Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3063
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 28. Juli 2020, Az. 4c O 47/19
I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, gegenüber der Klägerin jeweils zu unterlassen,
Bauelemente zur Wärmedämmung zwischen zwei Bauteilen, insbesondere zwischen einem Gebäude und einem vorkragendem Außenteil, bestehend aus einem zwischen den beiden Bauteilen anzuordnenden Isolierkörper und aus Bewehrungselementen, zumindest bestehend aus einem Druckelement, das im eingebauten Zustand des Bauelementes im Wesentlichen horizontal und quer zur im wesentlichen horizontalen Längserstreckung des Isolierkörpers durch diesen hindurchverläuft und an beide Bauteile zumindest mittelbar anschließbar ist, wobei das Druckelement ein Zusatzelement (11) aufweist, welches das Druckelement zumindest in Teilbereichen und zumindest mittelbar umgibt, wobei das Druckelement an seiner Stirnseite ein dem Bauteil zugewandtes Kontaktprofil aufweist, wobei das Druckelement unter Verwendung einer verlorenen Gießform (1, 11b, 11d) hergestellt ist und wobei das Zusatzelement zwei- oder mehrteilig ausgebildet ist und zumindest teilweise aus der verlorenen Gießform besteht,
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, wobei sich der vorliegende Tenor zu Ziff. I.1. hinsichtlich des Herstellens ausschließlich auf die Beklagte zu 2) bezieht,
dadurch gekennzeichnet, dass die Gießform (1, 11b, 11d) im Anlage-bereich zwischen Druckelement und Bauteil nach Art eines Gleitelements in Form einer Gleitschicht oder Gleitplatte ausgebildet ist und sie im Bereich außerhalb des Kontaktprofils aus einem Wärmedämmmaterial besteht;
2. jeweils an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 9.012,- nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 16. August 2019 zu zahlen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.
III. Das Urteil ist im Hinblick auf Ziff. I.1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 350.000,00 und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert wird auf EUR 500.000,00 festgesetzt.
- Tatbestand
- Die Klägerin macht – als eingetragene und allein verfügungsberechtigte Inhaberin – Ansprüche auf Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 2 742 XXX B1 (Anlage K 10; im Folgenden: Klagepatent) geltend, das unter Inanspruchnahme zweier deutscher Prioritäten vom 11. August 2011 (DE 10201109XXX und DE 10201109XXX) am 13. August 2012 angemeldet und als Anmeldung am 18. Juni 2014 offengelegt wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 20. Dezember 2017 bekanntgemacht. Das Klagepatent steht in Kraft. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27. November 2019 Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht (Az. 1 Ni 29/19 (EP); Anlage PBP02) erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Die Nichtigkeitsklage ist der Klägerin am 3. April 2020 zugestellt worden.
- Das Klagepatent betrifft ein Bauelement zur Wärmedämmung. Der Anspruch 1 des Klagepatents lautet:
- „1. Bauelement zur Wärmedämmung zwischen zwei Bauteilen, insbesondere zwischen einem Gebäude und einem vorkragendem Außenteil, bestehend aus einem zwischen den beiden Bauteilen anzuordnenden Isolierkörper und aus Bewehrungselementen, zumindest bestehend aus einem Druckelement, das im eingebauten Zustand des Bauelementes im Wesentlichen horizontal und quer zur im wesentlichen horizontalen Längserstreckung des Isolierkörpers durch diesen hindurchverläuft und an beide Bauteile zumindest mittelbar anschließbar ist, wobei das Druckelement ein Zusatzelement (11) aufweist, welches das Druckelement zumindest in Teilbereichen und zumindest mittelbar umgibt, wobei das Druckelement an seiner Stirnseite ein dem Bauteil zugewandtes Kontaktprofil aufweist, wobei das Druckelement unter Verwendung einer verlorenen Gießform (1, 11b, 11d) hergestellt ist und wobei das Zusatzelement zwei- oder mehrteilig ausgebildet ist und zumindest teilweise aus der verlorenen Gießform besteht, dadurch gekennzeichnet, dass die Gießform (1, 11b, 11d) im Anlagebereich zwischen Druckelement und Bauteil nach Art eines Gleitelements in Form einer Gleitschicht oder Gleitplatte ausgebildet ist und sie im Bereich außerhalb des Kontaktprofils aus einem Wärmedämmmaterial besteht.“
- Die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Figuren sind dem Klagepatent entnommen und erläutern dessen technische Lehre anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels:
- Die Figuren 1a und 1c zeigen ein Zusatzelement eines erfindungsgemäßen Bauelements zur Wärmedämmung mit einer verlorenen Gießform in perspektivischer Draufsicht, wobei sich die Figuren nur durch einen anders gewählten Horizontalschnitt (B-B bzw. A-A) unterscheiden.
- Die in Baden-Baden ansässige und zur A-Gruppe gehörende Klägerin entwickelt und vertreibt seit über 50 Jahren Bauprodukte, insbesondere Produkte zur Wärme- und Schalldämmung. Unter der Produktbezeichnung „A Isokorb“ vertreibt die Klägerin Bauelemente zur Wärmedämmung mit integrierten Betondruckelementen für den Anschluss von frei auskragenden Bauteilen, wie z.B. Balkone. Wegen der näheren Ausgestaltung dieser Bauteile wird auf das als Anlage K 1 zur Akte gereichte und über die Homepage der Klägerin abrufbare Informationsblatt zum Bauelement „B“ Bezug genommen.
- Die in Klettgau ansässige Beklagte zu 2) stellt unter anderem Produkte im Bereich der Abdichtung, Schalung und Wärmedämmung her. Sie ist neben der C mit 50% an der in Berlin sitzenden Beklagten zu 1) beteiligt, die als Vertriebsgesellschaft für die Beklagte zu 2) fungiert.
