Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3061
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 04. August 2020, Az. 4c O 67/19
- I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. - Tatbestand
- Die Klägerin verfolgt mit dem hiesigen Rechtsstreit gestützt auf den deutschen Teil des europäischen Patents EP 2 400 XXX B1 (Anlage rop B1; im Folgenden: Klagepatent) Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung sowie Feststellung der Verpflichtung zur Schadensersatzzahlung gegen die Beklagte.
- Die Klägerin ist Inhaberin des Klagepatents, welches ein System und Verfahren zum Bereitstellen der Gestaltung eines Zahnstiftaufbaus betrifft und am 25.02.2010 unter Inanspruchnahme einer Priorität der DK XXX vom 25.02.2009 sowie einer Priorität der US XXX P vom 20.03.2009 in englischer Verfahrenssprache angemeldet wurde. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte unter dem 04.01.2012, der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 02.04.2014 veröffentlicht. Das Klagepatent steht auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Über die seitens der Beklagten mit Schriftsatz vom 20.05.2020 erhobene Nichtigkeitsklage (vgl. Anlage HL 4, HL 5) ist bisher nicht entschieden worden.
- Anspruch 1 des Klagepatents lautet in der englischen Verfahrenssprache:
- „A computer-implemented method of designing and/or manufacturing a post and core (21; 41, 42, 43; 51; 110, 111) to match a bore (31) of a tooth (24), said method comprising the steps of:
a) obtaining at least one impression of a set of teeth, said set of teeth comprises a bore;
b) scanning the impression;
c) providing a three-dimensional scan representation of the impression;
d) transforming the three-dimensional scan representation to a virtual three-dimensional positive working model (106) of the set of teeth and the bore; and e) designing a virtual post and core model (101; 112) from the positive working model (106) of the bore.“ - Übersetzt lautet der Klagepatentanspruch 1:
- „Computerimplementiertes Verfahren zur Gestaltung und oder Herstellung eines Stiftaufbaus (21; 41, 42, 43; 51; 110, 111), um einer Bohrung (31) eines Zahns (24) zu entsprechen, wobei das genannte Verfahren die Schritte umfasst:
a) Erhalten von wenigstens einem Abdruck eines Gebisses, wobei das genannte Gebiss eine Bohrung umfasst;
b) Scannen des Abdrucks;
c) Bereitstellen einer dreidimensionalen Scan-Darstellung des Abdrucks;
d) Umwandlung der dreidimensionalen Scan-Darstellung in ein virtuelles dreidimensionales positives Arbeitsmodell (106) des Gebisses und der Bohrung; und
e) Gestalten eines virtuellen Stiftaufbaumodells (101; 112) von dem positiven Arbeitsmodell (106) der Bohrung.“ - Nachfolgende Figuren sind der Klagepatentschrift entnommen. Die Figur 2 zeigt als eine Ausführungsform der Erfindung schematisch eine Dentalrestauration mit einem Stiftaufbau.
- Ebenso eine Ausführungsform der Erfindung betreffend zeigt die Figur 3 ein 3D-Modell, das ein Ergebnis eines Abdruckscans ist.
- Die Figur 8 schließlich zeigt den gesamten Arbeitsablauf des Verfahrens.
- Bei der Klägerin handelt es sich um ein Unternehmen, das auf die Entwicklung von 3D-Scannern und Software zur visuellen Darstellung und Weiterverarbeitung der Scan-Daten spezialisiert ist; insbesondere im Bereich der Dentaltechnologie.
- Auch die Beklagte ist auf diesem Gebiet tätig und bietet weltweit 3D-Scanner gemeinsam mit entsprechender Betriebssoftware an. Ihre Angebote betreffen insbesondere 3D-Mess- und CAD/CAM-Lösungen für Zahnkliniken und -labore. Auf ihrer Website, abrufbar unter der Domain XXX bewirbt die Beklagte ihre Produkte, insbesondere die Scanner A, B und C für Anwendungen im Dentalbereich (vgl. Anlage rop 5; im Folgenden gemeinsam: angegriffene Ausführungsformen). Sowohl die Startseite der Website als auch die Produktseite für die angegriffenen Ausführungsformen sind auf Deutsch gestaltet (Anlagen rop 3, rop 4). Die Homepage der Beklagten bietet über den Button „Jetzt kaufen“ eine direkte Kaufmöglichkeit, indem man Kontaktdaten hinterlassen und sodann ein Angebot der Beklagten erhalten kann. Auch über einen deutschsprachigen Online-Shop der Beklagten ist die angegriffene Ausführungsform erhältlich.
- Zusammen mit den Modellen B und C liefert die Beklagte die Software D (vgl. Anlage rop 9; im Folgenden: angegriffene Ausführungsform 1). Zu den anderen Produkten A wird auf einem USB-Stick die Scan-Software E geliefert (vgl. Anlage rop 6; im Folgenden: angegriffene Ausführungsform 2). Sie wird auf einem handelsüblichen Computer installiert und hält eine Stiftaufbau-Funktion bereit, wie sie auch in einem Artikel auf der Homepage der Beklagten beschrieben wird (vgl. Anlage rop 7). Die Weiterverarbeitung der erhaltenen Scan-Daten erfolgt mittels einer CAD/CAM-Software. Gleichermaßen wird die Software D auf einem handelsüblichen Computer installiert, die ebenso wie die Software E über eine Funktionalität zum virtuellen Stiftaufbau verfügt (vgl. Anlagen rop 10, 11).
- Die Klägerin nahm die Beklagte bereits in dem ebenfalls vor der Kammer anhängigen Rechtsstreit (Az. 4c O 11/19) aus dem europäischen Patent EP 2 568 XXX B1 in Anspruch. Die Kammer verurteilte die Beklagte mit Ausnahme der Herstellungshandlung und des Vernichtungsanspruchs antragsgemäß mit Urteil vom 09.01.2020 zu Unterlassung, Rechnungslegung und Rückruf und stellte die Verpflichtung der Beklagten zur Schadensersatzleistung fest.
