Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3045
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 30. Juli 2020, Az. 4a O 37/19
- I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16.176,68 EUR nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Teilbetrag in Höhe von 1.454,66 EUR seit dem 29.11.2018, aus einem Teilbetrag in Höhe von 2.146,28 EUR seit dem 17.12.2018 und aus einem Teilbetrag 12.575,74 EUR seit dem 03.01.2019 zu zahlen.
- II. Es wird festgestellt, dass dass der Beklagten gegen die Klägerin keine Ansprüche auf Zahlung von 14.583,46 EUR zustehen.
- III. Die Widerklage wird abgewiesen.
- IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- V. Das Urteil ist hinsichtlich des Tenors zu Ziffer I. sowie wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen offener Honorarforderungen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz auf Zahlung in Anspruch sowie wegen der Feststellung des Nichtbestehens eines Zahlungsanspruchs seitens der Beklagten in Höhe von 14.583,446 EUR. Die Beklagte rechnet gegen die Klageforderung mit Schadenersatzansprüchen wegen angeblicher Falschberatung auf und macht den überschießenden Betrag widerklagend geltend.
- Die Parteien waren über ein Mandatsverhältnis miteinander verbunden. Die Beklagte beauftragte die Klägerin seit dem Jahr 2017 mehrmals mit der Wahrnehmung verschiedener patent- und wettbewerbsrechtlicher Angelegenheiten, die ihren Ursprung in der Auffassung der Beklagten haben, verschiedene Unternehmen verletzten ein ihr zustehendes Patent. Unter anderem beauftragte die Beklagte die Klägerin mit der Verteidigung gegen zwei negative Feststellungsklagen der A und der B. In beiden Verfahren beantragte die Klägerin Klageabweisung und erhob Widerklage wegen Patentverletzung. Die hierfür angefallenen Gebühren nach RVG rechnete die Klägerin gegenüber der Beklagten ab. Die Beklagte glich die entsprechenden Rechnungen aus.
- Schon Mitte Januar 2018 beauftragte die Beklagte die Klägerin, einen Besichtigungsanspruch gegen die A im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens geltend zu machen. Nach Freigabe durch die Beklagte reichte die Klägerin einen entsprechenden Antrag beim Landgericht Düsseldorf ein. In der Folge ordnete das Landgericht Düsseldorf die Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens an. Den Wert des selbstständigen Beweisverfahrens setzte das Landgericht Düsseldorf auf 250.000,00 EUR fest, den Wert für das begleitende einstweilige Verfügungsverfahren auf 25.000,00 EUR. An der durchgeführten Besichtigung nahmen für die Beklagte Herr C und Herr D teil. Auf Grundlage des RVG rechnete die Klägerin gegenüber der Beklagten die für die Vertretung entstandenen Gebühren und Auslagen mit Kostenrechnung vom 03.12.2018 ab. Der Rechnungsbetrag belief sich auf insgesamt 12.575,74 EUR. Eine Kopie der entsprechenden Kostenrechnung wird vorgelegt als Anlage K 2. Ein Ausgleich des Rechnungsbetrags unterblieb.
- Anfang 2018 stellte die Beklagte fest, dass in einem Newsletter des E (E) über einen F“ der B berichtet wurde. Die Beklagte war der Ansicht, dass sämtliche der in dem Newsletter genannten Merkmale aus ihrer Entwicklungsarbeit stammten und der B im Rahmen einer Zusammenarbeit in den Jahren 2013 bis 2015 anvertraut worden seien. Im Rahmen der Zusammenarbeit waren der B zahlreiche Vorlagen übermittelt worden. Die Beklagte beauftragte die Klägerin, wegen unbefugter Verwendung von Vorlagen nach § 18 UWG gegen die B vorzugehen. Auftragsgemäß mahnte die Klägerin die B ab. Nachdem sich die B weigerte, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, beantragte die Klägerin auftragsgemäß den Erlass einer einstweiligen Verfügung vor dem Landgericht Köln Mit Beschluss vom 26.06.2018 erließ das Landgericht Köln antragsgemäß die entsprechende einstweilige Verfügung. Die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Kosten der Beauftragung der Klägerin und die des Verfügungsverfahrens in Höhe von insgesamt 3.554,06 EUR rechnete die Klägerin gegenüber der Beklagten ab, die den entsprechenden Betrag auch ausglich. Nach der Einlegung eines Widerspruchs durch die B fand am 11.09.2018 eine mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Köln statt. Die hierfür angefallene Terminsgebühr rechnete die Klägerin mit Rechnung vom 16.11.2018 (Anlage K 6) gegenüber der Beklagten ab. Der Rechnungsbetrag belief sich auf 2.146,28 EUR. Ein Ausgleich seitens der Beklagten unterblieb.
