Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3066
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. August 2020, Az. 4c O 20/19
- I. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen,
Flüssigkeitszufuhrgeräte in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, welche jeweils die folgenden Merkmale umfassen: einen Flüssigkeitsbehälter, einen Kolben, aufgenommen in dem Flüssigkeitsbehälter, eine Antriebsstange mit Gewinde, die an den Kolben anschließt, um den Kolben im Flüssigkeitsbehälter zu bewegen, ein Antriebsrad, das an die Antriebsstange mit Gewinde anschließt und ferner ein drehbares Antriebsgreifglied umfasst, das einen ersten und einen zweiten Arm enthält, und dafür ausgelegt ist, in das Antriebsrad zu greifen oder es schrittweise zu drehen, wobei zu jeder Zeit der erste oder der zweite Arm mit dem Antriebsrad verrastet ist, und einen linearen Betätiger, der an das drehbare Antriebsgreifglied anschließt, um das Antriebsgreifglied zu drehen, wobei der lineare Betätiger verursacht, dass sich das drehbare Antriebsgreifglied dreht, wenn er betätigt wird;
2. der Klägerin Auskunft zu erteilen und durch Vorlage eines geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie seit dem 01.11.2014 die unter Ziff. I.1 bezeichneten Handlungen begangen hat und zwar unter Angabe - a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie der Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie der Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) sowie der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des jeweils erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten zu 1. vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser bezeichneten, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte zu 1. die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist, und
wobei die Beklagte zu 1. zum Nachweis der Angaben zu a) und b) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen) in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der rechnungslegungspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3. die vorstehend in Ziffer I.1 bezeichneten, im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen und nach dem 01.11.2014 in der Bundesrepublik Deutschland angebotenen und/oder an Dritte in den Verkehr gebrachten und/oder gebrauchten und/oder zu diesen Zwecken besessenen Erzeugnisse zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, darüber schriftlich informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 874 XXX B1 erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagte zu 1. unterbreitet wird und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises bzw. eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse, oder der Austausch der Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendungskosten für die Rückgabe zugesagt wird, und die zurückgerufenen und an sie zurückgegebenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
4. die in der Bundesrepublik Deutschland in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, zu vorstehend in Ziffern I.1 bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre Kosten herauszugeben.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziff. I.1 bezeichneten, in der Bundesrepublik Deutschland seit dem 01.11.2014 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird. - III. Die Gerichtskosten tragen die Beklagten zu 1/3 als Gesamtschuldner und darüber hinaus die Beklagte zu 1. zu 2/3. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
- IV. Das Urteil ist für die Klägerin hinsichtlich Ziff. I.1., 3. und 4. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 700.000,00 Euro, hinsichtlich Ziff. I.2. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 60.000,00 Euro, und wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
- Tatbestand
- Die Klägerin verfolgt mit dem vorliegenden Rechtsstreit Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzverpflichtung gegen die Beklagten beruhend auf dem europäischen Patent EP 1 874 XXX B1 (Anlage PS 1a, deutsche Übersetzung PS 1b; im Folgenden: Klagepatent), wobei nur noch Ansprüche gegen die Beklagte zu 1. in Streit stehen.
Die Klägerin ist eingetragene und alleinverfügungsberechtigte Inhaberin des Klagepatents, welches eine Flüssigkeitsabgabevorrichtung unter Schutz stellt und am 23.03.2006 unter Inanspruchnahme der jeweiligen Priorität der US 907XXX sowie der US 907XXX vom 28.03.2005 angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Anmeldung wurde am 05.10.2006 und derjenige auf dessen Erteilung am 01.11.2014 veröffentlicht. Das Klagepatent steht auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Über die seitens der Beklagten zu 1. zum Bundespatentgericht erhobene Nichtigkeitsklage vom 21.06.2019 wurde bisher nicht entschieden (vgl. Anlage B 1). - Anspruch 1 des Klagepatents lautet in der originalen englischen Verfahrenssprache:
„A fluid delivery device (200) comprising: a fluid reservoir (230); a plunger (236) received in said fluid reservoir (230); a threaded drive rod (252) coupled to said plunger (236) to advance said plunger (236) in said fluid reservoir (230); a drive wheel (256) coupled to said threaded drive rod (252); characterized in that it further comprises a pivotable drive engaging member (262) including first and second arms (264a, 264b) configured to engage and incrementally rotate said drive wheel (256), wherein at all times one of the first arm (264a) or the second arm (264b) is engaged with said drive wheel (256); and a linear actuator coupled to said pivotable drive engaging member (262) to pivot said pivotable drive engaging member (262), wherein said linear actuator causes the pivotable drive engaging member (262) to pivot when actuated.“ - Die Übersetzung dieses Anspruchs heißt:
„Flüssigkeitszufuhrgerät (200), umfassend: einen Flüssigkeitsbehälter (230); einen Kolben (236), aufgenommen in besagtem Flüssigkeitsbehälter (230); eine Antriebsstange mit Gewinde (252), die an besagten Kolben (236) anschließt, um den besagten Kolben (236) im besagten Flüssigkeitsbehälter (230) zu bewegen; ein Antriebsrad (256), das an die besagte Antriebsstange mit Gewinde (252) anschließt und ferner durch ein drehbares Antriebsgreifglied gekennzeichnet ist (262), das einen ersten und zweiten Arm enthält (264a, 264b), und dafür ausgelegt ist, in das besagte Antriebsrad (256) zu greifen und es schrittweise zu drehen, wobei zu jeder Zeit der erste Arm (264a) oder der zweite Arm (264b) mit besagtem Antriebsrad verrastet ist (256); und einen linearen Betätiger, der an das besagte drehbare Antriebsgreifglied (262) anschließt, um besagtes Antriebsgreifglied (262) zu drehen, wobei der besagte lineare Betätiger verursacht, dass sich das drehbare Antriebsgreifglied (262) dreht, wenn er betätigt wird.“ - Wegen des Inhalts der insbesondere geltend gemachten Ansprüche 2 – 11, 14 und 18 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
- Nachfolgende Figuren sind der Klagepatentschrift entnommen. Die Figur 4 zeigt eine Perspektivansicht einer Ausführungsform eines Betätigungsmechanismus für ein Flüssigkeitszufuhrgerät. Figur 5 betrifft eine Draufsicht auf den in Fig. 4 gezeigten Betätigungsmechanismus, der den Flüssigkeitsmechanismus betätigt. Die Figur 13 schließlich zeigt eine vergrößerte schematische Seitenansicht eines Antriebsrads eines Flüssigkeitszufuhrgeräts gemäß einer Ausführungsform der vorliegenden Erfindung.
- Bei der Klägerin handelt es sich um ein US-amerikanisches Unternehmen, das auf die Entwicklung und Herstellung von Insulinpumpen spezialisiert ist. Zu ihren Produkten zählt insbesondere seit Oktober 2015 eine sog. Patch-Pumpe, Typ „A“, welche unmittelbar auf den Körper eines Benutzers mithilfe eines an der Unterseite angebrachten Pflasters aufgeklebt werden kann. Es erfolgt eine Voreinstellung solcher Pumpen durch den Arzt, sodass diese Pumpe verteilt über den Tag kleine Mengen an Insulin abgibt. Änderungen und/oder zusätzliche Insulinmengen können über eine Fernbedienung gesteuert werden. Derlei Produkte sind als Einweg-Artikel ausgestaltet, sodass nach einer Benutzungsdauer von einigen Tagen entweder die gesamte Pumpe oder Teile davon ausgetauscht werden müssen.
- Die Beklagte zu 1. gehört als Tochterunternehmen zur chinesischen Firma B. (Shanghai) und vertreibt von dieser hergestellte Insulinpumpen in der Bundesrepublik Deutschland. Die Beklagte zu 1. erscheint auf der in deutscher Sprache darstellbaren Website der Firma B – www.B.com – als Kontaktstelle für Deutschland (Anlage PS 3).
Eines der von der Beklagten zu 1. importierten und sodann in der Bundesrepublik Deutschland vertriebenen Produkte ist eine Insulinpumpe mit der Bezeichnung „C“ (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform 1). Dabei handelt es sich um ein „Starterset“ mit einer Pumpenbasis und einem Einweg-Patch-Behälter mit der Bezeichnung „B A6 Reservoir Patches“ (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform 2) für 200 Einheiten Insulin. Die angegriffene Ausführungsform 2 ist ein Einwegartikel und zur Verwendung mit angegriffenen Ausführungsform 1 vorgesehen.
