Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 3032
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 18. April 2020, Az. 4c O 4/19
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihren jeweiligen Geschäftsführern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
- Schau- und Versandpackungseinheiten für Eier oder ähnliche zerbrechliche Gegenstände, welche Einheit aus undurchsichtigem Material, z.B. geformter Pulpe, hergestellt ist und enthält: ein Unterteil mit nicht-ebenen Seitenwänden von Abteilungen, um zumindest teilweise den äußeren Konturen der in der Einheit enthaltenen Eier zu entsprechen; ein Deckelteil mit einer Oberwand und im Wesentlichen ebenen Vorder- und Rückwänden; bei welcher das Deckelteil Bereiche enthält, welche die Gestalt der in der Einheit enthaltenen Eiern wiedergibt, und dadurch gekennzeichnet ist, dass sich die Bereiche an im Wesentlichen ebenen Endflächen des Deckelteils an entweder einem oder beiden Längsenden des Deckelteils befinden und bei welcher das Unterteil auf dessen Unterseite mit einem Muster aus Stützrippen versehen ist, welche die Grundbereiche der eiförmigen Abteilungen in dem Unterteil verbinden, wodurch die mechanische Stärke der Einheit vergrößert ist, bei welcher die Grundbereiche und die Stützrippen eine im Wesentlichen ebene Oberfläche zum Aufstellen der Einheit definieren, und bei welcher das Deckelteil auf dessen ebener Vorderseite zum Eingriff mit einem oder mehreren Vorsprüngen an dem Unterteil mit mindestens einer Öffnung versehen ist,
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen;
- 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 12. Januar 2005 begangen hat, und zwar unter Angabe:
a. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellen Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden, - – wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
– Angaben zu den Einkaufspreisen sowie den Verkaufsstellen nur für die Zeit seit dem 30. April 2006 zu machen sind; - 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 12. Februar 2005 begangen hat und zwar unter Angabe:
a. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
b. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, - wobei
– der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
– die Beklagte die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen) in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der rechnungspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen; - II. Die Beklagte wird verurteilt, die unter Ziff. I.1. bezeichneten, frühestens seit dem 30. April 2006 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich mit dem hiesigen Urteil festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten, sowie Kosten der Rückgabe wie für Verpackung, Transport oder Lagerung zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
- III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend zu Ziff. I.1. bezeichneten, nach dem 12. Februar 2005 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- V. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 55 % und die Beklagte zu 45 %.
- VI. Das Urteil ist für die Klägerin hinsichtlich Ziff. I.1 und Ziff. II. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 1.000.000,-, hinsichtlich Ziff. I.2 und Ziff. I.3 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 150.000,- vorläufig vollstreckbar. Hinsichtlich der Kosten ist das Urteil für jede Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % vorläufig vollstreckbar.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagte aus dem deutschen Teil des europäischen Patents EP 1 373 XXX B1 (Anlage K 4, Übersetzung Anlage K 5; im Folgenden: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung sowie auf Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
- Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents. Im Patentregister wurde ursprünglich ihr damaliger Unternehmenssitz unter der Anschrift in „A“, angegeben, welcher nunmehr – wie unter dem 22.04.2008 auch im dänischen Handelsregister geändert – „B“ lautet (vgl. Anlagen K 20, K 20a). Der Hinweis auf die Anmeldung wurde unter dem 23.10.2003 und derjenige auf die Erteilung unter dem 12.01.2005 veröffentlicht.
- Gegen das Klagepatent wurde im Zuge des ehemals vor der Kammer anhängigen Parallelverfahrens Az. 4c O 32/14 Nichtigkeitsklage erhoben. In zweiter Instanz hob der Bundesgerichtshof (im Folgenden: BGH) die erstinstanzliche Nichtigerklärung des Klagepatents durch das Bundespatentgericht mit Urteil vom 18.12.2018 auf und hielt das Klagepatent eingeschränkt aufrecht (vgl. Anlage K 8 bzw. Anlage B 2; im Folgenden: BGH-Urteil). Das Klagepatent steht auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft und betrifft Schaupackungen für z.B. Eier.
- Mit Schriftsatz vom 21.06.2019, beim Bundespatentgericht am 24.06.2019 eingegangen, erhob die hiesige Beklagte gegen das Klagepatent in seiner eingeschränkt aufrechterhaltenen Fassung Nichtigkeitsklage (Az. 4 Ni XX/19 (EP)), über die eine Entscheidung nicht vor der zweiten Jahreshälfte 2021 ergehen wird.
- Anspruch 1 in Kombination mit Unteranspruch 16 in der hier geltend gemachten Fassung lauten in der originalen englischen Verfahrenssprache:
- A display and distribution packaging unit for eggs or similar fragile articles, said unit being made of an opaque material, e.g. moulded pulp and comprising: a bottom part (2) comprising non-planar side surfaces of compartments (4) so as to match at least partially the outer contours of the eggs contained within said unit; a cover part (3) comprising a top surface (10) and substantially planar front- and rear surfaces (14, 15); where said cover part (3) comprises portions (8) reflecting the shape of the eggs contained within said unit, and characterised by said portions (8) being located on substantially planar end faces (20) of said cover part (3) at either one or both longitudinal ends of the cover part (3).
- A display and distribution packaging unit according to claim 1, where said cover part (3) on the planar front side (14) hereof is provided with at least one opening (9) for engagement with one or more protrusions (7) provided on said bottom part (2).
- Die Ansprüche lauten in der deutschen Übersetzung:
- Schau- und Versandpackungseinheit für Eier oder ähnliche zerbrechliche Gegenstände, welche Einheit aus undurchsichtigem Material, z.B. geformter Pulpe, hergestellt ist und enthält: ein Unterteil (2) mit nicht-ebenen Seitenwänden von Abteilungen (4), um zumindest teilweise den äußeren Konturen der in der Einheit enthaltenen Eier zu entsprechen; ein Deckelteil (3) mit einer Oberwand (10) und im Wesentlichen ebenen Vorder- und Rückwänden (14 , 15); bei welcher das Deckelteil (3) Bereiche (8 ) enthält, welche die Gestalt der in der Einheit enthaltenen Eier wiedergibt, und dadurch gekennzeichnet ist, dass sich die Bereiche (8) an im Wesentlichen ebenen Endflächen (20) des Deckelteils (3) an entweder einem oder beiden Längsenden des Deckelteils (3) befinden, das Unterteil ist auf dessen Unterseite mit einem Muster aus Stützrippen versehen, welche die Grundbereiche der eiförmigen Abteilungen in dem Unterteil verbinden, wodurch die mechanische Stärke der Einheit vergrößert ist. Die Grundbereiche und die Stützrippen definieren eine im Wesentlichen ebene Oberfläche zum Aufstellen der Einheit.
- Schau- und Verpackungseinheit nach Anspruch 1, bei welcher das Deckelteil (3) auf dessen ebener Vorderseite zum Eingriff mit einem oder mehreren Vorsprüngen an dem Unterteil mit mindestens einer Öffnung versehen ist.
- Nachfolgende Figuren sind der Klagepatentschrift entnommen. Die Figur 2 zeigt eine Draufsicht und Unteransicht eines Ausführungsbeispiels einer erfindungsgemäßen Verpackungseinheit. Ebenso zeigt Figur 3a ein Ausführungsbeispiel der erfindungsgemäßen Verpackungseinheit und Figur 5 zeigt das Ausführungsbeispiel aus Figur 4 in geschlossenem Zustand.
- Bei der Klägerin handelt es sich um ein im Jahr 1917 gegründetes Unternehmen mit Sitz in Dänemark, welches im dänischen Handelsregister unter der Nr. 630 XXX 11 eingetragen ist (vgl. Anlagen K1, K 20). Sie ist marktführender Anbieter von Eierverpackungen und Industrieverpackungen, wobei die Produktion in Europa und Nordamerika erfolgt. Den weitüberwiegenden Teil ihrer Produkte verkauft die Klägerin außerhalb Dänemarks.
- Bei der Beklagten handelt es sich um ein niederländisches Unternehmen, das Teil der C Group ist, welche Verpackungen herstellt und vertreibt. Diese Unternehmensgruppe gehört zur finnischen D Obergesellschaft. Die Beklagte ihrerseits produziert und vertreibt vor allem Verpackungseinheiten, die dem Transport von Eiern dienen (Anlage K 3). Zu ihren Produkten zählen auch Eierverpackungen, die unter der Bezeichnung „E“ vertrieben werden und sich in ihrer Größe, Haptik und Materialzusammensetzung unterscheiden; abzugrenzen sind insbesondere die Varianten „F“ und „G“ (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform 1). Ausgangsform dieser Verpackungsvarianten war jeweils die Ursprungsform „E“. Informationen zu diesen Produkten sind der englischsprachigen Website der C Group sowie entsprechenden Produktbroschüren zu entnehmen (Anlagen K 11 bis K 14).
