Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3052
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. August 2020, Az. 4b O 24/20
- Die einstweilige Verfügung vom 15. April 2020 wird aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.
- Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsklägerin.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung durch die Verfügungsbeklagten darf die Verfügungsklägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagten vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
- Tatbestand
- Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagten im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen der Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 1 498 XXX B1 (Verfügungspatent) auf Unterlassung in Anspruch.
- Die Verfügungsklägerin ist allein verfügungsberechtigte und eingetragene Inhaberin des Verfügungspatents, das am 29. Juni 2004 unter Inanspruchnahme einer schweizerischen Priorität vom 17. Juli 2003 angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Verfügungspatents wurde am 20. Dezember 2006 veröffentlicht. Das Verfügungspatent steht in Kraft. Es war Gegenstand eines Einspruchsverfahrens und wurde mit Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 7. Juli 2011 unverändert aufrechterhalten. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde wurde nach Veröffentlichung der vorläufigen Auffassung der Technischen Beschwerdekammer von der Einsprechenden zurückgenommen.
- Das Verfügungspatent betrifft eine Filterpatrone für Wasserbehälter von Kaffeemaschinen. Patentanspruch 1 des in deutscher Sprache angemeldeten und erteilten Verfügungspatents lautet wie folgt:
- „Filterpatrone (1) zum Einsatz in Wasserbehältern von Kaffeemaschinen, mit einem mit zumindest einem Einlass (3) und einem Auslass (4) versehenen Gehäuse (2) zur Aufnahme eines Filtermediums, wobei der Auslass (4) nach unten aus dem Gehäuse (2) der Filterpatrone (1) herausgeführt ist und auf der Innenseite des Gehäuses (2) eine Vielzahl von den Wasserlauf zwischen Ein- und Auslass (3, 4) verlängernden Schikanen (6a, 6b; 7a, 7b, 7c, 7d) angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass das Gehäuse (2) einen Unterteil (2a) und einen Oberteil (2b) aufweist, wobei die Schikanen (6a, 6b; 7a, 7b, 7c, 7d) im wesentlichen vertikal verlaufen und wechselseitig am Unterteil (2a) bzw. Oberteil (2b) angeordnet sind und wobei zwischen dem Unterteil (2a) und der/den am Oberteil (2b) angeordneten Schikane(n) (6a) bzw. zwischen dem Oberteil (2a) und der/den am Unterteil (2b) angeordneten Schikane(n) (7a) jeweils ein Durchlass (13, 14) für das Wasser freibleibt, und wobei der Einlass (3) im unteren Bereich der Filterpatrone (1) angeordnet ist.
- Nachfolgend sind aus der Verfügungspatentschrift stammende Zeichnungen einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung wiedergegeben. Sie zeigen eine perspektivische Ansicht der Filterpatrone mit angehobenem Oberteil, einen Querschnitt und einen Längsschnitt durch die Filterpatrone.
- Die Verfügungsbeklagte zu 1), deren Geschäftsführerin die Verfügungsbeklagte zu 2) ist, ist Teil der X Unternehmensgruppe, die sich auf die Unterstützung chinesischer Unternehmen bei der Vermarktung von deren Produkten in Europa spezialisiert hat. Die Gruppe hat weltweit acht Niederlassungen, darunter auch eine in A, am Sitz des Herstellers der angegriffenen Ausführungsform. Zu den Dienstleistungen der X Gruppe gehören die Bereitstellung von EU-Vertretern, Produktsicherheitsdatenbanken und -vertretern, die Prüfung technischer Unterlagen und der-gleichen. Die Verfügungsbeklagte zu 1) unterstützt insbesondere chinesische Unternehmen beim E-Commerce in der EU und stellt in diesem Zusammenhang EU-Vertreter.
- Unter anderem schloss die Verfügungsbeklagte zu 1) mit dem in China ansässigen Unternehmen „B“, im Wirtschaftsleben auch unter der Bezeichnung „C“ handelnd (nachfolgend: C), mit Wirkung vom 9. Dezember 2019 ein „G Agreement“, mit dem die Verfügungsbeklagte zu 1) für ein Jahr die Funktion eines EU-Vertreters („G“) in Bezug auf bestimmte Produkte übernahm. Wegen des genauen Inhalts der Vereinbarung wird auf die Anlage 1 der Verfügungsbeklagten Bezug genommen.
