Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2998
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 03. März 2020, Az. 4a O 105/18
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00
– ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, - zu unterlassen,
- einen Auskleidungsschlauch zum Herstellen eines Auskleidungsrohres für Kanalsanierungsarbeiten, der mindestens eine Schicht aus mindestens einem schlauchförmig angeordneten, harzgetränkten Faserband und einen auf dem mindestens einen Faserband angeordneten Außenfolienschlauch umfasst,
- in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- wenn der Auskleidungsschlauch dadurch gekennzeichnet ist, dass eine zum Bilden des Außenfolienschlauchs verwendete Kunststofffolie auf der den harzgetränkten Faserbändern zugewandten Seite eine Armierung in Form einer aufkaschierten Vliesschicht aufweist;
- (Anspruch 1 von EP 1 XXX 225)
- 2. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00
– ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, - zu unterlassen,
- einen Auskleidungsschlauch zum Herstellen eines Auskleidungsrohres für Kanalsanierungsarbeiten, der mindestens eine Schicht aus mindestens einem schlauchförmig angeordneten, harzgetränkten Faserband und einen auf dem mindestens einen Faserband angeordneten Außenfolienschlauch umfasst,
- in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- wenn der Auskleidungsschlauch dadurch gekennzeichnet ist, dass eine zum Bilden des Außenfolienschlauchs verwendete Kunststofffolie auf der den harzgetränkten Faserbändern zugewandten Seite eine Armierung in Form einer aufkaschierten Vliesschicht aufweist und wenn der armierte Außenfolienschlauch von einem weiteren Außenfolienschlauch aus mindestens einer Kunststofffolie umgeben ist;
- (Anspruch 3 von EP 1 XXX 225)
- 3. der Klägerin Auskunft zu erteilen und durch ein vollständiges und geordnetes Verzeichnis Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die durch Ziffer I. 1. und Ziffer I. 2. bezeichneten Handlungen seit dem 24.11.2004 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der Namen und der Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
- b) der Namen und der Anschriften der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten und erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie
- d) der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
- wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind,
- wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 4. der Klägerin Auskunft zu erteilen und durch ein vollständiges und geordnetes Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I. 1. und Ziffer I. 2. bezeichneten Handlungen seit dem 24.12.2004 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und den Anschriften der Abnehmer,
- c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und den Anschriften der Angebotsempfänger,
- d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und die Anschriften ihrer nichtgewerblichen Abnehmer sowie der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn berechtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nichtgewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist.
- II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
- 1. der Klägerin für die vorstehend unter Ziffer I. 1. und Ziffer I. 2. bezeichneten, in der Zeit vom 07.01.2001 bis zum 23.12.2004 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
- 2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die vorstehend unter Ziffer I. 1. und Ziffer I. 2. bezeichneten, seit dem 24.12.2004 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Die Beklagte wird verurteilt, die in der Bundesrepublik Deutschland in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer I. 1. und Ziffer I. 2. fallenden Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben.
- IV. Die Beklagte wird verurteilt, die oben unter Ziffer I. 1. und Ziffer I. 2. fallenden, seit dem 30.04.2006 in Verkehr gebrachten, im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 1 XXX 225 erkannt hat, aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des ggf. bereits gezahlten Kaufpreises sowie eine Übernahme der Kosten der Rücknahme zugesagt wird und die zurückgegebenen Erzeugnisse nach Rückgabe wieder an sich zu nehmen.
- V. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 250.000,00. Daneben sind die Ansprüche auf Unterlassung, Vernichtung und Rückruf (Ziffern I. 1., I. 2., III. und IV. des Tenors) gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 187.500,00. Ferner sind die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung (Ziffern I. 3. und I. 4. des Tenors) gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 50.000,00. Die Kostenentscheidung (Ziffer V. des Tenors) ist gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 XXX 225 B1 (Anlage K2; nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatz- und Entschädigungspflicht in Anspruch.
- Das Klagepatent beruht auf der internationalen Anmeldung PCT/EP2000/XXX und nimmt den Anmeldetag vom 05.05.2000 sowie eine Priorität vom 27.05.1999 in Anspruch. Die internationale Anmeldung wurde am 07.12.2000 als WO 2000/XXX veröffentlicht, die europäische Anmeldung am 20.02.2000. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 24.11.2004 bekanntgemacht.
- Das Klagepatent steht in Kraft. Die Beklagte hat eine das Klagepatent betreffende Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
- Im Patentregister des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) waren ursprünglich die Herren D, E und F als Anmelder/Inhaber eingetragen. Am 30.07.2012 wurde die ursprüngliche Klägerin, die G, als Inhaberin eingetragen. Am 10.03.2014 wurde Herr H als Inhaber des Klagepatents eingetragen, am 30.07.2015 erneut die G. Schließlich wurde am 21.01.2019 die Klägerin als Inhaberin in das Patentregister eingetragen.
- Das Klagepatent betrifft einen Auskleidungsschlauch. Die von der Klägerin nebeneinander geltend gemachten Patentansprüche 1 und 3 lauten:
- „1. Auskleidungsschlauch zum Herstellen eines Auskleidungsrohrs für Kanalsanierungsarbeiten, der mindestens eine Schicht aus mindestens einem schlauchförmig angeordneten, harzgetränkten Faserband (7) und einen auf dem mindestens einen Faserband (7) angeordneten Außenfolienschlauch (11) umfaßt, dadurch gekennzeichnet, daß eine zum Bilden des Außenfolienschlauchs (11) verwendete Kunststoffolie (8) auf der den harzgetränkten Faserbändern (7) zugewandten Seite eine Armierung in Form einer aufkaschierten Vliesschicht (13) aufweist.
- 3. Auskleidungsschlauch nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß der armierte Außenfolienschlauch (11) von einem weiteren Außenfolienschlauch aus mindestens einer Kunststoffolie umgeben ist.“
- Nachfolgend werden in verkleinerter Darstellung Fig. 1 und 2 der Klagepatentschrift eingeblendet. Fig. 1 ist eine schematische Darstellung eines Herstellungsvorgangs zum Erzeugen eines Auskleidungsschlauchs. Fig. 2 zeigt einen Ausschnitt eines Querschnitts eines folienbeschichteten Auskleidungsrohrs.
- Die Beklagte beschäftigt sich mit der Verarbeitung von Glas-, Karbon- und Armidfasern und stellt Schläuche aus glasfaserverstärktem Material für die Kanalsanierung her. Diese sogenannten GFK-Liner vertreibt die Beklagte weltweit.
- Auf ihrer Website http://(…).de bietet die Beklagte unter den Bezeichnungen „J“ und „K“, jeweils mit den zusätzlichen Modellbezeichnungen „Typ X“ und „Typ XX“ Auskleidungsschläuche an.
- Mit der Klage greift die Klägerin Auskleidungsschläuche der Beklagten mit einem Aufbau an, wie er den nachfolgend eingeblendeten Abbildungen zu entnehmen ist:
- Angegriffene Ausführungsform 1:
- Angegriffene Ausführungsform 2:
- Die Klägerin trägt vor, es fehle für die selbstständige Geltendmachung des Unteranspruchs 3 nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis. Insbesondere könne auf diese Weise ein weiterer Prozess vermieden werden, sollte Anspruch 1 wider Erwarten für nichtig erklärt werden.
- Partei des Rechtsstreits auf Klägerseite sei die L, weshalb das Aktivrubrum zu berichtigen sei. Die Inhaberschaft am Klagepatent sei im Wege des Gesellschafterwechsels von der G auf die L übergegangen. Letztere sei als Rechtsnachfolgerin der G zudem für sämtliche Zeiträume aktivlegitimiert, in denen Ansprüche aus dem Klagepatent geltend gemacht würden. Insbesondere sei die G ungeachtet der Eintragungen im Patentregister Anmelderin der dem Klagepatent zugrunde liegenden internationalen Anmeldung und seit Erteilung des Klagepatents dessen materielle Inhaberin.
- Die angegriffenen Ausführungsformen machten von der Lehre der Klagepatentansprüche 1 und 3 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch.
- So fordere der Klagepatentanspruch 1 nicht, dass die Vliesschicht vollflächig auf der den Faserbändern zugewandten Seite der Kunststofffolie aufkaschiert sei. Auch ein unmittelbarer Kontakt zwischen Vliesschicht und Faserbändern sei nicht erforderlich. Die Beklagte schränke mit ihrer Auslegung den Patentanspruch durch die Hinzufügung ungeschriebener Anspruchsmerkmale in unzulässiger Weise ein.
- Die angegriffenen Ausführungsformen verfügten ferner über einen weiteren Außenfolienschlauch im Sinne des Anspruchs 3. Dass dieser eine Armierung in Form einer aufkaschierten Vliesschicht aufweisen müsse, lasse sich dem Patentanspruch nicht entnehmen.
- Eine Aussetzung des Rechtsstreits sei nicht geboten, da sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen werde.
- Die Klägerin beantragt,
- wie erkannt.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- hilfsweise,
- den Rechtsstreit über das Klagepatent EP 1 XXX 225 B1 bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts im parallelen Nichtigkeitsverfahren gegen das Klagepatent auszusetzen.
- Sie trägt vor, für die selbstständige Geltendmachung des Unteranspruchs 3 fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis. Ein rechtlich schützenswertes Interesse an einem weiteren Unterlassungstitel sei nicht erkennbar. Zudem sei, wenn die Klägerin über zwei Unterlassungstitel verfüge, zu befürchten, dass diese zweimal ein Ordnungsmittel erwirke. Dies sei mit dem Umstand unvereinbar, dass die Klage mit ihren Anträgen auf eine konkrete Verletzungsform abziele.