- Der Sachbearbeiter bei der Klägerin, Herr C erläuterte dem Geschäftsführer der Beklagten im Vorfeld der vorgenannten Abmahnung die kostenrechtlichen Implikationen, insbesondere das Bestehen von Kostenerstattungsansprüchen der obsiegenden gegen die unterliegende Partei. Noch vor Abmahnung der B nahm Herr G zur Vermeidung von Missverständnissen nochmals Kontakt mit dem Geschäftsführer der Beklagten auf und stellte ausdrücklich klar, dass die B nur dann die Kosten tragen müsse, wenn sie im Verfahren unterliege. Auch nach der Antwort der B auf die Abmahnung gab es ein ausführliches Telefonat zu den weiteren Optionen, eventuellen Unwägbarkeiten und möglichen Risiken. Der Geschäftsführer der Beklagten war allerdings fest entschlossen, die Angelegenheit weiter zu verfolgen.
- Mit E-Mail vom Sonntag, 07.10.2018, wandte sich der Geschäftsführer der Beklagten erneut an die Klägerin und teilte dieser mit, dass er am Freitag, 05.10.2018, auf die Offenlegungsschrift zu einer Patentanmeldung der B gestoßen sei. Er war der Ansicht, dass die Erfindung, die Gegenstand der betreffenden Patentanmeldung war, auf den Vorlagen beruhe, die die Beklagte der B im Rahmen der vorgenannten Zusammenarbeit überlassen habe. Er bat die Klägerin unter anderem um die Prüfung, ob die Möglichkeit eines Vorgehens gegen die B bestünde. Mit weiterer E-Mail vom 09.10.2018 forderte die Beklagte ihren Patentanwalt auf, die Patentämter über ihre angeblichen Rechte in Bezug auf die Patentanmeldung zu informieren. Dieser klärte die Beklagte über die wesentlichen patentrechtlichen Anspruchsgrundlagen bei einer sogenannten widerrechtlichen Entnahme auf und meinte, dass diese auch im Wege einer einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden können. Mit E-Mail vom 15.10.2018 wandte sich die Beklagte erneut an die Klägerin und bat diese, einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Übertragung der Patentanmeldung vorzubereiten. Herr C teilte dem Geschäftsführer der Beklagten in einem Telefonat am 17.10.2018 mit, dass das Gericht nur Maßnahmen zur Sicherung einer in einem Hauptsacheverfahren durchzusetzenden Patentvindikation anordnen könne. Auf Grund verschiedener Abwesenheiten konnte die Angelegenheit trotz zwischenzeitlicher Korrespondenz erst in der KW 43 (22.-28.10.) abschließend besprochen werden. Mit E-Mail vom 23.10.2018 (in Anlage K 8 enthalten) beauftragte die Beklagte die Klägerin, einen entsprechenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vorzubereiten. Konkret führte der Geschäftsführer der Beklagten aus:
- …
- Nach Erstellung des entsprechenden Antrags übermittelte die Klägerin diesen der Beklagten mit E-Mail vom 27.10.2018, 02:04 Uhr.
- In der Sache reagierte die Beklagte nicht auf diesen Entwurf. Stattdessen teilte die Beklagte am Montag, 29.10.2018, mit, dass sie nunmehr von Herrn H vertreten werde. In der nachfolgenden Korrespondenz übermittelte die Klägerin der Beklagten mit E-Mail vom 29.10.2018 (Anlage K 11) ihre Kostennote für die Erstellung des Entwurfs der einstweiligen Verfügung, die einen Betrag in Höhe von 1.454,66 EUR ausweist. Ein Ausgleich seitens der Beklagten unterblieb.