- Die Beklagten unterhielten im Januar 2019 einen gemeinsamen Stand (A2.319) auf der für die Bereiche Architektur, Materialien und Systeme führenden Messe D, die alle zwei Jahre in München stattfindet. Auf ihrem Stand präsentierten sie unter anderem unter der Bezeichnung „E“ ein tragendes Wärmedämmelement (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Die Beklagten zeigten die einzelnen Elemente der angegriffenen Ausführungsform anhand eine Modells, wie es der nachfolgend wiedergegebenen und seitens eines Mitarbeiters der Klägerin, Herrn F, mit Zustimmung der Beklagten erstellten Fotografie zu entnehmen ist:
- Die angegriffene Ausführungsform wurde dem bei der Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch als Bereichsleiter Produktentwicklung / F&E angestellten Dipl.-Ing. F bei seinem Besuch des Messestands der Beklagten am 16. Januar 2019 durch einen Mitarbeiter der Beklagten zu 2), Herrn G, näher erläutert. Wegen des Inhalts des Gesprächs wird auf die Gesprächsnotiz des Herrn F vom 22. Januar 2019 (vgl. Anlage K6) Bezug genommen.
- Die angegriffene Ausführungsform wurde schließlich auch in einer über die Internetseite der Beklagten zu 1) abrufbaren Produktbroschüre mit dem Titel „H“ beworben (vgl. Anlage K 5), in der sich auf Seite 17 u.a. nachfolgende Abbildung findet:
- Mit Schreiben vom 17. April 2019 (vgl. Anlagenkonvolut K 7) wurden die Beklagten jeweils unter Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung von der Klägerin abgemahnt. Lediglich die Beklagte zu 1) reagierte mit Schreiben vom 7. Mai 2019 (vgl. Anlage K 8) und wies die geltend gemachten Ansprüche zurück.
- Zwischen den Parteien war vor der hiesigen Kammer auch bereits ein Verfügungsverfahren anhängig (4c O 7/19), in welchem die Klägerin die Beklagten mit Blick auf die auch vorliegend streitgegenständlichen Wärmedämmelemente wegen der Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 225 XXX B1 (nachfolgend: EP‘XXX) in Anspruch genommen hatte. Gegenstand des EP‘XXX sind ebenfalls Wärmedämmelemente zum Anschluss von auskragenden Bauteilen, wobei maßgeblich nach dem EP‘XXX die Verwendung einer verlorenen Gießform ist. Mit Urteil vom 23. Mai 2019 (vgl. Anlage K 9) verurteilte die Kammer die Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung, Auskunft und Herausgabe an den Gerichtsvollzieher. Die gegen dieses Urteil seitens der Beklagten eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg, da das Oberlandgericht die Berufung mit Urteil vom 26. September 2019 (Az. I-2 U 23/19; vgl. Anlage (N)K14) zurückgewiesen hat. Wegen des weiteren Inhalts der Urteile wird auf diese Bezug genommen.
- Im Rahmen der Vollstreckung des landgerichtlichen Urteils teilte die Beklagten der Klägerin mit Schreiben vom 10. Juli 2019 (vgl. Anlage K 9a) u.a. mit, dass nur die Beklagte zu 2) die angegriffene Ausführungsform hergestellt habe und – neben Prototypen – insgesamt 30 einsatzfähige Elemente an Kunden geliefert worden seien.
- Die Klägerin meint, die angegriffene Ausführungsform würde von der technischen Lehre des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch machen. Das Klagepatent würde keine einschränkenden Angaben dazu machen, aus welchem Material die zur Herstellung der Druckelemente zu verwendende verlorene Gießform bestehen solle. Vielmehr sehe es das Klagepatent ausdrücklich vor, dass das Zusatzelement und in Folge dessen auch das Druckelement zumindest teilweise auch aus Dämmmaterial bestehen solle, mithin aus dem gleichen Material wie auch der ein- oder mehrteilig ausgebildete Isolierkörper. Etwaige Einschränkungen der klagepatentgemäßen Lehre könne man auch nicht der von den Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung des Bundespatentgerichts entnehmen, da diese bereits mit dem EP‘XXX ein anderes Patent betreffe.
- Ferner ist die Klägerin der Auffassung, das Klagepatent werde sich in der Entscheidung über die Nichtigkeitsklage der Beklagten als rechtsbeständig erweisen. Eine Aussetzung sei auch nicht zur Vermeidung sich widersprechender Auslegungen der Verletzungsgerichte und Nichtigkeitssenate erforderlich, da es zum hier streitgegenständlichen Patent noch keine Entscheidung zum Rechtsbestand gebe. Gegen eine Aussetzung spreche zudem, dass die Beklagten die Nichtigkeitsklage erst ein halbes Jahr nach Zugang der Abmahnung erhoben und zudem durch eine späte Einzahlung des Vorschusses schuldhaft die Rechtshängigkeit erst kurz vor dem Termin ermöglicht hätten. Diese Konstellation sei mit Fällen vergleichbar, in denen die Nichtigkeitsklage selbst erst kurz vor dem Verhandlungstermin erhoben werde, so dass es dem Patentinhaber nicht mehr möglich sei, auf das Nichtigkeitsvorbringe angemessen zu erwidern. In diesen Fällen sei eine Aussetzung nicht angezeigt.
- Die Klägerin beantragt,
- wie erkannt.
- Die Beklagten beantragen,
- die Klage abzuweisen;
hilfsweise
die Klage bis zu einer Entscheidung des Bundespatentgerichts über die Nichtigkeitsklage zum Az. 1 Ni 29/19 auszusetzen.
- Die Beklagten sind der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform würde von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch machen, da bei ihrer Herstellung keine verlorene Gießform im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre verwendet würde. Die Druckelemente der angegriffenen Wärmedämmelemente seien lediglich in den Isolierköper eingesteckt bzw. eingegossen, wobei der Isolierkörper ein von der verlorenen Gießform unabhängiges Bauteil sein müsse. Mit anderen Worten dürfe der Isolierköper mit der verlorenen Gießform nicht identisch sein. Entsprechendes habe auch das Bundespatentgericht in seiner Entscheidung vom 26. September 2013 im Nichtigkeitsverfahren (Az. 10 Ni 27/11 (EP); vgl. Anlage PBP01) zum parallelen EP‘XXX bereits festgestellt. Die Auslegung des BPatG sei auch im hiesigen Verletzungsverfahren als sachkundige Äußerung zu berücksichtigen.
