Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3049
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 1. September 2020, Az. 4a O 105/19
- Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Rechtstreits hat die Klägerin zu tragen. - 3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. - Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 2 185 XXX B1 (Anlage LS 2; nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
- Das Klagepatent, dessen Inhaberin die Klägerin ist, wurde am 29. August 2008 angemeldet und nimmt die Priorität der Schrift AT XXX U in Anspruch. Die Anmeldung wurde am 19. Mai 2010 veröffentlicht. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 30. Januar 2013 bekanntgemacht.
- Das Klagepatent steht in Kraft. Die Beklagte hat eine das Klagepatent betreffende Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Das Klagepatent betrifft eine Profilform für einen Kranarm.
- Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 lautet wie folgt:
- „Kranarm für einen Kran (4), mit einer Längsachse und einer in einer Transversalebene in Bezug auf eine Symmetrieachse (s) wenigstens annähernd spiegelsymmetrisch verlaufenden und wenigstens abschnittsweise geradlinig ausgebildeten, gedachten Konturlinie, wobei die Konturlinie die Symmetrieachse (s) in einem ersten und einem zweiten Schnittpunkt (S1, S2) schneidet und sich in Richtung des zweiten Schnittpunkts (S2) zumindest vor dem letzten Drittel des Abstands zwischen dem ersten und dem zweiten Schnittpunkt (S1, S2) verjüngt, wobei sich die Verjüngung der Konturlinie bis zum zweiten Schnittpunkt (S2) fortsetzt und in einer Rundung an der Symmetrielinie (s) endet, wobei die Konturlinie zwischen dem ersten Schnittpunkt (S1) und einem äquidistant zum ersten und zweiten Schnittpunkt (S1, S2) angeordneten Mittelpunkt (M) zumindest teilweise einen wenigstens angenähert kreisbogenförmigen Abschnitt (k1) aufweist, der vorzugsweise als Viertelkreisbogen ausgebildet ist und dass der Krümmungsmittelpunkt (K) des kreisbogenförmigen Abschnitts (k1) auf oder in der Nähe der Symmetrieachse (s) und vorzugsweise zwischen dem ersten Schnittpunkt (S1) und dem Mittelpunkt (M) liegt, und wobei die Konturlinie einen geradlinigen Abschnitt (g1) aufweist, dessen gedachte Verlängerung (g1) in Richtung des zweiten Schnittpunkts (S2) die Symmetrieachse (s) unter einem vorzugsweisen spitzen Winkel (ß) schneidet,
- dadurch gekennzeichnet, dass,
- sich an den ersten geradlinigen Abschnitt (g1) ein zweiter geradliniger Abschnitt (g2) anschließt, der in der Rundung endet.“
- Die nachfolgend, leicht verkleinerte eingeblendete Abbildung zeigt die Figur 1a des Klagepatents mit der Darstellung eines ersten Ausführungsbeispiels der gedachten Konturlinie eines erfindungsgemäßen Kranarms.
- Die Beklagte zu 1) ist die deutsche Vertriebsgesellschaft der (…) Muttergesellschaft A und vertreibt unter anderem Ladekräne und Faltkräne. Der Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Die Beklagte bietet an und vertreibt den Ladekran B (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform; vgl. Anlagen LS 6, LS 7). Die Beklagte zu 1) stellte die angegriffene Ausführungsform im April 2019 auf der Messe „C“ in (…) aus.
- Die leicht verkleinerten, eingeblendeten Abbildungen sind den Anlagen LS 6, Seite 5, LS 8 und LS 9, Seite 2 entnommen. Sie zeigen die angegriffene Ausführungsform im Ausfaltungsvorgang sowie das Profil der angegriffenen Ausführungsform, wobei die teilweise Beschriftung seitens der Klägerin erfolgte.
- Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform verletze das Klagepatent wortsinngemäß.
- Sie behauptet, dass die seitens der Beklagten in der Klageerwiderung eingeblendeten CAD-Nachbildungen nicht den tatsächlichen Ausmaßen der angegriffenen Ausführungsform entsprächen, sondern breiter dargestellt seien.
- Weder ergebe sich aus dem Anspruch, dass der Kranarm aus einem einzigen Blech gefertigt werden könne noch, dass er objektiv so beschaffen sein müsse.
- Sofern die Konturlinie zwischen dem ersten Schnittpunkt S1 und einem äquidistant zwischen den beiden Schnittpunkten S1 und S2 angeordneten Mittelpunkt M zumindest teilweise einen wenigstens angenähert kreisbogenförmigen Abschnitt (k1) aufweisen muss (Merkmale 4., 4.1 der nachfolgenden Merkmalsgliederung), fordere der Anspruch nicht, dass besagter Abschnitt bereits in einer einzigen Symmetriehälfte des Kranarms verwirklicht sein müsse.
- Die anspruchsgemäße angenäherte Kreisbogenförmigkeit beschreibe gerade keine exakt-mathematische Einhaltung eines Kreisbogens, sondern eine ähnliche Ausgestaltung, mit der die im Klagepatent genannten Vorteile erzielt würden. Auch der Beschreibung lasse sich keine Reduktion der technischen Lehre auf eine kreis (-bogen-) förmige Ausgestaltung entnehmen.
- Ferner erfasse der Anspruch eine gedachte Konturlinie, die in Bezug auf die Symmetrieachse (s) wenigstens annähernd spiegelsymmetrisch verlaufe, wobei dies impliziere, dass die Konturlinie die gesamte Kontur des Kranarms darstelle und sie auch nicht von S1 zu S2 verlaufe, sondern die Symmetrieachse in diesen Punkten schneide. Funktional werde der gesamte untere Bereich des Kranarms auf Druck belastet und nicht nur ein Viertel davon. Ferner sei in der Klagepatentschrift von der gesamten Konturlinie die Rede, die im Bereich des Schnittpunkts S1 und dem Punkt M als kreisbogenförmiger Abschnitt k1 ausgebildet sei.