- Die Klägerin meint, dass die angegriffenen Ausführungsformen mittelbaren Gebrauch von der Lehre des Klagepatents machen würden. Das Klagepatent lasse es für einen Abdruck des Gebisses ausreichen, wenn ein Teilabdruck der für den Stiftaufbau relevanten Bereiche angefertigt werde, da von einem solchen Teilabdruck wiederum nur ein Teilbereich, namentlich der Bereich der Bohrung, für die weiteren Arbeiten benötigt würde. Dementsprechend komme es auf ein Erfassen der zur Bohrung benachbarten Zähne weder im Abdruck, noch in einer späteren Scan-Darstellung an. Dazu behauptet die Klägerin, dass die beiden angegriffenen Ausführungsformen insoweit mittelbaren Gebrauch von der Lehre des Klagepatents machen würden, als dort ein Scannen des Abdrucks vorgenommen werden müsse. Für ein erfindungsgemäßes Scannen sei, wie bei der angegriffenen Ausführungsform 2, auch ausreichend, nur den Bereich der Bohrung zu scannen.
- Nach dem Klagepatent könne ein virtuelles dreidimensionales positives Arbeitsmodell eines Gebisses oder wesentlicher Teile davon auch durch eine Kombination verschiedener Verfahren erhalten werden. Die im Klagepatentanspruch enthaltenen Schritte seien insoweit zwingende Bestandteile des Verfahrens, wobei es sich aber nicht um die Einzigen handeln müsse. Auch deshalb verwirklichten die angegriffenen Ausführungsformen die Lehre des Klagepatents, weil sie jeweils sowohl auf den negativen Abdruck eines Gebisses als auch auf ein positives Gipsmodell zurückgreifen und die daraus erhaltenen Scan-Darstellungen zu einem positiven Arbeitsmodell als Grundlage des virtuellen Stiftaufbaumodells zusammenfügen würden.
- Da die Beklagte die Scanner gemeinsam mit der Software anbieten würde, habe sie Kenntnis davon, dass die angegriffenen Ausführungsformen dazu geeignet und bestimmt seien, für ein Verfahren nach der Lehre des Klagepatents benutzt zu werden. Dies würden auch ihre Empfehlungen zur Verwendung in Web-Tutorials belegen. Aufgrund des Vertriebs in die Bundesrepublik Deutschland sei der erforderliche doppelte Inlandsbezug vorhanden.
- Mit Blick auf die Rechtsfolgen sei ein Schlechthinverbot auszusprechen, weil die angegriffenen Ausführungsformen auch ohne die Implementation der Stiftaufbau-Funktion und damit patentfrei vertrieben werden könnten. Umstände, weshalb der Beklagten die Entfernung dieser Funktion unzumutbar sein könnte, lägen nicht vor und seien von der Beklagten nicht aufgezeigt worden.
- Der Rechtsstreit sei schließlich nicht auszusetzen, weil sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen werde.
- Nachdem die Klägerin den Antrag unter Ziff. I.2. dahingehend geändert hat, dass sie die elektronische Belegvorlage nur zusätzlich begehrt,
- beantragt sie,
- I. die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft am Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
3D-Scan-Software sowie mit dieser Scan-Software betreibbare Scanner, die geeignet sind zur Durchführung eines computerimplementierten Verfahrens zur Gestaltung und/oder Herstellung eines Stiftaufbaus, um einer Bohrung eines Zahns zu entsprechen,
wobei das genannte Verfahren die Schritte umfasst:
a) Erhalten von wenigstens einem Abdruck eines Gebisses, wobei das genannte Gebiss eine Bohrung umfasst;
b) Scannen des Abdrucks;
c) Bereitstellen einer dreidimensionalen Scan-Darstellung des Abdrucks;
d) Umwandlung der dreidimensionalen Scan-Darstellung in ein virtuelles dreidimensionales positives Arbeitsmodell des Gebisses und der Bohrung und
e) Gestalten eines virtuellen Stiftaufbaumodels von dem positiven Arbeitsmodell der Bohrung, - in der Bundesrepublik Deutschland Abnehmern zur Benutzung in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern;
- 2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses, zusätzlich auch in elektronischer Form, vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 02.05.2014 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, Bestellungen und Downloads, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, Liefer- und Bestellzeiten, Anzahl und Zeiten der Downloads, den für Lieferungen, Bestellungen und Downloads gezahlten Preise, sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer und der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu lit. a) Rechnungen, und für den Fall, dass keine Rechnungen vorhanden sind, Lieferscheine vorzulegen hat und
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist; - II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I.1 bezeichneten, seit dem 02.05.2014 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen,
hilfsweise den Rechtsstreit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung des Bundespatentgerichts über den Rechtsbestand des Klagepatents auszusetzen. - Sie ist der Ansicht, dass die Klage schon unzulässig sei, weil die Klägerin nicht gem. § 25 PatG einen inländischen Vertreter im Patentregister bestellt habe. Dieser Verfahrensfehler könne auch nachträglich nicht geheilt werden. Die Bestellung eines inländischen Prozessvertreters ändere an der Unzulässigkeit ebenso wenig etwas.
- Außerdem meint die Beklagte, dass die angegriffenen Ausführungsformen keinen mittelbaren Gebrauch von der Lehre des Klagepatents machen würden. Diese verlange im Sinne eines Gebisses, dass nicht nur die Bohrung vom Abdruck erfasst werde, sondern auch (zumindest) benachbarte Zähne. Dementsprechend beziehe sich auch der anzufertigende Scan auf den Bereich der Bohrung einschließlich unmodifizierter Zähne. Bei der angegriffenen Ausführungsform 2 werde aber nicht der Abdruck – wie er vom Patienten genommen worden sei – gescannt, sondern lediglich die Bohrung. Entsprechend werde der Zahnarzt in der Bedienungsanleitung angewiesen. Aufgrund dessen könne anschließend auch die Software keine dreidimensionale Scan-Darstellung eines Abdrucks der Bohrung nebst benachbarter Zähne bereitstellen. Da es schon an einer entsprechenden negativen Scan-Grundlage fehle, finde anschließend keine Umwandlung der dreidimensionalen Scan-Darstellung in ein virtuelles dreidimensionales positives Arbeitsmodell des Gebisses und der Bohrung statt. Vielmehr werde unterschiedliches Datenmaterial zusammengefügt, nämlich die Scan-Darstellung des positiven Gipsmodells mit nur dem invertierten Scan der Bohrung. Die erfindungsgemäße Lehre lasse es nicht zu, dass bei der Umwandlung der dreidimensionalen Scan-Darstellung in ein virtuelles dreidimensionales positives Arbeitsmodell des Gebisses und der Bohrung auf andere Daten/Informationen als den Scan zurückgegriffen werden dürfe, etwa auf einen positiven Abdruck des Gebisses. Die angegriffene Ausführungsform 1 fiele demgemäß ebenso wenig unter die erfindungsgemäße Lehre, weil sie nicht eine dreidimensionale Scan-Darstellung des negativen Abdrucks in ein virtuelles dreidimensionales positives Arbeitsmodell des Gebisses und der Bohrung wandle. Vielmehr werde, nach dem Scannen, nur die ausgewählte und freigestellte negative Darstellung der Bohrung in ein virtuelles Arbeitsmodell umgewandelt.