Nachstehend wird zur Veranschaulichung eine Ablichtungen der angegriffenen Ausführungsformen aus der Klageschrift eingeblendet: - Das Unternehmen der Beklagten zu 2., die D GmbH, als Vertriebspartner der Beklagten zu 1., veräußert über ihre Internetseite www.D.de bundesweit Medizinprodukte, insbesondere Insulinpumpen wie die angegriffenen Ausführungsformen (vgl. Anlage PS4). Es handelt sich um ein Tochterunternehmen der Beklagten zu 3., der E, welche ihrerseits ein Tochterunternehmen der schweizerischen F ist. Gewinne der Beklagten zu 2., generiert mit dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen, werden von der Beklagten zu 3. abgeschöpft.
- Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte zu 1. mache wortsinngemäßen Gebrauch von der erfindungsgemäßen Lehre des Klagepatents. Hierzu behauptet sie, dass die angegriffenen Ausführungsformen (angegriffene Ausführungsform 1 in Kombination mit der angegriffenen Ausführungsform 2 bzw. die angegriffene Ausführungsform 2 auch in Alleinstellung) – was unstreitig ist – insbesondere ein drehbares Antriebsgreifglied mit zwei Armen aufweisen würden. Immer einer dieser Arme sei mit dem zugehörigen Sperrradabschnitt des Antriebsrads verrastet. Die im Deutschen gewählte Übersetzung „verrastet“ sei insoweit unpräzise, da die englische Originalfassung „engaged with“ lauten würde, was zutreffender mit „in Eingriff stehen“ übersetzt werden müsse. Das Klagepatent gebe nicht vor, mit welcher Fläche des Zahnrades ein Kontakt bestehen müsse. Vielmehr genüge es für ein anspruchsgemäßes Ineingriffstehen, wenn die Arme in den Raum zwischen zwei benachbarten Zahnspitzen reichen würden. Daher werde auch vom Klagepatent ein gewisser Freiraum („Toleranzen“) zwischen einem Arm und einem Zahn des Antriebsrades geduldet. Das Klagepatent mache insbesondere auch keine Vorgaben dazu, mit welcher Flanke eines Zahnabschnitts die Verrastung vorliegen solle. Entscheidend sei unter technisch-funktionalen Gesichtspunkten, dass eine rückwärtsgerichtete Bewegung des Rades verhindert werde. Ein starres Verrasten der Elemente Arm und Antriebsrad sei dafür nicht erforderlich.
Der Rechtsstreit sei zudem nicht auszusetzen, da dem Klagepatent nicht mit Erfolg Rechtsbestandsangriffe entgegengehalten werden könnten. Es sei sowohl neu, erfinderisch als auch gegenüber der Ursprungsanmeldung WO 2006/104XXX A2 (Anlage NB 3; im Folgenden: WO-Schrift) nicht unzulässig erweitert worden. - Mit Schriftsatz vom 29.07.2019 haben die Beklagten zu 2. und 3. die Klageforderungen anerkannt. Nachdem die Klägerin in diesem Umfang den Erlass eines Teilanerkenntnisurteils beantragt hat, hat die Kammer die Beklagten zu 2. und 3. antragsgemäß mit Urteil vom 04.09.2019 verurteilt und die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten.
Die Klägerin beantragt nunmehr noch,
zu erkennen, wie geschehen.
Die Beklagte zu 1. beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise den Rechtsstreit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung des Bundespatentgerichts über die erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen. - Sie meint, mit den angegriffenen Ausführungsformen keinen Gebrauch von der Lehre des Klagepatents zu machen.
Die angegriffenen Ausführungsformen würden, so behauptet die Beklagte zu 1., bei der Drehbewegung des Antriebsrades zwischen den Armen und dem Zahnrad einen Freilauf aufweisen. Damit sei nicht zu jeder Zeit mindestens ein Antriebsarm mit dem Rad an der Zahnflanke verrastet, er gleite vielmehr auf der Radoberfläche ab. Dadurch entstehe der Nachteil, dass die Wirkstoffabgabe länger dauere, weil zunächst die Strecke des Leerlaufs überwunden werden müsse. Dies nähmen die angegriffenen Ausführungsformen in Kauf. Dazu ist die Beklagte zu 1. der Ansicht, dass dies auch nicht der Lehre des Klagepatents entspreche, weil danach ein Verrasten erforderlich sei, um eine unbeabsichtigte Drehung des Zahnrades in die falsche Richtung zu unterbinden.
Der geltend gemachte Rückrufanspruch sei unverhältnismäßig. Denn an Diabetes erkrankte Patienten würden diese Vorrichtungen benötigen und seien andernfalls in ihrer Lebensführung enorm beeinträchtigt. Im Falle des Rückrufs drohe daher ein Versorgungsengpass der Patienten, zumal auf dem deutschen Markt derzeit keine vergleichbaren sensorgesteuerten Patch-Pumpen verfügbar seien.
Jedenfalls sei der Rechtsstreit auszusetzen, da das Klagepatent nicht rechtsbeständig sei. Neuheitsschädlich diesem gegenüber sei die WO 2004/056XXX A2 (Anlage D 11; im Folgenden: D 11). Die erfindungsgemäße Lehre beruhe vor dem Hintergrund der US 6,656,XXX B2 (Anlage D 8; im Folgenden: D 8) in Kombination mit der US 5,618,269 (Anlage D 10; im Folgenden: D 10) bzw. mit der WO 96/34XXX (Anlage D 9; im Folgenden: D 9) nicht auf erfindungsgemäßer Tätigkeit. Entsprechendes gelte für die Kombination der Druckschriften US 5,919,XXX A (Anlage D 1; im Folgenden: D 1) und N 2301XXX Y (Anlage D 7; im Folgenden: D 7). Ferner sei die Lehre des Klagepatents in der erteilten Fassung gegenüber dem Umfang der angemeldeten Fassung unzulässig erweitert. - Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftstücke nebst Anlagen Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- A.
Die zulässige Klage ist begründet. - I.
Das Klagepatent bezieht sich auf eine Flüssigkeitsabgabevorrichtung und insbesondere auf eine Infusionspumpe zur Zufuhr von therapeutischen Flüssigkeiten zu einem Patienten (Abs. [0001]; Anm.: alle folgenden Bezugnahmen auf das Klagepatent beziehen sich auf die deutsche Übersetzung).
Das Klagepatent beschreibt Flüssigkeitszufuhrgeräte als im Stand der Technik bekannt. Sie hatten zahlreiche Verwendungszwecke und dienten insbesondere der subkutanen Zufuhr eines flüssigen Arzneimittels. Zu diesem Zweck wurden bei Patienten, die an Diabetes mellitus litten, ambulante Infusionspumpen eingesetzt. Diese ermöglichten es, anspruchsvolle Flüssigkeitszufuhrprofile umzusetzen und die erforderliche Insulingabe individuell und sorgfältig zu steuern. Dadurch wurde die Effizienz des Medikaments und der Therapie verbessert und die Toxizität für den Patienten verringert (Abs. [0002]).
Wie das Klagepatent in Abs. [0003] ausführt, wiesen einige dieser vorbekannten Infusionspumpen einen Behälter auf, der das flüssige Arzneimittel enthält, und welches sodann mittels elektromechanischer Pump- oder Dosiertechnologie, geführt durch Schläuche und Nadeln, subkutan dem Patienten zugeführt wurde. Die eigentliche Steuerung und Programmierung des Geräts wurden über elektromechanische Taster oder Schalter an dem Gehäuse vorgenommen. Die visuelle Rückmeldung erfolgt über Text oder Grafikbildschirme, außerdem konnten die Geräte Alarm-/Warnlichter sowie Audio-/Vibrationssignale aufweisen. Der Patient führt diese Geräte in einem Gurt oder in einer Tasche mit sich oder hat sie an den Körper geschnallt.
In den Abs. [0006] ff. nimmt das Klagepatent Bezug auf die Druckschriften US 5919XXX, WO 02/0XXX27 und US 5816XXX die jeweils einen Antriebsmechanismus aufweisen, der über ein Formgedächtniselement gesteuert wird. Diese Formgedächtniselemente zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen ersten und einen zweiten Draht aufweisen, die sich, abhängig von ihrer elektrischen Ladung, zusammenziehen und in abgekühltem Zustand wieder ausdehnen und durch diese Längenveränderung eine Aktivierungskraft, die auf ein mittelbar mit ihm verbundenes weiteres Element, etwa einen Kolben, wirkt, auslöst.
An solchen, im Stand der Technik bekannten Infusionspumpen kritisiert das Klagepatent, dass sie teuer sind und außerdem schwer zu programmieren. Hinzukommt, dass sie sperrig sind und die Vorbereitung zur Infusion deshalb selbst schwer ist. Diese Geräte als solche waren schwer und auch leicht zerbrechlich. Da diese Geräte für einen langfristigen Einsatz gedacht sind, erfordern sie zur ordnungsgemäßen Funktion, einer speziellen Pflege, Wartung und Säuberung. Aufgrund der Komplexität des Geräts und dessen hoher Kosten verwenden viele Patienten eine für sie ungünstigere Therapieform (Abs. [0004]).
