Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 3000
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 30. Juni 2020, Az. 4a O 93/18
- I. Die Klage wird, soweit über sie nicht durch Teil-Anerkenntnisurteil vom 09.01.2019 entschieden wurde, abgewiesen.
- II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 15 % und die Beklagte 85 %.
- III. Das Urteil ist wegen der Kosten für beide Parteien vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Patents DE 102 46 XXX B4 (Anlage rop1; nachfolgend: Klagepatent) in Anspruch.
- Das Klagepatent, dessen eingetragene Inhaberin die Klägerin ist, wurde am 04.10.2002 angemeldet. Die Anmeldung wurde am 22.04.2004 offengelegt. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 07.05.2015 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft.
- Das Klagepatent betrifft ein sanitäres Einbauteil. Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 lautet:
- „Sanitäres Einbauteil (1), das im Inneren eines Einbau-Gehäuses (6) eine Strahlreguliereinrichtung (4) hat, welche Strahlreguliereinrichtung (4) zumindest ein, in das Einbau-Gehäuse (6) einsetzbares Einsetzteil (5) aufweist, das in einer quer zur Durchströmrichtung orientierten Ebene angeordnet ist und Stege (11) hat, die in einer quer zur Durchströmrichtung orientierten Ebene angeordnet sind und zwischen sich Durchtrittsöffnungen (12) begrenzen, und dass am Austrittsende des Einbau-Gehäuses (6) ein Strömungsgleichrichter (14) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest zwei benachbarte Einsetzteile (5; 5a, 5b; 5c, 5e) mit netzartig angeordneten Stegen (11) vorgesehen sind, dass dazu ein zuströmseitiges und ein abströmseitiges Einsetzteil (5; 5a, 5b; 5c, 5e) eine Schar radialer Stege (11′) hat, die sich an Kreuzungsknoten (10) mit einer Schar konzentrischer und ringförmig umlaufender Stege (11“) kreuzen, und dass der Strömungsgleichrichter (14) kreissegmentförmige Durchlassöffnungen (15) mit einer Öffnungsbreite aufweist, die kleiner als die Höhe in Durchströmrichtung ist.“
- Nachfolgend wird in verkleinerter Darstellung Fig. 1 der Klagepatentschrift eingeblendet. Fig. 1 zeigt ein als Strahlregler ausgestaltetes sanitäres Einbauteil in einem Längsschnitt, das eine zuströmseitige Strahlzerlegeeinrichtung aufweist, der in Durchströmrichtung eine Strahlregulierungseinrichtung nachgeschaltet ist, die mehrere voneinander beabstandete Einsetzteile hat, wobei ein Strömungsgleichrichter die abströmseitige Stirnseite dieses Strahlreglers bildet.
- Die Beklagte stellt verschiedene Ausführungen von Strahlreglern her und bewirbt diese in ihrem Katalog „B“ (auszugsweise vorgelegt als Anlage rop5).
- Auf Seite XX des genannten Katalogs bewirbt die Beklagte einen Einsatz für den Spar-Strahlregler „C“ mit Luftansaugung D für Durchflussklasse XXX, Bestellnummer XXX (angegriffene Ausführungsform 1). Ein Auszug der entsprechenden Darstellung wird nachfolgend eingeblendet:
- Auf Seite XX des genannten Katalogs bewirbt die Beklagte einen diebstahlsicheren Strahlregler „C“ ohne Luftansaugung XXX für Durchflussklasse A, Bestellnummer XXX (angegriffene Ausführungsform 2). Ein Auszug der entsprechenden Darstellung wird nachfolgend eingeblendet:
- Der Aufbau der angegriffenen Ausführungsform 2 unterscheidet sich von demjenigen der angegriffenen Ausführungsform 1 dadurch, dass bei der angegriffenen Ausführungsform 2 kein Mengenregler vorhanden ist.
- Auch im Katalog „E“ (auszugsweise Anlage rop10) hatte die Beklagte bereits Strahlregler beworben.
- Mit E-Mail vom 2X.XX.2017 (Anlage K5) wandte sich Herr F für die G AG mit Sitz in H an die J GmbH und machte dieser gegenüber die Verletzung von drei Patenten, darunter das Klagepatent, durch Strahlregler geltend.
