Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3065
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 04. August 2020, Az. 4c O 43/19
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen von bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
- flexible Atemrohre, die ein Ausatmungsglied eines Atmungskreislaufes sind, und dafür ausgelegt sind, zwischen einem Patienten und einem Ventilator angeordnet zu werden, wobei die Rohre Folgendes umfassen: einen Einlass; einen Auslass; und einen einzelnen Ausatmungsfließweg zwischen dem Einlass und dem Auslass, der durch eine umschließende Wand definiert ist, wobei mindestens ein Bereich der umschließenden Wand aus einem Material besteht, das den Durchgang von Wasserdampf durch Diffusion erlaubt, ohne dabei den Durchgang von flüssigem Wasser oder von Atemgasen zu erlauben, wodurch ein Wasserdampfflussweg von dem Ausatmungsfließweg durch das Material zu der Umgebungsluft bereitgestellt wird, wobei der Bereich oder die Bereiche über die Länge des Rohrs derart verteilt sind, dass das Rohr die Diffusion von Wasserdampf von dem Ausatmungsglied des Atmungskreislaufes entlang des einzelnen Ausatmungsfließwegs erlaubt, wodurch die befeuchteten Gase während ihres Flusses durch das Ausatmungsglied getrocknet werden,
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
- 2. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung schriftlich darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die in Ziff. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 18.09.2013 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie die Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c. der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind; - 3. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung schriftlich darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend unter Ziff. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 18.10.2013 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a. der einzelnen Lieferungen (unter Vorlage der Rechnungen oder Lieferscheine) aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen und Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
b. der einzelnen Angebote (unter Vorlage schriftlicher Angebote), aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreisen und Typenbezeichnungen sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, ihres Verbreitungszeitraumes und Verbreitungsgebiets, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume, sowie den Suchmaschinen,
d. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, - wobei
– die Belege zum Nachweis der Angaben zu 2. und 3. in Kopie vorzulegen sind und wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunfts- bzw. rechnungslegungspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen und
– der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmtes Angebot, ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist und
– die Auskunft nach Ziff. 2. zusätzlich in einer mittels EDV auswertbaren elektronischen Form zu übermitteln ist und die Aufstellung mit den Daten der Rechnungslegung nach Ziff. 3. zusätzlich in einer mittels EDV auswertbaren elektronischen Form zu übermitteln ist; - 4. die in der Bundesrepublik Deutschland im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder im Eigentum der Beklagten befindlichen vorstehend zu Ziff. I.1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;
- 5. die vorstehend unter Ziff. I.1. bezeichneten, seit dem 18.09.2013 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des… vom..) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
- II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter der Ziff. I.1. bezeichneten und seit dem 18.10.2013 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- IV. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
- V. Das Urteil ist hinsichtlich Ziff. I.1, I.4. und I.5 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 700.000,- Euro, hinsichtlich Ziff. I.2 und Ziff. I.3 in Höhe von jeweils XXX.000,- Euro sowie hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
- Tatbestand
- Die Klägerin verfolgt mit dem vorliegenden Rechtsstreit Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzverpflichtung gegen die Beklagte.
- Die Klägerin ist eingetragene und alleinverfügungsberechtigte Inhaberin des in englischer Verfahrenssprache angemeldeten und erteilten europäischen Patents EP 2 025 XXX B1 (Anlage K 1, im Folgenden: Klagepatent), welches Komponenten für Beatmungskreise unter Schutz stellt.
- Die Anmeldung des Klagepatents ist am 09.05.2001 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der NZ 50443XXX vom 10.05.2000 sowie der NZ 50904XXX vom 20.12.2000 erfolgt. Der Hinweis auf die Anmeldung wurde am 18.02.2009 veröffentlicht und derjenige auf dessen Erteilung am 18.09.2013. Das Klagepatent steht auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft. In einem vom Unternehmen A angestrengten Einspruchsverfahren wurde das Klagepatent mit Entscheidung des Europäischen Patentamts vom 03.07.2013 unverändert aufrechterhalten (vgl. Anlage HL 3). Über die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 28.11.2019 gegen das Klagepatent zum Bundespatentgericht erhobene Nichtigkeitsklage (Anlagenkonvolut HL 2) ist bisher nicht entschieden worden.
- Anspruch 1 des Klagepatents lautet in der englischsprachigen Originalfassung:
- „A flexible breathing tube which is an expiratory limb of a breathing circuit and is adapted to be located between a patient and a ventilator the tube comprising:
an inlet, an outlet, and a singular exhalation flow passage between said inlet and said outlet defined by an enclosing wall, wherein at least a region of said enclosing wall is of a material that allows the passage of water vapour by diffusion without allowing the passage of liquid water or respiratory gases, thereby providing a water vapour flow path from said exhalation flow passage to ambient air through said material wherein the region or regions is or are distributed
over the length of the tube such that the tube allows said diffusion of water vapour from the expiratory limb of the breathing circuit along said singular exhalation flow passage thereby drying the humidified gases during their flow through
the expiratory limb.“ - Übersetzt lautet der Anspruch:
- „Flexibles Atemrohr, das ein Ausatmungsglied eines Atmungskreislaufes ist, und dafür ausgelegt ist, zwischen einem Patienten und einem Ventilator angeordnet zu werden, wobei das Rohr Folgendes umfasst: einen Einlass; einen Auslass; und einen einzelnen Ausatmungsfließweg zwischen dem Einlass und dem Auslass, der durch eine umschließende Wand definiert ist, wobei mindestens ein Bereich der umschließenden Wand aus einem Material besteht, das den Durchgang von Wasserdampf durch Diffusion erlaubt, ohne dabei den Durchgang von flüssigem Wasser oder von Atemgasen zu erlauben, wodurch ein Wasserdampfflussweg von dem Ausatmungsfließweg durch das Material zu der Umgebungsluft bereitgestellt wird, wobei der Bereich oder die Bereiche über die Länge des Rohrs derart verteilt sind, dass das Rohr die Diffusion von Wasserdampf von dem Ausatmungsglied des Atmungskreislaufes entlang des einzelnen Ausatmungsfließwegs erlaubt, wodurch die befeuchteten Gase während ihres Flusses durch das Ausatmungsglied getrocknet werden.“
- Wegen des Inhalts der weiteren „und/oder“ geltend gemachten Ansprüche 3, 10, 11, 23, 24, 27 und 28 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
- Folgende Figuren sind der Klagepatentschrift entnommen:
- Die Figur 1 ist eine Querschnittsansicht einer Leitung für das Ausatmungsglied eines Atmungskreislaufs gemäß einer Ausführungsform der vorliegenden Erfindung. Gleichfalls zeigt Figur 2 eine Querschnittsansicht eines Abschnitts einer Leitungswand gemäß einer möglichen Konstruktion und Figur 7 zeigt eine Querschnittsseitenansicht eines Ausatmungsglieds für einen Atmungskreislauf gemäß einer noch weiteren Variante.
- Bei der Klägerin handelt es sich um die Muttergesellschaft der Unternehmensgruppe B, die auf dem Gebiet der Medizintechnik seit langen Jahren tätig ist. Zu ihrem Sortiment zählen insbesondere Produkte zur Behandlung von Atemstörungen und Atemunterstützung. Die Klägerin forscht und entwickelt zudem in diesem Bereich.
- Die Beklagte als unmittelbare Wettbewerberin der Klägerin ist Teil der englischen Gruppe „C“. Die Muttergesellschaft C (Group) Limited hat ihren Sitz in Großbritannien. Auch sie sind seit langen Jahren im Bereich der Medizintechnik beschäftigt und befassen sich insbesondere mit Atemwegsprodukten. Die hiesige Beklagte ist die deutsche Vertriebstochter und als solche auf Produktbereiche wie Beatmung, Anästhesie, Intensivpflege etc. spezialisiert. Zu ihren Kunden gehören Krankenhäuser, Krankenhausversorger und Apotheken. Eines ihrer Produkte ist ein Schlauchsystem für die maschinelle Beatmung mit der Bezeichnung „D“. Es besteht aus einem Copolyester mit harten und weichen Segmenten mit der Bezeichnung „E“, das von dem Unternehmen F stammt. Der allgemeine Aufbau dieses Materials kann der Anlage HL 9 entnommen werden, wobei zur Veranschaulichung die Grafik von Seite 7 nachstehend eingeblendet wird:
- Die unterschiedlichen verfügbaren Modellformen dieses Schlauchsystems beziehen sich auf unterschiedliche Patientengruppen (Erwachsene/Neugeborene und SLE-Geräte); sie werden unter den Produktnummern geführt (im Folgenden: angegriffene Ausführungsformen). Ihr struktureller Aufbau ist dabei identisch.
- Die Beklagte importiert, bietet an und vertreibt die von ihrer britischen Muttergesellschaft hergestellten angegriffenen Ausführungsformen. Über ihre Website in deutscher Sprache „www.C.com/product/…“ sind die angegriffenen Ausführungsformen auch unmittelbar zu bestellen. Die Beklagte unterhielt ferner im Mai 2019 einen Messestand auf dem „G“ in Leipzig, auf welchem deutschsprachige Broschüren auslagen, die die angegriffenen Ausführungsformen darstellten und eine Bestellmöglichkeit unter Angabe der Kontaktdaten der Beklagten beinhalteten (vgl. Anlage K 6). Ferner ist in der Anlage K 6 unter der Überschrift „H“ nachstehend eingeblendete Grafik abgebildet:
- Die Klägerin mahnte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 07.06.2019 unter Fristsetzung bis zum 21.06.2019 ab und forderte sie erfolglos zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf. In ihrer außergerichtlichen Reaktion vertrat die Beklagte die Ansicht, dass die angegriffenen Ausführungsformen die erfindungsgemäße Lehre nicht benutzen würden (vgl. Anlagen K 4, K 5).
- Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen würden wortsinngemäßen unmittelbaren Gebrauch von der Lehre des Klagepatents machen. Sie würden einen Bereich aufweisen, der die Diffusion von Wasserdampf erlaube. Das Klagepatent verstehe dabei unter dem mindestens einen Bereich der umschließenden Wand auch die gesamte Länge der Wand, die aus atmungsaktivem Material gebildet sein dürfe. Es sei nicht erforderlich, dass sich der mindestens eine Bereich nur auf einen kleinen Teil der umschließenden Wand beziehe. Die Verwendung unterschiedlicher Materialien sowie diejenige von Verstärkungselementen sehe das Klagepatent nur als Option für den Fall vor, wenn das eigentliche Rohr zwar aus atmungsaktivem Material geformt, aber zugleich aus Kostengründen so dünn ist, dass es ohne weitere Unterstützung instabil wäre. Jedenfalls würden die angegriffenen Ausführungsformen am Eingangs- und Ausgangsbereich des Ausatmungsgliedes über Hartplastikteile verfügen, weshalb sich das die Diffusion erlaubende Material zumindest deshalb nur auf mindestens einen Bereich beziehe.
- Weiterhin setze das Klagepatent nicht voraus, dass keinerlei Moleküle flüssigen Wassers und von Atemgase durch den atmungsaktiven Bereich passieren dürften. Eine XXX %-ige Dichtheit werde nicht verlangt. Dies ergebe sich auch aus den dem Fachmann bekannten Eigenschaften der in der Klagepatentschrift erwähnten Membranmaterialien M und K. Die Klägerin behauptet dazu bezüglich der angegriffenen Ausführungsformen, dass sie diesen Anforderungen genügen würden. Tests mit eingebrachtem flüssigem Wasser in ein Rohr hätten ergeben, dass Wasserdampf, aber kein flüssiges Wasser durch die Membran abgegeben werde (vgl. Anlage HL 8). Insoweit zeige auch eine REM-Untersuchung der Klägerin (Anlage K 9) – unstreitig –, dass das Material keine Durchgangslöcher aufweise, durch welches flüssiges Wasser austreten könne. Es handele sich um nicht-poröses, sondern monolithisches Material. Im Übrigen ergebe sich die Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsformen im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre auch aus den eigenen Produktbroschüren der Beklagten (vgl. Anlage K 6), wo die Produkte damit beworben würden, dass die Kondensatbildung im Rohr verringert werden und sich kein flüssiges Wasser innerhalb mehr ansammeln solle.
- Die Beklagte könne weder dem Unterlassungsanspruch noch dem Rückruf- und Vernichtungsanspruch mit Erfolg den Einwand der Unverhältnismäßigkeit entgegenhalten. Bereits rechtlich seien mit der Einräumung einer Zwangslizenz und der Benutzungsanordnung nach § 13 PatG ausreichende Möglichkeiten vorhanden, öffentliche Interessen bei der Durchsetzung von Ansprüchen aus Patentrechten zu berücksichtigen. Außerdem, so behauptet die Klägerin, dass – was unstreitig ist – die Beklagte in ihrem Produktsortiment über andere Produkte als die angegriffenen Ausführungsformen verfüge, welche das Klagepatent nicht verletzen würden und daher stattdessen angeboten werden könnten. Auch eine Aufbrauchfrist von 10 Monaten müsse ausscheiden, weil diese mit der Restlaufzeit des Klagepatents zusammenfalle.
- Der Rechtsstreit sei schließlich auch nicht auszusetzen, weil sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen werde.
- Nachdem die Klägerin die ursprünglichen Klageanträge hinsichtlich des Schwärzungsvorbehalts beim Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch geändert hat, beantragt sie,
- wie erkannt, und außerdem den sachbearbeitenden Rechtsanwälten der Bird & Bird LLP nach dem Rückruf von dem/den etwaig verwendeten Schreiben umgehend ein Muster als Kopie per E-Mail (X) zuzuleiten.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- hilfsweise, den Rechtsstreit bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung über die beim Bundespatentgericht eingereichte Nichtigkeitsklage auszusetzen.
