Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3096
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 15. Januar 2021, Az. 4c O 56/20
- I. Der Antrag der Verfügungsklägerin vom 7. September 2020 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
- II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsklägerin.
- III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Tatbestand
- Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagte im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 3 260 XXX B1 (nachfolgend Verfügungspatent, Anlage rop 1, deutsche Übersetzung rop 1a) auf Unterlassung in Anspruch. Das Verfügungspatent stellt eine Teilanmeldung aus dem europäischen Patent 1 663 XXX B2 (nachfolgend Stammpatent, Anlage rop 13) dar, welches aus der WO 2005/XXX (nachfolgend Stammanmeldung, Anlage rop 14) herrührt. Die Anmeldung des Verfügungspatentes, welches die Priorität vom 12. September 2003 aus der US XXX in Anspruch nimmt, erfolgte am 10. September 2004, die Offenlegung der Anmeldung am 27. Dezember 2017. Der Hinweis auf die Erteilung des Verfügungspatents wurde am 17. April 2019 veröffentlicht. Eingetragene Inhaberin des Verfügungspatents ist die Verfügungsklägerin. Das Verfügungspatent steht in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft.
- In einem gegen die Erteilung des Stammpatentes geführten Einspruchsbeschwerdeverfahren (Aktenzeichen T 1063/15) erging am 12. April 2018 eine den Rechtsbestand bestätigende Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer.
- Gegen die Erteilung des Verfügungspatentes erhoben verschiedene Unternehmen Einspruch, über welche die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes noch nicht entschieden hat. Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den 6. Juli 2021 anberaumt.
- Das in englischer Sprache erteilte Verfügungspatent betrifft eine Schnellauflösungsformulierung enthaltend Cinacalcet HCl. Der von der Verfügungsklägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 des Verfügungspatents hat in der maßgeblichen englischen Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:
- „A pharmaceutical composition
a) from 5 % to 40 % weight of cinacalcet HCl;
b) a pharmaceutically acceptable excipient comprising microcrystalline cellulose and starch in a weight ration ranging from 1:1 – 15:1;
wherein at least one dosage unit of the pharmaceutical composition has a dissolution profile in 0.05 N HCl, measured according to a dissolution test conducted in a USP 2 apparatus at a temperature of 37°C 0,5°C, and at a rotation speed of r.p.m., which comprises from 50% to 125% of a target amount of the cinacalcet being released from the composition no later than about 30 minutes from the start of the test.” - In deutscher Übersetzung hat der Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut:
- „Eine pharmazeutische Zusammensetzung umfassend
a) von 5% bis 40% nach Gewicht an Cinacalcet-HCl
b) einen pharmazeutisch akzeptablen Arzneistoffträger, umfassend mikrokristalline Cellulose und Stärke in einem Gewichtsverhältnis im Bereich von 1:1 – 1:15;
wobei mindestens eine Dosierungseinheit der pharmazeutischen Zusammensetzung ein Auflösungsprofil in 0,05 N HCl aufweist, gemessen gemäß einem Auflösungstest, der in einer USP 2-Vorrichtung bei einer Temperatur von 37°C 0,5°C und bei einer Rotationsgeschwindigkeit von 75 U/min durchgeführt wird, die von 50% bis 125% einer Zielmenge des Cinacalcets umfasst, die nicht später als etwa 30 Minuten nach Beginn des Tests aus der Zusammensetzung freigesetzt wird.“ - Die Verfügungsbeklagte ist die deutsche Tochtergesellschaft des (…) Konzerns A und Inhaberin einer Marktzulassung für das Generikum B, das den Wirkstoff Cinacalcet-HCl enthält. Die Verfügungsbeklagte hält die folgenden Marktzulassungen für das Generikum B mit nachfolgenden unterschiedlichen Wirkstoffkombinationen (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen):
- (…)
- Mit Schreiben vom 27. Februar 2020 (Anlage rop 3, 3a) ließ die Verfügungsklägerin der Verfügungsbeklagten eine Berechtigungsanfrage hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen zukommen. Nachdem eine Antwort nicht erfolgte, versandte die Verfügungsklägerin mit Datum vom 30. März 2020 (Anlage rop 4, 4a) ein weiteres Schreiben an die Verfügungsbeklagte. Hierauf antwortete die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 6. April 2020 (Anlage rop 5, 5a) und machte deutlich, dass sie grundsätzlich bereit sei, der Verfügungsklägerin ein Muster der angegriffenen Ausführungsformen zur Verfügung zu stellen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 4. Mai 2020 (Anlage rop 6, 6a) wurde der Verfügungsklägerin mitgeteilt, dass nunmehr kein Muster zur Verfügung gestellt werden solle. Zum Zeitpunkt der Berechtigungsanfrage verfügten insgesamt 21 generische Unternehmen über eine Marktzulassung für pharmazeutische Cinacalcet-Produkte in Deutschland (und in anderen europäischen Länder. Die Verfügungsklägerin forderte die generischen Unternehmen, die über eine Marktzulassung verfügten, schon vorab auf, ihr Informationen über die jeweiligen Mengen an Inhaltsstoffen, das Auflösungsprofil und die Granulatform der Zusammensetzung zur Verfügung zu stellen.
