4b O 76/19 – Abdeckhaube

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3076

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 05. November 2020, Az. 4b O 76/19

  1. I.
    Die Beklagte wird verurteilt,
  2. 1.
    der Klägerin Rechnung zu legen und Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie in der Zeit vom 17. Februar 2019 bis zum 31. März 2020 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
  3. Abdeckhauben für auf einer Palette gestapelte Ware, bestehend aus einer Platte mit einem nach unten gezogenen, umlaufenden Rand und an der Oberseite vorgesehenen, als Stapelsicherung dienenden Vorsprüngen sowie an der Unterseite vorgesehenen Versteifungsrippen
  4. bei denen auf der Unterseite der Abdeckhaube mit großflächiger Verteilung zwischen den Versteifungsrippen umfangsgeschlossene, eine ebene Auflagefläche aufweisende Hohlraumstrukturen ausgebildet sind
  5. (Anspruch 1 des DE 20 2010 018 XXX),
  6. hergestellt, angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken entweder eingeführt oder besessen hat,
  7. und zwar unter Angabe
  8. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen,
    -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer;
    b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
    -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
    c) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  9. wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden und ihr zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Nachfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  10. 2.
    die vor dem 1. April 2020 in ihren unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihr Eigentum gelangten und noch befindlichen unter Ziffer I. 1. bezeichneten Abdeckhauben nach ihrer Wahl selbst auf eigene Kosten zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
  11. 3.
    die unter Ziffer I. 1. bezeichneten und in der Zeit vom 17. Februar 2019 bis zum 31. März 2020 in Verkehr gebrachten Abdeckhauben gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten und die notwendigen Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
  12. II.
    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.063,80 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Oktober 2019 zu zahlen.
  13. III.
    Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu erstatten, der dieser durch die in Ziffer I. 1. bezeichneten und in der Zeit vom 17. Februar 2019 bis zum 31. März 2020 begangenen Handlungen entstanden ist und entstehen wird.
  14. IV.
    Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, soweit die Klägerin beantragt hat, die Beklagten zu verurteilen,
  15. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft am jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten zu vollstrecken ist, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu unterlassen
  16. Abdeckhauben für auf einer Palette gestapelte Ware, bestehend aus einer Platte mit einem nach unten gezogenen, umlaufenden Rand und an der Oberseite vorgesehenen, als Stapelsicherung dienenden Vorsprüngen sowie an der Unterseite vorgesehenen Versteifungsrippen
  17. herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrachen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
  18. bei denen auf der Unterseite der Abdeckhaube mit großflächiger Verteilung zwischen den Versteifungsrippen umfangsgeschlossene, eine ebene Auflagefläche aufweisende Hohlraumstrukturen ausgebildet sind
    (Anspruch 1 des DE 20 2010 018 XXX)

    V.
    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  19. VI.
    Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
  20. VII.
    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 80.000 Euro, wobei für die Vollstreckung der einzelnen titulierten Ansprüche folgende Teilsicherheiten festgesetzt werden:
    Ziff. I.1.: 50.000 Euro
    Ziff. I. 2., 3.: 15.000 Euro
    Ziffer II., VI.: 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
  21. Tatbestand
  22. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des Gebrauchsmusters DE 20 2010 018 XXX U 1 (nachfolgend: Klagegebrauchsmuster) auf Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf, Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
  23. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagegebrauchsmusters, das durch Abzweigung aus der laufenden Anmeldung des Stammpatents DE 10 2010 009 XXX.9 unter Inanspruchnahme einer inneren Priorität vom 6. März 2009 entstanden ist. Die Bekanntmachung der Eintragung im Patentblatt erfolgte am 17. Januar 2019. Das Klagegebrauchsmuster ist zum 31. März 2020 nach Erreichen seiner Höchstschutzdauer erloschen.
  24. Das Klagegebrauchsmuster betrifft eine Abdeckhaube für auf einer Palette gestapelte Artikel. Der von der Klägerin geltend gemachte Schutzanspruch 1 lautet:
  25. Abdeckhaube für auf einer Palette gestapelte Ware, bestehend aus einer Platte mit einem nach unten gezogenen, umlaufenden Rand und an der Oberseite vorgesehenen, als Stapelsicherung dienenden Vorsprüngen sowie an der Unterseite vorgesehenen Versteifungsrippen, dadurch gekennzeichnet, dass auf der Unterseite der Abdeckhaube mit großflächiger Verteilung zwischen den Versteifungsrippen umfangsgeschlossene, eine ebene Auflagefläche aufweisende Hohlraumstrukturen ausgebildet sind.
  26. Hinsichtlich des insbesondere geltend gemachten Schutzanspruchs 5 wird auf die Klagegebrauchsmusterschrift verwiesen.