- Ferner ist die Beklagte der Ansicht, dass im Falle einer Verurteilung kein Schlechthinverbot ausgesprochen werden dürfe.
- Jedenfalls sei der Rechtsstreit mangels Rechtsbestands des Klagepatents auszusetzen. Gestützt auf die Druckschrift US 2006/XXX A1 (Anlage HLNK 7; im Folgenden: HLNK 7) könnte dem Klagepatent mangelnde Neuheit entgegengehalten werden. Ausgehend von dem Artikel „XXX“ (Anlage HLNK 8; im Folgenden: HLNK 8) in Verbindung mit der WO 2008/XXX (Anlage HLNK 9; im Folgenden: HLNK 9) fehle es dem Klagepatent an erfinderischer Tätigkeit. Dies gelte entsprechend für eine Kombination der US 6,217,XXX B1 (Anlage HLNK 12; im Folgenden: HLNK 12) und der US 4,611,XXX (Anlage HLNK 13; im Folgenden: HLNK 13).
- Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftstücke nebst Anlage Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
- A.
Die Klage ist zulässig. Ein unbehebbarer Verfahrensfehler im Sinne des § 25 PatG – wie von der Beklagten behauptet – liegt nicht vor. - Auszugsweise lautet § 25 PatG, dass, wer im Inland weder Wohnsitz, Sitz noch Niederlassung hat, an einem in diesem Gesetz geregelten Verfahren vor dem Patentamt oder dem Patentgericht nur teilnehmen und die Rechte aus einem Patent geltend machen kann, wenn er im Inland einen Rechtsanwalt oder einen Patentanwalt als Vertreter bestellt hat […].
- Der Anwendungsbereich dieser Regelung ist vorliegend nicht eröffnet. Ausdrücklich besagt der Normtext, dass die Bestellung eines Inlandsvertreters für solche Verfahren erforderlich ist, die im Patentgesetz geregelt sind. Das betrifft, wie weiterhin der Vorschrift zu entnehmen ist, Verfahren vor dem Patentamt sowie dem Patentgericht, mithin z.B. Anmelde-, Prüfungs-, Einspruchs-, Beschwerde- und Klageverfahren (vgl. Schulte/Rudloff-Schäffer, Patentgesetz, 10. Aufl., § 25, Rn. 25 f.). Das Verletzungsverfahren wird dort nicht in Bezug genommen, was seinen Grund insbesondere darin hat, dass für derlei gerichtliche Verfahren die Zivilprozessordnung maßgeblich ist und diese die Bestellung eines Inlandsvertreters nicht vorsieht. Außerdem besteht gem. § 78 ZPO für Verfahren vor den Landgerichten, mithin in Patentverletzungsstreitigkeiten, regelmäßig Anwaltszwang und die ZPO hält zudem über § 184 ZPO Möglichkeiten bereit, mit ausländischen Parteien (erleichtert) in Kontakt zu treten, weshalb der Zweck des § 25 PatG, der insbesondere auch auf eine Erleichterung des Rechtsverkehrs mit ausländischen Beteiligten gerichtet ist, hinreichend erfüllt wäre.
- Etwas anderes lässt sich mit Wirkung für den hiesigen Rechtsstreit nicht dem als Anlage HL 3 vorgelegten Beschluss des BGH entnehmen. Denn dieser bezieht sich auf eine Rechtsbeschwerde, die ihrerseits einen Beschluss des Bundespatentgerichts zum Gegenstand hat und kein vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit geführtes Verletzungsverfahren.
- Im Übrigen ist nunmehr im Register für die Klägerin ein inländischer Vertreter eingetragen worden (vgl. Anlage rop 14).
- B.
In der Sache hat die Klage jedoch keinen Erfolg. - I.
Das Klagepatent betrifft ein System und ein Verfahren zum Bereitstellen der Gestaltung eines Zahnstiftaufbaus, insbesondere im Zusammenhang mit CAD/CAM-Gestaltung/Herstellung eines Stiftaufbaus. Einen Stiftaufbau beschreibt das Klagepatent dabei als einen typischen Teil einer Dentalrestauration (vgl. Abs. [0001]). - Der Bedarf, einen Stiftaufbau vorzusehen, entsteht bei Verlust einer Zahnstruktur wegen Zahnfäule oder Bruch, sodass nicht mehr genug Zahnstruktur vorhanden ist, um eine Krone richtig zu halten. Mittels des Stiftaufbaus wird so eine Zahnstruktur zur zukünftigen Wiederherstellung eines Zahnes mittels einer Krone geschaffen. Gerade bei Zahnwurzelbehandlungen und der Entfernung der Zahnwurzel mittels eines Bohrers verbleibt ein Wurzelkanal, in welchen sodann ein Stift eingeführt wird, der Halt für einen Kern geben soll, der – aufgrund seines Charakters als Materialaufbau – die Zahnstruktur ersetzen soll. Stets ist ein maßgearbeiteter Stift erforderlich, weil schon der Zahnwurzelkanal keine regelmäßigen Strukturen aufweist und auch die Bohrung im Zahn oft unregelmäßig ist (vgl. Abs. [0003]).
- In Abs. [0004] erläutert das Klagepatent eine bekannte Verfahrensweise, wie ein Stiftaufbau typischerweise durchgeführt wurde. Danach wurde ein Abdruck des präparierten Zahns mit der Bohrung und möglicherweise benachbarter Zähne vom Zahnarzt genommen, einem Zahntechniker zugeleitet, welcher ein Dentalmodell (Gipsmodell) gefertigt hat und die Dentalrestauration mit dem Stiftaufbau aus dem Modell heraus aufgebaut hat.
- Aus dem Stand der Technik war zudem die Verwendung von CADCAM-Technologie zum Herstellen eines maßangefertigten Stiftes bekannt, welche die Herstellung eines Acrylharzmusters vorsieht, um die Anatomie des Kanals zu erfassen. Das Muster wird anschließend gescannt, gefräst und gesintert. Zur näheren Beschreibung dieser Technologie nimmt das Klagepatent auf den Artikel „XXX“ von X u.a. aus X Bezug.