- Die Beklagten sind der Auffassung, das Klagepatent werde sich in der Entscheidung über die beim Bundespatentgericht anhängige Nichtigkeitsklage als nicht rechtsbeständig erweisen. Insbesondere sei die von ihm beanspruchte technische Lehre nicht neu und habe jedenfalls durch den Stand der Technik nahegelegen.
- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
- A.
Die Klage ist begründet, da der Klägerin die geltend gemachte Ansprüche auf Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten zustehen. Eine Aussetzung des Rechtsstreits bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung des Bundespatentgerichts über die Nichtigkeitsklage war nicht angezeigt. - I.
Das Klagepatent betrifft ein Bauelement zur Wärmedämmung, wie es insbesondere zum Anschluss auskragender Bauteile (wie bspw. Balkone) an Gebäude eingesetzt wird. - Aus dem Stand der Technik sind, wie das Klagepatent einleitend in Absatz [0002] darstellt, Bauelemente zur Wärmedämmung bekannt, wie sie etwa der EP-A-1 225 XXX entnommen werden können. Dort besteht das Zusatzelement aus einer verlorenen Gießform für ein aus Beton hergestelltes Druckelement. Die Gießform wiederum besteht aus einer Kunststoffschale, in die der Beton eingefüllt wird und mit der der Beton zusammen in das Bauelement zur Wärmedämmung eingesetzt wird, so dass die Gießform im eingebauten Zustand das Betondruckelement allseits umgibt, also auch an ihren den angrenzenden Bauteilen zugewandten Stirnseiten. Dies lässt sich dazu ausnutzen, dass die Gießform in diesem Bereich der Stirnseiten eine Gleitschicht für das Betondruckelement bildet und damit etwaige zwischen Druckelement und angrenzendem Bauteil auftretende Relativbewegungen nicht behindert, sondern durch verbesserte Gleiteigenschaften begünstigt.
- Das Klagepatent nimmt in Absatz [0002] ferner Bezug auf die EP-A-1 892 344, die ein Bauelement zur Wärmedämmung mit Formen bzw. Gießformen offenbart, die jeweils Stirnwände und ein Paar von seitlichen Zwischenwänden aufweisen und wahlweise das Druckelement oder Isoliermaterial aufnehmen. Die Gießformen bestehen aus Kunststoff oder Metall, insbesondere aus Stahlblech und bevorzugt aus Edelstahlblech.
- Das Klagepatent führt in Absatz [0003] weiter aus, dass das Zusatzelement bei einer Abwandlung des vorgenannten Standes der Technik auch aus einem Gleitkörper bestehen kann, der hinsichtlich der Form der Gießform zur Herstellung des Druckelements weitestgehend entspricht, jedoch nicht an der eigentlichen Herstellung des Druckelements, also am Gießen beteiligt war. Durch die identische Form wie die Gießform in den für die Gleitbewegung wichtigen Teilbereichen ist jedoch im Wesentlichen sichergestellt, dass der Gleitkörper vollflächig am Druckelement anliegt und dieselben optimierten Gleiteigenschaften zur Verfügung stellen kann wie die Gießform. Insofern sind im Stand der Technik Zusatzelemente bekannt, die entweder aus einer verlorenen Gießform bestehen oder aus einem Gleitkörper, der ebenfalls das Druckelement zumindest in Teilbereichen umgibt und zusammen mit dem Druckelement in das Bauelement zur Wärmedämmung eingebaut wird.
- Der Einsatz solcher Betondruckelemente, die mit einer sie umgebenden Kunststoffschicht eingebaut werden, welche Kunststoffschicht aus einer verlorenen Gießform oder einem an die Form des Druckelements angepassten Gleitkörper bestehen kann, hat sich mittlerweile in der Praxis bewährt, vgl. Absatz [0004].
- Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik formuliert es das Klagepatent in Absatz [0005] als (technische) Aufgabe, ein Bauelement zur Wärmedämmung der vorgenannten Art weiter zu verbessern und insbesondere hinsichtlich seiner Gebrauchs- und Wärmedämmeigenschaften zu optimieren.
- Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in Anspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
- 1.1. Bauelement zur Wärmedämmung zwischen zwei Bauteilen, insbesondere zwischen einem Gebäude und einem vorkragendem Außenteil,
1.2. bestehend aus einem zwischen den beiden Bauteilen anzuordnenden Isolierkörper und aus Bewehrungselementen,
1.3. zumindest bestehend aus einem Druckelement,
1.3.1. das im eingebauten Zustand des Bauelementes im Wesentlichen horizontal und quer zur im wesentlichen horizontalen Längserstreckung des Isolierkörpers durch diesen hindurchverläuft
1.3.2. und an beide Bauteile zumindest mittelbar anschließbar ist,
1.3.3. wobei das Druckelement ein Zusatzelement aufweist, welches das Druckelement zumindest in Teilbereichen und zumindest mittelbar umgibt,
1.3.4. wobei das Druckelement an seiner Stirnseite ein dem Bauteil zugewandtes Kontaktprofil aufweist,
1.3.5. wobei das Druckelement unter Verwendung einer verlorenen Gießform hergestellt ist
1.4. und wobei das Zusatzelement zwei- oder mehrteilig ausgebildet ist und zumindest teilweise aus der verlorenen Gießform besteht,
dadurch gekennzeichnet,
1.5. dass die Gießform im Anlagebereich zwischen Druckelement und Bauteil nach Art eines Gleitelements in Form einer Gleitschicht oder Gleitplatte ausgebildet ist
1.5.1. und sie im Bereich außerhalb des Kontaktprofils aus einem Wärmedämmmaterial besteht. - II.