Das Klagepatent formuliert es daher als Aufgabe (Abs. [0005]), ein Flüssigkeitszufuhrgerät bereitzustellen, dass eine geringere Größe und Komplexität aufweist und das relativ kostengünstig herzustellen ist. - Zur Lösung der Aufgabe schlägt das Klagepatent in Anspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
1. Flüssigkeitszufuhrgerät (200), umfassend:
2. einen Flüssigkeitsbehälter (230);
3. einen Kolben (236), der in dem Flüssigkeitsbehälter (230) aufgenommen ist
4. eine Antriebsstange mit Gewinde (252), die an besagten Kolben (236) anschließt, um den besagten Kolben (236) im Flüssigkeitsbehälter (230) zu bewegen;
5. ein Antriebsrad (256), das an die Antriebsstange mit Gewinde (252) anschließt
6. ein drehbares Antriebsgreifglied (262),
6.1 das einen ersten und zweiten Arm enthält (264a, 264b),
6.2 und dafür ausgelegt ist, in das besagte Antriebsrad (256) zu greifen und es schrittweise zu drehen, wobei zu jeder Zeit der erste Arm (264a) oder der zweite Arm (264b) mit besagtem Antriebsrad verrastet ist (256);
7. einen linearen Betätiger,
7.1 der an das besagte drehbare Antriebsgreifglied (262) anschließt, um das Antriebsgreifglied (262) zu drehen,
7.2 wobei der besagte lineare Betätiger verursacht, dass sich das drehbare Antriebsgreifglied (262) dreht, wenn er betätigt wird. - II.
Im Hinblick auf das Verständnis des Klagepatentanspruchs bedarf nur das Merkmal 6.2 der Erläuterung durch die Kammer, weil die übrigen Merkmale zurecht nicht zwischen den Parteien in Streit stehen.
Merkmal 6.2 lautet: „[Antriebsgreifglied, das] dafür ausgelegt [ist], in das Antriebsrad zu greifen und es schrittweise zu drehen, wobei zu jeder Zeit der erste Arm oder der zweite Arm mit dem Antriebsrad verrastet ist.“
Das Klagepatent versteht unter einem ersten oder einem zweiten mit dem Antriebsrad verrasteten Arm eine Anordnung, in welcher der erste oder der zweite Arm in den von den beiden Zahnflanken eines Zahns des Antriebsrades gebildeten Zahnabschnitt hineinreicht, ohne mit einer von diesen Flanken körperlich fest verbunden zu sein. „Verrasten“ ist mithin im Sinne einer Ineingriffnahme zu verstehen. Ein Einrasten zweier Vorrichtungsbestandteile durch komplementäre Ausgestaltungen verlangt das Klagepatent dafür nicht. Entscheidend ist, dass der erste oder der zweite Arme durch die Ineingriffnahme das Antriebsrad in einem bestimmten Zahnabschnitt hält, um ein Zurückdrehen des Antriebsrades über einen Zahn hinweg zu verhindern. Diese Verrastung des einen Arms mit einem Zahnabschnitt wird zumindest solange aufrechterhalten, bis der andere Arm seinerseits wieder in einen Zahnabschnitt eingreift und so das Antriebsrad zunächst andrehen und danach in diesem Zustand halten kann. Dementsprechend ist für die Ausgestaltung der Arme ferner nur erforderlich, dass der jeweilige Arm mit dem Antriebsrad zum Zwecke des schrittweisen Drehens in unmittelbaren Kontakt kommen kann.
Eine eigene Begriffsdefinition liefert das Klagepatent für das Wort „verrasten“ bzw. dem in der englischen Fassung verwendeten Ausdruck „engage“ nicht. Der Fachmann weiß aber, dass es sich bei der Formulierung „engage“, wörtlich übersetzt mit „in Eingriff nehmen“ um eine herkömmliche Beschreibung zweier Vorrichtungselemente handelt, die miteinander in räumlich-körperlichem Kontakt stehen und interagieren.
Für dieses Verständnis findet der Fachmann schon im Anspruchswortlaut Unterstützung. So heißt es dort in der englischsprachigen Fassung: „[…] first and second arms configured to engage and incrementally rotate said wheel, wherein at all times one of the first or the second arm is engaged with said drive wheel.“ In deutscher Übersetzung lautet diese Passage: „das einen ersten und einen zweiten Arm enthält, und dafür ausgelegt ist, in das besagte Antriebsrad zu greifen und es schrittweise zu drehen, wobei zu jeder Zeit der erste Arm oder der zweite Arm mit besagtem Antriebsrad verrastet ist.“ Er findet in der Klagepatentschrift indes keine Anhaltspunkte, dass Verrasten zwingend im Sinne eines Einrastens zweier Elemente gemeint ist. Die maßgebliche englische Anspruchsfassung benutzt zweimal das Wort „engage“, um die Lagebeziehung der Arme zum Antriebsrad zu beschreiben. Danach wird für die grundsätzliche Anordnung der Arme verlangt, dass sie so mit dem Antriebsrad in Verbindung stehen, dass sie dieses antreiben können. Im letzten Halbsatz entnimmt der Fachmann dem Merkmal zudem den Hinweis, dass die Grundausrichtung, nämlich das Ineingriffnehmen des Antriebsrades, fortwährend bestehen soll, wobei das Klagepatent auch dies mittels des Wortes „engage“ beschreibt.
Das Verständnis der Ineingriffnahme kommt auch in der deutschen Übersetzung zum Ausdruck, wenn das Verb „engage“ mit „greifen in“ übersetzt wird. Die weitere deutsche Übersetzung mit dem gewählten Wort „Verrasten“ weicht dagegen von der originalen Anspruchsfassung ab, die insoweit keinen Unterschied erkennen lässt. Der Fachmann erhält auch keinen anderweitigen Hinweis, dass dem Begriff „Verrasten“ gerade in Merkmal 6.2 ein anderer Bedeutungsgehalt beigemessen werden sollte.
Einzig im auf Anspruch 5 rückbezogenen Unteranspruch 7 wird im selben Kontext das Wort „einrasten“ verwendet, um das Verhältnis des ersten und zweiten Arms zum Antriebsgreifglied zu beschreiben. Aber auch hier lautet es in der englischen Fassung „engage“. Eine Bedeutung dahingehend, dass damit nun eine feste körperliche Beziehung erforderlich ist, ist indes auch diesem Unteranspruch nicht zu entnehmen, weil dahingehende eindeutige Anhaltspunkte fehlen. Insbesondere spricht der ebenfalls auf den Anspruch 5 rückbezogene Unteranspruch 8 gegen eine dahingehende Bedeutung. Denn dieser betrifft wiederum das Verhältnis der Arme des Antriebsgreifgliedes zu den Zähnen der Sperrradabschnitte und beschreibt, dass die Zähne „zur Aufnahme der Arme“ dienen. Dieser Formulierung ist nur zu entnehmen, dass die Abschnitte so ausgestaltet sein müssen, dass der Arm des Antriebsgreifgliedes dort hineinreichen kann; was unmittelbar mit der englischsprachigen Originalfassung korrespondiert, die wörtlich „a plurality of theeth for engaging the arms“ lautet, mithin wiederum lediglich eine Ineingriffnahme verlangt.
Hinzu kommt, dass in weiteren Beschreibungsstellen der deutschen Übersetzung des Klagepatents, die denselben Kontext betreffen, das englische „engage“ durchgängig mit „in Eingriff nehmen“ übersetzt wurde (vgl. Abs. [0018]). Weshalb dies im Anspruchswortlaut der deutschen Fassung sodann abweichend ist, ist nicht ersichtlich. Dies ist – ausgehend von der grundsätzlich einheitlich zu würdigenden Klagepatentschrift (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Kap. A, Rn. 70) – auch umso weniger anzunehmen, als die Benutzung des Wortes „Verrasten“, wie der Fachmann erkennt, kontinuierlich zum einen in dem Kontext erfolgt, dass ein Rad gedreht werden soll, und zum anderen, um die Lagebeziehung zweier Vorrichtungsbestandteile zueinander anzugeben (vgl. Abs. [0029], Beschreibung zu Fig. 11). Allen diesen Beschreibungsstellen (etwa Abs. [0020]) sind keine näheren Hinweise darauf zu entnehmen, wie Vorrichtungsbestandteile räumlich-körperlich auszugestalten sind, damit sie erfindungsgemäß in Eingriff stehen. Der Kontext der Beschreibungsstellen offenbart dem Fachmann lediglich, dass ein Zusammenspiel verschiedener Elemente erreicht werden soll, um – durch unmittelbaren Kontakt der Vorrichtungsbestandteile – eine Bewegung oder eine Aktivität auszulösen. Dieser immer gleiche Benutzungszusammenhang mit Blick auf das Zusammenspiel verschiedener Vorrichtungsbestandteile dient dem Fachmann somit als Anhaltspunkt, dass der Begriff „engage“ stets denselben Bedeutungsgehalt hat.