- In den Abs. [0009] und [0010] bezieht sich die Klagepatentbeschreibung ferner auf die WO 200X/XXX, die ein computerimplementiertes Verfahren zum Erhalten der Orientierung und Lokalisierung eines Dentalimplantats umfasst, schützt und die XXX, die ein System zum Herstellen eines Dentalstiftes mittels des Abdrucks des Wurzelkanals unter Schutz stellt.
- Abdruckscannen ist nach dem Stand der Technik grundsätzlich bekannt (vgl. Abs. [0012]). Ebenso war vorbekannt, ein Dentalgipsmodell, also ein aus einem Abdruck gewonnenes positives Modell, mit einer Bohrung auf herkömmliche Weise 3D zu scannen. Die Bohrung lag als schmaler Zahnhohlraum vor. Deshalb ist es für den eingesetzten Scanner wegen des Triangulationsprinzips praktisch unmöglich, gerade bei schmalen Bohrungen oder bei solchen mit einer unregelmäßigen Gestalt deren Struktur bildlich aufzulösen (vgl. Abs. [0011]).
- Hieran kritisiert das Klagepatent, dass bekannte CAD/CAM-Verfahren nicht effizient und hochwertig genug sind, um einen Stiftaufbau bereitzustellen (Abs. [0007]). Die Fehlerquote der Scan-Aufnahmen soll verringert werden.
- Das Klagepatent formuliert daher die Aufgabe, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, das das bildliche Auflösen der Struktur einer Zahnbohrung ermöglicht, um einen passenden Stiftaufbau zu erhalten. Denn beim Scannen des Abdrucks einer Bohrung ist schon deshalb ein besseres Scanergebnis zu erwarten, weil die Bohrung als Spitze und nicht als Hohlraum geformt ist (vgl. Abs. [0012]). Außerdem kann das Gießen eines Dentalmodells aus Gips entfallen (vgl. Abs. [0014]).
- Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent ein Verfahren mit folgenden Merkmalen vor:
- 1. Computerimplementiertes Verfahren zur Gestaltung und oder Herstellung eines Stiftaufbaus (21; 41, 42, 43; 51; 110, 111), um einer Bohrung (31) eines Zahns (24) zu entsprechen, wobei das genannte Verfahren die Schritte umfasst:
2. a) Erhalten von wenigstens einem Abdruck eines Gebisses, wobei das genannte Gebiss eine Bohrung umfasst;
3. b) Scannen des Abdrucks;
4. c) Bereitstellen einer dreidimensionalen Scan-Darstellung des Abdrucks;
5. d) Umwandlung der dreidimensionalen Scan-Darstellung in ein virtuelles dreidimensionales positives Arbeitsmodell (106) des Gebisses und der Bohrung; und
6. e) Gestalten eines virtuellen Stiftaufbaumodells (101; 112) von dem positiven Arbeitsmodell (106) der Bohrung. - II.
Die Parteien streiten über das Zusammenspiel der einzelnen beanspruchten Verfahrensschritte und dabei zurecht nur über das Verständnis der Merkmale 3, 4 und 5, sodass Ausführungen der Kammer zu den übrigen Merkmalen nicht erforderlich sind. - 1.
Nach Merkmal 3 ist das „Scannen des Abdrucks“ als Verfahrensschritt beansprucht. - Unter einem Abdruck versteht das Klagepatent ein negatives Dentalmodell, das sowohl die Bohrung sowie (mindestens) diejenigen Zähne des Kieferbereichs abbildet, in dem sich die zu restaurierende Stelle befindet. Davon ausgehend versteht das Klagepatent unter dem Scannen des Abdrucks, dass das physische negative Modell einem Scanvorgang unterzogen wird. Sofern nicht schon der nach Merkmal 2 gewonnene Abdruck selbst nur aus der Bohrung und den benachbarten Zähnen besteht, ist für das Scannen in jedem Fall ausreichend, wenn die Fehlstelle sowie benachbarte gesunde Zähne abgebildet werden. Auf die Darstellung/Visualisierung des gesamten Ober-/Unterkiefers kommt es nicht an, wobei andererseits nur der Scan der Bohrung auch nicht ausreichend ist.
- Eine eigene Definition für das Scannen des Abdrucks hält das Klagepatent nicht bereit. Hinweise auf vorstehendes Verständnis und den Umfang des vorzunehmenden Scans findet der Fachmann in Beschreibungspassagen der Klagepatentschrift.
- So ist mittelbar schon dem Abs. [0013] zu entnehmen, dass für den Scan nicht mehr Bereiche des Abdrucks als unbedingt erforderlich in den Blick genommen werden müssen, mithin nicht der gesamte Kiefer, wenn es nur eine schadhafte, zu behandelnde Stelle gibt. Es heißt dort:
- „Das positive Arbeitsmodell kann z.B. durch Löschen einiger Seiten erzeugt werden, wenn diese beispielsweise eine Schattierung oder Schatten für einige der Zähne in dem Modell bereitstellen […].“
- Indem das Klagepatent in dieser Beschreibungsstelle ausdrücklich erlaubt, nachträglich auf einige ausgewählte Seiten in einem 3D-Modell zu verzichten, signalisiert es dem Fachmann, dass nicht mehr Datenmaterial als für die Verarbeitung notwendig verwendet werden muss. Auf sich nachteilig auswirkendes Material darf sogar vernichtet werden. Zugleich offenbart Abs. [0013] an dieser Stelle durch die Bezugnahme auf einige Zähne in dem Modell, dass gerade nicht nur die Bohrung, sondern auch umgebende Zähne dargestellt werden. Wenn diese Zähne aber Gegenstand des positiven Arbeitsmodells sind (vgl. Merkmal 5), bedingt dies, dass sie zuvor Bestandteil des Abdrucks waren und als solche dann gescannt worden sind.
