der Diensterfindung durch den Arbeitgeber zum Gegenstand eines ausschließlichen Lizenzvertrags gemacht hätten (BGH, Urt. v. 13.11.1997, in GRUR 1998, 684, 687 – Spulkopf; siehe auch OLG Düsseldorf vom 9.10.2014, I-2 O 15/13, Rn. 21 – Scharniereinrichtung; Bartenbach/Volz, a.a.O.). Maßstab sind dabei gedachte „vernünftige“ Lizenzvertragsparteien mit Blick auf die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalls (BGH, Urt. v. 16.4.2002, in GRUR 2002, 801, 803 – Abgestuftes Getriebe).
    Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe bezieht sich die Auskunftspflicht der Beklagten auf die mit dem Arzeimittel E erzielten Gesamtumsätze. Anders als die Beklagte meint, kann hier nicht allein der Herstellungs- bzw. Einkaufspreis für den Wirkstoff Lacosamid als technisch-wirtschaftliche Bezugsgröße zu Grunde gelegt werden.
  33. (a)
    Es ist geboten, den Weg zu wählen, der den technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten am besten entspricht (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindervergütung, 4. Aufl. 2017, RL 8 Rn. 3). Zur Feststellung der technisch-wirtschaftlichen Bezugsgröße für die Lizenzgebühr ist daher zu fragen, welchen Teil des Umsatzes vernünftige Lizenzvertragsparteien sinnvollerweise der Erfindung konkret zugeordnet hätten (Bartenbach/Volz, a.a.O.).
    Dabei ist darauf abzustellen, welche Teile des Produkts durch die Erfindung beeinflusst werden und welche Teile durch die geschützte Erfindung ihr kennzeichnendes Gepräge erhalten. Erhält die Gesamtvorrichtung durch die Erfindung ihr kennzeichnendes Gepräge, ist diese Bezugsgröße; wird dagegen nur ein Teil durch die Erfindung wesentlich beeinflusst, ist nicht die Gesamtvorrichtung, sondern nur ein Teil der Bezugsgröße heranzuziehen (Bartenbach/Volz, a.a.O., 21 m.w.N.). Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang festgehalten, dass bei der Bestimmung der Bezugsgröße an die kleinste technisch-wirtschaftliche (funktionelle) Einheit anzuknüpfen sei, die von der Erfindung wesentlich geprägt bzw. in ihrer Funktion beeinflusst werde (BGH, Urteil vom 17. 11. 2009, in GRUR 2010, 223, 227- Türinnenverstärkung).
    Bei der Bezugsgrößenbestimmung muss den Besonderheiten im pharmazeutischen Bereich Rechnung getragen werden: Die Wechselwirkungen der einzelnen Komponenten pharmazeutischer Verbindungen sind unüberschaubar und bedingen sich gegenseitig, weshalb sich bei derartigen Produkten bzw. Zubereitungen regelmäßig keine Problemkreise abgrenzen und keine Einflussbereiche unterscheiden lassen. Vor diesem Hintergrund wird in diesem Bereich regelmäßig der Wert der gesamten Verbindung angesetzt, selbst dann, wenn der Wertanteil erfindungsgemäßer Komponenten in der chemischen Verbindung gering ist (Schiedsstelle, Einigungsvorschlag vom 17.04.2013, Az. Arb.Erf. 11/11; Bartenbach/Volz, a.a.O., Rn. 26).
    Hier besteht kein Anlass, von dieser Praxis abzuweichen. Sie steht in Einklang mit der Türinnenverstärkung-Rechtsprechung des BGH, nach welcher entscheidend ist, ob die Gesamtvorrichtung ihr kennzeichnendes Gepräge durch die Erfindung erhält. Das ist hier der Fall. Denn die Streiterfindung bezieht sich auf ein neuartiges Herstellungsverfahren für den Wirkstoff Lacosamid. Dieser wiederum ist wesentlich für die Wirksamkeit des Arzneimittels E. Der Wirkstoff kann zwar als solcher bezogen werden und stellt damit ein eigenständiges Handelsobjekt dar (siehe insofern Bartenbach/Volz, a.a.O., Rn. 33). Dies rechtfertigt jedoch keine von der „Abwasserbehandlung“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 29.4.2003, Az. X ZR 186/01, in GRUR 2003, 789) abweichende Entscheidung, bei der die maßgebliche Bezugsgröße in Frage stand. Der Bundesgerichtshof ging davon aus, dass zur Ermittlung nach der Lizenzanalogie auf die hergestellten Produkte abzustellen sei, auch wenn die in Rede stehende Erfindung nur die Behandlung des dabei anfallenden Abwassers betraf. Im Gegensatz dazu betrifft die streitgegenständliche Erfindung zwar ein Verfahren zur Herstellung des Wirkstoffs Lacosamid, der ein eigenständiges, handelbares Produkt darstellt. Jedoch generiert die Beklagte ihre Außenumsätze nicht mit Lacosamid, sondern dieser stellt eine von vielen Komponenten des fertigen Arzneimittels dar. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die weiteren, bei diesem Arzneimittel zum Einsatz kommenden Komponenten allein dem Zweck dienen, dass Lacosamid bei der Gabe des Arzneimittels seine bestimmungsgemäße Wirkung entfalten kann. Damit lässt sich auch insofern eine trenngenaue Abgrenzung nicht vornehmen.