- Im Nachgang kam es zu einer wechselseitigen Korrespondenz der Parteien, in welcher die Beklagte der Klägerin anwaltliches Fehlverhalten vorwarf.
- In einem späteren einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf stellte die Beklagte, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt H, dieselben Anträge, die die Klägerin in ihrem Entwurf vom 27.10.2018 vorgeschlagen hatte.
- Die Beklagte übersandte der Klägerin im Laufe des Dezembers 2018 insgesamt vier Rechnungen und machte gegen die Klägerin dort Beträge für die Bearbeitung des selbstständigen Beweisverfahrens und für die Bearbeitung des Verfahrens vor dem LG Dortmund (Anlagenkonvolut K 23) in Höhe von insgesamt 14.583,46 EUR geltend. Dieser Betrag setzt sich ausweislich der vorgelegten Rechnungen zusammen aus insgesamt 57 Stunden à 215 EUR (netto) zzgl. Umsatzsteuer.
- Die Klägerin ist der Ansicht, die Formulierung „…“ sei dahingehend auszulegen, dass das Wochenende hierin eingeschlossen sei, wofür unter anderem der insoweit unstreitige Umstand spreche, dass auch die Beklagte sich per E-Mail an Wochenenden an sie gewandt habe. Auch sei lediglich vereinbart worden, dass die Beklagte den Antrag innerhalb der Woche zur Freigabe erhalte und nicht, dass der Antrag innerhalb der Woche bei Gericht einzureichen gewesen sei.
- Die negative Feststellungsklage und die Widerklage beträfen nicht denselben Lebenssachverhalt, so dass die Streitwerte addiert werden müssten. Die negative Feststellungsklage betreffe die Rechnungen der Beklagten für eigenen Aufwand, wohingegen sich die Widerklage auf angebliche Schadenersatzpositionen wegen Falschberatung beziehe.
- Die Aufrechnung sowie die Widerklage der Beklagten seien mangels hinreichender Bestimmtheit bereits unzulässig. Darüber hinaus lägen keine Beratungsfehler vor.
- In Bezug auf das einstweilige Verfügungsverfahren zum Komplex „Newsletter“ habe keine Falschberatung stattgefunden. Das Vorgehen gegen die B sei nicht von vorneherein aussichtslos gewesen. In dem betreffenden Newsletter sei jedenfalls der Einsatzzweck detailliert beschrieben worden, was die Beklagte veranlasst habe, die Klägerin zu beauftragen. In Bezug auf den Vortrag der Beklagten, in dem Newsletter sei ausdrücklich behauptet worden keinen Querstromzerspaner einzusetzen, liege ein widersprüchliches Verhalten der Beklagten vor. Denn ihr Geschäftsführer schrieb in einer E-Mail an die Klägerin am 06.06.2018 – insoweit unstreitig:
… - Ferner sei das Vorgehen schon deshalb nicht von vorneherein aussichtslos gewesen, weil – insoweit unstreitig – das LG Köln die einstweilige Verfügung erließ und diese zum Zeitpunkt der Niederlegung des Mandats durch die Klägerin auch noch bestand.
- Schließlich sei die Klägerin allen Beratungs- und Belehrungspflichten über Risiken im geschuldeten Umfang nachgekommen.
- Die Klägerin beantragt,
- wie erkannt.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen.
- Nachdem sie in der mündlichen Verhandlung ihre Widerklage in Höhe eines Betrags von 1.575,49 EUR zurückgenommen hat, beantragt sie nunmehr widerklagend,
- die Klägerin zu verurteilen, an sie 13.007,97 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- Die Klägerin beantragt,
- die Widerklage abzuweisen.
- Die Beklagte ist der Ansicht, dass ihr gegen die Klägerin Schadenersatzansprüche wegen Falschberatung in Höhe von mindestens 29.544,59 EUR zustünden. Sie erklärt hinsichtlich des die Widerklage übersteigenden Betrags die Aufrechnung gegenüber der Klageforderung.
