4b O 142/18 – Kantenbeschichtungsvorrichtung

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3077

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 05. November 2020, Az. 4b O 142/18

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
  4. Tatbestand
  5. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des Gebrauchsmusters DE 20 2011 110 XXX (nachfolgend: Klagegebrauchsmuster) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
  6. Das Klagegebrauchsmuster ist durch Abzweigung aus der am 1. April 2011 eingetragenen Stammpatentanmeldung DE 10 2011 015 XXX entstanden. Die Eintragung im Patentblatt erfolgte am 9. Oktober 2015, die Bekanntmachung der Eintragung am 19. November 2015. Eingetragener Inhaber des Klagegebrauchsmusters ist der Geschäftsführer der Klägerin, Herr A. Der Anspruchssatz des Stammpatents wurde im anhängigen Einspruchsverfahren vor dem DPMA mit Beschluss vom 25. Juli 2019 geändert; die Klägerin macht das Klagegebrauchsmuster nunmehr im Umfang dieser geänderten Anspruchsfassung geltend.
  7. Gegen das Klagegebrauchsmuster ist ein Löschungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt anhängig, über das noch nicht entschieden wurde.
  8. Das Klagegebrauchsmuster betrifft eine Schmalflächenbeschichtungsvorrichtung und einen Auslass zum Aufbringen einer kleberfrei wärmeaktivierbaren Kantenbeschichtung mittels Heißluft oder Heißgas. Die von der Klägerin geltend gemachten Schutzansprüche 1 und 12 lauten in geänderter Fassung:
  9. 1. Kantenbeschichtungsvorrichtung (1) zum Aufbringen eines bandförmigen mehrschichtigen Kantenstreifens (4) auf Schmalflächen (6) eines Werkstücks (5), wobei der Kantenstreifen (4) kleberfrei wärmeaktivierbar auf den Schmalflächen (6) befestigbar ist, aufweisend mindestens eine Zufuhreinrichtung (7) für den Kantenstreifen (4) und eine Andruckrolle (9), die den wärmeaktivierten Kantenstreifen (4) an die Schmalfläche (6) des Werkstücks (5) andrückt,
  10. dadurch gekennzeichnet, dass
  11. ein Auslass (10) für erhitzte Druckluft (16) im Bereich von Zufuhreinrichtung (7) und/oder Andruckrolle (9) angeordnet ist, der die erhitzte Druckluft (16) unter Druck auf den Kantenstreifen (4) und/oder die wärmeaktivierbare Schicht des Kantenstreifens aufgibt, und dass eine gegenüber der Umgebung wärmeisolierte und als Wärmespeicher dienende Erwärmungseinrichtung (3) für Druckluft vorgesehen ist, in der der Wärmeübergang erfolgt, der die Druckluft (12) auf die benötigte Aktivierungstemperatur für die wärmeaktivierbare Schicht des Kantenstreifens (4) bringt, wobei die Erwärmungseinrichtung (3) mit dem Auslass (10) in fluidischer Verbindung für die erhitzte Druckluft steht.
  12. 12. Auslass für Druckluft, der die erhitzte Druckluft (16) unter Druck auf einen kleberfreien Kantenstreifen (4) und/oder eine wärmeaktivierbare Schicht des kleberfreien Kantenstreifens aufgibt, wobei mit dem Auslass (10) in fluidischer Verbindung für die erhitzte Druckluft stehend eine gegenüber der Umgebung wärmeisolierte und als Wärmespeicher dienende Erwärmungsvorrichtung (3) vorgesehen ist, in der der Wärmeübergang auf die Druckluft (12) auf die benötigte Aktivierungstemperatur des kleberfreien Kantenstreifens (4) erfolgt.
  13. Die folgenden Zeichnungen stammen aus der Klagegebrauchsmusterschrift. Figur 1 zeigt eine schematisierte Draufsicht auf eine erfindungsgemäße Kantenbeschichtungsvorrichtung. Figur 2 zeigt das schematisch dargestellte Zusammenwirken der wesentlichen Komponenten der Kantenbeschichtungsvorrichtung zwischen Erwärmungseinrichtung und Kantenstreifen bei der Beschichtung von Werkstücken:
  14. Die Beklagte stellt her, bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Maschinen für die Kantenbeschichtung. Sie verfügt über ein umfangreiches Portfolio mit unterschiedlichen Modellen. Zu den von der Beklagten hergestellten und vertriebenen Maschinen gehört das Modell „B“ mit den Modellbezeichnungen „C“ und „C-F“ (nachfolgend: „angegriffene Ausführungsform“).