  34. (b)
    Jedoch ist zu beachten, dass das volle Ansetzen des gesamten Netto-Umsatzes des Arzneimittels E als rechnerisch-technische Einheit nicht dem Umstand gerecht wird, dass letztlich nicht das Gesamtprodukt auf die Streiterfindung zurückzuführen ist. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen wegen des Grades der technisch-wirtschaftlichen Beeinflussung die Wahl des Gesamtprodukts ausscheidet, jedoch eine Rückführung auf die kleinste technisch-wirtschaftliche Einheit der Bedeutung der Erfindung nicht gerecht wird, wird regelmäßig geprüft, welchen Anteil am Gesamtwert die erfindungsgemäßen Teile haben, insbesondere nach deren technischen Eigenschaften und deren Bedeutung für das Gesamte (Bartenbach/Volz, a.a.O., Rn. 41).
  35. (c)
    Angewandt auf den hier zu beurteilenden Fall bedeutet dies, dass im ersten Schritt die gesamten Außenumsätze zu bestimmen sind, so dass sich auch der Auskunftsanspruch des Klägers auf eben diese bezieht. Die Maßgeblichkeit der Gesamtumsätze fügt sich auch in die Erwägungen ein, mit denen die Anwendung der Lizenzanalogie hier begründet wurde. Denn es erscheint widersprüchlich, zunächst auf die Lizenzanalogie abzustellen, weil mit der Erfindung – wenn auch nur mittelbar – ein Außenumsatz generiert wird, um sodann nicht auf diesen Umsatz, sondern nur auf interne Kostenpositionen abzustellen. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass sich vernünftige Lizenzvertragsparteien in der Regel auf Bezugsgrößen einigen, die für den Lizenzgeber transparent und leicht nachprüfbar sind (siehe OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.11.2006, Az. 2 U 76/04, in BeckRS 2008, 5815, Rn. 59). Das ist gerade bei der Wahl der Außenumsätze als Bezugsgröße der Fall.
    Erst in einem weiteren Schritt ist dann der maßgebliche Anteil an den Gesamtumsätzen zu bestimmen. Dieser weitere Schritt der Anteilsbestimmung bleibt jedoch dem Höheverfahren hinsichtlich der Bestimmung der Vergütung vorbehalten. So handelt es sich bei den von der Beklagten vorgebrachten Einwänden dahingehend, dass die Streiterfindung nur im Hinblick auf den Wirkstoff relevant sei und damit auch nur dieser bei der Auskunftserteilung heranzuziehen sei, um solche, die erst im Rahmen der Anteilsbestimmung und der Höhe des Lizenzsatzes zu berücksichtigen sind. Ebenso findet der Einwand der Beklagten, dass sich für sie die Inanspruchnahme der Erfindung nicht als Negativgeschäft darstellen dürfe, erst im Rahmen des Höheverfahrens Beachtung. Allein die Bestimmung der Außenumsätze als maßgebliche Bezugsgröße lässt einen solchen Rückschluss nicht zu, weil es sich dabei nur um einen von mehreren zu berücksichtigenden Faktoren handelt.
  36. b)
    Dies berücksichtigend ist die Beklagte zur Auskunftserteilung wie folgt verpflichtet:
  37. aa)
    Die Beklagte hat die begehrten Auskünfte über die Herstellungsmengen und -zeiten (Antrag Ziff. I. 1. lit. a)) sowie die einzelnen Lieferungen aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der jeweiligen Abnehmer (Antrag Ziff. I. 1. lit. b)) und die dadurch erzielten Netto- Einnahmen (Antrag Ziff. I. 1. lit. c)) zu erteilen.
    Die Angaben über die Herstellungsmengen und -zeiten für die unter Anwendung der Streiterfindung hergestellten Produkte sind zwar nicht unmittelbar für die konkrete Berechnung nach der Methode der Lizenzanalogie bedeutsam, mit ihnen lässt sich jedoch die Richtigkeit der mitgeteilten Einzelauskünfte überprüfen (BGH, Urt. v. 17.11.2009, in GRUR 2010, 223, 227, Rn. 42 – Türinnenverstärkung, zitiert nach BeckRS 2010, 02501).