- Der Krümmungsmittelpunkt werde nach dem Klagepatent bei einem Polygonzug – wie er in der Figur 1b dargestellt sei –, dergestalt ermittelt, dass bei einem Abschnitt von der ersten Abkantung zur zweiten Abkantung exakt die Hälfte bestimmt werde. Sodann werde in dieser Mitte das Lot gefällt und dort, wo die rechtwinklige Gerade die Symmetrieachse schneide, liege der Krümmungsmittelpunkt des gedachten Kreisbogens.
- Die angegriffene Ausführungsform weise im unteren Bereich einen angenähert kreisbogenförmigen Abschnitt zwischen S1 und M auf, wobei sowohl der linke als auch der rechte Bereich über mehrere Abkantungen verfüge und auch jeder Bereich für sich angenähert kreisbogenförmig sei. Insbesondere sei die erfindungsgemäße Lehre aber verwirklicht, wenn man die Konturlinie nicht nur im Bereich des unteren Schnittpunktes S1 bis zur Symmetrieachse, sondern auch darüber hinaus betrachte.
- Wenn man bei der angegriffenen Ausführungsform die Hälfte von der ersten Abkantung zur zweiten Abkantung bestimme und hier das Lot fälle, liege der Krümmungsmittelpunkt dort, wo diese rechtwinklige Gerade die Symmetrieachse schneide. Sofern man einen Zirkel in diesem Mittelpunkt ansetze, laufe dieser durch die Abkantungspunkte. An der Spitze – deren technischer Hintergrund das bessere Schweißen sei – werde die Konturlinie geringfügig darunter liegen.
- Die Klägerin beantragt,
- I. den Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft im Hinblick auf die Beklagte zu 1 an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu untersagen,
- einen Kranarm für einen Kran (4), mit einer Längsachse und einer in einer Transversalebene in Bezug auf eine Symmetrieachse (s) wenigstens annähernd spiegelsymmetrisch verlaufenden und wenigstens abschnittsweise geradlinig ausgebildeten, gedachten Konturlinie, wobei die Konturlinie die Symmetrieachse (s) in einem ersten und einem zweiten Schnittpunkt (S1, S2) schneidet und sich in Richtung des zweiten Schnittpunkts (S2) zumindest vor dem letzten Drittel des Abstands zwischen dem ersten und dem zweiten Schnittpunkt (S1, S2) verjüngt, wobei sich die Verjüngung der Konturlinie bis zum zweiten Schnittpunkt (S2) fortsetzt und in einer Rundung an der Symmetrielinie (s) endet, wobei die Konturlinie zwischen dem ersten Schnittpunkt (S1) und einem äquidistant zum ersten und zweiten Schnittpunkt (S1, S2) angeordneten Mittelpunkt (M) zumindest teilweise einen wenigstens angenähert kreisbogenförmigen Abschnitt (k1) aufweist, der vorzugsweise als Viertelkreisbogen ausgebildet ist und dass der Krümmungsmittelpunkt (K) des kreisbogenförmigen Abschnitts (k1) auf oder in der Nähe der Symmetrieachse (s) und vorzugsweise zwischen dem ersten Schnittpunkt (S1) und dem Mittelpunkt (M) liegt, und wobei die Konturlinie einen geradlinigen Abschnitt (g1) aufweist, dessen gedachte Verlängerung (g1) in Richtung des zweiten Schnittpunkts (S2) die Symmetrieachse (s) unter einem vorzugsweisen spitzen Winkel (ß) schneidet,
- dadurch gekennzeichnet, dass
- sich an den ersten geradlinigen Abschnitt (g1) ein zweiter geradliniger Abschnitt (g2) anschließt, der in der Rundung endet,
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
- II. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagten die zu Ziffer I begangenen Handlungen seit dem 30. Januar 2013 begangen haben, und zwar unter Angabe
- 1. der Namen und Anschriften der Herstellerin, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
2. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Kranarme bestimmt waren,
3. der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Kranarme sowie der Preise, die für die betreffenden Kranarme bezahlt wurden; - wobei
- zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- III. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die zu Ziffer I bezeichneten Handlungen seit dem 28. Februar 2013 begangen haben, und zwar unter Angabe:
- 1. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
- 2. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
- 3. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet sowie im Falle der Internet-Werbung aufgeschlüsselt nach der Anzahl der Zugriffe hierauf,
- 4. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
- wobei den Beklagten vorbehalten bleibt die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- IV. nur für die Beklagte zu 1): die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer I bezeichneten Kranarme an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 1) – Kosten herauszugeben;
- V. nur für die Beklagte zu 1): die unter Ziffer I bezeichneten, seit dem 28. Februar 2013 in Verkehr gebrachten Kranarme gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom…) festgestellten patentverletzenden Zustand des jeweiligen Kranarms und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Kranarme wieder an sich zu nehmen;
- VI. es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I bezeichneten, seit dem 28. Februar 2013 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- Die Beklagten beantragen,
- die Klage abzuweisen,
- hilfsweise,
- das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtsbeständigkeit des Klagepatents auszusetzen.
- Die Beklagten behaupten, dass bei der angegriffenen Ausführungsform dem unteren halbkastenförmigen Teil die Stabilisierungswirkung fehle und daher ein im Vergleich 25% dickeres Stahlblech verwendet werde, als das Stahlblech, aus dem der obere halbkastenförmige Teil hergestellt werde. Die fehlende Stabilisierungswirkung belegten die angestellten Festigkeitsberechnungen der Beklagten.
- Sie sind weiter der Auffassung, dass die angegriffene Ausführungsform das Klagepatent nicht verletze.