  15. Die Beklagte bewirbt die angegriffene Ausführungsform in einem von der Klägerin vorgelegten Auszug aus ihrer Webseite (Anlage K 8) wie folgt:
  16. Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte verletze das Klagegebrauchsmuster auch in der nunmehr geltend gemachten Fassung. Es handele sich bei der angegriffenen Ausführungsform um eine Vorrichtung zum Anleimen von Kantenstreifen. Dabei würden bandförmige, mehrschichtige Kantenstreifen verarbeitet, die kleberfrei wärmeaktivierbar auf Schmalflächen von Werkstücken befestigt werden. Weiter weise die angegriffene Ausführungsform eine Zufuhreinrichtung für den Kantenstreifen auf sowie eine Anpresseinrichtung in Form einer Andruckrolle. Zudem sei bei der angegriffenen Ausführungsform ein Auslass für erhitzte Druckluft angeordnet. Über diesen Auslass (Düse) werde die erhitzte Druckluft auf die Innenseite des Kantenstreifens abgegeben. Schließlich weise die angegriffene Ausführungsform eine Erwärmungseinrichtung für Druckluft, einen sogenannten Lufterhitzer auf, der die Druckluft auf die Temperatur von mehr als 300°C erwärme. Lufterhitzer und Auslass – bei der angegriffenen Ausführungsform als „D“ bezeichnet – befänden sich in einer fluidischen Verbindung, da andernfalls erhitzte Druckluft aus der Düse nicht ausströmen könne. In der Wärmeeinrichtung befände sich der Wärmeübergang, der die Druckluft auf die benötigte Aktivierungstemperatur bringe.
  17. Schließlich verfüge die angegriffene Ausführungsform auch über eine Erwärmungseinrichtung, das sogenannte D mit den entsprechenden Zuleitungen für Druckluft und Elektroanschlüsse. Dieses Heizaggregat verfüge über einen Wärmespeicher und eine Wärmeisolierung. Das als Heizelement fungierende Keramikrohr sei von einem Metallrohr konzentrisch umgeben, auf dem wiederum eine Isolierung aufgebracht sei.
  18. Die Klägerin beantragt,
  19. I. die Beklagte zu verurteilen,
  20. 1. es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen.
  21. a) Kantenbeschichtungsvorrichtungen zum Aufbringen eines bandförmigen mehrschichtigen Kantenstreifens auf Schmalflächen eines Werkstücks, wobei der Kantenstreifen kleberfrei wärmeaktivierbar auf den Schmalflächen befestigbar ist, aufweisend mindestens eine Zufuhreinrichtung für den Kantenstreifen und eine Andruckrolle, die den wärmeaktivierten Kantenstreifen an die Schmalfläche des Werkstücks andrückt,
  22. bei denen ein Auslass für erhitzte Druckluft im Bereich von Zufuhreinrichtung und/oder Andruckrolle angeordnet ist, der die erhitzte Druckluft unter Druck auf den Kantenstreifen und/oder die wärmeaktivierbare Schicht des Kantenstreifens aufgibt, und bei denen eine gegenüber der Umgebung wärmeisolierte und als Wärmespeicher dienende Erwärmungseinrichtung für Druckluft vorgesehen ist, in der der Wärmeübergang erfolgt, der die Druckluft auf die benötigte Aktivierungstemperatur für die wärmeaktivierbare Schicht des Kantenstreifens bringt, wobei die Erwärmungseinrichtung mit dem Auslass in fluidischer Verbindung für die erhitzte Druckluft steht
  23. und/oder
  24. b) Auslässe für Druckluft, die die erhitzte Druckluft unter Druck auf einen kleberfreien Kantenstreifen und/oder eine wärmeaktivierbare Schicht des kleberfreien Kantenstreifens aufgeben, wobei mit dem Auslass in fluidischer Verbindung für die erhitzte Druckluft stehend eine gegenüber der Umgebung wärmeisolierte und als Wärmespeicher dienende Erwärmungsvorrichtung vorgesehen ist, in der der Wärmeübergang auf die Druckluft auf die benötigte Aktivierungstemperatur des kleberfreien Kantenstreifens erfolgt
  25. in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen;
  26. hilfsweise:
  27. es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen.