- Zum 1. Mai 2020 wurden die angegriffenen Ausführungsformen in der Lauer-Taxe gelistet (Anlage rop 11), wovon die Verfügungsklägerin am 24. April 2020 Kenntnis erhielt. Am 5. Mai 2020 erwarb die deutsche Tochtergesellschaft der Verfügungsklägerin ein Exemplar der angegriffenen Ausführungsform, um dieses untersuchen zu lassen. Die Analyse sollte über das Testlabor D, (nachfolgend: D), welches bereits Erfahrungen mit der Analyse generischer Cinacalcet-Produkte aufgrund vorheriger Testanfragen veranlasst durch die Verfügungsklägerin hatte, erfolgen. So wurde D durch die Verfügungsklägerin erstmals im Jahr 2019 mit der Analyse generischer Cinacalcet-Produkte beauftragt, unter anderem der angegriffenen Ausführungsform aus dem Verfahren 4c O 25/20 vor der Kammer. Zum damaligen Zeitpunkt suchte die Verfügungsklägerin unter Einschaltung ihrer britischen Rechtsanwälte nach geeigneten Testlaboren und schrieb insgesamt fünf Testlabore, die in die nähere Auswahl kamen, an. D war unmittelbar bereit und in der Lage, die Analysen in seinem auf solche Materialprüfungen spezialisierten Labor in St. Louis durchzuführen. Die Kosten für die Prüfung eines einzelnen Testmusters wurden auf USD 130.000,00 bis USD 160.000,00 veranschlagt. Eine Durchführung entsprechender Materialprüfungen bei einer Tochtergesellschaft von D in den Niederlanden konnte nicht erfolgen.
- Die Verfügungsklägerin bzw. Herr E, ein Mitarbeiter der deutschen Tochtergesellschaft der Verfügungsklägerin, versandte das am 5. Mai 2020 erworbene Testmuster am 11. Mai 2020 an die niederländische Tochtergesellschaft von D, welches dort am 19. Mai 2020 einging. Bei früheren Testrunden erfolgte der Erwerb der zu untersuchenden Produktmuster durch D selbst bzw. eines dieser Produktmuster konnte in den Niederlanden erworben werden, was vorliegend nicht der Fall war. Ein Versand über die Niederlande erfolgte vor dem Hintergrund bestehender Einfuhrbeschränkungen von Medikamenten in die USA. Unmittelbar nach Eingang des Produktmusters der angegriffenen Ausführungsformen in den Niederlanden, erfolgte der Versand an die D, …, wo es am 1. Juni 2020 eintraf. Zum Zeitpunkt der Ankunft des Produktmusters in den USA wurden noch Tests an Cinacalcet-Produkten der zweiten Testrunde von D durchgeführt. Die erste Testrunde, bei welcher die Produkte am 15. August 2019 bei D eingingen, erfolgte bis zum 7. Oktober 2019, die zweite Runde, Eingang 30. April 2020, wurde am 23. Juni 2020 abgeschlossen. Die Tests für die dritte Runde begannen am 6. Juli 2020; hiervon umfasst war auch das Produktmuster der angegriffenen Ausführungsform. Ursache für die Zeitverzögerung zwischen Beendigung der zweiten Testrunde am 23. Juni 2020 und Beginn der dritten Testrunde war die Notwendigkeit interner Abstimmungen und Genehmigungen innerhalb des Unternehmens der Verfügungsklägerin. Das Testergebnis lag am 7. August 2020 vor, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ging am 7. September 2020 bei Gericht ein.
- Die Verfügungsklägerin vertritt die Ansicht, dass sowohl ein Verfügungsanspruch wie ein Verfügungsgrund vorliege. Auch die vorzunehmende Interessenabwägung müsse zu ihren Gunsten erfolgen.
Ein Verfügungsanspruch liege vor, da die Tests durch D ergeben hätten, dass die angegriffenen Ausführungsformen von der Lehre nach dem Verfügungspatent Gebrauch machen würden.
Darüber hinaus sei der Rechtsbestand des Verfügungspatentes hinreichend gesichert. Die gegen den Rechtsbestand des Verfügungspatentes eingelegten Einsprüche hätten keine Aussicht auf Erfolg. Die unter anderem von der Verfügungsbeklagten gegen das Verfügungspatent geltend gemachten Einspruchsgründe der fehlenden erfinderischen Tätigkeit, der unzulässigen Erweiterung und der unzureichenden Offenbarung seien bereits im Wesentlichen von der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes im Einspruchsbeschwerdeverfahren T 1063/15 über das Stammpatent des Verfügungspatents behandelt und mit Entscheidung vom 12. April 2018 zurückgewiesen worden.
Die Erfindung nach dem Verfügungspatent sei neu. Das Verfügungspatent nehme die Priorität der US 60/XXX,219 vom 12. September 2003 zu Recht in Anspruch, da sowohl die Erfinder nach dem Verfügungspatent sowie die Verfügungsklägerin die PCT/US2004/XXX als gemeinsame Anmelder angemeldet hätten. Insoweit stelle das Cinacalet-Produkt der Verfügungsklägerin mit der Bezeichnung „Sensipar“ keine offenkundige Vorbenutzung dar. Die Erfindung nach dem Verfügungspatent beruhe gemäß Art. 56 EPÜ auch auf erfinderischer Tätigkeit. Die Erfindung sei nicht nahegelegt. Das von der Verfügungsbeklagten vorgelegte Dokument aus dem Stand der Technik, „…“ (Anlage rop 19, rop 19a, nachfolgend E) sei bereits von der Technischen Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung betreffend das Stammpatent gewürdigt worden, welche festgestellt habe, dass von dieser Druckschrift ausgehend als Stand der Technik zum Gegenstand der Erfindung nach dem Verfügungspatent nicht ohne erfinderische Tätigkeit gelangt werden könne.