- Die J GmbH informierte die Beklagte über diesen Vorwurf. Mit Schreiben vom XX.09.2017 (Anlage K6a/rop8) wandte sich daraufhin der Patentanwalt der Beklagten an die Klägerin, nahm Bezug auf den Verletzungsvorwurf der G AG gegenüber der J GmbH und führte aus, alle drei Patente seien nach dortiger Auffassung nicht rechtsbeständig. Er forderte die Klägerin auf, bis zum 30.09.2017 auf die genannten Patente, darunter das Klagepatent, zu verzichten und dies nachzuweisen. Anderenfalls werde die Beklagte ihn beauftragen, Nichtigkeitsklagen einzureichen. Alternativ biete die Beklagte an, von Angriffen auf die Patente abzusehen, wenn sich die Klägerin verpflichte, gegen die Beklagte und ihre Abnehmer aus den Patenten keine Rechte herzuleiten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K6a Bezug genommen.
- Daraufhin antworte der Patent- und Rechtsanwalt der Klägerin mit Schreiben vom 29.09.2017 (Anlage K7) und teilte mit, die gegen die Rechtsbeständigkeit vorgebrachten Einwände seien unbegründet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K7 Bezug genommen.
- Die Klägerin trägt vor, ihr stehe gegen die Beklagte ein Entschädigungsanspruch zu, weil diese das Klagepatent bereits vor Patenterteilung benutzt habe. Der Vortrag der Beklagten dazu, wie die vermeintlich bis zum 20.06.2015 eingesetzten vier Metallsiebe ausgesehen haben sollen, sei unsubstantiiert. Vorsorglich bestreite sie, dass Einsetzteile im Sinne des Klagepatents ausschließlich aus solchen Metallsieben bestanden hätten. Die „XXX“-Werbung der Beklagten schließe den Einsatz von vier Metallsieben aus.
- Sie habe ferner einen den (Rest-) Entschädigungsanspruch vorbereitenden Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch und insoweit auch einen Anspruch auf Belegvorlage. Dies folge aus § 242 BGB, weil sie ohne Belege keine Möglichkeit habe, die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft zu überprüfen.
- Der Vernichtungsanspruch sei in der geltend gemachten Form bis zur Erledigung begründet gewesen. Der Nachweis einer vom Schuldner eigenhändig durchgeführten Vernichtung betreffe nicht die Art der Erfüllung des Vernichtungsanspruchs, sondern sei Bestandteil des Anspruchs selbst.
- Ursprünglich hat die Klägerin beantragt,
- I. die Beklagte zu verurteilen,
- 1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,
- sanitäre Einbauteile, die im Inneren eines Einbau-Gehäuses eine Strahlreguliereinrichtung haben, welche zumindest ein in das Einbau-Gehäuse einsetzbares Einsetzteil aufweist, das in einer quer zur Durchströmrichtung orientierten Ebene angeordnet ist und Stege hat, die in einer quer zur Durchströmrichtung orientierten Ebene angeordnet sind und zwischen sich Durchtrittsöffnungen begrenzen, und bei dem am Austrittsende des Einbau-Gehäuses ein Strömungsgleichrichter angeordnet ist,
- im Geltungsbereich des Patentgesetzes herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen, oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
- bei denen
- – zumindest zwei benachbarte Einsetzteile mit netzartig angeordneten Stegen vorgesehen sind,
- – ein strömseitiges und ein abströmseitiges Einsetzteil eine Schar radialer Stege hat, die sich an Kreuzungsknoten mit einer Schar konzentrischer und ringförmig umlaufender Stege kreuzen, und
- – der Strömungsgleichrichter kreissegmentförmige Durchlassöffnungen mit einer Öffnungsbreite aufweist, die kleiner als die Höhe in Durchströmrichtung ist,
- insbesondere wenn,
- der Strömungsgleichrichter einstückig mit dem Einbau-Gehäuse verbunden ist – (Unteranspruch 8);
- 2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 07.06.2015 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der Herstellungsmengen und -zeiten bzw. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der Einkaufspreise,
- b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
- c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
- d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und b) die Rechnungen und für den Fall, dass keine Rechnungen vorhanden sind, die Angebotsschreiben und Lieferscheine sowie Auftragsbelege zu solchen Aufträgen vorzulegen hat, bei denen es nicht zur Auslieferung der Erzeugnisse gekommen ist;
- wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
- 3. die vorstehend unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 07.05.2015 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass das Gericht mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des DE 102 46 XXX (Klagepatent) erkannt worden ist, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und ihnen für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe verbindlich zugesagt wird;
- 4. die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder im Eigentum der Beklagten befindlichen oder noch gelangenden, vorstehend unter Ziffer I. 1. bezeichneten sanitären Einsetzteile an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der auf Kosten der Beklagten durchzuführenden Vernichtung herauszugeben;
- II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 07.06.2015 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 21.12.2018 die Ansprüche zu I. 1., I. 2., I. 3. und II. anerkannt hat, hat die Kammer über diese mit Teil-Anerkenntnisurteil vom 09.01.2019 entschieden.