- Am 5. und 23. März 2020 ließ die Verfügungsklägerin auf der Handelsplattform Amazon Filterpatronen der Marke „D“ bestellen. Als Verkäufer fungierte das Unternehmen C. Die Auslieferung der Filterpatronen der ersten Bestellung erfolgte am 9. März 2020 in Düren. Auf den Verpackungen der Filterpatrone war jeweils ein Aufkleber aufgebracht, auf denen die Verfügungsbeklagte zu 1) mit ihrer Anschrift als „E“ angegeben war, also als Europäischer Bevollmächtigter („G“). Abbildungen des Aufklebers sind nachstehend wiedergegeben:
- Abbildungen der ausgelieferten Filterpatrone, deren technische Ausgestaltung die Verfügungsklägerin mit dem vorliegenden Antrag angreift (angegriffene Ausführungsform), sind nachfolgend – im aufgeschnittenen Zustand ohne das Filtermaterial – eingeblendet. Die Beschriftung stammt von der Verfügungsklägerin.
- Muster der angegriffenen Ausführungsform befinden sich im geöffneten Zustand als Anlage ES 4c und 4d bei der Akte.
- Mit anwaltlichem Schreiben vom 24. März 2020 forderte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagten erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung auf, für deren Inhalt auf die Anlage ES 2a Bezug genommen wird.
- Eine weitere Bestellung im Internet bei dem Anbieter C am 15. Mai 2020 führte zu einer Lieferung von Filterpatronen am 20. Mai 2020, deren Verpackungen ebenfalls die Aufkleber aufwiesen, mit denen die Verfügungsbeklagte zu 1) mit ihrer Anschrift als „E“ ausgewiesen wird. Bei der Bestellung von Filterpatronen bei zwei anderen Händlern, enthielt eine der beiden in einem Paket übersandten Kartons den ebenfalls besagten Aufkleber. Zudem wird der Aufkleber auch auf anderen Produkten von C, wie zum Beispiel einem Jzerstäuber, verwendet.
- Auf den Antrag der Verfügungsklägerin hat die Kammer den Verfügungsbeklagten mit Beschluss vom 15. April 2020 im Wege einer einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt,
- Filterpatronen zum Einsatz in Wasserbehältern von Kaffeemaschinen, mit einem mit zumindest einem Einlass und einem Auslass versehenen Gehäuse zur Aufnahme eines Filtermediums, wobei der Auslass nach unten aus dem Gehäuse der Filterpatrone herausgeführt ist und auf der Innenseite des Gehäuses eine Vielzahl von den Wasserlauf zwischen Ein- und Auslass verlängernden Schikanen angeordnet sind,
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
- wenn das Gehäuse einen Unterteil und einen Oberteil aufweist, wo-bei die Schikanen im Wesentlichen vertikal verlaufen und wechselseitig am Unterteil bzw. Oberteil angeordnet sind und wobei zwischen dem Unterteil und der/den am Oberteil angeordneten Schikane(n) bzw. zwischen dem Oberteil und der/den am Unterteil angeordneten Schikane(n) jeweils ein Durchlass für das Wasser freibleibt, und wobei der Einlass im unteren Bereich der Filterpatrone angeordnet ist,
- wobei die Kosten des Verfahren der Verfügungsbeklagten zu 1) zu 2/3 und der Verfügungsbeklagten zu 2) zu 1/3 auferlegt worden sind.
- Mit Schriftsatz vom 11. Mai 2020 haben die Verfügungsbeklagten gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt.
- Die Verfügungsklägerin sieht in dem Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform eine Patentverletzung. Sie behauptet, die Verfügungsbeklagte zu 1) habe die angegriffene Ausführungsform geliefert. Jedenfalls habe sie durch die Verwendung der Aufkleber, die sie als „G“ ausweisen, an der patentverletzenden Handlung mitgewirkt. Der gegenteilige Vortrag der Verfügungsbeklagten sei nicht glaubhaft. Das Geschäftsfeld der Verfügungsbeklagten zu 1), ihre Funktion als G für C, die Verwendung der Aufkleber auf den Filterpatronen anderer Händler und auf anderen Produkten von C sowie Email-Korrespondenz mit C und die Untersuchungsergebnisse eines Privatdetektivs sprächen dafür, dass die Verwendung der Aufkleber keine willkürliche Aktion von C gewesen sei, sondern mit dem Wissen der Verfügungsbeklagten erfolgte.