Zwischen den Parteien steht – zu Recht – allein in Streit, ob die angegriffene Ausführungsform auch aus einer verlorenen Gießform im Sinne der Merkmale 1.3.5. und 1.5.1. bestehen. Entsprechendes vermochte die Kammer indes festzustellen. - 1.
Gemäß Merkmal 1.1. beansprucht der streitgegenständliche Vorrichtungsanspruch 1 ein Bauelement zur Wärmedämmung zwischen zwei Bauteilen, insbesondere zwischen einem Gebäude und einem vorkragenden Außenteil. Die konkrete Ausgestaltung des geschützten Bauelementes wird sodann von den Merkmalen bzw. Merkmalsgruppen 1.2. bis 1.5. näher beschrieben. Nach Merkmal 1.2. besteht das Bauelement aus einem zwischen den beiden Bauteilen anzuordnenden Isolierkörper und aus Bewehrungselementen sowie nach Merkmal 1.3. aus zumindest einem Druckelement. Dieses Druckelement soll nach Merkmal 1.3.1. im eingebauten Zustand des Bauelementes im Wesentlichen horizontal und quer zur im Wesentlichen horizontalen Längserstreckung des Isolierkörpers durch diesen hindurchverlaufen und nach Merkmal 1.3.2. an beide Bauteile zumindest mittelbar anschließbar sein. Darüber hinaus soll das Druckelement ein Zusatzelement aufweisen, welches das Druckelement zumindest in Teilbereichen und zumindest mittelbar umgibt (Merkmal 1.3.3.). Das Druckelement soll schließlich an seiner Stirnseite ein dem Bauteil zugewandtes Kontaktprofil aufweisen und unter Verwendung einer verlorenen Gießform hergestellt sein (Merkmale 1.3.4. und 1.3.5.). Gemäß Merkmal 1.4. ist das Zusatzelement zwei- oder mehrteilig ausgebildet und besteht zumindest teilweise aus der verlorenen Gießform. Nach der den Anspruch kennzeichnenden Merkmalsgruppe 1.5. ist die Gießform im Anlagebereich zwischen Druckelement und Bauteil nach Art eines Gleitelements in Form einer Gleitschicht oder Gleitplatte ausgebildet und besteht im Bereich außerhalb des Kontaktprofils aus einem Wärmedämmmaterial. - Danach setzt das Klagepatent voraus, dass ein anspruchsgemäßes Wärmedämmelement über eine verlorene Gießform als eigenständiges Element verfügt bzw. es mittels einer solchen Gießform hergestellt wurde. Bei der Erschließung des Sinngehalts des Anspruchs darf – wie auch das Oberlandesgericht Düsseldorf im vorausgegangenen Verfügungsverfahren betreffend das EP‘XXX bereits ausgeführt hat – nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich beim Anspruch 1 des Klagepatents um einen Vorrichtungs- und nicht um einen Verfahrensanspruch handelt (Urt. v. 26. September 2019, I-2 U 23/19, S. 5, letzter Absatz).
- Unter einer verlorenen Gießform versteht das Klagepatent – insoweit zwischen den Parteien unstreitig – eine Gießform, die nur für den einmaligen Einsatz gedacht ist und am Ende des Herstellungsprozesses am bzw. im Bauelement verbleibt. Merkmal 1.3.5 verlangt, dass das Druckelement unter Verwendung einer verlorenen Gießform hergestellt wird, wobei die verlorene Gießform nach Merkmal 1.4. zumindest teilweise aus dem Zusatzelement gebildet wird. Die Merkmalsgruppe 1.5. gibt sodann vor, dass die Gießform im Anlagebereich zwischen Druckelement und Bauteile über ein Gleitelement (eine Gleitschicht oder -platte) verfügt, während sie im Bereich außerhalb des Kontaktprofils aus einen Wärmedämmmaterial bestehen soll. Insoweit kann der Fachmann dem Anspruch entnehmen, dass die verlorene Gießform jedenfalls auch aus Dämmmaterial bestehen soll, wenngleich er keine einschränkenden Angaben zur Art des Dämmmaterials findet. Keine Angaben macht der Anspruch zudem dazu, wie und aus welchem Material der Isolierkörper ausgestaltet sein soll, er überlässt es vielmehr dem Belieben des Fachmanns, wie er den Isolierkörper ausgestaltet, ob ein- oder mehrteilig und aus welchem Material. Daraus folgt entgegen der Ansicht der Beklagten, dass der Isolierkörper auch aus Dämmmaterial bestehen kann, mithin aus dem gleichen Material, wie es auch für die Gießform verwendet werden soll.
- Entsprechendes folgt auch unter Berücksichtigung einer technisch-funktionalen Betrachtung, da das Bauelement der (Wärme-)Dämmung zwischen dem auskragenden Bauteil und dem Gebäude dienen soll. Es soll verhindert werden, dass das Anschlussbauteil als Wärme- oder Kältebrücke fungiert, in dem es die Wärme bzw. Kälte des Balkons an das Gebäude weiterleitet. Insoweit erkennt es der Fachmann als technisch sinnvoll und geboten, nicht nur die Zusatzelemente, sondern auch den Isolierkörper aus solchen Materialen herzustellen, die für eine Isolierung sorgen können, mithin aus Dämmmaterialien.