Abgesehen von dem Umstand, dass ein Verrasten überhaupt ein körperliches Zusammenwirken erfordert, hält das Klagepatent für den Fachmann keine Vorgaben für die konkrete räumlich-körperliche Ausgestaltung einer erfindungsgemäßen Vorrichtung bereit.
Der Abs. [0018] offenbart dem Fachmann, dass die Zähne an den Sperrradabschnitten in Eingriff genommen werden und das Antriebsrad schrittweise drehen, wenn das schwenkbare Antriebsgreifglied schwenkt. Das Klagepatent stellt damit nur – wie schon in Abs. [0016], in dem ausdrücklich beschrieben wird, dass der Betätigungsmechanismus dazu dient, dass Antriebsrad in Eingriff zu nehmen und schrittweise zu drehen – einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Bestandteilen Antriebsrad/Antriebsgreifglied und der Initiierung einer Bewegung her. Dabei erkennt der Fachmann, dass eine Bewegung dadurch ausgelöst werden kann, dass das Antriebsgreifglied mit ausreichend Kraft gegen einen Zahn eines Sperrradabschnittes drückt, um dieses zu drehen. Über welche Fläche eines Zahnes eine Verbindung hergestellt werden soll, ist nicht vorgegeben, sodass diese Ausgestaltung dem Belieben des Fachmanns überlassen wird. Entscheidend ist nur ein Kontakt zu dem Antriebsrad überhaupt. Dies bedeutet dem Fachmann zugleich, dass es auf ein Verrasten im engen Sinn nicht ankommen kann. Er weiß nämlich, dass das Klagepatent dann konkret verlangen würde, wie die zwei konträren, aufeinander abgestimmten Bauteile ausgestaltet sein müssen. Das ist aus einer Betrachtung der Abs. [0015] und Abs. [0018] zu folgern, weil diese das Antriebsrad und das Antriebsgreifglied hinsichtlich möglicher Konstruktionen beschreiben, ohne derlei Verrastungsmöglichkeit aufzuzeigen. Demgegenüber formuliert das Klagepatent dort bestimmte konstruktive Anforderungen, wo es sie für erforderlich hält. Diesen Anhaltspunkt und damit einen weiteren Hinweis gegen das Verständnis des Begriffs „Verrasten“ im Sinne einer starren Verbindung erhält der Fachmann ausdrücklich in Abs. [0016]. Es heißt dort beispielsweise:
„Wie in Fig. 2 und Fig. 3 gezeigt, umfasst der Formgedächtnislegierungsdraht vorzugsweise einen ersten und einen zweiten Formgedächtnislegierungsdrahtabschnitt, die an ein schwenkbares Antriebsgreifglied gekoppelt sind.“ - Das Klagepatent wählt mithin das Wort „koppeln“, um eine ununterbrochene Verbindung zwischen dem Antriebsgreifglied einem anderen Vorrichtungsbestandteil zu beschreiben. Dem steht der Ausdruck „in Eingriff nehmen“, der einleitend in Abs. [0016] auch benutzt wird, als eine andere Art des Zusammenspiels zweier Vorrichtungselemente gegenüber (vgl. Abs. [0016]).
Unschädlich ist, wenn es während der erfindungsgemäßen Verrastung zu einer Beabstandung zwischen der Zahnfläche in Umfangsrichtung und dem hineingreifenden Arm kommt. Das ergibt sich für den Fachmann aus der Beschreibung der gleichmäßigen Schwenkbewegung in Abs. [0020], welche sich parallel für den zweiten Arm und den zweiten Kontaktfuß in Abs. [0021] befindet. Denn danach befindet sich einer der Arme solange im Eingriff mit dem Antriebsrad, bis der Kontaktfuß den Kontaktpunkt kontaktiert hat und somit signalisiert, dass die Schwenkbewegung des Antriebsgreifgliedes weit genug war. Die Phase des Ineingriffnehmens und -bleibens vom Arm in den Zahnabschnitt erstreckt sich über einen längeren Zeitraum als die Berührung zwischen dem Kontaktfuß und dem Kontaktpunkt. Dass der Arm genau im selben Zeitpunkt das Rad berühren muss wie der Fuß den Punkt, lässt sich der Klagepatentbeschreibung dagegen nicht entnehmen. Vielmehr geht das Klagepatent selbst ausdrücklich von Toleranzen zwischen den Armen und den Zahnflanken aus, die – obwohl sie bekannt waren – hingenommen werden, ohne dass sich diese nachteilig auf die fachgerechte Funktionsweise der erfindungsgemäßen Vorrichtungen auswirken würden.
Aus Abs. [0020] folgert der Fachmann als Aufgabe der Arme daher, dass sie nach der Lehre des Klagepatents beide jeweils dazu gedacht sind, in das Antriebsrad einzugreifen, es anzudrehen und sodann auch in einer bestimmten Position zu halten. Diese beiden Funktionen sind nicht zwischen den beiden Armen aufgeteilt, sondern von jedem Arm jeweils zu erfüllen. In diesem Verständnis wird der Fachmann schon durch Abs. [0018] bestärkt. Denn dieser Beschreibungsabsatz lässt eine, den Anspruchsinhalt nicht einschränkende, bevorzugte Ausführungsform zu, wonach das schwenkbare Antriebsgreifglied lediglich einen Arm und einen Kontaktfuß aufweist, was der Fachmann als Hinweis darauf versteht, dass erforderlich aber auch ausreichend ist, dass gerade der Greifarm, der die Drehung des Rades um einen Zahnradabschnitt bewirkt hat, noch nach Abschluss der aktiven Bewegung mit dem Zahnabschnitt in Eingriff bleiben muss, um ein Zurückdrehen des Rades zu verhindern – bis der nächste Impuls kommt, um das Rad wieder einen Schritt weiterzudrehen).
Unerheblich ist dabei, ob sich das Rad innerhalb der Ebene eines Zahnabschnitts bewegen kann, weil das Klagepatent mit einer Drehung den Sprung des Arms von einem Zahnabschnitt in den nächsten meint. Nur dann liegt eine relevante Bewegung des Antriebsrades, die zu einem unerwünschten Vorschieben des Kolbens und somit zum Flüssigkeitsaustritt führt, vor. Entsprechend heißt es in Abs. [0020] zum Beispiel, dass sich das Antriebsrad – veranlasst durch das Ineingriffnehmen des Zahns von dem Arm – um einen Schritt dreht. Auch Abs. [0022] spricht von einer schrittweisen Drehung. An keiner der erörterten Beschreibungsstellen findet der fachkundige Leser dagegen einen Hinweis, dass der erste oder der zweite Arm auch nur mit einer bestimmten Zahnflanke in Kontakt kommen dürfte.
Mit der weiteren Formulierung im Anspruchswortlaut „zu jeder Zeit“ bekräftigt das Klagepatent, dass zwar alternativ, aber immer der erste oder der zweite Arm in das Antriebsrad hineinreichen muss. Das entnimmt der Fachmann aus Abs. [0020] der Klagepatentbeschreibung, der ausdrücklich formuliert, dass einer der Arme immer mit den Zahnabschnitten des Antriebsrades in Eingriff steht. Diese Zeitangabe bezieht sich dabei auf den Bewegungsablauf des Antriebsrades. Das folgt aus einer Betrachtung des gesamten Abs. [0018]. Denn dieser beschreibt den ganzen Vorgang der Aktivierung des Antriebsrades, der durch eine Bestromung eines Formgedächtnislegierungsdrahtabschnittes initiiert wird. - Gestützt in dem Verständnis des Verrastens als „in einen Zahnabschnitt hineinreichen“ wird der Fachmann weiterhin durch die Figuren 5 und 13 der Klagepatentschrift. Die Figur 5 zeigt eine Draufsicht auf einen Betätigungsmechanismus, der den Flüssigkeitsantriebsmechanismus betätigt. Der Arm 264a sowie der Arm 264b grenzen jeweils an ein Zahnrad, was dafürsprechen könnte, dass immer eine unmittelbare Berührung erforderlich ist. Indes ist nicht bekannt, in welcher Phase sich das Antriebsgreifglied in der Darstellung befindet. Es ist, wenngleich nicht zentriert zwischen den Radabschnitten, so aber doch insgesamt in einer rechtwinkligen Position abgebildet, was eine neutrale Position bedeuten dürfte, da die Drehbewegung des Antriebsgreifgliedes von einem zentralen Punkt aus schwenkend erfolgt. Deshalb folgt aus der Figur 5 jedenfalls kein Hinweis auf ein Verrasten im engen Sinne, wie es die Beklagte zu 1. versteht. Die Figur 13 zeigt eine vergrößerte schematische Seitenansicht eines Antriebsrades eines Flüssigkeitszufuhrgeräts gemäß einer Ausführungsform der vorliegenden Erfindung. Der Fachmann entnimmt dieser Zeichnung jeweils einen Abstand zwischen den beiden Armen und den Flächen der Radabschnitte. Ersichtlich ist ferner, dass die Arme jedenfalls ihrer Länge nach in den Bereich zwischen den einzelnen Radzähnen hineinreichen. Für beide Figuren ist außerdem zu berücksichtigen, dass es sich nur um schematische und stark vereinfachte Grafiken handelt, die die grobe Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform veranschaulichen sollen, ohne dabei technische Details zu offenbaren.