- Die Klage sei ferner deshalb unzulässig, weil die G, die weiterhin Klägerin sei, nach ihrem eigenen Vortrag nicht mehr existiere. Eine Rubrumsberichtigung auf die L scheide aus, weil die Klage klar zwischen beiden Gesellschaften differenziere. Jedenfalls habe sie keinen Schriftsatz betreffend die Aufnahme des Rechtsstreits durch die L erhalten. Im Hinblick auf diese Unklarheit bestünden zudem gewisse Zweifel an der Vollmacht der für die klagende Partei auftretenden Prozessbevollmächtigten.
- Die angegriffenen Ausführungsformen machten von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch.
- Die im Patentanspruch geforderte Armierung der Kunststofffolie mit einer aufkaschierten Vliesschicht müsse vollflächig sein, somit die gesamte Oberfläche der Folie abdecken. Nur so könnten die im Klagepatent genannten Vorteile erzielt werden. Schließlich wiesen Kunststofffolie und Vliesschicht ein ähnliches Dehnungsverhalten nur dort auf, wo die Vliesschicht tatsächlich auf die Kunststofffolie kaschiert sei. Auch die Gleichmäßigkeit des Auskleidungsrohrs sei nur bei einer vollflächigen Armierung garantiert. Bei einer nur teilweisen Armierung entstünden dagegen ungleiche Bereiche. Der Auskleidungsschlauch könne an den nicht armierten Stellen – wie im Stand der Technik – reißen. Auch ein Verrutschen der Folie und eine daraus folgende Verseifung der Faserbänder würden nur bei einer vollflächigen Armierung vermieden.
- Die einzige Ausnahme, die die Patentbeschreibung hiervon vorsehe, sei die eines besonderen Herstellungsverfahrens. Wenn mehrere Kunststofffolien hergestellt, längs aneinander gefügt und an den Rändern miteinander verbunden würden, um einen Schlauch herzustellen, würde die Vliesschicht beim Verbinden der Folien stören. Für diesen Fall und ausschließlich an den Stellen, an denen der Fachmann einzelne Folien miteinander verbinde, werde auf eine Vliesschicht verzichtet.
- Dass der Außenfolienschlauch nach dem Patentanspruch „auf“ dem Faserband angeordnet sei, gebe in räumlich-körperlicher Hinsicht einen unmittelbaren Kontakt zwischen Außenfolienschlauch und Faserband vor. Nur bei einem solchen unmittelbaren Kontakt könne zudem das Harz der Faserbänder die Vliesschicht durchdringen und so die vom Klagepatent erstrebte innige und feste Verbindung zwischen Kunststofffolie und Faserbändern bewirken. Auch die Ansprüche 11 und 13 und die Fig. 2 des Klagepatents, die jeweils eine feste Verbindung zwischen Faserbändern und Kunststofffolie zeigten, bestätigten diese Sichtweise.
- Bei den angegriffenen Ausführungsformen stehe der Außenfolienschlauch nicht über eine vollflächig aufkaschierte Vliesschicht in unmittelbarem Kontakt mit den Faserbändern. Beide Vorgaben würden durch ein zwischen dem Glasfasergelege und der Außenfolie lose angeordnetes weiteres Folienstück ausgeschlossen.
- Der in Anspruch 3 zusätzlich genannte weitere Außenfolienschlauch müsse ebenfalls über eine aufkaschierte Vliesschicht verfügen, was bei den angegriffenen Ausführungsformen – insoweit unstreitig – nicht der Fall sei. Das Klagepatent definiere den Begriff des Außenfolienschlauchs in Anspruch 1 und lege diese Definition auch für Anspruch 3 zugrunde. Der Begriff des Außenfolienschlauchs sei im gesamten Patent einheitlich auszulegen und fordere somit eine aufkaschierte Vliesschicht. Auch funktional müsse der weitere Außenfolienschlauch eine Vliesschicht aufweisen. Schließlich gehe es dem Klagepatent darum, auch diesem weitere Stabilität zu verleihen.
- Jedenfalls sei der Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO auszusetzen, da sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen werde.
- Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.02.2020 Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Die Klage ist zulässig und begründet.
- A.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt es ihr nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis, soweit die Klägerin Unterlassung auch aus dem Klagepatentanspruch 3, einem Unteranspruch des Anspruchs 1, verlangt. Ein rechtlich schützenswertes Interesse der Klägerin liegt jedenfalls darin, dass sie im Fall einer späteren Vernichtung des Anspruchs 1 bei Aufrechterhaltung des Anspruchs 3 bereits über einen titulierten Anspruch verfügt. - Der Zulässigkeit steht auch nicht die Gefahr der Doppelsanktionierung im Ordnungsmittelverfahren entgegen. In dessen Rahmen wäre zu berücksichtigen, dass ein Verstoß gegebenenfalls zwei inhaltlich kongruente Unterlassungstitel desselben Gläubigers verletzt (zu den verschiedenen Konstellationen des Mehrfachverstoßes vgl. Voß, in: BeckOK Patentrecht, 15. Edition Stand: 15.01.2020, Vor §§ 139–142b Rn. 412; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Abschnitt H Rn. 134).
- Auch unter Berücksichtigung der Entscheidung „Maschinensatz“ des BGH (GRUR 2010, 904), auf die sich der Beklagtenvertreter in der Sitzung vom 11.02.2020 bezogen hat, ergibt sich nichts anderes. Der Beklagtenvertreter leitet aus dieser Entscheidung ab, dass eine Geltendmachung im eingeschränkten Umfang voraussetze, dass diese Fassung im Nichtigkeitsverfahren zur Entscheidung steht. Anders als im vom BGH entschiedenen Fall ist der Vernichtungsprognose im Rahmen der Aussetzungsentscheidung bei der selbstständigen Geltendmachung eines Unteranspruchs neben dem Hauptanspruch jedoch weiterhin die unbeschränkte Fassung zugrunde zu legen. Eine nur beschränkte Verteidigung im Nichtigkeitsverfahren ist deshalb bereits aus diesem Grund nicht zu fordern.
- B.
Partei des Rechtsstreits auf Klägerseite ist nicht mehr die in der Klageschrift bezeichnete G, sondern die L als deren Gesamtrechtsnachfolgerin. Insoweit war das Aktivrubrum zu berichtigen. - I.
Im Fall der Rechtsnachfolge während eines anhängigen Verfahrens ist zu unterscheiden: Wird der streitbefangene Gegenstand veräußert (Einzelrechtsnachfolge), ändert sich zwar die materielle Rechtszuständigkeit. Gemäß § 265 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 ZPO bleibt aber das Prozessrechtsverhältnis unberührt. Der Rechtsnachfolger kann nur mit Zustimmung des Gegners den Prozess fortführen, § 265 Abs. 2 S. 2 ZPO. - Tritt dagegen Gesamtrechtsnachfolge unter Wegfall des bisherigen Rechtsträgers ein, hat das auch Einfluss auf das Prozessrechtsverhältnis. Der Gesamtrechtsnachfolger tritt kraft Gesetzes und ohne Zustimmungserfordernis des Gegners an die Stelle der bisherigen Partei (BGH, GRUR 2016, 1280, 1281 – Everytime we touch, für den Fall der Verschmelzung; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.05.2010 – 24 U 46/10; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Abschnitt D Rn. 116).
- II.
Vorliegend ist nach der mit Zustellung der Klage am 07.12.2018 begründeten Rechtshängigkeit Gesamtrechtsnachfolge eingetreten. Nach den dargestellten Grundsätzen tritt somit die L kraft Gesetzes als Klägerin an die Stelle der ursprünglichen Klägerin, der G. - Die Gesellschafter der G, Frau M und die N GmbH & Co. KG (dazu unter 1.), haben ihre Anteile mit Wirkung zum Ablauf des 31.12.2018 auf die L übertragen (dazu unter 2.). Diese Übertragung hat eine Gesamtrechtsnachfolge bei Erlöschen der G zur Folge (dazu unter 3.).
- 1.
Gesellschafter der G waren zum Zeitpunkt der Übertragung Frau M und die N GmbH & Co. KG. - a)
Frau M war zum Zeitpunkt der Übertragung Gesellschafterin der G. - aa)
Ursprünglicher Inhaber des Gesellschaftsanteils war Herr D, der den Gesellschaftsanteil mit notariell beurkundeter Vereinbarung vom 15.01.2013, UR-Nr. XX/XXX L der Notarin Dr. O, an seinen Sohn H übertrug. Am gleichen Tag wurde vor derselben Notarin ein notariell beurkundeter Treuhandvertrag geschlossen, UR-Nr. XX/XXX L (Anlage K20), wonach Herr H den Gesellschaftsanteil gemäß den Bedingungen des Treuhandvertrags treuhänderisch für Herrn D als Treugeber hielt. - In § 6 Abs. 5 des Treuhandvertrags vom 15.01.2013 (Anlage K20) ist geregelt, dass Herr H als Treuhänder die Beteiligung an der G aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt der Beendigung des Treuhandverhältnisses an den Treugeber abtritt.
- Nach dem Tod des Herrn D trat Frau M als seine Alleinerbin (Erbschein vorgelegt als Anlage K21) gemäß § 1922 BGB in die Rechte und Pflichten als Treugeberin aus dem Treuhandvertrag ein.