- Nachfolgende Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform 1 sind der Klageschrift entnommen:
- Die folgenden Darstellungen der angegriffenen Ausführungsform 1 stammen von der Beklagten:
- Außerdem vertreibt die Beklagte Verpackungseinheiten unter den Bezeichnungen „H“ und „I“, diese vor allem in den Produktgrößen „J“ und „K“ (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform 2). Auch diese Verpackungseinheiten werden auf der Website der C Group dargestellt und hinsichtlich ihrer Eigenschaften beschrieben (Anlagen K 15, K 16).
- Ebenfalls der Klageschrift wurden die folgenden Lichtbilder der angegriffenen Ausführungsform 2 entnommen:
- Die weiteren Modelle der angegriffenen Ausführungsform 2 hat die Beklagte in ihrer Klageerwiderung eingefügt:
- Die Klägerin hat außerdem je eine Verletzungsform im Original vorgelegt (Anlagen K 21, K 22).
- Auf der Website der C Group wird unter der Schaltfläche „Contact“ auf die Beklagte als Ansprechpartner für Nordwest Europa verwiesen. Gleichfalls in den Produktbroschüren wird die Beklagte auf der letzten Seite als Kontaktmöglichkeit aufgeführt. Dieses Informationsmaterial der Beklagten ist auch an Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland gerichtet.
-
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte mache mit den angegriffenen Ausführungsformen wortsinngemäßen Gebrauch von der Lehre nach dem Klagepatent.
Bei der Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform 1 sei es unschädlich, dass das Unterteil konkave Wölbungen aufweise, da dennoch Stützrippen und Grundbereiche gemeinsam einen Bereich zur Verfügung stellen würden, der den Boden berühre. Es sei ausreichend, wenn Randbereiche der Stützrippen Bodenkontakt hätten. Diese Ausführungsform 1 weise auch im Wesentlichen ebene Endflächen auf. Diese seien sowohl an den jeweiligen Außenseiten der eiförmigen Bereiche sowie zwischen ihnen gelegen. Auf die über die eiförmigen Bereiche verlaufenden Teile der Oberwand komme es daher für das Vorhandensein von Endflächen nicht an.
Auch die angegriffene Ausführungsform 2 mache von der erfindungsgemäßen Lehre vollständig Gebrauch. Sie verfüge über im Wesentlichen ebene Endflächen, da die eiförmigen Bereiche hervorstehen würden und daher gut zwischen den deutlich ausgeprägten und dreidimensional gekrümmten eiförmigen Bereichen und den Endflächen unterschieden werden könne. Es sei, so meint die Klägerin, für das Vorhandensein der beanspruchten Endflächen ausreichend, wenn überhaupt ein Kontrast in der körperlichen Ausgestaltung zu erkennen ist. Daher verlange auch der BGH in seiner Auslegung nur, dass die Bereiche von den Endflächen hervorstehend angeordnet seien. - Ferner meint die Klägerin, dass das Klagepatent rechtsbeständig sei. Die vorgebrachten Entgegenhaltungen könnten weder mangelnde Neuheit noch mangelnde erfinderische Tätigkeit begründen. Insoweit fehle es insbesondere schon an einem Anlass für den Fachmann, die vorgelegten Dokumente miteinander zu kombinieren, um zur erfindungsgemäßen Lösung zu gelangen.
- Nachdem die Klägerin die Klage mit Schriftsatz vom 26.08.2019 durch zusätzliche Geltendmachung des Anspruchs 16 geändert hat,
beantragt sie, - wie im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform 2 erkannt und außerdem:
- die Beklagte zu verurteilen, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen unter Ziff. I.1 des Tenors bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – die Beklagten – Kosten herauszugeben.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über die beim Bundespatentgericht gegen das Klagepatent anhängige Nichtigkeitsklage auszusetzen.
- Sie meint, das Klagepatent nicht zu verletzen. Die angegriffenen Ausführungsformen würden keinen Gebrauch von dessen erfindungsgemäßer Lehre machen.
- Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 1 seien es allein die Grundbereiche, die eine zum Aufstellen geeignete Oberfläche definieren würden. Aufgrund der nach oben gekrümmten Ausgestaltung der Rippen würden sie keine flache Aufsatzfläche aufweisen und daher nicht substantiell zur Bildung einer im Wesentlichen ebenen Oberfläche beitragen. Der unstreitig bestehende fließende Übergang zwischen Stützrippen und Grundbereichen genüge nicht, um den Stützrippen einen derartigen substantiellen Beitrag zuzuweisen. Dazu behauptet die Beklagte, dass diese Rippenformung einen besseren Transport auf ihren Förderbändern im Werk ermögliche. Bei den Randbereichen der Stützrippen handele es sich lediglich um für Verpackungseinheiten der Beklagten übliche Designelemente.
- Die Beklagte ist im Hinblick auf die Ausgestaltung der Längsenden der Ansicht, dass die Endflächen auf den eiförmigen Bereichen angeordnet worden seien und nicht – wie vom Klagepatent gefordert – andersherum; außerdem seien die Endflächen gewölbt. Daher seien auch die Flächen zwischen den eiförmigen Bereichen nicht anspruchsgemäß, weil sie in sich gekrümmt seien und dies nicht mehr unter „eben“ im Sinne des Klagepatents zu verstehen sei. Für ein Gebrauchmachen von der erfindungsgemäßen Lehre fehle es auch an einer geraden, an der oberen Seite verlaufenden Kante, welche der Unterscheidung zwischen Endflächen und eiförmigen Bereichen diene.
- Auch die angegriffene Ausführungsform 2 verwirkliche die erfindungsgemäße Lehre nicht. Sie weise keine im Wesentlichen ebene Oberfläche auf, da die zentralen Bereiche der Grundbereiche hinsichtlich ihrer Umgebungsbereiche erhöht seien. Das Klagepatent sei indes so zu verstehen, dass eine „im Wesentlichen ebene“ Oberfläche eine durchgehend ebene Oberfläche meine. Dies ergebe sich aus einem Gegenschluss zu dem in der Klagepatentschrift beschriebenen „alternativen Ausführungsbeispiel“.
Außerdem befänden sich bei der angegriffenen Ausführungsform 2 gekrümmte Endflächen auf den eiförmigen Bereichen und daneben liegende Endflächen seien nicht eben, sondern gewölbt. Nicht ausreichend sei zudem, dass die eiförmigen Bereiche von den Endflächen unterscheidbar seien, weil dies noch nicht das Hervorstehen der eiförmigen Bereiche von den Endflächen begründe. Im Übrigen erreiche die angegriffene Ausführungsform 2 auch nicht das Ziel, leichter herstellbar zu sein. Vielmehr, so behauptet die Beklagte, diene die gewählte Formgebung dazu, geöffnete Verpackungen besser auseinanderstapeln zu können. - Jedenfalls sei der Rechtsstreit aufgrund mangelnder Rechtsbeständigkeit des Klagepatents auszusetzen. Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Lehre des Klagepatents von der Druckschrift US 2,423,XXX (Anlage B7, deutsche Übersetzung B7a; im Folgenden: Chaplin I) neuheitsschädlich vorweggenommen werde. Jedenfalls würde eine Kombination aus Chaplin I mit der Druckschrift US 2,978,XXX (Anlage B8, deutsche Übersetzung B8a; im Folgenden: Lambert) und allgemeinem Fachwissen die erfindungsgemäße Lehre nahelegen. Der erfinderische Schritt würde auch im Hinblick auf eine Kombination der Druckschriften US 3,501,XXX (Anlage B9, deutsche Übersetzung B9a; im Folgenden: Lake II) und JP S63-180XXX (Anlage B10, deutsche Übersetzung B10a; im Folgenden: Yoshida) mit allgemeinem Fachwissen fehlen.
- Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftstücke nebst Anlagen Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- A.
Die zulässige Klage ist im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform 2 mit Ausnahme des Vernichtungsanspruchs begründet; im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform 1 insgesamt unbegründet. - I.