Ferner ergebe sich der Gegenstand der Erfindung unmittelbar und eindeutig aus der ursprünglichen Anmeldung des Verfügungspatentes (Anlage rop 13, deutsche Übersetzung auszugsweise als Anlage rop 13a) sowie dem Stammpatent. Soweit die Verfügungsbeklagte beanstande, dass die ursprüngliche Anmeldung im Patentanspruch 1-Gew.% bis 5-Gew.% eines Bindemittels und ein Sprengmittel enthalte, so dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Verfügungspatentes nicht ursprünglich offenbart sei, sei dies unzutreffend. Denn der Gegenstand der Erfindung nach dem Klagepatent folge aus der Kombination der Ansprüche 28 (der auf die Ansprüche 27, 12 und 1 zurückverweist) des Stammpatentes in Kombination mit dem Anspruch 35 (Rückbezug auf Beispiel 1). Gleiches ergebe sich ausgehend von der ursprünglichen Anmeldung des Verfügungspatentes, in welcher die Ansprüche des Stammpatentes als Ausführungsbeispiele übernommen worden seien. Weder das Ausführungsbeispiel 1 der Anmeldung noch Anspruch 1 des Stammpatentes würden ein Bindemittel und ein Sprengmittel vorsehen.
Eine ausreichende Offenbarung liege überdies vor, da der Fachmann wisse, dass zur Feststellung der Auflösungsgeschwindigkeit eine wässrige Lösung notwendig sei, so dass für die 0,05 N HCl Wasser als Lösungsmittel gewählt würde. Dabei würde der Fachmann für die Menge an Lösungsmittel 900 ml wählen, was seinem allgemeinen Fachwissen entspreche, wie sich auch aus dem Privatgutachten von Herrn Dr. Rue (Anlage rop 17, 17a, D62 im Einspruchsverfahren) unter Ziffer 6.33 entnehmen lasse. Die Erfindung sei auch über die gesamte Breite des Anspruchs offenbart. - Sie habe ihr Begehren auch mit der gebotenen Dringlichkeit außergerichtlich verfolgt. Mit Blick auf die Verwirklichung des Anspruchs 1 sei eine Untersuchung der angegriffenen Ausführungsformen erforderlich gewesen. Aus der Marktzulassung der angegriffenen Ausführungsform seien lediglich die Inhaltsstoffe ersichtlich, nicht aber, in welchem Gewichtsverhältnis diese zusammengesetzt seien. Ein anderes Labor als D habe für Untersuchungen nicht zur Verfügung gestanden oder wäre bei der Durchführung der Tests nicht schneller gewesen, da die Analysetechniken zuerst hätten entwickelt werden müssen.
- Überdies gehe auch die Interessenabwägung zugunsten der Verfügungsklägerin aus. Es sei nicht zumutbar, ein Hauptsacheverfahren abzuwarten.
- Die Verfügungsklägerin beantragt,
- I. der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung – wegen besonderer Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung – zu untersagen,
- eine pharmazeutische Zusammensetzung umfassend
- a) von 5 % bis 40 % nach Gewicht an Cinacalcet-HCl
b) einen pharmazeutisch akzeptablen Arzneistoffträger, umfassend mikrokristalline Cellulose und Stärke in einem Gewichtsverhältnis im Bereich von 1:1 – 1:15; - wobei mindestens eine Dosierungseinheit der pharmazeutischen Zusammensetzung ein Auflösungsprofil in 0,05 N HCl aufweist, gemessen gemäß einem Auflösungstest, der in einer USP 2-Vorrichtung bei einer Temperatur von 37°C 0,5°C und bei einer Rotationsgeschwindigkeit von 75 U/min durchgeführt wird, die von 50% bis 125% einer Zielmenge des Cinacalcets umfasst, die nicht später als etwa 30 Minuten nach Beginn des Tests aus der Zusammensetzung freigesetzt wird, nämlich
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu besitzen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
- II. Der Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses gerichtliche Verbot als Zwangsvollstreckungsmaßnahme Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, jeweils zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, angedroht.
- Die Verfügungsbeklagte beantragt, nachdem sie an dem ursprünglich angekündigten Antrag auf Leistung von Prozesskostensicherheit in der mündlichen Verhandlung nicht mehr festgehalten hat,
- den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
- Sie ist der Ansicht, dass ein Verfügungsgrund nicht vorliege. Der Rechtsbestand des Verfügungspatentes sei nicht hinreichend gesichert, da sich das Verfügungspatent im Einspruchsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen werde. Das Verfügungspatent sei unzulässig erweitert, unzureichend offenbart, werde neuheitsschädlich wegen fehlender Prioritätsbeanspruchung vorweggenommen und beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Auch fehle es an der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen zeitlichen Dringlichkeit. Die Verfügungsklägerin habe durch die zögerliche und zu späte Einleitung des Verfügungsverfahrens die behauptete Dringlichkeit widerlegt. Sie habe sich bei der Verfolgung ihrer vermeintlichen Ansprüche in einer solchen Weise nachlässig und zögerlich verhalten, dass aus objektiver Sicht der Schluss geboten sei, der Verfügungsklägerin sei an einer zügigen Durchsetzung ihrer Rechte nicht gelegen. - So habe die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft machen können, aus welchem Grund vom Zeitpunkt des Erwerbs der angegriffenen Ausführungsformen bis zum Vorliegen des Untersuchungsergebnisses des Testlabors ein Zeitraum von drei Monaten erforderlich gewesen sei und nach Kenntnis der Untersuchungsergebnisse noch ein weiterer Monat vergangen sei, bis die Verfügungsklägerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei Gericht eingereicht habe.
