Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3060
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 11. August 2020, Az. 4c O 37/19
- I. Die Klage wird abgewiesen.
- II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
- III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages. Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 2 953 XXX B1 (Anlage K 1, nachfolgend Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Vernichtung, Rückruf und Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht in Anspruch.
- Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 9. März 2011 in deutscher Verfahrenssprache unter Inanspruchnahme der Priorität der DE 102 010 014 XXX vom 7. April 2010 angemeldet wurde. Die Anmeldung wurde am 9. Dezember 2015 veröffentlicht, die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung am 4. Oktober 2017. Das Klagepatent steht auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft.
- Das Klagepatent hat eine Betätigungseinrichtung für eine elektrische Anschlussklemme zum Gegenstand. Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:
- „Elektrische Anschlussklemme (1) mit Betätigungseinrichtung, wobei
– die elektrische Anschlussklemme (1) einen in einem Isolierstoffgehäuse (2) angeordneten Kontaktrahmen (4) mit einem Leiterklemmanschluss für einen elektrischen Leiter (5) umfasst und
– die Betätigungseinrichtung ein als Drücker (21) ausgebildetes Betätigungselement umfasst, welches einstückig mit dem Isolierstoffgehäuse (2) verbunden ist, und wobei
– der Leiterklemmanschluss am Kontaktrahmen (4) durch mindestens ein Federelement (9) gebildet wird, dessen freies Ende gegen den elektrischen Leiter (5) gerichtete und mit einer Klemmkraft beaufschlagten Klemmkante (10) bildet und
– der Leiterklemmanschluss durch ein Einwirken des Drückers (21) auf das mindestens eine Federelement (9) geöffnet werden kann, indem durch den Drücker (21) eine Kraft entgegen der Klemmkraft auf das Federelement (9) aufgebracht wird, - wobei der Drücker (21) aus einem in eine Gehäuseausnehmung (22) des Isolierstoffgehäuses (2) integrierten Drückerarm (23) besteht, wobei der Drückerarm (23) mit seinem einem Ende im Bereich der Gehäuserückseite (20), die einer Leitereinführungsrichtung gegenüberliegt, einstückig an das Isolierstoffgehäuse (2) angebunden ist und wobei der Drückerarm (23) einen Betätigungsabschnitt aufweist, welcher an dem am Isolierstoffgehäuse (2) angebundenen Ende abgewandt ist, dadurch gekennzeichnet, dass
- der Kontaktrahmen (4) in Art eines Kanals ausgebildet ist und wobei der Kontaktrahmen (4) zur Bildung eines Leiterklemmanschlusses zumindest eine Blattfeder (9) an jeweils einer Seitenwand in Art einer aus einem flachen Metall ausgestanzten Zunge aufweist, welche aus der Ebene des flachen Metallteils herausgebogen ist, derart, dass das freie Ende der Blattfeder (9) eine gegen den elektrischen Leiter (5) gerichtete Klemmkante (10) bildet, und an den Blattfedern (9) jeweils eine zur Außenseite der elektrischen Anschlussklemme (1) gerichtete Anlaufschräge (12) angeformt ist, welche trichterförmig zueinander ausgestellt sind, dass der Betätigungsabschnitt eine im Wesentlichen keilförmige Drückerfläche (26) aufweist, wobei die keilförmige Drückerfläche (26) über die trichterförmig zueinander ausgestellten Anlaufschrägen (12) zwischen die Blattfedern (9) eingerückt werden kann, um den Klemmanschluss des elektrischen Leiters (5) durch Auseinanderdrücken der Blattfedern (9) zu öffnen, und dass der Drückerarm (23) einen Innenraum zwischen Klemmkante (10) und Gehäuserückseite (20) zusammen mit Wänden (33, 34) des Isolierstoffgehäuses (2) zur Aufnahme des Endes des elektrischen Leiters (5) begrenzt.“
- Nachfolgend werden in verkleinerter Form aus der Klagepatentschrift stammende zeichnerische Darstellungen bevorzugter Ausführungsformen der Erfindung abgebildet. Figur 1 zeigt eine Anschlussklemme im Zusammenbau in perspektivischer Ansicht, Figur 2 eine erfindungsgemäße auf einer Leiterplatte angeordnete Anschlussklemme mit eingestecktem Leiter ohne Isolierstoffgehäuse, Figur 3 eine perspektivische Ansicht des Kontaktrahmens und Figur 7 eine Schnittdarstellung der Anschlussklemme aus Figur 5a.
- Die Beklagte hat vor dem Bundepatentgericht Nichtigkeitsklage gegen den Rechtsbestand des Klagepatentes erhoben, über die derzeit noch nicht entschieden ist.
- Die Klägerin ist eine für die C-Gruppe tätige Verwaltungsgesellschaft, die Schutzrechte für die operativen Gesellschaften der C-Gruppe hält. Die C-Gruppe ist seit der Unternehmensgründung im Jahr 1951 unter anderem auf dem Gebiet der elektrischen Klemmen tätig.