- Das Klagepatent beanspruche einen Kranarm – den der Fachmann auch als „Schuss“ bezeichne –, der rein objektiv so beschaffen seien müsse, dass er aus einem einzigen Stück Blech durch mehrfaches Biegen gefertigt werden könne. Hierbei handele es sich um eine mittelbare Beschaffenheitsangabe für die Abkantungen, die den angenäherten kreisbogenförmigen Abschnitt bildeten. Weiter könnten dünnere Bleche verwendet werden als das im Stand der Technik bislang der Fall gewesen sei. Vermieden werden solle, dass Ober- und Unterschale miteinander verschweißt werden müssten.
- Sofern das Klagepatent verlange, dass die gedachte Konturlinie zwischen dem ersten Schnittpunkt S1 und einem äquidistant zwischen den beiden Schnittpunkten S1 und S2 angeordneten Mittelpunkt M zumindest teilweise einen wenigstens angenähert kreisbogenförmigen Abschnitt (k1) aufweise, so sei hiermit nicht der gesamte untere Bogen des Schusses gemeint, sondern nur eine der beiden links und rechts der vertikalen Symmetrielinie (s) liegenden Hälften des Schusses. Ohne Quantifizierung wolle das Klagepatent sicherstellen, dass die Annäherung an die stabile Kreisbogenform fein genug und damit stabil genug sei, indem jede der beiden unteren Hälften bereits für sich allein gesehen mehrere Abkantungen aufwiesen. So sei auch der Hinweis in der Beschreibung auf den Polygonzug, der in den Figuren 1b und 1c gezeigt sei, zu verstehen. Dabei handele es sich um einen gleichmäßigen, feingliedrigen Polygonzug, der ein Surrogat für einen Kreis oder eine kreisähnliche Elipse darstellen könne. Das Klagepatent wolle gerade verhindern, dass beide unteren Hälften nur aus zwei ebenen Blechflächen bestünden, die durch eine einzige Abkantung verbunden seien. Für dieses Verständnis spreche zum einen das optionale Merkmal 4.2, wonach der Abschnitt (k1) vorzugsweise als Viertelkreisbogen ausgebildet sei, und zum anderen die Figur 1a. Sofern das Klagepatent auch die Aneinanderreihung von Elipsenabschnitten ausreichen lasse, seien dem keine maßlichen Grenzen zu entnehmen, so dass diese Angabe nichts zur Auslegung beitragen könne.
- Die angenäherte Kreisbogenform solle die gleiche Druckfestigkeit und Beulensteifigkeit leisten wie eine perfekte Kreisbogenform. Das Klagepatent erfasse daher solche abgekanteten Abschnitte nicht, deren Leistungsfähigkeit in Bezug auf diese beiden Eigenschaften 40% unter derjenigen eines perfekt kreisbogenförmigen Abschnitts lägen.
- Soweit es obligatorisch sei, dass der Krümmungsmittelpunkt K des kreisbogenförmigen Abschnitts K1 auf oder in der Nähe der Symmetrieachse liege (Merkmal 4.3), stelle dies nur eine weitere Definition dessen dar, was von den beiden kreisbogenförmigen Abschnitten zu verlangen sei, nämlich eine Beschaffenheit, wonach sie gemeinsam ein annähernd kontinuierliches kreisbogen-förmiges Gebilde darstellten.
- Der Krümmungsmittelpunkt im Sinne des Klagepatents werde bei einem Polygonzug dergestalt ermittelt, dass man sich mit Hilfe eines Zirkels an den Kreisbogen annähere, einen Kreis ziehen und dessen Radius bestimmen müsse. Anhand des Kreises könne man dessen Mittelpunkt bestimmen. Die Bestimmung des Mittelpunkts könne nur über diese Try-and-Error-Methode erfolgen.
- Die Geometrie der angegriffenen Ausführungsform sei eine andere. Der als Abschnitt k1 in Betracht kommende Bereich weise zwei gerade Platten auf, die eine v-förmige Konfiguration bildeten. Es sei nicht auf den linken und rechten Bereich in seiner Gemeinsamkeit abzustellen. Die angegriffene Ausführungsform verfüge nicht über eine entsprechend große Anzahl an Abkantungen auf jeder Seite im unteren Bereich des Schuss-Querschnitts, welche gerade die gesteigerte Beulstabilität gewährleiste, auf die das Klagepatent abziele. Sofern das Querschnittsprofil weniger Abkantungen aufweise, als dem Klagepatent vorschwebten, könne es qualitativ dem erfindungsgemäßen Profil nur entsprechen, wenn seine Geometrie den Belastungen auch dann standhalte, wenn es aus einem einzigen Blech gefertigt sei. Letzteres sei bei der angegriffenen Ausführungsform nicht der Fall. Die Abkantungen bei der angegriffenen Ausführungsform erreichten nicht die erforderliche Steifigkeitserhöhung, mit der Folge, dass die angegriffene Ausführungsform ohne die Verbauung von 25% dickerem Blech in der Unterschale unter Last signifikant früher versage. Die erhöhte Blechstärke betrage 2 mm.
- Ferner liege auch der Krümmungsmittelpunkt nicht auf oder in der Nähe der Symmetrieachse und erst recht nicht zwischen dem ersten Schnittpunkt S1 und dem Mittelpunkt M. Vielmehr läge er wegen des derart großen Radius – wenn der Abschnitt bei der angegriffenen Ausführungsform überhaupt als ganz grober Kreisbogen angesehen werden wollte – des Kreisbogens weit abgeschlagen bereits in dem Bereich zwischen dem Schnittpunkt S2 und dem Mittelpunkt M. Dies sei jedenfalls der Fall, wenn man nur eine Symmetriehälfte betrachte.
- Schließlich mache die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch, weil sie nicht aus einem Blech hergestellt werde und die Vorgabe der Verwendung dünnerer Bleche nicht erfülle.