- bb)
Das nunmehr zwischen Frau M als Treugeberin und Herrn H als Treuhänder bestehende Treuhandverhältnis wurde gemäß Ziffer 3 der Vereinbarung vom 20.12.2018 (Anlage K10, Seite 1) beendet. - Bei Abschluss der Vereinbarung vom 20.12.2018 wurde Frau M von Herrn H vertreten, der zugleich für sich selbst handelte. In der mündlichen Verhandlung vom 11.02.2020 hat der Beklagtenvertreter gerügt, die Klägerin habe nicht schlüssig vorgetragen, dass Herr H von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist, weil sie die Vollmacht nicht vorgelegt habe. Für einen schlüssigen Vortrag dieses Umstands, auf den auch im Rubrum der Vereinbarung vom 20.12.2018 Bezug genommen wird, bedurfte es indes nicht der Vorlage der Vollmachtsurkunde.
- Selbst wenn man die Rüge des Beklagtenvertreters darüber hinaus als Erklärung mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) zu einer Befreiung des Herrn H von dem Verbot des Insichgeschäfts verstehen sollte, ergibt sich daraus nichts anderes. Eine solche Erklärung wäre jedenfalls vor dem Hintergrund der am 21.01.2019 erfolgten Eintragung der Klägerin in das Patentregister unbeachtlich.
- Der Eintragung im Patentregister kommt nach der Entscheidung „Fräsverfahren“ des BGH im Rechtsstreit eine erhebliche Indizwirkung zu, da eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die Eintragung des Rechtsübergangs im Patentregister die materielle Rechtslage zuverlässig wiedergibt. Angesichts dessen bedarf es in einem Verletzungsrechtsstreit regelmäßig keines weiteren Vortrags oder Beweisantritts, wenn sich eine Partei auf den aus dem Patentregister ersichtlichen Rechtsstand beruft. Eine Partei, die geltend macht, die materielle Rechtslage weiche vom Registerstand ab, muss vielmehr konkrete Anhaltspunkte aufzeigen, aus denen sich die Unrichtigkeit ergibt. Welche Anforderungen hierbei zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. So wird der Vortrag, ein im Patentregister eingetragener Rechtsübergang habe einige Wochen oder Monate vor dessen Eintragung stattgefunden, in der Regel keiner näheren Substantiierung oder Beweisführung bedürfen. Der Vortrag, der eingetragene Inhaber habe das Patent nicht wirksam oder zu einem anderen Zeitpunkt erworben, erfordert demgegenüber in der Regel nähere Darlegungen dazu, woraus sich die Unwirksamkeit des eingetragenen Rechtsübergangs ergeben soll (BGH, GRUR 2013, 713, 717 – Fräsverfahren). Je nach Einzelfall kann es auch zu einer Umkehr der Beweislast zu Gunsten dessen kommen, der sich auf den aus dem Patentregister ersichtlichen Rechtsstand beruft (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.02.2014 – I-15 U 1/14, Rn. 104 bei juris).
- Die Umschreibung auf die Klägerin ist am 21.01.2019 erfolgt und somit hinreichend zeitnah zu der behaupteten Übertragung mit Wirkung zum Ablauf des 31.12.2018. In Anwendung der dargestellten Grundsätze hätte es daher keines näheren Vortrags zu der Übertragung des Gesellschaftsanteils auf die Klägerin bedurft. Dass die Klägerin solchen Vortrag gleichwohl geleistet hat, macht keine Beweiserhebung erforderlich, weil die substantiierenden Behauptungen den Vortrag nicht unschlüssig machen (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Abschnitt D Rn. 126). Ebenso wie sich die Beklagte im Geltungsbereich der Vermutung nicht zu dem gesamten Übertragungsvorgang mit Nichtwissen erklären kann (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Abschnitt D Rn. 124), gilt dies auch für einzelne Tatsachen.
- cc)
Mit der Beendigung des Treuhandverhältnisses ist die aufschiebende Bedingung für die Abtretung des Gesellschaftsanteils gemäß § 6 Abs. 5 des Treuhandvertrags vom 15.01.2013 (Anlage K20) eingetreten und Frau M somit Inhaberin des Gesellschaftsanteils geworden, § 158 Abs. 1 BGB. - b)
Neben Frau M war zum Zeitpunkt der Übertragung der Gesellschaftsanteile die N GmbH & Co. KG Gesellschafterin der G. - 2.
Mit Abtretungsvertrag vom 21.12.2018 (Anlage K10, ab Seite 2) haben sowohl Frau M als auch die N GmbH & Co. KG ihre Beteiligung an der G mit Wirkung zum 31.12.2018, 24 Uhr, an die Klägerin abgetreten. Diese hat die Abtretung angenommen. - 3.
Mit der Abtretung sind alle Anteile an der G auf die Klägerin übertragen worden. Werden alle Gesellschaftsanteile auf einen Dritten übertragen, endet die Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Durch die Vereinigung aller Anteile bei dem Erwerber wächst das gesamte Gesellschaftsvermögen unmittelbar bei ihm an. Es handelt sich um einen Fall der Gesamtrechtsnachfolge (BGH, Urteil vom 10.05.1978 – VIII ZR 32/77; KG, Beschluss vom 30.11.2018 – 22 W 69/18, Rn. 10, jeweils für die Kommanditgesellschaft; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.09.1998 – 3 Wx 209/98; Sprau, in: Palandt, 79. Auflage 2020, § 736 Rn. 7; Sauter, in: Beck‘sches Handbuch der Personengesellschaften, 5. Auflage 2020, § 10 Rn. 60). - III.
In der Folge der durch die Gesamtrechtsnachfolge eingetretenen Unrichtigkeit des Aktivrubrums war dieses zu berichtigen (vgl. BGH, NJW 2002, 1430, 1431). - Eines Schriftsatzes zur Aufnahme des Rechtsstreits durch die Klägerin, dessen Fehlen der Beklagtenvertreter im Termin vom 11.02.2020 beanstandet hat, bedurfte es nicht. Weil die G anwaltlich vertreten war, trat gemäß § 246 Abs. 1 ZPO trotz ihres Erlöschens keine Unterbrechung des Verfahrens nach § 239 ZPO ein (vgl. BGH, GRUR 2016, 1280, 1281 – Everytime we touch, für den Fall der Verschmelzung; NJW 2002, 1430, 1431; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Abschnitt D Rn. 116).
- C.
Die Klägerin war im Termin vom 11.02.2020 ordnungsgemäß vertreten. Ein Mangel der Vollmacht der rechtsanwaltlichen Vertreter der Klägerin im Sinne des § 88 ZPO, den der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vom 11.02.2020 angesprochen hat, liegt nicht vor. Im Fall der während des Prozesses eingetretenen Gesamtrechtsnachfolge wird der übernehmende Rechtsträger von dem bisher tätigen Anwalt vertreten (BGH, GRUR 2016, 1280, 1281 – Everytime we touch, für den Fall der Verschmelzung; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Abschnitt D Rn. 116). - D.
Die Klage ist begründet. - Die Klägerin ist für die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche aktivlegitimiert. Die angegriffenen Ausführungsformen machen von den Ansprüchen 1 und 3 des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Die Klägerin hat aufgrund der patentverletzenden Handlungen der Beklagten die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung sowie Schadensersatz und Entschädigung dem Grunde nach aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1, Abs. 2, 140a Abs. 1, Abs. 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB, §§ 823, 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog, Art. II § 1 IntPatÜG. Eine Aussetzung des Rechtsstreits ist nicht veranlasst.
- I.
Die Klägerin ist für die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche aktivlegitimiert. - 1.
Soweit es den Unterlassungs-, Rückruf- und Vernichtungsanspruch betrifft, ist die Klägerin als eingetragene Inhaberin des Klagepatents aktivlegitimiert. Gleiches gilt für die weiteren Ansprüche seit der Eintragung der Klägerin in das Patentregister am 21.01.2019. - 2.
Für die Zeiträume, in denen die G als Inhaberin des Klagepatents in das Patentregister eintragen war (30.07.2012 bis 09.03.2014 und 30.07.2015 bis 20.01.2019), ist die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der eingetragenen Inhaberin aktivlegitimiert. - 3.
Im Zeitraum bis 29.07.2012 war die G zwar nicht als Inhaberin des Klagepatents in das Patentregister eingetragen. Sie war jedoch dessen materielle Inhaberin, so dass die Klägerin als ihre Rechtsnachfolgerin auch für diesen Zeitraum aktivlegitimiert ist. - Die G ist mit der Erteilung des Klagepatents dessen materielle Inhaberin geworden. Dies ergibt sich aus ihrer Stellung als Anmelderin der dem Klagepatent zugrunde liegenden internationalen Anmeldung vom 05.05.2000. Der Anmelder wird mit der Erteilung eines Patents dessen Inhaber (Melullis, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 7 Rn. 2). Für den Zeitraum bis zur Erteilung des Klagepatents stehen der G die Rechte als Anmelderin zu.
- Die im Patentregister eingetragene Bezeichnung als Anmelder ist der Auslegung zugänglich (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.2011 – I-2 U 18/09 – Faktor VIII-Konzentrat, Rn. 89 bei juris; Schäfers, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 34 Rn. 1; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Abschnitt D Rn. 102). Dabei können beispielsweise ergänzende Angaben herangezogen werden, die sich aus der Erteilungsakte ergeben und die als solche nicht in den Registereintrag übernommen worden sind (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.2011 – I-2 U 18/09 – Faktor VIII-Konzentrat, Rn. 89 bei juris). Vorliegend ergibt die Auslegung, dass die G und nicht die im Patentregister als Anmelder und damit Inhaber des Klagepatents eingetragenen Herren D, E und F Anmelderin der internationalen Anmeldung ist. Die Herren D, E und F haben nicht als natürliche Personen, sondern in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der G und für diese gehandelt.