- Unterstützung in diesem Verständnis erfährt das Fachmann auch durch die allgemeine Erfindungsbeschreibung in Absatz [0016], wo ausgeführt wird:
- „Demgegenüber finden in der Regel im Bereich des Isolierkörpers an den Seitenflächen des Druckelements keine Relativbewegungen statt, die das Zwischenfügen einer Gleitschicht erforderlich machen; stattdessen kommt es in diesen seitlichen Bereichen des Isolierkörpers auf eine besonders gute Wärmedämmeigenschaft an, so dass dort das Zusatzelement und/oder die Gießform aus einem Wärmedämmmaterial besteht, insbesondere aus Polyurethan- oder Polystyrolschaum. Würde sich das genannte Gleitelement aus HD-Polyethylen auch über den gesamten Isolierkörperbereich von der einen Stirnseite zur anderen Stirnseite erstrecken, so würde hierdurch eine Wärme- bzw. Kältebrücke gebildet, so dass die von dem Zusatzelement und/oder der Gießform zur Verfügung gestellten Wärmedämmeigenschaften deutlich ungünstiger als im beschriebenen erfindungsgemäßen Fall wären, bei dem das Zusatzelement und/oder die Gießform im Bereich des Isolierkörpers aus einem Wärmedämmmaterial besteht.“
- Der Fachmann erkennt, dass das Klagepatent an dieser Stelle zwar in erster Linie von den Wärmedämmeigenschaften des Zusatzelementes/der Gießform spricht, da insbesondere die Bereiche der Zusatzelemente, die keinen Kontakt zu den Bauelementen haben und daher auch über keine Gleiteigenschaften verfügen müssen, zur Isolierung mit beitragen sollen. Gleiches macht indes nur Sinn, wenn auch der Isolierköper als solches, in den die Druckelemente und damit auch die Zusatzelemente nebst Gießform integriert werden, seinerseits mit zur Wärmedämmung beiträgt, etwa indem er auch aus Dämmmaterial besteht. Das Klagepatent unterscheidet daher an dieser Stelle nicht zwischen Dämmmaterial und Isolierkörper.
- Soweit die Beklagten meinen, aus der Entscheidung des Bundespatentgerichts über die Nichtigkeitsklage zum EP‘XXX ein anderes Verständnis einer verlorenen Gießform begründen zu können, so vermag dies die Kammer nicht zu überzeugen. Zum einen betrifft die Entscheidung ein bestimmtes Schutzrecht, so dass Aussagen zur Auslegung von Merkmalen nicht bzw. nicht ohne weiteres zur Auslegung eines anderen Schutzrechtes herangezogen werden können. Selbst wenn man indes davon ausgeht, dass die Ausführungen des Bundespatentgerichts zum Verständnis dessen, was eine verlorene Gießform ist, als jedenfalls sachkundige Äußerung auch im hiesigen Verfahren zu berücksichtigen wären, so können sie das Verständnis der Beklagten nicht stützen. Denn das Bundespatentgericht hat ausgeführt, dass die verlorene Gießform beim EP‘XXX als separates Bauteil ausgeführt sein muss, mithin nicht nur durch den Isolierkörper gebildet sein darf. Es hat indes keine Aussagen dazu getroffen, aus welchem Material der Isolierkörper beim EP‘XXX bestehen darf, insbesondere dass er nicht auch aus Dämmmaterial bestehen kann.
- Aus vorgenannten Gründen kommen auch den Ausführungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf in seinem Berufungsurteil vom 26. September 2019 keine durchgreifenden Auswirkungen auf das oben genannte fachmännische Verständnis einer verlorenen Gießform zu, da sie ebenfalls das EP‘XXX betreffen. Unabhängig davon, ist das Oberlandesgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass eine verlorene Gießform ein separates Bauteil sein muss, das EP‘XXX dem Fachmann aber keine Vorgaben macht, aus welchem Material die Gießform zu sein hat. Daraus hat das Oberlandesgericht gefolgert, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass die verlorene Gießform aus dem gleichen Material besteht, wie der Isolierkörper.
- 2.
Unter Berücksichtigung des vorgenannten Verständnisses verfügt das angegriffene Wärmedämmelement über eine verlorene Gießform im Sinne des Klagepatents, so dass sie von allen Merkmalen des Anspruchs 1 Gebrauch machen. - Wie den vorgelegten Abbildungen eines der angegriffenen Dämmelemente entnommen werden kann, werden deren Druckelemente durch ein Gießen von Beton in eine Gießform hergestellt, die aus (grünen) Gleitkappen und Dämmmaterial besteht. Entsprechendes ergibt sich ferner auch aus der Gesprächsnotiz des Herrn F betreffend sein Gespräch mit einem Mitarbeiter der Beklagten zu 2) auf der Messe G, dessen Inhalt von den Beklagten nicht in Abrede gestellt wurde. Danach werden von den Beklagten konvex gewölbte Kunststoffkappen in ein Dämmstoffsegment eingesetzt und diese „Hybrid-Gießform“ anschließend mit hochfestem Spezialbeton ausgegossen, wahlweise nachdem noch Querstäbe als weitere Bewehrungselemente hinzugefügt wurden. Die Dämmstoffsegmente mit den integrierten Betondruckelementen werden anschließend miteinander (ggf. noch mit zusätzlichen Abstandsdämmstoffblöcken) verklebt und diese bilden dann zusammen mit einer Abdeckplatte aus Dämmmaterial den Isolierkörper. Unschädlich ist insoweit, dass der eigentliche Isolierkörper ebenfalls aus Dämmmaterial besteht.
- Das Vorstehende ergibt sich auch aus der seitens der Klägerin mit Kolorierungen und Bezeichnungen versehenen Darstellung der Abbildung von Seite 17 der Produktbroschüre der Beklagten, die nachfolgend wiedergegeben wird:
- Die aus den grünen Kunststoffkappen und dem Dämmmaterial gebildete Gießform ist als Teil des Zusatzelementes in dem fertigen Bauteil noch als separates vorhanden und kann auch nicht mehr wiederverwendet werden, so dass es sich um eine verlorene Gießform handelt.
- Die Beklagten sind dem Verletzungsvorwurf mit der Duplik auch nicht mehr entgegengetreten, insbesondere haben sie zum weiteren Vortrag der Klägerin in der Replik nicht mehr inhaltlich erwidert. Vielmehr haben sie in ihrer Quadruplik vom 8. Juni 2020 nur pauschal auf ihren Vortrag in der Klageerwiderung Bezug genommen.