- Jedenfalls sei der Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO auszusetzen, da sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen werde.
- Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30. Juli 2020 Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Die zulässige Klage ist unbegründet.
- Die Klägerin hat mangels Verletzung des Klagepatents keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung sowie Schadensersatz dem Grunde nach aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1, Abs. 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB gegen die Beklagten.
- I.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 keinen Gebrauch. Die Kammer kann jedenfalls bei der angegriffenen Ausführungsform nicht feststellen, dass der kreisbogenförmige Abschnitt k1 der gedachten Konturlinie einen Krümmungsmittelpunkt (K) auf oder in der Nähe der Symmetrieachse (s) aufweist (Merkmal 4.3 der nachfolgenden Merkmalsgliederung). - 1.
Das Klagepatent (nachfolgend genannte Absätze ohne Angabe sind solche des Klagepatents, Anlage LS 2) betrifft eine Profilform für einen Kranarm. Das Klagepatent führt zum vorgebekannten Stand der Technik aus, dass ein Kranarm mit einigen Merkmalen des Oberbegriffes des Anspruchs 1 beispielsweise in Figur 13 des EP 583 XXX B1 gezeigt ist. Die Figur 13 ist nachfolgend in leicht verkleinerter Form eingeblendet. - Hieran kritisiert das Klagepatent, dass insbesondere beim Einbau in ein Auslegersystem im oberen Bereich des Kranarms eine ungünstige Krafteinleitung erfolge. Des Weiteren sei die Fertigung eines solchen Kranarms relativ aufwändig. Ferner nennt das Klagepatent die Schrift DE 23 17 XXX A1 – ohne hieran explizit Kritik zu üben –, die ebenfalls einen Kranarm mit den Merkmalen des Oberbegriffes des Anspruchs 1 offenbare.
- Davon ausgehend bezeichnet es das Klagepatent als seine Aufgabe, die genannten Probleme des Standes der Technik zu beheben.
- 2.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent einen Kranarm nach dem vorliegend geltend gemachten Anspruch 1 vor, der sich wie folgt gliedern lässt: - 1.
Kranarm für einen Kran mit einer Längsachse. - 2.
Der Kranarm weist eine gedachte Konturlinie auf. - 2.1
Die Konturlinie verläuft in einer Transversalebene. - 2.2.
Sie verläuft in Bezug auf die Symmetrieachse (s) annähernd spiegelsymmetrisch. - 2.3.
Sie ist wenigstens abschnittsweise geradlinig ausgebildet. - 3.
Die Konturlinie - 3.1
schneidet die Symmetrieachse (s) in einem ersten und einem zweiten Schnittpunkt (S1, S2) und - 3.2.
verjüngt sich in Richtung des zweiten Schnittpunkts (S2) zumindest vor dem letzten Drittel des Abstands zwischen dem ersten und dem zweiten Schnittpunkt (S1, S2). - 3.3.
Die Verjüngung der Konturlinie setzt sich bis zum zweiten Schnittpunkt (S2) fort und endet in einer Rundung an der Symmetrielinie (s). - 4.
Die Konturlinie - 4.1.
weist zwischen dem ersten Schnittpunkt (S1)) und einem äquidistant zum ersten und zweiten Schnittpunkt (S1, S2) angeordneten Mittelpunkt (M) zumindest teilweise einen wenigstens angenähert kreisbogenförmigen Abschnitt (k1) auf. - 4.2
Der Abschnitt (k1) ist vorzugsweise als Viertelkreisbogen ausgebildet. - 4.3.
Der Krümmungsmittelpunkt (K) des kreisbogenförmigen Abschnitts (k1) liegt auf oder in der Nähe der Symmetrieachse (s) vorzugsweise zwischen dem ersten Schnittpunkt (S1) und dem Mittelpunkt (M). - 5.
Die Konturlinie - 5.1.
weist einen geradlinigen Abschnitt (g1) auf, - 5.2.
dessen gedachte Verlängerung (g1) in Richtung des zweiten Schnittpunkts (S2) die Symmetrieachse (s) unter einem vorzugsweisen spitzen Winkel (ß) schneidet, und - 5.3.
es schließt sich an den ersten geradlinigen Abschnitt (g1) ein zweiter geradliniger Abschnitt (g2) an, der in der Rundung endet. - 3.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht das Merkmal 4.3 des Klagepatentanspruchs 1 nicht. - Um den Krümmungsmittelpunkt (K) des kreisförmigen Abschnitts (k1) im Sinne des Merkmal 4.3 bestimmen zu können, ist der Fachmann zunächst gehalten, den Begriff des „wenigstens angenähert kreisbogenförmigen Abschnitts (k1)“ nach Merkmal 4.1 auszulegen (dazu unter a)). Denn erst wenn der Fachmann weiß, welche Anforderungen das Klagepatent an diesen Abschnitt der Konturlinie stellt, kann er dessen Krümmungsmittelpunkt nach Merkmal 4.3 ermitteln (dazu unter b)). Die Kammer kann im Ergebnis nicht feststellen, dass der kreisbogenförmige Abschnitt (k1) der angegriffenen Ausführungsform einen Krümmungsmittelpunkt (K) aufweist, der auf oder in der Nähe der Symmetrieachse (s) liegt (dazu unter c)).