Das Klagepatent betrifft Schau- und Versandpackungen für z.B. Eier oder ähnlich zerbrechliche Gegenstände (Abs. [0001]; Anm.: Die zitierten Passagen beziehen sich, soweit nicht anders kenntlich gemacht, auf die deutsche Übersetzung der Klagepatentschrift.). Üblicherweise enthalten diese Verpackungen ein Unterteil mit passend ausgebildeten Abteilungen, um den jeweiligen Gegenstand aufzunehmen. Das Oberteil dient der Abdeckung des Unterteils; es nimmt die oberen Bereiche der in das Unterteil eingesetzten Gegenstände auf und schließt die Verpackung. Ober- und Unterteil können separat oder schwenkbar miteinander verbunden ausgestaltet sein. Wenn Verpackungen für Eier schwenkbar miteinander verbundene Unter- und Oberteile aufweisen, verfügt das Oberteil oft über Löcher, die mit einer beweglichen Lasche mit einer korrespondierenden Anzahl von Vorsprüngen in der Vorderseite des Unterteils in Eingriff gebracht werden (vgl. Abs. [0002]).
Verpackungen für Eier mit einem Unterteil und einem Deckelteil, welche schwenkbar miteinander verbunden sind, waren bereits im Stand der Technik bekannt. So bezieht sich die Klagepatentschrift in Abs. [0003] explizit auf die WO 00/03XXX. Diese sieht vor – um eine ausreichend große, ebene Vorderfläche für die Anbringung grafischen Materials zu erhalten –, dass sich die Vorderfläche des Deckelteils vollständig herunter bis an den untersten Abschnitt des Unterteils erstreckt und sich so auf dieser Fläche abstützt.
Außerdem offenbart die EP 0 689 XXX, wie das Klagepatent in Abs. [0004] beschreibt, eine Verpackung, die die aufzunehmenden Gegenstände stützt und zugleich äußerlich die Gestalt der in der Einheit enthaltenen Eier wiedergibt. Die dort gelehrte Verpackungseinheit besteht zum einen aus einer Anzahl, typischerweise sechs, eiförmigen Abteilungen und einem Displayfeld mit passend ausgebildeten Öffnungen. Dadurch stehen die Abteilungen mindestens teilweise durch die Öffnungen des Displayfeldes hervor. Dies ist neben verschiedenen grafischen Informationen eine alternative oder zusätzliche Möglichkeit, Informationen über den Inhalt der Verpackung zu vermitteln.
In Abs. [0005] nimmt das Klagepatent Bezug auf die US 3,813,XXX, die einen Eierkarton offenbart, bestehend aus Unterteil mit eiförmigen Abteilungen und einem Deckelteil, das eine im Wesentlichen ebene Oberfläche aufweist. Diese Oberfläche wird nach unten durch die Vorder-, Rück- und Endwände begrenzt und endet über einem Umgebungsflansch. Die Endwände sind mit Aussparungen versehen, deren oberen Enden über dem Umgebungsflansch enden und einen gürtelähnlichen Wandbereich zwischen den Aussparungen und dem Unterteil des Kartons zurücklassen. - Am vorbekannten Stand der Technik kritisiert das Klagepatent, dass nur das Oberteil geeignet ist, Texte und Bilder zu tragen, die den Inhalt der Verpackung näher beschreiben könnten. Bei Verpackungen mit verbundenem Deckel- und Unterteil und entsprechend laschenförmig ausgestaltetem Verschließmechanismus ist es außerdem in der Regel schwierig, derlei Verpackungen zu öffnen (vgl. Abs. [0002]).
- Das Klagepatent stellt sich daher die Aufgabe, eine Verpackungseinheit bereitzustellen, die durch ihre Gestalt eine Information über den Inhalt vermittelt und gleichzeitig gute Möglichkeiten bietet, auf großen Oberflächen Informationen grafisch darzustellen (vgl. Abs. [0006] ff.). Ebenso soll eine leichter zu öffnende und zu schließende Verpackungseinheit bereitgestellt werden, wobei Unter- und Deckelteil schwenkbar miteinander verbunden sind (Abs. [0007]).
- Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in einer Kombination aus dem eingeschränkt aufrechterhaltenen Anspruch 1 und dem Unteranspruch 16 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
- 1. Schau- und Versandpackungseinheit für Eier oder ähnliche zerbrechliche Gegenstände,
2. aus undurchsichtigem Material wie Pulpe,
3. mit einem Unterteil (2) mit Zellen (compartments) (4),
3.1. die über nicht-ebene Seitenwände verfügen und
3.2. zumindest teilweise den äußeren Konturen der in der Einheit verpackten Eier entsprechen,
3.3. deren Grundbereiche (base portions) (19) durch ein Muster aus Stützrippen (11) verbunden werden, mit dem das Unterteil (2) auf seiner Unterseite (18) versehen ist, wodurch die Festigkeit (mechanical strength) der Einheit vergrößert ist und
3.4. Grundbereiche (19) und Stützrippen (11) eine im Wesentlichen ebene Oberfläche zum Aufstellen der Einheit definieren,
4. und mit einem Deckelteil (3) mit
4.1. einer Oberwand (top surface) (10),
4.2. im Wesentlichen ebenen Vorder- und Rückwänden (14, 15) und
4.3. Bereichen (portions) (8), welche
4.3.1. die Gestalt der in der Einheit verpackten Eier wiedergeben und
4.3.2. sich auf im Wesentlichen ebenen Endflächen (20) eines Längsendes oder beide Längsenden befinden,
5. das Deckelteil auf dessen ebener Vorderfläche (14) zum Eingriff mit einem oder mehreren Vorsprüngen (7) an dem Unterteil (2) mit mindestens einer Öffnung (9) versehen ist. -
II.
Zwischen den Parteien stehen zurecht nur die Merkmale 3.4 und 4.3.2 in Streit, sodass Erläuterungen zu den übrigen Merkmalen nicht erforderlich sind. - 1.
Merkmal 3.4 des Klagepatents sieht vor, dass Grundbereiche (19) und Stützrippen (11) eine im Wesentlichen ebene Oberfläche zum Aufstellen der Einheit definieren. - Dabei ist unter einer im Wesentlichen ebenen Oberfläche eine Ausgestaltung zu verstehen, bei der der untere flächige Teil einer eiförmigen Abteilung gemeinsam mit Elementen, die der Verbindung dieser Teile dienen und in diese übergehen, eine Fläche schafft, die noch ausreichend groß ist, um eine Kartoneinheit aufstellen zu können.
- Dabei entnimmt der Fachmann dem Merkmal 3.4 zunächst, dass es sich bei dem enthaltenen Zusatz „zum Aufstellen der Einheit“ um eine Funktionsangabe handelt. Zweck-, Wirkungs- und Funktionsangaben in einem Sachanspruch belehren den Fachmann über den möglichen Einsatz- und Gebrauchszweck der patentierten Erfindung. Sie definieren allerdings oftmals die durch das Patent geschützte Sache näher dahin, dass diese nicht nur die räumlich-körperlichen Merkmale erfüllen muss, sondern dass die Sache darüber hinaus so ausgebildet sein muss, dass sie die im Patentanspruch erwähnte Wirkung oder Funktion herbeiführen kann (BGH, GRUR 2009, 837 – Bauschalungsstütze). Im Einzelfall kann sich jedoch auch ergeben, dass die in dem Patentanspruch aufgenommenen Sachmerkmale bereits alle Bedingungen umschreiben, die aus technischer Sicht zur Erzielung der angegebenen Wirkung notwendig sind. Unter derartigen Umständen ist die Wirkungsangabe irrelevant (BGHZ 112, 140, 155 f. – Befestigungsvorrichtung II). Entsprechendes ist vorliegend der Fall. Denn die räumlich-körperliche Anordnung einer im Wesentlichen ebenen Oberfläche ist bereits dasjenige Merkmal, welches die Voraussetzungen schafft, dass mehrere Einheiten übereinander stapelbar sind. Die Aufnahme des Zusatzes in den Anspruchswortlaut dient nur der Klarstellung, weshalb es einer derartigen Oberfläche bedarf.
- Das Klagepatent gibt weder eine eigene Definition für die Formulierung „im Wesentlichen eben“, noch vor, in welchem Umfang Grundbereiche und Stützrippen zusammenwirken sollen, um eine zum Aufstellen geeignete Oberfläche bereitzustellen. Aufgrund der Angabe, dass Grundbereiche und Stützrippen die Oberfläche bilden sollen, wird jedoch deutlich, dass die im Wesentlichen ebene Oberfläche dann vorhanden ist, wenn maßgebliche Bereiche sowohl des Grundbereichs als auch der Stützrippen zur Bildung der im Wesentlichen ebenen Oberfläche zusammenwirken.
Ein entsprechendes Verständnis vertritt auch der BGH in seinem Urteil (vgl. Anlage B 2), wo es auf Seite 9 heißt: - „Demgemäß müssen auch die Grundbereiche einen substantiellen Beitrag dazu leisten, im Zusammenspiel mit den Stützrippen eine im Wesentlichen ebene Oberfläche zu bilden“.