- Sie meint, die angegriffenen Ausführungsformen würden keinen Gebrauch von der Lehre des Klagepatents machen. Das Klagepatent verlange, dass die umschließende Wand unterschiedliche, voneinander abgrenzbare Bereiche aufweise, von denen mindestens einer aus atmungsaktivem Material bestehe. Dieser Bereich aus atmungsaktivem Material müsse gegenüber der Wand als solcher abgrenzbar sein. Demnach würden auch die Figuren der Klagepatentschrift nur derlei abgrenzbare Bereiche atmungsaktiven Materials aufweisen. Gegen die Annahme, dass das gesamte Rohr aus atmungsaktivem Material bestehen könne, spreche ferner, dass in diesem Fall keine Verteilung über die Länge des Rohr erfolgen könne, um die Diffusion von Wasserdampf entlang des einzelnen Ausatmungsfließweges zu erlauben. Dazu ist die Beklagte der Ansicht, dass die angegriffenen Ausführungsformen schon deshalb die erfindungsgemäße Lehre nicht verletzen würden, weil diese – unstreitig – ein Rohr insgesamt bestehend aus atmungsaktivem Material aufweisen würden.
- Außerdem ließen die angegriffenen Ausführungsformen, wie die Beklagte behauptet, flüssiges Wasser und andere Atemgase in messbarer Menge passieren. Dies sei durch die Struktur der angegriffenen Ausführungsformen bedingt, welche kleine Kanäle beinhalte. Dadurch werde flüssiges Wasser im Inneren des Rohrs absorbiert. Dies hätten auch von der Herstellerin des atmungsaktiven Materials durchgeführte Tests belegen können. Wegen des Inhalts der durchgeführten Versuche wird auf die Anlagen HL 12 – HL 16 Bezug genommen. Insoweit erfordere es das Klagepatent jedoch nach Ansicht der Beklagten, dass keinerlei flüssiges Wasser oder andere Atemgase durch das atmungsaktive Material entweichen könnten. Das Klagepatent meine dies absolut, es dürfe keine messbare Menge dieser Stoffe durch den atmungsaktiven Bereich hindurchgelangen.
- Die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung seien mangels Verhältnismäßigkeit zudem auch ausgeschlossen. Hier liege, so meint die Beklagte, ein Ausnahmefall vor, der diesen Anspruchsausschluss, gestützt auf berechtigte Interessen Dritter, rechtfertige. Aufgrund der vorherrschenden Covid-19-Pandemie bestehe ein hoher Bedarf an Beatmungsgeräten bzw. Atemschläuchen, gerade bei schweren Krankheitsverläufen. Das Erfordernis, derlei Ausstattung bereitzuhalten, bestehe insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine zweite Pandemie-Welle nicht ausgeschlossen werden könne und der akute Bedarf wieder zunehmen könne, welcher sodann von den Medizinprodukteherstellern nicht kurzfristig bedient werden könne. Auch derzeit bestehe schon eine Unterversorgung mit diesen Geräten.
- Ferner meint die Beklagte bezüglich der Anträge auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung, dass das Begehren der Klägerin zu weitgehend sei, wenn sie Rechnungslegung in elektronischer Form beantrage. Insoweit fehle es an einer Anspruchsgrundlage und an einem legitimen Interesse der Klägerin an der elektronischen Datenübermittlung.
- Der Rechtsstreit sei jedenfalls mangels Rechtsbeständigkeit des Klagepatents auszusetzen. Der Lehre des Klagepatents könne mit Erfolg beruhend auf den Dokumenten JP 2000-24XXX (im Folgenden: HLNK 9) und WO 01/49XXX A2 (im Folgenden: N) der Einwand mangelnder Neuheit entgegengehalten werden. Beide Dokumente hätten zwar bereits im Einspruchsverfahren vorgelegen, seien dort aber nicht bzw. nicht hinreichend gewürdigt worden. Ferner beruhe das Klagepatent nicht auf erfinderischer Tätigkeit, ausgehend von dem Produktkatalog von Intersurgical (J“ 1999/2000; im Folgenden: HLNK 1) in Kombination mit allgemeinem Fachwissen.
- Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftstücke nebst Anlage Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- A.
Die zulässige Klage ist ganz überwiegend begründet. - I.
Das Klagepatent betrifft Komponenten für Atmungskreisläufe und insbesondere Komponenten zur Verwendung im Ausatmungsarm eines Atmungskreislaufes (Abs. [0001]). - Aus dem Stand der Technik sind bereits solche Komponenten und Atmungskreisläufe bekannt. Wie das Klagepatent in Abs. [0002] zu medizinischen Anwendungen im Zusammenhang mit der Atmungsunterstützung beschreibt, arbeiten diese so, dass Gase mit hoher relativer Feuchtigkeit durch Leitungen mit relativ begrenzter Größe zugeführt und zurückgeführt werden. Dabei kommt es häufig zur Kondensbildung an der Innenwand der Leitung. Um die nachteiligen Auswirkungen der Kondensation zu verringern, wurde versucht, das Kondensationsniveau mittels Aufrechterhaltung oder Erhöhung der Temperatur des Gasstroms und/oder Leitungswand zu reduzieren oder Sammelstellen in der Leitung zum Ableiten kondensierter Flüssigkeit aus der Leitung vorzusehen. Exemplarisch nimmt das Klagepatent in Abs. [0008] Bezug auf die EP 0 535 379 als ein im Stand der Technik für einen Atmungskreislauf vorgesehenes Ausatmungsglied.
- Hieran kritisiert das Klagepatent, dass trotz dieser im Stand der Technik unternommenen Versuche der Abhilfe, das Problem der Kondensbildung fortbesteht.
- Das Klagepatent stellt sich daher die Aufgabe, eine Komponente mit spezifischem Bezug auf das Ausatmungsglied eines Atmungskreislaufs bereitzustellen, die einen gewissen Beitrag zur Verbesserung leistet oder zumindest für die Öffentlichkeit und das medizinische Fachpersonal eine nützliche Wahlmöglichkeit bereitstellt (Abs. [0003]).
- Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
- 1. Flexibles Atemrohr, das ein Ausatmungsglied eines Atmungskreislaufes ist, und dafür ausgelegt ist, zwischen einem Patienten und einem Ventilator angeordnet zu werden, wobei das Rohr Folgendes umfasst:
2. einen Einlass,
3. einen Auslass,
4. einen einzelnen Ausatmungsfließweg zwischen dem Einlass und dem Auslass, der durch eine umschließende Wand definiert ist,
4.1 wobei mindestens ein Bereich der umschließenden Wand aus einem Material besteht, das den Durchgang von Wasserdampf durch Diffusion erlaubt, ohne dabei den Durchgang von flüssigem Wasser oder von Atemgasen zu erlauben, wodurch ein Wasserdampfflussweg von dem Ausatmungsfließweg durch das Material zu der Umgebungsluft bereitgestellt wird,
4.2 wobei der Bereich oder die Bereiche über die Länge des Rohrs derart verteilt sind, dass das Rohr die Diffusion von Wasserdampf von dem Ausatmungsglied des Atmungskreislaufes entlang des einzelnen Ausatmungsfließweges erlaubt, wodurch die befeuchteten Gase während ihres Flusses durch das Ausatmungsglied getrocknet werden - II.
Die Parteien streiten zu Recht nur über das Verständnis der Merkmale 4.1 und 4.2. Ausführungen der Kammer zu den weiteren Merkmalen sind daher nicht erforderlich. - 1.
In Merkmal 4.1 beansprucht das Klagepatent mindestens einen Bereich der umschließenden Wand, der aus einem Material besteht, das den Durchgang von Wasserdampf durch Diffusion erlaubt, ohne dabei den Durchgang von flüssigem Wasser oder von Atemgasen zu erlauben, wodurch ein Wasserdampfflussweg von dem Ausatmungsfließweg durch das Material zur Umgebungsluft bereitgestellt wird. -
a.
Unter dem mindestens einen Bereich der umschließenden Wand, der aus die Diffusion von Wasserdampf erlaubendem Material besteht, versteht das Klagepatent sowohl einen – bezogen auf die Gesamtlänge des flexiblem Atemrohres – abgegrenzten Teilbereich, der aus atmungsaktivem Material gebildet ist, als auch eine Ausgestaltung, die über die Gesamtlänge des Rohrs hinweg aus ebenjenem Material besteht. Gleichermaßen lässt das Klagepatent zu, dass das ganze Rohr aus atmungsaktivem Material geformt ist und so den Ausatmungsfließweg zur Raumluft abgrenzt. Denn „Umgebungsluft“ meint Raumluft bzw. die Atmosphäre außerhalb eines Atmungskreislaufes. - Das Klagepatent hält keine Definition bereit, was unter dem mindestens einen Bereich der umschließenden Wand aus atmungsaktivem Material zu verstehen ist. Die Klagepatentschrift nebst enthaltener Figuren offenbart aber sowohl, dass die atmungsaktive Membran das gesamte Rohr bilden kann, als auch, dass die atmungsaktive Membran die Außenwand des Ausatmungsglieds sein kann.
- Aus dem Anspruchswortlaut in Merkmal 4.1 ergibt sich für das Verständnis des mindestens einen Bereichs nur, dass die atmungsaktive Wand einen Wasserdampfflussweg zu der Umgebungsluft bereitstellen soll. Dies dient dem Fachmann als Hinweis auf die Anordnung des flexiblen Atemrohrs (Ausatmungsgliedes) innerhalb des Atmungskreislaufs derart, dass es jedenfalls in den beanspruchten Bereichen unmittelbaren Kontakt zur Raumluft („Umgebungsluft“) hat und nicht nur mittelbar, wie es etwa der Fall ist, wenn das Rohr von anderen Vorrichtungselementen umschlossen ist und zwar Wasserdampf an diese abgibt, aber selbst keinen Kontakt zur Raumluft hat, etwa bei koaxialen Atmungssystemen.
- Schon die rein-philologische Bedeutung des deutschen Wortes „Umgebungsluft“ wie auch diejenige des originalen englischsprachigen Ausdrucks „ambient air“ geben dem Fachmann das Verständnis auf die Raumluft. Unterstützung in dem Verständnis des Begriffs der Umgebungsluft als die im Raum befindliche Luft in Abgrenzung zu innerhalb der Atmungsvorrichtung vorkommender Luft ergibt sich ferner aus der Wortwahl sowohl im Anspruchswortlaut als auch in der weiteren Klagepatentschrift. Das Klagepatent benutzt nämlich gegenüber der Umgebungsluft für im Inneren des Atmungskreislaufs enthaltene Stoffe durchgängig den Ausdruck „Gase“. Exemplarisch kann dazu schon auf die Absätze [0002] und [0006] Bezug genommen werden, die von einem „Gasstrom“ bzw. von „Atemgasen“ sprechen. Durch die Verbindung zum Atmungskreislauf ist ersichtlich, dass mit diesen Ausdrücken die zum Patienten hin und auch vom Patienten wieder weggeführte Luft gemeint ist.
- Der Anspruchswortlaut offenbart mit Blick auf die räumlich-körperliche Ausgestaltung des mindestens einen Bereichs entgegen der Ansicht der Beklagten keine weiteren Hinweise. Insbesondere ist dem Wortlaut nicht deshalb zu entnehmen, dass der mindestens eine Bereich nicht das gesamte Atemrohr bilden könne, weil dort einerseits der Ausdruck der umschließenden Wand benutzt und andererseits von einem Bereich gesprochen wird. Denn der Anspruchswortlaut differenziert mit diesen Begriffen zwar grundsätzlich zwischen der Leitungswand des Ausatmungsglieds als solcher und der atmungsaktiven Kunststoffmembran. Indes offenbart das Klagepatent weder im Anspruchswortlaut noch in anderen Beschreibungsstellen, dass diese Begriffe zueinander in einem Exklusivitätsverhältnis stehen und immer ausgeschlossen ist, dass eine umschließende Wand vollständig aus atmungsaktivem Material bestehen kann. Bei dieser Begriffswahl ist auch zu berücksichtigen, dass unterschiedliche Aspekte einer erfindungsgemäßen Vorrichtung in den Blick genommen werden; nämlich einerseits lediglich ein Element, das seiner Ausgestaltung nach in der Lage ist, einen Ausatmungsfließweg zu definieren (vgl. Merkmal 4), und andererseits eine Materialeigenschaft in den Vordergrund rückt.
- So lässt der Klagepatentanspruch mit seiner Formulierung und insbesondere der Möglichkeit, mindestens einen oder auch mehrere dieser Bereiche vorzusehen, zu, dass es verschiedene Ausgestaltungen einer Vorrichtung gibt, bei denen ein Bereich und die Leitungswand klar voneinander abgegrenzt werden können; zwingend ist diese Unterscheidung jedoch nicht. In diesem Verständnis wird der Fachmann vor allem durch Abs. [0019] der Klagepatentschrift bekräftigt, in dem es heißt, „[…], dass die Leitungswand mit einer relativ geringen Wanddicke hergestellt wird, so dass die Leitungswandmembran möglicherweise nicht ausreichend stabil ist, […]“. In demselben Satz benutzt das Klagepatent die Ausdrücke Leitungswand und Leitungswandmembran und will die Nachteile einer zu geringen Wanddicke darstellen. Dabei werden diese beiden Begriffe synonym verwendet. Die in den Blick genommenen Kosten beziehen sich nämlich auf das verarbeitete Material mit der atmungsaktiven Eigenschaft und schon im vorhergehenden Absatz [0018] beschreibt das Klagepatent Leitungswände, die aus dem Material gebildet werden können, sodass das Klagepatent davon ausgeht, dass die atmungsaktiven Bereiche und die Leitung als solche räumlich-körperlich identisch sein und daher zusammenfallen können.