- Die Verfügungsklägerin beantragt,
- den Widerspruch der Verfügungsbeklagten vom 11. Mai 2020 zurückzuweisen und die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 15. April 2020 (4b O 24/20) aufrechtzuerhalten.
- Die Verfügungsbeklagten beantragen,
- die einstweilige Verfügung vom 15. April 2020 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.
- Die Verfügungsbeklagten behaupten, sie seien weder Hersteller noch Händler der angegriffenen Ausführungsform. Erstmals durch die Zustellung der einstweiligen Verfügung am 30. April 2020 hätten sie erfahren, dass auf der Verpackung der angegriffenen Ausführungsform ein Aufkleber F angebracht gewesen sei. Wie die Firmendaten auf das Produkt gebracht worden seien, sei ihnen nicht bekannt. Jedenfalls hätten sie – von der Verfügungsklägerin mit Nichtwissen bestritten – unmittelbar nach Kenntniserlangung den Vertrag mit C beendet. Dieser Vertrag sei der Generalvertrag mit C für alle dort genannten Produkte. Die Verfügungsklägerin bestreitet insofern mit Nichtwissen, dass es keine weiteren Verträge zwischen den Verfügungsbeklagten und C hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform gebe.
- Entscheidungsgründe
- Die einstweilige Verfügung vom 15. April 2020 ist aufzuheben, da sie nicht in rechtmäßiger Weise ergangen ist, der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist dementsprechend zurückzuweisen.
- Die Verfügungsklägerin hat einen Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Verfügungsbeklagten die angegriffene Ausführungsform anboten oder in den Verkehr brachten oder durch ihr sonstiges Verhalten kausal zur Verletzung des Verfügungspatents beitrugen.
- I.
Das Verfügungspatent betrifft eine Filterpatrone für Wasserbehälter von Kaffeemaschinen. Solche Filterpatronen waren im Stand der Technik bekannt. Das Verfügungspatent würdigt insofern einleitend eine Vielzahl von Druckschriften, die entsprechende Filterpatronen zum Gegenstand haben. Dazu gehört auch die DE 30 14 XXX A1. Darin ist eine mit einem Wasservorratsbehälter versehene Filterkaffeemaschine offenbart, welche mit einer auf den Boden des Wasservorratsbehälters aufgelegten, als Formkörper bezeichneten Filterpatrone versehen ist. Die Filterpatrone ist in ihrer äußeren Formgebung an den jeweiligen Wasserbehälter angepasst und mit einer Filtermasse bestehend aus einem lonenaustauscherharz, Aktivkohlepartikeln sowie keimtötenden Zusätzen gefüllt. Bei einigen Ausführungsbeispielen der Filterpatrone sind zwischen deren Ein- und Auslass Schikanen vorgesehen, welche die Verweilzeit des Wassers in der Filterpatrone verlängern sollen. Bei all diesen Ausführungsbeispielen verlaufen die Schikanen jedoch horizontal, wodurch die Gefahr von Bettbildungen und Bettverdichtungen mit erhöhtem Fließwiderstand und Kanalbildung besteht, was letztlich zu einem schlechten Wirkungsgrad in Bezug auf die Nutzung der in der Filterpatrone aufgenommenen Filtermasse führt. Zudem ist der Einlass jeweils auf der Oberseite der Filterpatrone angeordnet. Dies hat unter anderem den Nachteil, dass der Wasserbehälter nur dann zumindest annähernd vollständig entleert werden kann, wenn die Filterpatrone in ihrer äußeren Formgebung an den jeweiligen Wasserbehälter angepasst ist, so dass keine Toträume zwischen der Außenseite der Filterpatrone und der Innenseite des Wasserbehälters verbleiben. - Von diesem Stand der Technik ausgehend – so die Verfügungspatentschrift – liegt dem Verfügungspatent die Aufgabe zugrunde, die Filterpatrone derart zu verbessern, dass sie bei kompakten Abmessungen einen hohen Wirkungsgrad besitzt, indem das in der Filterpatrone aufgenommene Filtermedium optimal genutzt wird, wobei insbesondere Bettbildungen und Bettverdichtungen innerhalb der Filterpatrone vermieden werden sollen und wobei das nutzbare Volumen des Wassertanks, in welchen die Filterpatrone eingesetzt wird, nicht nennenswert herabgesetzt werden soll.
- Diese Aufgabe wird durch eine Filterpatrone mit den Merkmalen des Anspruchs 1 des Verfügungspatents gelöst, die wie nachstehend gegliedert werden können.
