Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 3021
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 19. März 2020 2020, Az. 4b O 62/19
- 1. Die einstweilige Verfügung vom 23. August 2019 wird hinsichtlich der Kostenentscheidung bestätigt.
2. Dem Verfügungsbeklagten werden die weiteren Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens auferlegt. - Tatbestand
- Der Verfügungsbeklagte stellte auf der Messe „A“ in Köln ein Computersimulationssteuersystem „B“ aus, das unter anderem einen zusammenklappbaren Sitz und ein Steuermodul umfasste.
- Mit Antragsschrift vom 22. August 2019 hat der Verfügungskläger wegen der Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 750 XXX B2 (nachfolgend: Verfügungspatent) beantragt, dem Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung die Benutzung von Computersimulationssteuersystemen mit den Merkmalen von Anspruch 1 des Verfügungspatents und von Sitzvorrichtungen, geeignet für solche Systeme, in der Bundesrepublik Deutschland zu untersagen und die Herausgabe entsprechender Systeme und Sitzvorrichtungen an einen Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Verwahrung anzuordnen.
- Nachdem der Verfügungskläger den Unterlassungsantrag, soweit er auf eine mittelbare Patentverletzung gestützt war, zurückgenommen hatte, hat die Kammer die einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen und von den Kosten des Verfahrens 25 % dem Verfügungskläger und 75 % dem Verfügungsbeklagten auferlegt.
- Der Beschluss wurde dem Verfügungsbeklagten am 20. Dezember 2019 an seinem Wohnsitz in den Niederlanden zugestellt, nachdem eine Zustellung auf der Messe „A“ nicht erfolgreich gewesen war. Mit anwaltlichem Schreiben vom 21. Januar 2020 gab der Verfügungsbeklagte eine Abschlusserklärung unter dem Vorbehalt des Kostenwiderspruchs ab. Hinsichtlich des Inhalts dieses Schreibens wird auf die Anlage AG-1 verwiesen.
- Mit seinem Kostenwiderspruch vom 22. Januar 2020 wendet sich der Verfügungsbeklagte gegen die Kostenentscheidung.
- Er vertritt die Auffassung, eine vorherige Abmahnung sei für den Verfügungskläger nicht unzumutbar gewesen. Er – der Verfügungsbeklagte – hätte sofort eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, wäre er vorgerichtlich abgemahnt worden. Es lägen keine Umstände vor, die eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich gemacht hätten. Auch in Messesachen sei eine vorherige Abmahnung zumutbar. Zudem seien die beiden Parteien Niederländer und seit längerer Zeit persönlich bekannt. Beide konkurrierten auf dem niederländischen Markt miteinander. Der Verfügungsbeklagte wäre auch in den Niederlanden für den Verfügungskläger greifbar gewesen.
- Der Verfügungsbeklagte beantragt,
- die Kostenentscheidung aufzuheben, soweit ihm 75% der Kosten des Verfahrens auferlegt wurden und die Kosten dem Antragsteller aufzuerlegen.
- Der Verfügungskläger beantragt,
- die einstweilige Verfügung hinsichtlich der Kosten zu bestätigen.
- Der Verfügungskläger behauptet, der Verfügungsbeklagte setze die ihm per einstweiliger Verfügung untersagte Handlung in Deutschland fort.
- Er ist der Auffassung, der Verfügungsbeklagte bestreite sowohl den Verfügungsanspruch als auch den Verfügungsgrund zu Unrecht. Der Verfügungsbeklagte stelle den materiell-rechtlichen Anspruch in Abrede und habe dadurch sein Anerkenntnis nicht vorbehaltlos erklärt. Dies zeige, dass eine vorherige Abmahnung vergeblich gewesen wäre. Eine vorherige Abmahnung sei auch schon deshalb nicht zumutbar gewesen, da dies dem Verfügungsbeklagten die Möglichkeit eröffnet hätte, die angegriffene Ausführungsform beiseite zu schaffen. Dies sei problemlos möglich gewesen und auch tatsächlich bereits am 23. August 2019, dem Tag des Erlasses der einstweiligen Verfügung und einen Tag vor Schluss der Messe, erfolgt.
- Entscheidungsgründe
- Auf den gemäß §§ 940, 936, 924 ZPO zulässigen Kostenwiderspruch war die einstweilige Verfügung vom 23. August 2019 im Kostenausspruch zu bestätigen.
- Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens waren nicht gemäß § 93 ZPO dem Verfügungskläger aufzuerlegen. Zwar hat der Verfügungsbeklagte die mit dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung geltend gemachten Ansprüche sofort anerkannt; er hat jedoch durch sein Verhalten Anlass zur Klage (hier: Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung) gegeben.
- I.
Der Verfügungsbeklagte hat die geltend gemachten Ansprüche nach Zustellung der einstweiligen Verfügung am 20. Dezember 2019 sofort anerkannt, da er den mit Schriftsatz vom 22. Januar 2020 erhobenen Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung auf die Kosten beschränkt und mit anwaltlichem Schreiben vom 21. Januar 2020 rechtsverbindlich erklärt hat, er erkenne die einstweilige Verfügung im Übrigen als endgültige Regelung an. Dass der Verfügungsbeklagte in diesem Schreiben – was ihm grundsätzlich unbenommen ist – seine Rechtauffassung äußert, wonach weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund bestehe, ändert hieran nichts; er hat rechtsverbindlich auf alle Möglichkeiten eines Vorgehens gegen die einstweilige Verfügung und gegen den durch diese gesicherten Anspruch verzichtet. - II.
Der Verfügungsbeklagte hat vorliegend jedoch Veranlassung zur Klage gegeben. - 1.
Ein Anlass zur Klageerhebung wegen Patentverletzung ist dann gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die im Kläger vernünftigerweise die Überzeugung oder Vermutung hervorrufen mussten, er werde ohne diesen Antrag nicht zu seinem Recht kommen. Die Patentverletzung als solche, auch wenn sie sich aus Sicht des Klägers als vorsätzlich begangen darstellt, ist eine solche Tatsache nicht. Der Verletzte wird deshalb in der Regel den Verletzter vor Erhebung der Klage abmahnen müssen, wenn er für den Fall des sofortigen Anerkenntnisses der Kostenfolge des § 93 ZPO entgehen will (OLG Düsseldorf, InstGE 2, 237 – Turbolader II). Wird mit dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung auch ein Anspruch auf Vernichtung der patentverletzenden Erzeugnisse gesichert, indem die Herausgabe an den Gerichtsvollzieher zwecks Verwahrung angeordnet wird, ist eine Abmahnung unzumutbar, wenn sie die Durchsetzung der berechtigten Ansprüche des Verfügungsklägers vereiteln würde oder dies aus der Sicht des Verfügungsklägers zumindest ernsthaft zu befürchten steht. Von einem derartigen Sachverhalt wird ausgegangen, wenn die in Verwahrung zu nehmende Sache aufgrund ihrer Mobilität ohne Weiteres beiseite geschafft und dadurch dem Zugriff des Gläubigers entzogen werden kann (OLG Düsseldorf, WRP 1997, 471, 472; LG Düsseldorf, InstGE 12, 234 – Fieberthermometer). Das kann der Fall sein bei Gegenständen, die als solche klein sind, aber auch bei solchen, deren „Flüchtigkeit“ sich aus den aus Sicht der Verfügungsklägerin zu erwartenden Lager- und Transportmöglichkeiten ergibt (Kühnen, Hb. d. Patentverletzung, 11. Aufl.: Kap C Rn 170). Maßgeblich ist insofern die Zeitspanne, die dem Verfügungsbeklagten im Falle einer vorgerichtlichen Abmahnung bis zur Zustellung der einstweiligen Verfügung an ihn verbleiben würde. Wenn innerhalb eines Zeitraum, der sich aus einer kurz bemessenen Abmahnfrist und der Zeit, bis zu der eine einstweilige Verfügung bewirkt und zugestellt werden kann, bemisst, aus der Sicht eines auf die Vereitelung der Herausgabe bedachten Verfügungsbeklagten damit zu rechnen ist, dass die Verletzungsprodukte beiseite geschafft werden, ist die Abmahnung entbehrlich (Kühnen, a.a.O.). Wird mit dem Sequestrationsanspruch zugleich ein Unterlassungsanspruch geltend gemacht, so entfällt die Notwendigkeit einer Abmahnung nicht nur teilweise, also für den Sequestrationsanspruch, sondern für beide Ansprüche (Kühnen, Hb. d. Patentverletzung, 11. Aufl.: Kap C RN 173 m.w.N.w.). Diese Wertungen stehen nicht im Widerspruch zu den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen zur Gewährung rechtlichen Gehörs vor dem Erlass einer einstweiligen Verfügung. Denn das Bundesverfassungsgericht hat zu erkennen gegeben, dass die Erforderlichkeit einer Überraschung oder Überrumpelung des Gegners den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs zu rechtfertigen vermag (vgl. BVerfG GRUR 2018, 1288; GRUR 2018, 1291). Von einer solchen Erforderlichkeit ist nach den vorstehenden Ausführungen jedenfalls für den Erfolg einer Herausgabeanordnung auszugehen, sofern keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Herausgabeanordnung nur deswegen beantragt wurde, um sich der Abmahnpflicht zu entziehen (vgl. Kühnen, Hb. der Patentverletzung, 11. Aufl.: Kap. C Rn 172).2.