- Für diese mögliche Ausgestaltung des gesamten Ausatmungsgliedes als atmungsaktive Membran spricht außerdem Abs. [0014] der Klagepatentbeschreibung. Dort wird ausgeführt:
- „Mit Bezug auf die Figur 6 ist eine alternative Ausführungsform des Ausatmungsglieds dargestellt, bei der die gesamte flexible Wandmembran der Leitung aus einer atmungsaktiven Kunststoffmembran gebildet […] ist.“
- Ausdrücklich ist dort formuliert, dass sich die atmungsaktive Membran über die gesamte Wandlänge erstrecken kann. Wenngleich im folgenden Abschnitt [0015] auch in Bezug auf die Figur 6 weitere Variationen der Ausführungsform beschrieben werden, wonach Verstärkungen ergänzt und mehrere atmungsaktive Kunststoffmembranen vorgesehen werden können, schmälert dies nicht den Aussagegehalt des Abschnitts [0014]. Denn der Fachmann erkennt, dass es sich nur um beispielhafte Ergänzungen handelt, die im Ergebnis zwar zu einer mehrwandigen, umhüllten Ausgestaltung eines Ausatmungsglieds führen können – wie dann auch weiterhin in Abs. [0022] beschrieben und in Figur 6 gezeigt. Indes handelt es sich, wie der Fachmann sieht, um bevorzugte Ausführungsformen, weshalb eine gesamte Wandmembran aus atmungsaktivem Kunststoff nicht solchen Ausführungsformen vorbehalten, die diese Mehrwandigkeit aufweisen.
- Genauso verhält es sich mit denjenigen Ausführungsformen, die mit Verstärkungselementen beschrieben sind. Den korrespondierenden Beschreibungsstellen ist jeweils zu entnehmen, dass Rohre über ihre gesamte Länge hinweg aus atmungsaktiver Membran gebildet sein können. Beispielsweise wird dies für eine Ausführungsform so ausdrücklich in Abs. [0063] beschrieben: „[…] Vorzugsweise ist die gesamte Außenleitung, abgesehen von irgendeiner Verstärkungsrippe, atmungsaktiv.“ Das Klagepatent gibt dem fachkundigen Leser durch diese Formulierung zu erkennen, dass es sowohl die Ausgestaltung der Leitungswand in den Blick nimmt, als auch ein etwaiges Bedürfnis, für diese ein Verstärkungselement vorzusehen, was für sich genommen aber nicht ausschließt, dennoch über die gesamte Länge eine atmungsaktive Kunststoffmembran vorzusehen.
- Bekräftigt in dem Verständnis, dass das Vorsehen von Verstärkungselementen lediglich optional und vom Klagepatent als weiterer Vorteil gegenüber dem Stand der Technik erachtet wird, wird der Fachmann durch Abs. [0023] der Klagepatentschrift. Ersichtlich geht diese Beschreibungsstelle schon von einer insgesamt aus atmungsaktivem Material bestehenden Membran aus. Das in diesen Fällen auftretende Problem einer geringen elastischen Dehngrenze soll sodann mittels einer zweiten Schicht behoben werden.
- In diesem Lichte sind auch die weiteren Beschreibungsstellen zu betrachten, die Verstärkungsschichten vorsehen, wie z.B. Abs. [0043] ff. im Hinblick auf eine bevorzugte Ausführungsformen, dargestellt in den Figuren 7 und 8. Der Fachmann erkennt, dass auch in diesen erfindungsgemäßen Ausgestaltungen jeweils ein vollständig atmungsaktives Rohr erläutert wird, das das eigentliche Ausatmungsglied bildet.
- Die erforderliche Erklärung, dass Verstärkungselemente erforderlich werden können, erhält der Fachmann auch unmittelbar aus der Klagepatentschrift, nämlich aus Abs. [0019], der lautet:
- „Wegen der Materialkosten wird bevorzugt, dass die Leitungswand mit einer relativ geringen Wanddicke hergestellt wird, so dass die Leitungswandmembran möglicherweise nicht ausreichend stabil ist, um selbsttragend zu sein.“
- Der Fachmann erkennt daher das unmittelbare Zusammenspiel zwischen der gewählten Wandstärke und dem Bedürfnis für eine Verstärkung. Konkrete Maßangaben, ab wann eine zusätzliche Stützung erforderlich wird, hat das Klagepatent indes weder zum Gegenstand des Klagepatentanspruchs gemacht, noch anderweitig in der Klagepatentschrift festgelegt. Vielmehr ist eine dünne Wandstärke lediglich bevorzugt, mithin als den Anspruchsgehalt nicht einschränkendes Ausführungsbeispiel beschrieben. Mithin lässt das Klagepatent zu, dass eine selbsttragende Wanddicke gewählt wird, die zwar mit höheren Materialkosten einhergehen kann, dann jedoch keine Stützelemente mehr verlangt. Jedenfalls lässt es die erfindungsgemäße Lehre auch zu, dass erforderliche werdende Verstärkungselemente auch innenseitig der Rohrmembran angebracht werden können. Diese Möglichkeit ist ausdrücklich in Abs. [0020] aufgezeigt worden und gerade auch in Bezug zur Figur 6, die – wie bereits erläutert – schon als ein Ausführungsbeispiel mit gesamter flexibler Wandmembran aus atmungsaktiver Kunststoffmembran gestaltet ist.
- Auch mit Blick auf die Unteransprüche 4 und 9 folgt, dass auch dann mindestens ein Bereich einer umschließenden Wand vorliegen kann, wenn diese über ihre gesamte Länge aus einer atmungsaktiven Membran besteht. Denn in Unteranspruch 4 ist gerade unter Rückbezug auf die Ansprüche 1 bis 3 vorgesehen, dass eine Membran eine kontinuierliche Rohrform hat. Die gegen dieses Verständnis der Beklagten angeführten Einwände greifen nicht durch. Es ist schon nicht ersichtlich, dass es sich bei dem Rückbezug des Unteranspruchs 4 auf die Unteransprüche 1 bis 3 und nicht nur auf den Unteranspruch 2 um einen offensichtlichen Schreibfehler handelt. Es ist der Beklagten zuzugeben, dass erstmals in Unteranspruch 2 eine Wandmembran beansprucht wird und der Unteranspruch 4 auf die Membran Bezug nimmt. Allerdings spricht Anspruch 1 schon von einem Material, das den Durchgang von Wasserdampf durch Diffusion erlaubt, womit ebenjene Membran adressiert ist, sodass ein Rückbezug des Unteranspruchs 4 auch auf den Anspruch 1 technisch sinnvoll ist. In Unteranspruch 9 wird das vorstehende Verständnis weiterhin bestärkend explizit beansprucht, dass die äußere Oberfläche des Ausatmungsgliedes und Kreislaufs von dem atmungsaktiven Material gebildet wird.
- Die seitens der Beklagten angeführten Unteransprüche 5, 25 und 26 stehen dem Verständnis des mindestens einen Bereichs als über die gesamte Länge des Atemrohrs verlaufende atmungsaktive Membran nicht entgegen. So betrifft der Unteranspruch 5 vornehmlich die Herstellung eines Atemrohrs und lässt für die Herstellungsform des schraubenlinienförmigen Windens von Streifen – hin zu einem insgesamt geschlossenen Rohr – zu, dass ein Streifen aus atmungsaktivem Material besteht. Der Unteranspruch 25 bestärkt dagegen sogar vielmehr das aufgezeigte Verständnis, wenn es dort heißt, dass der eine oder die mehreren Bereiche gestreckt sind und mindestens über einen wesentlichen Teil der Länge des Rohrs verlaufen. Denn durch den Zusatz „mindestens“ über einen wesentlichen Teil schließt dieser Unteranspruch gerade nicht aus, dass nicht auch die gesamte Länge durch diesen einen oder mehrere Bereiche gebildet sein kann. Selbst wenn Unteranspruch 26 insoweit wohl mehrere Bereiche aus atmungsaktiver Wandmembran, die voneinander beabstandet angeordnet werden, beansprucht, steht das dem hiesigen Verständnis nicht entgegen, weil es sich lediglich um eine mögliche Konkretisierung des Gegenstandes des Hauptanspruchs handelt.
- Mithin ist dem Klagepatent in keiner Beschreibungspassage zu entnehmen, dass die Notwendigkeit besteht, einem Rohr verschiedene, unterteilt in atmungsaktive und nichtatmungsaktive Regionen zuzuweisen. Bei den mit verschiedenen Regionen ausgestalteten Vorrichtungen im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre handelt es sich lediglich um verschiedene bevorzugte Ausführungsformen.
- Dieses Verständnis des Merkmals 4.1 steht auch mit der Anspruchssystematik des geltend gemachten Klagepatentanspruchs 1 im Übrigen in Einklang. Insbesondere steht Merkmal 4.2, der die Verteilung des Bereichs oder der Bereiche über die Länge des Rohres betrifft, vorstehendem Verständnis nicht entgegen. Er besagt für die Anordnung der atmungsaktiven Bereiche (Bereichs), dass gewährleistet sein muss, dass die befeuchteten Gase während ihres Flussweges trocknen, was voraussetzt, dass die Diffusion von Wasserdampf entlang des einzelnen [englisch: „singular“] Ausatmungsfließweges erfolgt. Auch bei atmungsaktiven Membranen, die das gesamte Rohr bilden, besteht Bedarf herauszustellen, dass sie die Trocknung entlang des Ausatmungsfließweges sicherstellen müssen, was nämlich z.B. durch eine etwaig erforderlich werdende Verstärkung verhindert werden könnte. Jedenfalls verliert das Merkmal auch bei einem Rohr bestehend aus atmungsaktivem Material nicht seinen Bedeutungsgehalt. Einzig bedingt dabei schon die Wahl des Rohrmaterials, dass der Bereich derart verteilt ist, dass die Trocknung entlang des Ausatmungsfließwegs stattfindet.
- Dass die Verteilung über die „Länge“ des Rohrs erfolgen soll, bestätigt den Fachmann in diesem Verständnis. In Abs. [0018] definiert das Klagepatent eine Länge als einen Längsabschnitt. Wie schon im Anspruchswortlaut, macht das Klagepatent keine weitergehenden Vorgaben zum Ausmaß eines Längsabschnitts. Es kann daher nur eine Teillänge sowie auch die Gesamtlänge des Rohrs sein. Ausgeschlossen ist daher nicht, dass das Rohr insgesamt, auch dem Umfang nach, aus atmungsaktivem Material besteht. Denn die Anzahl der möglichen, das Rohr bildenden Längsabschnitte wird vom Klagepatent nicht vorgegeben; es lässt ausdrücklich mehrere Längsabschnitte zu, die sodann zusammengefügt werden und dadurch das Rohr definieren.
- Den Figuren in der Klagepatentschrift sind keine gegenteiligen Anhaltspunkte zu entnehmen, die gegen das aufgezeigte Verständnis sprechen könnten. Sie stellen allesamt bevorzugte Ausführungsbeispiele dar und legen die Prämisse des Klagepatents zugrunde, dass bevorzugt eine dünne Wandmembran gewählt werden soll, um Kosten zu sparen, was in der Konsequenz jedoch Verstärkungselemente erfordert. Insbesondere ist die Figur 1 nicht geeignet ein Verständnis zu lehren, wonach zwingend verschiedene Materialien ein einer erfindungsgemäßen Vorrichtung unabhängig von dem Erfordernis als Verstärkung zu dienen, verarbeitet werden müssen. Denn auch diese Figur stellt ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel auf, welches lediglich partielle atmungsaktive Bereiche aufweist und im Übrigen eine aus anderem Material bestehende Leitungswand. Gerade die nur partiell eingesetzte Membran ist der Grund, weshalb es keiner zusätzlichen Stützelemente bedurfte, da die Leitungswand selbst hinreichend stabil ist. Da aber das Klagepatent nicht verbindlich vorgibt, welche Bereiche aus welchem Material bestehen müssen und was abhängig von dieser Entscheidung für ein Bedarf an Verstärkungselementen vorhanden ist, sind dieser Zeichnung keine allgemeinen Hinweise auf die einzusetzenden Materialien zu entnehmen.
- Schließlich steht das vorstehende Verständnis mit der technisch-funktionalen Betrachtung in Einklang. Gerade mit einer über auch über die gesamte Länge der Leitung verlaufenden Wandmembran, die zudem den Ausatmungsstrom von der Umgebungsluft abgrenzt, wird gewährleitet, dass Wasserdampf durch das Material diffundieren und es so nicht zu einer Kondensation innerhalb des Ausatmungsglieds kommen kann. Auch in funktionaler Hinsicht weiß der Fachmann, dass die atmungsaktive Kunststoffmembran so ausgestaltet sein kann, dass sie dazu in der Lage ist, die umschließende Leitung darzustellen, ohne die Anordnung von Verstärkungselementen zu erfordern.
-
b.