- Bereits die Auswahl des Testlabors sei nicht nachvollziehbar. Gerade aus der ersten Testrunde im Jahr 2019 sei der Verfügungsklägerin bekannt gewesen, dass D viele Wochen für die Durchführung der angeforderten Analysen benötige und eine parallele Testung der Produkte verschiedener Testrunden aus Kapazitätsgründen nicht möglich gewesen sei. Eigene Recherchen der Verfügungsbeklagten hätten demgegenüber ergeben, dass beispielsweise das Unternehmen F mit Sitz in (…) mitgeteilt habe, dass die Untersuchungsergebnisse innerhalb von vier bis fünf Wochen ab Auftragserteilung vorliegen würden und sich die Gesamtkosten auf einen niedrigen fünfstelligen Betrag belaufen würden. Ähnliches folge aus einer Auskunft des (…) Unternehmens G.
- Die Verfügungsklägerin habe sich ungeachtet dessen auch selbst erhebliche Zeitverzögerung zuzuschreiben. So sei der Versand der angegriffenen Ausführungsform erst knapp eine Woche nach dessen Erwerb erfolgt, wobei der Versand in die Niederlande auch mittels einfachen Postpakets erfolgt sei, was zu einer Zeitverzögerung von zwölf Tagen geführt habe. Daher sei eine erhebliche Zeitverzögerung zwischen dem Erwerb eines Musters der angegriffenen Ausführungsform und dem Eingang bei D, eingetreten. Eine Testung sei dann auch nicht unmittelbar erfolgt, sondern erst mehr als eineinhalb Monate nach Eingang des Testmusters. In dieser Zeit sei nichts geschehen, was zur Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen hätte.
- Auch sei die Prüfung der dritten Testrunde erst am 6.Juli 2020 eingeleitet worden, obwohl die zweite Testrunde bereits am 23. Juni 2020 beendet war, mithin bereits zwei Wochen vergangen sind. Soweit die Verfügungsklägerin hier auf interne Genehmigungsprozesse, die Prüfung der Ergebnisse anderer Analysen sowie die Vorauszahlung der Analysekosten verweise, falle ihr diese weitere Zeitverzögerung von dreizehn Tagen ohne Weiteres zur Last. Daher habe das Testmuster der angegriffenen Ausführungsformen ohne Grund seit dem 1. Juni 2020 bei D, USA, bis zum Beginn der Testung am 6. Juli 2020, mithin 36 Tage, gelegen, ohne dass der Verletzungssachverhalt in irgendeiner Weise weiter aufgeklärt worden sei.
- Überdies sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die Vorbereitung und Abstimmung des Verfügungsantrags nach Mitteilung der Untersuchungsergebnisse durch D am 7. August 2020 einen Monat Zeit in Anspruch nehmen musste. Der Verfügungsklägerin lag aus dem Verfahren 4c O 25/20 gegen einen Wettbewerber der Verfügungsbeklagten bereits ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor, mit welchem sich die Verfügungsklägerin auf den gleichen Sach- und Rechtsvortrag gestützt habe.
- Die Verfügungsklägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.
- Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
- Entscheidungsgründe
- Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, aber unbegründet.
- Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die angegriffenen Ausführungsformen die technische Lehre des Verfügungspatents verwirklichen und somit ein Verfügungsanspruch besteht. Die Kammer vermag hingegen einen Verfügungsgrund nicht festzustellen.
- 1.
Eine einstweilige Verfügung darf gem. §§ 940, 935 ZPO nur dann erlassen werden, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig und damit eine Dringlichkeit für eine Regelung im Eilverfahren gegeben ist. In Patentstreitigkeiten folgt daraus das Erfordernis, dass erstens die für die Eilmaßnahme sprechende zeitliche Dringlichkeit gegeben sein muss, und dass zweitens die Abwägung der widerstreitenden Interessen des Rechtsschutzsuchenden und des in Anspruch Genommenen hinsichtlich der einstweiligen Regelung zugunsten des Antragstellers bzw. Verfügungsklägers ausfallen muss (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2008, 329 – Olanzapin). Der Verfügungsgrund ist vom Antragsteller bzw. Verfügungskläger darzulegen und glaubhaft zu machen. - Wann die gebotene zeitliche Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Verfügung vorliegt, lässt sich nicht allgemein, d.h. anhand fester Fristen, sondern nur unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse des Einzelfalls bestimmen (OLG Hamburg, GRUR-RR 2008, 366 – Simplify your Production). Dabei ist entscheidend, ob sich der Verletzte bei der Verfolgung seiner Ansprüche wegen einer Patentverletzung in einer solchen Weise nachlässig und zögerlich verhalten hat, dass aus objektiver Sicht der Schluss geboten ist, ihm sei an einer zügigen Durchsetzung seiner Rechte nicht gelegen, weswegen es auch nicht angemessen ist, ihm die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes zu gestatten (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2013, 236, 239 – Flupirtin-Maleat; Schulte/Voß, PatG, 10. Aufl., § 139 Rdnr. 420). Der Verfügungskläger muss bei der Rechtsverfolgung jedoch keinerlei Prozessrisiko eingehen. Er muss das Gericht deshalb erst anrufen, wenn er – erstens – verlässliche Kenntnis aller derjenigen Tatsachen hat, die eine Rechtsverfolgung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren erfolgversprechend machen, und wenn er – zweitens – die betreffenden Tatsachen in einer solchen Weise glaubhaft machen kann, dass sein Obsiegen sicher absehbar ist (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2013, 236, 239 – Flupirtin-Maleat).
