4c O 40/19 – Behandlungsmaschine für Gegenstände

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 3042

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 16. Juni 2020, Az. 4c O 40/19

  1. 1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. 2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
  3. 3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
  4. 4. Der Streitwert wird auf EUR 250.000,00 festgesetzt.
  5. Tatbestand
  6. Die Klägerin macht – als eingetragene und allein verfügungsberechtigte Inhaberin – Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf sowie Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 754 XXX B1 (Anlage KAP B2; im Folgenden: Klagepatent) geltend, das am 13. Juli 2006 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 18. August 2005 (DE 10 2005 XXX 005) angemeldet und als Anmeldung am 21. Februar 2007 offengelegt wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 29. September 2010 bekanntgemacht. Das Klagepatent steht in Kraft.
  7. Das Klagepatent betrifft eine Behandlungsmaschine für Gegenstände wie Flaschen und Dosen. Der Anspruch 1 des Klagepatents lautet:
  8. „1. Behandlungsmaschine für Gegenstände, insbesondere Behälter (4) wie Flaschen, Dosen, Ampullen u. dgl. mit mehreren längs einer Bahn hintereinander angeordneten Stationen oder Abteilungen zum Behandeln der Behälter (4), bestehend aus einem Maschinenunterbau mit einem Antrieb für einen mit Aufnahmeplätzen (6) für die zu behandelnden Gegenstände bestückten Drehtisch (5) sowie mit an der Peripherie des Maschinenunterbaus (7) andockbaren Behandlungsstationen (8) wie Etikettier-, Druck-, Prüfstationen u. dgl. und mit einem mit dem Drehtisch (5) gemeinsam antreibbaren Träger (9) für oberhalb der Behälterebene höhengesteuerte Behandlungs- oder Behälterspannköpfe, wobei der Träger (9) innerhalb einer, die Steuermittel oder Kurvenbahn (11) in einer drehfest, mittels einer Drehmomentenstütze (12) gehaltenen Haube oder Anordnung (20) untergebracht ist, mit einem Ein- und Auslaufbereich für die Gegenstände, dadurch gekennzeichnet, dass die nicht rotierenden Steuermittel oder Kurvenbahnen (11) der Behandlungsmaschine mittels einer Drehmomentstütze (12) derart gehalten sind, dass der Drehtisch (5) ab dem zu seiner Rotationsachse weisenden Endbereich des Ein- und Auslauftisches (Vortisches) (1) frei von peripherieumgebenden Stütz- oder Bauelementen ausgebildet ist und in diesem Umfangsbereich einen frei wählbaren und veränderbaren Kreisabschnitt für die einzelnen andockbaren Behandlungsstationen (8) aufweist.“
  9. Die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Figuren sind dem Klagepatent entnommen und erläutern dessen technische Lehre anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels:
    Figur 1 zeigt eine Draufsicht auf eine erfindungsgemäße Behandlungsmaschine in Form einer Etikettiermaschine mit Selbstklebeetikettier- und Kaltleimaggregaten, wohingegen Figur 3 einen vereinfachten Teilquerschnitt mit rotierenden Behälterspannköpfen und nichtrotierenden Steuermitteln und Kurvenbahnen enthält.
  10. Die Klägerin ist eine international tätige Herstellerin von Abfüll- und Verpackungsanlagen für die Getränke-, Food- und Non-Food-Industrie mit Sitz in A.
  11. Die in B ansässige Beklagte ist auf dem gleichen Markt wie die Klägerin tätig. Über ihre englischsprachige Internetpräsenz „(…)“ bietet sie unter anderem auch Etikettiermaschinen des Typs C (im Folgenden: angegriffene Ausführungsformen) an, wobei sie dort auch Videos zu ihren Maschinen zum Abruf vorhält.
  12. Auf den Messen „D“ in E und „F“ in H stellte sie unter anderem auch eine Behälterbehandlungsmaschine des Typs C aus, wobei nachfolgend wiedergegebene Fotografien von einem Mitarbeiter der Klägerin aus ihrer Patentabteilung auf den vorgenannten Messen von dem Stand der Beklagten gefertigt wurden (vgl. auch Anlagen KAP B5 und KAP B6):
  13. Unter der Adresse „…“ ist über die Internetplattform I zudem ein Video abrufbar, welches eine Maschine des Typs C in Betrieb und mit Detailansichten einzelner Bauteile zeigt.
  14. Die Klägerin ist der Auffassung, das Ausstellen der angegriffenen Ausführungsformen auf den beiden Messen in E und H genüge, um eine patentverletzende Benutzungshandlung in Form eines Anbietens zu begründen, da es sich insbesondere nicht um reine Leistungsschauen gehandelt habe. Der Begriff des Anbietens sei rein wirtschaftlich zu verstehen und umfasse jede im Inland begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert den Gegenstand der Nachfrage in äußerlich wahrnehmbarer Weise zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitstelle.
  15. Die Klägerin meint, die angegriffenen Ausführungsformen würden von der technischen Lehre des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch machen.