- Mit Schriftsatz vom 18.03.2019 hat die Klägerin den ehemaligen Antrag zu I. 4. (Vernichtung) um folgenden Zusatz erweitert:
- „[…] oder – soweit die Beklagte bereits eine Vernichtung der Erzeugnisse vorgenommen und/oder durch Dritte veranlasst hat – der Klägerin die Vernichtung der Erzeugnisse durch Vorlage eines Protokolls mit der Angabe der Typenbezeichnungen und Stückzahlen der vernichteten Erzeugnisse sowie Ort, Zeit und Art der Vernichtung nachzuweisen, wobei das Protokoll unter Angabe des Namens und der Anschrift von derjenigen Person unterzeichnet ist, die die Vernichtung durchgeführt hat.
Ferner hat die Klägerin mit demselben Schriftsatz die Klage erweitert, indem sie weiter beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen,
- ihr durch Vorlage eines Verzeichnisses, das nach den Namen und Anschriften sämtlicher gewerblicher Abnehmer der […] sanitären Einbauteile geordnet ist, Auskunft zu erteilen über den Umfang dieser von Dritten an die Beklagte zurückgegebenen Erzeugnisse, und zwar unter Angabe der Typenbezeichnungen und Stückzahlen und dem Datum der Rückgabe.
- Dieser Antrag wird nachfolgend auch kurz als „Rechnungslegung über den Rückruf“ bezeichnet.
- Mit Schriftsatz vom 15.04.2019 hat die Klägerin die Klage sodann erneut erweitert, indem sie weiter beantragt hat,
- II. die Beklagte zu verurteilen,
- 1. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. bezeichneten Handlungen in der Zeit vom 22.05.2004 bis zum 06.06.2015 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der Herstellungsmengen und -zeiten bzw. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der Einkaufspreise,
- b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
- c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
- d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und b) die Rechnungen und für den Fall, dass keine Rechnungen vorhanden sind, die Angebotsschreiben und Lieferscheine sowie Auftragsbelege zu solchen Aufträgen vorzulegen hat, bei denen es nicht zur Auslieferung der Erzeugnisse gekommen ist;
- wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
- 2. […];
- III. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. bezeichneten und in der Zeit vom 22.05.2004 bis zum 06.06.2015 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
Hierzu hat sie ausgeführt, die Ansprüche beträfen die Zahlung eines Restschadensersatzes.
- Hinsichtlich des Vernichtungsantrags (Klageantrag zu I. 4.; erweitert mit Schriftsatz vom 18.03.2019) sowie des Antrags auf Rechnungslegung über den Rückruf (Schriftsatz vom 18.03.2019) hat die Klägerin die Klage mit Schriftsatz vom 02.07.2019 in der Hauptsache für erledigt erklärt.
- Ebenfalls mit dem Schriftsatz vom 02.07.2019 hat die Klägerin erklärt, ein Restschadensersatz werde nicht geltend gemacht, sondern Ansprüche auf Entschädigung gemäß § 33 PatG. Sie hat die Anträge aus dem Schriftsatz vom 15.04.2019 sodann in verschiedenen Punkten modifiziert und beantragt,
- I. die Beklagte zu verurteilen,
- der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte in der Zeit vom 22.04.2004 bis zum 06.06.2015 […],
- und zwar unter Angabe
- a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
- b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und
-preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer, - c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
- d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu lit. b) die Rechnungen und für den Fall, dass keine Rechnungen vorhanden sind, die Angebotsschreiben und Lieferscheine sowie Auftragsbelege zu solchen Aufträgen vorzulegen hat, bei denen es nicht zur Auslieferung der Erzeugnisse gekommen ist;
- wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
- II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die unter Ziffer I. bezeichneten und in der Zeit vom 22.04.2004 bis zum 06.06.2015 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen.
- Mit Schriftsatz vom 06.04.2020 hat sich die Beklagte der teilweisen Erledigungserklärung der Klägerin im Hinblick auf den Vernichtungsantrag angeschlossen.
- Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 14.05.2020 ihren Antrag auf Auskunft und Rechnungslegung im Zeitraum vom 22.04.2004 bis 06.06.2015 dahingehend modifiziert, dass keine Auskunft über „Bestellungen“ gefordert wird.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen, soweit durch Schlussurteil noch über sie zu erkennen war.
- Die Beklagte trägt vor, ein (Rest-) Entschädigungsanspruch stehe der Klägerin mangels einer Benutzung der Lehre des Klagepatents vor Patenterteilung nicht zu. Insbesondere sei der im Katalog „E“ (Anlage rop10) gezeigte Strahlregler nicht mit Gleichrichtersieben im Sinne des Patentanspruchs, sondern mit vier (einfachen) Metallsieben ausgestattet gewesen. Erst ab dem 20.06.2015 seien Strahlregler mit vier Kunststoffsieben hergestellt worden, wie sie Gegenstand des Klagepatents seien. Patentgemäß ausgebildete Gleichrichtersiebe seien aus Metall nicht herstellbar.
- Soweit sie die geltend gemachten Ansprüche anerkannt habe, seien die Kosten nach § 93 ZPO der Klägerin aufzuerlegen. Ein Anlass zur Klageerhebung liege mangels Abmahnung nicht vor. Das Schreiben ihres Patentanwalts vom 08.09.2017 stelle einen solchen Anlass nicht dar, weil es sich ausschließlich mit der Rechtsbeständigkeit der Patente auseinandersetze. Eine Verletzung habe die Klägerin vorprozessual nicht behauptet und sie, die Beklagte, auch nicht zur Unterlassung aufgefordert. Mit einer Verletzungsklage habe sie deshalb nicht rechnen müssen. Eine vorgerichtliche Meinungsäußerung sage überdies rein gar nichts darüber aus, wie sie sich angesichts einer drohenden Verletzungsklage mit den entsprechenden Kostenrisiken verhalten würde. Schließlich sei die Anerkennung eines Anspruchs häufig rein ökonomischen Gründen geschuldet.
- Ferner sei zu berücksichtigen, dass sie mehr als ein Jahr nichts mehr von der Klägerin gehört und dann mit der Klage überfallen worden sei. Sie habe deshalb nicht davon ausgehen müssen, dass die Klägerin sich den von der G AG gegenüber der J GmbH erhobenen Verletzungsvorwurf zu eigen machen und ihr, der Beklagten, gegenüber geltend machen würde. Vielmehr habe sie annehmen müssen, dass die Klägerin entweder selbst nicht von einer Patentverletzung ausgehen oder das Klagepatent jedenfalls für nicht durchsetzungsfähig halten würde.
- Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
- Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Im noch zur Entscheidung stehenden Umfang ist die Klage zulässig, aber unbegründet.
- A.
Die Klage ist zulässig. - Hinsichtlich des Antrags auf Rechnungslegung über den Rückruf ist die Erledigungserklärung der Klägerin einseitig geblieben. Bei der Erledigungserklärung handelt es sich um eine Prozesshandlung, die – wenn sie einseitig bleibt – eine nach § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Klageänderung darstellt. Sie umfasst für diesen Fall den Antrag festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat (ständige Rechtsprechung, siehe nur BGH, NJW 2002, 442 m. w. N.). Das Feststellungsinteresse folgt daraus, dass es dem Kläger möglich sein muss, den Rechtsstreit ohne Kostenbelastung zu beenden, wenn sich seine ursprünglich zulässige und begründete Klage erledigt hat (Jaspersen, in: BeckOK ZPO, 36. Edition Stand: 01.03.2020, § 91a Rn. 51).
- B.
Die Klage ist im noch zur Entscheidung stehenden Umfang unbegründet. - Die Klägerin kann weder die Feststellung der Entschädigungspflicht (dazu unter I.) noch Auskunft und Rechnungslegung (dazu unter II.) für den Zeitraum vom 22.04.2004 bis zum 06.06.2015 verlangen. Ihr steht auch kein Anspruch auf Feststellung der Erledigung in der Hauptsache hinsichtlich des Antrags auf Rechnungslegung über den Rückruf zu (dazu unter III.).
- I.