- Insoweit haben bei der Bemessung der Dringlichkeit eine schematische Betrachtung einzelner (Aufklärungs-)Handlungen des Antragstellers und deren Zeitdauer zu unterbleiben, insbesondere verbietet es sich, vom Antragsteller stets und ausnahmslos die Wahl de schnellsten Weges zu verlangen. Denn dass jede einzelne Aufklärungs- und Verfolgungsmaßnahme für sich betrachtet ggf. auch zügiger hätte absolviert werden können (was praktisch immer denkbar sein wird), ist belanglos. Es geht nicht um eine größtmögliche Schnelligkeit, sondern darum, dass der Antragsteller seine Rechtsverfolgung in einer Weise vorantreibt, die die Ernsthaftigkeit seines Bemühens erkennen lässt und dies es deswegen objektiv rechtfertigt, ihm Zugang zum einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu gewähren.
- Grundsätzlich beginnt die „Uhr“ für den Antragsteller mit dem Augenblick zu ticken, in dem er Kenntnis von der schutzrechtsverletzenden bzw. einer kerngleichen Handlung erhält (vgl. Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 12. Aufl., Kapitel H., Rz. 127). Zwar trifft den Patentinhaber nach vorherrschender Meinung keine allgemeine Marktbeobachtungspflicht, deren fahrlässige Nichtbeachtung Einfluss auf die Dringlichkeit haben könnte. Wird indes die Markteinführung des Verletzungsproduktes – wie bei Arzneimitteln häufig – einige Zeit vorher angekündigt und erfährt der Schutzrechtsinhaber – etwa in Form der Listung in der Lauer Taxe – davon, ist von ihm zu erwarten, dass er die verbleibende Zeit bis zur Markteinführung nutzt, um sich intern darüber klar zu werden, ob er einer möglichen Patentverletzung durch das angekündigte Produkte auf den Grund gehen will, und sodann alle Vorbereitungen trifft, so dass das mutmaßlich schutzrechtsverletzende Produkt sogleich bei seiner Marktpräsenz erworben und ggf. untersucht werden kann (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel H., Rz. 128).
- Der Antragsteller muss bei der Rechtsverfolgung jedoch keinerlei Prozessrisiko eingehen. Er muss das Gericht deshalb erst anrufen, wenn er – erstens – verlässliche Kenntnis aller derjenigen Tatsachen hat, die eine Rechtsverfolgung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren erfolgversprechend machen, und wenn er – zweitens – die betreffenden Tatsachen in einer solchen Weise glaubhaft machen kann, dass sein Obsiegen sicher absehbar ist (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2013, 236, 239 – Flupirtin-Maleat). Der Antragsteller darf sich dabei auf jede mögliche prozessuale Situation, die nach Lage der Umstände eintreten kann, vorbereiten, so dass er – wie immer sich der Antragsgegner auch einlassen und verteidigen mag – darauf eingerichtet ist, erfolgreich erwidern und die nötigen Glaubhaftmachungsmittel präsentieren zu können. Auf der anderen Seite muss der Antragsteller, sobald er den mutmaßlichen Verletzungssachverhalt kennt, diesem nachgehen, die notwendigen Aufklärungsmaßnahmen treffen und für deren Glaubhaftmachung sorgen. Auch hierbei darf er nicht dilatorisch agieren, sondern hat die erforderlichen Schritte jeweils zielstrebig in die Wege zu leiten und zu Ende zu führen (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2013, 263 – Flupirtin-Maleat).
- In den Fällen, in denen das vermeintlich schutzrechtsverletzende Produkt untersucht und analysiert werden muss, trifft den Patentinhaber die Obliegenheit, den Gegenstand zügig und umfassend auf das Vorliegen einer Schutzrechtsverletzung zu untersuchen bzw. untersuchen zu lassen. Hierzu gehört, dass er, sofern sich der Benutzungstatbestand nicht aus einer bloßen Betrachtung des Verletzungsgegenstandes erschließt, alsbald die zur Aufklärung notwendigen Untersuchungen in die Wege leitet, diese zielstrebig zum Abschluss bringt und, sofern sich ein positiver Befund ergibt, anschließend ohne übermäßiges Zögern die sich daraus für ihn ergebenden Verbietungsansprüche verfolgt. Gründe für eine rechtlich unschädliche Verzögerung können sich in diesem Zusammenhang daraus ergeben, dass die Feststellung des Verletzungstatbestandes aufwändige Untersuchungen oder Analysen verlangt und/oder dass die Beschaffung von Glaubhaftmachungsmitteln, ohne die ein aussichtsreicher Verfügungsantrag nicht anhängig gemacht werden kann, Probleme bereitet. Dabei hat jede Maßnahme, die der Antragsteller zur Aufklärung und/oder Glaubhaftmachung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes unternimmt, die tatsächliche Vermutung ihrer Sinnhaftigkeit für sich, weswegen sie eine mangelnde Dringlichkeit grundsätzlich selbst dann nicht begründen kann, wenn sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass es ihrer angesichts der Einlassung des Antragsgegners im Verfügungsverfahren nicht bedurft hätte. Anders zu behandeln sind allenfalls solche Maßnahmen, die ex ante selbst aus Gründen prozessualer Vorsicht schlechterdings keinen Sinn ergeben, sondern ausschließlich unnütze Zeit bei der Rechtsverfolgung kosten (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2013, 263 – Flupirtin-Maleat).