Mit dem Ausdruck „nicht den Durchgang von flüssigem Wasser oder von Atemgasen zu erlauben“ beansprucht das Klagepatent derart gestaltetes Material, dass – bei Gebrauch der erfindungsgemäßen Vorrichtung – nur die Abgabe von Wasserdampf von dem Innenbereich nach außen ermöglicht wird, dagegen diejenige von Wasser im flüssigen Zustand sowie diejenige von Atemgasen an die Umgebungsluft verhindert werden. Wie dies über die Anordnung von Gewebefasern im Material zu erreichen ist, stellt das Klagepatent in das Belieben des Fachmanns. Entscheidend ist dabei, dass der Durchgang für die genannten Stoffe in einem solchen Maß verhindert sein muss, dass etwaig angeschlossene koaxiale Einatmungsströme oder Nebenanlagen in ihrer Funktionsfähigkeit nicht beeinträchtigt werden und zudem weder die Sicherheit des Patienten noch diejenige des Bedienpersonals gefährdet ist. Das Klagepatent verlangt dazu kein absolut betrachtet dichtes Atemrohr. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob das Material flüssiges Wasser und Atemgase innenseitig absorbiert, solange sichergestellt ist, dass keine dieser Moleküle in schädlichem Umfang durch die Materialwand an die Umgebungsluft gelangen können. - Der Umstand, dass die Lehre des Klagepatents ein in Einsatz befindliches Ausatmungsglied in den Blick nimmt, ergibt sich schon aus der Art der medizinischen Vorrichtung selbst; ihre Funktionen können nämlich, wie der Fachmann weiß, gerade erst nach Ingebrauchnahme beurteilt werden. Diese Sichtweise wird von dem Anspruchswortlaut in Merkmal 4.2 auch bestätigt, das auf den Ausatmungsfließweg abstellt, entlang dessen die befeuchteten Gase getrocknet werden sollen. Dies kann nur bei Einsatz dieses Ausatmungsglied an einem Patienten erreicht werden. Dies kommt auch in der Klagepatentbeschreibung zum Ausdruck, nämlich in Abs. [0016], der ausdrücklich beschreibt, dass Wasserdampf „bei Betrieb“ übertragen wird.
- Der Anspruchswortlaut unmittelbar gibt dabei nicht näher vor, was unter fachmännischer Sicht darunter zu verstehen ist, dass der Durchgang von flüssigem Wasser und von Atemgasen nicht erlaubt ist und wann ein solcher tatsächlich nicht vorliegt. Insoweit ist der Formulierung nur zu entnehmen, dass dasjenige physikalische Element, dessen Durchlass erwünscht ist, Wasserdampf ist. Ausdrücklich soll dieser diffundieren, was durch den vom atmungsaktiven Material bereitgestellten Wasserdampfflussweg bekräftigt wird. Der Begriff des Wasserdampfflusswegs beschreibt nämlich sowohl eine Strecke (vom Inneren über das Material nach Außen), als auch das zu transportierende Element, Wasserdampf. Die Bereitstellung und das Funktionieren des Wasserdampfflussweges erfordern daher, dass das Material des mindestens einen oder der mehreren Bereiche so beschaffen ist, dass bestimmte Gase und flüssiges Wasser gerade nicht auch darüber weitergegeben werden können.
- Das Klagepatent gibt dem Fachmann dazu in seinen Beschreibungsstellen auch nur eingeschränkt weiteren Aufschluss über die gewünschten Eigenschaften des Materials, durch welches nur Wasserdampf diffundieren soll.
- In Abs. [0006] ist formuliert:
- „Im Folgenden wird in der gesamten Beschreibung ein Material, das den Durchgang von Wasserdampf ermöglicht, ohne den Durchgang von flüssigem Wasser oder Atemgasen zu ermöglichen, als atmungsaktives Material bezeichnet. Materialien können aufgrund ihrer Zusammensetzung, ihrer physikalischen Struktur und aufgrund einer Kombination davon atmungsaktiv sein.“
- Die Benutzung des Wortes „atmungsaktiv“ signalisiert dem Fachmann eine Permeabilität des Materials in gewissem Umfang, also die Eigenschaft, für bestimmte Stoffe durchlässig ausgestaltet zu sein. Wenn das Klagepatent insofern formuliert, „ohne“ den Durchgang von flüssigem Wasser oder Atemgasen zu erlauben, versteht der fachkundige Leser, dass flüssiges Wasser oder Atemgase nicht durchgehen dürfen. Für die Ausgestaltung des atmungsaktiven Materials bedeutet dies, dass die Durchlässigkeit auf einer bestimmten strukturellen stofflichen Textur des Materials beruht und es im Ergebnis nur für Wasserdampf permeabel sein darf.
- Durch die Formulierungen in den Beschreibungsstellen in Abs. [0016] und [0056] bekräftigt das Klagepatent, dass es letztlich entscheidend ist, dass nur Wasserdampf übertragen wird. So formuliert es in Abs. [0016] ausdrücklich: „[…] und dass im Betrieb Wasserdampf, aber kein flüssiges Wasser aus dem Ausamtungsdurchgang in den Einatmungsdurchgang übertragen wird.“
- In Abs. [0056] stellt das Klagepatent im Zusammenhang mit koaxialen Leitungen den sich ergebenden Nachteil heraus, wenn es in Atemrohren zum Durchtritt von unerwünschten Stoffen kommt: „Bei der koaxialen Leitung könnte eine Leckage in der Innenleitung vom Respirator nicht erfasst werden. Eine solche Leckage könnte den Patienten kurzschließen, was bedeutet, dass der Patient nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt würde.“
- Diese beiden Passagen der Klagepatentschrift verdeutlichen den Zweck, weshalb es bei der Materialwahl für den mindestens einen bzw. die atmungsaktiven Bereiche maßgeblich ist, dass von den anderen Stoffen außer Wasserdampf nichts hindurchgehen darf. Dementsprechend hält die Klagepatentbeschreibung auch unmittelbar konkrete Hinweise auf verwendbares atmungsaktives Material bereit. So heißt es in Abs. [0011]:
- „Ein mögliches Material für die atmungsaktiven Bereiche ist ein aktiviertes perfluoriertes Polymermaterial mit extremen hydrophilen Eigenschaften.“
- Explizit führt das Klagepatent ein Material unter der Marke K von L-Produkten aus Fayetteville (USA) an und stellt dessen Nützlichkeit aufgrund seiner extremen hydrophilen Eigenschaften und seiner Extrusionsfähigkeit heraus. Erweitert wird die Liste möglicher atmungsaktiver Materialien durch Abs. [0012], der hydrophile Thermoplaste sowie gewebte behandelte Textilprodukte mit atmungsaktiven Eigenschaften als weitere alternative Materialien vorsieht. Als bevorzugtes hydrophiles Polyesterblockpolymer wird der flache homogene und unter der Bezeichnung „M“ vertriebene Film angeführt (Abs. [0014]).
- Die beiden angesprochenen Bezeichnungen K und M dienen als Vorschläge für die Ausgestaltung und Materialwahl eines atmungsaktiven Bereichs, ohne den Anspruchsinhalt darauf zu reduzieren. Dem Fachmann sind die genannten Materialien bekannt und er erkennt, dass das Klagepatent mit Verweis auf die vorbekannten Materialien auf deren stofflichen Eigenschaften aufmerksam macht, und zwar unabhängig davon, auf welchem Gebiet und zu welchem Zweck konkret das Material alsdann eingesetzt wird.
- Der Fachmann nimmt diese Materialeigenschaften in den Kontext des Einsatzbereichs und der grundsätzlich erforderlichen Permeabilität des Materials. Er betrachtet deshalb „keinen Durchgang von flüssigem Wasser und von Atemgasen“ im Lichte des Anwendungsbereichs von Atemrohren und weiß, dass keine XXX%-ige Dichtheit gegenüber flüssigem Wasser und Atemgasen in dem Sinne verlangt wird (werden kann), dass nicht auch ein einzelnes Atom (Molekül) durchdringen dürfte; solange es in einem Ausmaß bleibt, das den ordnungsgemäßen Betrieb der Vorrichtung nicht gefährdet. Insbesondere diejenigen Beschreibungsstellen, die von keinem Durchgang sprechen sind daher nicht rein wörtlich, sondern im funktionalen Zusammenhang der Erfindung zu lesen. Die permeable Ausgestaltung des Materials, mithin die Entscheidung, abhängig vom gewünschten Ergebnis, inwieweit das einzusetzende Material (nicht-)porös (monolithisch) sein darf, bedingt vielmehr, dass auch andere Moleküle hindurchgehen können. In technisch-funktionaler Hinsicht betont das Klagepatent mit der Undurchlässigkeit für flüssiges Wasser und Atemgase zudem, dass der Fokus der erfindungsgemäßen Vorrichtung auf der Diffusion von Wasserdampf liegt und das Austreten flüssigen Wassers sowie anderer Gase als Wasserdampf grundsätzlich unerwünscht ist.
- Für vorstehendes Verständnis spricht außerdem der Unteranspruch 24, welcher vorsieht, dass das Material des Rohrs ein hydrophiles, thermoplastisches Polyester-blockcopolymer ist. Damit hebt das Klagepatent eine mögliche Materialzusammensetzung hervor, was dem Fachmann als allgemeiner Hinweis dient, wie die Membran chemisch zusammengesetzt sein kann, um die erwünschte Funktion zu erlangen.
- Jedenfalls weiß der Fachmann, dass gerade unter funktionalen Gesichtspunkten ausreichend ist, um die Umgebung selbst aber auch die Vorrichtung zu schützen, den Durchgang von flüssigem Wasser und Atemgasen in so einem Ausmaß zu verhindern, dass die technische Funktionalität der erfindungsgemäßen Vorrichtung aufrechterhalten werden kann. Unschädlich ist dabei, wenn die Materialwand innenseitig flüssiges Wasser und Atemgase aufnimmt, solange sie nicht in unzulässig hohem Ausmaß austreten können und schon durch ihre bloße Aufnahme in dem Material negativen Auswirkungen verursachen.
- III.
Das vorstehend aufgezeigte Verständnis zugrunde legend kann die Kammer eine Verwirklichung des Klagepatentanspruchs feststellen. - 1.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht das Merkmal 4.1 des Klagepatentanspruchs im Hinblick auf den mindestens einen Bereich, der den Durchgang von Wasserdampf durch Diffusion erlaubt, weil sie über einen atmungsaktiven Bereich verfügt. Das gesamte flexible Ausatmungsrohr der angegriffenen Ausführungsform besteht einheitlich aus der atmungsaktiven Kunststoffmembran E, bei der es sich um ein Copolyester mit harten und weichen Segmenten handelt. - 2.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen auch insofern Gebrauch von Merkmal 4.1, dass für flüssiges Wasser und Atemgase kein Durchgang ermöglicht ist. - a.
Die Darlegungs- und nötigenfalls Beweislast für die Funktionsweise und den Aufbau der angegriffenen Ausführungsform trifft hier gemäß der allgemeinen zivilprozessualen Regeln im Sinne des § 138 ZPO die Klägerin, weil sie aus diesen Tatsachen die Verletzung des Anspruchs, als für sie günstigen Umstand aufzeigen will. Sie muss daher entsprechenden Vortrag in schlüssiger Weise präsentieren. Die Beklagtenseite ist sodann gehalten, zu den einzelnen relevanten Behauptungen in der Klageschrift Stellung zu nehmen und sich über die diesbezüglichen tatsächlichen Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß zu erklären. Dies bedeutet zwar nicht, dass der Beklagte von sich aus das Gericht und den Kläger über den wirklichen Verletzungstatbestand zu unterrichten hätte. Er kann sich auf das Bestreiten bestimmter vom Kläger behaupteter technischer Merkmals beschränken. Allerdings darf dieses Bestreiten nicht pauschal bleiben, sondern muss im Rahmen seiner Erkenntnismöglichkeiten in der gleichen Weise substantiiert sein, wie es das Vorbringen des Klägers ist. Prinzipiell gilt der Grundsatz, dass je substantiierter der Sachvortrag des Klägers ist, desto strenger auch die Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten des Beklagten sind (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Aufl., Kap. E, Rn. 147 m.w.N.). - b.
Diese Voraussetzungen zugrundelegend hat die Klägerin zur Überzeugung der Kammer auf nachvollziehbare Weise dargelegt, dass den angegriffenen Ausführungsformen ein erfindungsgemäßer Aufbau zugrunde liegt. - aa.
Maßgeblich für die Merkmalsverwirklichung durch die angegriffenen Ausführungsformen spricht zunächst, dass diese aus einem hydrophilem thermoplastischem Polyesterblockcopolymer besteht, mithin einem Material, welches das Klagepatent explizit in Unteranspruch 24 unter Schutz stellt. Durch den Rückbezug des Unteranspruchs 24 auf den Hauptanspruch 1 steht fest, dass derlei Material auch im Anwendungsbereich des Hauptanspruchs verwendet werden darf. - Die mittels Rasterelektronenmikroskop durchgeführte Untersuchung der Klägerin gibt ferner Aufschluss über die stoffliche und strukturelle Beschaffenheit des angegriffenen Atemrohrs (vgl. Anlage K 9). Denn diese offenbart eine monolithische, mithin „porenfreie“ Oberfläche. Die Beklagte stellt das Ergebnis dieses Tests nicht in Abrede, sondern übt Kritik an dem von der Klägerin daraus gezogenen Schluss, dass flüssiges Wasser und Atemgase deshalb nicht unmittelbar hindurchdringen könnten. Hinsichtlich des Untersuchungsergebnisses mag der Beklagten zuzugeben sein, dass nur eine Oberflächenstruktur gezeigt wird und nicht unmittelbar das Verhalten des Materials bei Auftreffen von flüssigem Wasser oder Atemgasen. Indes ist der klägerische Vortrag nachvollziehbar, wonach es einer poröseren Struktur bedürfte, um die Moleküle flüssigen Wassers passieren zu lassen. Dies gilt umso mehr nach dem ergänzenden Vorbringen in der Replik, wo monolithische und poröse Strukturen von Membranen erläutert und gegenübergestellt wurden, sodass die sich deutlich unterscheidenden Beschaffenheiten hervortreten, und außerdem die Vergleichbarkeit von E mit dem bekannten atmungsaktiven M-Material, welches unstreitig monolithisch ist, ersichtlich wird.
- Sofern die Beklagte trotz der REM-Untersuchung und des unstreitigen Materials weiterhin behauptet, dass die angegriffenen Ausführungsformen hydrophile Kanäle aufweisen würden, über welche ein Porenfluss für flüssiges Wasser ermöglicht würde, verfängt dieses Vorbringen mangels näherer Darlegungen zu dieser Behauptung nicht.