Der Antrag auf Feststellung der Entschädigungspflicht für den Zeitraum vom 22.04.2004 bis zum 06.06.2015 ist unbegründet. - Die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs nach § 33 Abs. 1 PatG – der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage – sind nicht gegeben. Es lässt sich keine Benutzungshandlung der Beklagten vor Patenterteilung feststellen. Benutzungshandlungen nach Patenterteilung reichen für die Begründung des Entschädigungsanspruchs nicht aus (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Abschnitt D Rn. 439).
- 1.
Die Klägerin hat nicht hinreichend dargelegt, dass die Beklagte bereits vor Patenterteilung einen Strahlregler angeboten hat, der von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 Gebrauch macht. Insbesondere hat sie nicht vorgetragen, dass die im Katalog „E“ (auszugsweise vorgelegt als Anlage rop10) auf den Seiten 24 (Best. Nr. XXX) und 37 (Best. Nr. 05.0011.57) gezeigten Strahlregler über zwei die Merkmale 4, 5 und 5.1 ihrer Merkmalsgliederung (Anlage rop4) verwirklichende Einsetzteile verfügt. Sie hat zwar auf die nahezu identische Darstellung der Strahlregler in dem späteren Katalog „E“ verwiesen sowie auf weitere Anzeichen, die aus ihrer Sicht für eine identische Ausgestaltung sprechen. Dies reicht für die Darlegung einer Benutzungshandlung vor Patenterteilung jedoch nicht aus. Die in Rede stehenden Einsetzteile sind in den Abbildungen, die jeweils nur den äußeren Aufbau zeigen, nicht zu erkennen. Zu dem tatsächlichen inneren Aufbau der im Katalog „E“ gezeigten Strahlregler hat sich die Klägerin nicht erklärt. - Vor diesem Hintergrund ist auch für die Annahme einer sekundären Darlegungslast der Beklagten kein Raum.
- 2.
Selbst wenn man jedoch annimmt, dass die Klägerin die Voraussetzungen einer Patentbenutzung hinreichend vorgetragen hat, fehlt es jedenfalls an einem Beweis dieser von der Beklagten bestrittenen Behauptung. Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 14.05.2020 Beweis durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens antritt, war dem nicht nachzugehen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Frage, ob die „XXX“-Werbung der Beklagten den Einsatz von vier Metallsieben ausschließt, wäre nicht geeignet, die Frage der Verwendung patentgemäßer Einsetzteile im Inneren der im Katalog „E“ beworbenen Strahlregler zu beantworten. - II.
Der Klägerin steht mangels eines Entschädigungsanspruchs auch kein Anspruch auf diesen vorbereitende Rechnungslegung für den Zeitraum vom 22.04.2004 bis zum 06.06.2015 zu. - III.
Soweit die Klägerin die Feststellung der Erledigung in der Hauptsache hinsichtlich des Antrags auf Rechnungslegung über den Rückruf begehrt, ist die Klage ebenfalls unbegründet. - Begründet ist die Klage auf Feststellung der Erledigung, wenn die Klage zulässig und begründet war und durch das behauptete Ereignis unzulässig oder unbegründet wurde (vgl. Jaspersen, in: BeckOK ZPO, 36. Edition Stand: 01.03.2020, § 91a Rn. 55). Vorliegend war die Klage indes von vornherein unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Auskunftserteilung über den Umfang der von Dritten an die Beklagte zurückgegebenen Erzeugnisse. Es fehlt an einer gesetzlichen Grundlage für ein solches Begehren. § 140a Abs. 3 PatG, der den Rückruf regelt, erwähnt die Auskunftserteilung nicht. Ein Rückgriff auf § 242 BGB scheidet jedenfalls deshalb aus, weil es an einem schutzwürdigen Interesse der Klägerin fehlt. Sie verfügt bereits über einen mit dem Teil-Anerkenntnisurteil vom 09.01.2019 titulierten Rückrufanspruch, für den ihr grundsätzlich das Zwangsvollstreckungsverfahren offen steht. Wenn die Beklagte geltend machen will, der Rückrufanspruch sei durch Rückgabe der Erzeugnisse an sie bereits erfüllt, trägt sie hierfür im Vollstreckungsverfahren – wie auch im Erkenntnisverfahren – die Darlegungs- und Beweislast. Wie sie den ihr obliegenden Nachweis erbringt, ist Sache der Beklagten.
- C.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91a Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1 S. 1, 2. Var., 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. - I.