  28. a) Kantenbeschichtungsvorrichtungen zum Aufbringen eines bandförmigen mehrschichtigen Kantenstreifens auf Schmalflächen eines Werkstücks, wobei der Kantenstreifen kleberfrei wärmeaktivierbar auf den Schmalflächen befestigbar ist, aufweisend mindestens eine Zufuhreinrichtung für den Kantenstreifen und eine Anpresseinrichtung, die den wärmeaktivierten Kantenstreifen an die Schmalfläche des Werkstücks andrückt,
  29. bei denen ein Auslass für erhitzte Druckluft im Bereich von Zufuhreinrichtung und/oder Andruckrolle angeordnet ist, der die erhitzte Druckluft unter Druck auf den Kantenstreifen und/oder die wärmeaktivierbare Schicht des Kantenstreifens aufgibt, und bei denen eine Erwärmungseinrichtung für Druckluft vorgesehen ist, in der der Wärmeübergang erfolgt, der die Druckluft auf die benötigte Aktivierungstemperatur für die wärmeaktivierbare Schicht des Kantenstreifens bringt, wobei die Erwärmungseinrichtung mit dem Auslass in fluidischer Verbindung für die erhitzte Druckluft steht
  30. (Anspruch 1 des DE 20 2011 110 XXX)
  31. und/oder
  32. b) Auslässe für Druckluft, die die erhitzte Druckluft unter Druck auf einen kleberfreien Kantenstreifen und/oder eine wärmeaktivierbare Schicht des kleberfreien Kantenstreifens aufgeben, wobei mit dem Auslass in fluidischer Verbindung für die erhitzte Druckluft stehend eine Erwärmungsvorrichtung vorgesehen ist, in der der Wärmeübergang auf die Druckluft auf die benötigte Aktivierungstemperatur des kleberfreien Kantenstreifens erfolgt
  33. (Anspruch 12 des DE 20 2011 110 XXX)
  34. in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen;
  35. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 9. November 2015 begangen hat, und zwar unter Angabe
  36. a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden, wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind und wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  37. 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 19. Dezember 2015 begangen hat, und zwar unter Angabe
  38. a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
    b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
    c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
    d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
    e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Kläger einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  39. 4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, vorstehend zu I.1.a) bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten und/oder an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
  40. 5. die vorstehend unter l.1. bezeichneten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten gebrauchsmusterverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
  41. II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die vorstehend zu Ziffer I.1. bezeichneten und seit dem 19. Dezember 2015 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird;
  42. III. das Urteil für vorläufig erstreckbar zu erklären, hilfsweise, ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.
  43. Die Beklagte beantragt,
  44. die Klage abzuweisen,
  45. hilfsweise, die Klage bis zur Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamtes über das gegen das Klagegebrauchsmuster anhängige Löschungsverfahren zum Aktenzeichen 20 2011 110 XXX.6 nach § 148 ZPO auszusetzen.
  46. Die Beklagte ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagegebrauchsmusters keinen Gebrauch. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass bei der angegriffenen Ausführungsform der vermeintliche Auslass im Bereich der vermeintlichen Luftzufuhr und/oder Andruckrolle vorgesehen sei.
  47. Zudem werde bei der angegriffenen Ausführungsform die Druckluft nicht auf die Aktivierungstemperatur für die wärmeaktivierbaren Schichten des Kantenbandes – üblicherweise zwischen ca. 60°C und 120°C – gebracht, sondern auf viel höhere Temperaturen; die Temperatur für Druckluft lasse sich lediglich auf einen Bereich zwischen 300°C und 480°C einstellen.
  48. Ferner weise die angegriffene Ausführungsform keine als Wärmespeicher dienende Erwärmungseinrichtung auf. An einer Speicherung von Wärme fehle es unter anderem schon deshalb, weil bei der angegriffenen Ausführungsform kontinuierlich Luft durch die Erwärmungseinrichtung strömt und zwar in erheblichem Ausmaß: im Betrieb der Maschine liege in dem Heizaggregat zu jeder Zeit ein Luftstrom von mindestens 180 l/min an. Mithin gebe es keine Zeiten, in denen keine Heißluft generiert und von der Erwärmungseinrichtung ausgestoßen werde. Zudem könne das Metallrohr keinen Wärmespeicher darstellen, weil es gegenüber dem Heizelement durch ein Glimmerrohr wärmeisoliert sei.
  49. Schließlich sei das Klagegebrauchsmuster auch in der beschränkten Fassung nicht schutzfähig. Der Gegenstand des Klagegebrauchsmusters beruhe auf einer unzulässigen Erweiterung.
  50. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
  51. Entscheidungsgründe
  52. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Schadensersatz dem Grunde nach gemäß §§ 24 Abs. 1 und 2, 24a Abs. 1 und 2, 24b Abs. 1 und 3 GebrMG, §§ 242, 259 BGB.
  53. I.
    Das Klagegebrauchsmuster schützt eine Schmalflächenbeschichtungsvorrichtung und einen Auslass zum Aufbringen einer kleberfrei wärmeaktivierbaren Kantenbeschichtung mittels Heißluft oder Heißgas.
  54. In der Klagegebrauchsmusterschrift wird einleitend ausgeführt, dass Vorrichtungen zum Aufbringen eines Kantenstreifens auf eine Schmalfläche eines Werkstücks, insbesondere eines Holzwerkstücks in unterschiedlichen Ausführungsformen bekannt sind. Diese Kantenanleimvorrichtungen werden bei der Holzbearbeitung eingesetzt, um Kantenstreifen auf eine Schmalfläche eines Werkstücks aufzubringen. Zum Einsatz kommen maschinell angetriebene Spezialmaschinen, die nach der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters hinsichtlich der Passgenauigkeit des Kantenstreifens auf der Werkstückschmalfläche gute Ergebnisse liefern, jedoch relativ teuer sind.