- a)
Der Fachmann erkennt in der Gesamtschau des Anspruchs, dass die Merkmale 4., 4.1 die Ausgestaltung der Konturlinie auf einer Symmetriehälfte beschreiben. Konkrete Anforderungen stellt das Klagepatent darüber hinaus an die Ausprägung der Kreisbogenform des Abschnitts (k1) nicht, außer dass der Krümmungsmittelpunkt des Abschnitts (k1) sich auf oder in der Nähe der Symmetrieachse (s) befinden soll (Merkmal 4.3). Darüber hinaus wird jede Ausprägung einer Kreisbogenform erfasst, die technisch-funktional dazu beiträgt, die an dieser Stelle des Kranarmes auftretende Druckbelastung zu verringern. - aa)
Dieses Verständnis ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut des Anspruchs. Da regelmäßig der Sinngehalt des Anspruchs in seiner Gesamtheit zu erfassen ist (vgl. BGH, GRUR 2020, 159, 161 – Lenkergetriebe m.w.N.), sind die Merkmale 4. und 4.1 nicht isoliert zu betrachten, sondern im Zusammenhang mit den anderen Merkmalen, insbesondere auch mit der Merkmalsgruppe 2, in den Blick zu nehmen. - Nach Merkmal 4.1 weist die Konturlinie zumindest teilweise zwischen den Punkten S1 und M einen wenigstens angenähert kreisbogenförmigen Abschnitt (k1) auf. Neben der räumlich-körperlichen Vorgabe zur Lage des Abschnitts zwischen dem ersten Schnittpunkt und dem im Anspruch näher definierten Mittelpunkt (M) reicht es nach dem Wortsinn des Anspruchs aus, dass nur teilweise also in einem Teilabschnitt der definierten Konturlinie ein kreisbogenförmiger Abschnitt vorliegt. Zu einer Mindestgröße oder einer Mindestanzahl von Segmenten, aus denen der Abschnitt bestehen müsste, verhält sich der Anspruch nicht.
- Der Anspruch wählt als entscheidenden Bezugspunkt der Konturlinie die Symmetrieachse (s). Vor der näheren Charakterisierung der Konturlinie mittels Schnitt-, Mittel- und Krümmungsmittelpunkten ergibt sich zunächst aus Merkmal 2.2, dass die gedachte Konturlinie in Bezug auf die Symmetrieachse (s) annähernd spiegelsymmetrisch verläuft. Dies bedeutet im Umkehrschluss auch, dass der Abschnitt (k1) wie in Figur 1a gezeigt, zunächst nur anhand einer Hälfte der Symmetrieachse (s) bestimmt wird, und in einem zweiten Schritt geprüft wird, ob dieser Abschnitt der Konturlinie annähernd spiegelsymmetrisch auch auf der anderen Hälfte der Achse verläuft. Für dieses Verständnis spricht ferner die Anspruchssystematik, wie sie sich aus den weiteren Merkmalsgruppen 3 und 5 ergibt. Diese Merkmale stellen mit den Schnittpunkten S1 und S2 sowie den Abschnitten g1 und g2 jeweils konkrete Anforderungen an die Ausgestaltung der Konturlinie auf einer Symmetriehälfte auf. So setzt sich zum Beispiel der geradlinige Abschnitt (g1) (Merkmal 5.1) schwerlich erst in einer Gesamtbetrachtung beider Symmetriehälften zusammen, sondern stellt sinnvollerweise nur einen Teilbereich der Konturlinie auf einer der Symmetriehälften dar. Gleiches gilt für die verlangte Verjüngung der Konturlinie (Merkmale 3.2., 3.3.). Der Verlauf der Konturlinie kann sich in Bezug auf die Symmetrieachse (s) verjüngen, in dem er sich in ihre Richtung wendet. Das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeführte Argument, eine Verjüngung könne nur auf beiden Seiten der Symmetrieachse eintreten, spricht insofern nicht gegen das hiesige Verständnis, weil Merkmal 2.2 – wenn auch erst in einem zweiten Schritt – dies ebenfalls sicherstellt. In diese Lesart fügt sich die Merkmalsgruppe 4 zwangslos ein. Aus Merkmal 4.2., wonach die Form des Abschnitts (k1) vorzugsweise einen Viertelkreisbogen ausbildet, folgt, dass grundsätzlich auch eine deutlich niedrigere Vorgabe für die Bogenbildung (z.B. 1/8 oder 1/16, etc.) in Betracht kommt. Schließlich besteht durch die allgemeine Vorgabe der annähernden Spiegelsymmetrie ebenfalls die Möglichkeit, dass Abweichungen zwischen beiden Symmetriehälften vorliegen, die so erheblich sind, dass sie aus dem Schutzbereich des Anspruchs herausführen können.
- bb)
Neben dem Umstand, dass der Abschnitt (k1) zunächst auf einer Seite der Symmetrieachse (s) zu betrachten ist, erkennt der Fachmann im Hinblick auf die weitere Ausgestaltung des Abschnitts (k1), dass der weite Anspruchswortlaut jegliches Surrogat für einen Kreis, das wenigstens annähernd kreisbogenförmig ist, erfasst. Es bedarf insoweit keines Kreisbogens, sondern es genügt dessen Form bzw. wenigstens die Annäherung an dessen Form. - Mögliche Ausprägungen der angenäherten Kreisbogenform zeigt das Klagepatent beispielhaft in den Absätzen [0016] und [0017]. Ausreichend ist es, dass der Abschnitt durch ein Polygonzug angenähert ist, wie er in den Figuren 1b und 1c dargestellt wird, wobei dieser eine einfachere Fertigung durch Abkantung der den Kranarm bildenden Bleche gestattet oder aber durch ein Walzvorgang realisiert werden kann. Ferner kann der Abschnitt auch in dem Sinne nur angenähert sein, dass er z.B. durch einen oder mehrere Ellipsenabschnitte mit entsprechend geringer Exzentrität gebildet wird. Denkbar wäre ebenfalls eine Ausbildung durch eine Aneinanderreihung entsprechend kurzer geradliniger, eliptischer und/oder kreisbogenförmiger Segmente.