- Weitere Hinweise auf die Materialeigenschaften und die Funktionsweise lassen sich, zwar ohne technische Details, der eigenen Produktbroschüre der Beklagten, vorgelegt als Anlage K 6, entnehmen. So wird in der Beschreibung der Grafik betont, dass in Abgrenzung zu herkömmlichen beheizten Schlauchsystemen aus Faltschlauch die Kondensationsbildung reduziert und besser reguliert werden soll. Grafisch wird dieser Vorteil für die angegriffenen Ausführungsformen derart dargestellt, dass in den Falten des Schlauchs kein Kondensat angesammelt ist. Dies bedeutet bereits in rein physikalischer Hinsicht, dass der aus der Ausatmung kommende Wasserdampf zu einem Zeitpunkt behandelt wird, bevor flüssiges Wasser vorhanden ist. Bekräftigt wird diese Bedeutung der Grafik durch die eigenen Herstellerangaben von E. Denn die in ihnen enthaltene Grafik lässt gleichfalls nur schematisch als Punkte dargestellten Wasserdampf erkennen, indes kein flüssiges Wasser innerhalb des Atmungsschlauchs.
- Gegenteiliges vermag die Kammer dem schriftsätzlichen Vorbringen der Beklagten dazu nicht zu entnehmen. Vielmehr trägt die Beklagte selbst zum atmungsaktiven Material in ihrem Produkt nur ungenau vor, wenn sie dessen Aufbau und Funktionsweise ebenfalls anhand der Anlage HL 9 darlegen will. Sie behauptet lediglich, „Wasser“ werde von dem hydrophilen weichen Segment absorbiert. Unbeschadet dessen, dass „Wasser“ in physikalischer Hinsicht ein unbestimmter Begriff ist, da er nicht den Aggregatzustand eines Stoffes angibt, auf den es vorliegend aber gerade genau ankommt, heißt es in der abgebildeten Grafik „water vapor“, mithin Wasserdampf. Dieser ist es, der von der Materialschicht aufgenommen wird.
- Die Beklagte hat außerdem die inhaltliche Richtigkeit ihrer Produktbroschüre nicht in Abrede gestellt. Insoweit genügt es, um den Aussagegehalt der Produktbroschüre zu entkräften, seitens der Beklagten auch nicht, sich nur darauf zu berufen, dass aus der Anlage K 6 nicht selbst hervorgehe, wie die Bildung von Feuchtigkeit verhindert werde. Vielmehr hätte die Beklagte ihrer eigenen Darlegungslast folgend eine andere Funktionsweise selbst aufzeigen müssen. Sofern sie dazu in der Klageerwiderung vorgetragen hat, dass die angegriffene Ausführungsform flüssiges Wasser in den Wänden aufnehme und dieses dann als flüssiges Wasser durch die Polymerstruktur diffundiert/konvektiert und verdunstet von der Außenseite des Rohrs nach außen, handelt es sich ausgehend von der sie treffenden Darlegungslast nicht um erheblichen Gegenvortrag. Insbesondere finden sich für den Vortrag, dass in den angegriffenen Ausführungsformen die Bildung flüssigen Wassers, welches sodann vom Wandmaterial des Ausatmungsrohr aufgenommen wird und dort als flüssiges Wasser verbleibt, gerade in Kauf genommen wird, auch keinerlei Anknüpfungspunkte. Zwar könnte dieser Vortrag Hinweis auf eine gegenüber dem klägerischen Vorbringen andere Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform sein. Er ist im Ergebnis jedoch nicht belastbar. Denn die Beklagte untermautert diesen Ansatz in der Duplik nicht mehr, was gerade vor dem Hintergrund, dass die Materialzusammensetzung sowie deren grundlegenden Eigenschaften zwischen den Parteien unstreitig sind, erforderlich gewesen wäre. Ferner hat die Beklagte nicht aufgezeigt, wie in funktionaler Hinsicht mit dem aufgenommenen flüssigen Wasser weiter verfahren wird. Derlei Erläuterungen wären erforderlich gewesen, um eine in sich in physikalischer Hinsicht schlüssige Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsformen darzulegen.
- Inwieweit dagegen der Atmungsaktivitätstest der Klägerin Aufschluss über die Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsformen zu geben vermag (vgl. Anlage K 8), kann dahinstehen, weil auch ohne dessen Berücksichtigung die Ausgestaltung und Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsformen hinreichend substantiiert und nachvollziehbar erläutert worden ist. Der Testaufbau sah vor, zunächst das Rohr, beidseitig mit Verschlüssen versehen, zu wiegen (203,01 g). Sodann wurde es mit ca. XXXml deionisiertem, flüssigem Wasser befüllt und wiederum mit Verschlüssen versehen. Das Gewicht betrug nun 302,20 g. Der Test wurde bei einer Raumtemperatur von 20°C durchgeführt. Nach 18 Stunden wurde erneut das Gewicht des Rohrs gemessen: 264,64 g. Ein Vergleich mit dem Ausgangsgewicht zeigt, dass das Rohr nun 53,45 g leichter ist. Das geringere Gewicht am Ende der Testreihe lasse deshalb darauf schließen, dass flüssiges Wasser von der atmungsaktiven Kunststoffmembran aufgenommen und wohl an die Umgebungsluft aufgrund von Diffusion abgegeben wurde. Die Beklagte hat zwar nicht in Abrede gestellt, dass es innerhalb eines Zeitraums von 18 Stunden möglich ist, dass der eingetretene Gewichtsverlust auf die Umwandlung flüssigen Wassers in Wasserdampf und dessen anschließende Abgabe über die Rohrwand zurückzuführen ist. Im Übrigen lässt sich dem Versuch zur Atmungsaktivität nicht entnehmen, dass tatsächlich flüssiges Wasser durch die Membran hindurchgedrungen wäre. Das hätte nämlich zur Tropfenbildung an der Außenseite des getesteten Rohr führen müssen, die nicht ersichtlich ist. Indes schließt auch die Klägerin selbst die Möglichkeit nicht aus, dass ein (wenn auch geringer) Teil des flüssigen Wasser unmittelbar in das Wandmaterial gedrungen und sodann verdampft ist, ohne dass zunächst Wasserdampf entstanden wäre.
- Demgegenüber können der weitere Beklagtenvortrag sowie die von ihr herangezogenen Tests das klägerische Vorbringen nicht mehr entwerten und eine gegenteilige Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform aufzeigen. Dieses Vorbringen war schon ungeachtet des weiteren Entgegentretens der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 08.06.2020 aus sich heraus nicht hinreichend überzeugend, um eine gegenteilige Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsformen plausibel aufzuzeigen.
- So sind sämtliche der durchgeführten Tests nicht geeignet, aufzuzeigen, dass die angegriffene Ausführungsform den Durchgang von flüssigem Wasser und Atemgasen erlaubt. Der Versuchsaufbau ist stets darauf ausgelegt, dass flüssiges Wasser von dem atmungsaktiven Material aufgenommen und anhand von Gewichts-/ Mengenvergleichen die entsprechende Aufnahme von Wasser in der Materialwand nachgewiesen werden soll. Diese Versuche sind deshalb nicht zum Nachweis des Durchgangs flüssigen Wassers geeignet, weil die Beklagte für keinen der unternommenen Tests erläutert hat, was auf den Schritt der Absorption folgt. Dabei ist erst dies der entscheidende Moment, auf den es der erfindungsgemäßen Lehre ankommt; nämlich die Frage der Durchlässigkeit des eingesetzten Materials.
- Dementsprechend ist der als Anlage HL 12 vorgelegte Testbericht zur „Schlauchabsorption“ nicht aussagekräftig. Dies gilt auch dann, wenn durch das Schütteln der Schläuche die Entstehung von Wasserdampf im Rohr verhindert worden sein sollte und somit nur flüssiges Wasser im Atemrohr vorhanden war. Gleichermaßen vermag der zur Sättigung eines Rohres mit flüssigem Wasser durchgeführte Test (Anlage HL 14) keinen Aufschluss über die Nichtverwirklichung des streitgegenständlichen Merkmals zu geben. Die Beklagte erläutert dazu nämlich nicht, welcher Rückschluss aus diesem Test folgen soll, außer dass die vom Rohr aufgenommene Menge flüssigen Wassers feststeht. Kein anderer Aussagegehalt, als der Umstand, dass der Schlauch Wasser absorbiert, kommt daher auch den Tests zur Reaktion auf Verunreinigungen zu (Anlage HL 15). Unter demselben Blickwinkel sind schließlich die als Anlagenkonvolut HL 16 vorgelegten Tests zu betrachten. Sie beziehen sich allesamt auf die Absorptionsfähigkeit von flüssigem Wasser und nehmen allesamt nicht in den Blick, was mit diesem aufgenommenen Wasser sodann geschieht. Insbesondere dürfte diesen neueren Tests auch kein neues Ergebnis zum Verhalten des Materials auf flüssiges Wasser zu entnehmen sein, da bereits die eingangs erläuterten Tests dem Nachweis der Absorption dienten.
- Im Übrigen gesteht die Beklagte mit dem der Seite 6 der Präsentation (Anlage HL 9) entnommenen Testergebnis zu, dass Wasserdampf durch das atmungsaktive Material verdunsten kann (vgl. MVTR-Wert).
- bb.
Die Klägerin hat schließlich hinreichend nachvollziehbar dargelegt, dass auch keine Atemgase durch das atmungsaktive Material passieren können. Dies folgt auch hier aus den dem unstreitig benutzten Material zugewiesenen Eigenschaften (vgl. Unteranspruch 24). Ein weiteres Indiz dafür ergibt sich aus dem durchgeführten Test auf Dichtheit eines angegriffenen Rohrs (vgl. Anlage K 8). Im Testaufbau wurde das Ausatmungsglied zunächst für eine Stabilisierungsphase von 10 Sekunden mit einem Gasinnendruck beaufschlagt, wobei sich die herangezogenen Hektopascal-Werte am Standard ISO 536:2014 orientierten. Sodann wurde der Luftdurchsatz gemessen, der erforderlich ist, um 30 Sekunden lang den aufgebauten Innendruck aufrecht zu erhalten. Als Ergebnis wurde festgestellt, dass keine Leckagen, die Wasser oder Luft entweichen lassen, vorhanden sind. Den Versuchsaufbau sowie das ermittelte Ergebnis stellt die Beklagte insoweit nicht in Abrede. Ihre Kritik bezieht sich nur auf den daraus ableitbaren Aussagegehalt für die angegriffenen Ausführungsformen. Indes greift diese nicht durch. Denn der Test auf Dichtheit belegt in jedem Fall, dass Luft (namentlich Sauerstoff) nicht in messbarem, die Anwendungssicherheit des Atmungsschlauchs gefährdendem Umfang durch die Membran entweichen kann. Denn dies hätte eine Steigerung des eingegebenen Drucks bedurft, um den Luftverlust auszugleichen. Ob möglicherweise vereinzelt Sauerstoffmoleküle durch die Membran gelangt sind, ist – auch als Rückschluss auf die Durchlässigkeit für andere Atemgase – unerheblich, weil eine absolute Dichtheit des atmungsaktiven Materials nicht erforderlich ist und im Übrigen gerade mit dieser besonderen Eigenschaft der Atmungsaktivität nicht vereinbar wäre. - Der Verweis der Beklagten auf die Seite 12 der Anlage HL 9 und das dort abgebildete Balkendiagramm steht dem klägerischen Vorbringen nicht in erheblicher Weise entgegen. Aus diesem soll sich eine Permeationsrate von 119cm³/m²/day/atm bezogen auf Sauerstoff ergeben. Ein entsprechender, roter Balken ist rechts in der Tabelle zu ersehen. Verglichen mit Sauerstoff sei die Permeationsrate von Kohlenstoffdioxid 25-mal höher und liege bei 2.975 cm ³/m²/atm. Der Aussagegehalt dieses Tests erschließt sich in Bezug auf die Lehre des Klagepatents – allein aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten – jedoch nicht. Das Beklagtenvorbringen beschränkt sich auf die Beschreibung der aus der Tabelle ersichtlichen Angaben, ohne deren inhaltliche Bedeutung zu erklären. Die Anlage HL 9 selbst beinhaltet schon keine näheren Erläuterungen zu dieser Grafik. Insbesondere sind weder der Versuchsaufbau noch die benutzte Maßeinheit der „Permeationsselektivität“, bei er es sich auch nicht um eine gängige physikalische Größe handeln dürfte, objektiv nachvollziehbar.
- Schließlich kann diesen Untersuchungsergebnissen auch deshalb kein gesteigerter Bedeutungsgehalt beigemessen werden, weil deren Übertragung auf den Einsatzbereich des atmungsaktiven Materials in einem Beatmungssystem nicht stattgefunden hat; dies gilt insbesondere mit Blick auf selbst für diesen sensiblen Bereich zugelassene Toleranzen, wie sie in der ISO 5367:2014 normiert sind.
-
IV.
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen resultieren die folgenden Rechtsfolgen: - 1.
Da die Beklagte das Klagepatent widerrechtlich benutzt hat, ist sie gemäß Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung der Benutzungshandlungen verpflichtet. - Der Anspruch auf Unterlassung scheidet nicht aufgrund von Unverhältnismäßigkeit gem. § 242 BGB aus. Der Beklagten war außerdem keine Aufbrauchfrist einzuräumen.
- a.