- Die Benutzung des Wortes „substantiell“ erfolgt dort in Anlehnung an den in der englischsprachigen Fassung der Klagepatentschrift benutzten Ausdruck „substantially“. Mit der Formulierung „auch die Grundbereiche“ wird gerade das erforderliche Zusammenwirken dieses Elements mit den Stützrippen adressiert.
- Dabei wird der „Grundbereich“ nach der Lehre des Klagepatents von dem (abgrenzbaren) unteren flächigen Teil der eiförmigen Abteilungen gebildet. Es ist der unterste Teil der äußeren Abteilungen, somit derjenige, der in Bodenkontakt mit Oberflächen steht. Die unmittelbare Zuordnung der Grundbereiche zu den eiförmigen Abteilungen entnimmt der Fachmann der allgemeinen Beschreibungsstelle im Abs. [0024] sowie der weiteren Beschreibungsstelle in Abs. [0041].
- Die Grundbereiche sind stets an der Unterseite des Unterteils angeordnet, weil sie nur dann Bodenkontakt herstellen können („zum Aufstellen“). Sie gehören neben anzuordnenden Stützrippen zur äußeren Bodenfläche des Unterteils (vgl. Abs. [0024]).
- Unter dem Begriff der „Stützrippen“ versteht der Fachmann an der Unterseite des Unterteils angeordnete Elemente, die verschiedene Grundbereiche miteinander verbinden und dadurch selbst einen Übergang in die Grundbereiche aufweisen. Konkrete Angaben zu Material- und Formwahl ausdrücklich für die Stützrippen macht die Klagepatenschrift keine, sondern überlässt diese Fragen dem Belieben des Fachmanns. Technisch-funktional ist entscheidend, dass die Stützrippen so ausgeprägt sind, dass sie mit den Grundbereichen gemeinsam eine im Wesentlichen ebene Oberfläche bilden, um die Einheiten (aufeinander) abstellen zu können. Auch diesbezüglich konkretisiert das Klagepatent keine weiteren Voraussetzungen.
- Eine „im Wesentlichen ebene Oberfläche“ liegt dann vor, wenn das Unterteil einer Einheit noch ausreichend plan ausgestaltete Bereiche, gebildet durch eine Verbindung aus Grundbereichen und Stützrippen, aufweist, so dass es zum Aufstellen geeignet ist. Die Bezeichnung „Oberfläche“ adressiert dabei den von den Stützrippen und Grundbereichen ausgebildeten Bereich.
- Das Klagepatent definiert nicht, was unter im Wesentlichen ebenen Oberflächen zu begreifen ist; insbesondere macht es keine Angaben dazu, welchen Umfang die ebenen Flächen gegenüber unebenen Flächen haben müssen, um als „im Wesentlichen eben“ angesehen werden zu können. Aus dem Vorhandensein von ebenen Flächen, in deren Kontext das Klagepatent die Formulierung „im Wesentlichen“ verwendet, folgt, dass es auch nicht-ebene Flächen geben darf. Ein Größenverhältnis dieser Flächen zueinander gibt das Klagepatent nicht vor.
- In vorstehendem Verständnis wird der Fachmann durch jene Merkmale und Beschreibungsstellen bestärkt, in welchen ebenfalls der Ausdruck „im Wesentlichen eben“ benutzt wird (vgl. Merkmale 4.2, 4.3.2 und Abs. [0015], [0023]). Den jeweiligen Beschreibungsstellen ist gemein, dass sie sich immer auf Flächenbeschreibungen beziehen. Der Fachmann erkennt daher, dass das Klagepatent durch diese Formulierung die maßgebliche Ausgestaltung einer Fläche vorgibt, ohne auszuschließen, dass sie auch (untergeordnete) anders geformte Stellen aufweist.
- Nach dem Verständnis des Klagepatentes stehen auch leicht nach oben gewölbte Grundbereiche einer Ausgestaltung „im Wesentlichen eben“ nicht entgegen. Dagegen spricht nicht Abs. [0024] der Klagepatentbeschreibung. Dort wird ausgeführt:
- „Als alternatives Ausführungsbeispiel können die zentralen Bereiche dieses Musters aus Grundbereichen von Abteilungen und Stützrippen leicht über der durch die Umgebungsbereiche der Grundbereiche und Stützrippen definierten Ebene liegen.“
- Das dort beschriebene Ausführungsbeispiel sieht eine nach oben gebogene Oberfläche vor. Diese Wölbung soll durch eine Erhöhung der zentralen Bereiche des Musters aus Grundbereichen und Stützrippen hergestellt werden. Der Wortlaut bezieht sich demnach auf die Schnittstelle von Grundbereichen und Stützrippen, weil diese nur gemeinsam das Muster bilden, welche – alternativ – eine gewölbte Ausgestaltung erfahren kann und dennoch ausreichend eben ist, damit die Einheit aufgestellt werden kann. Diese Beschreibungsstelle offenbart dagegen keine alternative Ausführungsvariante, die nur aus erhöhten Grundbereichen besteht. Denn der Fachmann nimmt bei der Ermittlung des Verständnisses den gesamten Beschreibungsabsatz einschließlich insbesondere der vorangehenden Sätze in den Blick und erkennt, dass auf eine Gestaltungsmöglichkeit hingewiesen wird, die gegensätzlich zu demjenigen Ausführungsbeispiel im vorangegangenen Satz ist, wonach nämlich eine Oberfläche, die leicht zu einem zentralen Bereich der Oberfläche nach unten gebogen ist, gerade nicht anspruchsgemäß ist (vgl. Abs. [0024] S. 4).
- Allein die in Abs. [0024] als alternativ bezeichnete Ausführungsform ist von dem ursprünglichen Unteranspruch 31 in den Blick genommen worden, mithin eine Gestaltung, welche eine in sich gewölbte Oberfläche aufweist und nicht etwa lediglich erhöhte Bereiche innerhalb der Grundbereiche. Dieses Verständnis folgt eindeutiger aus dem originären englischen Wortlaut, wonach es heißt: „[…] the central portions of which surface are elevanted […]“. Die erhöhten Zentralbereiche sind demnach in Zusammenhang zur gesamten durch Grundbereiche und Stützrippen gebildeten Oberfläche zu betrachten und nicht isoliert bezogen auf die Grundbereiche.
- Unter Einbeziehung der technisch-funktionalen Betrachtung weiß der Fachmann, dass zum Aufstellen der Einheit eine solche im Wesentlichen ebene Fläche genügt, aber auch zumindest erforderlich ist. Mit einer im Wesentlichen ebenen Fläche beschreibt das Klagepatent dasjenige Ergebnis, das aus dem Zusammenspiel von Grundbereichen und Stützrippen gebildet wird. Es macht keine Angabe dazu, welches dieser Elemente derart verändert sein kann, dass „nur“ eine im Wesentlichen ebene Fläche, nicht jedoch eine vollständig ebene Fläche vorliegt. Für den Fachmann bedeutet dies, dass sowohl die Stützrippen als auch die Grundbereiche teilweise nicht-eben sein können und die konkrete Auswahl in sein Belieben gestellt wird.
- Dieses Verständnis steht schließlich auch im Einklang mit den Ausführungen im Urteil des BGH. So heißt es auf Seite 7, 3. Absatz (vgl. Anlage B 2), dass keine Angaben zum Umfang der ebenen Flächen im Klagepatent enthalten sind, um eine entsprechende Seite (Anm.: hier die Unterseite) noch als im Wesentlichen eben anzusehen. Der BGH betont insoweit das funktionale Verständnis dieses Ausdrucks und hat deshalb durch die dort dem Rechtsbestand entgegengehaltene Druckschrift GDM 4 (US-amerikanische Design-Patent 101 XXX) auch keine Vorwegnahme des Merkmals 3.4 gesehen, weil nur die Unterseiten der Stege (Anm.: nach der Lehre des Klagepatents Stützrippen) eine im Wesentlichen eben Oberfläche bilden, woran die Grundbereiche indes nicht mitwirken. Die substantielle Mitwirkung beider Elemente, Grundbereiche und Stützrippen, betrachtet der BGH jedoch als erforderlich (vgl. Anlage B 2, Seite 9, 1. Absatz).
- Gestützt in diesem Verständnis wird der Fachmann schließlich durch die Darstellung einer erfindungsgemäßen Einheit in der Figur 2. Denn sie offenbart nur ebene Stellen im Bereich der Stützrippen und Grundbereiche und dort, wo diese Elemente ineinander übergehen. Weitere Bereiche in der Mitte sowie an den Rändern des Unterteils verfügen dagegen über keinerlei Stützrippen, sondern sind vollständig frei.