- Die Beklagte ist eine zur A-Gruppe gehörende Gesellschaft und als solche für den Vertrieb von Produkten der A-Gruppe innerhalb der Bundesrepublik Deutschland tätig. Sie vertreibt unter anderem 1- bzw. 2-polige Verbinder zur lösbaren Verbindung eines Kabels, d.h. eines elektrischen Leiters, mit einer Leiterplatte. Derartige Verbinder bietet die Beklagte unter anderem unter der Bezeichnung „B“ und „Mini B“ zum Kauf an (nachfolgend angegriffene Ausführungsformen). Die „B“ und „Mini B“ Klemmen unterscheiden sich im Wesentlichen durch ihre Abmessungen, wobei die „Mini B“ Klemmen kleiner sind als die „B“ Klemmen. Die 1- bzw. 2-poligen Varianten unterscheiden sich lediglich in der Anzahl der Pole. Als Anlage K 8 überreichte die Klägerin jeweils ein Exemplar eines 1-poligen und eines 2-poligen Verletzungsgegenstandes. Nachfolgend wiedergegeben wird eine von der Klägerin erstellte Fotographie eines aus dem Gehäuse ausgebauten Metallrahmens einer angegriffenen Ausführungsform, der einen Leiterklemmanschluss für einen elektrischen Leiter umfasst (vgl. Abb. 8 der Klageschrift, Bl. 23 d.A.).
- Ferner werden wiedergegeben ein querverlaufendes Schliffbild (vgl. Abb. 11 der Klageschrift, Bl. 25 d.A.) sowie der Kontaktrahmen einer „Mini B“ Klemme (vgl. Abb. 28 der Klageschrift, Bl. 45 d.A.), wobei die Beschriftung von der Klägerin stammt.
- Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäßen, hilfsweise äquivalenten Gebrauch. Das Klagepatent setze zum einen nicht voraus, dass der Drückerarm ausschließlich an der Gehäuserückseite angebracht sein müsse; entsprechendes würde die Formulierung „im Bereich der Gehäuserückseite“ ausschließen. Daher genüge es, wenn der Drücker auch an der Gehäuserückseite angebunden sei.
Im Hinblick auf die Anlaufschräge, welche an die Blattfedern angeformt sei, sei lediglich beansprucht, dass diese eine Trichterform bilde, wobei der Trichter sich nach außen öffne. Das Klagepatent mache indes keine Vorgaben, wo diese Trichterform ihren Ausgang nehme. Das Klagepatent sehe daher nicht vor, dass zwingend eine trichterförmige Öffnung in Richtung der Außenseite der elektrischen Anschlussklemme ab der Anformung der Blattfeder an die Anlaufschräge vorliegen müsse. Insofern liege eine wortsinngemäße Verwirklichung durch die angegriffenen Ausführungsformen vor.
Im Hinblick auf die in der mündlichen Verhandlung geltend gemachte äquivalente Verletzung behauptet die Klägerin, dass das Austauschmittel in den angegriffenen Ausführungsformen darin liege, dass die Anlaufschrägen statt zur Außen- zur Innenseite gerichtet seien. Eine solche Ausgestaltung sei gleichwirkend, da auch sie bewirke, dass der keilförmige Drückerarm die trichterförmig ausgestellten Anlaufschrägen eindrücken könne. Eine solche Abwandlung sei für den Fachmann auch naheliegend, da die Ausgestaltung im Belieben des Fachmannes stehe. An der Gleichwertigkeit würden keine Zweifel bestehen. Unschädlich sei insoweit, dass das Austauschmittel im Klagepatent nicht genannt werde. Entsprechendes sehe die Rechtsprechung des BGH „Begrenzungsanschlag“ nicht vor. Hier liege eine zu einer kinematischen Umkehr vergleichbare Situation vor. - Die Klägerin beantragt,
- A. die Beklagten zu verurteilen
- I. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu vollziehen ist, gegenüber der Klägerin jeweils zu unterlassen,
- a) elektrische Anschlussklemmen (1) mit Betätigungseinrichtung, wobei
– die elektrische Anschlussklemme (1) einen in einem Isolierstoffgehäuse (2) angeordneten Kontaktrahmen (4) mit einem Leiterklemmanschluss für einen elektrischen Leiter (5) umfasst und
– die Betätigungseinrichtung ein als Drücker (21) ausgebildetes Betätigungselement umfasst, welches einstückig mit dem Isolierstoffgehäuse (2) verbunden ist, und wobei
– der Leiterklemmanschluss am Kontaktrahmen (4) durch mindestens ein Federelement (9) gebildet wird, dessen freies Ende gegen den elektrischen Leiter (5) gerichtete und mit einer Klemmkraft beaufschlagten Klemmkante (10) bildet und
– der Leiterklemmanschluss durch ein Einwirken des Drückers (21) auf das mindestens eine Federelement (9) geöffnet werden kann, indem durch den Drücker (21) eine Kraft entgegen der Klemmkraft auf das Federelement (9) aufgebracht wird, - wobei der Drücker (21) aus einem in eine Gehäuseausnehmung (22) des Isolierstoffgehäuses (2) integrierten Drückerarm (23) besteht, wobei der Drückerarm (23) mit seinem einem Ende im Bereich der Gehäuserückseite (20), die einer Leitereinführungsrichtung gegenüberliegt, einstückig an das Isolierstoffgehäuse (2) angebunden ist und wobei der Drückerarm (23) einen Betätigungsabschnitt aufweist, welcher an dem am Isolierstoffgehäuse (2) angebundenen Ende abgewandt ist,
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen,
- wobei der Kontaktrahmen (4) in Art eines Kanals ausgebildet ist und wobei der Kontaktrahmen (4) zur Bildung eines Leiterklemmanschlusses zumindest eine Blattfeder (9) an jeweils einer Seitenwand in Art einer aus einem flachen Metall ausgestanzten Zunge aufweist, welche aus der Ebene des flachen Metallteils herausgebogen ist, derart, dass das freie Ende der Blattfeder (9) eine gegen den elektrischen Leiter (5) gerichtete Klemmkante (10) bildet, und an den Blattfedern (9) jeweils eine zur Außenseite der elektrischen Anschlussklemme (1) gerichtete Anlaufschräge (12) angeformt ist, welche trichterförmig zueinander ausgestellt sind, dass der Betätigungsabschnitt eine im Wesentlichen keilförmige Drückerfläche (26) aufweist, wobei die keilförmige Drückerfläche (26) über die trichterförmig zueinander ausgestellten Anlaufschrägen (12) zwischen die Blattfedern (9) eingerückt werden kann, um den Klemmanschluss des elektrischen Leiters (5) durch Auseinanderdrücken der Blattfedern (9) zu öffnen, und dass der Drückerarm (23) einen Innenraum zwischen Klemmkante (10) und Gehäuserückseite (20) zusammen mit Wänden (33, 34) des Isolierstoffgehäuses (2) zur Aufnahme des Endes des elektrischen Leiters (5) begrenzt;