- Die Beklagte ist der Ansicht, ihr stehe in Bezug auf die von ihr bereits bezahlten Kosten in Höhe von 3.554,06 EUR (Verfügungsverfahren Newsletter) ein Rückzahlungsanspruch in gleicher Höhe auf Grund eines schwerwiegenden Beratungsfehlers zu, den sie im Wege der Aufrechnung geltend macht. Die in dem Newsletter abgebildete und beschriebene Maschine verwirkliche nur nach dem äußeren Anschein die Merkmale des Patents der Beklagten. Die Klägerin sei insoweit einem entscheidenden Denkfehler unterlegen. Denn in dem Newsletter werde lediglich die Wirkung, nicht aber die Funktionsweise der Maschine beschrieben. Es sei daher von vorneherein unmöglich gewesen, die in das Verfahren eingebrachten Vorlagen mit der Maschine zu vergleichen. Insbesondere sei dort ausdrücklich behauptet worden, gerade keinen Querstromzerspaner einzusetzen. Folgerichtig habe die Beklagte den Prozess in erster Instanz verloren. In zweiter Instanz sei die Berufung kurz vor dem Termin nach dringendem Hinweis des (…) am OLG Hamm zurückgenommen worden.
- In Bezug auf den klageweise geltend gemachten Betrag in Höhe von 2.146,28 EUR (Terminsgebühr Verfügungsverfahren Newsletter) bestehe auf Grund dieses Beratungsfehlers ein Schadenersatzanspruch in gleicher Höhe, den die Beklagte zur Aufrechnung stellt.
- Die Beklagte macht ferner im Wege der Aufrechnung sowie, soweit die Gegenforderung die Klageforderung übersteigt, im Wege der Widerklage die Kosten der Vertretung durch ihren neuen Prozessbevollmächtigen in dem Verfügungsverfahren zum Komplex „…“ vor dem Landgericht Düsseldorf in Höhe von 4.598,99 EUR (Verfahren, Termin und notwendige Auslagen), Gerichtskosten in Höhe von 3.078,00 EUR sowie die Rechtsverfolgungskosten der Verfügungsbeklagten in Höhe von 4.621,36 EUR geltend.
- Für die letztlich erfolglose Berufung in dem Verfahren betreffend den (…) seien Kosten in Höhe von 2.885,51 EUR (eigene Anwaltskosten), 4.793,79 EUR (fremde Anwaltskosten) sowie 2.052,00 EUR (Gerichtskosten) angefallen. Diese werden widerklagend geltend gemacht.
- In Bezug auf die klageweise geltend gemachten Kosten des Entwurfs der Verfügung im Patentvindikationsverfahren bestehe ebenfalls ein Schadenersatzanspruch der Beklagten in gleicher Höhe, der insoweit widerklagend geltend gemacht wird. Die Frist „innerhalb einer Woche“ sei auslegungsbedürftig. Erkennbar sollte der Entwurf kurzfristig geliefert werden, da bereits unnötig viel Zeit vergangen sei. Dabei habe die Klägerin selbstverständlich nicht davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte die E-Mail von Samstagmorgen innerhalb der Woche noch sehen würde. Das Ziel, innerhalb der Woche noch Antrag zu stellen, sei mithin nicht mehr erreichbar gewesen.
- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die wechselseitig zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Hauptverhandlung vom 30.06.2020 (Bl. 49 ff. GA).
- Entscheidungsgründe
- Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der noch offenen Rechnungsposten in der beantragten Höhe nach §§ 2, 13 RVG (hierzu unter I.). Die Ansprüche der Klägerin sind nicht durch Aufrechnung erloschen (hierzu unter II.). Der Feststellungsantrag der Klägerin ist zulässig und begründet (hierzu unter III.) Die Widerklage ist unbegründet (hierzu unter IV.).
- I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen fälligen Zahlungsanspruch in beantragter Höhe nach §§ 2, 13 RVG. Die Beklagte hat weder die tatsächliche Tätigkeit der Klägerin für die Beklagte noch die Ordnungsgemäßheit der Abrechnung nach RVG in Abrede gestellt, so dass es insoweit keiner weiteren Erörterung bedarf. - Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 2 BGB.
- II.
Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist nicht durch Aufrechnung nach § 387 BGB erloschen. - 1.
Die Beklagte hat die zur Aufrechnung gestellten Forderungen in der mündlichen Verhandlung soweit konkretisiert, dass das Bestimmtheitserfordernis des § 253 ZPO erfüllt ist. - 2.
Allerdings fehlt es an einer aufrechenbaren Gegenforderung der Beklagten. Diese hat keinen Schadenersatzanspruch nach §§ 611, 675, 276, 280 BGB wegen Falschberatung. - Mängel der anwaltlichen Dienstleistung führen nicht zu einer Herabsetzung der Vergütung, sondern sind vom Betroffenen als Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung geltend zu machen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.12.2007, Az. I-2 U 88/06, zitiert nach juris). Ein aufrechenbarer Schadensersatzanspruch wegen einer schuldhaften Verletzung des mit der Klägerin geschlossenen Anwaltsvertrags gemäß §§ 611, 675, 276, 280 BGB steht der Beklagten jedoch nicht zu.
- Grundsätzlich ist der Rechtsanwalt aufgrund des Anwaltsvertrages in den Grenzen des ihm erteilten Mandats (BGH MDR 1998, 1378; MDR 1996, 2648 f.; Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Auflage, Rn. 482 m. w. N.) verpflichtet, die Interessen seines Mandanten nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen und Schädigungen seines Auftraggebers, mag deren Möglichkeit auch nur von einem Rechtskundigen vorausgesehen werden können, zu vermeiden. Soweit der Mandant nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf, ist der Rechtsanwalt zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet. In den Grenzen des Mandats hat er dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist (BGH WM 1993, 1376; WM 2007, 419; WM 2008, 1560). Der konkrete Umfang der anwaltlichen Pflichten richtet sich nach dem erteilten Mandat und den Umständen des einzelnen Falles (BGH WM 1996, 1824; 2008, 1560). Ziel der anwaltlichen Rechtsberatung ist es, dem Mandanten eigenverantwortliche, sachgerechte (Grund-) Entscheidungen („Weichenstellungen“) in seiner Rechtsangelegenheit zu ermöglichen (BGH NJW 2007, 2485; WM 2008, 1560; Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a. a. O., Rn. 558)
- Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann die Kammer eine Verletzung dieser Pflichten nicht feststellen.
- a)
In Bezug auf Verfahrensführung hinsichtlich des Ks lässt sich keine Pflichtverletzung der Klägerin erkennen. - Die Klägerin hat den Beklagten vor der Abmahnung der B über die Kostenrisiken einer Verfahrenseinleitung informiert. Nachdem die B der Abmahnung widersprochen hatte, erfolgte nochmals eine Erläuterung der Risiken durch den sachbearbeitenden Rechtsanwalt der Klägerin. Aus der E-Mail des Geschäftsführers der Beklagten vom 06.06.2018 an den sachbearbeitenden Rechtsanwalt der Klägerin, in welchem er ausführt, dass dem Newsletter nicht zu entnehmen sei, dass es sich bei dem J nicht um einen Querstromzerspaner handele, ist ersichtlich, dass die Klägerin die Beklagte auf mögliche Unwägbarkeiten bei der Sachverhaltsermittlung/Beweisführung aufmerksam gemacht hatte, der Geschäftsführer der Beklagten aber dennoch fest entschlossen war, das Verfahren weiter zu führen.
- Darüber hinaus entspricht die Würdigung des Sachverhalts durch die Klägerin der Würdigung des Sachverhalts durch das Landgericht Köln, welches die einstweilige Verfügung zunächst antragsgemäß erlassen hatte. Mithin war nach dem der Klägerin vor Antragstellung bekannten Sachverhalt eine Erfolgsaussicht durchaus gegeben, jedenfalls aber ein Obsiegen nicht von vorneherein aussichtslos.