- Entgegen der Ansicht der Beklagten erfährt der Klagepatentanspruch durch den in den Figuren 1b und 1c gezeigten Polygonzug mit vier Abkantungen keine Einschränkung auf diesen. Denn das Klagepatent lässt allgemein ein Polygonzug zu, auch wenn der in den Figuren beispielhaft gezeigte Zug einen solchen mit vier Abkantungen in einer Symmetriehälfte darstellt. Sofern ein Polygon selbst mit einer Abkantungen eine angenäherte Kreisbogenform gewährleistet, ist es von der Lehre des Klagepatents erfasst. So nennt Absatz [0017] gerade die Möglichkeit einer Aneinanderreihung entsprechend kurzer geradliniger Segmente. Anders als die Beklagten meinen, trägt Absatz [0017] zur Auslegung bei, weil aus ihm – insoweit den weiten Anspruchswortlaut unterstützend – folgt, dass das Klagepatent gerade keine konkreten Maßangaben oder Bereichsgrenzen vorgibt und insoweit einen breiten Schutzbereich hat. Die Klagepatentschrift liefert keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es gerade verhindert werden soll, eine der beiden unteren Symmetriehälften aus Blechflächen mit nur einer Abkantung vorzusehen bzw. beabsichtigt ist, den Polygonzug entsprechend feingliedrig auszugestalten. So ist grundsätzlich auch ein Polygon denkbar, das aus zwei aneinandergereihten, geradlinigen Abschnitten mit einer Abkantung besteht, sofern es denn technisch-funktional die erfindungsgemäße Stabilität in Bezug auf die Druckspannung fördert. Der Verweis der Klägerin in der mündlichen Verhandlung darauf, dass in Figur 1a der Abschnitt (g3) nicht mehr Teil des kreisbogenförmigen Abschnitts (k1) sei, ist für das Verständnis des Anspruchs 1 gleichfalls unerheblich, weil der Abschnitt (g3) nach dem Wortlaut gerade nicht beansprucht ist. Der Abschnitt (g3) wird erst in Unteranspruch 7 erwähnt und in Absatz [0019] auch nur als besonders bevorzugt bezeichnet. Dass sich ein geradliniger Abschnitt tangential an den kreisbogenförmigen Abschnitt (k1) anschließen kann, ist für die Bestimmung des annähernd kreisbogenförmigen Abschnitts (k1) ohne Belang. Eine Verlängerung der Annäherung an den kreisbogenförmigen Abschnitt (k1) findet nicht statt.
- cc)
Die Grenzen des Schutzbereiches werden durch das Merkmal 4.3 und die technische Funktion, die dem angenäherten kreisbogenförmigen Abschnitt (k1) zukommt, gezogen. - So legt Merkmal 4.3 fest, dass der Krümmungsmittelpunkt des kreisbogenförmigen Abschnitts auf oder in der Nähe der Symmetrieachse (s) liegen muss. Auch wenn Absatz [0018] diese Voraussetzung nur als besonders bevorzugt bezeichnet, hat sie in dieser Form Eingang in den Anspruch gefunden und ist damit zwingend. Indem das Klagepatent die Position des Krümmungsmittelpunkts bestimmt, legt es letztlich die erforderliche Krümmung des Abschnitts (k1) fest und damit auch, welchen Grad an Kreisbogenförmigkeit der Abschnitt wenigstens erreichen muss. Ein Abschnitt, der nur eine Annäherung an einen Kreisbogen aufweist, die zu einem Krümmungsmittelpunkt führt, der nicht mehr auf oder in der Nähe der Symmetrieachse (s) liegt, ist nicht mehr vom Anspruch erfasst.
- Weiter muss der wenigstens angenähert kreisbogenförmige Abschnitt (k1) einen technisch-funktionalen Beitrag leisten, um die Druckspannungen zu verringern und eine Beulgefährdung zu vermindern (vgl. Absatz [0016]). Erforderlich aber auch ausreichend ist bereits jede Verringerung oder Verminderung. So muss der Abschnitt nicht ausschließlich gewährleisten, dass die Gefahr des Eintritts von Beulen ausgeschlossen oder vollständig vermieden wird. Der Bereich zwischen dem Mittelpunkt M und dem ersten Schnittpunkt S1 wird im Betrieb des Kranarms auf Druck belastet (vgl. Absatz [0014]). Der Vorteil der angenäherten Kreisbogenform liegt in der besseren Verteilung der Druckkräfte und beugt einer Deformation des Bleches vor.
- dd)
Aus alledem folgt schließlich, dass für die Annahme der Beklagten, der Kranarm müsse rein objektiv so beschaffen sein, dass er aus einem einzigen Stück Blech durch mehrfaches Biegen gefertigt werden könne, wobei es sich um eine mittelbare Beschaffenheitsangabe für die Abkantungen handele, kein Raum besteht. Der Anspruch 1 verhält sich nicht dazu, aus wie vielen Blechen der Kranarm gefertigt werden soll. Damit beschäftigt sich erst Unteranspruch 7. Aus Absatz [0009] folgt lediglich, dass der Kranarm aus einem einzigen Blech gefertigt werden kann, nicht muss. Dem Absatz [0016] entnimmt der Fachmann, dass der Kranarm aus mehreren Blechen gebildet wird. Auch Absatz [0037] spricht davon, dass die Formgebung der Bleche durch Abkanten und Schweißen erfolgen kann. - b)
Merkmal 4.3 verlangt, dass der Krümmungsmittelpunkt (K) des kreisförmigen Abschnitts (k1) auf oder in der Nähe der Symmetrieachse (s) und vorzugsweise zwischen dem ersten Schnittpunkt (S1) und dem Mittelpunkt M liegt. - Der letzte, mit „vorzugsweise“ eingeleitete Teil des Merkmals ist – insoweit zwischen den Parteien unstreitig – lediglich optional.