- 2.
In Merkmal 4.3.2 sind Bereiche eines Deckelteils vorgesehen, welche sich an im Wesentlichen ebenen Endflächen eines Längsendes oder beiden Längsenden befinden.
Danach ist(sind) also die Endfläche(n), welche nicht als zusammenhängende Einheit an einem Längsende vorliegen, aber noch ausreichend groß sein muss, um grafische Informationen aufzunehmen, mit von ihr(ihnen) hervorstehenden eiförmigen Bereichen versehen. - Der Ausdruck „im Wesentlichen eben“ ist inhaltsgleich zu demjenigen in Merkmal 3.4 zu verstehen. Gemeint ist mit dieser Formulierung daher, dass eine in sich nicht unterbrochene Oberfläche der Endflächen verbleibt, die noch ausreichend groß ist, um grafische Informationen anzubringen.
- In diesem Verständnis wird der Fachmann insbesondere durch die Ausführungen des BGH in den Entscheidungsgründen (vgl. Anlage B 2, S. 8) bestärkt, wo es heißt, dass
- „das entsprechende Verständnis des Begriffs „im Wesentlichen eben“ das Patentgericht demgemäß zu Recht auch für die Endflächen gemäß Merkmal 4.3.2 zugrunde gelegt hat“.
- Die im Merkmalswortlaut beanspruchten Endflächen sind an den Längsenden der Einheit angeordnet. Sie dienen gemeinsam mit den anderen Wänden des Deckelteils (Oberwand, Vorder- und Rückwand) dazu, dem Oberteil der Einheit ihre Grundform zu vermitteln. Der Fachmann entnimmt der Klagepatentschrift indes keine näheren, konkreten Angaben – etwa hinsichtlich Anzahl und Ausgestaltung – zu den Endflächen. Denn die Beschreibungsstellen der Klagepatentschrift sind nicht dahingehend zu verstehen, dass, selbst wenn pro Längsende nur eine Endfläche als beansprucht betrachtet wird, diese Endfläche durchgängig (zusammenhängend) ausgestaltet sein muss. Vielmehr können auch jeweils kleinere Teilflächen gemeinsam eine Endfläche bilden.
- Bestärkt in dem Verständnis wird der Fachmann durch die Fig. 5 des Klagepatents. Dieses zeigt verschiedene Teile einer Einheit in schwarz/weiß-Schattierungen. Danach mündet der obere Teil der Bereiche unmittelbar in die Oberseite (10), ohne dass diese Teile der Einheit von einer (Kante der) Endfläche voneinander abgegrenzt würden.
- Weiterhin versteht das Klagepatent unter Bereichen „an“ im Wesentlichen ebenen Endflächen eines Längsendes oder beiden Längsenden solche, die von einem oder beiden Längsenden einer Einheit hervorstehen bzw. den Eindruck erwecken, als wären sie auf die Endflächen „auf“gesetzt. Es muss ein sichtbarer Unterschied zwischen den im Wesentlichen ebenen Endflächen und den eiförmigen Bereichen vorhanden sein. Die Formulierung im Klagepatent ist dagegen weder so weitreichend zu verstehen, dass eine deutliche Trennlinie zwischen den eiförmigen Bereichen und den Endflächen verlaufen muss, noch, dass die eiförmigen Bereiche über die Endflächen auch hinausstehen müssen.
- Ausdrücklich beschreibt das Klagepatent nicht, wie die Anordnung der Bereiche in Bezug auf die Längsenden zu erfolgen hat. Einen Hinweis darauf liefert lediglich die in der originalen englischsprachigen Fassung des Wortlauts benutzte Präposition „on“, welche wörtlich übersetzt „auf“ bedeutet. Rein philologisch macht diese Präposition eine Angabe zur Lage eines Gegenstandes in räumlicher Hinsicht, nämlich dass sich ein Gegenstand oberhalb eines anderen befindet. Der Fachmann weiß insoweit allerdings, dass der sichtbare Unterschied nur durch ihrerseits sichtbar voneinander abgegrenzte Bereiche und Endflächen hergestellt werden kann. Insbesondere auch die Endflächen müssen daher als Fläche erkennbar sein, welche durch gebogene Ausnehmungen unterbrochen werden. Dieses Erfordernis entnimmt der Fachmann den Beschreibungsstellen in Abs. [0013] und [0015]. So wird in Abs. [0013] beschrieben, dass die eiförmige Gestaltung der Bereiche die sichtbare Information über den Inhalt der Einheit verbessert. Diese sichtbar klare Unterteilung wird auch in Abs. [0015] herausgestellt, indem dort ebenfalls die eiförmigen Bereiche dem übrigen Bereich des Deckelteils gegenübergestellt werden („wogegen“).
- Im Hinblick auf den Verlauf einer deutlichen Trennlinie beinhaltet nur der Abs. [0040] in der besonderen Beschreibung der Klagepatentschrift einen Hinweis. Wörtlich heißt es dort:
- „[…] tragen der Unterschied zwischen den gebogenen Bereichen und den im Wesentlichen ebenen Endseiten und der deutlichen Trennlinie zwischen diesen dazu bei, die Information über den Inhalt der Verpackungseinheit hervorzugeben.“
- Der Fachmann erkennt insoweit allenfalls einen Bezug zur Ausgestaltung der eiförmigen Bereiche und den Endflächen, nicht jedoch im Verhältnis der Endflächen zu der Oberseite. Außerdem weiß er, dass es sich um die Beschreibung einer bevorzugten Ausführungsform handelt, welche nicht geeignet ist, den Anspruchsinhalt einzuschränken.
- Das entsprechende Verständnis des BGH kann Randnummer 17 des Urteils entnommen werden, in welcher es heißt, dass
- „dieses Merkmal [Anm.: Merkmal 4.3.2] verwirklicht [ist], wenn diese Bereiche von den ebenen Endflächen hervorstehend angeordnet sind.“
- Entscheidend ist mithin eine körperliche Ausgestaltung, die eine sichtbare Unterteilung der im Wesentlichen ebenen Endflächen von den eiförmigen Bereichen zulässt.
- Wie dieser Zustand – Bereiche auf Endflächen – herzustellen ist, gibt das Klagepatent dem Fachmann nicht vor. So besagt die Verwendung der Präposition „on“/“auf“ nicht zugleich etwas über die Erstreckung des Bereichs in den Raum; sie verlangt insbesondere nicht, dass der Bereich über eine Endfläche, abhängig von deren Ausgestaltung, in den Raum hinausragen muss. Weiterhin gibt das Klagepatent nicht vor, dass Endflächen erst vorliegen, wenn zur Abgrenzung nach oben eine klare Kante verläuft.
- Bekräftigt in dem vorstehend erläuterten Verständnis wird der Fachmann auch unter technisch-funktionalen Gesichtspunkten. Denn die eiförmig ausgestalteten Bereiche in Abgrenzung zum bloß ebenen Längsende einer Einheit haben den Zweck, eine Information über den Inhalt der Einheit, auch in geschlossenem Zustand, zu vermitteln. Dies wird bereits erreicht, wenn sichtbar voneinander unterscheidbare Flächen vorhanden sind. Dafür ist es nicht entscheidend, ob der Bereich selbst weiter in den Raum hineinragt als die Endfläche.
- III.
Ausgehend von dem vorstehenden Verständnis vermag die Kammer nur bezüglich der angegriffenen Ausführungsform 2 eine wortsinngemäße Verwirklichung der streitigen Anspruchsmerkmale festzustellen, wobei die Verwirklichung des Merkmals 5 durch die angegriffene Ausführungsform 2 unstreitig ist. - 1.
Die angegriffene Ausführungsform 1 macht von Merkmal 3.4 keinen wortsinngemäßen Gebrauch. Die Grundbereiche und angeordneten Stützrippen definieren aufgrund der Wölbungen der Stützrippen keine im Wesentlichen ebene Fläche im Sinne der Lehre des Klagepatents. - Die in der Klageerwiderung eingeblendeten Lichtbilder der angegriffenen Ausführungsform 1 (vgl. Bl. 106 GA) sowie das von der Kammer in Augenschein genommene Exemplar der angegriffenen Ausführungsform 1, deren Ausgestaltung zwischen den Parteien unstreitig ist, zeigen nicht, dass auch die Stützrippen einen wesentlichen Beitrag zur Bildung der im Wesentlichen ebenen Oberfläche leisten. Vielmehr sind die Stützrippen gewölbt ausgestaltet, sodass ihr mittlerer Bereich keinen Bodenkontakt hat. Der verbleibende und unmittelbar in die Grundbereiche mündende Teil der Stützrippen ist demgegenüber nicht ausreichend, um ihm im Verhältnis zu den Grundbereichen noch einen substantiellen Beitrag bei der Definition der im Wesentlichen ebenen Oberfläche zuzuschreiben. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, dass die angegriffene Ausführungsform 1 dennoch eine Oberfläche aufweist, die geeignet ist, sie aufzustellen. Denn entscheidend ist, durch welche Elemente der Einheit diese Fläche gebildet wird.