- III.
Aus der Verletzung des Klagepatentes ergeben sich nachfolgende Rechtsfolgen: - Da die Beklagten das Klagepatent widerrechtlich benutzt haben, sind sie gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung der Benutzungshandlungen im tenorierten Umfang verpflichtet.
- Die Klägerin kann von den Beklagten schließlich auch Ersatz der Abmahnkosten aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB (vgl. Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 12. Auflage, Kapitel C., Rn. 42) verlangen.
- IV.
Mit Blick auf die von den Beklagten gegen das Klageschutzrecht eingewandten Entgegenhaltungen ist eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO bis zu einer auch nur erstinstanzlichen Entscheidung in dem Nichtigkeitsverfahren nicht geboten. - 1.
Nach Auffassung der Kammern (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung, BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die durch das Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und den Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug; GRUR 2014, 1237 ff. – Kurznachrichten) bestätigt wurde, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen. - Wenn das Klagepatent mit einem Einspruch oder mit einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen ist, verurteilt das Verletzungsgericht, wenn es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung, wenn es eine Nichtigerklärung nicht für (hinreichend) wahrscheinlich hält; andernfalls hat es die Verhandlung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO auszusetzen, bis jedenfalls erstinstanzlich über die Nichtigkeitsklage entschieden ist (BGH, GRUR 2014 1238 – Kurznachrichten). Denn eine – vorläufig vollstreckbare – Verpflichtung des Beklagten zur Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, zum Rückruf und/oder zur Vernichtung patentgemäßer Erzeugnisse ist regelmäßig nicht zu rechtfertigen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass dieser Verurteilung durch die Nichtigerklärung des Klagepatents die Grundlage entzogen werden wird. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit den Grundrechten folgende und damit verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch gebietet es, dem Verletzungsbeklagten wirkungsvollen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen, wenn er sich gegen den Angriff aus dem Klagepatent mit einem Gegenangriff auf den Rechtsbestand dieses Patents zur Wehr setzen will. Dies erfordert nicht nur eine effektive Möglichkeit, diesen Angriff selbst durch eine Klage auf Nichtigerklärung bzw. durch Erhebung eines Einspruchs führen zu können, sondern auch eine angemessene Berücksichtigung des Umstands, dass in diesem Angriff auch ein – und gegebenenfalls das einzige – Verteidigungsmittel gegen die Inanspruchnahme aus dem Patent liegen kann. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent anders als in anderen Rechtsordnungen nicht als Einwand im Verletzungsverfahren oder durch Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung geführt werden. Dies darf indessen nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent dem erhobenen Einspruch/der anhängigen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014 1238 – Kurznachrichten). Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der Nichtigkeitsangriff darauf gerichtet ist, die Neuheit oder die erfinderische Tätigkeit bei Findung der klagepatentgemäßen Lehre in Frage zu stellen, sich jedoch für eine Bejahung der Patentierbarkeit, die auch insoweit von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, noch vernünftige Argumente finden lassen. Gleiches gilt in Fällen, in denen der dem Klagepatent entgegengehaltene Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt oder das Klagepatent erstinstanzlich aufrechterhalten worden ist (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel E., Rn. 786f.).
- Nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist eine Aussetzung regelmäßig auch dann nicht veranlasst, wenn der Beklagte den Einspruch oder die Nichtigkeitsklage erst so kurzfristig vor dem Haupttermin erhebt, dass dem Patentinhaber eine angemessene Erwiderung auf das Einspruchs- oder Nichtigkeitsvorbringen nicht mehr möglich ist (vgl. BGH GRUR 2012, 93f. – Klimaschrank; Kühnen, a.a.O., Kapitel E., Rn. 791). Der Beklagte gibt nämlich insoweit zu erkennen, dass es ihm mit einem Angriff auf das Klagepatent nicht so ernst ist. Mangels Anhängigkeit einer Nichtigkeitsklage spielt es dann auch keine Rolle, dass sich die Parteien in ihren Schrift-sätzen bereits über etwaige Nichtigkeitsangriffe ausgetauscht haben. Einer spät eingereichten Nichtigkeitsklage steht eine solche gleich, die zwar beizeiten anhängig gemacht wurde, deren Zustellung jedoch anschließend schuldhaft bis zum oder kurz vor den Verhandlungstermin verzögert wird, z.B. dadurch, dass das angeforderte Gerichtskostenvorschuss nicht eingezahlt wird (OLG Düsseldorf, Urt. v. 11. Februar 2016, Az. I-2 U 19/15, Rz. 128 – zitiert nach juris).
- 2.
Es konnte zunächst dahingestellt bleiben, ob die Beklagten ein Verzögerungsvorwurf bei der Einreichung der Nichtigkeitsklage gegen sich gelten lassen müssen, da sie den Gerichtskostenvorschuss erst nach Festsetzung des Streitwertes im Nichtigkeitsverfahren entrichtet und so die Rechtshängigkeit der Nichtigkeitsklage erst kurz vor dem hiesigen Verhandlungstermin herbeigeführt haben. Denn eine Aussetzung kommt auch unter Berücksichtigung der einzelnen Rechtsbestandsangriffe nicht in Betracht. - Nicht zu beanstanden ist vorliegend, dass die Beklagten, obwohl sie bereits im April 2019 abgemahnt wurden, die Nichtigkeitsklage erst im November 2019, mithin innerhalb der Klageerwiderungsfrist im Verletzungsverfahren, anhängig gemacht haben, da grundsätzlich nicht verlangt werden kann, dass ein potentieller Patentverletzter eine kostenintensive Nichtigkeitsklage erhebt, bevor gerichtlich gegen ihn vorgegangen wird. Die Zahlung des Gerichtskostenvorschusses wurde von den Beklagten nach dessen vorläufiger Festsetzung durch das Bundespatentgericht ohne erkennbare größere Verzögerungen veranlasst, wenngleich die Nichtigkeitsklage der Klägerin erst am 3. April 2020, mithin gut 2,5 Monate vor dem Termin zur Hauptverhandlung im vorliegenden Verletzungsverfahren rechtsverbindlich zugestellt wurde. Die Klägerin hatte indes bereits mit der Replik zu den einzelnen Rechtsbestandsangriffen Stellung nehmen können, da ihr die Nichtigkeitsklage bereits mit der Klageerwiderung bekannt war.