- b) hilfsweise
- elektrische Anschlussklemmen (1) mit Betätigungseinrichtung, wobei
– die elektrische Anschlussklemme (1) einen in einem Isolierstoffgehäuse (2) angeordneten Kontaktrahmen (4) mit einem Leiterklemmanschluss für einen elektrischen Leiter (5) umfasst und
– die Betätigungseinrichtung ein als Drücker (21) ausgebildetes Betätigungselement umfasst, welches einstückig mit dem Isolierstoffgehäuse (2) verbunden ist, und wobei
– der Leiterklemmanschluss am Kontaktrahmen (4) durch mindestens ein Federelement (9) gebildet wird, dessen freies Ende gegen den elektrischen Leiter (5) gerichtete und mit einer Klemmkraft beaufschlagten Klemmkante (10) bildet und
– der Leiterklemmanschluss durch ein Einwirken des Drückers (21) auf das mindestens eine Federelement (9) geöffnet werden kann, indem durch den Drücker (21) eine Kraft entgegen der Klemmkraft auf das Federelement (9) aufgebracht wird, - wobei der Drücker (21) aus einem in eine Gehäuseausnehmung (22) des Isolierstoffgehäuses (2) integrierten Drückerarm (23) besteht, wobei der Drückerarm (23) mit seinem einem Ende im Bereich der Gehäuserückseite (20), die einer Leitereinführungsrichtung gegenüberliegt, einstückig an das Isolierstoffgehäuse (2) angebunden ist und wobei der Drückerarm (23) einen Betätigungsabschnitt aufweist, welcher an dem am Isolierstoffgehäuse (2) angebundenen Ende abgewandt ist,
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen,
- wobei der Kontaktrahmen (4) in Art eines Kanals ausgebildet ist und wobei der Kontaktrahmen (4) zur Bildung eines Leiterklemmanschlusses zumindest eine Blattfeder (9) an jeweils einer Seitenwand in Art einer aus einem flachen Metall ausgestanzten Zunge aufweist, welche aus der Ebene des flachen Metallteils herausgebogen ist, derart, dass das freie Ende der Blattfeder (9) eine gegen den elektrischen Leiter (5) gerichtete Klemmkante (10) bildet, und an den Blattfedern (9) jeweils eine zur Innenseite der elektrischen Anschlussklemme (1) gerichtete Anlaufschräge (12) angeformt ist, welche trichterförmig zueinander ausgestellt sind, dass der Betätigungsabschnitt eine im Wesentlichen keilförmige Drückerfläche (26) aufweist, wobei die keilförmige Drückerfläche (26) über die trichterförmig zueinander ausgestellten Anlaufschrägen (12) zwischen die Blattfedern (9) eingerückt werden kann, um den Klemmanschluss des elektrischen Leiters (5) durch Auseinanderdrücken der Blattfedern (9) zu öffnen, und dass der Drückerarm (23) einen Innenraum zwischen Klemmkante (10) und Gehäuserückseite (20) zusammen mit Wänden (33, 34) des Isolierstoffgehäuses (2) zur Aufnahme des Endes des elektrischen Leiters (5) begrenzt;
- II. der Klägerin schriftlich sowie in elektronischer Form darüber Auskunft zu erteilen und in einer geordneten Aufstellung unter Vorlage von Belegen, wie Rechnungen oder Lieferscheine oder Quittungen, schriftlich sowie in elektronischer Form darüber Rechnung zu legen, unter Beifügung der Auskunft in elektronischer Form, in welchem Umfang sie die zu Ziff.A.I. bezeichneten Handlungen seit dem 4. November 2017 begangen hat und zwar unter Angabe
- 1. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,
- 2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, einschließlich der Rechnungsnummern, und den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer, einschließlich der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- 3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
- 4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Fall von Internet-Werbung der Domain, den Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume, und bei direkter Werbung, wie Rundbriefen, den Namen und Anschriften der Empfänger,
- 5. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei
- – geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen und
- – es der Beklagten gegebenenfalls vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht-gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zu Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch die Einschaltung des Wirtschaftsprüfers entstehenden Kosten trägt und ihn zugleich ermächtigte, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob bestimmte Angebotsempfänger oder nicht-gewerbliche Abnehmer in der erteilten Rechnungslegung enthalten sind;
- III. die vorstehend unter Ziff.A.I. bezeichneten, seit dem 4. November 2017 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Erzeugnisse und mit der verbindlichen Zusage aus den Vertriebswegen zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen, oder die Erzeugnisse endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen, indem die Beklagte dieser Erzeugnisse wieder an sich nimmt;
- IV. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, vorstehend unter Ziff.A.I. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
- B. Es wird festgestellt, dass
- 1. die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die in Ziff.A.I. bezeichneten, in der Zeit vom 9. Januar 2016 bis zum 3. November 2017 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu bezahlen,
2. die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziff.A.I. bezeichneten, seit dem 4. November 2017 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird. - Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen,
- hilfsweise: das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent (EP 2 953 XXX B1) auszusetzen,
- hilfsweise: der Beklagten zu gestatten, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung abzuwenden.