  27. Die folgenden Zeichnungen stammen aus der Klagegebrauchsmusterschrift. Figur 1 zeigt eine perspektivische Gesamtansicht eines Palettenstapels mit einer oben aufgelegten erfindungsgemäßen Abdeckhaube. Figur 3 zeigt die Abdeckhaube als Einzeleinheit in der Draufsicht und Figur 4 von der Unterseite:
  28. Die dem Klagegebrauchsmuster zugrundeliegende Erfindung wird von der Klägerin selbst genutzt und zudem an Dritte lizenziert.
  29. Der A („A“) nahm eine Ausführungsform des Klagegebrauchsmusters, die „B“ der Klägerin, in den Abmessungen 1.200 x 800 mm mit der Farbvorgabe „C“, C, seit Oktober 2011 in die Veröffentlichung der A-Empfehlung 4500 gemäß § 1 einer
  30. zwischen der Klägerin und dem A geschlossenen Vereinbarung vom 3. November 2011 auf, wie folgt:
  31. Im Gegenzug verpflichtete sich die Klägerin in dieser Vereinbarung, Dritten, nach Erteilung der Zulassung durch den A, eine unentgeltliche einfache, unkündbare Lizenz am Klagegebrauchsmuster zu erteilen. Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Vereinbarung wird auf die Anlage K 5 Bezug genommen.
  32. Mit Vereinbarung vom 29. Februar/29. März 2016 erteilte die Klägerin der D, unentgeltlich eine einfache, unkündbare Lizenz zur Nutzung des Klagegebrauchsmusters für einen „E“ in den Abmessungen 1.200 x 800 mm entsprechend der A-Empfehlung 4500. Eine Unterlizenzvergabe wurde der D nicht gestattet. Hinsichtlich des Inhalts dieser Vereinbarung wird auf die Anlage VP 1 verwiesen.
  33. Die in Deutschland ansässige Beklagte bietet an und vertreibt – insbesondere an den Automobilhersteller F – in der Bundesrepublik Deutschland Abdeckhauben mit der Bezeichnung G in violettem Farbton („angegriffenen Ausführungsform“) wie folgt (Anlage K 7):
  34. Der Firmenname der Beklagten „H“ ist auf der Oberseite in den Kunststoff eingeprägt:
  35. Mit anwaltlichem Schreiben vom 2. Mai 2019 (Anlage VP 2) forderte die Klägerin die Beklagte auf, darzulegen, warum sie sich für berechtigt ansehe, das Klagegebrauchsmuster im geschäftlichen Verkehr durch Herstellung und Vertrieb dieser Abdeckhauben zu benutzen. Darauf teilte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 16. Mai 2019 (Anlage VP 3) mit, die Abdeckhauben seien von der D hergestellt und anschließend von ihr nur vertrieben worden. Bei den Abdeckhauben handele es sich um solche, die Gegenstand des Lizenzvertrages mit der Klägerin seien. Die Beklagte erklärte ihrerseits Lizenzbereitschaft zu den Bedingungen, die für die D gelten. Die Erteilung einer unentgeltlichen Lizenz lehnte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Mai 2019 (Anlage VP 4) ab und forderte die Beklagte zwecks Prüfung einer entgeltlichen Lizenzeinräumung erfolglos zur Auskunftserteilung auf.
  36. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verletze das Klagegebrauchsmuster. Bei der angegriffenen Ausführungsform handele es sich um eine Abdeckhaube, die sämtliche Merkmale des Schutzanspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters erfülle. Da sich die Beklagte als Herstellerin geriere, sei sie auch als eine solche anzusehen.
  37. Sie vertritt die Auffassung, die Beklagte könne sich auf die Lizenz der D nicht erfolgreich berufen. Denn nach dieser Lizenzvereinbarung sei die Erteilung von Unterlizenzen ausgeschlossen. Die Beklagte nutze die D als verlängerte Werkbank ihres eigenen Unternehmens, weil diese nur unter der Marke der Beklagten „H“ fertige. Ungeachtet dessen trete die Beklagte nach außen als Herstellerin auf. Zudem bewege sich die Beklagte außerhalb der Lizenzbedingungen, denn ein mit Bezug auf das Lizenzprodukt festgelegter Farbton sei eine zulässige Beschränkung in einem einfachen Lizenzvertrag.