  55. Die Kantenstreifen, die in der Regel zum Einsatz kommen, sind einseitig mit einem aktivierbaren Schmelzkleber versehen oder haben noch keinen Kleber aufgetragen. Entsprechend der Schmalflächenlänge des zu bearbeitenden Werkstücks wird der Kantenstreifen passgenau mit Überstand geschnitten, auf die Werkstückkante aufgesetzt, nach Auftragen eines unter Hitze zähflüssigen Klebers oder Aktivierung eines vorab aufgetragenen Schmelzklebers auf der Schmalfläche fixiert und gegebenenfalls manuell oder maschinell nachbearbeitet. Bei dieser Methode ist nachteilig, dass die Schmelzkleberschicht nach dem Auftragen aufgrund ihrer notwendigen Schichtdicke am fertigen Werkstück ästhetisch nachteilig sichtbar bleibt. Zudem ist die Temperierung der Schmelzkleberschicht heikel, da einerseits eine möglichst hohe Beschichtungstemperatur erreicht werden soll und andererseits aber das Material des häufig aus Kunststoffmaterialien bestehenden Kantenstreifens hierdurch nicht beeinträchtigt werden darf.
  56. Aus der EP 1 163 XXX B 1 und der EP 1 852 XXX B 1 sind kleberlose Kantenstreifen bekannt, die aus zwei bevorzugt koextrudierten Schichten von unterschiedlichen Kunststoffmaterialien bestehen, von denen eine durch Einfluss von Laserlicht derart aufgeschmolzen wird, dass sie wie bei den bekannten Schmelzkleberschichten auf Schmalflächen aufgebracht werden kann und mit diesen Schmalflächen verklebt. Die andere der beiden Schichten wird durch das Laserlicht nicht verändert und bildet die sichtbare Außenseite des Kantenstreifens. Es entsteht eine sog. Nullfuge bzw. eine Laserkante. Als nachteilig hieran beschreibt das Klagegebrauchsmuster, dass diese einen hohen apparativen Aufwand benötigt. Aus der EP 1 800 XXX A 2 ist daher bekannt, zur thermischen Aktivierung des Kantenstreifens statt eines Laserstrahls plasmaförmige Gase zu nutzen, deren Erzeugung und Handhabung einfacher als bei der Laseraktivierung sein sollen. Allerdings ist nach der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters auch hierbei ein nicht unerheblicher apparativer Aufwand notwendig, so dass sich auch diese technische Lösung wie auch die Laseraktivierung der Kantenstreifen nicht für den kleineren Handwerker oder gar den Heimwerker eignet.
  57. Vor diesem Hintergrund hat es sich die Erfindung nach dem Klagegebrauchsmuster zur Aufgabe gemacht, eine preiswerte und flexible Art der Beschichtung von Schmalflächen von Werkstücken mit kleberfrei wärmeaktivierbaren Kantenstreifen zur Verfügung zu stellen, die apparativ einfach vorzunehmen ist und darüber hinaus eine hohe Passgenauigkeit und optische Qualität des Kantenstreifens an der Schmalfläche des Werkstücks gewährleistet.
  58. Dies soll durch die Schutzansprüche 1 und 12 des Klagegebrauchsmusters in der geänderten Fassung erreicht werden, deren Merkmale wie folgt gegliedert werden können
  59. 1.1 Kantenbeschichtungsvorrichtung (1) zum Aufbringen eines bandförmigen mehrschichtigen Kantenstreifens (4) auf Schmalflächen (6) eines Werkstücks (5), wobei der Kantenstreifen (4) kleberfrei wärmeaktivierbar auf den Schmalflächen (6) befestigbar ist; aufweisend
    1.2. mindestens eine Zufuhreinrichtung (7) für den Kantenstreifen (4) und
    1.3. eine Andruckrolle, die den wärmeaktivierten Kantenstreifen (4) an die Schmalfläche (6) des Werkstücks (5) andrückt, wobei
    1.4. ein Auslass (10) für erhitzte Druckluft (16) im Bereich von Zufuhreinrichtung (7) und/oder Andruckrolle (9) angeordnet ist,
    1.5. der die erhitzte Druckluft (16) unter Druck auf den Kantenstreifen (4) und/oder die wärmeaktivierbare Schicht des Kantenstreifens (4) aufgibt, und
    1.6. eine Erwärmungseinrichtung (3) für Druckluft,
    1.6.1 in der der Wärmeübergang erfolgt, der die Druckluft (12) auf die benötigte Aktivierungstemperatur für die wärmeaktivierbare Schicht des Kantenstreifens (4) bringt, wobei
    1.6.2 die Erwärmungseinrichtung (3) mit dem Auslass (10) in fluidischer Verbindung für die erhitzte Druckluft (16) steht und wobei
    1.6.3 die Erwärmungseinrichtung gegenüber der Umgebung wärmeisoliert ist und als Wärmespeicher dient.