- Die Beklagte ist der Ansicht, durch die angegriffenen Ausführungsformen werde das Klagepatent weder wortsinngemäß noch äquivalent verletzt. Eine wortsinngemäße Verletzung liege nicht vor, da bei den angegriffenen Ausführungsformen zum einen der Drückerarm an der Gehäuseoberseite angebunden sei. Zum anderen seien die Anlaufschrägen an die Blattfedern nicht zur Außenseite der elektrischen Anschlussklemme trichterförmig ausgestellt angeformt. Das Klagepatent sehe im Anspruchswortlaut klar vor, dass die Anlaufschrägen, welche trichterförmig ausgestellt seien, an den Blattfedern angeformt sind und von dort nach außen gerichtet sind.
Eine äquivalente Verletzung des Klagepatentes durch die angegriffenen Ausführungsformen liege nicht vor, da es bereits an der Gleichwirkung fehle. Denn eine solche müsse bereits ausscheiden, da die angegriffenen Ausführungsformen einen Nachteil verwirklichten, nämlich keinen einfachen Aufbau gewährleisten würden. Die Anlaufschrägen und der Drückerarm müssten aufwendiger gestaltet werden. Auch ein Naheliegen könne nicht festgestellt werden. Ferner scheide auch die Voraussetzung der Gleichwertigkeit aus. - Im Übrigen werde sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen. Das Klagepatent sei gegenüber der Stammanmeldung, EP 2 375 XXX A2 (Anlage HLNK 4) unzulässig erweitert. Ferner sei die Erfindung nach dem Klagepatent gegenüber der DE 33 46 XXX A1 (Anlage HLNK 7) und JP S59-118 XXX (Anlage HLNK 8) nicht erfinderisch.
- Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
- Entscheidungsgründe
- Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
- Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung und Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht sowie Vernichtung und Rückruf aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a, 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB, da die Beklagte das Klagepatent nicht verletzt.
-
I.
Die Erfindung nach dem Klagepatent bezieht sich auf eine elektrische Anschlussklemme, wobei die elektrische Anschlussklemme einen Kontaktrahmen mit einem Leiterklemmanschluss für einen elektrischen Leiter umfasst und der Leiterklemmanschluss am Kontaktrahmen durch mindestens ein Federelement gebildet wird, dessen freies Ende eine gegen den elektrischen Leiter gerichtete und mit einer Klemmkraft beaufschlagten Klemmkante bildet. - Zur Erläuterung des Standes der Technik nimmt das Klagepatent in Abs. 0002 Bezug auf die ES 2 159 XXX A1, welche eine elektrische Anschlussklemme mit einem Gehäuse für einen steckbaren elektrischen Leiter mit einem Federklemmkontakt zeigt. An dem Gehäuse ist an dessen Oberseite ein hebelartiger Drücker einstückig angeformt. An dem Drücker ist ein Zapfen vorgesehen, der in eine Ausnehmung des Gehäuses sowie in eine Ausnehmung eines Kontakteinsatzes eingreift und bei Betätigung des Drückers auf die Klemmfeder zur Freigabe des Klemmkontaktes wirkt. Um einen wirksamen Hebelarm zu erreichen, ist der Drücker insgesamt sehr groß und aufwendig gestaltet.
- Ferner nimmt das Klagepatent Bezug auf die EP 1 182 XXX, welche nach den Angaben des Klagepatentes eine vergleichbare Ausführung offenbart. Aus der DE 33 46 XXX C2 ist weiter eine elektrische Anschlussklemme und aus der DE 199 14 XXX A1 eine elektrische Anschlussbaueinheit bekannt.
- Vor dem Hintergrund des Standes der Technik formuliert es das Klagepatent als Aufgabe (technisches Problem) eine elektrische Anschlussklemme für den Anschluss eines elektrischen Leiters bereitzustellen, welche eine sichere Klemmung des elektrischen Leiters gewährleistet und gleichzeitig einen einfachen Aufbau aufweist.