- Das Handeln für die GbR wird durch die von der Klägerin aufgezeigten Umstände belegt. So sind die Vollmachten vom 15.0X.2000 (Anlagenkonvolut K15), mit denen die Herren D, E und F jeweils Patent- und Rechtsanwälte beauftragten, sie als Anmelder oder Inhaber zu vertreten, mit dem Stempel der GbR versehen. Die Vollmachten beziehen sich nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin auf die internationale Anmeldung und enthalten zudem einen Hinweis auf ihren Titel. Darüber hinaus hat die GbR die Anmelde- und Aufrechterhaltungskosten aller Schutzrechte getragen (Rechnungen der Rechts- und Patentanwälte vorgelegt als Anlagenkonvolut K17). Schließlich hat die Klägerin nicht nur unwidersprochen vorgetragen, dass der Alleinerfinder des Klagepatents, Herr D, seine Rechte an der Erfindung nicht auf die natürlichen Personen E und F, sondern auf die GbR übertragen wollte. Dieser Wille des Erfinders wird auch durch die Umstände belegt und war damit aus Sicht eines objektiven Empfängers erkennbar. Ein Grund, warum Herr D als Alleinerfinder zwei natürlichen Personen die Anmelder- und damit Inhaberstellung einräumen wollte, ist nicht ersichtlich. Die Einräumung der Rechte an die GbR, deren Gesellschaftszweck das Halten und Verwerten von Patenten sowie die Lizenzvergabe war (§ 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags vom 12.01.1996, Anlage K14) und an der Herr D überdies mit 70 % beteiligt ist (§ 4 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags), erscheint demgegenüber nachvollziehbar.
- Dass die G gegenüber dem DPMA nicht als Anmelderin benannt wurde, beruhte darauf, dass die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die darauf aufbauende Fähigkeit, als Anmelder Beteiligter eines patentamtlichen Verfahrens zu sein (vgl. dazu Schäfers, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 34 Rn. 1), zum Zeitpunkt der internationalen Anmeldung im Mai 2000 noch nicht allgemein anerkannt war. Die Rechtsfähigkeit der (Außen-) GbR, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten besitzt, wurde erst mit dem Urteil des BGH vom 29.01.2001 (NJW 2001, 1056) anerkannt und der zuvor bestehende Streit für die Praxis aufgelöst. Dies steht jedoch der Sichtweise, wonach die G bereits im Mai 2000 Anmelderin war, nicht entgegen. Die (Teil-) Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts wurde nicht neu begründet, sondern lediglich der Streit um eine bestehende Rechtslage für die Praxis beigelegt.
- 4.
Im Zeitraum vom 10.03.2014 bis 29.07.2015 war zwar Herr H als Inhaber des Klagepatents eingetragen. Gleichwohl war auch in diesem Zeitraum die G dessen materielle Inhaberin und ist die Klägerin als ihre Rechtsnachfolgerin aktivlegitimiert. - Die Klägerin hat behauptet, Herr H sei aufgrund von gerichtlichen und amtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Gesellschaftern um das Klagepatent zur Sicherung der Rechte als Patentinhaber in diesem Zeitraum eingetragen worden, die materielle Berechtigung sei jedoch stets bei der G verblieben. Dem ist die Beklagte nicht erheblich entgegengetreten. Soweit der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vom 11.02.2020 darauf hingewiesen hat, es habe sich nach dem Vortrag der Klägerin um ein Scheingeschäft im Sinne von § 117 BGB gehandelt, folgt daraus nichts anderes. Zum Schein abgegeben im Sinne von § 117 Abs. 1 BGB wären allenfalls etwaige Willenserklärungen, die die Übertragung des Klagepatents an Herrn H betrafen. Deren Nichtigkeit stellt jedoch nicht das Fortbestehen der materiellen Inhaberschaft der G am Klagepatent in Frage.
- II.
Das Klagepatent (nachfolgend genannte Absätze ohne Quellenangabe sind solche der Klagepatentschrift, Anlage K2) betrifft einen Auskleidungsschlauch zum Herstellen eines Auskleidungsrohrs für Kanalisierungsarbeiten. - Nach den einleitenden Bemerkungen des Klagepatents ist ein solcher Auskleidungsschlauch (Liner) sowie ein Verfahren zu dessen Herstellung aus der DE XXX C2 bekannt. Dort wird auf einen Wickeldorn ein Innenfolienschlauch aus einem Folienbandmaterial aufgewickelt, auf den wiederum harzgetränkte Faserbänder gewickelt werden. Die Anzahl der Faserbänder bestimmt dann die Stärke und Dicke des späteren Auskleidungsrohrs und kann den Anwendungsfällen in geeigneter Weise angepasst werden (Absatz [0002]).
- Es besteht, so das Klagepatent weiter, auch die Möglichkeit, einen vorextrudierten Innenschlauch zu verwenden, auf den dann die Faserbänder aufwickelbar sind. Des Weiteren wird auf die Außenseite der Faserbänder ein Außenfolienschlauch aufgebracht, der zum einen das bessere Handhaben des Auskleidungsschlauchs gewährleisten und zum anderen das noch nicht ausgehärtete Harz beim Einziehen in ein sanierungsbedürftiges Kanalrohr vor Verseifung schützen soll. Hierzu ist es erforderlich, dass der Auskleidungsschlauch eine ausreichende Anbindung an das harzgetränkte Fasermaterial aufweist, da dieser beim Einziehen in den Kanal zahlreichen Belastungen, z.B. durch vorstehende Kanten, Wurzelstücke etc. ausgesetzt ist (Absatz [0003]).
- Ein in einen maroden Kanal eingezogener Auskleidungsschlauch wird mittels eines Druckmediums zur Anlage an die Kanalwandung gebracht und anschließend erfolgt eine Aushärtung des harzgetränkten Fasermaterials. Je nach Art des verwendeten Harzes erfolgt die Aushärtung mittels unterschiedlicher Medien. Bevorzugt wird zur Zeit eine UV-Aushärtung angewendet (Absatz [0004]).
- Ein weiteres Problem besteht darin, dass aufgrund von Bruchstellen in der Kanalwandung oder im Bereich von z. B. Hausanschlüssen die Kanalwandung keine ausreichende Abstützung beim Aufrichten des Auskleidungsschlauches mittels Druckmedium bietet. Deshalb muss die Wandung des Auskleidungsschlauches ausreichend stabil sein, damit es nicht zu übermäßigen Ausbeulungen und zu Beschädigungen an dieser Stelle kommt. Bislang wurden deshalb die Faserbänder immer in ausreichender Dicke gewickelt, um eine ausreichende Stabilität zu erhalten (Absatz [0005]).
- Davon ausgehend bezeichnet es das Klagepatent als seine Aufgabe, einen Auskleidungsschlauch der eingangs genannten Art mit verbesserten Festigkeitseigenschaften bereitzustellen (Absatz [0006]).
- Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent einen Auskleidungsschlauch nach dem vorliegend geltend gemachten Anspruch 1 vor, der sich wie folgt gliedern lässt:
- 1. Auskleidungsschlauch zum Herstellen eines Auskleidungsrohrs für Kanalsanierungsarbeiten.
- 1.1 Der Auskleidungsschlauch umfasst mindestens eine Schicht aus mindestens einem schlauchförmig angeordneten, harzgetränkten Faserband (7).
- 1.2 Der Auskleidungsschlauch umfasst einen auf dem mindestens einen Faserband (7) angeordneten Außenfolienschlauch (11).
- 1.3 Eine Kunststofffolie (8) wird zum Bilden des Außenfolienschlauchs (11) verwendet.
- 1.4 Die Kunststoffolie (8) weist auf der den harzgetränkten Faserbändern (7) zugewandten Seite eine Armierung in Form einer aufkaschierten Vliesschicht (13) auf.
- Der daneben geltend gemachte Anspruch 3 weist folgendes zusätzliche Merkmal auf:
- 3. Der armierte Außenfolienschlauch (11) ist von einem weiteren Außenfolienschlauch aus mindestens einer Kunststofffolie umgeben.
- III.
Im Hinblick auf den Streit der Parteien bedürfen die Merkmale 1.2 bis 1.4 und 3 einer näheren Erläuterung. - 1.
Nach Merkmal 1.4 weist die Kunststofffolie auf der den harzgetränkten Faserbändern zugewandten Seite eine Armierung in Form einer aufkaschierten Vliesschicht auf. - Dass diese Armierung vollflächig sein, die Kunststofffolie also ihrer gesamten Ausdehnung nach mit einer Vliesschicht kaschiert sein muss, gibt der Patentanspruch nicht vor. Der Fachmann erkennt zudem anhand der Absätze [0016] und [0017] sowie von Unteranspruch 9, dass das Klagepatent nicht von einer notwendigerweise vollflächigen Armierung ausgeht. Dort ist der Fall beschrieben, dass bei Herstellung eines Folienschlauchs durch Zusammenschweißen mehrerer Folien die Randbereiche unkaschiert bleiben. In dem in Fig. 1 gezeigten Ausführungsbeispiel ist ebenfalls nur die Innenfläche der Kunststofffolie mit einer Vliesschicht kaschiert.