Der Zuerkennung des Unterlassungsanspruchs steht nicht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entgegen. Unabhängig von der Frage, ob bei der Anwendung des § 139 PatG überhaupt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen ist (vgl. zum Streitstand: LG Düsseldorf, Urt. v. 24. April 2012, 4b O 274/10, juris Rn. 255 ff.; LG Düsseldorf, Urt. v. 9. März 2017, 4a O 28/16, juris Rn. 94 ff.; 173 ff.; LG Mannheim, InstGE 11, 9 – UMTS-fähiges Mobiltelefon; OLG Karlsruhe, InstGE 11, 124, 127; Ohly, GRUR Int. 2008, 787, Osterrieth, GRUR 2018, 985 und GRUR 2009, 540; Heusch, in: Festschrift Meibom 2010, S. 135 ff.; Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 12. Aufl. Kap. D Rn. 354 ff.; Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl § 139 Rn. 92; vgl. Art. 3 Abs. 2 und Erwägungsgrund 17 der Enforcement-Richtlinie (RL 2004/48/EG)) würde eine solche Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorliegend nicht zu Gunsten der Beklagten ausfallen. Denn unter Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten des Einzelfalls ist eine Einschränkung des Unterlassungsanspruchs nicht geboten. Insofern ist die Kammer weder in direkter Weise an der Anwendung des § 139 PatG gehindert noch ist eine Verurteilung zur Unterlassung über die Generalklausel des § 242 BGB als „Einfallstor“ ausgeschlossen. - Unabhängig von der Frage, ob Interessen Dritter überhaupt im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung Berücksichtigung finden können (bejahend: Ohly,a.a.O.), bleibt ihnen vorliegend jedenfalls der Erfolg versagt.
- Die Beklagte führt nur allgemeine Erwägungen und Zukunftsprognosen zu der neuartigen Viruserkrankung an, die zu ihren Gunsten in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzustellen sein sollen. Es ist anzuerkennen, dass das Coronavirus bei betroffenen Patienten unvorhergesehen und ohne Zugehörigkeit zur sogenannten „Risikogruppe“ einen schweren Krankheitsverlauf nehmen kann, welcher sodann den Einsatz von Beatmungsgeräten erforderlich macht. Dabei ist es grundsätzlich ein berechtigtes Interesse des betroffenen Dritten, bestmöglich und unter Einsatz allen verfügbaren Medizingeräts behandelt zu werden.
- Da diese Krankheit einen Pandemiestatus erreicht hat und auch für die Bundesrepublik Deutschland weiterhin eine latente Gefährdungslage besteht, ist derzeit nicht auszuschließen, dass es zu einer sogenannten „zweiten Welle“ mit einer gegenüber dem derzeitigen (Juli 2020) Stand erhöhten Zahl an infizierten Personen kommen wird, sodass die bestmögliche Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherzustellen ist. Insoweit hat bereits die erste Welle unstreitig eine akute und erhöhte Nachfrage an Beatmungsgeräten und entsprechendem Zubehör, wie es hier streitgegenständlich ist, ausgelöst, die nicht vollumfänglich seitens der Hersteller bedient werden konnte. Es kam zu Lieferengpässen und eine Unterversorgung solcher Patienten, die auf intensivmedizinische Unterstützung angewiesen waren, stand bevor. Tatsächlich ist aufgrund den von der Politik ergriffenen Maßnahmen ein solcher Fall, dass Patienten mit einem schweren Verlauf der Viruserkrankung nicht angemessen hätten behandelt werden können, nicht eingetreten. In welchem Ausmaß patentverletzendes Gerät der Beklagten dabei am Markt verfügbar ist und zum Einsatz kommt, ist nicht bekannt, weil die Beklagte derlei Tatsachen nicht dargelegt hat. Woraus sich außerdem das Erfordernis ergibt, gerade die angegriffenen Ausführungsformen zur Verfügung zu stellen und nicht andere patentfreie Produkte, über die die Beklagte unstreitig ebenso disponiert, ist nicht ersichtlich.
- Dagegen hat die erhöhte Nachfrage an Beatmungsgerät nebst Zubehör vielmehr dazu geführt, dass nunmehr eine höhere Anzahl an Intensivplätzen bereitgestellt und vorgehalten werden kann. Damit ist die Ausgangslage für eine etwaige zweite Welle günstiger als sie es bei der ersten Welle war. Dies gilt unbeschadet des Umstandes, dass überhaupt nicht absehbar ist, wie viele Beatmungsplätze einmal erforderlich werden könnten, weil insoweit das ganze Infektionsgeschehen nicht vorherzusehen ist. Belastbares wissenschaftliches Material fehlt dazu denknotwendigerweise. Hinzukommt, dass über die Monate hinweg, in denen sich die Krisenlage entspannt hat, Zeit für Herstellerunternehmen war, ihre Produktion zu steigern; branchenfremde Unternehmen haben die Möglichkeit, ihre bisherige Produktion umzurüsten, um künftig auch Nachfragen an Beatmungsgeräten bzw. -zubehör bedienen zu können. Im Hinblick auf den bisherigen Höhepunkt der Corona-Pandemie hat sich in der Bundesrepublik Deutschland in der Handhabe der Bundesregierung gezeigt, dass – wenn auch in die Freiheitsrechte einschneidende – Maßnahmen auf wirksame Weise ergriffen werden können, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.
- Schließlich sind im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung keine Hinweise vorhanden, wonach unmittelbar bevorstehend mit einer zweiten Welle zu rechnen wäre. Es besteht daher kein Anlass, das Ausschließlichkeitsrecht der Klägerin einer bloßen Möglichkeit eines erneuten Anstiegs der Infiziertenzahl unterzuordnen.
- Zur Begründung der Unverhältnismäßigkeit hat die Beklagte keinerlei eigene wirtschaftliche Belange angeführt, die eine Verurteilung zur Unterlassung unverhältnismäßig erscheinen lassen, weil diese mit einem irreparablen Schaden für die Beklagte einhergehen könnte. Bereits im Ausgangspunkt ist nicht bekannt, in welchem Umfang sich angegriffene Ausführungsformen auf dem Markt befinden und damit von Rückruf oder Vernichtung betroffen wären. Daher kann ebenso wenig beurteilt werden, welche Auswirkungen dies auf den Markt hätte.
- b.
Aus den bereits zuvor erläuterten Gründen scheidet auch die Einräumung einer Aufbrauchfrist aus. - Die Einräumung einer Aufbrauchfrist, die üblicherweise der Überbrückung des für Umstellungs- und Beseitigungsmaßnahmen benötigten Zeitraums dienen soll, kann im Einzelfall geboten sein, wenn die sofortige Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs des Patentinhabers auch unter Berücksichtigung seiner Interessen gegenüber dem Verletzer eine unverhältnismäßige, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigte Härte darstellte und daher treuwidrig wäre (vgl. BGH, GRUR 2016, 1031 – Wärmetauscher).
- Es handelt sich bei der Gewährung einer Aufbrauchfrist um eine aus allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben abgeleitete Einschränkung des materiellen Unterlassungsanspruchs, die dann zur Anwendung kommt, wenn eine sofortige uneingeschränkte Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs für den Verletzer und/oder seine Kunden mit unverhältnismäßigen Nachteilen verbunden wäre und dem Berechtigten eine gewissen Einschränkung zumutbar ist (BGH, a.a.O.; Benkard/Grabinski/Zülch, Patentgesetz, 11. Aufl., § 139, Rn. 136a; BGH, GRUR 1982, 425 – Brillen-Selbstabgabestellen).
- Dabei ist über die Gewährung einer Aufbrauchfrist einzelfallbezogen unter abwägender Berücksichtigung aller beteiligten Interessen und subjektiver Elemente (Gut- oder Bösgläubigkeit des Verletzers) zu entscheiden. Es wird insbesondere dann Raum für eine ausnahmsweise zu bewilligende Aufbrauchfrist gesehen, wenn der Verletzungsgegenstand nur einen kleinen, aber funktionswesentlichen Bestandteil eines technisch komplexen Geräts betrifft und nicht in zumutbarer Zeit durch ein patentfreies oder lizenzierbares Produkt ersetzt werden kann (vgl. Benkard, a.a.O.). Die Gewährung einer solchen Aufbrauchfrist kommt im Patentrecht nur unter engen Voraussetzungen zum Tragen, weil es etwa anderes als im Markenrecht nicht (nur) darum geht, rechtmäßig hergestellte, aber unrechtmäßig gekennzeichnete Waren (künftig) vom Markt fernzuhalten, sondern darum, ein Erzeugnis, das bereits unter Missachtung eines Ausschließlichkeitsrechts hergestellt oder in den Verkehr gebracht wurde, oder die Anwendung eines geschützten Verfahrens zu ahnden. Es ist daher notwendige Folge des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs, dass der Verletzer die patentverletzende Produktion oder den patentverletzenden Vertrieb einstellen muss und das betroffene Produkt erst dann wieder auf den Markt bringen kann, wenn er sich entweder die dafür benötigten Rechte vom Patentinhaber verschafft oder das Produkt so abgewandelt hat, dass es das Schutzrecht nicht mehr verletzt, was gegebenenfalls erheblichen Zeit- und Kostenaufwand erfordern kann. Die damit zwangsläufig verbundenen Härten sind grundsätzlich hinzunehmen. Eine Einschränkung der Wirkung des Patents durch Gewährung einer Aufbrauchfrist ist deshalb nur dann zu rechtfertigen, wenn die wirtschaftlichen Folgen der sofortigen Befolgung des Unterlassungsgebots den Verletzer im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände über die mit seinem Ausspruch bestimmungsgemäß einhergehenden Beeinträchtigungen hinaus in einem Maße treffen und benachteiligen, das die unbedingte Untersagung als unzumutbar erscheinen lässt (BGH GRUR 2016, 1031 – Wärmetauscher).
- Ungeachtet dessen, ob bei der Prüfung der Voraussetzungen zur Gewährung einer Aufbrauchfrist überhaupt Drittinteressen oder Belange der Öffentlichkeit im Allgemeinen eingestellt werden dürfen – was so der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung nicht zu entnehmen ist und wozu es, da die Aufbrauchfrist nur den Interessen des Verletzers dienen soll und nur in bestimmten Fällen andere als dem Verletzer eigene Interessen eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erfahren haben, auch keinen Anlass gibt (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. D, Rn. 387; LG Düsseldorf, Urt. v. 09.03.2017, Az. 4a O 137/15, juris, Rn. 177 ff.) –, sind vorliegend jedenfalls keine Gründe ersichtlich, der Beklagten über einen gewissen Zeitraum hinweg, den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen weiterhin zuzugestehen.
- Die Beklagte hat nämlich keine stichhaltigen Argumente vorgetragen, aus denen sich ein berechtigtes Interesse an einer Aufbrauchfrist ergeben könnte. Hinsichtlich der angeführten Drittinteressen wird auf obige Ausführungen verwiesen. Aber auch eigene Belange, weshalb ihr eine 10-monatige Aufbrauchfrist zugutekommen sollte, hat die Beklagte nicht auf plausible Weise dargetan. Dabei bedarf gerade die begehrte Aufbrauchfrist über einen Zeitraum von 10 Monaten einer besonderen Rechtfertigung, weil diese der Beklagten den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen bis zum Ablauf des Klagepatents erlauben würde. Dies käme vorliegend der Abweisung des Unterlassungsanspruchs gleich und läuft daher dem Gedanken einer Aufbrauchfrist (jedenfalls zum Teil) zuwider.
-
2.
Der geltend gemachte Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung resultiert aus Art. 64 EPÜ, §§ 140b Abs. 3 PatG, 242, 259 BGB. - Sowohl für den Auskunfts- als auch für den Rechnungslegungsanspruch sind der Klägerin nach der mittlerweile etablierten Rechtsprechung der Düsseldorf Kammern (vgl. LG Düsseldorf, Urteil v. 21. September 2017, Az. 4a O 18/16, Rz. 224, zitiert nach juris; Kühnen, a.a.O., Kap. D, Rn. 647) die Angaben auch in elektronisch auswertbarer Form zu übermitteln. Angesichts der weitgehenden Digitalisierung der Geschäftswelt kann ein Anspruch darauf bestehen, die Rechnungslegung neben der schriftlichen Form zusätzlich in elektronischer Form zu verlangen, soweit die entsprechenden Belege bei den Beklagten auch bereits elektronisch vorliegen. Es steht der Klägerin daher nicht auch zu, dass die Beklagte die bei ihr vorhandenen Dokumente in eine elektronisch Form überführt.
- 3.
Die Beklagte trifft auch ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Denn die Beklagte als Fachunternehmen hätte bei Anwendung der von ihr im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können, § 276 BGB. Für die Zeit ab Erteilung des Klagepatents schuldet die Beklagte daher Ersatz des Schadens, welcher der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG. - Da die genaue Schadensersatzhöhe derzeit noch nicht feststeht, die Klägerin nämlich keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagte hat, hat sie ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird.
- 4.
Die Beklagte ist nach Art. 64 EPÜ, § 140a Abs. 1 und 3 PatG in der zuerkannten Weise auch zur Vernichtung und zum Rückruf der das Klagepatent verletzenden Gegenstände verpflichtet, wobei der Anspruch auf Rückruf nicht so weitgeht, dass die Beklagte der Klägerin den Rückruf in der Form nachzuweisen hat, dass sie ihr eine Kopie der versendeten Rückrufschreiben bereitstellen muss. Zum Anspruchsinhalt gehört allenfalls, dass die Klägerin den Text eines Rückrufschreibens in ihrem Antrag vorgeben darf, nicht jedoch auch, dass die Beklagte ihr bereits aufgrund des Rückruftenors Mitteilung vom Inhalt des Rückrufschreibens macht. - Im Übrigen sind diese Ansprüche nicht ausnahmsweise aufgrund Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen.