- Zur Lösung schlägt das Klagepatent in seinem Patentanspruch 1 eine Vorrichtung mit nachfolgenden Merkmalen vor:
- 1. Elektrische Anschlussklemme (1)
- 1.1 mit Betätigungseinrichtung, wobei
1.2 die elektrische Anschlussklemme (1) einen in einem Isolierstoffgehäuse (2) angeordneten Kontaktrahmen (4) mit einem Leiterklemmanschluss für einen elektrischen Leiter (5) umfasst und
1.3 die Betätigungseinrichtung ein als Drücker (21) ausgebildetes Betätigungselement umfasst, welches einstückig mit dem Isolierstoffgehäuse (2) verbunden ist, wobei
1.3.1 der Drücker (21) aus einem in eine Gehäuseausnehmung (22) des Isolierstoffgehäuses (2) integrierten Drückerarm (23) besteht,
1.3.2 wobei der Drückerarm (23) mit seinem einem Ende im Bereich der Gehäuserückseite (20), die einer Leitereinführungsöffnung (3) gegenüberliegt, einstückig an das Isolierstoffgehäuse (2) angebunden ist und
1.3.3 wobei der Drückerarm (23) einen Betätigungsabschnitt aufweist, welcher an dem am Isolierstoffgehäuse (2) angebundenen Ende abgewandt ist, und wobei
1.4 der Leiterklemmanschluss am Kontakteahmen (4) durch mindestens ein Federelement (9) gebildet wird, dessen freies Ende eine gegen den elektrischen Leiter (5) gerichtete und mit einer Klemmkraft beaufschlagten Klemmkante (10) bildet und
1.5 der Leiterklemmanschluss durch ein Einwirken des Drückers (21) auf das mindestens eine Federelement (9) geöffnet werden kann, indem durch den Drücker (21) eine Kraft entgegen der Klemmkraft auf das Federelement (9) aufgebracht wird.
1.6 Der Kontaktrahmen ist ausgebildet
1.6.1 in Art eines Kanals,
1.6.2 weist zur Bildung eines Leiterklemmanschlusses zumindest eine Blattfeder an jeweils einer Seitenwand in Art einer aus einem flachen Metallteil ausgestanzten Zunge auf.
1.7 Die Blattfeder ist aus der Ebene des flachen Metallteils derart herausgebogen, dass das freie Ende der Blattfeder (9) eine gegen den elektrischen Leiter (5) gerichtete Klemmkante (10) bildet.
1.8 An den Blattfedern ist jeweils eine zur Außenseite der elektrischen Anschlussklemme (1) gerichtete Anlaufschräge (12) angeformt, welche trichterförmig zueinander ausgestellt sind.
1.9 Der Betätigungsabschnitt weist eine im Wesentlichen keilförmige Drückerfläche (26) auf,
1.9.1 die keilförmige Drückerfläche (26) kann über die trichterförmig zueinander ausgestellten Anlaufschrägen (12) zwischen die Blattfedern (9) eingedrückt werden, um den Klemmanschluss des elektrischen Leiters durch Auseinanderdrücken der Blattfedern (9) zu öffnen.
1.10 Der Drückerarm (23) begrenzt einen Innenraum zwischen Klemmkante (10) und Gehäuserückseite (20) zusammen mit Wänden (33, 34) des Isolierstoffgehäuses (2) zur Aufnahme des Endes des elektrischen Leiters (5). -
II.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre nach dem Klagepatent weder wortsinngemäßen noch äquivalenten Gebrauch. - Zwischen den Parteien im Streit steht eine Verwirklichung der Merkmale 1.3.2 sowie 1.8 durch die angegriffenen Ausführungsformen. Unabhängig von der Frage, ob die angegriffenen Ausführungsformen das Merkmal 1.3.2 verwirklichen, vermag die Kammer jedenfalls weder eine wortsinngemäße Benutzung des Merkmals 1.8 noch eine äquivalente Benutzung des Merkmals festzustellen.
- a)
Eine wortsinngemäße Verletzung scheidet aus den nachfolgend geschilderten Gründen aus. - Das Klagepatent stellt in seinem Patentanspruch 1 eine Ausgestaltung einer elektrischen Anschlussklemme unter Schutz, welche eine Betätigungseinrichtung, ein Isolierstoffgehäuse und einen Kontaktrahmen in einem Isolierstoffgehäuse umfasst. Die Betätigungseinrichtung, welche als Drücker ausgebildet ist, wird räumlich-körperlich in der Merkmalsgruppe 3 sowie dem Merkmal 1.9 näher beschrieben. Der Kontaktrahmen, welcher unter anderem einen Leiterklemmanschluss gebildet aus mindestens einem Federelement aufweist, erhält nähere Erläuterungen in den Merkmalen 1.4 und 1.5. sowie den Merkmalen 1.6 bis 1.8.