- 2.
Die angegriffene Ausführungsform 2 dagegen macht von den Merkmalen 3.4 und 4.3.2 Gebrauch. - a.
Die angegriffene Ausführungsform 2 verwirklicht Merkmal 3.4 des Klagepatents. Dass die Grundbereiche nicht vollständig eben ausgestaltet sind, steht der Annahme einer im Wesentlichen ebenen Oberfläche entsprechend dem vorstehend geschilderten Verständnis nicht entgegen, weil das Klagepatent keine Vorgaben macht, welche Elemente anders als eben ausgestaltet sein dürfen. Entscheidend ist, dass noch eine ausreichend große Aufstellfläche, definiert durch wesentliche Beiträge der (Teile der) Grundbereiche und (Teile der) Stützrippen, vorhanden ist. Das ist hier der Fall. - b.
Die eiförmigen Bereiche und die Endflächen sind ferner sichtbar voneinander zu unterscheiden. Auch bei dem zwischen den beiden eiförmigen Bereichen nach vorne ragenden Teil handelt es sich um eine Endfläche. Sie ist nicht auf die eiförmigen Bereiche aufgesetzt, sondern geht unmittelbar von dem Längsende bzw. anderen ebenen Endflächen der Einheit ab, von denen die eiförmigen Bereiche hervorstehen. Außerdem überragen die Bereiche sogar die mittige Endfläche und sind somit insgesamt gut sichtbar von im Wesentlichen ebenen Endflächen der Einheit abgegrenzt. - Schließlich ist unerheblich, ob diese nach vorne gezogene Endfläche in einem abfallenden Winkel ausgebildet ist, weil maßgeblich allein die ebene, also in sich plane, Ausgestaltung der Endfläche ist. Ein in sich durchziehender Winkel steht der Merkmalsverwirklichung daher nicht entgegen, zumal diese Fläche nicht durch eine andere Formgebung unterbrochen wird.
- Auf den von dem nach vorne ragenden Teil der Einheit und dem Deckelteil gebildeten oberen Zwischenraum war dagegen nicht als maßgebliche Endfläche abzustellen. Er liegt schon nicht am äußeren Ende des Längsendes, um eine Endfläche bilden zu können.
- IV.
Aufgrund rechtswidriger Benutzungshandlung ergeben sich nachstehende Rechtsfolgen. - 1.
Die Beklagte hat es gemäß Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG zu unterlassen, die im Tenor aufgeführten Benutzungshandlungen vorzunehmen. Darüber hinaus hat die Klägerin Anspruch auf die begehrten Auskünfte und Rechnungslegung, § 140b PatG, §§ 242, 259 BGB i.V.m. Art. 64 EPÜ. - Der Anspruch auf Rückruf folgt aus § 140a Abs. 3 PatG i.Vm. Art. 64 EPÜ.
- Der Anspruch auf Schadensersatzfeststellung folgt aus § 139 Abs. 2 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht, da die Klägerin ohne die begehrten Informationen ohne eigenes Verschulden nicht in der Lage ist, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Beklagte als gewerblich handelndes Unternehmen hat sich dagegen zumindest dem Fahrlässigkeitsvorwurf gemäß § 276 Abs. 2 BGB ausgesetzt. Denn vor Aufnahme von Vertriebshandlungen hat sich eine Fachfirma grundsätzlich über etwaige entgegenstehende Schutzrechte Dritter zu informieren. Hätte die Beklagte dies mit der erforderlichen Sorgfalt getan, wäre sie auf die Rechte der Klägerin aufmerksam geworden.
- 2.
Die Klägerin hat dagegen keinen Anspruch auf Vernichtung der angegriffenen Ausführungsform 2 gem. § 140a Abs. 1 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ. Sie hat trotz Hinweises der Kammer in der mündlichen Verhandlung ihren Vortrag nicht dahingehend substantiiert, dass die Beklagte, ein niederländisches Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden, Besitz und/oder Eigentum an der angegriffenen Ausführungsform 2 in der Bundesrepublik Deutschland hat. - V.
Der Rechtsstreit war nicht gem. § 148 ZPO auszusetzen, da die Kammer nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit festzustellen vermochte, dass die seitens der Beklagten im Nichtigkeitsverfahren gegen den Rechtsbestand des Klagepatents vorgebrachten Entgegenhaltungen erfolgreich sein werden. - Wenn das Klagepatent mit einem Einspruch oder mit einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen ist, verurteilt das Verletzungsgericht, wenn es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung, wenn es eine Nichtigerklärung nicht für (hinreichend) wahrscheinlich hält; andern-falls hat es die Verhandlung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO auszusetzen, bis jedenfalls erstinstanzlich über die Nichtigkeitsklage entschieden ist (BGH, GRUR 2014 1238 – Kurznachrichten). Denn eine – vorläufig vollstreckbare – Verpflichtung des Beklagten zur Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, zum Rückruf sowie zur Vernichtung patentgemäßer Erzeugnisse ist regelmäßig nicht zu rechtfertigen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass dieser Verurteilung durch die Nichtigerklärung des Klagepatents die Grundlage entzogen wer-den wird. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit den Grundrechten folgende und damit verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch gebietet es, dem Verletzungsbeklagten wirkungsvollen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen, wenn er sich gegen den Angriff aus dem Klagepatent mit einem Gegenangriff auf den Rechtsbestand dieses Patents zur Wehr setzen will. Dies erfordert nicht nur eine effektive Möglichkeit, diesen Angriff selbst durch eine Klage auf Nichtigerklärung bzw. durch Erhebung eines Einspruchs führen zu können, sondern auch eine angemessene Berücksichtigung des Umstands, dass in diesem Angriff auch ein – und gegebenenfalls das einzige – Verteidigungsmittel gegen die Inanspruchnahme aus dem Patent liegen kann. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent anders als in anderen Rechtsordnungen nicht als Einwand im Verletzungsverfahren oder durch Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung geführt werden. Dies darf indessen nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent dem erhobenen Einspruch/der anhängigen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014 1238 – Kurznachrichten). Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der Nichtigkeitsangriff darauf gerichtet ist, die Neuheit oder die erfinderische Tätigkeit bei Findung der klagepatentgemäßen Lehre in Frage zu stellen, sich jedoch für eine Bejahung der Patentierbarkeit, die auch insoweit von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, noch vernünftige Argumente finden lassen. Gleiches gilt in Fällen, in denen der dem Klagepatent entgegengehaltene Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt oder das Klagepatent erstinstanzlich aufrechterhalten worden ist (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. E., Rn. 771 ff.).
- 1.
Die Beklagte kann dem Klagepatent nicht mit Erfolg den Einwand mangelnder Neuheit entgegenhalten. - Eine Entgegenhaltung ist dann neuheitsschädlich, wenn sich die gesamte als Erfindung beanspruchte Lehre des Klagepatents aus dieser Schrift, deren Gesamtinhalt zu ermitteln ist, für den Fachmann am Prioritätstag in einer Weise ergibt, dass ihm die dort vorgestellte technische Lösung unmittelbar und eindeutig sämtliche Merkmale der Erfindung offenbart. Dabei beschränkt sich die technische Lehre der Patentschriften nicht auf den Inhalt der Ansprüche, sondern schließt die gesamte technische Information ein, die ein Durchschnittsfachmann Ansprüchen, Beschreibung und Abbildungen entnehmen kann. Maßgeblich ist, was aus fachmännischer Sicht einer Schrift „unmittelbar und eindeutig“ zu entnehmen ist (BGH GRUR 2009, 382 (384) m.w.N. – Olanzapin).
- Unstreitig wird Merkmal 5 (Unteranspruch 16) nicht neuheitsschädlich von Chaplin I vorweggenommen.
- Aber auch die weiteren umstrittenen Merkmale des Klagepatents vermag die Kammer nicht als unmittelbar und eindeutig offenbart anzusehen.
- a.