- Abgesehen von der Darstellung in Figur 1a verhält sich die Beschreibung nicht zu dem Krümmungsmittelpunkt. Absatz [0018] ist lediglich zu entnehmen, dass bei der dort gezeigten Variante des kreisbogenförmigen Abschnitts k1 der Krümmungsmittelpunkt des Abschnitts in der Nähe oder auf der Symmetrieachse (s) und zwischen dem ersten Schnittpunkt S1 und dem Mittelpunkt M liegt. In der Figur 1a bestimmt das Klagepatent den Krümmungsmittelpunkt derart, dass ausgehend von den jeweiligen Abschnittsenden des Abschnitts (k1) ein Radius r gezogen wird und der Mittelpunkt dort liegt, wo beide Radien sich treffen. Der Fachmann erkennt indes, dass diese Bestimmung nur dann sinnvoll möglich ist, wenn es sich tatsächlich um einen Kreisradius handelt – wie bei dem vorzugsweise beanspruchten Viertelkreisbogen nach Merkmal 4.2. Das bedeutet, dass die Entfernung der Abschnittsenden mit dem Kreisradius r übereinstimmt. Da der wenigstens angenähert kreisbogenförmige Abschnitt (k1) aber – wie soeben erläutert – auch aus einem Polygonzug von wenigstens zwei geradlinigen Abschnitten bestehen kann, hilft dem Fachmann diese Vorgehensweise in einem solchen Fall nicht weiter, weil der Radius r für jeden Abschnitt unterschiedlich ist. Daher wird der Fachmann zur folgenden Überlegung greifen: Um den Krümmungsmittelpunkt zuverlässig zu ermitteln, wird er von jedem Abschnitt/Segment die Hälfte bestimmen, in diesem Punkt das Lot fällen und eine rechtwinklige Gerade ziehen. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht der Klägerin befindet sich jedoch der Krümmungsmittelpunkt nicht an der Stelle, wo diese Mittelsenkrechten die Symmetrieachse schneiden, sondern vielmehr an dem Punkt, in dem sich die Mittelsenkrechten selbst schneiden. Dieser Schnittpunkt muss nach den Anforderungen des Anspruchs 4.2 auf oder in der Nähe der Symmetrieachse (s) liegen. In der Nähe der Symmetrieachse liegt der Krümmungsmittelpunkt jedenfalls nicht mehr bei einer deutlichen Beabstandung zur Achse, da in einem solchen Fall augenscheinlich die Krümmung des Umkreises des Polygons zu schwach ausgeprägt ist, um noch eine Annäherung an die Kreisbogenform im Sinne des Merkmal 4.1 leisten zu können.
- Etwas anderes ergibt sich auch nicht unmittelbar aus der in der mündlichen Verhandlung in Bezug genommenen Figur 1b. Abgesehen davon, dass es sich hierbei lediglich um eine schematische Darstellung handelt, weist in diesem Ausführungsbeispiel der Polygonzug mehr als zwei Abschnitte auf, die wiederum die Viertelkreisbogenform aus Figur 1a nachvollzieht. In diesem konkreten Ausführungsbeispiel mag daher der Krümmungsmittelpunkt auf der Symmetrieachse liegen. Eindeutig zu entnehmen ist dies der Figur 1b nicht. Eine Verallgemeinerung anhand des Ausführungsbeispiels für alle möglichen Fälle von Polygonzügen, die unter den Anspruch fallen können, scheidet zudem aus.
- c)
Anhand der Anlage LS 9 und der Einblendung 32 in der Duplik der Beklagten kann die Kammer feststellen, dass im unteren Bereich, in dem die Druckbelastung des streitgegenständlichen Kranarms stattfindet, auf einer Symmetriehälfte zwei Blechsegmente mit einer Abkantung angeordnet sind, die zunächst einmal annähernd kreisbogenförmig aneinander gereiht sind (Merkmal 4.1). - Mit der Beklagten ist die Kammer der Ansicht, dass das Blechsegment, das in der Einblendung 32 mit dem blauen Pfeil gekennzeichnet ist, nicht mehr Teil des kreisbogenförmigen Segmentes ist, da es steil nach oben verläuft und nichts zur Kreisbogenförmigkeit beiträgt. Nach obiger Auslegung weist die angegriffene Ausführungsform damit zwar zumindest teilweise einen wenigstens angenähert kreisbogenförmigen Abschnitt (k1) zwischen dem ersten Schnittpunkt (S1) und einem äquidistant zum ersten und zweiten Schnittpunkt (S1, S2) angeordneten Mittelpunkt (M) auf. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die angegriffene Ausführungsform neben der anspruchsgemäßen Form in der Unterschale ein Blech verwendet, das 2 mm dicker (25%) ist als das in der Oberschale verwendete Blech, da die Beklagten selbst nicht behaupten, dass diese Ausgestaltung keine Verminderung der Gefahr von Beulen bei der Druckbelastung zur Folge hat, sondern nur, dass bei fehlender Verwendung der Blechverstärkung ab einer bestimmten Newton-Last eine Beulenbildung erfolgt.
- Dies kann aber im Ergebnis dahinstehen, weil die Kammer eine Verletzung des Merkmals 4.3 nicht festzustellen vermag. Die Klägerin hat eine Verwirklichung dieses Merkmals weder schlüssig noch widerspruchsfrei vorgetragen.