- 1. Filterpatrone (1) zum Einsatz in Wasserbehältern von Kaffeemaschinen,
2. mit einem mit zumindest einem Einlass (3) und einem Auslass (4) versehenen Gehäuse (2) zur Aufnahme eines Filtermediums,
2.1 wobei der Auslass (4) nach unten aus dem Gehäuse (2) der Filterpatrone (1) herausgeführt ist und
2.2 auf der Innenseite des Gehäuses (2) eine Vielzahl von den Wasserlauf zwischen Ein- und Auslass (3, 4) verlängernden Schikanen (6a, 6b; 7a, 7b, 7c, 7d) angeordnet sind,
3. wobei das Gehäuse (2) einen Unterteil (2a) und einen Oberteil (2b) aufweist,
3.1 wobei die Schikanen (6a, 6b; 7a, 7b, 7c, 7d) im Wesentlichen vertikal verlaufen und wechselseitig am Unterteil (2a) bzw. Oberteil (2b) angeordnet sind und
3.2 wobei zwischen dem Unterteil (2a) und der/den am Oberteil (2b) angeordneten Schikane(n) (6a) bzw. zwischen dem Oberteil (2a) und der/den am Unterteil (2b) angeordneten Schikane(n) (7a) jeweils ein Durchlass (13, 14) für das Wasser freibleibt, und
4. wobei der Einlass (3) im unteren Bereich der Filterpatrone (1) angeordnet ist. - II.
Zwischen den Parteien ist zu Recht unstreitig, dass die angegriffene Ausführungsform sämtliche Merkmale von Anspruch 1 des Verfügungspatents verwirklicht. - III.
Es lässt sich aber nicht feststellen, dass die Verfügungsbeklagten eine Verletzungshandlung im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG begingen oder an einer solchen in irgendeiner Weise haftungsbegründend mitwirkten. - 1.
Dass die Verfügungsbeklagten die angegriffene Ausführungsform eigenhändig anboten und in den Verkehr brachten, lässt sich nicht feststellen. - a)
Es ist unstreitig, dass das Angebot der angegriffenen Ausführungsform auf der Handelsplattform Amazon nicht von den Verfügungsbeklagten selbst stammte, sondern von dem in China ansässigen und unter der Bezeichnung C handelnden Unternehmen. - b)
Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die angegriffene Ausführungsform von den Verfügungsbeklagten eigenhändig in den Verkehr gebracht wurde. Den Vortrag der Verfügungsklägerin, die Verfügungsbeklagte zu 1) habe die am 5. März 2020 über die Handelsplattform Amazon bestellte angegriffene Ausführungsform ausgeliefert, haben die Verfügungsbeklagten bestritten, indem sie einen Vertrieb bzw. das Inverkehrbringen der angegriffenen Ausführungsform in Abrede gestellt haben. - Die Verfügungsklägerin hat ihre Behauptung weder weiter substantiiert, noch glaubhaft gemacht. Sie hat vielmehr allein aus dem auf der Produktverpackung aufgebrachten Aufkleber, der die Verfügungsbeklagte zu 1) als „E“ ausweist, geschlossen, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) die Lieferung vorgenommen habe. Diesen Schluss lässt der Aufkleber jedoch nicht zu. Es gibt auch keine anderen Anhaltspunkte, die eine Lieferung der angegriffenen Ausführungsform durch die Verfügungsbeklagte zu 1) glaubhaft erscheinen lassen.
- aa)
Die als Anlage ES 13c vorgelegte Email-Korrespondenz zwischen der Verfügungsklägerin und „C“ ist in dieser Hinsicht nicht ergiebig. Zwar fragt die Verfügungsklägerin unmittelbar nach, ob die angegriffene Ausführungsform von der Verfügungsbeklagten zu 1) versendet wird. Die Antwort von „C“ lässt dies jedoch offen. Sie weist zum einen darauf hin, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) der autorisierte europäische Vertreter von C sei, und zum anderen, dass die Produkte von Amazon verschickt werden. Schließlich weist C darauf hin, dass größere Mengen auch direkt aus China – also unter Umgehung der Handelsplattform Amazon – verschickt werden könnten. - bb)
Auch die Rechercheergebnisse des von der Verfügungsklägerin beauftragten Privatdetektivs sind für die Frage, wer die angegriffene Ausführungsform in den Verkehr brachte, unergiebig. Aus dem als Anlage ES 15 vorgelegten Bericht ergibt sich lediglich, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) nach Auskunft eines Mitarbeiters die chinesische Firma – gemeint ist C – in administrativen Fragen berate und für sie Übersetzertätigkeiten vornehme. Zu einer etwaigen Lieferung der angegriffenen Ausführungsform durch die Verfügungsbeklagte zu 1) verhielt sich der Mitarbeiter nicht. - 2.