  38. Ursprünglich hat die Klägerin beantragt,
  39. I. die Beklagte zu verurteilen,
  40. 1. es bei Meldung eines vom Gericht für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft am jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten zu vollstrecken ist, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu unterlassen
  41. Abdeckhauben für auf einer Palette gestapelte Ware, bestehend aus einer Platte mit einem nach unten gezogenen, umlaufenden Rand und an der Oberseite vorgesehenen, als Stapelsicherung dienenden Vorsprüngen sowie an der Unterseite vorgesehenen Versteifungsrippen
  42. herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrachen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
  43. bei denen auf der Unterseite der Abdeckhaube mit großflächiger Verteilung zwischen den Versteifungsrippen umfangsgeschlossene, eine ebene Auflagefläche aufweisende Hohlraumstrukturen ausgebildet sind
    (Anspruch 1 des DE 20 2010 018 XXX),
  44. insbesondere wenn
  45. diese eine sechseckige wabenförmige Verrippung aufweisen
    (Anspruch 5 des DE 20 2010 018 XXX),
  46. 2. Rechnung zu legen und Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die in Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 17. Februar 2019 begangen hat, und zwar unter Angabe
  47. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen,
    -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen, sowie die Namen und Anschriften der Abnehmer;
    b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
    -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen, sowie die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
    c) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  48. wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden und ihr zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Nachfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  49. 3. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen unter Ziffer I. 1. bezeichneten Abdeckhauben nach ihrer Wahl selbst auf eigene Kosten zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
  50. 4. die unter Ziffer I. 1. bezeichneten und seit dem 17. Februar 2019 in Verkehr gebrachten Abdeckhauben gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten und die notwendigen Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
  51. 5. an die Klägerin 8.090,80 Euro zuzüglich 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz jährlich darauf seit Klagezustellung zu zahlen;
  52. II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu erstatten, der dieser durch die in Ziffer I. 1. bezeichneten und seit dem in Ziffer I.2. genannten Zeitpunkt begangenen Handlungen entstanden ist und entstehen wird.
  53. Nachdem das Klagegebrauchsmuster am 31. März 2019 erloschen ist, hat die Klägerin den Antrag zu Ziffer I.1. in der Hauptsache für erledigt erklärt.
  54. Sie beantragt nunmehr noch,
  55. I. die Beklagten zu verurteilen,
  56. 1. Rechnung zu legen und Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die in Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen in der Zeit vom 17. Februar 2019 bis zum 31. März 2020 begangen hat, und zwar unter Angabe
  57. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen,
    -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen, sowie die Namen und Anschriften der Abnehmer;
    b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
    -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen, sowie die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
    c) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  58. wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden und ihr zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Nachfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  59. 2. die vor dem 1. April 2020 in ihren unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihr Eigentum gelangten und noch befindlichen unter Ziffer I. 1. bezeichneten Abdeckhauben nach ihrer Wahl selbst auf eigene Kosten zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
  60. 3. die unter Ziffer I. 1. bezeichneten und in der Zeit vom 17. Februar 2019 bis zum 31. März 2020 in Verkehr gebrachten Abdeckhauben gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten und die notwendigen Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
  61. 4. an die Klägerin 8.090,80 Euro zuzüglich 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz jährlich darauf seit Klagezustellung zu zahlen;
  62. II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu erstatten, der dieser durch die in Ziffer I. 1. bezeichneten und in der Zeit vom 17. Februar 2019 bis zum 31. März 2020 begangenen Handlungen entstanden ist und entstehen wird,
  63. mit der Klarstellung, dass der bisherige Antrag zu Ziffer I.1. nunmehr als Antrag auf Feststellung der Erledigung aufzufassen ist.
  64. Die Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen und beantragt,
  65. die Klage abzuweisen.
  66. Die Beklagte ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagegebrauchsmusters keinen Gebrauch. Die ebenen Auflageflächen seien bei der angegriffenen Ausführungsform nicht „großflächig“ im Sinne des Klagegebrauchsmusters über die Unterseite der Abdeckhaube verteilt. Lediglich 26% der Unterseite stellten bei der angegriffenen Ausführungsform die Auflagefläche dar. Zudem sei die angegriffene Ausführungsform in einer Form geprägt. Keine dieser Ebenen sei jedoch nach unten oder oben geschlossen, sodass sich ein Hohlraum bilden würde. Die Auflageflächen seien schlicht in einer Ebene geprägt, so dass sie beim Stapeln an der Unterseite als erstes die darunter liegende Ware berührten und damit auf dieser aufliegen würden und gleichzeitig an der Oberseite Stapel- und Sicherungsschutz lieferten.
  67. Jedenfalls seien die Rechte der Klägerin aus dem Klagegebrauchsmuster bezogen auf die angegriffene Ausführungsform erschöpft. Die Abdeckhauben werden unstreitig von der Lizenznehmerin der Klägerin, der D, hergestellt und von der Beklagten lediglich vertrieben. Damit werde die angegriffene Ausführungsform mit Zustimmung der Klägerin in den Verkehr gebracht. Die Abdeckhauben würden lediglich aus formalen Gründen unter der Firmierung der Beklagten weitervertrieben. Dass diese Abdeckhauben eine violette Farbe aufweisen, ändere an der Erschöpfung des Klagegebrauchsmusters nichts. Denn eine derartige Abrede sei nicht auf das lizenzierte technische Schutzrecht bezogen. Zudem sei die an die D erteilte Lizenz nicht auf eine bestimmte Farbe beschränkt. Die farbige Ausgestaltung sei zudem technisch völlig irrelevant und damit vom Parteiwillen nicht umfasst.