- Auch nach technisch-funktionalem Verständnis des Klagepatents ist es ausreichend, wenn einer der beiden Arme in einen Zahnabschnitt hineinragt. Entscheidend ist nur, dass er sich so weit in einen solchen erstreckt, dass er einerseits genug Kraft aufbringen kann, das Antriebsrad anzustoßen, und andererseits über genug Kraft verfügt, um das Antriebsrad ein einer ungewollten Rückdrehung zu hindern. Dass dafür der zwingende körperliche Kontakt des Arms mit dem Zahnabschnitt erforderlich wäre, ist nicht ersichtlich. Denn solange ein Arm überhaupt in einen Zahnbereich eingreift, ist das ausreichend, um einen das ordnungsgemäße Funktionieren der Pumpe gefährdenden Rücklauf des Rades zu verhindern. Das ordnungsgemäße Funktionieren ist nur dann nicht mehr gewährleistet, wenn ein Zahn vollständig übersprungen wird (vorwärts oder eben rückwärts). Ein Bewegungsspielraum auf der Ebene eines Zahns ist dagegen unschädlich, weil der Sperrradabschnitt jedenfalls um diesen schon weitergedreht worden ist und diese Stufe nunmehr von dem Arm gehalten wird. Technisch weiß der Fachmann insoweit, dass der Arm für die Zeit, die es benötigt, dass der Kontaktfuß an den Kontaktpunkt gelangt, in dem Zahnabschnitt verbleibt und der Arm daher in dieser Zeit innerhalb des Zahnabschnittes verschiedene Positionen einnimmt – von einer unmittelbaren Berührung der Zahnfläche bis hin zu einer Beabstandung von dieser.
- III.
Ausgehend von vorstehendem Verständnis steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die angegriffenen Ausführungsformen von der erfindungsgemäßen Lehre des Klagepatents Gebrauch machen. Nachstehende Ausführungen gelten für beide Ausführungsformen gleichermaßen, weil die Reservoireinheit (angegriffene Ausführungsform 2) derjenige Bestandteil der angegriffenen Ausführungsform 1 ist, der die Anspruchsmerkmale verwirklicht.
Die angegriffenen Ausführungsformen sind unstreitig so ausgestaltet, dass sie ein Antriebsgreifglied aufweisen, das in einer Schwenkbewegung beweglich angeordnet ist, und dessen Arme so – wie von der Beklagten zu 1. in der Klageerwiderung schematisch in Grafiken dargestellt – verschiedene Positionen in dem einheitlichen Bewegungsablauf einnehmen und dabei insbesondere zu einem Zeitpunkt jeweils eine Stellung einnehmen, abgebildet in der Figur 4, in der keiner der Arme mit der Zahnflanke in Umfangsrichtung in Kontakt steht. Zur Veranschaulichung wird nachstehend diese Figur 4, der Klageerwiderung entnommen, eingeblendet: - Unstreitig ist insoweit ferner, dass zu diesen Zeitpunkten aber weiterhin ein Kontakt mit der Zahnflanke in radialer Richtung besteht und der erste oder der zweite Arm auch zu dieser Zeit jedenfalls in den Zahnabschnitt hineinreicht. Dies ist für eine Merkmalsverwirklichung nach der erfindungsgemäßen Lehre ausreichend. Dass die Arme nicht fest mit den Zähnen im Sinne einer wörtlichen Verrastung verbunden sind, steht der Merkmalsverwirklichung nicht entgegen, da das entscheidende Ineingriffhalten und damit die Absicherung gegen eine Rückdrehung des Antriebsrades bereits hinreichend realisiert werden. Dazu dient auch die unstreitig in den angegriffenen Ausführungsformen vorhandene radiale Vorspannung des ersten und des zweiten Arms des Antriebsgreifglieds. Diese stellt sicher, dass der erste und der zweite Arm jeweils in dem in Eingriff genommenen Zahnabschnitt verbleiben, bis eine Weiterdrehung des Antriebsrades erfolgen soll.
Keiner abschließenden Beurteilung bedurfte daher die Frage, ob tatsächlich Abstände bzw. der von der Beklagten zu 1. angeführte „Freilauf“ zwischen den Armen und dem Zahnradabschnitt auftreten und wie groß diese etwaig wären. Denn, wenngleich ein Freiraum vorhanden ist, ist dieser jedenfalls unbestritten nicht groß genug, dass das Antriebsgreifglied einen kompletten Zahnabschnitt überspringen könnte. - IV.
Aufgrund der Verwirklichung des Klagepatentanspruchs 1 ergeben sich folgende Rechtsfolgen für die Beklagte zu 1.: - 1.
Die Beklagte zu 1. muss gem. Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 PatG die Verletzungshandlungen unterlassen. - 2.
Der geltend gemachte Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung resultiert aus Art. 64 EPÜ, §§ 140b PatG, 242, 259 BGB. - 3.
Der geltend gemachte Vernichtungsanspruch folgt aus § 140a Abs. 1 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ. - 4.
Der Rückrufanspruch ergibt sich aus § 140a Abs. 3 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ. Es bestehen auch keine Bedenken daran, dass der Rückruf unter Angabe des Grundes – dieses Urteil – erfolgen muss (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. D, Rn. 644 f.).
Der Rückrufanspruch ist hier bezüglich beider angegriffenen Ausführungsformen auch nicht unverhältnismäßig, § 140a Abs. 4 PatG.
Nach § 140a Abs. 4 PatG sind Vernichtungs- und Rückrufansprüche ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind die berechtigten Interessen Dritter zu berücksichtigen (§ 140a Abs. 4 S. 2 PatG). Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber einen eng auszulegenden Ausnahmetatbestand geschaffen, dessen Voraussetzungen vom Verletzer darzulegen und nötigenfalls zu beweisen sind. Er hat konkret Gründe anzuführen, weshalb ihn die Vernichtung des streitbefangenen Gegenstandes im Einzelfall unverhältnismäßig treffen würde. Dabei ist nicht schon der Umstand, dass überhaupt eine Schädigung in einem gewissen Grad bei dem Verletzer eintritt, ausreichend, weil dies oft unvermeidbare Folge der Ansprüche aus § 140a PatG ist und nicht ohne Weiteres die Verhältnismäßigkeit in Frage stellt (Benkard/Grabinski/Zülch, Patentgesetz, 11. Aufl., § 140a, Rn. 8 ff.; BeckOK, PatR/Rinken, 16. Edition, § 140a Rn. 30). Es ist aber zu überprüfen, welche Alternativen es gibt, um einen rechtswidrigen Zustand zu beseitigen und wie wirtschaftlich schwerwiegend der rechtswidrige Zustand für den Schutzrechtsinhaber ist (Schulte/Voß, PatG, 10. Aufl., § 140a, Rn. 14), sodass es an der Verhältnismäßigkeit fehlen kann, wenn durch andere Maßnahmen als der vollständigen Vernichtung der Verletzungsform der rechtswidrige Zustand beseitigt werden kann (Kühnen, a.a.O., Kap. D. Rn. 645; BeckOK, a.a.O., § 140a Rn. 29a). Dazu ist eine Gesamtabwägung aller relevanten Umstände vorzunehmen, zu denen neben der Schwere des Schutzrechtseingriffs und dem Grad des Verschuldens des Täters auch das Rückruf-/Entfernungsinteresse des Verletzten, das entgegengesetzte Verhaltensinteresse des Verletzers sowie die Gesichtspunkte der Generalprävention und der Sanktionierung für rechtsverletzendes Tun gehören (Kühnen, a.a.O., Kap. D, Rn. 709 m.w.N.).
Neben eigenen Interessen des Verletzers sind nach der ausdrücklichen Regelung des § 140a Abs. 4 S. 2 PatG bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit auch die berechtigten Interessen Dritter berücksichtigungsfähig. Dritte sind in erster Linie die Eigentümer und/oder Besitzer der patentverletzenden Erzeugnisse (Schulte/Voß, a.a.O., § 140a Rn. 14). Allerdings ist der Begriff der Dritten nicht auf diese Gruppe beschränkt, so dass auch allgemeine öffentliche Interessen oder die Belange mittelbarer Nutznießer der patentverletzenden Vorrichtung (wie Patienten) bei der Verhältnismäßigkeit Berücksichtigung finden können.