Die Verfügungsbeklagten stellen sich auch nicht aus einem anderen Grund als Verletzer im Sinne von § 139 Abs. 1 PatG dar. - a)
Schuldner des Unterlassungsanspruchs ist nicht nur, wer in eigener Person einen der Benutzungstatbestände des § 9 PatG verwirklicht oder vorsätzlich die Verwirklichung des Benutzungstatbestands durch einen Dritten ermöglicht oder fördert. Verletzer und damit Schuldner ist vielmehr auch, wer die Verwirklichung des Benutzungstatbestands durch den Dritten ermöglicht oder fördert, obwohl er sich mit zumutbarem Aufwand die Kenntnis verschaffen kann, dass die von ihm unterstützte Handlung das absolute Recht des Patentinhabers verletzt (BGH GRUR 2009, 1142, 1144 – MP3-Player-Import). - Nach der Rechtsprechung des BGH setzt die Verantwortlichkeit für eine Patentverletzung nicht voraus, dass der in Anspruch Genommene in seiner Person eine der in § 9 S. 2 PatG bezeichneten Handlungen vornimmt (BGH GRUR 1990, 997 – Ethofumesat; GRUR 2009, 1142, 1145 – MP3-Player-Import). Schuldner der Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz, Auskunft und Vernichtung der verletzenden Gegenstände kann vielmehr auch sein, wer lediglich eine weitere Ursache für die Rechtsverletzung setzt, indem er eine von ihm ermöglichte Rechtsverletzung durch einen Dritten nicht unterbindet, obwohl dies von ihm zu erwarten wäre (BGH GRUR 1999 977 – Räumschild; GRUR 2009, 1142, 1145 – MP3-Player-Import). Für den Tatbestand des § 139 PatG ist die Unterscheidung zwischen eigener und ermöglichter fremder Benutzung für unerheblich erachtet worden (BGH GRUR 2004, 845 – Drehzahlermittlung; GRUR 2009, 1142, 1145 – MP3-Player-Import). Da jeder Beteiligte – gegebenenfalls neben anderen als Nebentäter i.S.d. § 840 Abs. 1 BGB – bereits für eine fahrlässige Patentverletzung einzustehen hat, hat der X. Zivilsenat für die täterschaftliche Schadensersatzverpflichtung grundsätzlich jede vorwerfbare Verursachung der Rechtsverletzung einschließlich der ungenügenden Vorsorge gegen solche Verstöße genügen lassen (BGH GRUR 2007, 313 – Funkuhr II; GRUR 2002, 599 – Funkuhr I; GRUR 2009, 1142, 1145 – MP3-Player-Import).
- Da unvorsätzliches Handeln die Verantwortung für die unterstützte, von einem Dritten begangene Schutzrechtsverletzung nicht ausschließt, andererseits der Mitverursachungsbeitrag allein zur Begründung der Verantwortlichkeit nicht ausreicht, bedarf die Zurechnung der fremden Schutzrechtsverletzung jedoch einer zusätzlichen Rechtfertigung. Sie besteht in der Regel in der Verletzung einer Rechtspflicht, die jedenfalls auch dem Schutz des verletzten absoluten Rechts dient und bei deren Beachtung der Mitverursachungsbeitrag entfallen oder jedenfalls als verbotener und daher zu unterlassender Beitrag des Handelnden zu der rechtswidrigen Handlung eines Dritten erkennbar gewesen wäre (BGH GRUR 2009, 1142, 1145 – MP3-Player-Import).