- Der Verfügungskläger hat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes danach alles in seiner Macht Stehende zu tun, um einen möglichst baldigen Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zu erreichen. Kommt er dieser prozessualen Obliegenheit nicht nach und lässt er es zu vermeidbaren Verfahrensverzögerungen kommen, rechtfertigt dies in aller Regel den Schluss, dass ihm die Rechtsverfolgung nicht eilig und die Angelegenheit folglich nicht dringlich ist.
- 2.
Gemessen an diesem Maßstab fehlt dem vorliegenden Verfügungsantrag die zeitliche Dringlichkeit. Die Kammer vermag nicht festzustellen, dass die Verfügungsklägerin die erforderlichen Maßnahmen zur Ermittlung des Verletzungssachverhaltes und der Anrufung bei Gericht in der gebotenen Weise zügig durchgeführt hat. - Es kann zunächst nicht festgestellt werden, dass die von der Verfügungsklägerin zur Aufklärung des mutmaßlichen Verletzungssachverhaltes getroffenen Maßnahmen zielstrebig in die Wege geleitet und zu Ende geführt wurden. Die Verfügungsklägerin hat von der Existenz der angegriffenen Ausführungsformen jedenfalls seit Februar 2020 Kenntnis, wenn auch nicht über deren konkrete Zusammensetzung. Seit 24. April 2020 ist ihr jedoch auch bekannt, dass die angegriffenen Ausführungsformen in Deutschland vertrieben werden, da eine Listung in der Lauer-Taxe zum 1. Mai 2020 erfolgte. Eine zügige Durchführung zur Ermittlung des Verletzungssachverhaltes durch eigene und/oder fremde Untersuchung der Zusammensetzung der angegriffenen Ausführungsformen ist dann jedoch nicht erfolgt. Dabei mag zugunsten der Verfügungsklägerin unterstellt werden, dass die Hinzuziehung von D zur Ermittlung der konkreten Zusammensetzung der angegriffenen Ausführungsformen grundsätzlich nahelag, da diese bereits aufgrund vorhergehender Testrunden mit den jeweiligen Untersuchungen und der hierfür erforderlichen Methodik vertraut war. Die Verfügungsklägerin selbst hat jedoch zunächst diejenigen Maßnahmen, die erforderlich waren, um alsbald eine Testung des Musters zu bewerkstelligen, nicht mit der notwendigen Zielstrebigkeit durchgeführt.
- So hat die Verfügungsklägerin nach dem Erwerb eines Testmusters dieses nicht mit der gebotenen Eile an D, übermittelt. Das Testmuster wurde am 5. Mai 2020 erworben und wurde nicht unmittelbar an D, USA, versandt, sondern erst am 11. Mai 2020 an die niederländische Gesellschaft, bei welcher es am 19. Mai 2020 eintraf. Dabei wurde auch keine Expressversendung des Testmusters gewählt, sondern nur der einfache Postweg. Das Testmuster ging dann auch erst am 1. Juni 2020 bei D, ein, so dass zwischen Erwerb des Musters und Eingang im Testlabor bereits 25 Tage verstrichen waren. Dabei mag es letztlich für den Beginn der Untersuchungen unerheblich gewesen sein, ob das Testmuster zügig oder auf normalem Postweg übermittelt wurde, da die Untersuchungen unabhängig vom Eingang des Musters sowieso erst am 6. Juli 2020 begonnen wurden. Dass die Verfügungsklägerin zum Zeitpunkt der Übersendung Kenntnis von dem Umstand hatte, dass mit einer Prüfung nicht unmittelbar begonnen werden würde, ist nicht zu erkennen, so dass sie nicht die gebotenen Maßnahmen ergriffen hat, um das Produktmuster schnellstmöglich an das von ihr favorisierte Testlabor zu übermitteln.
- Geht man indessen davon aus, dass der Verfügungsklägerin zum Zeitpunkt der Übermittlung des Testmusters an D, bekannt war, dass mit einer Analyse erst begonnen werden würde, wenn die Untersuchungen der Produkte der zweiten Testrunde ihren Abschluss gefunden haben, muss sich die Verfügungsklägerin allerdings fragen lassen, ob aufgrund des Umstandes, dass eine Untersuchung erst mehr als zwei Monate nach Erwerb des Testmusters erfolgen konnte, die Auswahl von D als Testlabor sinnhaft war. Es ist zwar anzuerkennen, dass die Verfügungsklägerin hinsichtlich der durchzuführenden Tests mit Blick auf eine Patentverletzung eines ihrer Cinacalcet-Patente auf ein Labor zurückgreift, welches sich in der Vergangenheit schon als zuverlässig erwiesen hat. Gerade jedoch vor dem Hintergrund, dass der Verfügungsklägerin 14 Marktzulassungen verschiedener Generika-Hersteller zu Arzneimitteln mit Cinacalcet als Wirkstoff bekannt waren und die Verfügungsklägerin keine Kenntnis über eine etwaige Patentverletzung dieser Produkte hatte, und aufgrund des weiteren Umstandes, dass die lange Testdauer durch D bekannt war, hätte es jedoch nahegelegen nicht nur ein Labor für entsprechende Untersuchungen zu etablieren, sondern weitere Labore zur Durchführung der Testungen parallel heranzuziehen. Entsprechendes wäre ohne Weiteres möglich gewesen.