  68. Ferner sei das Klagegebrauchsmuster löschungsreif. Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 sei nicht neu.
  69. Schließlich habe die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich entstandener Abmahnkosten in der geltend gemachten Höhe. Zu keiner Zeit habe die Klägerin eine Abmahnung ausgesprochen, die durch ein ernsthaftes und endgültiges Unterlassungsbegehren gekennzeichnet gewesen wäre. Zudem sei der vorgerichtlich angegebene Gegenstandswert deutlich übersetzt.
  70. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
  71. Entscheidungsgründe
  72. Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet.
  73. A.
    Der klägerische Antrag ist dahingehend auszulegen, dass die Klägerin aufgrund des erledigenden Ereignisses Feststellung begehrt, dass sich der Unterlassungsantrag nach Ziffer I.1. erledigt hat. Nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 27. Mai 2020 den Ablauf der Schutzdauer des Klagegebrauchsmusters mitgeteilt hat, hat sie ihren auf das Klagegebrauchsmuster gestützten Unterlassungsantrag in der Hauptsache für erledigt erklärt, dem die Beklagte widersprochen hat.
  74. B.
    Der nunmehr auf Feststellung gerichtete Antrag der Klägerin hat Erfolg; der ursprünglich auf Unterlassung gerichtete zulässige Antrag war begründet gemäß § 24 Abs. 1 GebrMG und ist durch das erledigende Ereignis nunmehr unbegründet.
  75. Die Klägerin hat ferner Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf sowie Schadensersatz dem Grunde nach gegen die Beklagte aus §§ 24 Abs. 2, 24a, 24b Abs. 1 und 3 GebrMG, §§ 242, 259 BGB. Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich entstandener Kosten gemäß §§ 683, 684 BGB besteht ebenfalls, allerdings lediglich aus einem Streitwert in Höhe von 50.000 Euro.
  76. I.
    Das Klagegebrauchsmuster schützt eine Abdeckhaube für auf einer Palette gestapelte Ware, bestehend aus einer Palette mit einem nach unten gezogenen, umlaufenden Rand und an der Oberseite vorgesehenen, als Stapelsicherung dienenden Vorsprüngen sowie an der Unterseite vorgesehenen Versteifungen.
  77. Abdeckhauben zur Abdeckung von Waren- bzw. Artikelstapeln, die eine stabile Unterlage schaffen, auf der eine weitere Palette gestapelt werden kann, sind aus dem Stand der Technik bekannt. Die DE 91 10 XXX.6 U 1 beschreibt eine Abdeckhaube, die zur Erhöhung der Steifigkeit im Randbereich an ihrer Oberseite einen ebenen, durch Querrippen geschützten, im Wesentlichen parallel zur Platte verlaufenden Rahmen ausbildet, der eine senkrecht auf ihm stehende Rippe trägt, welche einen als Standsicherung dienenden Vorsprung bildet (Abs. [0002], Absätze ohne Bezugsangabe beziehen sich auf die Klagegebrauchsmusterschrift).
  78. Als nachteilig beschreibt das Klagegebrauchsmuster, dass eine nur an der Oberseite versteifte Abdeckung nicht ausreicht, die hohen Stapelkräfte aufzunehmen, so dass sich eine für einen Palettenstapel sehr nachteilige und gefährliche Schräglage übereinander gestapelter beladener Paletten nicht ausschließen lässt (Abs. [0003]). Um dem zu begegnen, so das Klagegebrauchsmuster, sind in der Praxis Abdeckhauben bekannt, die an ihrer Unterseite mit sich kreuzenden Längs- und Querrippen versehen sind. Allerdings hat sich gezeigt, dass die Rippenstruktur auf den unter der Abdeckhaube gestapelten Artikeln einen Abdruck hinterlässt, der insbesondere bei auf der Palette abgestapelten Schaumstoffbehältern oder dergleichen, weichen, nachgiebigen Materialien besonders ausgeprägt ist (Abs. [0004]).
  79. Das Klagegebrauchsmuster hat es sich vor diesem Hintergrund zur Aufgabe gemacht, eine Abdeckhaube der eingangs genannten Art zu schaffen, die einerseits hohen Stapellasten standhält, andererseits aber dennoch keinen Abdruck auf den Artikeln der obersten Stapellage hinterlässt [Abs. [0005]).