  60. 12.1 Auslass für Druckluft, der
    12.2 die erhitzte Druckluft (16) unter Druck auf einen kleberfreien Kantenstreifen (4) und/oder eine wärmeaktivierbare Schicht des kleberfreien Kantenstreifens aufgibt, wobei
    12.3 eine Erwärmungsvorrichtung (3) vorgesehen ist, die
    12.3.1 mit dem Auslass (10) in fluidischer Verbindung für die erhitzte Druckluft steht und
    12.3.2 in der der Wärmeübergang auf die Druckluft (12) auf die benötigte Aktivierungstemperatur des kleberfreien Kantenstreifens (4) erfolgt und wobei
    12.3.3 die Erwärmungseinrichtung gegenüber der Umgebung wärmeisoliert ist und als Wärmespeicher dient.
  61. II.
    Die erfindungsgemäße Kantenbeschichtungsvorrichtung nach Schutzanspruch 1 kommt bei der Beschichtung von Schmalflächen von Werkstücken mit kleberfrei wärmeaktivierbaren Kantenstreifen zum Einsatz. Diese weist eine Zufuhreinrichtung für den Kantenstreifen (Merkmal 2), eine Andruckrolle, die den wärmeaktivierten Kantenstreifen an die Schmalfläche des Werkstücks andrückt (Merkmal 3), einen Auslass für erhitzte Druckluft (Merkmal 4) und eine Erwärmungseinrichtung für die Druckluft (Merkmal 6) auf.
  62. 1.
    Nach Merkmal 4 ist der Auslass für die erhitzte Druckluft im Bereich von Zufuhreinrichtung und/oder Andruckrolle angeordnet. Der Auslass soll räumlich-funktional mit der Zufuhreinrichtung und/oder Andruckrolle zusammenwirken, um die erhitzte Druckluft unter Druck auf einen kleberfreien Kantenstreifen und/oder eine wärmeaktivierbare Schicht des Kantenstreifens aufgeben zu können. Zu einer konkreten räumlichen Anordnung verhält sich der Schutzanspruch nicht; es bleibt insoweit dem Fachmann überlassen, welche Anordnung er wählt.
  63. Aus der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters in Absatz [0008] geht lediglich hervor, dass bei einer derartigen Kantenbeschichtungsvorrichtung in erfindungsgemäßer Weise im Bereich von Zufuhreinrichtung und/oder Anpresseinrichtung ein Auslass für Heißluft oder das Heißgas angeordnet sein soll, der die Heißluft oder das Heißgas unter Druck auf den Kantenstreifen und/oder die wärmeaktivierbare Schicht des Kantenstreifens aufgibt. Die Anordnung ist dabei so zu wählen, dass es zu einem lokalen Aufschmelzen der wärmeaktivierbaren Schicht des Kantenstreifens kommt. Der Fachmann wird in Absatz [0008] weiter angewiesen, eine Konstruktion der Vorrichtung zu wählen, bei der die Heißluft oder das Heißgas möglichst nah an dem Kantenstreifen bzw. der wärmeaktivierbaren Schicht auf diesen aufgegeben wird, da ansonsten ein deutlicher Druckabfall der Heißluft oder des Heißgases gegenüber dem Druck direkt am Austritt der Düse und zudem eine Beimischung von kalter Umgebungsluft festzustellen ist, durch die eine geforderte Erhitzung des Kantenstreifens bzw. der wärmeaktivierbaren Schicht erschwert oder unmöglich gemacht wird. Demnach genügt jede Anordnung des Auslasses, die ein Aufschmelzen der wärmeaktivierbaren Schicht des Kantenstreifens ermöglicht, so dass dieser mittels der Andruckrolle auf die Schmalfläche des Kantenstreifens aufgeklebt werden kann.
  64. Zwar ist es funktional betrachtet möglich, den Auslass für die erhitzte Druckluft räumlich so anzuordnen, dass dieser bei Austritt direkt auf den Kantenstreifen oder die wärmeaktivierbare Schicht des Kantenstreifens aufgeblasen werden kann. Denn eine großflächige Erhitzung der wärmeaktivierbaren Schicht des Kantenstreifens durch Heißluft oder Heißgas, wie dies nach der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters in Absatz [0008] bei den herkömmlichen kleberbeschichteten Streifen grundsätzlich bekannt ist, führt nicht zu dem gewünschten Ergebnis des lokalen Aufschmelzens der wärmeaktivierbaren Schicht des Kantenstreifens. Allerdings lässt der Anspruch offen, wie genau die konkrete Anordnung erfolgen soll, solange die erhitzte Druckluft zwischen der Zufuhreinrichtung und der Anpresseinrichtung auf den Kantenstreifen trifft. Eine unzulässige Reduktion räumlich-körperlicher Merkmale auf ihren funktionalen Gehalt ist damit nicht verbunden.
  65. 2.