  16. Es komme dem Klagepatent nicht darauf an, dass die Drehmomentstütze zwingend am Vortisch befestigt sei. Vielmehr solle der Umfangsbereich des Drehtisches weitgehend von Stütz- und Bauelementen freigehalten werden, was dadurch bewerkstelligt werde, dass ein sehr großer Teil des Kreisabschnitts um den Drehtisch freigehalten wird, in dem die Stützelemente vor oder im Endbereich des Vortisches angeordnet werden. Sinn und Zweck der Anordnung der Stützelemente im Bereich des Vortisches sei es, den ohnehin durch den Vortisch belegten Bereich des Drehtisches auszunutzen, um den übrigen Kreisabschnitt für die anderen modular ausgebildeten Behandlungsmaschinen freizuhalten. Daher komme es nicht darauf an, ob die Stützelemente auf dem Vortisch oder auf demjenigen Teil des Drehtisches angeordnet seien, der dem Vortisch zugewandt sei. Entsprechendes ergebe sich für den Fachmann insbesondere auch aus der Zusammenschau mit den Unteransprüchen 2 und 3, die davon sprechen würden, dass der Drehtisch im Bereich und unterhalb der Behandlungsebene der Gegenstände/Behälter frei von peripherieumgebenden Stütz- oder Bauelementen ausgebildet sein solle bzw. die Drehmomentstütze an Trägern des Vortisches gehalten werde. Der vorliegend geltend gemachte Hauptanspruch 1 sei – der allgemeinen Systematik bei der Anspruchsauslegung folgend – weiter zu verstehen. Die Drehmomentstütze in den angegriffenen Ausführungsformen sei – nach dem eigenen Vortrag der Beklagten – zwar auf dem Drehtisch bzw. dem Unterbau angebracht, indes aber unmittelbar am bzw. vor dem Vortisch und damit in einem Bereich, in dem das Klagepatent die Stütze vorsehe.
  17. Die Klägerin beantragt,
  18. I. die Beklagte zu verurteilen,
  19. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  20. Behälterbehandlungsmaschinen für Gegenstände, insbesondere Behälter wie Flaschen, Dosen, Ampullen u. dgl. mit mehreren längs einer Bahn hintereinander angeordneten Stationen oder Abteilungen zum Behandeln der Behälter, bestehend aus einem Maschinenunterbau mit einem Antrieb für einen mit Aufnahmeplätzen für die zu behandelnden Gegenstände bestückten Drehtisch sowie mit an der Peripherie des Maschinenunterbaus andockbaren Behandlungsstationen wie Etikettier-, Druck-, Prüfstationen u. dgl. und mit einem mit dem Drehtisch gemeinsam antreibbaren Träger für oberhalb der Behälterebene höhengesteuerte Behandlungs- oder Behälterspannköpfe, wobei der Träger innerhalb einer, die Steuermittel oder Kurvenbahn in einer drehtest, mittels einer Drehmomentstütze gehaltenen Haube oder Anordnung untergebracht ist, mit einem Ein- und Auslaufbereich für die Gegenstände
  21. in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
  22. dadurch gekennzeichnet, dass die, nicht rotierenden Steuermittel oder Kurvenbahnen der Behandlungsmaschine mittels einer Drehmomentstütze derart gehalten sind, dass der Drehtisch ab dem zu seiner Rotationsachse weisenden Endbereich des Ein- und Auslauftisches (Vortisches) frei von peripherieumgebenden Stütz- oder Bauelementen ausgebildet ist und in diesem Umfangsbereich einen frei wählbaren und veränderbaren Kreisabschnitt für die einzelnen andockbaren Behandlungsstationen aufweist;
    (Anspruch 1 des EP 1 754 XXX B1)
  23. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und in einer chronologisch geordneten Aufstellung, unter Vorlage von Belegen wie Rechnungen oder Lieferscheinen oder Quittungen, auch in elektronisch auswertbarer Form, soweit entsprechende Belege bei der Beklagten vorhanden sind, darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 29. September 2010 begangen hat, und zwar unter Angabe
  24. a) der Namen und der Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren
    c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse gezahlt wurden
  25. wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  26. 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen und in einer chronologisch geordneten Aufstellung, auch in elektronisch auswertbarer Form, soweit entsprechende Belege bei der Beklagten vorhanden sind, darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 21. März 2007 begangen hat, und zwar unter Angabe
  27. a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
    b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer, einschließlich der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
    d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagehöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, den Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume, und bei direkter Werbung, wie Rundbriefen, den Namen und Anschriften der Empfänger,
    e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  28. wobei
  29. – wobei es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage hin mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist,
  30. – wobei die Rechnungslegung über die Informationen gemäß l.3.e) erst für die Zeit ab dem 29. Oktober 2010 zu erteilen ist;
  31. 4. die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 29. September 2010 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
  32. II. festzustellen, dass
  33. 1. die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die zu I.1. bezeichneten in der Zeit vom 21. März 2007 bis zum 28. Oktober 2010 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
  34. 2. die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 29. Oktober 2010 begangenen Handlungen bereits entstanden ist und noch entstehen wird.
  35. Die Beklagte beantragt,
  36. die Klage abzuweisen.
  37. Die Beklagte meint, es fehle bereits an einer tauglichen inländischen Benutzungshandlung. Insoweit behauptet sie, die angegriffenen Ausführungsformen weder Kunden in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, noch Lieferungen nach Deutschland vorzunehmen. Die Ausstellung auf den beiden internationalen Messen in E und H sei erforderlich gewesen, weil es sich insoweit um Leitmessen gehandelt habe, es habe aber kein Kontakt zu deutschen Abnehmern bestanden und es sei auch keine Lieferbereitschaft nach Deutschland zu erkennen gewesen.
  38. Sie meint ferner, die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten die technische Lehre des Klagepatents nicht. So würde sich die Lehre des Klagepatents vom Stand der Technik gerade dadurch abgrenzen, dass auf dem eigentlichen Drehtisch keine Stütz- oder Bauelemente mehr vorhanden seien, die die Drehmomentstütze hielten. Die eindeutigen Vorgaben im Anspruch könne die Klägerin auch nicht dadurch umgehen, dass sie mit der Replik nunmehr technisch-funktional auf eine möglichst ungehinderte Andockbarkeit der Behandlungsstation abstelle. Denn eine Anordnung der Stütze am Vortisch sei für die Lehre des Klagepatents technisch zwingend, da eine über dem Drehtisch angeordnete Kurvenbahn nur dann von einem Träger drehfest zu dem antreibbaren Drehtisch gehalten werden könne, wenn sie an einem nicht-beweglichen Teil angebracht sei. Dies könne aber nur der Vortisch sein, wenn dessen Endbereich die Grenze darstelle. Bei den angegriffenen Etikettiermaschinen sei demgegenüber die Drehmomentstütze nicht am Vortisch bzw. diesseits einer den Endbereich des Vortischs vom Drehtisch abgrenzenden Achse befestigt. Diese befände sich vielmehr an dem gleichen Maschinenunterbau, auf dem auch der Rotor des Drehtisches angebracht sei.