- Nach § 140a Abs. 4 PatG sind Vernichtungs- und Rückrufansprüche ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind die berechtigten Interessen Dritter zu berücksichtigen (§ 140a Abs. 4 S. 2 PatG). Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber einen Ausnahmetatbestand geschaffen, dessen Voraussetzungen vom Verletzer darzulegen und nötigenfalls zu beweisen sind. Er hat konkret Gründe anzuführen, weshalb ihn die Vernichtung des streitbefangenen Gegenstandes im Einzelfall unverhältnismäßig treffen würde. Dabei ist nicht schon der Umstand, dass überhaupt eine Schädigung in einem gewissen Grad bei dem Verletzer eintritt, ausreichend, weil dies oft unvermeidbare Folge der Ansprüche aus § 140a PatG ist und nicht ohne Weiteres die Verhältnismäßigkeit in Frage stellt (Benkard/Grabinski/Zülch, Patentgesetz, 11. Aufl., § 140a, Rn. 8 ff.; BeckOK, PatR/Rinken, 16. Edition, § 140a Rn. 30).
- Zu berücksichtigen ist bei der Frage der Verhältnismäßigkeit, welche Alternativen es gibt, um einen rechtswidrigen Zustand zu beseitigen und wie wirtschaftlich schwerwiegend der rechtswidrige Zustand für den Schutzrechtsinhaber ist (Schulte/Voß, PatG, 10. Aufl., § 140a Rn. 14). An der Verhältnismäßigkeit kann es fehlen, wenn durch andere Maßnahmen als der vollständigen Vernichtung der Verletzungsform der rechtswidrige Zustand beseitigt werden kann (Kühnen, a.a.O., Kap. D. Rn. 645; BeckOK, a.a.O., § 140a Rn. 29a).
- Nach der ausdrücklichen Regelung des § 140a Abs. 4 S. 2 PatG sind bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit die berechtigten Interessen Dritter zu berücksichtigen. Dritte sind in erster Linie die Eigentümer und/oder Besitzer der patentverletzenden Erzeugnisse (Schulte/Voß, a.a.O., § 140a Rn. 14). Allerdings ist der Begriff der Dritten nicht auf diese Gruppe beschränkt, so dass auch allgemeine öffentliche Interessen oder die Belange mittelbarer Nutznießer der patentverletzenden Vorrichtung (wie Patienten) bei der Verhältnismäßigkeit Berücksichtigung finden können.
- Ausgehend von diesen Grundsätzen vermag die Kammer weder mit Blick auf eigene Interessen der Beklagten noch mit Blick auf Drittinteressen festzustellen, dass mit dem Urteilsausspruch eines Vernichtungs- und Rückrufanspruchs unverhältnismäßige Härten einhergehen würden. Allein anhand des bereits erörterten Vorbringens der Beklagten zum Coronavirus und der Erforderlichkeit der Patientenversorgung mit Beatmungsgeräten vermag die Kammer nicht festzustellen, dass eine Situation besteht, die das Vorhandensein der angegriffenen Ausführungsformen am Markt erfordert, und sich andernfalls die Versorgungslage für die Patienten dramatisch verschlechtern würde. Auch hierfür wäre Zahlenmaterial notwendig gewesen, um einen Anhaltspunkt für die Marktbedienung durch die Beklagte zu gewinnen.
-
V.
Der Rechtsstreit war nicht auszusetzen. Die Kammer vermochte nicht festzustellen, dass die im Wege der Nichtigkeitsklage vorgebrachten Einwände gegen den Rechtsbestand des Klagepatents überwiegend wahrscheinlich erfolgreich verlaufen würden.
Nach Auffassung der Kammern (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung, BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die durch das Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und den Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug; GRUR 2014, 1237 ff. – Kurznachrichten) bestätigt wurde, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen. - Wenn das Klagepatent mit einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen ist, verurteilt das Verletzungsgericht, wenn es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung, wenn es eine Nichtigerklärung nicht für (überwiegend) wahrscheinlich hält; andernfalls hat es die Verhandlung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO auszusetzen, bis jedenfalls erstinstanzlich über die Nichtigkeitsklage entschieden ist (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten). Denn eine – vorläufig vollstreckbare – Verpflichtung des Beklagten zu Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung sowie Vernichtung patentgemäßer Erzeugnisse ist regelmäßig nicht zu rechtfertigen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass dieser Verurteilung durch die Nichtigerklärung des Klagepatents die Grundlage entzogen werden wird. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit den Grundrechten folgende und damit verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch gebietet, dem Verletzungsbeklagten wirkungs-vollen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen, wenn er sich gegen den Angriff aus dem Klagepatent mit einem Gegenangriff gegen den Rechtsbestand dieses Patents zur Wehr setzen will. Dies erfordert nicht nur eine effektive Möglichkeit, diesen An-griff selbst durch eine Klage auf Nichtigerklärung führen zu können auch eine angemessene Berücksichtigung des Umstands, dass in diesem Angriff auch ein – und gegebenenfalls das einzige – Verteidigungsmittel gegen die Inanspruchnahme aus dem Patent liegen kann. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent anders als in anderen Rechtsordnungen nicht als Einwand im Verletzungsverfahren oder durch Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung geführt werden. Dies darf indessen nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten).
-
1.
Die seitens der Beklagten zur Begründung der neuheitsschädlichen Vorwegnahme vorgelegten Entgegenhaltungen können dem Rechtsbestand des Klagepatents nicht mit Erfolg entgegengesetzt werden. - a.
Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf die HLNK 9 stützen. - aa.
Die Beklagte kann dem Klagepatent schon aus formalen Gründen nicht mit Erfolg die HLNK 9 entgegenhalten. - Diese zur Begründung der Neuheitsschädlichkeit angeführte Entgegenhaltung ist deshalb nicht mehr geeignet, die Aussetzung des vorliegenden Verfahrens zu stützen, weil sie unstreitig bereits Gegenstand des Erteilungsverfahrens und so auch Gegenstand im gegen das Klagepatent geführten Einspruchsverfahren war und dort von der fachkundig besetzten Stelle gewürdigt wurde.
- Insoweit gilt, dass eine Aussetzung regelmäßig nicht in Betracht kommen kann, wenn der dem Klageschutzrecht entgegengehaltene Stand der Technik demjenigen entspricht, der bereits im Erteilungsverfahren oder in einem erfolglos durchgeführten Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren berücksichtigt worden ist (Kühnen, a.a.O., Kap. E, Rn. 787).
- Anlass, hier von diesem Grundsatz abzuweichen, besteht nicht. Insbesondere hat die Beklagte nicht aufgezeigt, dass die HLNK 9 von der fachkundig besetzten Stelle offenkundig unrichtig und nur auf unvertretbare Weise gewürdigt worden wär.
- bb.
Aber auch in der Sache nimmt die Entgegenhaltung die erfindungsgemäße Lehre nicht neuheitsschädlich vorweg. - Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein anderer, als er auch sonst im Patentrecht zu Grunde gelegt wird. Zu ermitteln ist deshalb nicht, in welcher Form der Fachmann etwa mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen kann oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen (allgemeinen) Lehre entnimmt. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der Beschwerdekammern des EPA wird dies auch dahin ausgedrückt, dass maßgeblich ist, was aus fachmännischer Sicht einer Schrift „unmittelbar und eindeutig” zu entnehmen ist (BGH GRUR 2009, 382 (384) m.w.N. – Olanzapin).
- Diesen Anforderungen genügt die von der HLNK 9 offenbarte Lehre nicht.
- Die HLNK 9 betrifft einen Beatmungskreislauf, in dem Einatmungsgas befeuchtet wird, und die Atmung angenehm sein kann und zusätzlich wenig Rest oder Rückführung von Ausatmungsgas vorhanden ist. Diese Vorrichtung ist als koaxiales Beatmungssystem ausgestaltet, was bedeutet, dass es einen inneren und einen äußeren Schlauch gibt, wobei jeweils der eine für die Einatmung und der andere für die Ausatmung bereitgestellt wird. Das innere Rohr verfügt dabei über einen inneren Hauptkörper, der in seinem Wandbereich Löcher aufweist sowie mit einer Dampf durchlässigen Membran bedeckt ist, exemplarisch wird ein Membranfilm der Marke K angeführt (Abs. [0016]).
- Das Merkmal 1 mag zwar als offenbart angesehen werden, wenn insoweit die beiden die koaxial angeordneten Leitungen bildenden Rohre jeweils getrennt voneinander betrachtet werden; selbst dann, wenn die HLNK 9 mit der exhalation pipe 30 eigens ein Ausatmungsglied vorsehen mag. Jedenfalls dürfte auch mit Blick auf den Doppelschlauch nur ein Ausatmungsfließweg vorhanden sein, weil nur in dem äußeren Schlauch das Ausatemgas befördert werden soll. Dass deshalb insgesamt zwei Atemfließwege vorhanden sind, dürfte der Annahme nur eines Ausatmungsfließweges nicht entgegenstehen.
- Es fehlt allerdings an der neuheitsschädlichen Vorwegnahme des Merkmals 4.1, weil die HLNK 9 nicht offenbart, dass auch die den Ausatmungsfließweg definierende Wand als atmungsaktive Kunststoffmembran ausgestaltet sein kann und mithin der Durchgang von Wasserdampf durch Diffusion zu der Umgebungsluft erlaubt ist. Unter Umgebungsluft versteht das Klagepatent ausschließlich die Raumluft und keine innerhalb einer Beatmungsvorrichtung vorkommenden gasförmigen Stoffe, wie z.B. die Einatmungsluft, wie es in koaxialen Schlauchanordnungen der Fall ist.
Mit Blick auf die von der HLNK 9 offenbarte Vorrichtung ist es auch nicht ausreichend, aufgrund allgemeinen Fachwissens die Membran an der Außenseite anzuordnen, weil dann gerade die beabsichtigte innere Befeuchtung der Einatmungsluft verloren geht. - b.
Die N ist ausgehend von den zuvor dargestellten Voraussetzungen ebenso wenig neuheitsschädlich. - Dieses Dokument betrifft einen Beatmungskreislauf mit verbesserter Wasserdampf-entfernung. Dazu befindet sich im Beatmungskreislauf stromabwärts des CO2-Absorbers ein Trockner zur Entfernung von Wasserdampf aus den Atemgasen, einschließlich des Wasserdampfs, der während des Durchgangs durch den CO2-Absorber in den Atemgasen mitgerissen wird. Der Trockner kann ein thermoplastisches Kühlelement oder eine wasserdampfdurchlässige Membran verwenden. Nachstehend eingeblendete Figur 1 zeigt eine erfindungsgemäße Vorrichtung:
- Es fehlt an der neuheitsschädlichen Vorwegnahme des Merkmals 1 sowie jedenfalls des Merkmals 4.1. Die Beklagte zieht dabei den Trockner XXX heran, um die Vorwegnahme der Anspruchsmerkmale darzulegen.
- An dem Vorliegen eines „Ausatmungsglieds“ bestehen schon deshalb Zweifel, weil die Leitung 106 aus dem Absorber kommt und damit nicht mehr originär vom Patienten. Ferner transportiert sie bereits behandeltes/gereinigtes Ausatmungsgas und nicht mehr nur solches, das unmittelbar vom Patienten stammt. Insoweit betrachtet auch die N selbst nur die bis zum Absorber führende Leitung als Ausatmungsglied.
- Die N sieht zwar eine Trocknung der Luft vor, offenbart indes nicht, dass dies allein durch die Anordnung eines atmungsaktiven Materials erfolgen könnte. Vielmehr wird der Einsatz des atmungsaktiven Materials immer im Zusammenhang mit weiteren Materialien oder Vorrichtungselementen (wie z.B. Gehäuse, thermoelektrischen Elementen, Kammer) beschrieben, mit denen es zur Herbeiführung der Trocknung zusammenwirken soll.
Die N offenbart aufgrund dessen keinen unmittelbaren Wasserdampfflussweg zu der Umgebungsluft. Diese Entgegenhaltung lehrt zwar K als atmungsaktives Material, das zur (partiellen) Bildung einer umschließenden Wand herangezogen werden kann. Allerdings fehlt es an der Offenbarung, dass dieses Material ungeschützt, unabhängig von einer Kammer, der Trocknung des Atemgases dienen könnte. Selbst wenn die Kammer als Ummantelung des Schlauchs als Bestandteil des Trockners nicht zwingend ist, so lehrt die N doch, dass der Trockner stets ein Gehäuse aufweisen muss, das bei der Trocknung mitwirkt – entweder indem z.B. Kondensationswasser darüber abgegeben wird oder indem es aufgenommenen Wasserdampf an die Umgebungsluft abgibt. Aber auch für den Fall, dass ein Trockner nach der Lehre der N nur als Oberbegriff betrachtet wird und die Anordnung einer umgebenden Kammer nur als bevorzugtes Ausführungsbeispiel verstanden wird, fehlt es jedenfalls an der neuheitsschädlichen Vorwegnahme des Merkmals 4.2, weil die Trocknung nicht entlang des Ausatmungsfließweges erfolgt, sondern gezielt an einer Stelle.
- Gegen die Neuheitsschädlichkeit der N spricht indiziell ferner der Umstand, dass sie im Einspruchsverfahren gegen das Klagepatent zum Gegenstand gemacht wurde. Zwar handelt es sich dabei um eine erstinstanzliche Entscheidung einer anderen fachkundigen Stelle, als diejenige, die über die anhängige Nichtigkeitsklage entscheiden wird. Dennoch ist nicht zu verkennen, dass es sich um eine verbindliche Äußerung von fachkundigen Personen handelt, sodass sie jedenfalls ein gewichtiges Indiz für die Frage des Rechtsbestandes gerade in Bezug auf dort gewürdigte Dokumente ist. Dass die Ausführungen der Einspruchsabteilung insoweit unvertretbar wären, ist auch weder von der Beklagten aufgezeigt worden, noch kann die Kammer dies ausgehend von der Anlage K 17 feststellen. Darin vertritt die Einspruchsabteilung die Ansicht, dass das offenbarte Rohr nicht geeignet sei, als Ausatmungsglied eines Ausatmungskreislaufs verwendet zu werden, um zwischen dem Patienten und einem Ventilator angeschlossen werden zu können. Außerdem fehle es an einem Wasserdampfflussweg zur Umgebungsluft. Gründe, weshalb diese Auffassung nicht haltbar ist, hat die Beklagte nicht aufgezeigt.