    Die Erwärmungseinrichtung für Druckluft soll nach Merkmal 6.1 die Druckluft auf die benötigte Aktivierungstemperatur für die wärmeaktivierbare Schicht des Kantenstreifens bringen. Die Druckluft soll mindestens auf eine Temperatur erwärmt werden, die es erlaubt, die wärmeaktivierbare Schicht zu aktivieren, wenn die erhitzte Druckluft auf diese Schicht auftrifft. Das Merkmal beschreibt damit eine Mindesttemperatur.
  66. Bei funktionaler Betrachtung hat die Erwärmungseinrichtung die Aufgabe, die Druckluft entsprechend auf die benötigte Temperatur zu erhitzen. Denn die Kantenbeschichtungsvorrichtung soll erfindungsgemäß mithilfe eines gezielten Auslasses von erhitzter Druckluft auf den Kantenstreifen bzw. dessen wärmeaktivierbare Schicht einwirken. Welche Temperatur die erhitzte Druckluft im konkreten Fall aufweisen muss, ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters. Der Fachmann wird lediglich angewiesen, eine solche Temperatur vorzusehen, die mindestens hoch genug ist, um die wärmeaktivierbare Schicht des Kantenstreifens während des Verarbeitungsprozesses zu aktivieren bzw. „schmelzen zu lassen“. Dabei muss die Temperatur der erhitzten Druckluft denknotwendig höher sein als die Temperatur, bei der die wärmeaktivierbare Schicht des Kantenstreifens aktiviert wird. Denn die Temperatur der Druckluft sinkt mit dem Austritt aus der Düse, da sie sich entspannt. Wäre das Merkmal, wie die Beklagte meint, auf die niedrigste Aktivierungstemperatur beschränkt, wäre eine Aktivierung nie möglich. Zudem findet eine Aktivierung der Schicht auch dann statt, wenn Druckluft mit einer Temperatur auftrifft, die höher ist als die geringste Aktivierungstemperatur. Auch vor diesem Hintergrund kann Merkmal 1.6 nicht einschränkend dahin ausgelegt werden, dass es sich um eine spezifische Temperatur im Sinne der geringsten Aktivierungstemperatur handelt.
  67. 3.
    Die erfindungsgemäße Erwärmungseinrichtung soll nach Merkmal 6.3 gegenüber der Umgebung wärmeisoliert sein und als Wärmespeicher dienen. Bereits der Wortlaut macht deutlich, dass die Erwärmungseinrichtung zwei verschiedene Eigenschaften aufweisen soll: wärmeisoliert und als Wärmespeicher dienend.
  68. Aus der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters in Absatz [0015] entnimmt der Fachmann beispielhaft, wie sich diese beiden Eigenschaften der Erwärmungseinrichtung im Fall, das keine Heißluft benötigt wird, auswirken sollen. Die Wärmeisolierung bietet – neben dem Arbeitsschutz – die Möglichkeit,
  69. „[…] etwa in Zeiten, in denen keine Heißluft oder kein Heißgas benötigt wird, quasi auf Vorrat [aufzuheizen], so dass bei Abforderung von Heißluft eine entsprechende Wärmemenge zur Verfügung steht, die auch einen länger andauernden Beschichtungsvorgang der Kantenbeschichtungsvorrichtung ohne Einbrüche in der Versorgung mit Heißluft oder Heißgas ermöglicht.“
  70. Bei Abforderung von Heißluft steht dann eine entsprechende Wärmemenge zur Verfügung, die einen länger andauernden Beschichtungsvorgang der Kantenbeschichtungsvorrichtung ohne Einbrüche in der Versorgung mit Heißluft ermöglicht.
  71. Zusätzlich dazu dient die Erwärmungsvorrichtung als Wärmespeicher; in Zeiten, in denen Heißluft nicht benötigt wird, kann die Erwärmungseinrichtung sogar überhitzt werden. Dadurch können große Mengen Heißluft oder Heißgas mit hohem Volumenstrom über eine relevante Zeit abgerufen werden (Abs. [0015]). Die Eigenschaft der Wärmespeicherung geht damit qualitativ über die der reinen Wärmeisolierung hinaus. Die sich in der aufgeheizten Erwärmungseinrichtung befindende Wärme wird nicht ohne weiteres an die Umgebung abgegeben, wenn diese gerade nicht genutzt wird, und die Erwärmungseinrichtung wird zusätzlich überhitzt.