  39. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.
  40. Entscheidungsgründe
  41. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
  42. A.
    Die Klage ist unbegründet, da nicht festgestellt werden konnte, dass die angegriffenen Ausführungsformen von der Lehre des Klagepatents Gebrauch machen. Der Klägerin stehen daher die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf sowie Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzverpflichtung nicht zu.
  43. I.
    Die im europäischen Ausland ansässige Beklagte ist passivlegitimiert.
  44. 1.
    Verletzer ist, wer die patentierte Erfindung in eigener Person im Sinne des § 9 PatG unmittelbar benutzt oder wer als Teilnehmer im Sinne des § 830 Abs. 2 BGB eine fremde unmittelbare Benutzung im Sinne des § 9 PatG ermöglicht oder fördert (BGH, GRUR 2004, 845 — Drehzahlermittlung). Die Beklagte hat die angegriffene Ausführungsform in Deutschland angeboten und damit eine Benutzungshandlung im Sinne von § 9 PatG begangen.
  45. Das Anbieten ist nicht nur eine dem Herstellen, Inverkehrbringen, Gebrauchen, Ein-führen oder Besitzen vorausgehende Vorbereitungshandlung, sondern eine eigen-ständige Benutzungsart neben diesen Handlungen, die selbstständig zu beurteilen und für sich allein anspruchsbegründend ist (vgl. BGH, GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte; GRUR 2006, 927, 928 – Kunststoffbügel; GRUR 2007, 221, 222 – Simvastin; OLG Düsseldorf GRUR 2004, 417, 419 – Cholesterinspiegelsenker; Urt. v. 20. Dezember 2012, Az. I-2 U 89/07). Der Begriff des Anbietens ist rein wirtschaftlich zu verstehen. Er umfasst jede im Inland begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert den Gegenstand der Nachfrage in äußerlich wahrnehmbarer Weise zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitstellt (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel; OLG Düsseldorf, Urt. v. 06. Oktober 2016, Az. I-2 U 19/16; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27. März 2014, Az. I-15 U 19/14; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13. Februar 2014, Az. I-2 U 42/13; Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Kapitel A., Rz. 285). Es ist daher unerheblich, ob der Anbietende den Gegenstand selbst herstellt oder ob er ihn von dritter Seite bezieht (BGH, GRUR 2006, 927, 928 – Kunststoffbügel; Schulte, Kommentar zum Patentgesetz, 10. Auflage 2017, § 9, Rz. 64).
  46. Nach geltendem Recht ist Voraussetzung für ein Anbieten grundsätzlich auch nicht das tatsächliche Bestehen einer Herstellungs- und/oder Lieferbereitschaft (BGH, GRUR 2003, 1031, 1032 – Kupplung für elektrische Geräte; OLG Düsseldorf, Urt. v. 06. Oktober 2016, Az. I-2 U 19/16; OLG Düsseldorf, InstGE 2, 125 128 f. – Kamera-kupplung II; Urt. v. 20. Dezember 2012, Az. I-2 U 89/07 – Elektronenstrahl-Therapiergerät; OLG Karlsruhe, GRUR 2014, 59 – MP2-Geräte). Ebenso kommt es für eine Patentverletzung nicht darauf an, ob das Angebot Erfolg hat, es also nachfolgend zu einem Inverkehrbringen kommt (OLG Düsseldorf, GRUR 2004, 417, 418 – Cholesterinspiegelsenker; Schulte, a.a.O.).
  47. Daher ist das Ausstellen von Waren auf einer inländischen Fachmesse ein Anbieten im Sinne dieser Vorschrift, soweit es sich nicht ausnahmsweise um die Teilnahme an einer reinen Leistungsschau handelt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 06. Oktober 2016, Az. I-2 U 19/16; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27. März 2014, Az. I-15 U 19/14; Schulte, a.a.O., § 9, Rz. 63). Zweck des § 9 PatG ist es, dem Patentinhaber einerseits grundsätzlich alle wirtschaftlichen Vorteile zu sichern, die sich aus der Benutzung der patentierten Erfindung ergeben können, und ihm andererseits einen effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Daher ist nicht erforderlich, dass das Anbieten die Voraussetzungen eines rechtswirksamen und verbindlichen Vertragsangebotes im Sinne von § 145 BGB erfüllt. Ferner kommt es nicht darauf an, ob der Anbietende eigene oder fremde Geschäftsabschlüsse bezweckt und ob er bei einem Angebot zugunsten eines Dritten überhaupt von diesem beauftragt oder bevollmächtigt ist (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel). Maßgeblich ist vielmehr nur, ob mit der fraglichen Handlung tatsächlich eine Nachfrage nach schutzrechtsverletzenden Gegenständen geweckt wird, die zu befriedigen mit dem Angebot in Aussicht gestellt wird (OLG Düsseldorf, Urt. v. 06. Oktober 2016, Az. I-2 U 19/16; Urt. v. 27. März 2014, Az. I-15 U 19/14; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13. Februar 2014, Az. I-2 U 42/13).