Unmittelbar und eindeutig offenbart Chaplin I keine erfindungsgemäßen Stützrippen (Merkmal 3.3). Der Fachmann setzt die dort gelehrten Pilastraden nicht mit Stützrippen gleich. - Rein philologisch entnimmt der Fachmann dem Begriff „Pilaster“ (sowohl in der englischen Fassung als auch in der deutschen) einen flach aus der Wand hervortretenden Pfeiler. Es handelt sich nicht um einen isolierten Stützkörper, sondern um einen solchen, der in eine Wand integriert ist.
- Daher erhält der Fachmann aus Chaplin I auch nur Hinweise auf eine Seitenwand, nicht jedoch auf einzelne Stützrippen, die in ihrer Gesamtheit ein Muster aus Stützrippen ergeben. So bezeichnet Chaplin I in Sp. 4, Z. 11 ff. den hier fraglichen Bereich durchgängig als Seitenwand, welche plan oder pilasterartig ausgeformt sein kann. Auch dann, wenn Pilaster vorgesehen werden, ist die Rede von einer „Seitenwandkonstruktion“, was bedeutet, dass die Pilaster immer Bestandteil der Wand sind und nicht isoliert zusätzlich angebracht werden. Eine Trennung zwischen den Bereichen, die die Unterseite der Hohlräume zur Aufnahme der Eier sind, und den pilasterartigen Abschnitten ist nicht möglich (selbst wenn auch nach der Lehre des Klagepatents der Übergang zwischen diesen Elementen fließend ist). Vielmehr wird die Seitenwand als ein Bestandteil der Einheit angesehen.
- Es ist allenfalls zu überlegen, ob mit den hohlen Rippenelementen 18 die klagepatentgemäßen Stützrippen offenbart werden (Sp. 6, Z. 16 ff.). Insoweit zeigt Chaplin I, dass ihm im Zusammenhang mit der Formung von Eierkartons der Begriff der Rippen bekannt ist. Indes dürften sie hier anders als nach der Lehre des Klagepatents eingesetzt werden. Es werden schon nicht die Abschnitte, die der Aufnahme der Eier dienen, miteinander verbunden, sondern die Pyramiden (14), die inneren Stützteile.
- Aus den Figuren 5 und 8 von Chaplin folgt kein anderes Verständnis. Wenngleich insbesondere die Figur 5 in der Seitenansicht zeigt, dass die Abschnitte 16 untereinander mit bis zum Boden reichenden Zwischenstücken verbunden sind, handelt es sich dabei nicht um Stützrippen im Sinne des Klagepatents. Denn gerade in Gesamtschau mit der Figur 8 wird der Charakter dieser Stücke als Teil einer Seitenwand veranschaulicht; dies gilt unbeschadet dessen, dass eine plan gestaltete Seitenwand als eine bevorzugte Ausführungsform dargestellt wird.
- b.
Das Merkmal 4.1 des Klagepatents ist ferner nicht neuheitsschädlich von Chaplin I vorweggenommen worden. Wenngleich es in Sp. 1, Z. 7 ff. explizit heißt, dass Größe und Form durch diese Schrift nicht begrenzt werden sollen, entnimmt der Fachmann Chaplin I dennoch keine Hinweise auf eine nur einteilige Abdeckung im Sinne einer Oberwand des Klagepatents. Der einzige Anhaltspunkt für eine mögliche einteilige Ausgestaltung findet sich in Sp. 3, Z. 34, wo es heißt, dass „die Abdeckung oder Abdeckungen sicher verschlossen sind“. Dies ist indes für eine neuheitsschädliche Vorwegnahme einer Oberwand nicht ausreichend, weil Chaplin I auch, wie Sp. 6, Z. 70 ff. zeigen, die Singularform einer Abdeckung benutzt, um die Abdeckungsabschnitte 12 und 13 jeweils zu beschreiben. - c.
Chaplin I offenbart schließlich nicht in neuheitsschädlicher Weise Merkmal 4.3.2, wonach sich Bereiche auf im Wesentlichen ebenen Endflächen befinden. Es fehlt am Vorhandensein von Endflächen an einem oder beiden Längsenden des Kartons. - In Sp. 4, Z. 16 ff. werden die Längsenden der Kartons beschrieben. Ausdrücklich sind demnach Endabschnitte 17 vorgesehen, jeweils insbesondere aufweisend einen gebogenen Abschnitt 11, die ein Verbindungsglied zur Mitte des Kartons darstellen und dort aufeinandertreffen. Explizit werden die gebogenen Abschnitte als Ende des Kartons bezeichnet. Diese Beschreibung bezieht sich allerdings ebenso ausdrücklich nur auf das Unterteil eines Kartons. Für das Oberteil sieht Chaplin I eine solche Beschreibung gerade nicht vor. Daher ist es dem Fachmann nicht ohne nähere Anhaltspunkte möglich, diese Begrifflichkeiten auf einen anderen Bereich des Kartons zu übertragen.
- Auch die Verschlusslaschen 24 sind nicht als Endflächen gemäß dem Klagepatent zu verstehen. Dagegen spricht schon, dass diese Endflächen nur vorliegen, wenn die Abdeckung geschlossen ist. Das Klagepatent erfordert insoweit jedoch unabhängig vom Öffnungszustand das Vorliegen von Endflächen. Außerdem wäre nur der Figur 4 von Chaplin I das Verständnis der Verschlusslaschen 24 als Endflächen zu entnehmen. Denn die anderen Figuren, vor allem Fig. 3, eine Draufsicht auf einen Karton, zeigt, dass die Verschlusslaschen 24 gerade nicht am Ende angeordnet sind, sondern auf dem jeweiligen Abdeckungsabschnitt, also auf der Oberseite des Kartons. Für die Vorwegnahme der erfindungsgemäßen Lehre wäre eine Platzierung am Längsende erforderlich. Entsprechend der Lehre des Klagepatents differenziert demnach auch Chaplin I anhand der Kartonteile und -flächen, wo Elemente angeordnet werden sollen. Zur Ausgestaltung der Längsenden mit diesen Verschlusslaschen als etwaige Endflächen besagt Chaplin I gerade nichts.
- Schließlich sind nicht die Scharniere 26 als diejenigen Bereiche Endflächen, von denen sich die eiförmigen Bereiche abheben, zu betrachten. Chaplin I beschreibt den Scharnierabschnitt zwar so, dass er sich über die gesamte Länge des Abdeckungsabschnitts 13 erstreckt. Zum einen würde es sich aber nur um eine Endfläche handeln, von der ein Bereich absteht. Zum anderen ist eine klare Abgrenzung des Bereichs und der ebenen Endfläche nicht möglich; sie gehen ineinander über, ohne dass der Bereich eindeutig von dieser Fläche hervorstehen würde.
- Die neuheitsschädliche Vorwegnahme des Merkmals 4.3.2 durch Lambert kann dahingestellt bleiben, da nach der Feststellung des BGH darin jedenfalls die neuheitsschädliche Offenbarung des Merkmals 3.4 fehlt (vgl. Anlage B 2, S. 15, Rn. 42). Für die Frage der Neuheitsschädlichkeit kommt eine Kombination von Dokumenten auch nicht in Betracht; eine solche zeigt vielmehr, dass es gerade an der unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung der erfindungsgemäßen Lehre fehlt.
- 2.
Der klagepatentgemäßen Lehre kann ebenso wenig mit Erfolg mangelnde erfinderische Tätigkeit entgegengehalten werden. - Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Um das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungswegs nicht nur als möglich, sondern dem Fachmann nahegelegt anzusehen, bedarf es – abgesehen von den Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun ist – in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (BGH, GRUR 2009, 746 – Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; BGH, GRUR 2010, 407 – einteilige Öse). Daraus kann man entnehmen, dass es positive Anregungen im Stand der Technik geben muss, in Richtung des Klagepatents weiter zu denken. Der Fachmann muss auf die Problemstellung kommen, die dem Klagepatent zugrunde liegt und er muss Hinweise bekommen, dass man dieses Problem mit Mitteln des Klagepatents löst. Dies ist auf Grundlage des vorgetragenen Sach- und Streitstandes im vorliegenden Fall nicht feststellbar.
- a.
Der Fachmann hätte nicht Chaplin I und Lambert und allgemeines Fachwissen herangezogen, um zu den Merkmalen 4.3.2 und 5 im Sinne der klagepatentgemäßen Lehre zu gelangen. - Um den Gegenstand einer Erfindung als nahegelegt anzusehen, ist zum einen erforderlich, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Zum anderen muss der Fachmann Grund gehabt haben, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH, Urteil vom 27. März 2018 – X ZR 59/16 –, Rn. 25, juris). Das Erfordernis einer Veranlassung klingt bereits in BGH, GRUR 2014, 647 – Farbversorgungssystem an, wenn es dort heißt, dass „sich die Nutzung ihrer Funktionalität zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände feststellbar sind, die eine Anwendung aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen“.