- 3.
Anders als die Beklagten meinen, ist eine Aussetzung des Rechtsstreits nicht bereits deswegen geboten, da die Verletzungsgerichte Landgericht und Oberlandesgericht Düsseldorf im Vergleich mit dem Bundespatentgericht eine vermeintlich andere Auslegung des Begriffs der verlorenen Gießform vertreten (vgl. für die Möglichkeit einer Aussetzung in Diskrepanzfällen: Kühnen, a.a.O., Kapitel E., Rn. 802). Denn die Entscheidungen betreffen jeweils ein anderes Schutzrecht als es im hiesigen Verfahren geltend gemacht wird, so dass die mit Blick auf das EP‘XXX jeweils vertretene Auslegung nicht ohne weiteres auf das hiesige Verfahren übertragbar sind. Mit Blick auf das streitgegenständliche Klagepatent gibt es noch keine Entscheidung oder vorläufige Einschätzung zum Rechtsbestand und somit auch noch keine Anspruchsauslegung einer Instanz, die zur Entscheidung über den Rechtsbestand berufen ist, so dass derzeit auch nicht die Gefahr einer uneinheitlichen Auslegung besteht. - 4.
Den maßgeblichen Erfolg der Nichtigkeitsklage vermochte die Kammer nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit festzustellen. -
4.1
Eine neuheitsschädliche Vorwegnahme der klagepatentgemäßen Lehre durch die prioritätsältere Schrift EP 0 933 482 A2 (vorgelegt als Anlage N(K)3 zum Anlagenkonvolut PBP01; im Folgenden: (N)K3) konnte nicht festgestellt werden. - 4.1.1.
Neuheitsschädlichkeit liegt vor, wenn die Entgegenhaltung objektiv den Stand der Technik offenbart; unrichtige Annahmen oder Festlegungen des Anmelders in der Patentschrift selbst sind unerheblich (BGH GRUR 1999, 914, 917 – Kontaktfederblock). Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein anderer als er auch sonst im Patentrecht zu Grunde gelegt wird (BGH GRUR 2009, 382, 384 – Olanzapin; GRUR 2004, 407, 411 – Fahrzeugleitsystem). Zu ermitteln ist deshalb nicht, in welcher Form der Fachmann etwa mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der von ihr gegebenen (allgemeinen) Lehre „unmittelbar und eindeutig“ entnimmt (BGH GRUR 2002, 146, 148 – Luftverteiler; GRUR 2004, 133, 135 – Elektronische Funktionseinheit; GRUR 2008, 597, 598 – Betonstraßenfertiger; GRUR 2011, 999, 1001 – Memantin; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Februar 2016 – I-2 U 55/15 –, Rn. 50, zitiert nach juris). - 4.1.2.
Die Kammer vermochte nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu erkennen, dass der Fachmann der (N)K3 alle Merkmale des Anspruchs 1 unmittelbar und eindeutig entnehmen kann. - Die (N)K3 offenbart ein Fertigbauteil für eine auskragende Balkonplatte, welches deren Anschluss an das Hauptbauwerk ermöglichen soll, wobei eine Wärmeübertragung möglichst verhindert werden soll, so dass im Winter kein Kältebrücken entstehen können (vgl. Abs. [0002]). Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 und 2 zeigen einen erfindungsgemäßen, mit Blick auf Figur 1 auf den Kopf liegenden Dämmkörper mit eingesetzten Zug- und Querkraftstäben sowie ein Fertigbauteil, bestehend aus einer Fertigteilplatte, angegossenem Dämmkörper und eingesetzten Gitterträgern:
- Unabhängig davon, ob die (N)K3 die Merkmale 1.1. bis 1.4. des Vorrichtungsanspruchs 1 hinreichend deutlich offenbart, fehlt es jedenfalls an einer ausreichend unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung der Merkmalsgruppe 1.5., gemäß der die [verlorene] Gießform im Anlagebereich zwischen Druckelement und Bauteil nach Art eines Gleitelements in Form einer Gleitschicht oder Gleitplatte ausgebildet sein soll und sie im Bereich außerhalb des Kontaktprofils aus einem Wärmedämmmaterial besteht.
- Das Klagepatent fordert insoweit, dass das Gleitelement Teil der verlorenen Gießform ist. Daraus folgert der Fachmann, dass das Gleitelement derart ausgebildet sein muss, dass es – neben seiner späteren Funktion als Gleitmittel – als Teil der Gießform auch den Gießvorgang mit begleitet, d.h. dass es dem einzufüllenden Beton nicht nachgibt, sondern seine Form behält. Anderenfalls würde die Gießform nicht ihre Funktion erfüllen können, wenn das Gleitelement dem Einfüllvorgang nicht standhalten würde, da dann das zu gießende Bauteil nicht die gewünschte Form erhalten würde.
- Ausweislich der Absätze [0013] und [0021] der (N)K3, soll die Gleitschicht im beanspruchten Fertigbauteil (Bezugsziffer 26 in den Figuren 1 und 2) vorzugsweise aus Teflon in einer Schichtstärke von nur 0,5 bis 1 mm bestehen, wobei sich daraus für den Fachmann nicht unmittelbar und eindeutig ergibt, dass eine solche dünne Schicht geeignet ist, als Gießform zu dienen und dem aushärtenden Beton genügend Widerstand entgegenzusetzen, um eine ungewollte Ausdehnung der Drucklager in Richtung Gebäude entgegenzuwirken (vgl. Absatz [0012] der (N)K3). Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass in Absatz [0013] der N(K)3 von einem „hochfesten Kunststoff“ als Material für die Gleitschicht die Rede ist, was für die Eignung als Gießform sprechen könnte, so steht diesem Verständnis die verhältnismäßig geringe Stärke der Schicht entgegen, die für sich genommen gegen eine eindeutigen Eignung der Gleitschicht, den Teil einer Gießform bilden zu können, spricht.