Ausgehend von diesen Voraussetzungen überwiegen hier die Interessen der Klägerin als Verletzter. Insoweit ist schon, nachdem die Klägerin erheblich auf das Vorbringen der Beklagten zur Unverhältnismäßigkeit des Rückrufs vorgetragen hat, seitens der Beklagten zu 1. kein weiterer Gegenvortrag erfolgt, um aufzuzeigen, dass es gerade der Vermarktung der angegriffenen Ausführungsformen bedarf und andernfalls für die an Diabetes erkrankten Personen ein erheblicher Einschnitt in ihrer Behandlung vorläge und diese sogar gefährdet wäre. Die Klägerin hat vielmehr unter Bezugnahme auf eine Studie zu marktüblichen Insulinverabreichungssystemen aufgezeigt, dass der Anteil von Insulinpumpen gegenüber etwa dem Insulin-Pen (57 %) überhaupt bei nur ca. 30 % liegt. Mit einem Anteil von 46 % davon ist dabei das Unternehmen X Marktführer auf dem deutschen Markt. Auf das Unternehmen der Klägerin entfällt ein Anteil von 18 % bzw. etwa 6 % der Diabetiker, die auf ihre Produkte zurückgreifen. Die Marktpräsenz der Beklagten zu 1. ist demnach sogar nur in einem unteren einstelligen Prozentbereich anzusiedeln. Deshalb ist eine Gefährdung der Versorgung von Insulinpatienten auch ohne die angegriffenen Ausführungsformen nicht zu besorgen, zumal es bei der Marktverfügbarkeit der Produkte der Klägerin verbleibt und zudem weiterhin auf die herkömmliche Verabreichung in Form von Spritzen zurückgegriffen werden kann.
Der unstrittige konstruktive Aufbau der angegriffenen Ausführungsformen spricht ferner dafür, dass er in Kenntnis des Produkts „G“ der Klägerin erfolgt ist, was sich insbesondere aus dem identischen Antriebsmechanismus und derselben Anzahl an Zahnradabschnitten ergibt. Dies indiziert ein die Unverhältnismäßigkeit ausschließendes, erhöhtes Maß an vorwerfbarem Verschulden. - 5.
Für den auf Schadensersatz gerichteten Feststellungsanspruch hat die Klägerin das gem. § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Denn mangels näherer Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist es dem Kläger erst nach Erteilung der Auskunft möglich, diesen Anspruch der Höhe nach zu beziffern. Bis dahin besteht jedenfalls ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung dem Grunde nach (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. D, Rn. 417). Dem Grunde nach folgt der Anspruch auf Schadensersatz aus § 139 Abs. 2 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ. - V.
Der Rechtsstreit war nicht gem. § 148 ZPO auszusetzen, weil die Kammer nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit festzustellen vermochte, dass die gegen den Rechtsbestand des Klagepatents geführte Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 1. gestützt auf einen Neuheitsangriff, mangelnde erfinderische Tätigkeit sowie unzulässige Erweiterung durchdringen wird.
Wenn das Klagepatent mit einem Einspruch oder mit einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen ist, verurteilt das Verletzungsgericht, wenn es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung, wenn es eine Nichtigerklärung nicht für (hinreichend) wahrscheinlich hält; andernfalls hat es die Verhandlung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO auszusetzen, bis jedenfalls erstinstanzlich über die Nichtigkeitsklage entschieden ist (BGH, GRUR 2014 1238 – Kurznachrichten). Denn eine – vorläufig vollstreckbare – Verpflichtung des Beklagten zur Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, zum Rückruf sowie zur Vernichtung patentgemäßer Erzeugnisse ist regelmäßig nicht zu rechtfertigen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass dieser Verurteilung durch die Nichtigerklärung des Klagepatents die Grundlage entzogen werden wird. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit den Grundrechten folgende und damit verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch gebietet es, dem Verletzungsbeklagten wirkungsvollen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen, wenn er sich gegen den Angriff aus dem Klagepatent mit einem Gegenangriff auf den Rechtsbestand dieses Patents zur Wehr setzen will. Dies erfordert nicht nur eine effektive Möglichkeit, diesen Angriff selbst durch eine Klage auf Nichtigerklärung bzw. durch Erhebung eines Einspruchs führen zu können, sondern auch eine angemessene Berücksichtigung des Umstands, dass in diesem Angriff auch ein – und gegebenenfalls das einzige – Verteidigungsmittel gegen die Inanspruchnahme aus dem Patent liegen kann. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent anders als in anderen Rechtsordnungen nicht als Einwand im Verletzungsverfahren oder durch Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung geführt werden. Dies darf indessen nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent dem erhobenen Einspruch/der anhängigen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014 1238 – Kurznachrichten). Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der Nichtigkeitsangriff darauf gerichtet ist, die Neuheit oder die erfinderische Tätigkeit bei Findung der klagepatentgemäßen Lehre in Frage zu stellen, sich jedoch für eine Bejahung der Patentierbarkeit, die auch insoweit von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, noch vernünftige Argumente finden lassen. Gleiches gilt in Fällen, in denen der dem Klagepatent entgegengehaltene Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt oder das Klagepatent erstinstanzlich aufrechterhalten worden ist (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. E., Rn. 771 ff.). - 1.
Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf die Druckschrift D11 berufen, um die mangelnde Neuheit der erfindungsgemäßen Lehre des Klagepatents zu begründen. - a.
Schon aus formellen Gründen war die D11 bei der Prüfung der Neuheitsschädlichkeit nicht berücksichtigen.
So verbietet sich eine Aussetzung, wenn der Einspruchsschriftsatz und/oder die in Bezug genommenen Entgegenhaltungen nur in fremder Sprache, ohne deutsche Übersetzung und ohne nachvollziehbare Erläuterung im Klageerwiderungsschriftsatz präsentiert werden (Kühnen, a.a.O., Kap. E, Rn. 792; LG Düsseldorf, InstGE 3, 231 – wasserloses Urinal). Diese beiden Fälle treffen vorliegend zu.
So ist zunächst kein hinreichender schriftsätzlicher Vortrag der Beklagten zu der D 11 vorhanden, sondern nur ein pauschaler Verweis auf Ausführungen in der Nichtigkeitsklage. Damit genügt die Beklagte zu 1. dem Hinweis in der prozessleitenden Verfügung vom 05.04.2019, wonach der Vortrag zu etwaigen Vernichtungsgründen eigenständig und aus sich heraus verständlich und daher ohne Bezugnahme auf als Anlage überreichte Schriftsätze aus dem Rechtsbestandsverfahren auskommen soll. Insoweit soll nicht von einer Erörterung überhaupt abgesehen werden. Vielmehr soll der Verletzer konkret zu denjenigen Dokumenten vortragen, die er für erfolgsversprechend hält. An dieser Bewertung vermag auch die Auseinandersetzung der Klägerin mit der D 11 in der Replik nichts zu ändern, weil dies keinen eigenen schlüssigen Vortrag der Beklagten zu 1. ersetzt. Hinzukommt der weitere formale Mangel, dass die Beklagte keine Übersetzung der D11 zur Akte gereicht hat. Zwar hat die Beklagte zu 1. als mit „Anlage D11 Übersetzung“ überschriebenes Dokument zur Akte gereicht. Indes passen weder die aufgeführte Nummer des Schutzrechts noch der Inhalt zur hier relevanten D 11. - b.
Aber auch in der Sache greift der Verweis auf die D11 nicht durch. Sie offenbart nicht hinreichend unmittelbar und eindeutig ein drehbares Antriebsgreifglied (Merkmale 6, 6.2), dessen erster und zweiter Arm in das Antriebsrad greifen und es schrittweise drehen, und zu jeder Zeit der erste oder der zweite Arm mit dem Antriebsrad verrastet ist.Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein anderer, als er auch sonst im Patentrecht zu Grunde gelegt wird. Zu ermitteln ist deshalb nicht, in welcher Form der Fachmann etwa mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen kann oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen (allgemeinen) Lehre entnimmt. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der Beschwerdekammern des EPA wird dies auch dahin ausgedrückt, dass maßgeblich ist, was aus fachmännischer Sicht einer Schrift „unmittelbar und eindeutig” zu entnehmen ist (BGH GRUR 2009, 382 (384) m.w.N. – Olanzapin).