  48. Davon ausgehend werden von einem „Anbieten“ im Sinne von § 9 PatG insbesondere auch vorbereitende Handlungen umfasst, die das Zustandekommen eines späteren Geschäfts über einen unter dem Schutz des Patents stehenden Gegenstand ermöglichen oder befördern sollen, das die Benutzung dieses Gegenstands einschließt. Es genügen daher auch Handlungen, die vertragsrechtlich als bloße Aufforderung zur Abgabe von Angeboten angesehen werden (BGH, GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte), ohne dass es bereits einer Lieferbereitschaft oder -fähigkeit bedarf (OLG Düsseldorf, Urt. v. 06. Oktober 2016, Az. I-2 U 19/16). Es ist zur Gewährleistung eines wirksamen Rechtschutzes somit nur von Belang, ob mit der fraglichen Handlung für einen schutzrechtsverletzenden Gegenstand tatsächlich eine Nachfrage geschaffen wird, die zu befriedigen mit dem Angebot in Aussicht gestellt wird (OLG Düsseldorf, Urt. v. 06. Oktober 2016, Az. I-2 U 19/16; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11. Juni 2015, Az. I-2 U 64/14 = GRUR-RS 2015, 18679 – Verbindungsstück).
  49. Genau dies geschieht jedoch regelmäßig auf einer Fachmesse: Die Aussteller verfolgen mit ihren Präsentationen den Zweck, Geschäftsbeziehungen mit interessierten Messebesuchern zu knüpfen und ihre Produkte zu verkaufen. Sie präsentieren ihre Produkte in der Erwartung, dass sie von den Messebesuchern nachgefragt werden. Das Ausstellen ist bestimmt und dazu geeignet, Interesse an den Produkten zu wecken und auf diese bezogene Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen, was für ein An-bieten gemäß § 9 PatG ausreicht (OLG Düsseldorf, Urt. v. 06. Oktober 2016, Az. I-2 U 19/16). Unerheblich ist grundsätzlich insoweit, ob sich das Angebot nach dem Willen des Ausstellers auch auf eine Lieferung ins Inland bezieht oder der Aussteller ausschließlich ins ggf. patentfreie Ausland liefern will, solange sich das Angebot aus Empfängersicht auch auf das Inland beziehen kann (Kühnen, a.a.O., Kapitel A., Rz. 304 m.w.N.).
  50. 2.
    Die Beklagte hat die angegriffenen Ausführungsformen unstreitig auf zwei inländischen Fachmessen, der „D“ in E und der „F“ in H, für alle Besucher uneingeschränkt zugänglich ausgestellt und insoweit im patentrechtlichen Sinne angeboten. Ob sie dabei – wie von ihr pauschal behauptet – einem inneren Vorbehalt unterlegen ist, die Maschinen nicht an deutsche Kunden liefern zu wollen, kann dahinstehen, da sie jedenfalls nicht vorgebracht hat, dass sie diesen Vorbehalt nach außen hin, etwa durch etwaige klarstellende Angaben auf den Messeständen oder in Gesprächen mit Kunden, deutlich gemacht hat. Nicht nachvollzogen werden konnte daher, wieso den (deutschen) Besuchern der Messen „unmissverständlich“ klar gewesen sein sollte, dass die Beklagte die angegriffenen Etikettiermaschinen nur ins Ausland liefern wollte.
  51. II.
    Das Klagepatent betrifft eine Behandlungsmaschine für Gegenstände, insbesondere Behälter wie Flaschen, Dosen, Ampullen und dergleichen, wie sie etwa aus der EP 1 449 809 A1 bekannt ist.
  52. Wie das Klagepatent in Absatz [0002] einleitend ausführt, ist es bei der Verpackung von Waren, Lebensmitteln und auch bei der Abfüllung von Getränken und dgl. üblich, die Verpackungsbehälter vorteilhaft und werbetechnisch ansprechend zu gestalten. Neben der äußeren Gestaltung der Verpackungsbehälter wird in zunehmendem Maße auch deren Etikettierung immer umfangreicher und bedeutungsvoller.
  53. Wie das Klagepatent weiter einleitend ausführt, entstehen aufgrund der erforderlichen Umrüstarbeiten erhebliche Stillstandszeiten, wenn in derartigen Behandlungsmaschinen, beispielsweise in Form von Etikettiermaschinen, mehrere unterschiedliche Behälter etikettiert oder mehrere voneinander abweichende Etikettengarnituren eingesetzt und verarbeitet werden, die umso größer ausfallen, wenn neben der üblichen Mindest-etikettierung weitere Ausstattungen vorgesehen sind. Dieses ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Behälter mit mehreren Etiketten an Vorder- und Rückseite auszustatten ist oder unterschiedliche Behälter in einer Grundmaschine mit unterschiedlichem Etikettenmaterial etikettiert werden sollen, vgl. Absatz [0004].
  54. In Absatz [0005] führt das Klagepatent unter Bezugnahme auf die DE 199 XXX 255 aus, dass Konstruktionen bekannt sind, die es gestatten, eine an der Maschine befindliche Etikettierstation gegen eine für andere Etikettieraufgaben geeignete weitere Etikettierstation auszutauschen, wodurch die Umrüstzeiten erheblich reduziert werden können. Ein weiterer Vorteil ergibt sich dadurch, dass die ausgetauschte Station für weitere neue Aufgaben ohne Stillstand der Maschine und unter Vermeidung von Produktionsausfällen vorbereitet und hergerichtet werden kann.