- Die Verfügungsbeklagte hat in diesem Zusammenhang vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass alternative Testlabore in Europa zur Verfügung standen, die zu geringeren Kosten und in kürzerer Zeit zur Durchführung der notwendigen Tests in der Lage waren. Insofern wurde vorgetragen, dass über das Unternehmen F (…) Untersuchungsergebnisse in einem Zeitraum von vier bis fünf Wochen zu erreichen waren bei einem geringeren Kostenaufwand (vgl. Anlage PBP 2). Dem steht nicht gegenüber, dass die Verfügungsklägerin durch eine eidesstattliche Versicherung von H (Anlage rop 31, 31a) vorgetragen und glaubhaft gemacht hat, dass eine Anfrage vom 26. Oktober 2020 ergeben habe, dass F in 2020 nicht mehr über freie Kapazitäten verfüge, so dass erst ab Beginn des Jahres 2021 mit Untersuchungen begonnen werden könne. Dass eine Untersuchung zu einem früheren Zeitpunkt im Jahr 2020 auch nicht möglich gewesen ist, beispielsweise im Mai/Juni 2020, kann dem jedoch nicht entnommen werden. Es mag daher der Fall sein, dass im vierten Quartal 2020 keine Kapazitäten für Untersuchungen mehr zur Verfügung standen, dass gleiches auch zu einem früheren Zeitpunkt der Fall war, wird damit jedoch nicht belegt. Soweit die Verfügungsbeklagte ferner auf das Schweizer Unternehmen G verweist (vgl. Anlage PBP 3), vermag dies ihren Vortrag nicht zu unterstützen. Denn, zwischen den Parteien unstreitig, schied eine Untersuchung durch G aus, da diese einer Verwertung von Testergebnissen in einem gerichtlichen Verfahren nicht zugestimmt hätten (vgl. Anlage rop 32, 32a). Dass jedenfalls ein alternatives Testlabor für Untersuchungen zur Verfügung stand, vermögen auch die Ausführungen von Prof. Blume in seiner eidesstattlichen Versicherung nicht in Frage zu stellen (Anlage rop 30). Danach soll eine Anfrage bei zwei Laboratorien – Labor I GmbH und J GmbH – ergeben haben, dass bei dem einen Labor eine Analyse circa sechs Monate dauern würde und das andere Labor einen Zeitrahmen von sechs bis acht Wochen zur Bestimmung der Menge an dem Cinacalcet-HCL sowie zur Bestimmung der Auflösungsrate des Wirkstoffs in der Tablette angab. Die quantitative Analyse der Zusammensetzung und weiteren Hilfsstoffe wurde als zu komplex abgelehnt. Dieses Vorbringen mag den Tatsachen entsprechen, stellt jedoch weder die Kapazitäten noch die Fertigkeiten etwaiger Untersuchungen durch F in Frage. Die Verfügungsbeklagte hat in diesem Zusammenhang vorgetragen, dass eine Untersuchung nebst Testbericht des Produkts der Verfügungsklägerin lediglich vom 12. November 2020 bis zum 3. Dezember 2020 andauerte. Dabei sollen die Anteile der Komponenten Cinacalcet, Crospovidon, Stärke und MCC untersucht worden sein sowie das Auflösungsprofil.
- Insofern hat die Verfügungsklägerin mit der Auswahl nur eines Testlabors, welches auch nach dem Wissen der Verfügungsklägerin eine erhebliche Zeit für die Durchführungen der Untersuchungen benötigte und auch keine Untersuchungen parallel durchgeführt hat, deutlich gemacht, dass sie bei der Ermittlung des maßgeblichen Verletzungssachverhaltes nicht zügig agiert hat. Denn zwischen dem Eingang des Testmusters bei D am 1. Juni 2020 und dem Beginn der Analysen liegt mehr als ein Monat und es ist nicht zu erkennen, dass in dieser Zeit ansonsten Handlungen vorgenommen wurden, die der Aufklärung oder jedenfalls dem Vorantreiben der Aufklärung des Verletzungssachverhaltes dienten.
- Ferner ist auch nicht zu erkennen, dass die Verfügungsklägerin alles dafür getan hat, um durch D alsbald ein Testergebnis zu erhalten. So wurde pauschal behauptet, dass ein ständiger Austausch mit D erfolgt und auch Druck ausgeübt worden sei, die Tests alsbald beginnen zu lassen. Die entsprechenden Behauptungen, welche von der Verfügungsbeklagten bestritten wurden, wurden allerdings nicht näher erläutert und auch nicht glaubhaft gemacht, so dass nicht festgestellt werden kann, dass die Verfügungsklägerin D tatsächlich regelmäßig darauf hingewiesen und dazu angehalten hat, dass die Testdurchführung nach Eingang des Produktmusters zügig zu beginnen und durchzuführen sind.