- b)
Da sich nicht feststellen lässt, dass die Verfügungsbeklagten die angegriffene Ausführungsform unmittelbar selbst anbieten und vertreiben, kommt nach diesen Grundsätzen allenfalls die Verwendung des Aufklebers auf der Produktverpackung, auf dem die Verfügungsbeklagte zu 1) als autorisierter europäischer Vertreter („E“) ausgewiesen wird, als Anknüpfung für eine Haftung der Verfügungsbeklagten in Betracht. - Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass die Verfügungsbeklagten in diesem Zusammenhang eine Rechtspflicht verletzten, die auch dem Schutz der durch das Verfügungspatent verbrieften Rechte der Verfügungsklägerin dient. Denn die Verfügungsklägerin hat nicht glaubhaft zu machen vermocht, dass die Verfügungsbeklagten dem Unternehmen C gestattet hatten, auf den Verpackungen der angegriffenen Ausführungsform einen Aufkleber zu verwenden, der die Verfügungsbeklagte zu 1) als autorisierten europäischen Vertreter auswies, und von einer solchen Verwendung Kenntnis hatten. Dass die Verfügungsbeklagten – was ebenfalls nicht zweifelsfrei feststeht – im Zusammenhang mit dem Vertrieb anderer Produkte die Verwendung solcher Aufkleber gestatteten, stellt sich selbst nach dem mit der Abmahnung erfolgten Hinweis auf die Verwendung der Aufkleber auf den Produktverpackungen der angegriffenen Ausführungsform nicht als Verletzung von das Verfügungspatent betreffenden Schutzpflichten dar.
- aa)
Es lässt sich nicht feststellen, dass den Verfügungsbeklagten die Verwendung des Aufklebers auf den Produktverpackungen der angegriffenen Ausführungsform bekannt war und sie die Verwendung gestattet hatten. Anderes hat die Verfügungsklägerin, die für die Patentverletzung und damit auch für ein pflichtwidriges Verhalten der Verfügungsbeklagten die Darlegungs- und Beweislast trägt, nicht glaubhaft gemacht. - (1)
Die Verfügungsklägerin hat ausgehend von der Benennung der Verfügungsbeklagten zu 1) als EU-Vertreter auf den Aufklebern geschlossen, dass die Aufkleber in Kenntnis und mit dem Einverständnis der Verfügungsbeklagten auf den Produktverpackungen aufgebracht wurden. Dieser Schluss ist grundsätzlich naheliegend und lag auch der Entscheidung der Kammer, die einstweilige Verfügung zu erlassen, zugrunde. Tatsächlich fungiert die Verfügungsbeklagte zu 1) auch als autorisierter europäischer Vertreter für C. Dies ist unstreitig und ergibt sich auch schon aus dem von den Verfügungsbeklagten als Anlage 1 vorgelegten „G Agreement“ zwischen der Verfügungsbeklagten zu 1) und C. - Aus dem Agreement lässt sich jedoch kein Einverständnis der Verfügungsbeklagten mit der Verwendung des Aufklebers auf den Verpackungen der angegriffenen Ausführungsform und damit auch keine Kenntnis von der Verwendung herleiten. Denn die Verfügungsbeklagten haben darauf hingewiesen, dass sich das Agreement nicht auf die angegriffene Ausführungsform bezieht. Tatsächlich werden in dem Agreement einleitend explizit nur drei Produkte genannt; die angegriffene Ausführungsform befindet sich nicht darunter. Der Inhalt des Vertrages ist insoweit zwischen den Parteien auch unstreitig. Der Vorlage des Agreements im Original bedurfte es daher nicht.
- Die Verfügungsklägerin hat in der mündlichen Verhandlung lediglich darauf hingewiesen hat, dass in dem Agreement keine eindeutige Begrifflichkeit für die der Vereinbarung zugrundeliegenden Produkte („product“, „general product“, „product category“ u. dgl.) verwendet wird. Dies lässt jedoch nicht den eindeutigen Schluss zu, dass die Vereinbarung noch weitere als die konkret genannten Produkte umfasst. Die Begrifflichkeit kann auch dem Umstand geschuldet sein, dass gegebenenfalls ein vorformuliertes Vertragsdokument verwendet wurde, dass für eine Vielzahl von Verträgen zur Anwendung kommt.