- Die D11 betrifft eine Insulinabgabevorrichtung, die am Körper des Patienten tragbar ist und bereits das abzugebende Insulin beinhaltet. Dazu weist sie zwar einen Antriebsmechanismus für die Initiierung der Medikamentenabgabe auf. Dieser entspricht jedoch nicht einem drehbaren Antriebsgreifglied mit einem ersten und einem zweiten Arm. Zur Veranschaulichung wird Figur 7 nachstehend eingeblendet:
- Vielmehr verfügt sie über einen Federring 25, der seinerseits über zwei Federarme 44 und 45 verfügt. Dabei kommt dem Federarm 44 (vermittelt über dessen Ende 46) die Funktion zu, das Zahnrad in einem gewissen Maß (Spielraum zwischen den Stoppinnen 42 und 43) anzutreiben, während der Federarm 45 mit seinem Ende 47 verhindert, dass sich das Zahnrad im Uhrzeigersinn weiterdreht (vgl. S. 12, Z. 4 ff.). Allein der Umstand, dass beide Arme zu jeder Zeit im Eingriff mit dem Zahnrad stehen, genügt für eine neuheitsschädliche Vorwegnahme der Lehre nach dem Klagepatent nicht, weil diese erfordert, dass beide Arme zum Antrieb des Rades beitragen und sodann auch jeweils einer mit diesem verrastet bleibt.
- 2.
Anhand der vorliegend geltend gemachten Kombinationen verschiedener Druckschriften kann die Kammer ebenso wenig feststellen, dass es dem Klagepatent an erfinderischer Tätigkeit mangelt.
Einem Patent muss eine erfinderische Tätigkeit zugrunde liegen. Es muss sich um eine Erfindung handeln, die dem Fachmann nicht ohne Weiteres möglich gewesen wäre (Schulte/Moufang, a.a.O., § 4, Rn. 6). Um den Gegenstand einer Erfindung als nahegelegt anzusehen, ist daher zum einen erforderlich, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Zum anderen muss der Fachmann Grund gehabt haben, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH, GRUR 2018, 716 – Kinderbett, Rn. 25, juris).
Vorstehenden Grundsätzen kann man entnehmen, dass es positive Anregungen im Stand der Technik geben muss, in Richtung des Klagepatents weiter zu denken. Der Fachmann muss auf die Problemstellung kommen, die dem Klagepatent zugrunde liegt und er muss Hinweise bekommen, dass man dieses Problem mit Mitteln des Klagepatents löst. - a.
Die D 8, betreffend einen Spender für ein Patienteninfusionsgerät, offenbart einen Käfig, der zwischen dem ersten und dem zweiten Ende des Formgedächtniselementes gesichert ist. Durch die veränderbare Länge des Formgedächtniselementes, abhängig von der Beaufschlagung mit Strom, wird die bewegliche Klinkenanordnung linear (im Verhältnis zum Zahnrad) bewegt. Dadurch wird eine Drehbewegung des Zahnrades ausgelöst. Die Klinkenanordnung bzw. der Käfig, an dem die beiden Klinken 346 und 348 befestigt sind, dreht sich nicht.
Aufgrund dieser Ausgestaltung lehrt die D 8 nicht das Merkmal 6 bzw. 7.1 und 7.2, weil zwar ein bewegliches, aber kein drehbares Antriebsgreifglied vorhanden ist.
Ein solches vorzusehen hat der Fachmann aber auch aus der Kombination der D 8 mit der D 10 keinen Anlass.
Die D 10 stellt ein druckbetriebenes, befestigbares, topisches Fluidzufuhrsystem unter Schutz. Sie verfügt über Formgedächtnisdrähte, die durch ihren zusammengezogenen und geweiteten Zustand eine Schafteinrichtung zwischen einer ersten und einer zweiten Position um einen Drehpunkt hin- und herschwenken lassen. Durch diese Bewegung wird bewirkt, dass die Enden des Schaftes ihrerseits die Hebel 141 und 142 in verschiedene Positionen verbringen. Denn diese Hebel wirken auf je einen Quetschstift ein, welche auf die Membran 139 einwirken/-drücken. Wenn sich die Quetschstifte von der Membran wegziehen, befindet sich diese in der Ausgangsposition und lässt den Fluidstrom durch die Führungskanäle zu; andernfalls, bei einwirkendem Quetschstift wird der Fluidstrom unterbrochen. Mithin erkennt der Fachmann, dass Formgedächtniselemente vorgesehen sind, die eine schwenkbare (drehbare) Bewegung auslösen können, indes erfolgt dies in der D10 unabhängig von einem Antriebsrad und einem Antriebsgreifglied. Der hinreichende Anlass folgt dabei nicht aus dem Umstand, dass ein leichtes, kleines Flüssigkeitszufuhrgerät von der D10 bereitgestellt werden soll. Denn schon die D8 will ein solches bereitstellen.
Die Beklagte argumentiert schon nicht auf nachvollziehbare Weise, weshalb der Fachmann aus einer in sich schlüssigen Konstruktion lediglich die Funktionsweise eines bestimmten Bestandteils auswählen sollte, um diese wiederum in einem gänzlichen anderen Kontext, nämlich zum Antrieb eines Antriebsgreifgliedes, in ein ebenfalls geschlossenes System eines Patienteninfusionsgeräts zu übertragen. Die seitens der Beklagten dazu angefertigte Figur erscheint willkürlich und rückschauend. Inwieweit bei einer solchen Anordnung des Formgedächtniselementes eine funktionstaugliche Drehbewegung des Antriebsgreifgliedes bewirkt werden soll, ist aus dieser grob schematischen Zeichnung nicht ersichtlich und zudem nicht schriftsätzlich erläutert worden. Diese Figur offenbart demgegenüber vielmehr, dass es tiefgreifender Eingriffe in den Aufbau der von der D 8 gelehrten Vorrichtung bedarf und diese abgewandelt werden muss, um eine Drehbewegung des Antriebsgreifgliedes implementieren zu können, was weiterhin gegen das Naheliegen einer derartigen Konstruktion spricht. - b.
Hinsichtlich der Würdigung der Druckschrift D 8 in Kombination mit der D 9 gelten die Ausführungen unter lit. a entsprechend. - c.
Die D 1 in Kombination mit der Lehre der D 7, von der schon keine Übersetzung zur Akte gereicht wurde, vermag es nicht, dem Klagepatent seinen erfinderischen Gehalt abzusprechen.
Unstreitig offenbart die D 1 kein Antriebsgreifglied, das zwei Arme aufweist, sondern nur ein solches mit einem Arm. Die D 7 lehrt einen Antriebmechanismus mit zwei Rücklaufsperren (pawl), die jeder in Eingriff mit einem großen bzw. einem kleinen Zahnrad stehen. Der Antrieb der Hauptstange (5), der über die beiden Unterpole die Rücklaufsperren steuert, erfolgt über einen hydraulischen Zylinder. Weshalb eine solche Konstruktion von dem Fachmann in den Blick genommen werden sollte, um die erfindungsgemäße Lehre als nahegelegt zu betrachten, erschließt sich nicht. Der D 7 fehlt es an einem Antrieb über ein Formgedächtniselement. - d.
Schließlich legt die D 22 in Kombination mit der D 1 bzw. der D 8 nicht die erfindungsgemäße Lehre nahe.
Die D 22 offenbart eine Vorrichtung zur Arzneimittelverabreichung. Sie weist einen auf einem Ratschenstab montierten Kolben auf, der durch eine Sperrklinke angetrieben wird. Die Sperrklinke ihrerseits ist auf einem Hebel montiert, der durch eine Kurbelstange aktiviert wird und sich im Uhrzeigersinn hin- und herbewegt. Dadurch bewegt sich auch die Sperrklinke, aufweisend zwei Arme und bestehend aus einer Blattfeder, hin und her und treibt dadurch den Ratschenstab an. Dieser ist es dann, der den Kolben in die Patrone drückt und darin enthaltenes Arzneimittel zu einem Ende in Richtung des Patienten drückt. Zur Veranschaulichung sind nachfolgend Figuren der D 22 eingeblendet: - Allein der Umstand, dass die beiden Arme 31 und 32 als Bestandteile der Sperrklinke nach unten zum Ratschenstab vorgespannt sind, genügt nicht, dass es sich um eine anspruchsgemäße Verrastung im Sinne eines in Eingriff Nehmens handelt. Denn der gesamte Antriebsmechanismus der D 22 ist anders ausgestaltet und mit anderen Bestandteilen bestückt als derjenige nach der Lehre des Klagepatents. So liegt der Unterschied zum Klagepatent nicht nur darin, dass ein Antriebsgreifglied (Sperrklinke) den Ratschenstab linear nach vorne bewegt. Vielmehr führt das Antriebsgreifglied eine rückwärtige Bewegung aus und drückt den Ratschenstab nach vorne (vgl. D 22, Abs. [0105] ff.), während ein anspruchsgemäßes Antriebsgreifglied das Antriebsrad durch eine vorwärts gerichtete Bewegung andreht. Es fehlt mithin, wie die Beklagte zu 1. zugesteht, an der Offenbarung eines Antriebsrades, das an einer Antriebsstange mit Gewinde anschließt, sowie an einem drehbaren Antriebsgreifglied (Merkmale 4, 5).