- Soweit die Beklagte argumentiert, nur in diesem Fall, nämlich der Herstellung eines Folienschlauchs durch Zusammenschweißen mehrerer Folien, und auch nur in den Randbereichen der Folie könne eine Kaschierung unterbleiben, greift dies nicht durch. Wie der Außenfolienschlauch hergestellt wird, ist nicht Gegenstand des Anspruchs. Dass nur für eine bestimmte Herstellungsweise des Folienschlauchs eine Ausnahme von einem grundsätzlichen Erfordernis der vollflächigen Armierung vorgesehen ist, lässt sich mit dem Klagepatent deshalb nicht in Einklang bringen.
- Auch anhand der Absätze [0010] am Ende und [0032] wird deutlich, dass die vollflächige Kaschierung kein vom Klagepatent als zwingend erachtetes Erfordernis ist. Danach betrachtet es das Klagepatent als vorteilhaft, dass bei Verwendung eines weiteren Außenfolienschlauchs an die Dichtheit des Außenfolienschlauchs keine hohen Anforderungen gestellt werden müssen, so dass vollflächig mit einer Vliesschlicht kaschierte Folien verwendet werden können. Der weitere Außenfolienschlauch ist aber erst in dem Unteranspruch 3 beansprucht, so dass das Klagepatent für die Lehre des Anspruchs 1 die vollflächige Kaschierung gerade nicht voraussetzt.
- Die Funktion der Armierung wird in Absatz [0008] erläutert. Durch die Kaschierung weist die Vliesschicht ein ähnliches Dehnungsverhalten wie die Kunststofffolie – der Außenfolienschlauch im Sinne von Merkmal 1.2 – auf. Hierdurch erlangt der Außenfolienschlauch zusätzliche Stabilität. Bei der Expansion des Schlauchs entsteht dadurch ein zusätzliches Widerlager, was bei der Überbrückung brüchiger Stellen und von Hausanschlüssen hilfreich ist. Weil sich der Schlauch gleichmäßiger über den gesamten Umfang ausdehnt, entsteht nach dem Aushärten ein gleichmäßigeres Auskleidungsrohr. Zur Erfüllung dieser Stabilisierungsfunktion ist eine möglichst umfassende Armierung zwar vorteilhaft, zwingend erforderlich ist sie aber nicht. Der Fachmann erkennt vielmehr, dass auch eine Teile des Außenfolienschlauchs aussparende Armierung die Stabilität der Folie jedenfalls verbessert.
- 2.
Nach Merkmal 1.2 umfasst der Auskleidungsschlauch einen auf dem mindestens einen Faserband angeordneten Außenfolienschlauch. - „Auf“ dem Faserband angeordnet ist der Außenfolienschlauch, wenn er vom Inneren des Auskleidungsschlauchs aus gesehen eine gegenüber dem Faserband weiter außen gelegene Schicht bildet. Funktion dieses Aufbaus ist es, dass der Außenfolienschlauch das Faserband abdeckt und dieses somit nicht mit Restwasser in Kontakt kommt (vgl. Absatz [0008]).
- Das Merkmal steht zudem im Zusammenhang mit der Vorgabe in Merkmal 1.4, wonach sich die aufkaschierte Vliesschicht auf derjenigen Seite der Kunststofffolie befindet, die den harzgetränkten Faserbändern zugewandt ist. Auch hierdurch wird unter anderem gewährleistet, dass die Folie mit ihrer nicht armierten Seite die Abdeckungsfunktion erfüllen kann und das harzgetränkte Faserband vor Verseifung schützt.
- Dass ein unmittelbarer Kontakt zwischen Faserband und Außenfolienschlauch bestehen muss, gibt der Anspruch weder in Merkmal 1.2 noch in Merkmal 1.4 vor. Zwischen Faserband und Außenfolienschlauch gelegene (Teil-) Schichten sind nach dem Anspruchswortlaut nicht ausgeschlossen. Auch die Funktion der Merkmale schließt solche zwischengelagerten Schichten nicht aus. Solange der Außenfolienschlauch vom Inneren des Schlauchs gesehen weiter außen gelegen ist als das Faserband, kann es dieses vor Verseifung schützen.
- Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass das Klagepatent es in Absatz [0008] als weiteren Vorteil des Verbundmaterials aus Kunststofffolie und Vliesschicht bezeichnet, dass das Harz des Faserbands die Vliesschicht durchdringen und so Faserbänder und Kunststofffolie eine feste Verbindung eingehen können (vgl. Absätze [0008], [0026]). Zum einen ist bereits nicht ersichtlich, dass dieser Vorteil nicht auch auf einem anderen Weg erzielt werden könnte als durch die vollflächige Herstellung eines unmittelbaren Kontakts zwischen Faserband und Außenfolienschlauch. Zum anderen handelt es sich, anders als im Fall der selbstständigen Ansprüche 11 und 13, nicht um einen zwingenden Vorteil der Lehre der Ansprüche 1 und 3. Dies wird anhand der Darstellung in Absatz [0008] deutlich, der zunächst die bereits unter 1. erwähnte Stabilisierungsfunktion schildert und den genannten festen Verbund als „weiteren Vorteil“ bezeichnet.
- Dass Fig. 2, die ein durch Aushärten des Auskleidungsschlauchs hergestelltes Auskleidungsrohr zeigt, einen unmittelbaren Kontakt zwischen dem dort ausgehärteten Glasfasergewebe und der Vliesschicht zeigt und ein durch die Vliesschicht entstandener inniger Verbund zwischen Außenfolienschlauch und ausgehärtetem Faserband beschrieben wird (vgl. Absatz [0031]), beschränkt den Anspruch nicht. Es handelt sich dabei nur um ein Ausführungsbeispiel, das den weiter gefassten Patentanspruch nicht zu beschränken vermag (vgl. BGH, GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe).
- 3.
Zum Bilden des Außenfolienschlauchs wird eine Kunststofffolie verwendet (Merkmal 1.3). Dass weitere Kunststofffolien vorhanden sind, schließt der Anspruch damit nicht aus. So kann es sich bei der Kunststofffolie um eine Verbundfolie handeln kann, die beispielsweise eine durch Koextrusion verbundene Schicht als Diffusionsbarriere aufweist (vgl. Absätze [0014], [0015], [0030]). Auch ein nicht durch Koextrusion oder auf andere Weise miteinander verbundener Folienverbund ist jedoch vom Anspruch erfasst. - Anspruchsgemäß erforderlich ist das Vorhandensein einer Kunststofffolie, die die Voraussetzungen der Merkmale 1.2 bis 1.4 erfüllt. Sofern darüber hinaus weitere Folien vorhanden sind, müssen diese die Voraussetzungen nicht erfüllen. Insbesondere müssen weitere Folien nicht über eine Armierung im Sinne des Merkmals 1.4 verfügen.
- 4.
Nach Merkmal 3 ist der armierte Außenfolienschlauch von einem weiteren Außenfolienschlauch aus mindestens einer Kunststofffolie umgeben. - Der weitere Außenfolienschlauch muss danach aus mindestens einer Kunststofffolie bestehen. Weitere Anforderungen an seine Ausgestaltung stellt der Anspruch nicht. Insbesondere muss der weitere Außenfolienschlauch nicht, wie der Außenfolienschlauch nach Merkmal 1.2, eine Armierung in Form einer aufkaschierten Vliesschicht aufweisen.
- Dass eine solche Armierung des weiteren Außenfolienschlauchs erforderlich ist, folgt auch nicht aus einer Bezugnahme auf die Merkmale 1.2 bis 1.4. Das Klagepatent differenziert in Merkmal 3 zwischen dem „armierten Außenfolienschlauch“, mit dem es den in den Merkmalen 1.2 bis 1.4 beschriebenen Außenfolienschlauch anspricht, und dem „weiteren Außenfolienschlauch“. Zwar bezeichnet das Klagepatent in der Beschreibung den weiteren Außenfolienschlauch als „Außenfolienschlauch“ und nennt den Außenfolienschlauch im Sinne von Merkmal 1.2 „Folienschlauch“ (Absätze [0010], [0032]). Auch damit grenzt es die Begriffe allerdings klar voneinander ab.
- Funktion des weiteren Außenfolienschlauchs ist es, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen (Absätze [0010], [0032]). Er kann beispielsweise eine Diffusionsbarriere bilden, lichtundurchlässig, reflektierend oder harzundurchlässig sein (Absätze [0010], [0032]). Zudem kann er die Aufgabe übernehmen, die Dichtheit des Folienschlauchs herzustellen, so dass der Außenfolienschlauch (Merkmal 1.2) dies nicht übernehmen muss. Dies wiederum hat den Vorteil, dass die Vliesschicht über die komplette Breite des Außenfolienschlauchs aufgetragen sein kann, weil ein Verschweißen der Ränder nicht zwingend erforderlich ist (Absatz [0032]; vgl. auch Absatz [0010]).
- Zur Übernahme einer solchen zusätzlichen Aufgabe ist es nicht erforderlich, dass der weitere Außenfolienschlauch ebenfalls über eine Armierung im Sinne des Merkmals 1.4 verfügt. Die beispielhaft genannten zusätzlichen Aufgaben lassen nicht einmal die Vorteilhaftigkeit einer solchen Armierung erkennen.
- IV.
Diese Auslegung zugrunde gelegt, verwirklichen die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale 1.2 bis 1.4 des Klagepatentanspruchs 1 sowie Merkmal 3 als zusätzliches Merkmal des Klagepatentanspruchs 3. Die Verwirklichung der übrigen Merkmale ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, so dass es dazu keiner Ausführungen bedarf. - 1.