- Diese Voraussetzungen liegen hier entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vor.
- Der Fachmann erhält aus Chaplin I keinen ausreichenden Anlass, im Wesentlichen ebene und damit größere Endflächen vorzusehen als sie in dieser Druckschrift gelehrt werden. Ausgehend von Chaplin dürfte der Fachmann überhaupt kein Bewusstsein für das Vorhandensein von Endflächen haben, da solche in Chaplin I nicht ausgeprägt sind und auch nicht durch die Verriegelungsabschnitte gebildet werden. Aufgrund der Konzeption der beschriebenen Verpackungseinheit besteht dort kein Bedürfnis für Endflächen.
- Ausgehend von Chaplin I hat der Fachmann auch keinen Anlass, einen Verschlussmechanismus, wie er in Lambert gelehrt bzw. dem Fachmann aus seinem allgemeinen Fachwissen bekannt ist, zu entwickeln. So steht bereits die offenbarte zweiteilige Abdeckung einem solchen Verschlussmechanismus entgegen. Die Abänderung des Verschließmechanismus könnte nur wirksam zum Tragen kommen, wenn auch das Deckelteil verändert wird. Dann ist Chaplin I aber nicht mehr der geeignete Ausgangspunkt. Im Übrigen soll schon der in Chaplin I gelehrte Verschlussmechanismus ein verbessertes Öffnen ermöglichen.
- Weiterhin ist kein Anlass erkennbar, weshalb der Fachmann Chaplin I und Lambert miteinander kombinieren sollte, um zur erfindungsgemäßen Lösung zu gelangen.
Sofern der maßgebliche Stand der Technik aus einer Verknüpfung mehrerer Dokumente gebildet werden soll, um das Naheliegen der Erfindung aufzuzeigen, ist erforderlich, dass für den Fachmann auch schon die Kombination der Dokumente selbst naheliegend war, er sie also zur Lösung der Aufgabe kombiniert hätte. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ausreichende sachliche Anhaltspunkte vorhanden sind (vgl. Schulte/Moufang, Patentgesetz, 10. Aufl., § 4, Rn. 17 f.). - Die Beklagte hat nicht vorgetragen, worin der Anlass zur Kombination dieser Dokumente liegen soll. Es handelt sich um Eierkartons mit unterschiedlich ausgestalteten Deckelteilen, sodass, wie die Beklagte selbst einräumt, es mehrerer Schritte bedarf, um das Prinzip von Lambert zum Erhalt der Endflächen auf Chaplin I zu übertragen. Damit einhergehen insbesondere eine gänzliche Umgestaltung der Verbindung des Unter- und Deckelteils sowie eine Veränderung des Verschließmechanismus. Selbst wenn diese Veränderungen technisch leicht möglich wären, führt dies dennoch von der in Chaplin I offenbarten technischen Lehre weg und führt vielmehr zu einem anders konzipierten Eierkarton.
- Entsprechendes gilt für eine Kombination von Chaplin I und dem allgemeinen Fachwissen zur Herleitung des erfindungsgemäßen Verschließmechanismus. Denn auch dieser wäre gleichermaßen erst nach weiteren Veränderungen auf die Lehre von Chaplin I zu übertragen.
-
b.
Dem Rechtsbestand kann nicht mit Erfolg basierend auf einer Kombination von Lake II, Yoshida und allgemeinem Fachwissen mangelnde erfinderische Tätigkeit entgegengehalten werden. - Es bestehen schon Zweifel, ob Lake II als relevanter Stand der Technik heranzuziehen ist.
- Der Fachmann wählt als Ausgangspunkt für seine Überlegungen dasjenige Dokument aus dem Stand der Technik, das das erfolgversprechendste Sprungbrett für die Erfindung ist. Er zieht das Dokument heran, von dem aus er am ehesten das Problem lösen kann (Keukenschrijver in: Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 8. Aufl. 2016, § 4, Rn. 36; Schulte/Moufang, a.a.O., § 4, Rn. 30 m.w.N.). Ausgehend von dem Stand der Technik muss ein Fachmann zur erfindungsgemäßen Lösung fähig gewesen sein und außerdem muss er aus dem Stand der Technik eine Anregung zu der von ihm aufgefundenen Lösung oder eine Veranlassung zu ihr erhalten (Keukenschrijver, a.a.O., § 4, Rn. 42).
- Zwar wäre entgegen der Ansicht der Klägerin auch Merkmal 4.3.1 in Lake II offen-bart. Denn in Lake II sind zumindest teilweise den äußeren Konturen der in der Einheit verpackten Eiern entsprechende Zellen vorgesehen. Der BGH sieht dieses Merkmal immer dann als erfüllt an, wenn eine Gestaltung vorhanden ist, die dem Betrachter die klare Assoziation einer Eiform vermittelt, auch ohne exakt eiförmig zu sein. Demnach können auch Kanten aufweisende Gestaltungsformen ausreichend sein (vgl. Anlage B 2, BGH-Urteil, Rn. 16, 41).
- Darüber hinaus erhält der Fachmann aus Lake II jedoch keine hinreichende Anregung für die erfindungsgemäße Lehre. Lake II beschreibt als Aufgabe, einen verbesserten Verschlussmechanismus bereitzustellen sowie das Stapeln der geöffneten unbestückten Kartoneinheiten zu verbessern. In diesem Zusammenhang kommt es auf die Ausbildung einer im Wesentlichen ebenen Oberfläche, definiert aus Grundbereichen und Stützrippen, nicht an.
- Sofern der maßgebliche Stand der Technik aus einer Verknüpfung mehrerer Dokumente gebildet werden soll, um das Naheliegen der Erfindung aufzuzeigen, ist erforderlich, dass für den Fachmann auch schon die Kombination der Dokumente selbst naheliegend war, er sie also zur Lösung der Aufgabe kombiniert hätte. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ausreichende sachliche Anhaltspunkte vorhanden sind (vgl. Schulte/Moufang, a.a.O., § 4, Rn. 17 f.).
- Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Fachmann hätte im Prioritätszeitpunkt außerdem nicht Lake II mit Yoshida als nächstliegenden Stand der Technik kombiniert, um zum einen durch eine Verbindung von Grundbereichen und Stützrippen ein stabileres Aufsetzen der Einheiten zu erreichen, und zum anderen einen verbesserten Verschließmechanismus.
- Gegen eine Kombination der Druckschriften spricht schon, dass Yoshida wesentlich anders konzipierte Verpackungsbehälter lehrt. Es handelt sich um Einheiten ohne Deckelteil, für welche ein verbessertes Aufeinanderstapeln im bestückten Zustand ermöglicht werden soll. Weshalb die dafür einzuhaltenden Regeln auch bei bestückten, geschlossenen Einheiten mit Unter- und Oberteil gelten sollen, ist nicht ersichtlich.
- Ausgehend von Lake II, selbst wenn Merkmal 3.4 als nicht offenbart angesehen wird, stellt sich für den Fachmann auch nicht die Aufgabe, die in Lake II offenbarte Lehre dahingehend zu verbessern, dass derartige Stützrippen vorgesehen werden, die gemeinsam mit den Endabschnitten der Aufnahmebereiche eine im Wesentlichen ebene Oberfläche definieren. Dies gilt auch dann, wenn Lake II keine anderweitigen Einschränkungen für die Ausgestaltung der Rippen beschreibt (vgl. Anlage B 9, Sp. 7, Z. 1 ff.). Denn eine solche Weiterentwicklung würde von der in Lake II beschriebenen Aufgabe, das Ineinanderstapeln von Eierkartons zu optimieren, wegführen. Bei bis zum Boden reichenden Stützrippen wird ein Aufeinanderstellen der jeweiligen Unter- und Oberteile der Kartons vielmehr verhindert.
- Schließlich liegt die Erfindung des Merkmals 5 ausgehend von Lake II nicht nahe. Der Fachmann hat keinen Anlass, den Verschließmechanismus ausgehend von diesem Dokument zu verändern, selbst wenn ihm ein solcher wie in Merkmal 5 des Klagepatentanspruchs aus allgemeinem Fachwissen bekannt ist. Denn Lake II befasst sich umfassend mit der Bereitstellung eines verbesserten Verschließmechanismus, um im Stand der Technik beobachteten Nachteilen zu begegnen; weshalb es weiterer Abweichungen davon bedarf, ist nicht ersichtlich.
-
B.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO. - Streitwert: EUR 1.500.000,