- aa)
Sie hat zunächst schriftsätzlich pauschal behauptet, der Krümmungsmittelpunkt (K) befinde sich an der Stelle auf der Symmetrieachse (s) bei der angegriffenen Ausführungsform, wie sie ihn auf Seite 3 der Anlage LS 9 eingetragen habe, ohne konkret darzulegen, wie sie diesen ermittelt hat. In der mündlichen Verhandlung hat sie der Aufforderung des Vorsitzenden folgend, hierzu näher vorzutragen, anhand der Anlage LS 8 handschriftlich den Krümmungsmittelpunkt eingezeichnet, wobei diese Zeichnung nicht zu den Akten gelangt ist. Nachdem der Beklagte nach Inaugenscheinnahme der Zeichnung monierte, die angegriffene Ausführungsform verfüge nicht über drei Abkantungen, hat die Klägerin diesen Vortrag nicht mehr aufrechterhalten. - bb)
Im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung hat der Vorsitzende erneut die Nachfrage gestellt, wie für zwei Segmente bei der angegriffenen Ausführungsform der Krümmungsmittelpunkt bestimmt werde. Daraufhin hat die Klägerin ihren Vortrag dahingehend geändert, dass bei der angegriffenen Ausführungsform die Hälfte von der ersten Abkantung zur zweiten Abkantung bestimmt und hier das Lot gefällt werde. Der Krümmungsmittelpunkt liege dort, wo diese Mittelsenkrechte die Symmetrieachse schneide. Sofern man einen Zirkel in diesem Mittelpunkt ansetze, laufe dieser durch die Abkantungspunkte. An der Spitze – deren technischer Hintergrund das bessere Schweißen sei – werde die Konturlinie geringfügig darunter liegen. Sie hat dies anhand der Anlage LS 9, Seite 1 in der mündlichen Verhandlung erläutert. - Nach obiger Auslegung vermag auch dieser Vortrag der Klägerin die Verletzung nicht zu begründen, weil der Schnittpunkt auf der Symmetrieachse (s) unerheblich ist. Entscheidend für die Bestimmung des Krümmungsmittelpunkts (K) ist der Schnittpunkt beider Mittelsenkrechten. Betrachtet man aber diesen Schnittpunkt und seine Lage zur Symmetrieachse (s), so kann die Kammer weder feststellen, dass der Krümmungsmittelpunkt bei der angegriffenen Ausführungsform auf der Symmetrieachse liegt, noch kann sie feststellen, dass er in ihrer Nähe liegt. Vielmehr befindet sich der Krümmungsmittelpunkt der Mittelsenkrechten in einem deutlichen Abstand zur Symmetrieachse (s). Dies zeigt die nachfolgende, leicht verkleinerte Abbildung der Mittelsenkrechten, welche die Kammer selbst basierend auf der Anlage LS 8 erstellt hat. Die Symmetrieachse (s) ist gestrichelt dargestellt und die beiden Mittelsenkrechten schneiden sich erst in der rechten Symmetriehälfte. Dieser Schnittpunkt ist von der Symmetrieachse deutlich beabstandet.
- cc)
Sofern die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 7. August 2020 nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erstmals vorträgt, dass sie nunmehr auch die Ansicht vertritt, dass es sich bei dem Krümmungsmittelpunkt (K) um den Schnittpunkt der Streckensymmetralen handelt, aber bei seiner korrekten Ermittlung in der angegriffenen Ausführungsform ausweislich der Anlage LS 12, Detail D freilich der geradlinige Abschnitt (g3) (in orange gezeichnet) nicht zu berücksichtigen sei, mit der Folge, dass der Krümmungsmittelpunkt sich in der Nähe der Symmetrieachse (s) befinde, verfängt auch dieser Vortrag aus mehreren Gründen nicht. - (1)
Zunächst einmal hat die Klägerin – entgegen ihrer Darstellung im Schriftsatz vom 7. August 2020 Rn. 18 – mitnichten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass der Schnittpunkt der Streckensymmetralen der Krümmungsmittelpunkt sei. Insofern wird auf die obigen Ausführungen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30. Juli 2020 verwiesen. Was die Ausführungen zu dem geradlinigen Abschnitt (g3) angeht, hat die Klägerin sich in der mündlichen Verhandlung lediglich im Rahmen der Auslegung geäußert, nicht jedoch im Hinblick auf die tatsächliche Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform und dessen mangelnder Berücksichtigung bei der Ermittlung des Krümmungsmittelpunktes. Im Gegenteil hat sie ausgeführt, dass die gedachte Konturlinie an der Spitze geringfügig unter dieser liegen wird, ohne zu erwähnen, dass der letzte Teil des Blechabschnitts zur Spitze hin betrachtet bei der Ermittlung des Krümmungsmittelpunkts keine Rolle spielt. - (2)
Selbst wenn man den insoweit neuen tatsächlichen Vortrag zur Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform berücksichtigen wollte, führt auch dieser nicht zu einer Verletzung des Merkmals 4.3. Wie bereits in der Auslegung zu Merkmal 4.1 ausgeführt, ist der Abschnitt (g3) für die Bestimmung des angenähert kreisförmigen Abschnitts (k1) irrelevant. Ein separater geradliniger Abschnitt (g3), der sich tangential an den kreisbogenförmigen Abschnitt (k1) anschließt, ist aus den Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform in den Anlagen LS 8, LS 12 im Übrigen nicht ersichtlich. Der Abschnitt (g3) kann indes nicht völlig beliebig als Teil eines der beiden Segmente der angegriffenen Ausführungsform, das gerade keine weitere Abkantung zur Spitze hin aufweist, angesehen werden. - III.
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze vom 3. August 2020 und 13. August 2020 der Beklagten sowie der Klägerin vom 7. August 2020 bieten für eine Wiedereröffnung der Verhandlung keine Veranlassung (§§ 296a, 156 ZPO), da sie keinen neuen Tatsachenvortrag enthalten, auf dem das Urteil beruht (vgl. Kammer, Urt. v. 28.7.2011 – 4a O 263/10, BeckRS 2013, 18194; Cepl/Voß, ZPO, 2. Aufl., § 156 Rn. 12). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 156 Nr. 1 ZPO) scheidet ebenfalls aus, da die Klägerin zu den Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 3. August 2020 ausweislich des Telefonvermerks vom 3. August 2020 (Bl. 134 Rück d.A.) angehört wurde. - IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fußt auf § 709 ZPO. - V.
Der Streitwert wird auf € 400.000,00 festgesetzt.