Soweit durch Teil-Anerkenntnisurteil entschieden wurde, waren die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen. - § 93 ZPO gelangt nicht zur Anwendung, weil die Beklagte Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat. Der Beklagte gibt Anlass zur Klageerhebung, wenn er sich vor Prozessbeginn so verhält, dass der Kläger bei vernünftiger Würdigung davon ausgehen muss, er werde anders als durch eine Klage nicht zu seinem Recht kommen (BGH, NJW-RR 2005, 1005, 1006; Schulz, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 93 Rn. 7). Regelmäßig fehlt es an einer Veranlassung zur Klageerhebung, wenn der Beklagte vorprozessual nicht abgemahnt worden ist (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Abschnitt E Rn. 5).
- Vorliegend musste die Klägerin jedoch aufgrund des an sie gerichteten Schreibens des Patentanwalts der Beklagten vom 08.09.2017 (Anlage K6a/rop8) davon ausgehen, ohne eine Klage nicht zu ihrem Recht zu gelangen. Dass in diesem Schreiben nur die Rechtsbeständigkeit des Klagepatents in Zweifel gezogen wird, steht dem nicht entgegen. Auch die fehlende Anerkennung der Rechtsbeständigkeit des Klagepatents musste aus Sicht der Klägerin dazu führen, dass die Beklagte ohne eine Klage den Ansprüchen nicht Folge leisten würde. Auch der zwischen dem Schreiben und der Klageerhebung vergangene Zeitraum von über einem Jahr steht dieser Sichtweise nicht entgegen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin davon ausgehen musste, der Zeitablauf habe zu einer Veränderung der rechtlichen Einschätzung auf Seiten der Beklagten geführt.
- Die Argumentation der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 06.04.2020 führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Maßgeblich ist bei der Anwendung des § 93 ZPO nicht die Sicht der Beklagten und die Frage, ob die Beklagte mit einer Verletzungsklage rechnen musste. Entscheidend ist vielmehr, wie dargelegt, ob aus Sicht der Klägerin anzunehmen war, dass sie ohne eine Anrufung des Gerichts ihr Ziel nicht würde erreichen können. Dass die Beklagte sich durch ihren Patentanwalt zwar unter Androhung einer Nichtigkeitsklage auf die fehlende Rechtsbeständigkeit berufen, auf eine Abmahnung hin die Patentverletzung aber anerkennen würde, war aus der Sicht der Klägerin nicht zu erwarten.
- II.
Soweit die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des Vernichtungsantrags teilweise für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, beruht die Kostenentscheidung auf § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO. Bei der Ausübung des billigen Ermessens war zu berücksichtigen, dass die Klage bis zur Erledigung zulässig, jedoch nur teilweise begründet war. - Soweit die Klägerin bereits mit der Klageschrift vom 15.10.2018 sinngemäß beantragt hat,
- die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder im Eigentum der Beklagten befindlichen oder noch gelangenden Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der auf Kosten der Beklagten durchzuführenden Vernichtung herauszugeben,
- war die Klage bis zur Erledigung begründet. Der Klägerin stand der Vernichtungsanspruch aus § 140a Abs. 1 PatG zu. Sie war auch berechtigt, den Anspruch nicht nur nach Wahl der Beklagten, sondern von vornherein in der Form geltend zu machen, dass die patentverletzenden Gegenstände an einen zur Vernichtung bereiten Gerichtsvollzieher herauszugeben sind (vgl. BGH, GRUR 2003, 228, 229 f. – P-Vermerk zu § 98 UrhG; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Abschnitt D Rn. 691).
- Soweit die Klägerin mit der späteren Erweiterung des Vernichtungsantrags weiter sinngemäß beantragt hat,
- soweit die Beklagte bereits eine Vernichtung der Erzeugnisse vorgenommen und/oder durch Dritte veranlasst hat, ihr die Vernichtung der Erzeugnisse durch Vorlage eines Protokolls mit der Angabe der Typenbezeichnungen und Stückzahlen der vernichteten Erzeugnisse sowie Ort, Zeit und Art der Vernichtung nachzuweisen, wobei das Protokoll unter Angabe des Namens und der Anschrift von derjenigen Person unterzeichnet ist, die die Vernichtung durchgeführt hat,
- war die Klage demgegenüber unbegründet. Auch insoweit fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Auf die Ausführungen zum Antrag auf Rechnungslegung über den Rückruf unter B. III. wird Bezug genommen.
- D.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO. - E.
Der Streitwert wird auf einen Wert der Stufe bis € 600.000,00 festgesetzt.