- Anhaltspunkte, wonach nur die Bohrung gescannt werden darf, ohne benachbarte Bereiche in die Darstellung einzubeziehen, findet der fachkundige Leser dagegen in der Klagepatentschrift nicht. Derlei wird nicht von Abs. [0012] der Klagepatentschrift offenbart. Einleitend heißt es dort zwar: „Abdruckscannen ist nach dem Stand der Technik bekannt. Jedoch betrifft diese Erfindung das Scannen eines Abdrucks einer Bohrung“. Indes ist diese Beschreibungspassage nicht nur mit Blick auf die Bohrung zu lesen und darf daher nicht so verstanden werden, dass die Bohrung isoliert behandelt wird. Vielmehr hebt das Klagepatent mit dieser Beschreibung des Abdrucks der Bohrung und dem darauf bezogenen Scannen nur den Vorzug der erfindungsgemäßen Lehre hervor, wonach nicht mehr ein Gipsmodell einer Bohrung, sondern schon der Abdruck ebenjener Bohrung gescannt werden soll. Dass Abs. [0012] mit dieser Formulierung jedenfalls nicht ausschließlich den Scan der Bohrung vorsieht, geht aus Zeile 31 ff. desselben Beschreibungsabsatzes hervor, die auszugsweise lautet:
- „Um jedoch eine gute Darstellung der unmodifizierten Zähne zu erlangen, kann der Abdruckscan invertiert oder in ein positives Modell umgewandelt werden, wobei die Zähne eine Ausdehnung haben oder sich erstrecken, statt Löcher zu sein“.
- Darin bringt das Klagepatent das Bedürfnis zum Ausdruck, ergänzend zu der Bohrung die Ausdehnung und Erstreckung der gesunden Zähne anhand eines positiven Modells zu ermitteln. Auf ähnliche Weise beschreibt das Klagepatent in Abs. [0033] ausdrücklich, dass auf die benachbarten Zähne bei der Gestaltung des Stiftaufbaumodells Acht zu geben ist. Dies ist besonders dann erforderlich, wenn die Einführrichtung nicht notwendigerweise mit der Richtung der Hauptachse des Stifts übereinstimmt und daher die Neigung des verlorenen Zahns sowie der angrenzenden Zähne miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Wenngleich der Stift als solcher auch ohne Berücksichtigung des umgebenden Gebisses hergestellt werden könnte, gilt dies nicht mehr für den auf ihm anzubringenden Kern, der sodann Grundlage für die Krone ist. Alle einzelnen Bestandteile wirken zusammen und auch der Kern ist ein Teil des Stiftaufbaus (vgl. Abs. [0029]).
- Dies, wie auch die Darstellung unmodifizierter Zähne in Abs. [0012] setzt aber voraus und ist nur möglich, wenn überhaupt Scanmaterial auch für diese Bereiche vorhanden ist; was zugleich bedeutet, dass zuvor schon der Abdruck und ihm folgend der Abdruckscan auch diese Zähne umfasst hat und mithin nicht nur auf die Bohrung beschränkt war.
- Unterstützung in diesem Verständnis findet der Fachmann ferner durch die Anspruchssystematik und vor allem durch die Gesamtschau des Merkmals 3 mit Merkmal 2, welches das Erhalten von wenigstens einem Abdruck eines Gebisses, wobei das genannte Gebiss eine Bohrung umfasst, betrifft. Der Fachmann erkennt, dass das unter Schutz gestellte Verfahren sukzessive Arbeitsschritte bereitstellt, die inhaltlich aufeinander aufbauen und das in dem vorherigen Arbeitsschritt erhaltene Arbeitsergebnis weiterverarbeiten. Konkret zeigt sich die jeweilige Anknüpfung an den vorherigen Arbeitsschritt z.B. an der Formulierung des Merkmals 3 – „Scannen des Abdrucks“. Dieser Abdruck wird dort jedoch nicht weiter erläutert, sondern als vorhanden vorausgesetzt. Erstmals wird ein solcher Abdruck in Merkmal 2 beschrieben, auf welchen sodann in den folgenden Merkmalen Bezug genommen wird. Dieser Systematik folgen sodann auch die weiteren Verfahrensschritte in den Merkmalen 4 bis 6. Ihnen ist jeweils zu entnehmen, dass sie an das Ergebnis des vorherigen Arbeitsschrittes anknüpfen. Dies entnimmt er der Kennzeichnung der einzelnen Arbeitsschritte mit den lit. a bis lit. e. Ferner ergibt sich dies aus dem zwischen Schritt 5 und 6 enthaltenen Bindewort „und“.
- Demnach wird in dem Verfahrensschritt nach Merkmal 3 derjenige Abdruck einem Scan unterzogen, der nach dem Verfahrensschritt in Merkmal 2 erhalten wurde. Im Hinblick auf den Gegenstand, von dem ein Abdruck zu nehmen ist, gibt der Wortlaut des Anspruchs dem Fachmann schon zu erkennen, dass es sich nicht nur um die Bohrung handelt, sondern um ein Gebiss, welches die Bohrung einbezieht („umfasst“). Nähere Erläuterungen zum Abdruckobjekt sind dem Wortlaut nicht zu entnehmen und auch die Klagepatentbeschreibung verhält sich dazu nicht konkret. Rein-philologisch meint ein Gebiss zwar die Gesamtheit der Zähne, mithin das vollständige Erfassen des Unter-/Oberkiefers. Indes weiß der Fachmann unter Berücksichtigung des angestrebten Verfahrensergebnisses, das in dem Erhalten eines virtuellen Stiftaufbaumodells liegt, dass jedenfalls die Bohrung und die sie umgebenden Zähne als Gegenstand des Abdrucks erforderlich, aber auch ausreichend sind. Dieses Verständnis des Gebisses umfassend die Bohrung entnimmt der Fachmann denselben, schon zuvor mit Blick auf das Scannen des Abdrucks erörterten Beschreibungsstellen, die durchgängig auf die Bohrung und benachbarte Zähne abstellen, was bedeutet, dass diese schon vom Abdruck erfasst sein müssen, da andernfalls deren Scandarstellung nicht möglich ist.
- Die Figuren in der Klagepatentschrift unterstützen den Fachmann außerdem in dem Verständnis, dass Scannen des Abdrucks neben der Bohrung zumindest auch benachbarte Zähne einbezieht. Denn diesen ist zunächst als Darstellung eines Abdrucks eine herkömmliche Abdruckschiene nebst Formungsmasse zu entnehmen (vgl. Fig. 1a, 1b). Sie zeigen nicht isoliert die Bohrung, von der ein Abdruck zu nehmen ist, sondern außerdem (zumindest) benachbarte Zähne. Den weiteren Figuren 3a und 3b, bei denen es sich um 3D-Scanbilder handelt, ist nur noch etwa die Hälfte des Abdrucks zu entnehmen; insbesondere die Stelle der Bohrung und benachbarte gesunde Zähne. Dazu beschreibt das Klagepatent explizit die Figur 3a als „Ergebnis“ eines Abdruckscans. Derlei ist ferner aus den Figuren 8 ersichtlich, die in den Schritten A bis C ein erfindungsgemäßes Verfahren zeigen, ausgehend von einem Abdruck, über dessen Scan und sodann ein virtuelles positives Modell. Dieses beruht auf der gescannten Vorlage; Anhaltspunkte, dass manche Bereiche aus der ursprünglichen Scanaufnahme eliminiert worden sein sollten, um zu dem nur einen Teil des ursprünglichen Abdrucks zeigenden Scan-Modells zu gelangen, sind nicht ersichtlich. Mithin sieht man, dass schon der negative Scan schon nur auf einen Teilbereich (Bohrung nebst benachbarten Zähnen) bezogen war, indes auch nicht nur auf die Bohrung selbst.