  80. Dies soll durch Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters erreicht werden, dessen Merkmale wie folgt gegliedert werden können:
  81. 1. Abdeckhaube für auf einer Palette gestapelte Ware, bestehend aus
    2. einer Platte mit
    2.1 einem nach unten gezogenen, umlaufenden Rand und
    2.2 an der Oberseite vorgesehenen, als Stapelsicherung dienenden Vorsprüngen sowie
    2.3 an der Unterseite vorgesehenen Versteifungsrippen, wobei
    3. auf der Unterseite der Abdeckhaube Hohlraumstrukturen ausgebildet sind
    3.1 mit großflächiger Verteilung zwischen den Versteifungsrippen,
    3.2 die Hohlraumstrukturen sind umfangsgeschlossen und weisen eine ebene Auflagefläche auf.
  82. II.
    Die Vorrichtung nach Schutzanspruch 1 umfasst eine Platte mit einer Unter- und einer Oberseite mit einem nach unten gezogenen, umlaufenden Rand. An der Oberseite sind Vorsprünge als Stapelsicherung und an der Unterseite Versteifungsrippen und Hohlraumstrukturen vorgesehen. Dabei sollen diese Hohlraumstrukturen nach Merkmal 3.1 mit großflächiger Verteilung zwischen den Versteifungsrippen ausgebildet sein, somit erfindungsgemäß über die gesamte Fläche der Platte. Hingegen fordert das Klagegebrauchsmuster nicht, dass die Hohlraumstrukturen selbst großflächig ausgestaltet sind oder eine, im Vergleich zur Gesamtfläche der Platte, große Fläche einnehmen.
  83. 1.
    Eine großflächige Verteilung der Hohlraumstrukturen auf der Unterseite der Abdeckhaube erfordert nach dem Wortlaut des Merkmals 3.1 nicht, dass die Hohlraumstrukturen 40% der Gesamtfläche der Abdeckhaube ausmachen. Dieses Flächenmaß findet sich zwar in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters in Absatz [0006], hat aber keinen Eingang in den Schutzanspruch 1 gefunden. Die großflächige Verteilung der Hohlraumstrukturen bezieht sich ferner nicht auf den Flächenanteil im Verhältnis zur Gesamtfläche der Unterseite der Abdeckhaube sondern auf die Verteilung in der Fläche; die Hohlraumstrukturen dürfen nicht lediglich punktuell ausgebildet, sondern sollen flächig verteilt und damit in einigem Umfang vorhanden sein.
  84. Funktional betrachtet kommt es nicht auf die statistisch gleichmäßige Verteilung der Hohlraumstrukturen an. Entscheidend ist vielmehr, dass die Anordnung der Hohlraumstrukturen so gewählt ist, dass diese einen großen Teil der Gesamtlast bzw. der Auflast aufnehmen können. Die auf der Abdeckhaube verbleibende Kraft verringert sich so derart, dass sich die Rippen der Wabenstruktur nicht in die darunterliegenden Artikel abdrücken können (Abs. [0005], [0010]). Die erfindungsgemäße Vorrichtung kann so einer hohen Stapellast standhalten (Abs. [0006]).
  85. Die konkrete Anordnung der Hohlraumstrukturen stellt das Klagepatent in das Ermessen des Fachmanns. Nach einer bevorzugten Ausgestaltung sieht das Klagepatent in Absatz [0007] eine Ausgestaltung der vollflächigen Auflagen der Hohlraumstrukturen in den vier Eckbereichen auf der Unterseite der Abdeckhaube vor. Zur Ergänzung dieser Dreiecke und damit zur Optimierung der Vollfläche und der Statik können nach den Absätzen [0008], [0009] und [0010] rahmenartige, parallel zum umlaufenden Rand der Abdeckhaube verlaufende Verbindungsstege sowie Längs- und Querleisten vorgesehen werden. Durch eine solche Ausgestaltung kann bewirkt werden, dass sich die Zug- und Druckfestigkeit sowie die Steifigkeit erhöht und die Kräfte im Eck- und damit im Stapellastbereich sowie die Gesamtlast bzw. Auflast besser verteilt und weitergeleitet werden.
  86. Dies schließt jedoch nicht aus, nur vollflächige Auflagen der Hohlraumstrukturen in den vier Eckbereichen auf der Unterseite der Abdeckhaube vorzusehen. Denn dadurch werden erfindungsgemäß die Kräfte im Eck- und damit im Stapellastbereich verteilt. Zudem wird eine Ausgestaltung mit zusätzlichen Verbindungsstegen sowie vollflächigen Längs- und Querleisten in der Beschreibung des Klagepatents als bevorzugt beschrieben. Ist danach nicht ausgeschlossen, dass vollflächige Auflagen der Hohlraumstrukturen in den vier Eckbereichen auf der Unterseite der Abdeckhaube vorgesehen werden können, bedeutet dies nicht, dass dadurch die Zug- und Druckfestigkeit sowie die Steifigkeit der Abdeckhaube nicht mehr gegeben ist. Denn auch bei einer solchen Ausgestaltung werden erfindungsgemäß die Kräfte im Eck- und damit im Stapellastbereich verteilt.