  72. Weder der Schutzanspruch noch die Beschreibung des Klagegebrauchsmusters weisen den Fachmann an, wie er die Eigenschaften der Wärmeisolierung und der Wärmespeicherung umsetzen kann. Funktional betrachtet muss die wärmeisolierte Erwärmungseinrichtung so als Wärmespeicher ausgestaltet sein, dass im Falle des Betriebs der Einrichtung Wärme über einen relevanten Zeitraum vom Wärmespeicher abgegeben wird. Dabei ist nicht erforderlich, dass die erhitzte Luft selbst gespeichert wird und diese dann für den Betrieb der Kantenbeschichtungsvorrichtung zur Verfügung steht. Die Wärmespeicherung kann auch durch geeignete Werkstoffe erfolgen, die die Wärme speichern und im Betriebszustand an die vorbeiströmende Luft abgeben. Mit Blick auf die wärmespeichernde Funktion der Erwärmungseinrichtung ist dabei erforderlich, dass die Wärmespeicherung nicht lediglich dadurch herbeigeführt wird, dass der zum Einsatz kommende Werkstoff allein aufgrund der bestehenden fluidischen Verbindung mit der Wärmeeinrichtung selbst Wärme speichert. Denn ein zum Einsatz kommender Werkstoff weist an sich bereits eine Wärmekapazität auf. Daher wird der Fachmann einen Werkstoff vorsehen, der sich überhitzen lässt und dadurch eine höhere thermische Energie aufweist als seine Umgebung. Diese thermische Energie wird im Betriebszustand in der erfindungsgemäßen Vorrichtung dann an die Umgebung – hier an die an dem Wärmespeicher vorbeigeführte Luft – abgegeben und führt so zu deren Erwärmung auf die benötigte Aktivierungstemperatur für den Kantensteifen.
  73. 4.
    Nach Schutzanspruch 12 ist neben dem Auslass für Druckluft nach Merkmal 12.1 eine Erwärmungseinrichtung nach Merkmal 12.3 vorgesehen, die mit dem Auslass nach Merkmal 12.3.1 in fluidischer Verbindung für erhitzte Druckluft steht und in der der Wärmeübergang auf die Druckluft nach Merkmal 12.3.2 auf die benötigte Aktivierungstemperatur des kleberfreien Kantenstreifens erfolgt. Der Schutzanspruch umfasst damit nicht nur einen Auslass für Druckluft sondern auch die Erwärmungsvorrichtung. Diese ist nach Merkmal 12.3.3 gegenüber der Umgebung wärmeisoliert und dient als Wärmespeicher. Hinsichtlich der Merkmale 12.3.2 und 12.3.3 wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen unter Ziffern 1. bis 3. verwiesen.
  74. IV.
    Ob das Klagegebrauchsmuster in der geltend gemachten Fassung schutzfähig ist, kann dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls hat die Klägerin nicht dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform sämtliche Merkmale der Schutzansprüche 1 und 12 des Klagegebrauchsmusters verwirklicht.
  75. 1.
    Bei der Kantenbeschichtungsvorrichtung der Beklagten handelt es sich um eine Vorrichtung zum Anleimen von Kantenstreifen. Die Beklagte beschreibt in den als Anlage K 9 vorgelegten „C“, dass mithilfe dieser Vorrichtung bandförmige, mehrschichtige Kantenstreifen verarbeitet werden. Diese Kantenstreifen werden kleberfrei wärmeaktivierbar auf Schmalflächen von Werkstücken befestigt gemäß Merkmal 1.1. Die Kante selbst wird als „D“-Kante bezeichnet; sie ist mit einer speziell ausgearbeiteten Funktionsschicht versehen. Diese Funktionsschicht kann nur mittels heißer Druckluft aktiviert werden. Die angegriffene Vorrichtung weist ferner eine Zufuhreinrichtung für den Kantenstreifen gemäß Merkmal 1.2 sowie eine Andruckrolle gemäß Merkmal 1.3 auf. Weiterhin ist bei der angegriffenen Vorrichtung nach der Beschreibung gemäß Anlage K 9 eine Düse angeordnet, über die die erhitzte Druckluft auf die Innenseite der „D“-Kante gestrahlt wird gemäß Merkmal 1.4 und 1.5.
  76. 2.
    Die Kantenbeschichtungsvorrichtung der Beklagten weist schließlich ein Heizaggregat auf, durch das die Druckluft auf eine Temperatur von mehr als 300°C erwärmt wird. Dies ist die Erwärmungseinrichtung für Druckluft gemäß Merkmal 1.6 und 1.6.1. Das Heizaggregat steht mit der Düse in fluidischer Verbindung gemäß Merkmal 1.6.2 und bildet mit dieser das „E“-Aggregat.
  77. a)
    Dieses „E“-Aggregat ist, wie auf dem von der Klägerin gemäß Anlage K 15 vorgelegten Fotografien erkennbar, mit einer Isolierung versehen (Bild 5):
  78. Aus dem „E“-Aggregat ragt eine isolierte Zuleitung heraus, die sich auf die gesamte Länge des Aggregats von der Zuleitung bis zum Auslass erstreckt (Bild 6):
  79. Das Heizelement selbst ist aus Keramik gefertigt und als Rohr ausgebildet (Bild 7):
  80. Dieses keramische Heizelement befindet sich in einem Metallrohr, das an der einen Seite an das Heizaggregat angeflanscht ist und an der anderen Seite in seinem abgewinkelten Teil (auf dem Bild links erkennbar) in die Düse mündet.