- Im Übrigen zeigen diese Beschreibungsstellen wie z.B. korrespondierend Abs. [0065], welcher die Figur 7 betrifft, demgegenüber, dass das Klagepatent auch lediglich den Abdruck einer Bohrung kennt, der wenigstens gescannt werden könnte. Eine derartige Konkretisierung sieht das Klagepatent für Anspruch 1 aber nicht vor, sondern adressiert ausdrücklich den Abdruck eines Gebisses, worunter die schadhafte Stelle/Bohrung samt benachbarter Zähne zu verstehen ist.
- Das Erfordernis, als Scandarstellung nicht nur die Bohrung, sondern zumindest auch umgebende Zähne zu erhalten, ergibt sich für den Fachmann auch unter technisch-funktionalen Gesichtspunkten. Da der Stiftaufbau – wie schon aus dem Stand der Technik bekannt – dazu dient, den Kern zu halten, und dieser seinerseits die Krone oder Stumpfkappe, ist es notwendig, dass die Krone und die Stumpfkappe mit den benachbarten gesunden Zähnen harmonieren. Dies kann der Techniker bei der Gestaltung des Stiftaufbaus allerdings nur hinreichend berücksichtigen, wenn die an die Bohrung angrenzenden Bereiche ebenfalls in der Scan-Darstellung enthalten sind.
- Dass demgegenüber Merkmal 6 wiederum von einem positiven Arbeitsmodell der Bohrung spricht, vermag das aufgezeigte Verständnis schließlich nicht zu entkräften. Denn dieser Verfahrensschritt bezieht sich auf die Erstellung des virtuellen Stiftaufbaumodells, welches naturgemäß unmittelbar nur die Bohrung betrifft, in welche es eingefügt werden muss. Dies lässt jedoch keinen Rückschluss auf den Inhalt der Scandarstellungen zu, aus welchen dieses Modell erhalten werden soll.
-
2.
Merkmal 4 betrifft das Bereitstellen einer dreidimensionalen Scan-Darstellung des Abdrucks und Merkmal 5 sodann die Umwandlung der dreidimensionalen Scan-Darstellung in ein virtuelles dreidimensionales positives Arbeitsmodell des Gebisses und der Bohrung. Das Klagepatent geht dabei davon aus, dass die Umwandlung der dreidimensionalen Scan-Darstellung aus den Ergebnissen der vorherigen Arbeitsschritte abgeleitet werden darf. - Der Wortlaut des Merkmals 5 hält keine näheren Erläuterungen bereit, wie die dreidimensionale Scan-Darstellung in ein virtuelles dreidimensionales positives Arbeitsmodell gewandelt werden soll, insbesondere wird nicht dargestellt, anhand welchen Datenmaterials dies erfolgen soll. Einen Anhaltspunkt auf die zu verwendenden Daten liefert dem Fachmann dabei nur der bestimmte Artikel „der“ dreidimensionalen Scan-Darstellung, womit auf den vorherigen Arbeitsschritt (Merkmal 4) verwiesen wird. Dessen Arbeitsergebnis ist die dreidimensionale, negative Scan-Darstellung des Abdrucks.
- Entgegen der Ansicht der Klägerin sieht die erfindungsgemäße Lehre nicht vor, im Verfahren erhaltene Daten mit außerhalb des Verfahrens gewonnenen Informationen zu kombinieren, um die bisherigen Scan-Darstellungen in das positive Arbeitsmodell umzuwandeln. Anhaltspunkte dafür, dass anderes Datenmaterial für die Umwandlung nach Merkmal 5 hinzugezogen werden könnte, sind weder dem Anspruch noch den Beschreibungsstellen der Klagepatentschrift zu entnehmen.
- In Abs. [0012] beschreibt das Klagepatent zunächst, was unter dem Begriff eines positiven Arbeitsmodells zu verstehen ist:
- „Das virtuelle 3D-Modell, das umgewandelt oder aus der Darstellung des Abdruckscans invertiert wird, kann als virtuelles Arbeitsmodell bezeichnet werden, weil der Stiftaufbau mithilfe des virtuellen Arbeitsmodells gebildet werden kann.“
- Bis zu dem in Merkmal 5 beschriebenen Arbeitsschritt sind nach der Lehre des Klagepatents nur Negativ-Aufnahmen des Gebisses einschließlich der Bohrung vorhanden. Das lässt die zuvor genannte Beschreibungsstelle daran erkennen, dass erst in dem behandelten Arbeitsschritt das virtuelle 3D-Modell invertiert/umgewandelt wird. Dass schon vorher ein (anderes) positives Modell vorhanden wäre, auf welches das positive Arbeitsmodell zurückgreifen könnte, ist nicht ersichtlich. Insoweit wird auch in Abs. [0012] die Ähnlichkeit des erhaltenen Arbeitsmodells mit einem physischen Modell erläutert; dass ein solches schon vorliegt, indes nicht. Mit dem Arbeitsmodell soll anschließend nur genauso verfahren werden können, wie (im Stand der Technik üblich) mit den physischen Modellen. Mithin kommt in dieser Beschreibungsstelle der Grundgedanke der Erfindung zum Tragen, dass gerade auf (positive) physische Gipsmodelle verzichtet werden kann, weil das erhaltene virtuelle Modell qualitativ gleichwertig ist.
- Dementsprechend hebt das Klagepatent in Abs. [0067] hervor, dass es auf ein Gipsmodell nicht mehr ankommt und dem Behandler in digitaler Form sowohl eine negative als auch eine positive Darstellung der Bohrung vorliegen und er die Bohrung daher von allen Seiten betrachten kann, um einen perfekten Stiftaufbau vorzunehmen. Der Fachmann entnimmt dieser Beschreibungspassage daher, dass er schon auf digitalisiertem Wege über alle erforderlichen Daten verfügt, um ein (virtuelles) Stiftaufbaumodell entwerfen zu können.