- Danach ist der Drücker mit seinem einen Ende im Bereich der Gehäuserückseite angebunden. Was das Klagepatent unter der Gehäuserückseite versteht, wird mit der Formulierung deutlich gemacht, dass es sich um diejenige Seite handelt, die einer Leitereinführungsöffnung gegenüberliegt. Ferner weist der Drückerarm einen Betätigungsabschnitt auf, der hinsichtlich seiner Anordnung derart beschrieben wird, dass er dem am Isolierstoffgehäuse angebundenen Ende abgewandt ist (Merkmalsgruppe 1.3). Der Kontaktrahmen weist einen Leiterklemmanschluss auf. Dieser wird gebildet durch mindestens ein Federelement. Dieses wiederum wird hinsichtlich seiner räumlich-körperlichen Ausgestaltung und Anordnung dahingehend beschrieben, dass dessen freies Ende eine gegen den elektrischen Leiter gerichtete und mit einer Klemmkraft beaufschlagte Klemmkante bildet. Die Klemmkante erstreckt sich daher in Richtung des elektrischen Leiters und ist mit einer Klemmkraft beaufschlagt (Merkmale 1.4 und 1.5). Wie die Klemmkante gebildet wird, ist in der Merkmalsgruppe 1.7 näher beschreiben. Dort wird das Federelement, welches im Anspruch auch als Blattfeder bezeichnet wird, weiter dahingehend konkretisiert, dass es in Art einer aus einem flachen Metallteil ausgestanzten Zunge gebildet und aus der Ebene des flachen Metallteils herausgebogen ist, derart, dass das freie Ende der Blattfeder eine gegen den elektrischen Leiter gerichtete Klemmkante bildet. Ferner ist vorgesehen, dass an den Blattfedern jeweils eine zur Außenseite der elektrischen Anschlussklemme gerichtete Anlaufschräge angeformt ist, welche trichterförmig zueinander ausgestellt sind (Merkmal 1.8). Damit gemeint ist mithin der nach oben, in Richtung des Isolierstoffgehäuses gerichtete Bereich der Blattfeder; an diesen ist die Anlaufschräge angeformt. Eine andere Orientierung ist im Hinblick darauf, dass die Blattfeder zum einen die Öffnung des Leiterklemmanschlusses bildet und auf der anderen Seite an ihrem freien Ende die Klemmkante bildet und eine Seite zwangsläufig in Richtung des Kontaktbodens ausgerichtet ist, nicht denkbar. Merkmal 1.9 erläutert dann, in Verbindung mit der als Drücker ausgebildeten Betätigungseinrichtung, den Öffnungsmechanismus dahingehend, dass der Leiterklemmanschluss durch ein Einwirken des Drückers auf das mindestens eine Federelement geöffnet werden kann, indem die keilförmige Drückerfläche über die trichterförmig zueinander ausgestellten Anlaufschrägen zwischen die Blattfedern eingedrückt werden kann, um den Klemmanschluss durch Auseinanderdrücken der Blattfedern zu öffnen.
- Erfindungsgemäß soll daher eine keilförmige Drückerfläche mit den trichterförmig zueinander ausgestellten Anlaufschrägen zusammenwirken.
- Für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblich ist die Frage der Ausgestaltung der an den Blattfedern angeformten Anlaufschrägen. Diese müssen zum einen trichterförmig zueinander ausgestellt sein und zum anderen zur Außenseite der elektrischen Anschlussklemme gerichtet sein. Damit macht das Merkmal 1.8 zunächst deutlich, dass es nicht lediglich auf das Vorhandensein einer irgendwo als Trichter ausgebildeten Anlaufschräge ankommt. Vielmehr müssen die trichterförmig zueinander ausgestellten Anlaufschrägen jeweils zur Außenseite der elektrischen Anschlussklemme gerichtet sein und zwar angeformt an den Blattfedern. Damit sind die Anlaufschrägen von der Stelle der Anformung an die Blattfedern aus nach außen zum Isolierstoffgehäuse hin gerichtet und nicht, wie die Klägerin meint, nach innen in Richtung des Leiterpfades bzw. des Kontaktbodens.
- Mithin macht bereits der Wortlaut des Merkmals deutlich, dass die Anlaufschrägen ab dem Ort der Anformung, nämlich an den Blattfedern, trichterförmig ausgestellt sind und zwar zur Außenseite der Anschlussklemme. Der Formulierung „an den Blattfedern … angeformt“ entnimmt der Fachmann unmittelbar, dass sie an den Blattfedern beginnen. Die weitere Formulierung, dass sich die Anlaufschrägen zur Außenseite der elektrischen Anschlussklemme richten, macht ihm ferner deutlich, dass sie sich von ihrer Anformung an die Blattfedern nach außen, in Richtung des Isolierstoffgehäuses erstrecken. Blattfedern sind nach der Lehre des Klagepatentes Konstruktionsteile des Kontaktrahmens, die aus der Ebene des flachen Metallteils jeweils aus einer Seitenwand in Art einer aus einem flachen Metallteil ausgestanzten Zunge herausgebogen sind. Die Längsseite der Zunge erstreckt sich dabei in etwa parallel zum Kontaktboden; die kürzere Querseite erstreckt sich vertikal zum Kontaktboden. An diesen Längsseiten der Blattfedern, zur Außenseite der elektrischen Anschlussklemme befinden sich dann die Anlaufschrägen. Das Klagepatent lässt indes nicht offen, wo diese ihren Ausgang haben. Vielmehr