- Die technisch nur laienhaft besetzte Kammer vermochte daher letztlich nicht mit der erforderlichen hinreichenden Sicherheit zu beurteilten, dass der Fachmann der N(K)3 Merkmal 1.5. unmittelbar und eindeutig entnehmen kann. Mit Blick auf den in einem Verletzungshauptsacheverfahren anzusetzenden Maßstab für eine Aussetzung, welcher das Vorliegen einer hinreichenden Erfolgswahrscheinlichkeit eines Nichtigkeitsangriffs umfasst, genügt es nicht, wenn die Erfolgswahrscheinlichkeit bei 50% liegt.
- 4.2.
Die Kammer vermochte ebenfalls nicht festzustellen, dass die prioritätsältere Schrift DE 10 2007 014 XXX A1 (vorgelegt als Anlage N(K)4 zum Anlagenkonvolut PBP01; im Folgenden: (N)K4) dem Klagepatent neuheitsschädlich entgegensteht. - Die (N)K4 betrifft ein Druckelement eines Bauelementes zur Wärmedämmung. Nachfolgend wiedergegebene Figur 5 der (N)K4 zeigt eine (vierte) Ausführungsform eines Bauelementes zur Wärmedämmung nach der Lehre der Entgegenhaltung:
- Auch mit Blick auf die (N)K4 fehlt es jedenfalls an einer hinreichend eindeutigen und unmittelbaren Offenbarung der Merkmalsgruppe 1.5. Soweit die Beklagten für die Gleitschichten Bezug nehmen auf die Endflächen (33b) und (33c) bzw. deren gewölbte Kontaktprofile (33d) und (33e), die gemäß Absatz [0018] insbesondere auch aus Teflon bestehen können, so fehlt es dem Fachmann an einer Offenbarung, dass diese Teile Bestandteil der verlorenen Gießform sind. Denn die Klägerin hat in der Replik unwidersprochen vorgetragen, dass diese Endstücke nachträglich, d.h. erst nach dem Gießen des in diesem Ausführungsbeispiel aus Beton bestehenden Mittelstücks (33a), angeklebt werden, so dass sie jedenfalls kein Teil der Gießform für das Mittelstück sein können.
- Unabhängig davon fehlt es auch einer hinreichenden Offenbarung daran, dass die verlorene Gießform außerhalb des Kontaktprofils aus Wärmedämmmaterial besteht. Soweit die Beklagten Bezug nehmen auf Absatz [0026], so betrifft dieser – worauf die Klägerin zu Recht und unwidersprochen hingewiesen hat – ein anderes Ausführungsbeispiel, bei dem der mittlere Teil aus glasfaserverstärktem Kunststoff besteht. Der Fachmann überträgt die Ausführungen nicht zwingend auch auf das in Bezug genommene vierte Ausführungsbeispiel mit einem Kern aus Beton. Absatz [0047], auf den die Beklagten ebenfalls noch Bezug nehmen, spricht davon, dass das mittlere Teilstück noch von einer Hülle aus Kunststoff umhüllt wird; indes ist nicht zu erkennen, dass es sich dabei auch um ein Dämmmaterial im Sinne des Klagepatents handelt.
-
4.3.
Darüber hinaus konnte auch eine neuheitsschädliche Vorwegnahme der klagepatentgemäßen Lehre durch die prioritätsältere Schrift EP 1 225 XXX B1 (vorgelegt als Anlage N(K)5 zum Anlagenkonvolut PBP01; im Folgenden: (N)K5) nicht festgestellt werden. - Eine Aussetzung auf Grundlage der (N)K5 scheidet schon aus formalen Gründen aus, da es sich bei der (N)K5 um das aus dem vorangegangenen Verfügungsverfahren parallele Verfügungspatent handelt, welches vom Klagepatent in Absatz [0002] ausdrücklich in Bezug genommen wurde und damit im Erteilungsverfahren als geprüften Stand der Technik darstellt.
- Im Übrigen fehlt es aber auch an einer hinreichenden Offenbarung eines zwei- oder mehrteilig ausgebildeten Zusatzelementes nach dem Merkmal 1.4. Die Beklagten haben insoweit nur pauschal Bezug genommen haben auf die Figuren 8 bis 15 und deren Beschreibung, ohne konkret aufzuzeigen, woraus der Fachmann der (N)K5 die Mehrteiligkeit genau entnehmen soll. Die in Bezug genommenen Figuren scheinen vielmehr eine (verlorene) Gießform zu zeigen, die einteilig aus Kunstsoff gebildet wird, vgl. auch Absatz [0009].
- 4.4.
Schlussendlich hat auch der auf den Aspekt der fehlenden erfinderischen Tätigkeit gestützte Nichtigkeitsangriff keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. - Entgegen der prozessleitenden Verfügung vom 12. August 2019 (Bl. 45ff. d.A.) haben die Beklagten zum Angriff auf die erfinderische Tätigkeit nur unsubstantiiert vorgetragen, in dem sie mit Blick auf die Entgegenhaltungen (N)K8 bis (N)K12 lediglich auf einzelnen Absätze oder Figuren Bezug genommen haben, ohne weiter dazu auszuführen. Ohne entsprechenden Vortrag vermochte die Kammer indes nicht zu erkennen, aus welchen Stellen genau der Fachmann den in Bezug genommenen Schriften die Merkmale des Anspruchs 1 entnehmen sollte und wieso insbesondere das Merkmal 1.5.1. für ihn naheliegend gewesen sein sollte.
- B.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.