  81. Zwischen dem Metallrohr und dem als Rohr ausgebildeten keramischen Heizelement ist ein Rohr eingeschoben, das ein Isolationsrohr darstellt:
  82. Dabei handelt es sich um ein Glimmerrohr, das aus silikonharzgebundenem Phlogopit-Papier besteht. Es ist hochtemperaturbeständig und stark wärmeisolierend. Das Glimmerrohr ragt nicht in den abgewinkelten Teil des Metallrohrs, der hin zur Düse führt, hinein.
  83. b)
    Durch die Anordnung des Glimmerrohrs in dem isolierten Metallrohr wird das keramische Heizelement von der Umgebung isoliert, die Wärme aber nicht an das Metallrohr weitergegeben. Die durch das Heizelement strömende Luft soll so möglichst ohne Wärmeverluste den Austrittsöffnungen zugeführt werden. Die Erwärmungseinrichtung der angegriffenen Ausführungsform ist damit gegenüber der Umgebung wärmeisoliert gemäß Merkmal 1.6.3.
  84. Dass die Erwärmungseinrichtung der angegriffenen Ausführungsform darüber hinaus als Wärmespeicher dient, kann nicht festgestellt werden. Das keramische Heizelement selbst stellt keinen Wärmespeicher im Sinne des Merkmals 1.6.3 dar. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Keramik, aus der das Heizelement besteht, über die diesem Werkstoff innewohnende Wärmekapazität hinaus derart überhitzt werden kann, dass das Heizelement in der Lage ist, die daran vorbeiströmende Luft auf die benötigte Aktivierungstemperatur zu erhitzen, ohne dass es selbst weiter erhitzt werden müsste.
  85. Ebenso stellt das Metallrohr in dem Bereich, in den das Glimmerrohr eingeschoben ist, keinen Wärmespeicher im Sinne des Merkmals 1.6.3 dar, da es durch das Glimmerrohr gegen das keramische Heizelement isoliert wird:
  86. Es ist nicht ersichtlich, dass das Metallrohr an dieser Stelle erhitzt oder überhitzt werden kann, so dass es Wärme an die vorbeiströmende Luft abgeben kann, zumal auch ein Vorbeiströmen von Luft überhaupt nicht erkennbar ist.
  87. Schließlich ist auch das abgewinkelte Stück des Metallrohrs, das in die Düse mündet und in das das hochisolierende Glimmerrohr nicht hineinragt, kein Wärmespeicher im Sinne des Merkmals 1.6.3. Zwar wird das Metallrohr an dieser Stelle in gewissem Umfang die Wärme aufnehmen, die die in diesem geführte erhitzte Druckluft an das Metallrohr abgibt. Es ist daher auch mit einer Wärmeisolierung versehen. Dass jedoch eine Überhitzung dieses Stücks des Metallrohrs erfolgen kann, die dann die in diesem Rohr geführte Druckluft auf die Aktivierungstemperatur erhitzt, ist nicht dargetan.
  88. Zwar wird bei der angegriffenen Vorrichtung in eingeschaltetem Zustand kontinuierlich ein Luftstrom mit mindestens 180l/min durch die Erwärmungseinrichtung geblasen und dadurch Heißluft generiert, auch wenn gerade kein Kantenanleimvorgang durchgeführt wird. Es ist jedoch nicht dargelegt, dass dadurch eine Überhitzung des abgewinkelten Metallrohrs erfolgen kann – jedenfalls keine, die bei einem Vollbetrieb substantiell Wärme abgeben und die durchströmende Luft weiter erhitzen kann. Es lässt sich nicht feststellen, dass das abgewinkelte Metallrohr in diesem Bereich über die Funktion, die ausströmende Luft zum Auslass zu führen, hinaus eine wärmespeichernde Funktion hat.
  89. Soweit die Klägerin einwendet, die Vorrichtung sei grundsätzlich geeignet, als Wärmespeicher zu dienen, fehlt es an Darlegung, welche Komponente der angegriffenen Vorrichtung tatsächlich eine wärmespeichernde Funktion im Sinne des Klagegebrauchsmusters aufweist.
  90. 3.
    Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht ferner nicht die Merkmale des Schutzanspruchs 12. Auf die obigen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
  91. Sollte Schutzanspruch 12 dahingehend ausgelegt werden, dass dieser nur den Auslass umfasst, wäre der Anspruch jedenfalls nicht schutzfähig. Denn in diesem Fall wäre grundsätzlich jeder Auslass für Druckluft vom Schutzbereich umfasst.
  92. V.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
  93. VI.
    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO. Dem von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Vollstreckungsschutzantrag war nicht stattzugeben, da sie die Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 ZPO weder dargelegt, noch gemäß § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat.
  94. Streitwert: 300.000 Euro.

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