- Die Verfügungsklägerin hat auch überdies den Beginn der Untersuchungen erst am 6. Juli 2020 zu verantworten. Der Beginn der Analyse bereits ab dem 23. Juni 2020 war vielmehr problemlos möglich. Denn am 23. Juni 2020 ist von D die zweite Testrunde abgeschlossen worden und ab diesem Zeitpunkt hätte ohne weiteres mit der Prüfung der dritten Testrunde, zu welcher die angegriffenen Ausführungsformen gehörten, erfolgen können. Die Zeitverzögerung bis zum 6. Juli 2020 hat allerdings allein die Verfügungsklägerin zu verantworten. Nach ihrem eigenen Vorbringen mussten noch interne Abstimmungen und Genehmigungen eingeholt werden und die Kosten angewiesen werden. Der Entschluss für die Testung habe nicht ohne weiteres erfolgen können. Insoweit habe es einer großen Abstimmung bedurft. Aus welchem Grund dies nicht bereits in dem Zeitraum erfolgen konnte, während die zweite Testrunde noch andauerte, ist nicht erläutert worden. Hätte es noch einer Entscheidung über das „ob“ einer Untersuchung bedurft, ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund eine zeitaufwendige Übersendung des Testmusters an D erfolgt ist. Einer solchen Übersendung bereits kurz nach dem Erwerb des Produktmusters im Mai 2020 hätte es dann nicht bedurft. Die Verfügungsklägerin hat auch nicht erläutert, welchen Inhalt die erforderlichen Abstimmungen und Genehmigungen gehabt haben sollen. Gerade vor dem Hintergrund, dass bei positiver Testung eine gerichtliche Entscheidung im Eilverfahren beabsichtigt war, muss der Verfügungsklägerin bewusst gewesen sein, dass die erforderlichen Schritte zur Ermittlung eines etwaigen Verletzungstatbestandes zügig durchzuführen sind.
- Darüber hinaus hat sich die Verfügungsklägerin auch nach Kenntnis der Testergebnisse am 7. August 2020 nicht zügig um die Verfolgung ihrer Ansprüche auf gerichtlichem Weg bemüht. Sie hat sich mit der Einreichung des Verfügungsantrags am 7. September 2020 einen Monat Zeit gelassen, wobei nicht deutlich gemacht wurde, aus welchem Grund dieser Zeitraum für die Anfertigung eines entsprechenden Antrags erforderlich war. Denn bereits aus dem Verfahren 4c O 25/20 lag ein auf dem gleichen Verfügungspatent beruhendes Dokument vor, welches, wovon sich die Kammer überzeugen konnte, keine grundlegenden Abweichungen zu der hiesigen Antragsschrift zeigt. Lediglich der den Verfügungsanspruch betreffende Sachverhalt musste geändert werden. Ferner wurden Ausführungen im Rahmen des Verfügungsgrundes zur Frage der wirksamen Prioritätsbeanspruchungen ergänzt. Aus welchem Grund letzteres nicht während des Zeitraums der Testdurchführung bei D erfolgen konnte, ist nicht zu erkennen. Dass der Vortrag zur wirksamen Prioritätsbeanspruchung im Einspruchsverfahren erst nach Kenntnis der Testergebnisse, d.h. nach dem 7. August 2020 von Seiten der Einsprechenden erfolgte, hat die Verfügungsklägerin nicht behauptet. Insofern hätte entsprechender Vortrag auch schon während der Dauer der Analysen angefertigt werden können, zumal die Verfügungsklägerin davon ausgehen konnte, dass selbst wenn die Testergebnisse auf Seiten der Verfügungsbeklagten negativ ausfallen sollten, bei irgendeinem der 14 Cinacalcet-haltigen Generika, bei welchen durch die Verfügungsklägerin der Sachverhalt ermittelt wurde, ein positiver Nachweis einer Verletzung des Verfügungspatentes vorliegen würde, so dass bereits in Vorbereitung eines entsprechenden gerichtlichen Gesuchs der Vortrag zum Rechtsbestand angefertigt werden konnte.
- Die Verfügungsklägerin erklärt die Dauer von einem Monat mit der Fertigung eidesstattlicher Versicherungen und der Vorbereitung von sechs einstweiligen Verfügungsverfahren durch Verletzungshandlungen anderer Generikaanbieter. Letzteres kann allerdings nicht zugunsten der Verfügungsklägerin berücksichtigt werden, da es allein in ihrer Verantwortung liegt, wie sie unterschiedliche Verletzungsangriffe zeitlich koordiniert. Gleiches gilt für den von der Verfügungsklägerin vorgetragenen Sachverhalt, dass auch eine Abstimmung mit Blick auf das Ausland zu erfolgen hatte. Auch die Dauer von einem Monat für die Einholung der notwendigen Glaubhaftmachungsmittel ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Abläufe aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie sich als schwieriger darstellen. Denn ein Austausch über die Kommunikationsmittel wie Telefon oder per E-Mail, war weiterhin ohne weiteres möglich. Zwar ist es einem Patentinhaber grundsätzlich zuzugestehen, mit der Einreichung eines Verfügungsantrages zuzuwarten, bis sämtliche Glaubhaftmachungsmittel vorliegen. Dies befreit ihn indes nicht von der Obliegenheit, sich zügig um die Bereitstellung dieser Glaubhaftmachungsmittel zu bemühen und sich ggf. zeitnah mit den entsprechenden Personen in Verbindung zu setzen. Insoweit hätte sich die Antragstellerin spätestens am 7. August 2020 um die zügige Beibringung der eidesstattlichen Versicherungen kümmern müssen.
- Die gesamten Umstände zeigen daher, dass die Verfügungsklägerin die notwendigen Schritte nicht mit der gebotenen Zielstrebigkeit durchgeführt hat, so dass nicht positiv festgestellt werden kann, dass die Voraussetzungen der zeitlichen Dringlichkeit vorliegen.
- Insofern kommt es daher auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Rechtsbestand des Verfügungspatentes hinreichend gesichert ist, nicht an.
- Der im Sinne des § 296a ZPO nicht-nachgelassene und damit im Hinblick auf tatsächliches Vorbringen verspätete Schriftsatz der Verfügungsklägerin vom 30. Dezember 2020 gibt insgesamt keine Veranlassung zu einer anderen rechtlichen Würdigung des Rechtsstreits.
- III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.