    Die Angaben der Namen und Anschriften der Abnehmer dienen der Kontrolle der Auskünfte (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 35, 39). Der Kläger muss sich dabei nicht auf andere Kontrollmöglichkeiten verweisen lassen (a.a.O.).
    Die Angaben zu den einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sind Faktoren zur Ermittlung einer angemessenen Umsatz- oder Stücklizenz (BGH, ebd., Rn. 24, 37 ff.).
    Weiterhin haben sich die Angaben auch auf die Nutzung der Diensterfindung bei verbundenen Unternehmen (§§ 15 ff. AktG) zu beziehen. Denn dabei handelt es sich in dem hier vorliegenden Fall um einen für die Bemessung der Lizenzanalogie wesentlichen Aspekt.
    Schließlich sind die pro Lieferung erzielten Netto-Einnahmen wesentlich für die Bemessung der Erfindervergütung nach der Lizenzanalogie.
  38. bb)
    Auch das Bestehen von Lizenzverträgen oder sonstigen Einnahmen und/oder wirtschaftlichen Vorteilen (Klageantrag Ziff. 2.) ist grundsätzlich eine für die Bemessung des Erfindungswertes auf der Grundlage der Lizenzanalogie wesentliche Information. Denn die Erteilung von Lizenzen, insbesondere an Dritte, und die von diesen erbrachten Gegenleistungen können einen direkten Rückschluss darauf zulassen, welche Lizenzgebühren ein vernünftiger Lizenznehmer gegenüber einem freien Erfinder zahlen würde. Zudem stellen die Lizenzeinnahmen auch einen Gegenwert für die Benutzung der Erfindung im Wege von Lizenzierungen dar, die einen Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers begründen.
    Die Angabe der Vertragspartner mit Firma und Adresse sowie die Einnahmen/Vorteile nach Kalenderjahren und der Verträge in Kopie dient der Kontrolle (siehe die Ausführungen unter lit. aa). Auch wegen des Umfangs des Auskunftsanspruchs im Hinblick auf die Nutzung durch konzernabhängige Unternehmen wird auf die obigen Ausführungen unter lit. aa) verwiesen.
  39. c)
    Die Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche, die dem Kläger auf der Grundlage der Ausführungen unter Ziff. b) zustehen, sind nicht durch Erfüllung erloschen.
  40. aa)
    Die Beklagte hat in ihrer Replik vom 16. Juni 2020 (Bl. 52 dA) zu Auskunftszwecken erklärt, dass für die Erfindung keine Lizenz- oder sonstige Einnahmen bzw. wirtschaftlichen Vorteile erzielt worden seien.
    Da jedoch der Beklagtenvertreter nach Rücksprache mit der Beklagten während der mündlichen Verhandlung vom 11. Februar 2021 klargestellt hat, dass diese Angaben noch einmal der Nachprüfung bedürften, ist insofern keine Erfüllung eingetreten.
  41. bb)
    Auch im Übrigen sind die von der Beklagten zur Erfüllung ihrer Auskunfts- und Rechnungslegungspflichten im Rahmen des hiesigen Verfahrens gemachten Angaben nicht geeignet, um eine Erfüllungswirkung zu entfalten. Denn diese Angaben beziehen sich allein auf den Wirkstoff Lacosamid und nicht auf die Umsätze des hier maßgeblichen Endprodukts E und stellen damit keine der geforderten Angaben dar.
    Sofern zwischen den Parteien streitig ist, inwiefern es sich bei den im Jahre 2017 in Braine hergestellten Chargen um auskunftspflichtige Verwertungshandlungen handelt, wirkt sich dies nicht auf eine etwaige Erfüllung durch die Beklagte aus. Denn eine dahingehende Auskunft hat die Beklagte nicht erteilt. Ob es einer dahingehenden Auskunft überhaupt bedarf, ist erst im sich an das Hauptsacheverfahren anschließenden Zwangsvollstreckungsverfahren zu klären, in dessen Kontext der Umfang der vergütungspflichtigen Verwertungshandlungen zu bestimmen ist.
    Dabei ist zu beachten, dass vergütungs- (und damit auch auskunfts-) freie Vorbereitungshandlungen solche im Stadium der technischen Prüfung und Erprobung sind. Der Zustand der Verwertung bzw. Nutzung wird erst dann erreicht, wenn die Vorrichtung in ihrem Gebrauch den an ihren Zweck allgemein zu stellenden Anforderungen entspricht. Insofern ist das Stadium der reinen Prüfung und Erprobung erst dann verlassen, wenn die funktionelle und technische Entwicklung soweit gereift ist, dass die Erfindung eingesetzt werden kann (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmerfindungsgesetz, 6. Aufl. 2019, § 9 Rn. 93).
  42. III.
    Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
    Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Sicherheitsleistung folgen aus §§ 709 S. 1 und 2 ZPO.
    Der Streitwert beträgt 25.000,00 EUR.

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