- Ein anderes Verständnis ist nicht aus den Abs. [0014] oder [0018] herzuleiten. Abs. [0014] stellt der vorbekannten Verfahrensweise diejenige der klagepatentgemäßen Lehre gegenüber. Danach war ursprünglich das Abdruckscannen eine Ergänzung zu einem positiven Gipsmodell, wohingegen umgekehrt nunmehr das Gipsmodell allenfalls eine Ergänzung sein soll. Nach dem Verständnis und in der konsequenten Anwendung der erfindungsgemäßen Lehre ist es aber insgesamt obsolet geworden und kann daher entfallen. Dementsprechend beschreibt es Abs. [0018] auch als einen Vorteil des Klagepatents, dass ein Gipsmodell nicht hergestellt werden muss. Der zweiten Hälfte dieses Abschnitts ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Diese lautet:
- „Einige Zahntechniker können sich jedoch immer noch ein physikalisches Arbeitsmodell wünschen, an dem sie testen und ein Stiftaufbaumodell anpassen können. Daher ist es ein Vorteil, dass das Stiftaufbaumodell gemäß dem vorliegenden Verfahren hergestellt werden und gleichzeitig ein physisches Arbeitsmodell auch unter Verwendung von CAD/CAM hergestellt werden kann. Die umfassende Bearbeitungszeit wird daher noch weiter reduziert, da das Stiftaufbaumodell und das physische Arbeitsmodell gleichzeitig hergestellt werden können, und die Gestaltung oder Herstellung eines davon nicht abhängig von der Gestaltung und Herstellung des anderen ist.“
- Das Klagepatent schließt es hier nicht aus, dass ein physisches Gipsmodell hinzugezogen wird. Das betrifft aber nur eine Phase, nachdem ein virtuelles Stiftmodell bereits gestaltet wurde und nicht schon denjenigen Verfahrensabschnitt, wenn erst noch die Grundlage für das virtuelle Stiftmodell erhalten werden soll. Das entnimmt der Fachmann aus der angesprochenen „Gleichzeitigkeit“ und dem Zusatz, dass das physische Arbeitsmodell auch unter Verwendung von CAD/CAM zustande kommen soll. Es soll von denselben Grundlagen Gebrauch machen, wie schon das virtuelle Modell. Explizit beschreibt das Klagepatent daher, dass die Gestaltung oder Herstellung eines davon nicht abhängig von der Gestaltung oder Herstellung des anderen ist. Dass das physische Arbeitsmodell bei der Umwandlung nach Merkmal 5 herangezogen werden könnte, ist somit ausgeschlossen.
- Der Klägerin ist zuzugeben, dass Abs. [0073] zulässt, Merkmale und insbesondere Schritte hinzuzufügen und mit dem Wort „umfassen“ (vgl. Merkmal 1) Spezifikationen von Schritten aufführt. Dementsprechend offenbart die Klagepatentschrift optionale Schritte. Diese beziehen sich jedoch allesamt auf einen Zeitpunkt, der nach dem in Merkmal 5 des Klagepatentanspruchs 1 beschriebenen Arbeitsschrittes einsetzt. Das erkennt der Fachmann mit Blick auf die Abs. [0044] ff. Insbesondere Abs. [0046] bezieht sich auf einige Ausführungsformen, wonach das klagepatentgemäße Verfahren „ferner jeden beliebigen der folgenden Schritte“ umfassen kann. Unter dem zweiten Spiegelstrich heißt es
- „- Invertieren des dreidimensionalen Abdruckmodells und/oder Zusammenführen des virtuellen Stiftaufbaumodells mit einem Dentalmodell, das den präparierten Zahn umfasst, wodurch ein Dentalmodell erhalten wird, das den präparierten Zahn und die Bohrung umfasst,“
- Wenngleich darunter das Zusammenführen des virtuellen Stiftaufbaumodells mit einem Dentalmodell ermöglicht wird, ist nicht ersichtlich, dass dadurch Änderungen am Verfahren nach Anspruch 1 vorgenommen werden sollen. Denn dadurch, dass diese Beschreibungsstelle, die inhaltlich dem Unteranspruch 11 entspricht, von einem Stiftaufbaumodell spricht, erkennt der Fachmann, dass der Techniker in vorgelagerten Arbeitsschritten erhalten haben muss. Diese selbst, mithin bis zum Erhalt des Stiftaufbaumodells dürften dagegen nicht vom Unteranspruch 11 eingeschlossen sein.
- Entsprechendes gilt für Abs. [0044], der inhaltlich dem Unteranspruch 10 gleicht. Es wird beschrieben, mehrere verschiedene Abbildungstechniken, wie Röntgenstrahlabbildung, CT-Scans, intraorale Scans, miteinander zu kombinieren. Dabei handelt es sich jeweils um unmittelbar digital erhaltene Bilder, die nicht erfordern (dürften), dass zunächst ein Arbeitsschritt wie das Fertigen eines positiven Gipsmodells durchgeführt wird. Vielmehr beziehen sie sich auf vorhandenes Material. In einem ähnlichen Lichte ist auch Abs. [0047] des Klagepatents zu sehen. Wie schon Abs. [0044] lässt er zu, dass auch durch ein Zusammenführen und/oder Kombinieren des Stiftaufbaumodells mit dem Dentalmodell ein Dentalmodell erhalten werden kann. Die Kombinationsmöglichkeit betrifft jedenfalls nicht den Erhalt eines Stiftaufbaumodells, sondern eine umfänglichere Zahnrestauration, von der ein Stiftaufbau lediglich ein Teil sein kann. Dass schon für das Gestalten des Stiftaufbaumodells als solches mehrere Scann-Aufnahmen kombiniert werden könnte, ist dagegen nicht offenbart.
- Dieses Verständnis steht schließlich mit den technisch-funktionalen Vorzügen der erfindungsgemäßen Lehre in Einklang, wonach eine bestmögliche Darstellung der Bohrung erzielt werden soll, ohne auf ein physisches positives Gipsmodell zurückgreifen zu müssen. Der Fachmann weiß, dass ein negativer Abdruck für einen Scanner leichter zu erfassen ist und damit gewährleistet, dass von Anfang an ein ordnungsgemäßes Abbild der Bohrung vorhanden ist. Von einem solchen ausgehend digitale 3D-Aufnahmen anzufertigen und diese anschließend zu invertieren, in ein positives Arbeitsmodell, ist damit eine Verfahrensweise, die keine zusätzlichen Daten erfordert.