Dies gilt zunächst für die angegriffene Ausführungsform 1, deren Aufbau nochmals wie folgt eingeblendet wird: - Der Außenfolienschlauch (Merkmal 1.2) der angegriffenen Ausführungsform 1 wird gebildet durch die miteinander verbundenen Bestandteile „Armierte Folienbahn als Teil der Außenfolie“, „Armiertes Folienstück als lose Zwischenlage“ und „Nichtarmierte Folienbahn als Teil der Außenfolie“.
- In dem Bereich, in dem die „Nichtarmierte Folienbahn als Teil der Außenfolie“ vorhanden ist, bildet diese gemeinsam mit dem „Armierten Folienstück als lose Zwischenlage“ und im Überlappungsbereich zudem mit der „Armierten Folienbahn als Teil der Außenfolie“ einen Folienverbund. Nach obiger Auslegung ist das Vorhandensein weiterer Folien nicht ausgeschlossen.
- Der so gebildete Außenfolienschlauch weist auf der den harzgetränkten Faserbändern („Zwei Lagen Glasfasergelege“) zugewandten Seite eine Armierung in Form einer aufkaschierten Vliesschicht auf (Merkmal 1.4). Diese Armierung wird gebildet durch die Armierungen der Elemente „Armierte Folienbahn als Teil der Außenfolie“ und „Armiertes Folienstück als lose Zwischenlage“. Dass die Armierung im Überlappungsbereich beider Folienelemente eine Unterbrechung aufweist, führt nicht aus der Verletzung heraus. Nach obiger Auslegung muss die Armierung nicht vollflächig sein und darf derartige Aussparungen aufweisen. Weil weitere Folien die Anforderungen der Merkmale 1.2 bis 1.4 nicht erfüllen müssen, ist es ferner unerheblich, dass in dem Bereich des Folienverbundes nur die innere Folie eine Armierung aufweist.
- Schließlich weist die angegriffene Ausführungsform einen weiteren Außenfolienschlauch aus mindestens einer Kunststofffolie (Merkmal 3) auf. Der weitere Außenfolienschlauch ist zwar in der obigen Abbildung nicht dargestellt. Dass ein solcher bei der angegriffenen Ausführungsform vorhanden ist, ist jedoch von der Beklagten nicht bestritten worden. Die Beklagte hat sich mit dem Aufbau der angegriffenen Ausführungsform 1 in der Klageerwiderung auseinandergesetzt. So hat sie auf Seite 24 der Klageerwiderung (Bl. 62 GA) erstmals den auch oben eingeblendeten Aufbau der angegriffenen Ausführungsform 1 dargestellt und auf diesen auch bei ihren folgenden Ausführungen Bezug genommen. Auf Seite 29 der Klageerwiderung (Bl. 67 GA) hat sie sodann ausgeführt, dass die angegriffene Ausführungsform 1 über eine weitere Außenfolie verfüge, die gräulich und aus Kunststoff sei. Die Verwirklichung von Merkmal 3 hat sie lediglich mit dem, nach obigen Ausführungen jedoch unbeachtlichen, rechtlichen Argument in Frage gestellt, die weitere Außenfolie weise keine Armierung auf.
- 2.
Auch die angegriffene Ausführungsform 2 verwirklicht die Merkmale 1.2 bis 1.4 und 3. Der Aufbau der angegriffenen Ausführungsform 2 wird nochmals wie folgt eingeblendet: - Die angegriffene Ausführungsform 2 weist mit dem Element „Armierte Folienbahn“ einen Außenfolienschlauch mit einer Armierung in Form einer aufkaschierten Vliesschicht auf. Die Armierung befindet sich auf der den harzgetränkten Faserbänden („Zwei Lagen Glasfasergelege“) zugewandten Seite (Merkmal 1.4).
- Der Außenfolienschlauch ist auch auf dem mindestens einen Faserband angeordnet (Merkmal 1.2). Dass sich auf einem Teil des Schlauchumfangs zwischen dem Faserband und dem Außenfolienschlauch das weitere Element „Armierte Folienbahn“ befindet und daher in diesem Bereich kein unmittelbarer Kontakt zwischen Faserband und Außenfolienschlauch besteht, ist nach obiger Auslegung unerheblich.
- Schließlich ist der armierte Außenfolienschlauch von einem weiteren Außenfolienschlauch aus mindestens einer Kunststofffolie umgeben (Merkmal 3). Auch im Fall der angegriffenen Ausführungsform 2 ist der weitere Außenfolienschlauch zwar aus der Abbildung nicht ersichtlich, sein Vorhandensein aber unstreitig. So führt die Beklagte auf Seite 21 der Duplik (Bl. 141 GA) in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform 2 aus, dass deren nicht abgebildeter weiterer Außenfolienschlauch keine aufkaschierte Vliesschicht aufweise. Letzteres ist jedoch, wie bereits zur angegriffenen Ausführungsform 1 festgestellt, nach obiger Auslegung unbeachtlich.
- V.
Die Beklagte verletzt durch das Herstellen, das Anbieten und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland das Klagepatent, § 9 S. 2 Nr. 1 PatG. - Aufgrund der festgestellten Patentverletzung ergeben sich die nachfolgenden Rechtsfolgen.
- 1.
Gemäß Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG ist die Beklagte der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet. - 2.
Des Weiteren hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach (Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG). - Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung durch die angegriffenen Ausführungsformen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.
- Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.
- 3.
Ferner steht der Klägerin ab Veröffentlichung der internationalen Anmeldung zuzüglich einem Monat, somit seit dem 07.01.2001, ein Anspruch auf Entschädigung dem Grunde nach aus Art. II § 1 Abs. 1, Abs. 3 IntPatÜG zu. Die Einreichung einer deutschen Übersetzung war für den Beginn des Entschädigungsanspruchs nicht erforderlich, weil die internationale Anmeldung (vorgelegt als Anlage KAP14) in deutscher Sprache veröffentlicht worden ist, Art. II § 1 Abs. 2 IntPatÜG. - 4.
Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140b Abs. 3 PatG. - Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren festgestellten Schadensersatzanspruch zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunft im begehrten Umfang aus §§ 242, 259 BGB zu. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
- 5.
Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückruf der schutzrechtsverletzenden Erzeugnisse aus den Vertriebswegen. - Für die Zeit ab Umsetzung der Enforcement-Richtlinie ergibt sich dieser Anspruch unmittelbar aus Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 3 PatG.
- Darüber hinaus steht der Klägerin ein entsprechender Anspruch für vor diesem Zeitraum liegende, ab dem 30.04.2006 begangene Handlungen aus Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG, §§ 823, 1004 Abs. 1 S .1 BGB analog i. V. m. Art. 10 Abs. 1 der Enforcement-Richtlinie zu (vgl. zu der Rechtsgrundlage im Einzelnen OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.2011 – I-2 U 18/19 – Faktor VIII-Konzentrat, Rn. 181 bei juris).
- Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit des Anspruchs nach § 140a Abs. 4 PatG hat die Beklagte nicht dargetan.
- 6.
Schließlich hat die Klägerin einen Anspruch auf Vernichtung der streitgegenständlichen Erzeugnisse aus Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 1 PatG. Für eine Unverhältnismäßigkeit bestehen keine Anhaltspunkte. - VI.
Eine Aussetzung bis zu einer Entscheidung über die das Klagepatent betreffende Nichtigkeitsklage gemäß § 148 ZPO ist nicht veranlasst. - 1.
Nach § 148 ZPO kann das Gericht bei Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens einen Rechtsstreit aussetzen. Die Erhebung einer Nichtigkeitsklage stellt allerdings ohne weiteres noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen. Die Patenterteilung ist auch für die (Verletzungs-) Gerichte bindend. Wegen der gesetzlichen Regelungen, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangen und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage und den Einspruch vor dem jeweiligen Patentamt zur Verfügung stellen, kann der Angriff gegen das Klagepatent nicht als Einwand im Verletzungsverfahren geführt werden. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits im Rahmen der nach § 148 ZPO zu treffenden Ermessenentscheidung ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage oder dem erhobenen Einspruch nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237 – Kurznachrichten; OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2015, 18679). - 2.
Gemessen an dem danach anzuwendenden Maßstab ist eine Aussetzung nicht veranlasst. - a)
Eine Aussetzung ist nicht im Hinblick auf eine neuheitsschädliche Vorwegnahme durch die EP 0 701 XXX A1 (Anlage KAP7; nachfolgend: D11) oder eine fehlende erfinderische Tätigkeit ausgehend von der D11 veranlasst. - aa)
Die D11 offenbart einen aushärtbaren Schlauch zum Auskleiden und Herstellen von Rohrleitungen. - Zur Veranschaulichung werden Fig. 1 und 2 der D11 eingeblendet.
- bb)
Es fehlt an der Offenbarung einer „Vliesschicht“ im Sinne des Merkmals 1.4. - Dass es sich bei den als Armierung im Sinne von Merkmal 1.4 allein in Betracht kommenden Anti-Rutschbahnen 8.1 und 8.2 der Fig. 2 um eine Vliesschicht handelt, ist jedenfalls nicht eindeutig und unmittelbar offenbart.
- Die D11 beschreibt diese auf Seite 3, Spalte 37 wie folgt:
- „Sicherungsbahn 8: Bahn aus organischen Wirrfasern, wie Zellstoff, Papierarten.“
- Dieser Offenbarungsstelle entnimmt der Fachmann nicht hinreichend, dass es sich um ein Vlies, ein irgendwie miteinander verbundenes, jedoch nicht gewebtes (nonwoven) Gebilde aus Fasern handeln soll und insbesondere nicht um eine Anordnung von nicht miteinander verbundenen Fasern. Dies gilt erst recht deshalb, weil die D11 den Begriff der „Vliesstoffbahn“ in Fig. 2 selbst verwendet, jedoch in Bezug auf eine andere Schicht, die Vliesstoffbahn 6.