Unter Anwendung dieser Maßstäbe war eine vorherige Abmahnung vorliegend entbehrlich. Es war dem Verfügungskläger im konkreten Fall nicht zumutbar, den Verfügungsbeklagten mit Setzung einer kurzen Frist abzumahnen. - Der Verfügungskläger hat mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung einen Antrag auf Sequestration des auf der Messe ausgestellten Computersimulationssteuersystems „B“ gestellt. Es handelt sich hierbei um einen sog. „gaming seat“, der zusammenklappbar ist und dadurch leicht transportiert werden kann. Es kann aufgrund der Abbildungen im Verfügungsantrag davon ausgegangen werden, dass der Simulator in einem Kofferraum eines Pkw Platz findet, jedenfalls aber in einem Lieferwagen. Ausweislich der Rechnung der von der Gerichtsvollzieherin beauftragten Spedition vom 31.08.2019 nahm auch die Gerichtsvollzieherin an, dass der Transport des Simulators jedenfalls mit einem Kleintransporter hätte bewerkstelligt werden können. Da sich der Verfügungsbeklagte auf einer zeitlich beschränkten Messe befand, konnte der Verfügungskläger auch davon ausgehen, dass dem Verfügungsbeklagten grundsätzlich Transportmittel zur Verfügung standen, um das angegriffene Produkt beiseiteschaffen zu können.
- Dem Verfügungsbeklagten hätte ab dem Zugang einer Abmahnung auch genügend Zeit zur Verfügung gestanden, um das angegriffene Produkt beiseite zu schaffen. Um der Gewährung rechtlichen Gehörs ernsthaft zu genügen, hätte eine mehrstündige Stellungnahmefrist eingeräumt werden müssen. Auch wenn dann nach Ablauf einer beispielsweise zweistündigen Frist unmittelbar die einstweilige Verfügung beantragt worden wäre, hätte es mindestens weiterer drei oder vier Stunden bedurft, um die einstweilige Verfügung zu erwirken und zuzustellen. Ohne weiteres hätte die angegriffene Ausführungsform aber innerhalb dieser fünf Stunden beiseite geschafft werden können.
- Durch einen Abtransport des angegriffenen Simulationssystems wäre die Herausgabeanordnung nachhaltig vereitelt worden. Denn der Verfügungsbeklagte hat seinen Sitz in den Niederlanden, in denen der Vernichtungsanspruch, zu dessen Sicherung die beantragte Herausgabeanordnung diente, nicht durchsetzbar ist, weil er Eigentum oder Besitz in der Bundesrepublik Deutschland voraussetzt. Dass dem Verfügungskläger der Verfügungsbeklagte persönlich bekannt ist, ändert daran nichts. Insofern kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Verwahrungsanspruch nur vorgeschoben war, um die Abmahnpflicht zu umgehen.
- Unbeachtlich ist, dass es sich bei dem herauszugebenden Gegenstand lediglich um ein einzelnes Ausstellungsstück und nicht um einen ganzen Lagerbestand handelte. Denn auch die Ausstellung eines Einzelstücks stellt eine Patentverletzung dar, die der Verfügungskläger nicht hinzunehmen hat. Ein bloßer Unterlassungstitel böte nicht die Gewähr, dass die Lehre des Klagepatents mit Hilfe des ausgestellten Simulationssystems weiter benutzt wird.