- b)
In Bezug auf die durch die kurzfristige Vertretung vor dem Landgericht Düsseldorf entstandenen Kosten im Verfügungsverfahren zur Sicherung von Vindikationsansprüchen lässt sich weder eine Pflichtverletzung seitens der Klägerin feststellen, noch, dass es sich bei den geltend gemachten Kostenpositionen um einen kausalen Schaden handelt. - aa)
Entgegen der Auffassung der Beklagten erfolgte die Zuleitung des Verfügungsentwurfs an die Beklagte nicht verspätet. - Die Beklagte hat durch die Formulierung
- …
- in ihrer E-Mail vom 23.10.2018 ein Zeitfenster für die Klägerin vorgegeben. Als Willenserklärung ist die entsprechende Formulierung nach §§ 133, 242 BGB der Auslegung zugänglich. Nach dem insoweit maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont durfte die Klägerin den Auftrag dahingehend verstehen, dass eine Zuleitung des Entwurfs an die Beklagte bis Sonntagabend hinreichend war. Dies folgt daraus, dass der Geschäftsführer der Beklagten sich wiederholt an Wochenenden mit Anliegen an die Klägerin wandte. Der verständige Empfänger in der Position der Klägerin durfte mithin davon ausgehen, dass der Geschäftsführer der Beklagten das Wochenende in seine Definition der „Woche“ mit einschließt.
- Darüber hinaus heißt es in der betreffenden E-Mail ausdrücklich, dass der Entwurf innerhalb dieses Zeitfensters zur Freigabe vorgelegt werden soll. Ein verständiger Empfänger fasst dies dahingehend auf, dass innerhalb der Frist gerade nicht zusätzlich die Einreichung des Antrags bei Gericht erfolgen musste, sondern diese durchaus noch in der darauffolgenden Woche erfolgen durfte.
- Die entsprechende Frist wurde seitens der Klägerin durch Versand des Entwurfs am frühen Samstagmorgen eingehalten. Weitergehendes war zwischen den Parteien nicht vereinbart.
- bb)
Aber selbst wenn man die Zuleitung des Entwurfs als verspätet ansieht, so fehlt es jedenfalls an der Kausalität einer entsprechenden Pflichtverletzung für die zur Aufrechnung gestellten Schadenspositionen. Nach Erhalt des Entwurfs kündigte die Beklagte das Mandatsverhältnis und ließ das Verfügungsverfahren durch ihren nunmehrigen Prozessbevollmächtigten betreiben. Inwieweit die Kosten eines nicht durch die Klägerin eingeleiteten Verfahrens kausal auf ihrer angeblichen Pflichtverletzung beruhen sollen, erschließt sich der Kammer nicht. Hier fand insoweit eine Kausalitätsdurchbrechung statt. - III.
Der Feststellungsantrag der Klägerin ist ebenfalls begründet. - 1.
Die Beklagte hat keinen Anspruch gegen den Kläger auf Erstattung eines eigenen Aufwands in Höhe von insgesamt 57 Stunden à 215,00 EUR (netto) wegen der Betreibung von Verfahren vor dem Landgericht Düsseldorf und dem Landgericht Dortmund. - Es ist keine Anspruchsgrundlage ersichtlich, die einen solchen Zahlungsanspruch der Beklagten stützt. Die Beklagte hat hierzu auch auf entsprechenden Hinweis der Kammer in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen.
- 2.
Ein Feststellungsinteresse der Klägerin nach § 256 ZPO ist ebenfalls gegeben. Dieses rechtliche Interesse liegt vor, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das Feststellungsurteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. BGH, NJW 2016, 66 m.w.N.). Eine Gefährdung ist unter anderem dann gegeben, wenn sich der Beklagte eines Rechts gegen den Kläger berühmt (BGH, NJW 1984, 1754). So liegt der Fall hier. Durch die Rechnungsstellung seitens der Beklagten berühmt sich diese eines nicht bestehenden Zahlungsanspruchs gegen die Klägerin. - Dieses Feststellungsinteresse ist nicht nachträglich durch die Erhebung der Widerklage durch die Beklagte weggefallen. Zwar reicht bei einer negativen Feststellungsklage das Feststellungsinteresse nur solange fort, bis über eine spiegelbildliche Leistungswiderklage streitig verhandelt wird (Becker-Eberhard in MüKo, ZPO, 6. Auflage 2020, § 256 Rn 54). Dies ist hier aber nicht der Fall. Die Feststellungsklage betrifft die Geltendmachung von angeblichem eigenen Aufwand der Beklagten für das Betreiben von Gerichtsverfahren, wohingegen die Widerklage der Beklagten angebliche Schadenersatzansprüche wegen Falschberatung zum Gegenstand hat. Entsprechend fehlt es an einem deckungsgleichen Streitgegenstand.