- c.
Die erst mit der Duplik als O vorgelegte Druckschrift kann dem Rechtsbestand des Klagepatents nicht mit Erfolg entgegengehalten werden. - Die O stellt einen Semi-Einweg-Atemkreislaufschlauch für Ventilator mit lösbarer Kopplung unter Schutz. Ein Koppler mit einer lösbaren Konusverschraubung verbindet ein Schlauchstück mit einem Ventilatoranschluss. Die Konusverschraubung ermöglicht die Herstellung des Schlauchs aus wirtschaftlichen und wiederverwendbaren Materialien, dessen Befestigung am Ventilatoranschluss sonst schwierig wäre.
- Die folgende Figur 1 ist der O entnommen und zeigt eine Schnittansicht der Lehre der O:
- Selbst wenn die neuheitsschädliche Vorwegnahme der Merkmale 1 bis 4 angenommen würde, gilt dies nicht mehr für das Merkmal 4.1 und den mindestens einen atmungsaktiven Bereich.
- Es fehlt an der unmittelbaren und eindeutigen Vorwegnahme eines atmungsaktiven Materials, das den Durchgang von Wasserdampf durch Diffusion erlauben soll. Die O nimmt unterschiedliche Materialien in Bezug (vgl. Sp. 2). Indes erfolgt dies ausschließlich mit Blick auf die Flexibilität eines Rohrs bzw. auf dessen Langlebigkeit bei gleichzeitig ökonomischen Herstellungsbedingungen. Die Lehre der O betrifft nämlich die Verbindungsmöglichkeit eines Verbindungsstücks mit einem (Atem-) Rohr und sodann mit dem Ventilator und will dafür auf geeignete Materialien zurückgreifen, die besonders robust und – zu Reinigungszwecken – hitzebeständig sind. Dass es auch auf die Atmungsaktivität dieser Materialien ankommt, ist der O dagegen nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen. Ein solcher Hinweis folgt ebenso wenig mittelbar aus der Spalte 2, die zum Hintergrund der Erfindung gehört und vorbekannte Materialien, die herkömmlicherweise zur Herstellung eines Rohrs benutzt werden, beschreibt. Gerade in diesem Zusammenhang würde der Fachmann die Thematisierung der Atmungsaktivität erwarten, weil es sich dabei um eine bestimmte Materialeigenschaft handelt.
- Als solche Materialien zum Ausbilden eines biegsamen Schlauchs führt die O Silikonkautschuk, hochdichtes Polyethylen, Hytrel, das ein thermoplastisches Copolymer ist, und Kraton, das ein gummiartiges Styrol-Blockcopolymer oder ein thermoplastisches Elastomer ist, an (vgl. Anlage O, Sp. 2, Z. 1 ff.). In dieser pauschalen Bezugnahme der O auf das Material mit der Bezeichnung „Hytrel“ liest der Fachmann indes nicht solche Klassen dieses Stoffes mit (namentlich ein Hytrel der Klasse 4000 oder 5000), die zwar den Durchgang von Wasserdampf erlauben, aber denjenigen von flüssigem Wasser und anderen Atemgasen unterbindet; dies wäre erforderlich, um die Lehre des Klagepatents dort als auf neuheitsschädliche Weise vorweggenommen zu betrachten.
- In der obergerichtlichen deutschen sowie in der europäischen Rechtsprechung hat im Rahmen der Neuheitsprüfung Anerkennung gefunden, dass über den reinen Wortlaut eines Anspruchs oder der Beschreibungsstellen hinaus auch dasjenige als offenbart anzusehen ist, was der Fachmann auch ohne ausdrückliche Erwähnung aufgrund seines allgemeinen Fachwissens für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre für selbstverständlich oder unerlässlich hält (so. „implizite Offenbarung“). Auf diese Weise wird der Sinngehalt eines Dokuments, also seine technische Information, die der fachkundige Leser der jeweiligen Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwissens entnimmt, umfänglich erfasst. Eine Ergänzung der eigentlichen Offenbarung eines Dokumentes durch das Fachwissen liegt in dieser Vorgehensweise nicht. Denn auch für die implizite Offenbarung ist erforderlich, dass sie sich klar und eindeutig aus den ausdrücklichen Aussagen ergibt (BGH, GRUR 2009, 382 – Olanzapin; Haedicke/Timmann PatR-HdB, § 4, Rn. 170, 171, beck-online).
- Unter Zugrundelegung dieser strengen Voraussetzungen ist nicht anzunehmen, dass der Fachmann eine der Arten Hytrel in der O als offenbart ansieht, die eine Permeabilität für Wasserdampf aufweisen, jedoch nicht für flüssiges Wasser und andere Atemgase. Selbst wenn die grundsätzliche Eigenschaft und stoffliche Zusammensetzung von Hytrel als thermoplastisches Polyesterblockcopolymer dem Fachmann bekannt ist, weiß er aber auch, dass es Unterarten dieses Stoffes gibt, denen wiederum verschiedene Eigenschaften zugewiesen sind bzw. sich zumindest die bekannten Eigenschaften (z.B. Durchlässigkeit für bestimmte chemische Stoffe) ihrem Ausmaß nach unterscheiden. Dem Fachmann wird die jeweilige Klasse des Hytrels durch eine Ziffernfolge mitgeteilt, es gibt Hytrel-Polymere in den Klassen von 4000 – 7000.
- Die unterschiedlichen Eigenschaften zeigen sich exemplarisch in der von der Beklagten in Bezug genommenen Tabelle 2.01 der HL 23 bzw. K 23. Diese offenbart für die Hytrel Klassen 6000 und 7000 nur für Propan bzw. Helium einen Wert, der die Materialdurchlässigkeit angibt. Für weitere Gase wie Luft, Stickstoff oder Kohlendioxid fehlen derlei Angaben, während sie für Hytrel 4056 und 5556 vorhanden sind. Die Beklagte hat dazu kein überzeugendes Argument geliefert, weshalb die in der Tabelle 2.01 der HL 23 mit einem Strich versehenen Felder bedeuten sollen, dass schlicht keine Messwerte vorhanden sind, und nicht, dass insoweit eine Durchlässigkeit gerade nicht festgestellt werden konnte. Dass sämtliche Hytrele wasserdampfdurchlässig sind, kann die Beklagte auch nicht mit Verweis auf die HLNK 17 darlegen. Sofern sie unter deren Zuhilfenahme im nicht-nachgelassenen Schriftsatz vom 01.07.2020 behaupten will, dass sich die Wasserdampfdurchlässigkeit auch für Hytrele der Klassen 6000 und 7000 schon aus der Überschrift „Gaspermeabilität“ ergebe, geht dies fehl. Die in der HLNK 17 unter dieser Überschrift folgenden Tabellen zeigen vielmehr die Untersuchung diverser Hytrel-Arten, die lediglich unter diesem Titel zusammengefasst wurden, ohne einen Hinweis auf deren Inhalt zu geben oder sogar vorwegzunehmen. Im Übrigen zeigt dabei auch die gesonderte Überschrift der Tabelle 341, dass dort Wasserdampf und andere Gase konkret untersucht wurden; dies aber bezüglich des Materials Eastman ECDEL. Ferner hat selbst die Beklagte in der Duplik nur die Ergebnisse der Tabelle 338 in einem Diagramm zusammengefasst, die sich ausweislich nur auf das Hytrel 4056 bezieht. Weshalb sie gerade dieses Hytrel ausgewählt hat und weshalb diese Ergebnisse unterschiedslos für andere Hytrele gelten sollen, hat die Beklagte nicht aufgezeigt.
- Wenngleich dem Fachmann die verschiedenen Hytrel-Arten bekannt sind, ist nicht ersichtlich, weshalb er für die Lehre nach der O auch solche hineinlesen sollte, die atmungsaktiv sind. Der dort offenbarten Lehre kommt es an keiner Stelle auf dieses Erfordernis an. Ob dabei atmungsaktive Hytrele überhaupt der Aufgabe der O gerecht werden und zur Ausbildung von Verbindungsstücken eingesetzt werden könnten, welche langlebige und sichere Verbindungsmöglichkeiten zwischen Endstücken und Rohren sowie Endstücken und Ventilator bereitstellen sollen, ist auch nicht zu ersehen.
- Zur neuheitsschädlichen Vorwegnahme der erfindungsgemäßen Lehre bedürfte es daher konkrete Anhaltspunkte, dass genau eines der Hytrele offenbart wird, das (sofern der Strich als das Nichtvorhandensein von Messwerten verstanden wird) keine Durchlässigkeit für andere Atemgase aufweist. Wieso der Fachmann ausgehend von der O ein solches Material dort herauslesen sollte, ist nicht ersichtlich. Dies zeigt insbesondere ein Vergleich mit der ebenfalls von der Beklagten herangezogenen HLNK 18, die nämlich nicht nur die Bezeichnung Hytrel anführt, sondern explizit diejenige Art des Hytrels, auf die der Fachmann bevorzugterweise zurückgreifen soll, benennt (vgl. HLNK 18, Sp. 2, Z. 55 ff.).
- Schließlich ist der Umstand, dass die Beklagte neben der O auf weitere Dokumente (vgl. HLNK 17, 18, 23) abstellen muss, um die Eigenschaften von Hytrel aufzuzeigen, ein weiteres Indiz gegen eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung durch die O.
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3.
Die Lehre des Klagepatents beruht auf erfinderischer Tätigkeit. - Um den Gegenstand einer Erfindung als nahegelegt anzusehen, ist zum einen erforderlich, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Zum anderen muss der Fachmann Grund, mithin Anlass, gehabt haben, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH, GRUR 2018, 716 – Kinderbett, juris, Rn. 25).
- Daraus kann man entnehmen, dass es positive Anregungen im Stand der Technik geben muss, in Richtung des Klagepatents weiter zu denken. Der Fachmann muss auf die Problemstellung kommen, die dem Klagepatent zugrunde liegt und er muss Hinweise bekommen, dass man dieses Problem mit Mitteln des Klagepatents löst.
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a.
Die seitens der Beklagten erstmals mit der Duplik geltend gemachte und im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht mehr thematisierte Kombination der HLNK 9 mit der HLNK1 legt die erfindungsgemäße Lehre nicht nahe. - Der Fachmann hat ausgehend von der HLNK 9 keinen Anlass, unter Einbeziehung der HLNK 1 die Lehre des Klagepatents zu entwickeln. Er hätte nicht auf das semipermeable Material der koaxialen Vorrichtungen nach der HLNK 9 zurückgegriffen, um den Bedienungs- und Pflegeaufwand eines Ausatmungsgliedes nach der HLNK 1, welches eine Wasserfalle beinhaltete, zu verringern. Es handelt sich bei den in den beiden Dokumenten gelehrten Vorrichtungen um ihrer Funktionsweise nach gänzlich unterschiedliche Beatmungssysteme. In beiden Fällen kommt es der jeweiligen Erfindung darauf an, die Ausatmung zu entfeuchten, aber zugleich die einzuatmende Luft mit Feuchtigkeit anzureichern. Bei der Lehre nach der HLNK 1 ist dafür eine Befeuchtungskammer (H) vorgesehen, nach der HLNK 9 erfolgt dies über die Anordnung des atmungsaktiven Schlauchs innerhalb des Einatmungsschlauchs. Die HLNK 9 überwindet damit das Erfordernis einer gesonderten Befeuchtungskammer.
Welchen Anlass der Fachmann hat, hinsichtlich der HLNK 1 Änderungen und solche dann nur am Ausatmungsglied vorzunehmen, ist nicht zu erkennen. Insoweit beschreibt auch die HLNK 1 selbst keine unmittelbaren Nachteile. Umso weniger erschließt sich das vor dem Hintergrund, dass die HLNK 9 das atmungsaktive Material gerade nur im Kontext eines koaxialen Beatmungsschlauchs offenbart, um sich auf diese Weise die Trocknung der Ausatmung für die Befeuchtung der Einatmung zunutze machen und auf ein zusätzliches Befeuchtungselement verzichten zu können. - b.
Schließlich steht die HLNK1 kombiniert mit allgemeinem Fachwissen nicht der Annahme eines erfinderischen Schritts der Lehre des Klagepatents entgegen. - Auch die Entgegenhaltung HLNK 1 war bereits Gegenstand des Einspruchsverfahrens und wurde dort unter Heranziehung verschiedentlicher Kombinationen von der Einspruchsabteilung nicht als die erfindungsgemäße Lehre nahelegend angesehen. Dass diese Wertung unvertretbar wäre, ist nicht zu ersehen.
- Ausgehend von der HLNK1 lag auch das Vorsehen von Merkmal 4.1 nicht nahe. Die HLNK 1 lehrt ein in sich vollständiges und funktionsfähiges Beatmungssystem. Weshalb dort Bedarf bestand, die Wasserfalle gegen gerade eine atmungsaktive Membran auszutauschen, ergibt sich nicht.
-
B.
Der beantragte Schriftsatznachlass war der Beklagten nicht zu gewähren, da auch unter Außerachtlassung des Schriftsatzes der Klägerin vom 08.06.2020 und dem darin enthaltenen Bestreiten das Beklagtenvorbringen schon für sich genommen nicht erheblich war. - Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, Nr. 1, 709 ZPO.