- cc)
Soweit sich die Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vom 11.02.2020 auf eine fehlende erfinderische Tätigkeit ausgehend von der D11 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen berufen haben, ist eine Aussetzung ebenfalls nicht veranlasst. Es ist bereits kein Anlass für den Fachmann erkennbar, das in Bezug auf die Schicht 6 offenbarte oder dem Fachmann aufgrund seines Fachwissens bekannte Vliesmaterial auch für die Anti-Rutschbahnen 8.1 und 8.2 zu verwenden. - b)
Eine Aussetzung im Hinblick auf eine neuheitsschädliche Vorwegnahme der Lehre des Klagepatents durch die BE 1 008 XXX A7 (in französischer Sprache als Anlage KAP 8, in deutscher Übersetzung als Anlage KAP8a; nachfolgend: D12), ist ebenfalls nicht veranlasst. - aa)
Die D12 betrifft ein Verfahren zum Fixieren von Glasfasern auf einer Filzfolie, die in einen rohrförmigen Liner umgewandelt werden soll. - Zur Veranschaulichung wird Fig. 8 der D12 in einer von der Beklagten mit Anmerkung versehenen Fassung (gesondert vorgelegt als Anlage KAP12) eingeblendet:
- bb)
Jedenfalls Merkmal 1.4 ist in der D12 nicht offenbart. Es ist nicht feststellbar, dass die Abdichtungsschicht 1 der D12, eine mögliche Kunststofffolie, eine Armierung in Form einer „aufkaschierten Vliesschicht“ aufweist. - (1)
Dass das „XXX“ auch ein Vlies sein kann – also gerade kein Gewebe – kann die Kammer nicht hinreichend feststellen. - So ist nicht erkennbar, dass sich der Passus auf Seite 3 oben der deutschen Übersetzung, wo es heißt, die Erfindung beziehe sich „auf Gewebe und Vliesstoffe aus synthetischen Textilgarnen“, auf das synthetische Gewebe 2 bezieht, ist nicht erkennbar. Soweit die Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vom 11.02.2020 argumentiert haben, der Begriff „textiles synthétiques“, der im französischen Wortlaut der D12 an dieser Stelle verwendet wird, beziehe sich in der D12 durchgehend auf das synthetische Gewebe 2, kann die Kammer dies nicht hinreichend feststellen. Jedenfalls bei der Beschreibung der Fig. 8 auf Seite 8 der D12 bzw. Seite 5 der deutschen Übersetzung wird der Begriff „tissu 2“ (Gewebe) verwendet.
- Auch aus der Stelle auf Seite 3 mittig der deutschen Übersetzung, auf die sich die Beklagte schriftsätzlich bezogen hat, wonach ein Textilträger aus einer Falte aus synthetischem Gewebe besteht, die auf einer Filzschicht vernadelt ist, ist nicht zu entnehmen, dass das „synthetische Gewebe 2“ auch kein Gewebe, sondern ein Vlies sein kann.
- (2)
Dass die Schicht „aufkaschiert“ ist, ist ebenfalls nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. Hierfür ist insbesondere der Hinweis auf eine „wasserdichte Beschichtung“ (Seite 2 oben der D12a) nicht ausreichend. Dass die Schicht 2 auf die Beschichtung aufkaschiert, die Schichten also insbesondere unter Verwendung von Kaschiermitteln miteinander verbunden werden, lässt sich dem nicht hinreichend entnehmen. - c)
Eine Aussetzung ist auch nicht im Hinblick auf eine neuheitsschädliche Vorwegnahme der Lehre des Klagepatents durch das Produkt „T“, welches nach dem Vortrag der Beklagten durch offenkundige Vorbenutzung der Öffentlichkeit zugänglich geworden ist oder durch das entsprechende Verfahrenshandbuch (Anlage KAP9) veranlasst. - aa)
Eine öffentliche Zugänglichkeit vor dem Prioritätsdatum des Klagepatents (27.05.1999) lässt sich nicht feststellen. - (1)
Wird der Aussetzungsantrag auf eine offenkundige Vorbenutzung gestützt, kann von einer hinreichenden Erfolgswahrscheinlichkeit des Rechtsbestandsangriffs nur dann ausgegangen werden, wenn der Vorbenutzungstatbestand lückenlos durch liquide Beweismittel belegt ist. Da eine Vernehmung etwaiger angebotener Zeugen nur im Rechtsbestandsverfahren und nicht auch im Verletzungsverfahren erfolgt, ist nicht vorhersehbar, in welcher Weise die Zeugen aussagen werden und ob ihre Aussagen für glaubhaft gehalten werden (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 636, 637 – Ventilanbohrvorrichtung; Urteil vom 10.03.2016 – I-2 U 41/15, Rn. 123 bei juris; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Abschnitt E Rn. 789; Voß, in: BeckOK Patentrecht, 15. Edition Stand: 15.01.2020, Vor §§ 139–142b Rn. 185). - (2)
Daran gemessen ist eine offenkundige Vorbenutzung nicht hinreichend dargetan. - (a)
Soweit sich die Beklagte darauf stützt, dass die S (nachfolgend: S) mit dem T im Januar 1999 in U ein Rohr sanierte, ist dies nicht durch liquide Beweismittel belegt. Aus den Anlagen 15, 18, 19, 25, 26, 33 und 35 des Anlagenkonvolut KAP9a lässt sich allenfalls entnehmen, dass ein T verbaut worden ist. Welchen Aufbau der verbaute T aufwies, lässt sich daraus nicht entnehmen. Es kann auch nicht ohne weiteres angenommen werden, dass es sich dabei um einen Aufbau wie auf Seite 6 des Verfahrenshandbuchs handelte, zumal dieses erst auf den 15.02.1999 datiert. Es ist ferner nicht feststellbar, dass bei Einbau des Schlauchliners die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch einen nicht begrenzten Personenkreis bestand. - (b)
Entsprechendes gilt für den Vortrag der Beklagten, ein unabhängiger Sachverständiger habe ausweislich des Berichts vom 25.02.1998 (Anlage KAP 9b) am selben Tag den T begutachtet und dies mit Unterschrift und Stempel bestätigt. Der Aufbau des untersuchten Produkts ist aus dem Sachverständigenbericht nicht zu entnehmen. Insbesondere ist nicht feststellbar, dass dieser demjenigen Aufbau entspricht, der in dem erst rund ein Jahr erschienenen Verfahrenshandbuch dargestellt ist. - (c)
Schließlich ist nicht feststellbar, dass das Verfahrenshandbuch zum T (Anlage KAP9), welches das Datum 15.02.1999 ausweist, vor dem Prioritätstag des Klagepatents der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. - Es lässt sich nicht feststellen, dass die S das Verfahrenshandbuch vor dem Prioritätstag des Klagepatents bei der V e. V. hinterlegt hat, um das entsprechende Gütezeichen zu erhalten. Entsprechendes ergibt sich nicht aus der Anlage 40 im Anlagenkonvolut KAP9a. Diese datiert vom X.X.1992, kann also über die Übergabe des Verfahrenshandbuchs an die Gütegemeinschaft im Jahr 1999 keine Aussage treffen.
- Daran ändert es nichts, dass nach dem Vortrag der Beklagten das Gütezeichen nur erhält, wer jederzeit ein in seiner aktuellen Fassung befindliches Verfahrenshandbuch beim Güteschutz hinterlegt. Auch wenn eine solche Verpflichtung nach den Bedingungen des Gütezeichens bestanden haben mag, folgt daraus nicht, dass die Hinterlegung vor dem Prioritätstag des Klagepatents tatsächlich geschehen ist.
- Schließlich ist der weitere Vortrag der Beklagten, die S habe das Verfahrenshandbuch „an das ausführende Personal auf der Baustelle weitergegeben“, nicht ausreichend, um eine öffentliche Zugänglichkeit vor dem Prioritätstag des Klagepatents festzustellen.
- bb)
Es fehlt zudem an einer eindeutigen und unmittelbaren Offenbarung des Merkmals 1.4 durch den T, wie er auf Seite 6 des Verfahrenshandbuchs (Anlage KAP9) dargestellt ist. - (1)
Der T weist ausweislich Seite 6 des Verfahrenshandbuchs (Anlage KAP9) den nachfolgenden Aufbau auf: - (2)
Als „Vliesschicht“ kommt nur eine Lage des gelb dargestellten Hauptschlauchs mit Harz, der nach Seite 6 der KAP9 mehrlagig sein kann, in Betracht. Dieser besteht jedoch ausweislich der KAP9 aus Filz. - Dass der Fachmann Filz zum Prioritätszeitpunkt des Klagepatents als Vlies angesehen hätte, lässt sich nicht feststellen. Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus der DIN XXX aus dem Jahr 19X2 mit der Überschrift „Vliese, verfestigte Vliese (Filze, Vliesstoffe, Watten) und Vliesverbundstoffe auf Basis textiler Fasern; Technologische Einteilung“, die vielmehr eine Abgrenzung nahelegt. Jedenfalls für eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung einer Vliesschicht reicht die Darstellung einer Filzschicht nicht aus.