- IV.
Die zulässige Widerklage ist mangels bestehender Schadenersatzansprüche der Beklagten unbegründet. - 1.
Wie oben unter Ziffer II.2.b) dargelegt, fehlt es in Bezug auf die Kosten für die kurzfristige Vertretung der Beklagten im Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf an einer Pflichtverletzung der Klägerin. - 2.
In Bezug auf die weiteren, im Wege der Widerklage geltend gemachten Kosten für das Berufungsverfahren im Komplex „K“ scheidet eine Pflichtverletzung der Klägerin, wie oben unter Ziffer II.2.a) dargelegt, ebenfalls aus. - Darüber hinaus fehlt es selbst bei Annahme einer Pflichtverletzung an einer entsprechenden Kausalität in Bezug auf den Schaden. Der Entschluss der Beklagten, ein Rechtsmittel einzulegen, beruht nicht mehr auf einer etwaigen Handlung bzw. Unterlassung der Klägerin. Denn zum Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung war die Beklagte bereits anderweitig anwaltlich vertreten.
- 3.
In Bezug auf die Kosten für den Entwurf des Verfügungsantrags fehlt es ebenfalls an einer Pflichtverletzung der Klägerin. Insoweit wird auf die Begründung unter Ziffer II.2.b) Bezug genommen. - V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO. - Streitwert:
- bis zum 29.06.2020: 45.343,60 EUR
ab dem 30.06.2020: 43.768,11 EUR - Der Streitwert setzt sich zusammen aus dem Klageantrag zu Ziffer I. in Höhe von 16.176,68 EUR, dem Klageantrag zu Ziffer II. in Höhe von 14.583,46 EUR und dem Widerklageantrag in Höhe von 14.583,46 EUR (ab dem 30.06.2020 reduziert auf 13.007.97 EUR).
- Die Primäraufrechnung der Beklagten wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus, da die Voraussetzungen von § 45 Abs. 3 GKG nicht vorliegen.
- Der Widerklageantrag hingegen ist zum Streitwert hinzuzuaddieren, da die Klage und die Widerklage nicht denselben Gegenstand im Sinne des § 45 Abs. 1 S. 3 GKG betreffen. Mit „Gegenstand“ ist hier nicht der zweigliedrige Streitgegenstand gemeint, sondern der materielle Anspruch bzw. das materielle Rechtsverhältnis, welches Klage und Widerklage betreffen. Ob im Einzelfall zu addieren ist, lässt sich am besten anhand der von der Rechtsprechung entwickelten Identitätsformel beurteilen: Ein Gegenstand liegt vor, wenn die beiderseitigen Ansprüche sich dergestalt ausschließen, dass die Zuerkennung des einen die Aberkennung des anderen notwendigerweise bedingt (hM; BGH NJW-RR 1992, 1404). Eine solche Identität lässt sich weder in Bezug auf den Feststellungsantrag noch auf den Leistungsantrag der Klägerin feststellen.
- Die Feststellungsklage betrifft, wie oben bereits dargestellt, die angeblichen Kosten für den eigenen Aufwand der Beklagten im Wege der Stundenabrechnung, wohingegen die Widerklage Schadenersatzansprüche wegen Falschberatung betrifft. Beide angeblichen Ansprüche schließen sich nicht denknotwendig gegenseitig aus.
- Gleiches gilt für den klageweise geltend gemachten Anspruch auf Zahlung des Anwaltshonorars und den widerklageweise geltend gemachten Anspruch auf Schadenersatz wegen Falschberatung. Die Zuerkennung des Honoraranspruchs bedingt nicht notwendigerweise die Aberkennung des Schadenersatzanspruchs. Denn es ist eine Konstellation denkbar, in welcher sowohl die Klage auf Zahlung des Honorars als auch die Klage auf Zahlung von Schadenersatz begründet wären.