sollen die trichterförmig, zur Außenseite gerichteten Anlaufschrägen, an den Blattfedern angeformt sein, d.h. an der Längsseite der Zunge. Der Begriff des „gerichtet seins“ macht dabei eine räumliche Erstreckung in eine bestimmte Richtung deutlich, womit klar ist, dass in Richtung zur Außenseite bedeutet, dass die Anlaufschrägen, an der Stelle der Anformung beginnend, sich in Richtung des Isolierstoffgehäuses trichterförmig ausstellen und erstrecken. Denn die gleiche Wortwahl „gerichtet“ verwendet der Anspruch mit Blick auf die Klemmkante (Merkmale 1.4 und 1.7.1), welche gegen den elektrischen Leiter gerichtet sein soll, womit die Bedeutung als eine Richtungserstreckung auf den elektrischen Leiter verdeutlicht wird. Es spricht daher viel dafür, dass dem Begriff des „gerichtet seins“ im Merkmal 1.8 der gleiche Bedeutungsinhalt wie in den Merkmalen 1.4 und 1.7.1 zukommt. Denn insoweit ist anerkannt, dass der Fachmann gleichen, im Anspruch verwendeten Begriffen die gleiche Bedeutung beimisst (BGH, GRUR 2017, 152 – Zungenbett). Soweit die Klägerin die Ansicht vertritt, dass sich aus dem Teilmerkmal, wonach die Anlaufschrägen an den Blattfedern angeformt sind, nicht entnehmen lasse, an welcher Stelle die Anlaufschrägen angeformt sind, da die Anlaufschrägen Teil der Blattfedern seien, überzeugt dies nicht. Denn die klaren räumlich-körperlichen Vorgaben des Anspruchs 1 für die einzelnen Vorrichtungsbestandteile der elektrischen Anschlussklemme machen deutlich, dass die Anlaufschrägen am vom Kontaktboden abgewandten Ende an die Blattfedern angeformt sind. Zuzustimmen ist der Klägerin, dass der Kontaktrahmen lediglich der Oberbegriff für eine Mehrzahl verschiedener Konstruktionsteile ist, wie z.B. Blattfeder und Anlaufschräge. Dies bedeutet indes nicht, dass nicht zwischen den verschiedenen Konstruktionsteilen unterschieden wird. Denn der Fachmann weiß aufgrund der unterschiedlichen Begrifflichkeiten ohne Weiteres zwischen den einzelnen Konstruktionsteilen zu unterscheiden. Insofern ist ihm bewusst, dass die Blattfeder selbst durch eine in Art einer aus einem flachen Metallteil ausgestanzten Zunge besteht und an diese wird die Anlaufschräge angeformt.
- Neben dem klaren Wortlaut des Anspruchs entnimmt der Fachmann ein entsprechendes Verständnis hinsichtlich der Ausgestaltung und Richtung der Anlaufschrägen der Beschreibung der Erfindung. So gibt Abs. 0012 im Hinblick auf die Anlaufschrägen zunächst den Wortlaut des Merkmals 1.8 wieder und beschreibt, dass mittels der trichterförmigen Ausgestaltung der Anlaufschrägen der Drücker auf einfache Weise zwischen die Blattfedern eingedrückt werden kann, um den Klemmanschluss des elektrischen Leiters durch Auseinanderdrücken der Blattfedern zu öffnen, was in Merkmal 1.9 formuliert ist.
- In Abs. 0019 wird dann ausgeführt:
- „Im Bereich des freien Endes der Blattfedern 9, an welchem jeweils die Klemmkante ausgebildet ist, weist die Blattfeder jeweils an ihrer dem Kontaktboden 10 abgewandten Längsseite eine Anlaufschräge 12 auf, welche jeweils zur Außenseite der Anschlussklemme gerichtet ist. Die Anlaufschrägen 12 eines Kontaktrahmens 4 bilden somit zusammen eine nach oben gerichtete, vom Kontaktboden 10 abgewandte trichterförmige Aufnahme.“
- Hiermit wird für den Fachmann verdeutlicht, dass unter einer jeweils zur Außenseite gerichteten Anschlussklemme ein nach oben gerichteter, vom Kontaktboden abgewandter Verlauf der Anlaufschrägen zu verstehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass hiermit verdeutlicht werde, dass der Kontaktboden als Ausgangspunkt der Richtungsbestimmung gemeint sein könnte, lassen sich der vorstehenden Textstelle nicht entnehmen. Denn in Abs. 0019 wird durch die Formulierung „an ihrer dem Kontaktboden abgewandten Längsseite“ mit Bezug auf die Blattfeder verdeutlicht, an welcher Stelle der Querachse der Blattfedern die Anlaufschrägen angeformt sind. Der Kontaktboden ist somit nur als Bezugspunkt zur entgegengesetzten Längsseite der Blattfedern zu verstehen, an die die jeweilige Anlaufschräge angeformt ist.
- Dieses Verständnis wird weiter bestätigt in den Abs. [0026], 0028 und 0031, die den Öffnungsmechanismus beschreiben, wonach die keilförmige Drückerfläche über die Anlaufschrägen zwischen die Blattfedern eingedrückt wird. Bezug genommen wird hier auf Figur 7 der Klagepatentschrift, welche im Tatbestand wiedergegeben ist, und welche aufzeigt, dass die Anlaufschrägen von der Stelle der Anformung an die Blattfedern nach außen zum Isolierstoffgehäuse hin gerichtet sind.
- Gleiches entnimmt der Fachmann Figur 3 der Klagepatentschrift, welche auch im Tatbestand wiedergegeben wurde, bei der es sich um eine perspektivische Ansicht des anspruchsgemäßen Kontaktrahmens samt Blattfedern und Anlaufschrägen handelt.