Um diese fehlenden Elemente herzuleiten, bemüht sich die Beklagte, die D 1 und/oder die D 8 als Kombinationsmöglichkeit heranzuziehen, welche ihrerseits jeweils eine Medikamentenzufuhrvorrichtung mit Antriebsmechanismus bereitstellen.
Dies gelingt indes nicht, weil schon keinerlei Anlass ersichtlich ist, weshalb der Fachmann auf eines dieser Dokumente zur Abwandlung der Vorrichtung aus der D 22 zurückgegriffen hätte. Die D 22 lehrt eine funktionsfähige Arzneimittelzufuhrvorrichtung; es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund der Antriebsmechanismus des Ratschenstabes abgeändert werden müsste. Ohne weiters möglich sein dürfte eine solche Änderung außerdem nicht, da der Austausch der linearen Bewegung gegen eine Drehbewegung die Veränderung des gesamten Antriebsmechanismus (Hebel) mitsichbringen dürfte. Hinzukommt weiterhin, dass der Hebel als solcher durch ein Antriebsrad ausgetauscht werden müsste.
Selbst wenn der Fachmann demnach die D 1 oder die D 8 in den Blick nehmen sollte, lag die erfindungsgemäße Vorrichtung nicht nahe, weil es zu vieler Zwischenschritte bedurft hätte, um diese ausgehend von der D 22 umzusetzen. Dass diese alle – unter Beibehaltung der grundsätzlichen Funktionsweise der D 22 – nahegelegen hätten, ist nicht ersichtlich. - 3.
Das Klagepatent in seiner erteilten Fassung ist gegenüber der ursprünglichen Anmeldung (WO 206/104XXX) hinsichtlich der Anspruchsmerkmale 6.1 und 6.2 schließlich nicht unzulässig erweitert worden.
Dafür ist festzustellen, ob die in der erteilten Fassung beanspruchte Merkmalskombination in der Ursprungsanmeldung in ihrer Gesamtheit als zu der angemeldeten Erfindung gehörend offenbart ist. Für die Beurteilung der identischen Offenbarung gelten die Prinzipien der Neuheitsprüfung. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist danach erforderlich, dass der Fachmann die im Anspruch bezeichnete technische Lehre den Ursprungsunterlagen „unmittelbar und eindeutig“ als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann. Zu ermitteln ist mithin, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen allgemeinen Lehre entnimmt. Maßgeblich ist dabei das Verständnis des Fachmanns zum Zeitpunkt der Einreichung der prioritätsbeanspruchenden Patentanmeldung.
Das Erfordernis einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung muss dabei in einer Weise angewendet werden, die berücksichtigt, dass die Ermittlung dessen, was dem Fachmann als Erfindung und was als Ausführungsbeispiel der Erfindung offenbart wird, wertenden Charakter hat, und eine unangemessene Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts der Voranmeldung vermeidet. Insoweit ist zugrunde zu legen, dass das Interesse des Anmelders regelmäßig erkennbar darauf gerichtet ist, möglichst breiten Schutz zu erlangen, also die Erfindung in möglichst allgemeiner Weise vorzustellen und nicht auf aufgezeigte Anwendungsbeispiele zu beschränken. Soweit in der Anmeldung bereits Ansprüche formuliert sind, haben diese vorläufigen Charakter. Erst im Verlauf des sich anschließenden Prüfungsverfahrens ist herauszuarbeiten, was unter Berücksichtigung des Standes der Technik schutzfähig ist und für welche Ansprüche der Anmelder Schutz begehrt. Erst mit der Erteilung des Patents mit bestimmten Ansprüchen erfolgt eine endgültige Festlegung des Schutzgegenstands.
Dieser Gesichtspunkt liegt der Rechtsprechung des BGH zugrunde, wonach bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts auch Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele zugelassen werden. Danach ist ein „breit“ formulierter Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung – sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen – als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist. Solche Verallgemeinerungen sind vornehmlich dann zugelassen worden, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenommen worden sind (vgl. BGH, GRUR 2014, 542 – Kommunikationskanal m.w.N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen vermag die Kammer eine unzulässige Erweiterung der in Streit stehenden Merkmale 6.1 und 6.2 nicht festzustellen. - a.
Die Präzisierung des drehbaren Antriebsgreifgliedes dahin, dass er einen ersten und einen zweiten Arm aufweist (Merkmal 6.1), begründet keine unzulässige Erweiterung. Denn schon in der Ursprungsfassung war „zumindest ein Arm“ offenbart, was diverse Gestaltungsmöglichkeiten zuließ. Die zahlenmäßige Bestimmung auf zwei Arme stellt demgegenüber eine Beschränkung dar. Außerdem finden sich in der WO-Schrift – ausschließlich – Hinweise auf Ausführungsformen mit einem ersten und einem zweiten Arm (vgl. Unteransprüche 6 und 8, Abs. [0036] und [0038] sowie Figuren 4, 5 und 13).
Die Anzahl der Arme ist auch nicht nur mit der gleichzeitigen Beanspruchung weiterer Merkmale wie etwa den Kontaktfüßen und einer Schwenkbewegung des Antriebsgreifgliedes in der WO-Schrift offenbart worden.
Für die Kontaktfüße folgt dies bereits aus dem Umstand, dass sie von der WO-Schrift schon nur als bevorzugtes Ausführungsbeispiel und damit nicht als zwingender Vorrichtungsbestandteil erachtet werden. Sofern sie aber vorgesehen werden, bieten sie weitere Vorteile. Technisch-funktional dürfte die Wirkweise der Kontaktfüße zwar mit den Armen zusammenhängen, da der diagonale Fuß Kontakt herstellen würde. Die einzige Ausgestaltungsmöglichkeit des Antriebsgreifgliedes ist es jedoch nicht. - b.
Auch in der Ergänzung des zweiten Teils des Merkmals 6.2, wonach der erste oder der zweite Arm mit dem Antriebsrad verrastet sein soll, liegt keine unzulässige Erweiterung.
Der Verweis der Beklagten zu 1. auf den Abs. [0038] der WO-Schrift allein vermag dabei eine unzulässige Erweiterung nicht zu begründen. Dort heißt es, dass einer der beiden Arme zu jeder Zeit mit den „Zahnabschnitten“ des Antriebsrades in Eingriff steht. Gegenüber dieser Formulierung ist im hier streitgegenständlichen Anspruchswortlaut zwar das Wort „Zahnabschnitt“ entfallen. Darin liegt dennoch kein erweiterter Anspruchsinhalt, weil der Fachmann erkennt, dass auch bei der Benutzung des Wortes Antriebsrad, mit welchem eine Verrastung erfolgen soll, weiterhin die einzelnen Zahnabschnitte gemeint sind. Ein Zahnabschnitt beschreibt nämlich begrifflich überhaupt erst einen Zwischenraum zwischen zwei Zähnen, in welchen ein anderes Vorrichtungselement hineingreifen könnte. Andere konkrete Vorgaben, die bei einem Antriebsrad unberücksichtigt blieben, sind dazu auch dem Begriff der Zahnabschnitte nicht zu entnehmen. Auch mit Blick auf das technisch-funktionale Verständnis erkennt der Fachmann, dass Antriebsrad und Zahnabschnitte des Antriebsrads identisch zu verstehen sind, weil eine unmittelbare Zusammenwirkung der Arme mit dem Antriebsrad an einer anderen Stelle als den Zahnabschnitten nicht möglich wäre, wenn zugleich die Drehung des Rades aufrechterhalten bleiben soll. - B.
Für die prozessualen Nebenentscheidungen gilt folgendes: - I.
Die Kostenentscheidung in Bezug auf die Beklagte zu 1. ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Kostenentscheidung mit Blick auf die Beklagte zu 2. und die Beklagte zu 3. beruht auf §§ 91 Abs. 1, 93 ZPO. Sie haben ein Anerkenntnis abgegeben, allerdings nicht mit der Konsequenz, dass die Klägerin die Prozesskosten tragen müsste. Dies wäre gem. § 93 ZPO dann der Fall, wenn der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat und er den Anspruch sofort anerkennt. Die Beklagten zu 2. und 3. haben indes erst, nachdem der Antrag auf Klageabweisung angekündigt worden ist, ihr Anerkenntnis erklärt und damit nicht mehr sofort (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 93, Rn. 4). - II.
Die Entscheidung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Auf den Schriftsatz der Beklagten zu 1. vom 17.07.2020 war die mündliche Verhandlung nicht gem. § 156 Abs. 2 ZPO wiederzueröffnen. Die Kammer hat bereits in der prozessleitenden Verfügung vom 05.04.2019 in Ziff. 3 a) darauf hingewiesen, dass von allen fremdsprachigen Unterlagen mit dem betreffenden Schriftsatz eine deutsche Übersetzung einzureichen ist. Außerdem wurde die Entgegenhaltung D 11 trotz des formellen Mangels umfassend gewürdigt.