  55. An diesen Vorrichtungen kritisiert das Klagepatent in Absatz [0005], dass obwohl durch die zum Stand der Technik zählenden Ausbildungen im Bereich der Etikettiertechnik bereits bedeutende Fortschritte erzielt werden konnten, es auch durch die vorgenannten Lösungen noch nicht zufriedenstellend gelingt, Etikettiermaschinen schnell und kostengünstig an sich stark ändernde und voneinander abweichende Etikettieraufgaben anzupassen. So ist es in der Praxis häufig etwa erforderlich, Behälter mit einem eingeprägten Logo oder bestimmte Flaschenformen vor dem eigentlichen Etikettiervorgang entsprechend auszurichten. Hierzu ist es bekannt, bestimmte Funktionsbaugruppen dauerhaft an den Etikettiermaschinen anzuordnen, wodurch sich der Freibereich für andere Etikettier- und/oder Behandlungsstationen am Umfang einer solchen Maschine entsprechend verringert (vgl. Absatz [0006]).
  56. Demzufolge geht man – wie das Klagepatent in Absatz [0007] beschreibt – verstärkt dazu über, die eigentliche Behandlungs- oder Etikettiermaschine als Grundmaschine auszubilden, welcher die einzelnen unterschiedlichen Behandlungsstationen am äußeren Umfang zugeordnet werden können. Eine solche Maschine zeigt die DE 199 XX 255, mit deren Lösung einerseits die sonst üblichen Umrüstzeiten erheblich reduziert und andererseits unter Ausnutzung der vorhandenen Etikettiermaschine unterschiedliche Etikettiervorgänge mit einer Hauptmaschine ausgeführt werden können. Eine diesbezügliche Weiterbildung offenbart die DE 203 XX XXX U, mit der Etikettiermaschinen schnell und kostengünstig an wechselnde Etikettieraufgaben umgestellt werden können. Dazu sieht die Neuerung vor, Funktionsstationen wie z.B. für eine Ausrichtung, Etikettierung, Kontrolle oder ein Bedrucken von Behältern als auswechselbare Module auszuführen, welche über Standardschnittstellen an der Maschine verfügen und je nach der gestellten Aufgabe schnell und einfach an den verschiedenen Positionen einer Etikettiermaschine montiert werden können.
  57. Als nachteilig an diesem Stand der Technik kritisiert das Klagepatent in Absatz [0008], dass die Peripherie solcher Behandlungsmaschinen durch Stütz- und Konstruktionselemente oder Tragkörper insbesondere für ortsfeste Steuermittel oder Steuerkurven und Verkleidungen den Freiraum am Umfang solcher Behandlungsmaschinen einschränken.
  58. Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik formuliert es das Klagepatent in Absatz [0009] als (technische) Aufgabe, einen möglichst großen Umfangsbereich für die Anordnung unterschiedlicher Behandlungs-, Etikettier- und Funktionsstationen bei gleichzeitiger freier Umfangszuordnung an beliebiger Position eines zugeordneten Drehtisches zu schaffen
  59. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in Anspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
  60. 1. Behandlungsmaschine für Gegenstände, insbesondere Behälter wie Flaschen, Dosen, Ampullen u. dgl. mit mehreren längs einer Bahn hintereinander angeordneten Stationen oder Abteilungen zum Behandeln der Behälter.
    1.1. Die Behälterbehandlungsmaschine besitzt einen Ein- und Auslaufbereich und einen Maschinenunterbau.
    1.1.1. Der Maschinenunterbau besitzt einen Antrieb für einen Drehtisch, der mit Aufnahmeplätzen für die zu behandelnden Gegenstände bestückt ist.
    1.2. Die Behälterbehandlungsmaschine besitzt an der Peripherie des Maschinenunterbaus andockbare Behandlungsstationen wie Etikettier-, Druck-, Prüfstationen u. dgl.
    1.3. Die Behälterbehandlungsmaschine besitzt einen mit dem Drehtisch gemeinsam antreibbaren Träger für oberhalb der Behälterebene höhengesteuerte Behandlungs- oder Behälterspannköpfe.
    1.3.1. Der Träger ist innerhalb einer Haube oder Anordnung untergebracht, die ein Steuermittel und/oder eine Kurvenbahn drehfest mittels einer Drehmomentstütze hält.
    1.3.1.1. Die nicht rotierenden Steuermittel oder Kurvenbahnen der Behandlungsmaschine sind mittels einer Drehmomentstütze derart gehalten, dass der Drehtisch ab dem zu seiner Rotationsachse weisenden Endbereich des Ein- und Auslauftisches (Vortisches) frei von peripherieumgebenden Stütz- oder Bauelementen ausgebildet ist und in diesem Umfangsbereich einen frei wählbaren und veränderbaren Kreisabschnitt für die einzelnen andockbaren Behandlungsstationen aufweist.
  61. III.
    Die Parteien streiten – zu Recht – nur über die Verwirklichung des Merkmals 1.3.1.1. des geltend gemachten Vorrichtungsanspruchs 1, gemäß dem die nicht rotierenden Steuermittel oder Kurvenbahnen der Behandlungsmaschine mittels einer Drehmomentstütze derart gehalten sind, dass der Drehtisch ab dem zu seiner Rotationsachse weisenden Endbereich des Vortisches frei von peripherieumgebenden Stütz- oder Bauelementen ausgebildet ist und in diesem Umfangsbereich einen frei wählbaren und veränderbaren Kreisabschnitt für die einzelnen andockbaren Behandlungsstationen aufweist. Dessen Verwirklichung durch die angegriffenen Ausführungsformen konnte indes von der Kammer nicht gestellt werden.
  62. 1.