- Soweit die Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung die Vermutung geäußert hat, dass es zwischen den Parteien noch weitere Abreden gebe, ist dies nicht ausgeschlossen. Insbesondere die konkrete Regelung der Vergütung für die Dienstleistung der Verfügungsbeklagten ist in dem Agreement nicht enthalten. Es ist aber nicht dargelegt, dass es eine Vereinbarung – gegebenenfalls auch nur mündlich oder durch konkludentes Verhalten – betreffend die angegriffene Ausführungsform gibt. Die Verfügungsbeklagten haben insofern in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, es handele sich bei dem Agreement um den Generalvertrag mit C für alle dort genannten Produkte. Tatsächlich ist nicht einsichtig, warum es über diesen Vertrag hinaus weitere Vereinbarungen über weitere Produkte geben sollte, zumal der Vertrag erst im November 2019 geschlossen wurde. Denn für den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in der Europäischen Union bedarf es keines „G“. Insofern mag es sein, dass die Verfügungsbeklagten administrative Beratungstätigkeiten oder Übersetzerleistungen für C im Zusammenhang mit der angegriffenen Ausführungsform erbrachten. Dass sie aber mit C in irgendeiner Form übereinkamen, auch im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform nach außen als „G“ zu fungieren und mit der Verwendung eines entsprechenden Aufklebers einverstanden waren, haben die Verfügungsbeklagten in Abrede gestellt. Sie haben vorgetragen, sie hätten erstmals durch die Zustellung der einstweiligen Verfügung am 28.04.2020 erfahren, dass auf der Verpackung der angegriffenen Ausführungsform Aufkleber mit der Aufschrift „F“ angebracht worden seien. Wie die Firmendaten auf das Produkt gebracht worden seien, sei ihnen nicht bekannt. C habe eigenmächtig gehandelt.
- Davon ausgehend hat die Verfügungsklägerin ein wie auch immer geartetes Einverständnis der Verfügungsbeklagten mit der Verwendung des Aufklebers durch C auf den Verpackungen der angegriffenen Ausführungsform nicht substantiiert dargelegt. Das bloße Bestreiten mit Nichtwissen, dass es keine weiteren Verträge zwischen der Verfügungsbeklagten zu 1) und C im Hinblick auf die angegriffenen Ausführungsform gebe, genügt insoweit nicht.
- (2)
Es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass die Verfügungsbeklagten für die Verwendung des streitgegenständlichen Aufklebers durch C auf der Verpackung der angegriffenen Ausführungsform ihr Einverständnis erteilten. - Aus der Email-Korrespondenz zwischen der Verfügungsklägerin und „C“ ergibt sich ein solches Einverständnis nicht. Die Äußerungen von C verhalten sich überhaupt nicht zu den Aufklebern, sondern verweisen lediglich auf die Verfügungsbeklagte zu 1) als autorisierten Vertreter. Ob diese Äußerung nach dem Verständnis von C überhaupt in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform getätigt wurde, ist bereits zweifelhaft. Jedenfalls rechtfertigt die Äußerung aber nicht die Annahme, die Verfügungsbeklagte zu 1) sei mit der Verwendung der Aufkleber auf den Verpackungen der angegriffenen Ausführungsform einverstanden gewesen. Gleiches gilt für die Rechercheergebnisse des von der Verfügungsklägerin beauftragten Privatdetektivs. In allen Fällen tritt zwar die Eigenschaft der Verfügungsbeklagten zu 1) als autorisierte Vertreterin von C in der EU zu Tage, die ja auch unstreitig besteht. Es fehlt aber an der Produktbezogenheit und erst Recht an Umständen, die den Schluss zu lassen, die Verfügungsbeklagte habe von der Verwendung der Aufkleber auf der Verpackung der angegriffenen Ausführungsform Kenntnis und sei damit einverstanden.
- Schließlich ergibt sich auch aus dem Umstand, dass identische Aufkleber sowohl auf Filterpatronen anderer Händler als auch auf anderen Produkten von C aufgebracht waren, kein Anhaltspunkt dafür, dass die Verfügungsbeklagten von der Verwendung der Aufkleber durch C Kenntnis hatten und mit der Verwendung einverstanden waren. Im Ergebnis ist schlicht unklar, wer die Verwendung der Aufkleber auf der von C in Verkehr gebrachten angegriffenen Ausführungsform veranlasste.