- Das vorgenannte Verständnis wird ferner bestätigt unter Berücksichtigung der maßgeblichen technischen Funktion. Durch die trichterförmige Ausgestaltung der Anlaufschrägen in Richtung der Außenseite der Anschlussklemme wird erreicht, dass der korrespondierende keilförmige Betätigungsabschnitt des Drückers, die Klemmstelle sicher und einfach öffnen kann. Die Anlaufschrägen bewirken durch die nach außen gerichtete Trichterform, dass der Drücker sicher die Klemmstelle trifft. Ferner wird erreicht, dass eine einfache und kostengünstige Herstellung der Anschlussklemme erzielt werden kann, da zusätzliches Material eingespart werden kann und gleichzeitig den beengten Verhältnissen innerhalb der Anschlussklemme Genüge getan werden kann. Denn durch die nach außen in Richtung des Isolierstoffgehäuses gerichtete Anlaufschrägen wird ein einfacher Aufbau erzielt. Zusätzliches Material, welches mehr Platz innerhalb der Anschlussklemme beanspruchen könnte, wird nicht benötigt.
- Der Klägerin ist insoweit zuzugeben, dass es für die Funktionsweise des Öffnungsmechanismus wohl letztlich nicht darauf ankommt, ob die trichterförmigen Anlaufschrägen nach unten bzw. nach innen in Richtung des Leiterpfades bzw. des Kontaktbodens gerichtet sind. Denn auch bei einer solchen Ausgestaltung ist eine keilförmige Drückerfläche in der Lage, den Klemmanschluss zu öffnen wie die angegriffenen Ausführungsformen zeigen. Bei einer solchen Betrachtungsweise darf aber nicht verkannt werden, dass die grundsätzlich gebotene funktionale Betrachtung bei räumlich-körperlich definierten Merkmalen nicht dazu führen darf, dass ihr Inhalt auf die bloße Funktion reduziert und das Merkmal in einem Sinne interpretiert wird, der mit der räumlich-körperlichen Ausgestaltung nicht mehr in Übereinstimmung steht (BGH, GRUR 2016, 921 – Pemetrexed; Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 12. Aufl. Kap. A Rn. 63). Insofern stellt Merkmal 1.8 des Anspruchs 1 klar, dass die trichterförmigen Anlaufschrägen an die Blattfedern angeformt sind.
- Vor dem Hintergrund eines solchen Verständnisses der räumlich-körperlichen Ausgestaltung der angeformten, trichterförmigen Anlaufschrägen machen die angegriffenen Ausführungsformen von der Lehre nach dem Klagepatent keinen Gebrauch. Denn diese weisen keine zur Außenseite der elektrischen Anschlussklemme gerichtete Anlaufschrägen auf, wie die im Tatbestand wiedergegebenen Fotographien der angegriffenen Ausführungsformen verdeutlichen. Sie sind als hufeisenförmige Elemente an die Blattfedern angeformt und erstrecken sich von dort aus nach innen in Richtung des Kontaktbodens.
- b)
Entgegen der Ansicht der Klägerin, welche erstmalig in der mündlichen Verhandlung geäußert wurde, machen die angegriffenen Ausführungsformen von der Lehre nach dem Klagepatent auch nicht mit äquivalenten Mitteln Gebrauch. - Damit eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführung in dessen Schutzbereich fällt, muss regelmäßig dreierlei erfüllt sein. Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung äquivalente Lösung in Betracht zu ziehen und damit nach dem Gebot des Artikels 2 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (st. Rspr. des BGH: vgl. BGH, GRUR 2002, 511 – Kunststoffhohlprofil; BGH GRUR 2007, 510 – Kettenradanordnung; BGH GRUR 2007, 1059 – Zerfallzeitmessgerät; BGH, GRUR 2011, 313 – Crimpwerkzeug IV; BGH, GRUR 2015, 361 – Kochgefäß; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. August 2015 – I-15 U 2/14 m.w.N.).
- Vorliegend bestehen bereits Zweifel an der Gleichwirkung. Denn es ist lediglich pauschal vorgetragen worden, dass die nach innen gerichteten Anlaufschrägen der angegriffenen Ausführungsformen die gleiche Wirkung zeigen. Ob damit tatsächlich die Aufgabe der Erfindung, einen einfachen Aufbau zur Verfügung zu stellen, verwirklicht wird, ist jedoch zweifelhaft und wird von der Beklagten bestritten.
- Diese Frage kann letztlich dahinstehen. Denn eine äquivalente Benutzung scheidet jedenfalls deshalb aus, weil der Fachmann die Konstruktion der angegriffenen Ausführungsformen nicht naheliegend auffinden kann, wenn er sich an der technischen Lehre des Klagepatentes orientiert. Mit nach innen gerichteten Anlaufschrägen, d.h. in Richtung des Kontaktbodens, unternimmt er nämlich das genaue Gegenteil von dem, wozu ihn der Patentanspruch anhält. Die Klägerin löst sich mit den von ihr knapp angestellten Erwägungen gänzlich von der im Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten technischen Lehre, welche an die Blattfedern angeformte, zur Außenseite der elektrischen Anschlussklemme gerichtete Anlaufschrägen vorsieht. Denn durch die ausdrücklichen Angaben im Patentanspruch nicht nur zur räumlich-körperlichen Ausgestaltung und Erstreckung der Anlaufschräge, sondern auch zu den weiteren einzelnen Vorrichtungsbestandteilen der erfindungsgemäßen elektrischen Anschlussklemme, würde sich der Fachmann vollständig von dieser unter Schutz gestellten Lehre abwenden.
-
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. - Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
- Der Streitwert wird auf 500.000,00 € festgesetzt.