  87. Dies gilt entsprechend auch mit Blick auf den Unteranspruch 2, der das in Absatz [0007] beschriebene Ausführungsbeispiel verkörpert. Danach soll es jedem Fall genügen, wenn die Hohlraumstrukturen als im Wesentlichen rechtwinklige Dreiecke in den vier Eckbereichen der erfindungsgemäßen Abdeckhaube ausgebildet sind. Unteransprüche lassen regelmäßig – vorbehaltlich rein additiver Elemente – den Schluss zu, dass dasjenige, was in ihnen beschrieben ist, auch unter den Hauptanspruch fällt (BGH, GRUR 2016, 1031 – Wärmetauscher; OLG Düsseldorf, I-15 U 11/18 Rn. 69).
  88. 2.
    Die Hohlraumstrukturen einer erfindungsgemäßen Vorrichtung sollen weiterhin umfangsgeschlossen sein nach Merkmal 3.2. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Hohlraumstrukturen von allen Seiten umschlossen sind. Insbesondere können diese auch muldenartig, zur Oberfläche hin offen und dort von einer Umrahmung eingegrenzt ausgebildet sein (Abs. [0024]).
  89. III.
    Das Klagegebrauchsmuster ist in der geltend gemachten Fassung schutzfähig. Die schutzbeanspruchte Lehre des Anspruchs 1 ist neu, § 1 Abs. 1 GebrMG. Sie ist nicht durch die US 4,643, XXX (Anlage VP 8), US 3,695,XXX (Anlage VP 10) oder DE 2 064 XXX (Anlage VP 11) neuheitsschädlich vorweggenommen.
  90. 1.
    Die VP 8 betrifft eine Behälter-Konstruktion mit einer unteren Palette (pallet), Seitenwänden (sidewall structures) und einer oberen Abdeckhaube (lid) wie folgt:
  91. Nicht eindeutig und unmittelbar offenbart werden die eine ebene Auflagefläche aufweisenden Hohlraumstrukturen gemäß Merkmalsgruppe 3. Sowohl die untere Palette als auch der Deckel werden in der Entgegenhaltung als „gerippt“ beschrieben, wodurch die Palette bzw. der Deckel verstärkt werden soll:
  92. „As will be noted, the pallet 12 is generally ribbed to provide structural reinforcement for the unit.“ (Spalte 4, Zeile 57 f.).
  93. “The lid 18 is also generally ribbed for reinforcing as previously described in connection with the pallet 12.” (Spalte 6, Zeile 20 f.).
  94. Diese Verippung ist in Figur 9 durch Schraffur angedeutet:
  95. Nicht erkennbar ist eine durch diese Verippung gebildete ebene Auflagefläche.
  96. 2.
    Die VP 10 offenbart eine Palette aus formbarem oder thermisch formbarem Material. Dass diese Entgegenhaltung eine Abdeckhaube gemäß Merkmal 1 des Klagegebrauchsmusters mit an der Unterseite vorgesehenen Versteifungsrippen gemäß Merkmal 2.3 und Hohlraumstrukturen gemäß Merkmalsgruppe 3 offenbart, behauptet die Beklagte selbst nicht.
  97. 3.
    Die VP 11 offenbart eine aus Kunststoff hergestellte Palette und ein Verfahren zur Herstellung dieser Palette. Dass diese Entgegenhaltung eine Abdeckhaube gemäß dem Klagegebrauchsmuster offenbart, behauptet die Beklagte auch hier nicht.
  98. IV.
    Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Schutzanspruchs 1 Gebrauch.
  99. 1.
    Unstreitig handelt es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um eine Abdeckhaube für auf einer Palette gestapelte Ware, die aus einer Platte besteht (Merkmal 1 und 2). Diese Platte weist einen nach unten gezogenen, umlaufenden

    Rand auf (Merkmal 2.1). An der Oberseite sind als Stapelsicherung dienende Vorsprünge vorgesehen (Merkmal 2.2). An der Unterseite sind Versteifungsrippen vorgesehen (Merkmal 2.3).

  100. 2.
    Ferner weist die angegriffene Ausführungsform an der Unterseite Hohlraumstrukturen auf (Merkmal 3):
  101. Erkennbar ist auf dieser Fotografie, dass die Hohlraumstrukturen zu ihren jeweiligen Rändern umfangsgeschlossen sind und eine ebene Auflagefläche aufweisen (Merkmal 3.2). Dass die angegriffene Ausführungsform aus einer Form geprägt ist und mehrere Ebenen aufweist, führt dabei aus der Verwirklichung des Merkmals nicht heraus. Denn die Auflageflächen weisen dieselbe Höhe auf wie die Versteifungsrippen.
  102. 3.