-
III.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen keinen Gebrauch von der klagepatentgemäßen Lehre. - 1.
Die angegriffene Ausführungsform 1, B/XXX mit D Software, verwirklicht Merkmal 5 nicht. Unstreitig im Hinblick auf dessen Funktionsweise ist zwischen den Parteien, dass die Software D die Möglichkeit eines virtuellen Stiftaufbaus vorsieht und dass Ausgangspunkt dafür ein positives Gipsmodell sowie ein negativer Abdruck des Gebisses sind. Uneinigkeit besteht indes darüber, inwieweit die für diesen Stiftaufbau durchzuführenden Arbeitsschritte von der Lehre des Klagepatents Gebrauch machen und insbesondere, ob die dreidimensionale Scan-Darstellung in ein virtuelles positives Arbeitsmodells des Gebisses und des Bohrung umgewandelt wird. - Zur Überzeugung der Kammer steht hinsichtlich der Arbeitsweise der angegriffenen Ausführungsform 1 fest, dass das positive Arbeitsmodell dort nicht nur anhand einer Umwandlung vorhandener Scan-Daten des – negativen – Abdrucks erfolgt, sondern auf einer Kombination unterschiedlicher Daten beruht.
Aus der Anlage rop 10 folgt, dass zunächst ein Scan eines positiven Modells vorgenommen und somit eine positive Scan-Darstellung des Gebisses einschließlich der Bohrung/des präparierten Zahns erhalten wird. Anschließend wird der negative Abdruck konkret in Bezug auf den präparierten Zahn (die Bohrung) gescannt und mit dem positiven Gips-Modell zusammengeführt; der gescannte Bereich der Bohrung wird seinerseits in eine positive Scan-Darstellung gewandelt. Dies wird so ausdrücklich auf der letzten Seite des Anlagendokuments beschrieben.
- Aufgrund der erläuterten Verfahrensweise besteht schon nur Anlass, den erhaltenen dreidimensionalen Scan der Bohrung zu invertieren und in ein positives Arbeitsmodell umzuwandeln. Denn hinsichtlich der weiteren Bestandteile ist diese positive Darstellung bereits unmittelbar aufgrund des Scannens des positiven Gipsmodells vorhanden.
- Da auf unterschiedliche Weise erlangte Daten miteinander in Einklang gebracht werden müssen, erfordert die Vorgehensweise nach der angegriffenen Ausführungsform bzw. der Software D einen Zwischenschritt des Abstimmens. Ein solcher ist jedoch nicht erfindungsgemäß. Denn unbeschadet dessen, dass die Ausgangssituation schon nicht derjenigen des Klagepatents entspricht, wonach nämlich grundsätzlich auf die Fertigung eines positiven Gipsmodells verzichtet werden soll/kann, soll erst recht dem in Anspruch 1 beanspruchten Verfahren kein weiterer Zwischenschritt hinzugefügt werden.
-
2.
Auch die angegriffene Ausführungsform 2, A mit der E-Software, verwirklicht nicht sämtliche Anspruchsmerkmale. - Unstreitig ist auch hier, dass die Software grundsätzlich eine Funktion für einen Stiftaufbau vorsieht. Die Funktionsweise ist dabei so ausgestaltet, dass zunächst von einem Abdruck ein positives Gipsmodell erstellt und gescannt wird. Ferner wird von dem Abdruck der Bereich der Bohrung, isoliert ohne die benachbarten Zähne, gescannt. Dieses nur partielle Scannen ist aus den Anlagen rop 6 und 7 ersichtlich, indem die präparierten Zähne rot hervorgehoben worden sind. Die erhaltene positive Scan-Darstellung des Gipsmodells wird sodann invertiert und mit der negativen Scan-Darstellung der isolierten Bohrung kombiniert. Danach erfolgt die Umwandlung der zusammengefügten Scandaten in ein positives Arbeitsmodell.
- a.
Bei dieser Vorgehensweise fehlt es an der Verwirklichung des Merkmals 3, weil nicht der Abdruck, so wie er erhalten wurde, gescannt wird, sondern ausschließlich die Bohrung. Selbst wenn für die Anspruchsverwirklichung daher auch nur der Abdruck der Bohrung nebst benachbarter Zähne verlangt würde, ist dies hier nicht erfüllt. - b.
Dementsprechend fehlt es im Sinne des Merkmals 4 an einer bereitgestellten dreidimensionalen Scan-Darstellung des Abdrucks, weil lediglich eine Scan-Darstellung der Bohrung gewonnen wird. - c.
Schließlich beruht das positive Arbeitsmodell nicht nur unmittelbar auf einer dreidimensionalen negativen Scan-Darstellung, sondern auf dem Zusammenfügen und teilweisen Invertieren zuvor auf unterschiedliche Weise erlangter Daten. Dass das letztlich erhaltene dreidimensionale positive Arbeitsmodell auch auf dem Scan eines positiven Gebissabdrucks beruht, ist für die Verwirklichung der Lehre des Klagepatents nicht ausreichend, weil das Klagepatent eine derart separate einzelner Bereiche des Arbeitsmodells nicht vorsieht. - Im Hinblick auf diese angegriffene Ausführungsform vermag auch der ergänzende Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung an der vorliegenden Beurteilung nichts zu ändern. Soweit die Klägerin nämlich behauptet hat, dass auch ohne die Zuhilfenahme eines Gipsmodells ein virtueller Stiftaufbau gefertigt werden könne, ist dieses Vorbringen unsubstantiiert und damit unbeachtlich, § 138 ZPO. Derlei Vortrag ist zum einen zu keiner Zeit in den die mündliche Verhandlung vorbereitenden Schriftsätzen erfolgt und zum anderen finden sich für diese Verfahrensweise auch in sämtlichen zur Akte gereichten Produktbroschüren und -informationen keine Hinweise.
- IV.
- Der Klägerin stehen folglich die geltend gemachten Ansprüche mangels Rechtsverletzung nicht zu.
- Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
- Da auch das neue tatsächliche Vorbringen der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung – wie zuvor dargelegt – nicht den Verletzungsvorwurf zu stützen vermocht hat, bedurfte es keiner entsprechenden Stellungnahme der Beklagten mehr. Selbiges gilt mit Blick auf den beantragten Schriftsatznachlass der Klägerin; da die Kammer schon eine Rechtsverletzung nicht festzustellen vermochte, kommt es auf Ausführungen zum Rechtsbestand des Klagepatents nicht mehr an.