    Gemäß Merkmal 1. wird vom vorliegend geltend gemachten Anspruch 1 des Klagepatents eine Behandlungsmaschine zum Behandeln von Behältern wie Flaschen, Dosen und Ampullen beansprucht, die über mehrere längs einer Bahn hintereinander angeordnete Stationen oder Abteilungen zum Behandeln der Behälter verfügt. Gemäß dem Merkmal 1.1. besitzt die beanspruchte Maschine einen Ein- und Auslaufbereich, auf dem die zu behandelnden Behälter zu- und abgeführt werden können, und einen Maschinenunterbau, wobei die nähere Ausgestaltung des Maschinenunterbaus von Merkmal 1.1.1. umschrieben wird. Danach besitzt dieser einen Antrieb für einen Drehtisch, der mit Aufnahmeplätzen für die zu behandelnden Gegenstände bestückt ist.
  63. Weitere Bestandteile der Behälterbehandlungsmaschine sind nach Merkmal 1.2. an der Peripherie andockbare Behandlungsstationen, etwa Etikettier-, Druck und/oder Prüfstationen, sowie nach Merkmal 1.3. ein Drehtisch mit einem Träger für oberhalb der Behälterebene höhengesteuerte Behandlungs- oder Behälterspannköpfe. Gemäß Merkmal 1.3.1. soll der Träger innerhalb einer Haube oder Anordnung untergebracht sein, die ein Steuermittel und/oder eine Kurvenbahn drehfest mittels einer Drehmomentstütze hält. Kennzeichnend für die vorliegende Erfindung ist nach Merkmal 1.3.1.1., dass die nicht rotierenden Steuermittel oder Kurvenbahnen der Behandlungsmaschine mittels einer Drehmomentstütze derart gehalten sind, dass der Drehtisch ab dem zu seiner Rotationsachse weisenden Endbereich des Ein- und Auslauftisches (Vortisches) frei von peripherieumgebenden Stütz- oder Bauelementen ausgebildet ist und in diesem Umfangsbereich einen frei wählbaren und veränderbaren Kreisabschnitt für die einzelnen andockbaren Behandlungsstationen aufweist.
  64. Danach setzt das Klagepatent voraus, dass der Drehtisch ab einem bestimmten Bereich, hier ab dem zu seiner Rotationsachse weisenden Endbereich des Ein- und Auslauftisches (Vortisches), frei von peripherieumgebenden Stütz- oder Bauelementen ausgebildet ist, d.h. dass insbesondere die Drehmomentstütze, welche die nichtrotierenden Steuermittel oder Kurvenbahnen ortsfest hält, nicht in diesem Bereich am bzw. auf dem Drehtisch angebracht ist. Der Anspruch 1 macht insoweit eindeutige Vorgaben zur räumlich-körperlichen Ausgestaltung einer erfindungsgemäßen Vorrichtung, insbesondere fallen – entgegen der Ansicht der Klägerin – solche Vorrichtungen nicht mehr unter den Anspruch, bei denen die Drehmomentstütze zwar auf dem eigentlichen Drehtisch angeordnet ist, allerdings in demjenigen Bereich des Drehtisches, der dem Vortisch zugewandt ist, d.h. der an den Vortisch angrenzt. Es kommt dem Klagepatent entscheidend drauf an, dass der Drehtisch insgesamt von Stützelementen freigehalten wird, insbesondere auch der Bereich des Drehtisches, der an den Vortisch angrenzt.
  65. Ein entsprechendes Verständnis ergibt sich für den Fachmann bereits unmittelbar aus dem Merkmal 1.3.1.1. des (Haupt-)Anspruchs 1 selbst. Dieses besagt, dass der Drehtisch „ab dem zu seiner Rotationsachse weisenden Endbereich des Ein- und Auslauftisches (Vortisches) frei von peripherieumgebenden Stütz- oder Bauelementen ausgebildet ist“. Der Fachmann entnimmt dem Wortlaut, dass der Drehtisch ab einer bestimmten Linie/Achse, hier der zur Rotationsachse weisende Endbereich des Vortisches, frei von Stützelementen sein soll. Das Ende des Vortisches bzw. der zum Drehtisch weisende Endbereich der auf dem Vortisch jeweils angebrachten Elemente (Ein- und Auslaufsterne) markiert insoweit die Grenze, bis zu der Stützelemente angebracht werden dürfen, wobei es das Klagepatent in das Belieben des Fachmanns stellt, ob die Stützelemente auf dem bzw. am Vortisch befestigt werden oder an einem anderen Element, jedenfalls solange der Drehtisch freigehalten wird. Denn der vom Klagepatent gewählten Formulierung „frei von“ entnimmt der Fachmann, dass es im Bereich des Drehtisches gar keine Stützelemente geben darf, da er anderenfalls nicht befreit von diesen Elementen wäre. Der Begriff „frei von“ ist insoweit als „ohne“ zu verstehen. Der Fachmann kann – anders als die Klägerin meint – weder im Anspruch noch an einer anderen Stelle im Klagepatent einen Hinweis darauf finden, dass „frei von“ nicht im vorgenannten Sinne zu verstehen ist, insbesondere fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass frei von im Sinne von weitestgehend oder überwiegend ohne Stützelemente zu verstehen ist.
  66. Unterstützung in diesem Verständnis erfährt der Fachmann zunächst in Absatz [0010] der allgemeinen Erfindungsbeschreibung, wo es heißt (Hervorhebung hinzugefügt):
  67. „Diese der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe wird bei einer Behandlungsmaschine der eingangs beschriebenen Art dadurch gelöst, dass die nicht rotierenden Steuermittel und/oder Kurvenbahnen, Verkleidungen und Abschirmungen der Behandlungsmaschine mittels einer Drehmomentstütze derart gehalten sind, dass der Drehtisch ab dem zu seiner Rotationsachse weisenden Endbereich des Ein- und Auslauftisches (Vortisches) frei von Peripherie umgebenden Stütz- und/oder Bauelementen ausgebildet ist und in diesem Umfangsbereich einen frei wählbaren und veränderbaren Kreisabschnitt für die einzelnen andockbaren Behandlungsstationen aufweist.“
  68. Der Fachmann kann dieser Beschreibungsstelle entnehmen, dass der Drehtisch frei von Stützelementen zu sein hat, d.h. es dürfen keine Stützelemente für die Haube auf dem bzw. am Drehtisch angeordnet sein. Auch hier gibt das Klagepatent dem Fachmann keine Anhaltspunkte dafür, dass „frei von“ eine andere Bedeutung haben könnte als seine ursprünglich philologische, nämlich „ohne“.