    Schließlich sind die Hohlraumstrukturen mit großflächiger Verteilung zwischen den Versteifungsrippen ausgebildet (Merkmal 3.1). Sie sind in den Ecken als Rechtecke geformt. Weitere Hohlraumstrukturen befinden sich am umlaufenden Rand der Abdeckhaube; länglich ausgestaltet bzw. als nach innen ragende Rechtecke:
  103. Damit sind die Hohlraumstrukturen über die gesamte Fläche der Unterseite der Abdeckhaube verteilt. Sie sind in den Eckbereichen der Unterseite der Abdeckhaube ausgebildet, wie dies in Absatz [0007] und Unteranspruch 2 des Klagegebrauchsmusters beschrieben ist, und ragen seitlich in die Mitte der Abdeckhaube hinein. Dass die Auflagefläche der Hohlraumstrukturen bei der angegriffenen Ausführungsform 26% der Gesamtfläche der Unterseite der Abdeckhaube bedeckt, ist für die Verwirklichung des Merkmals nach der hier maßgeblichen Auslegung nicht von Bedeutung.
  104. V.
    Der von der Beklagten erhobene Einwand der Erschöpfung greift nicht durch.
  105. 1.
    Nach dem Grundsatz der Erschöpfung hat der Inhaber eines Gebrauchsmusters nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, über das gebrauchsmusterfähige Erzeugnis im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs zu verfügen, wenn dieses Erzeugnis mit Zustimmung des Inhabers oder des Lizenznehmers im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden ist (vgl. für das Markenrecht BGH GRUR, 2011, 820 – Kuchenbesteck-Set). Hat der Schutzrechtsinhaber sein Bestimmungsrecht mit dem erstmaligen Inverkehrbringen ausgeübt und dadurch die Vorteile aus der Erfindung ziehen können, stehen ihm wegen des weiteren Schicksals der Sache keinerlei Einwirkungs- oder Verbietungsrechte mehr zu. Für den Eintritt der Erschöpfung ist nicht erforderlich, dass der Schutzrechtsinhaber selbst das Erzeugnis in den Verkehr gebracht hat. Ausreichend ist vielmehr, dass dies ein Dritter mit ausdrücklicher oder konkludenter Billigung des Schutzrechtsinhabers getan hat (Kühnen, Hdb. Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Kap. E Rn. 633).
  106. 2.
    Unter Anwendung dieser Grundsätze ist eine Erschöpfung nicht eingetreten. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform mit Zustimmung der Klägerin oder der von ihr lizenzierten D in der Bundesrepublik Deutschland in Verkehr gebracht worden ist.
  107. a)
    Ein Inverkehrbringen liegt vor, wenn der die Erfindung verkörpernde Gegenstand unter Begebung der eigenen Verfügungsgewalt tatsächlich in die Verfügungsgewalt einer anderen Person übergeht und der Schutzrechtsinhaber dadurch den wirtschaftlichen Wert der Erfindung realisiert hat. (Kühnen aaO. Kap. E Rn. 680).
  108. Danach ist die angegriffene Ausführungsform durch die D in Verkehr gebracht worden. Die Beklagte hat insoweit unbestritten vorgetragen, dass die Abdeckhauben durch die D hergestellt werden und die Beklagte diese lediglich vertreibt. Durch die Weitergabe der Abdeckhauben an die Beklagte hat sich die D ihrer Verfügungsgewalt begeben. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist daher der Einwand der Klägerin, die D fungiere als „verlängerte Werkbank“ ohne Belang.
  109. b)
    Ob sich die Beklagte durch den Aufdruck des Firmennamens vorliegend als Herstellerin der Abdeckhauben geriert, kann ebenfalls dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls ist die angegriffene Ausführungsform nicht mit Zustimmung der Klägerin in Verkehr gebracht worden.
  110. aa)
    Die unstreitig durch die Klägerin gewährte einfache Lizenz gestattet es vorliegend nicht, Abschlussdeckel der Ausführung G entsprechend der A-Empfehlung 4500 auch in anderen Farben als C – hier violett – in Verkehr zu bringen. Da die A-Empfehlung nicht vorliegt, geht die Kammer davon aus, dass die Empfehlung dem Wortlaut der Vereinbarung vom 3. November 2011 (Anlage K 5) entspricht. Dem haben die Parteien auch in der mündlichen Verhandlung nicht widersprochen. Empfohlen wird demnach eine Abdeckhaube G mit den Maßen 1.200 x 800 x84 mm und einem Gewicht von 5,15 kg, C „C“.
  111. bb)
    Eine solche Beschränkung einer einfachen Lizenz durch schuldrechtliche Vereinbarung ist zulässig und hat vorliegend auch Eingang in den übereinstimmenden Parteiwillen gefunden. Zwar ist die Farbe der konkreten Ausführungsform keine Eigenschaft, die dem Gebrauchsmusterschutz an sich unterfällt. Die Beklagte geht jedoch fehl in der Annahme, daraus folge für die Auslegung der einfachen Lizenz nach dem Parteiwillen, dass die Farbe keine Rolle spiele. Denn die Parteien haben eben nicht nur technische Eigenschaften des unter dem Schutzrecht herzustellenden Abschlussdeckels, sondern auch eine Farbe in die Vereinbarung aufgenommen.