- (3)
Zudem ist eine Armierung der Kunststofffolie durch die aufkaschierte Vliesschlicht nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. - Zwar steht es der Offenbarung einer auf den Außenfolienschlauch aufkaschierten Vliesschicht nicht von vornherein entgegen, dass nach der KAP9 nicht der Hauptschlauch auf die Folie, sondern die Folie auf den Hauptschlauch kaschiert ist. In Verbindung mit dem Umstand, dass eine mehrlagige Ausgestaltung des Hauptschlauchs sich nur aus der zusätzlichen Beschreibung ergibt und der Fachmann sodann eine der Lagen als Faserband im Sinne von Merkmal 1.2, die andere als auf die Folie aufkaschierte Vliesschicht im Sinne von Merkmal 1.4 ansehen müsste, scheidet allerdings eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung einer Armierung der Folie aus.
- cc)
Die Lehre des Anspruchs 3 des Klagepatents wird ferner auch deshalb nicht durch den T vorweggenommen, weil Merkmal 3 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart wird. - Eine weitere Folie ist auf Seite 18, dort unter Ziffer 4 und Seite 29 des Verfahrenshandbuchs nur im Zusammenhang mit dem Transport des Schlauchliners erwähnt. Der Fachmann erkennt daraus jedenfalls nicht eindeutig und unmittelbar einen weiteren Außenfolienschlauch als Teil des beanspruchten Auskleidungsschlauchs.
- d)
Eine Aussetzung ist nicht im Hinblick auf eine fehlende erfinderische Tätigkeit ausgehend von der D11 in Verbindung mit der EP 0 100 XXX A1 (Anlage KAP10; nachfolgend: D17) oder der EP 0 844 XXX A2 (Anlage KAP11; nachfolgend: D18) veranlasst. - Die Beklagte bezieht sich auf diese Entgegenhaltungen jeweils im Zusammenhang mit dem zusätzlichen Merkmal des Anspruchs 3. Die D11 offenbart aber, wie gesehen, bereits nicht das Merkmal 1.4.
- e)
Eine Aussetzung ist auch nicht im Hinblick auf die erstmals in der Duplik geltend gemachte unzulässige Erweiterung zwischen ursprünglicher Anmeldung (Anlage KAP14; nachfolgend: D6) und erteiltem Patent veranlasst. - aa)
Gegen eine Aussetzung spricht, dass die Beklagte diesen Einwand erstmals in der Duplik geltend gemacht hat. Ebenso wie eine erst kurzfristig vor dem Termin im Verletzungsprozess erhobene Nichtigkeitsklage gegen eine Aussetzung sprechen kann (vgl. BGH, GRUR, 2012, 93 – Klimaschrank; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.02.2016 – I-2 U 19/15; LG Düsseldorf, InstGE 3, 54 – Sportschuhsohle; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Abschnitt E Rn. XXX), kann dies auch im Hinblick auf einzelne Entgegenhaltungen gelten. Eine Begründung für die späte Geltendmachung nennt die Beklagte nicht. - bb)
Abgesehen davon ist eine unzulässige Erweiterung nicht erkennbar. - Eine unzulässige Erweiterung liegt vor, wenn infolge einer Änderung der Gegenstand der Anmeldung oder des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, Art. 123 Abs. 2 EPÜ. Gegenstand der Anmeldung ist das, was ein Fachmann dem Gesamtinhalt der ursprünglichen Anmeldung (Ansprüchen, Beschreibung und Zeichnungen) unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens am Anmeldetag unmittelbar und eindeutig entnimmt (Moufang, in: Schulte, Patentgesetz mit EPÜ, 10. Auflage 2017, § 38 PatG/Art. 123 EPÜ Rn. 18).
- Vorliegend fehlt es bereits an einer inhaltlichen Änderung zwischen ursprünglicher Anmeldung und der erteilten Fassung. Eine solche ist mit der Verwendung der Begriffe „Außenfolienschlauch“ und „weiterer Außenfolienschlauch“ in den Patentansprüchen, während in der Anmeldung die Begriffe „Folienschlauch“ und „Außenfolienschlauch“ benutzt werden, nicht verbunden. Auf die Ausführungen unter III. wird Bezug genommen.
- Soweit die Beklagte zu Anspruch 3 argumentiert, der Begriff „weiterer Außenfolienschlauch“ habe eine andere Bedeutung als der in der Anmeldung verwendete Begriff „zusätzlicher Außenfolienschlauch“, kann dem nicht gefolgt werden. Insbesondere setzt der Begriff „weiterer“ nach dem Verständnis des Patentanspruchs gerade keine Identität des Gegenstands voraus. Auch insoweit wird auf die Ausführungen unter III. verwiesen.
- f)
Schließlich lässt sich im Hinblick auf die unter III. erörterte klare Differenzierung zwischen den Begriffen „Außenfolienschlauch“ und „weiterer Außenfolienschlauch“ nicht feststellen, dass der Fachmann die Lehre des Klagepatents nicht nacharbeiten könnte. Dieser ebenfalls erst in der Duplik geltend gemachte Einwand veranlasst ebenfalls nicht zu einer Aussetzung. - E.
Der Beklagten war keine Schriftsatzfrist zu gewähren, weil die Voraussetzungen des § 283 ZPO nicht vorliegen. - I.
Dies gilt zunächst im Hinblick auf die von dem Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vom 11.02.2020 beantragte Schriftsatzfrist zum Vortrag der Klägerin zur Aktivlegitimation in dem Schriftsatz vom 03.02.2020. - Voraussetzung des § 283 ZPO ist, dass das Vorbringen des Gegners einer Partei nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist. Nicht rechtzeitig vorgebracht ist das Vorbringen grundsätzlich dann, wenn der vorbereitende Schriftsatz der Gegenpartei entgegen der Frist des § 132 ZPO nicht mindestens eine Woche vorher zugestellt werden kann (Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 283 Rn. 10). Das ist vorliegend nicht der Fall. Der Schriftsatz der Klägerin ist innerhalb der Wochenfrist bei Gericht eingegangen und unmittelbar an die Beklagtenvertreter zugestellt worden.
- Die Rechtzeitigkeit kann zwar je nach Art und Umfang des verspäteten Vorbringens unter Berücksichtigung der für den Gegner zumutbaren Erwiderungsmöglichkeit auch eine längere Frist als eine Woche vor dem Termin erfordern (Greger, in: Zöller, ZPO, 33. Auflage 2020, § 283 Rn. 2b). Hierbei kann als Maßstab § 282 Abs. 2 ZPO, also die allgemeine Pflicht zur rechtzeitigen Mitteilung, heranzuziehen sein (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 33. Auflage 2020, § 283 Rn. 2b; Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 283 Rn. 10). Wo der erwiderungsberechtigte Gegner für einen ihm eine Woche oder noch früher vor dem Termin mitgeteilten Schriftsatz den Schutz des § 283 ZPO in Anspruch nimmt, hat er die für diesen Schutz sprechenden Gründe in seinem Antrag darzulegen (Greger, in: Zöller, ZPO, 33. Auflage 2020, § 283 Rn. 2b). Derartige Gründe hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vom 11.02.2020 indes nicht dargelegt. Es ist auch nicht von einem Verstoß der Klägerin gegen die allgemeine Pflicht zur rechtzeitigen Mitteilung aus § 282 Abs. 2 ZPO auszugehen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Vortrag der Klägerin zur Aktivlegitimation im Schriftsatz vom 03.02.2020 eine Substantiierung des Vorbringens war, mit dem sie ihre Anspruchsberechtigung bereits in der Replik vom 11.11.2019 begründet hat. Die Beklagte hatte diese Aspekte in der Duplik vom 17.01.2019 nicht bestritten, sondern hat lediglich aus rechtlichen Gründen die Aktivlegitimation in Frage gestellt. Dass nun erst die Konkretisierung der bereits zuvor aufgeworfenen Fragen eine Erklärung der Beklagten erforderlich machte und sie hierfür länger benötigte als den noch zur Verfügung stehenden Zeitraum, ist nicht erkennbar.
- II.
Der Beklagten war ferner auf den weiteren in der mündlichen Verhandlung vom 11.02.2020 gestellten Antrag keine Schriftsatzfrist zu der angegriffenen Ausführungsform, wie sie in der Triplik auf Seite 12 dargestellt ist, somit der angegriffenen Ausführungsform 1, zu gewähren. - Die Voraussetzungen des § 283 ZPO liegen auch insoweit nicht vor. Es fehlt bereits an einem nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilten Vorbringen der Klägerin. Jedenfalls konnte sich die Beklagte auf ein solches Vorbringen aber erklären oder eine fehlende Erklärungsmöglichkeit beruhte nicht auf der Verspätung des Gegners (vgl. Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 283 Rn. 11). Bei der angegriffenen Ausführungsform 1 handelt es sich um ein Produkt der Beklagten. Sie konnte sich hierzu bereits schriftsätzlich erklären und hat dies auch getan, zumal die Abbildung, die die Klägerin auf Seite X der Triplik eingeblendet hat, von der Beklagten stammt und von dieser auf Seite X der Klageerwiderung (Bl. 62 GA) erstmals eingeführt wurde. Selbst wenn sie sich aber nach der Klarstellung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, dass auch dieser Aufbau angegriffen werde, hierzu nochmals erklären wollte, hätte dies unmittelbar geschehen können. Gründe dafür, dass eine solche Erklärung nicht möglich sein sollte, haben die Beklagtenvertreter nicht aufgezeigt.
- F.
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Klägerin vom 19.02.2020 und der Beklagten vom 21.02.2020 haben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gegeben, § 156 ZPO. - G.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. - Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Auf Antrag der Klägerin sind Teilsicherheiten für die gesonderte vorläufige Vollstreckung festgesetzt worden.