- Was Aufkleber auf Filterpatronen anderer Händler angeht, ist zu berücksichtigen, dass die von diesen Händlern (H und I) erworbenen Filterpatronen dieselbe Verpackung aufweisen und augenscheinlich vom selben Hersteller stammen wie die von C gelieferte Ausführungsform. Sie befanden sich sogar in ein- und demselben Paket, wurden also von einer Stelle versendet. Allerdings befand sich nur auf einem der beiden Kartons der streitgegenständliche Aufkleber. Dies lässt es zunächst als unwahrscheinlich erscheinen, dass die Pakete von den Verfügungsbeklagten versendet werden, was diese auch immer in Abrede gestellt haben. Denn andernfalls hätte es nahegelegen, dass sich auf beiden Produktverpackungen die Aufkleber befinden. Darüber hinaus sagt ein Aufkleber auf der Produktverpackung eines weiteren Händlers nichts darüber aus, ob den Verfügungsbeklagten die Verwendung des Aufklebers auf der Produktverpackung von C bekannt war und sie mit der Verwendung einverstanden waren. Denn das vertragliche Verhältnis zwischen den Verfügungsbeklagten und dem anderen Händler ist nicht bekannt, so dass nicht ausgeschlossen ist, dass auch dieser ohne Kenntnis der Verfügungsbeklagten die Aufkleber absprachewidrig für Filterpatronen verwendete. Selbst wenn der andere Händler aber den Aufkleber mit dem Einverständnis der Verfügungsbeklagten auf dem Produkt aufbrachte, bleibt es dabei, dass im Hinblick auf das von C angebotene und gelieferte Produkt eben nicht festgestellt werden kann, ob ein solches Einverständnis vorlag. Es sei angemerkt, dass sich die einstweilige Verfügung gleichwohl nicht auf die Lieferung der weiteren Filterpatrone des anderen Händlers stützen lässt, weil die Patronen nicht in die Bundesrepublik Deutschland geliefert wurden. Letztlich ist ungeklärt, auf wen in der Lieferkette die Verwendung der Aufkleber zurückgeht und ob dies mit dem Wissen und dem Einverständnis der Verfügungsbeklagten geschah.
- Soweit andere Produkte von C, wie der Jzerstäuber, ebenfalls einen Aufkleber aufweisen, der die Verfügungsbeklagte zu 1) als autorisierten europäischen Vertreter benennt, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass es sich dabei genau um das im „G Agreement“ genannte Produkt „J“ handelt. Insofern mag es also sein, dass es Produkte gibt, auf die Vertragspartner der Verfügungsbeklagten mit deren Einwilligung Aufkleber aufbringen, die die Verfügungsbeklagten zu 1) als „G“ ausweisen. Daraus ergibt sich aber noch nicht, dass die Verfügungsbeklagten von der Verwendung dieser Aufkleber auch auf anderen Produkten wie der angegriffenen Ausführungsform wussten und damit einverstanden waren.
- bb)
Auch nach der Abmahnung, durch die auf Seiten der Verfügungsbeklagten unzweifelhaft Kenntnis von der Verwendung der Aufkleber bestand, bestand keine Verpflichtung der Verfügungsbeklagten, die weitere Verwendung der Aufkleber zu unterbinden. - Wie bereits ausgeführt, ist schon unklar, ob und wie weit die Verfügungsbeklagten überhaupt an der Verwendung der streitgegenständlichen Aufkleber mitgewirkt haben. Aber selbst wenn die Verfügungsbeklagten Vertragspartnern wie C gestatten, die Verfügungsbeklagte zu 1) auf vertraglich bestimmten Produkten als autorisierte europäische Vertreterin zu benennen, begründet eine solche vertragliche Vereinbarung keine Schutzwirkung für die Verfügungsklägerin. Insofern löst eine Vertragspflichtverletzung durch C keine Ansprüche der Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagten aus, selbst wenn den Verfügungsbeklagten die Vertragspflichtverletzung bekannt sein sollte. Die Verfügungsbeklagten sind nicht für ein etwaiges Fehlverhalten ihrer Vertragspartner verantwortlich, selbst wenn dieses durch eine vertragliche Vereinbarung bezüglich anderer Produkte ermöglicht wurde. Weder die vertragliche Vereinbarung noch die spätere Kenntnis von einem Missbrauch durch den Vertragspartner begründen eine Schutzpflicht der Verfügungsbeklagten zugunsten der Verfügungsklägerin.
- c)
Ohne Erfolg bleibt schließlich der am Ende der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Einwand der Verfügungsklägerin, ob die Verfügungsbeklagten nicht einer allgemeinen Prüfpflicht unterliegen, weil sie auch IP Compliance anböten und im Zuge dieser Prüfung auch technische Informationen vor der Markteinführung erhielten. Denn es lässt sich schon nicht feststellen, dass die angegriffene Ausführungsform überhaupt Gegenstand einer Vereinbarung zwischen den Verfügungsbeklagten und C war, in deren Zuge technische Informationen hätten übertragen werden können. Abgesehen davon bleibt unklar, ob und in welchem Umfang die Verfügungsbeklagten technische Informationen über die angegriffene Ausführungsform tatsächlich erhalten haben. - IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. - Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.