  112. Der Wortlaut der Vereinbarung spricht für ein solches Verständnis, denn die Vereinbarung bezieht sich auf die A-Empfehlung in ihrer Gesamtheit, die genau die Farbe benennt. Dies kann aus Gründen der Corporate Identity oder aufgrund von Kundenvorgaben angebracht sein. Eine Beschränkung der Lizenz auf eine bestimmte Produktfarbe scheint auch vor dem Hintergrund, dass die Klägerin diese Abdeckhauben auch weiterhin selbst produziert, sinnvoll. Weshalb die Klägerin als Schutzrechtsinhaberin ihre Zustimmung zum Inverkehrbringen nicht von der Farbe des lizenzierten Gegenstandes abhängig machen kann, ist nicht ersichtlich. Dass sich hierdurch eine wettbewerbswidrige Monopolstellung der Klägerin auf dem Erstmarkt oder dem nachgelagerten Markt ergeben kann, behauptet die Beklagte selbst nicht.
  113. VI.
    Durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform benutzt die Beklagte die schutzbeanspruchte Lehre, ohne hierzu berechtigt zu sein.
  114. Unstreitig vertreibt die Beklagte die angegriffene Ausführungsform nicht auf Grundlage eines zwischen ihr und der Klägerin geschlossenen Lizenzvertrages. Sie kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass zwischen der Herstellerin der angegriffenen Ausführungsform, der D, und der Klägerin ein Lizenzvertragsverhältnis besteht. Ungeachtet der Frage, ob die angegriffene Ausführungsform aufgrund der Farbe Violett überhaupt Lizenzvertragsgegenstand sein kann, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagte bezogen auf die angegriffene Ausführungsform mit der D derart wirtschaftlich verbunden ist, dass die einfache Lizenz auch zugunsten der Beklagten Geltung haben kann. Auch ist die D unstreitig nicht berechtigt, Unterlizenzen zu erteilen, so dass die Beklagte sich auch auf eine ggf. erteilte Unterlizenz nicht berufen kann.
  115. VII.
    Es ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen.
  116. 1.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach aus § 24 Abs. 1 und 2 GebrMG. Die Beklagte beging die Gebrauchsmusterverletzung schuldhaft. Als Fachunternehmen hätte sie die Schutzrechtsverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist weiterhin nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin durch die Gebrauchsmusterverletzung ein Schaden entstanden ist.
  117. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, die Höhe des ihr zustehenden Schadensersatzes zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung ihrer Ansprüche droht.
  118. 2.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte im tenorierten Umfang Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus § 24b Abs. 1 und 3 GebrMG, §§ 242, 259 BGB. Erst durch die Auskunft und Rechnungslegung wird die Klägerin in die Lage versetzt, die ihr zustehenden Schadensersatzansprüche beziffern zu können.
  119. 3.
    Ferner hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vernichtung und Rückruf aus den Vertriebswegen gemäß § 24a GebrMG. Dass dies vorliegend unverhältnismäßig ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
  120. 4.
    Schließlich hat die Klägerin Anspruch auf Ersatz der ihr vorgerichtlich entstandenen Rechtsverfolgungskosten, allerdings nur aus einem Gegenstandswert von 50.000 Euro aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 683, 684 f. BGB.
  121. Sowohl die Berechtigungsanfrage als auch die darauf folgende Aufforderung zur Auskunftserteilung zum Zwecke des Abschlusses eines entgeltlichen Lizenzvertrages erfolgten im mutmaßlichen Interesse der Beklagten. Diese hatte sogar ausdrücklich ihr Interesse durch Bereitschaftserklärung zum Abschluss eines Lizenzvertrages bekundet. Bei erfolgreichem Abschluss eines Lizenzvertrages hätte zudem – im Interesse der Beklagten – der vorliegende Rechtsstreit vermieden werden können. Dass die Klägerin nicht zur Unterlassung aufgefordert hat, schadet vor diesem Hintergrund nicht.
  122. Allerdings kann die Klägerin nur Ersatz ihrer vorgerichtlich entstandenen Kosten aus einem Gegenstandswert von 50.000 Euro verlangen, somit in Höhe von 3.063,80 Euro. Der Gegenstandswert ist vorliegend am Gesamtstreitwert zu bemessen, der sich auf 250.000 Euro beläuft. Auf den vorgerichtlich geltend gemachten Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch entfallen 20%, somit 50.000 Euro.
  123. VII.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
  124. VIII.
    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
  125. Streitwert: 250.000 Euro.

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