  69. Das vorgenannte Verständnis ergibt sich auch unter Berücksichtigung einer technisch-funktionalen Betrachtung. Wie das Klagepatent in Absatz [0009] ausführt, soll ein möglichst großer Umfangsbereich des Drehtisches für die Anordnung unterschiedlicher Behandlungs-, Etikettier- und Funktionsstationen freigehalten werden, wobei deren Positionierung vorzugsweise ebenfalls frei ermöglicht werden soll. Ziel der Erfindung ist mithin, den Drehtisch derart von Stütz- und sonstigen Bauelementen zu befreien, dass die an den Drehtisch anzudockenden Behälterbehandlungsstationen frei positionierbar sind und zugleich auch möglichst viele dieser Stationen angedockt werden können, um auf die jeweiligen Bedürfnisse der Nutzer eingehen zu können. Die einzige Stelle am Drehtisch, die von vornherein nicht für ein Andocken von Behandlungsstationen geeignet ist, ist die Stelle, an der der Vortisch, der mit dem auf ihm befestigten Elementen (insbesondere Ein- und Auslaufsterne) für den Ein- und Auslauf der Behälter sorgt, positioniert wird. Daher erkennt der Fachmann der Lehre des Klagepatent folgend, es als sinnvoll und zweckmäßig, die z.B. zur Stützung der Haube, d.h. der oberhalb des Drehtellers angeordneten Elemente wie insbesondere der Kurvenbahnen, zwingend erforderlichen Stützelemente in genau diesem Bereich anzuordnen, da in diesem Fall die übrigen Bereiche des Drehtellers vollständig genutzt werden können. Da aber die Stützelemente die Haube und die dort angebrachten ortsfesten Elemente ihrerseits ortsfest fixieren müssen, ist es technisch erforderlich, die Stützelemente an einem ebenfalls ortsfesten Element anzuordnen, wobei der Drehtisch aus vorgenannten Gründen als Fixierpunkt ausscheidet.
  70. Etwas anderes kann der Fachmann auch nicht den Ausführungsbeispielen des Klagepatents entnehmen, die zwar nicht geeignet sind, die Lehre des Klagepatentes zu beschränken, indes aber ein gewichtiges Indiz für dessen Verständnis liefern. So zeigen nachfolgend wiedergegebene Figur 1 und 3 ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel aus verschiedenen Perspektiven:
  71. Der Draufsicht aus Figur 1 auf eine bevorzugte Ausgestaltung einer anspruchsgemäßen Vorrichtung entnimmt der Fachmann zunächst den Vortisch (1) und den Dreh-/Arbeitstisch (5). Er entnimmt der Zeichnung zudem zwei Träger (15), die im Zusammenwirken mit der in dieser Zeichnung nicht explizit bezifferten Drehmomentstütze für ein ortsfestes Halten der Kurvenbahn sorgt. Die Träger sind an dem Vortisch (1) selbst befestigt und gerade nicht am Drehtisch. Dies erkennt der Fachmann auch aus der Zusammenschau mit der Seitenansicht der Figur 3, bei der die Drehmomentstütze (12) von einem Träger des Vortisches gehalten wird, der sich oberhalb des Drehtisches am Vortisch befindet. Auch wenn sich aus diesem Ausführungsbeispiel keine den Schutzbereich des Anspruchs beschränkenden Rückschlüsse ziehen lassen, so gibt es indes aber auch keinen Hinweis darauf, dass die Stützelemente auch am Drehtisch angeordnet sein können.
  72. An diesem Verständnis ändert schließlich auch die Einbeziehung der abhängigen Unteransprüche 2 und 3 in die insoweit gebotene systematische Betrachtung nichts. Denn Unteranspruch 2 betrifft den Bereich unterhalb des Drehtisches (der Behandlungsebene der Behälter), der ebenfalls frei von Stützelementen sein soll. Indes lassen sich daraus – anders als die Klägerin meint – keine Rückschlüsse darauf ziehen, dass der insoweit weiter auszulegende Hauptanspruch 1 oberhalb der Behandlungsebene Stützelemente am Drehtisch zulässt. Soweit der ebenfalls abhängige Unteranspruch 3 davon spricht, dass die Drehmomentstütze an Trägern des Vortisches gehalten ist, stellt dies einzig einen Hinweis darauf dar, dass der unabhängige Hauptanspruch nicht zwingend eine Befestigung der Drehmomentstütze an den Trägern (des Vortisches) erfordert, sondern die Drehmomentstütze auch an anderen Elementen des Vortisches oder einer anderen Vorrichtung angeordnet sein kann. Anderenfalls hätte es Unteranspruch 3 nicht bedurft. Keine Anhaltspunkte kann Unteranspruch 3 aber dafür liefern, dass die Drehmomentstütze nach einem der vorherigen Ansprüche auch am eigentlichen Drehtisch angeordnet sein darf.
  73. 2.
    Unter Berücksichtigung des vorstehenden Verständnisses vermochte die Kammer eine Verwirklichung des Merkmals 1.3.1.1. durch die angegriffenen Ausführungsformen vorliegend nicht festzustellen.
  74. Die Klägerin hat unter Berücksichtigung der ihr für die Merkmalsverwirklichung nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen obliegenden primären Darlegungs- und Beweislast nicht zur Überzeugung der Kammer aufzuzeigen vermocht, dass der Drehtisch in den angegriffenen Etikettiermaschinen der Beklagten ab dem zu seiner Rotationsachse weisenden Endbereich des Vortisches frei von peripherieumgebenden Stütz- oder Bauelementen ist.
  75. Entsprechendes lässt sich den seitens der Klägerin zur Stützung des Verletzungsvorwurfs vorgelegten Fotografien und Screenshots nicht bzw. jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen. Im Einzelnen:
  76. Zwischen den Parteien steht nicht (mehr) in Streit, dass die Drehmomentstütze in den angegriffenen Ausführungsformen auf demjenigen (Eck-)Bereich des Unterbaus des Drehtisches befestigt ist, der an den Vortisch angrenzt. Dass er sich bei diesem Bereich indes noch um den vom Anspruch gemeinten Endbereich des Vortisches handelt, ist nicht feststellbar. Erforderlich wäre unter Berücksichtigung des in Ziff. 1. genannten Verständnisses, dass sich die Stütze außerhalb der Bereiche des Drehtisches befindet, an den (jedenfalls potentiell) Behälterbehandlungsstationen angedockt werden können. Entsprechende tatsächliche Umstände können den größtenteils unscharfen, aus einer untauglichen Perspektive aufgenommenen und/oder mit Spiegelungen behafteten Fotografien der auf den beiden Messen D und J ausgestellten Etikettiermaschinen nicht entnommen werden. Exemplarisch wird auf die nachfolgend wiedergegebene, der Anlage KAP B6 auf Seite 4 entnommene Ablichtung verwiesen:
    Die Etikettiermaschine wurde aus der Blickrichtung des Vortisches in Richtung auf den Drehtisch fotografiert, wobei im Vordergrund der (schwarze) Einlaufstern des Vortisches und dahinter die auf dem Drehtisch angeordnete (silberne) Drehmomentstütze zu erkennen ist. Ob sich die Stütze indes noch in einem Bereich befindet, in den sich der Einlaufstern in den Drehtisch erstreckt, mithin in einem Bereich, der noch dem Vortisch als sein Endbereich zugeordnet werden kann, kann nicht festgestellt werden. Denn es ist bereits auf Grund der gewählten Perspektive nicht zu erkennen, ob und ggf. in wie weit der Drehstern in bzw. über den eigentlichen Drehtisch (hinein)ragt, er mithin auch in den Bereich hineinragt, in dem die Drehmomentstütze befestigt ist. Zudem ist auch nur ein Teilbereich der Maschine zu sehen, wobei einige der für die räumlich-körperliche Zuordnung der einzelnen Maschinenbauteile relevanten Teile – wie etwa der eigentliche Drehteller des Drehtisches – überhaupt nicht zu sehen sind. Gleiches gilt auch für die als Anlagenkonvolut KAP B8 vorgelegten Screenshots aus dem I-Video, welche ebenfalls keine Rückschlüsse auf die genaue Ausrichtung der einzelnen Elemente (Drehmomentstütze zum Vortisch und dessen Elementen) zulassen.
  77. Demgegenüber ergeben sich aus dem Vortrag der Beklagten und den von ihr vorgelegten Fotografien hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich die Drehmomentstütze jenseits einer Achse befindet, die den Endbereich des Vortisches markiert. Nachfolgend wiedergegebene und von der Beklagten mit Anmerkungen versehene Ablichtungen einer Etikettiermaschine des angegriffenen Typs sind von der Beklagten als Anlagenkonvolut B 1 mit der Klageerwiderung zur Akte gereicht worden:
  78. Die Abbildung 2 zeigt zunächst 2 Bohrungen auf dem Drehtisch, die zur Befestigung der Drehmomentstützen (2 Stück) dienen. Zwar ist der Vortisch in der Abbildung noch nicht montiert, zu erkennen ist aber, dass die Bohrungen einen nicht unerheblichen Abstand von dem Bereich haben, in dem der Vortisch zu montieren ist. Die vorstehenden Abbildungen 4 und 5 zeigen sodann einen Drehtisch mit montierter Drehmomentstütze, wobei insbesondere der Abbildung 4 mit der eingezeichneten Achse (gestrichelte rote Linie) entnommen werden kann, dass der Rotor des Drehtisches über die Achse hinaus in Richtung des Vortisches ragt, so dass erhebliche Zweifel daran bestehen, dass in diesen Bereich auch der Einlaufstern des Vortisches hineinragen kann, mithin an dieser Stelle sich noch der Endbereich des Vortisches befindet. Vielmehr scheint sich die Drehmomentstütze bereits in einem Bereich des Drehtisches zu befinden, an dem – jedenfalls potentiell – ein Behandlungsstation angeordnet werden könnte. Diese Bereiche sollen nach der Lehre des Klagepatents indes vollständig von Stützelementen freigehalten werden.
  79. Die Kammer hat auch nicht verkannt, dass auch die Fotografien der Beklagten nicht den vollständigen Aufbau einer der angegriffenen Etikettiermaschinen zeigen bzw. die Fotografien nur Teilansichten einer noch nicht vollständigen montierten Maschine enthalten. Zu berücksichtigen war insoweit aber, dass die Klägerin für die Verletzung primär darlegungs- und beweisbelastet ist, so dass es daher ihr und nicht der Beklagten oblag, mit der erforderlichen Sicherheit zur Überzeugung der Kammer aufzuzeigen, dass sich die Drehmomentstützen in den angegriffenen Ausführungsformen noch im Endbereich des Vortisches befinden und somit der Drehtisch frei von diesen Stützelementen ist.
    B. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

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