4a O 11/16 – Intrakardiale Pumpvorrichtung

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2997

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 30. Juni 2020, Az. 4a O 98/18

  1. I. Die Beklagten werden verurteilt,
  2. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  3. intrakardiale Pumpvorrichtungen zur perkutanen Einführung, mit einer Pumpe, die am proximalen Ende mit einem Katheter und am saugseitigen distalen Ende mit einer Kanüle verbunden ist, welche entfernt von der Pumpe Einlassöffnungen aufweist,
    in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen,
    bei denen die Einlassöffnungen an einem expandierbaren Ansaugkorb vorgesehen sind, der einen Einlauftrichter enthält und bei denen an der Kanüle distal von den Einlassöffnungen ein flexibler Fortsatz vorgesehen ist;
  4. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagten die unter Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 19.08.2004 begangen haben, und zwar unter Angabe
  5. a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer
  6. b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
  7. c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
  8. wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  9. 3. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung schriftlich darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die unter Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 19.09.2004 begangen haben, und zwar unter Angabe
  10. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Lieferungsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
  11. b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
  12. c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, der Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
  13. d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
  14. wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in Deutschland ansässigen vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dB Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  15. 4. nur die Beklagte zu 2): die in ihrem unmittelbaren und/oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, vorstehend unter Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden oder zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
  16. 5. die vorstehend unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 19.09.2004 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagten oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf Verletzung des Klagepatents erkannt hat, aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagten zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des ggf. bereits gezahlten Kaufpreises sowie Übernahme der Kosten der Rücknahme zugesagt wird und endgültig zu entfernen, indem die Beklagten die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich nehmen oder die Vernichtung derselben beim jeweiligen Besitzer veranlassen.
  17. II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr seit dem 19.09.2004 durch die in Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig entstehen wird.
  18. III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
  19. IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 1.000.000,00. Daneben sind die Ansprüche auf Unterlassung, Vernichtung und Rückruf (Ziff. I.1., I.4. und I.5. des Tenors) gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 750.000,00. Die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung (Ziff. I.2. und I.3. des Tenors) sind gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 100.000,00. Die Kostengrundentscheidung ist gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
  20. Tatbestand
  21. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen behaupteter unmittelbarer, wortsinngemäßer Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf patentverletzender Erzeugnisse sowie auf Feststellung der Pflicht zum Leisten von Schadensersatz dem Grunde nach in Anspruch. Die Beklagte zu 2) wird von der Klägerin zusätzlich auch auf Vernichtung patentverletzender Erzeugnisse in Anspruch genommen.
  22. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents DE 103 36 XXX C5 (nachfolgend als Klagepatent bezeichnet). Ein Registerauszug des DPMA wird als Anlage K 42 zur Akte gereicht. Das Klagepatent wurde am 08.03.2003 angemeldet und die Erteilung am 19.08.2004 veröffentlicht.
  23. In einem von der Beklagten zu 2) angestrengten Nichtigkeitsverfahren hielt der Bundesgerichtshof das Klagepatent mit Urteil vom 20.11.2018 (vorgelegt in Anlage K 40; nachfolgend kurz: BGH-Urteil) in beschränkter Fassung aufrecht. Das ursprünglich erteilte Klagepatent ist als Anlage K 20 zur Akte gereicht worden, während die nach Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens geänderte Patentschrift (DE 103 36 XXX C5) in Anlage K 41 vorliegt.
  24. Das Klagepatent steht in der beschränkt aufrecht erhaltenen Fassung in Kraft.
  25. Das Klagepatent betrifft eine interkardiale Pumpvorrichtung.
  26. Anspruch 1 in der nunmehr geltenden Anspruchsfassung lautet:
  27. Intrakardiale Pumpvorrichtung zur perkutanen Einführung, mit einer Pumpe (11), die am proximalen Ende (12) mit einem Katheter (14) und am saugseitigen distalen Ende (13) mit einer Kanüle (15) verbunden ist, welche entfernt von der Pumpe Einlassöffnungen (17) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Einlassöffnungen (17) an einem expandierbaren Ansaugkorb (40) vorgesehen sind, der einen Einlauftrichter (41) enthält, und dass an der Kanüle distal von den Einlassöffnungen (17) ein flexibler Fortsatz (20) vorgesehen ist.
  28. Die nachfolgend eingeblendete Figur 1 des Klagepatents zeigt eine entsprechende Pumpvorrichtung bei der Funktion innerhalb des Herzens.
    Bei der Klägerin handelt es sich um einen Anbieter von Technologien zur Behandlung von Herzinsuffizienz.
  29. Die Beklagte zu 1) ist im Bereich der Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Medizinprodukten wie Herzunterstützungssysteme einschließlich intrakardialer Blutpumpen tätig. Eines ihrer Produkte ist die Herzpumpe „A“ (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform). Der Vertrieb findet etwa über die englisch-sprachige Internetseite www.(…).com (vgl. Anlagen K 7/K 7a; K 8/K 8a) statt. Hiervon sind auch eine Bedienungsanleitung (Anlage K 10) und eine Gebrauchsanleitung (Anlage K 11) in deutscher Sprache herunterladbar. Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform sind von den Beklagten in Anlagenkonvolut B 7 vorgelegt worden, aus dem zur Veranschaulichung der Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform nachfolgend Abb. 1 und 2 eingeblendet werden:
  30. Die Beklagte zu 2) ist ein britisches Unternehmen im Konzern der Beklagten und war ein Tochterunternehmen der Beklagten zu 1) mit einer Zweigniederlassung in B, das auf den Großhandel mit medizinischen Produkten und Herzunterstützungssystemen in Deutschland spezialisiert war. Auf den Internetseiten www.(…).com war die Beklagte zu 2) als Kontakt für den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen in Deutschland angegeben. Sie zeigt sich auch in den vorgelegten Bedienungs- und Gebrauchsanleitungen (Anlagen K 10 und K 11) jeweils für diese Publikationen verantwortlich.
  31. Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von sämtlichen Merkmalen des Klagepatentanspruchs 1 unmittelbar und wortsinngemäß Gebrauch. Insbesondere sei der Schutzbereich des Klagepatents nicht auf nicht expandierbare, stark miniaturisierte Herzpumpen beschränkt, deren Motorteil ebenfalls in den Körper eingeführt wird. Eine solche Einschränkung lasse sich zwar dem Ausführungsbeispiel nach Figur 2 des Klagepatents entnehmen, der Anspruch sei aber hierauf nicht beschränkt. Es sei unschädlich für die Verwirklichung, wenn sich das Antriebsteil der Pumpe außerhalb des Körpers befinde. Eine einstückige Ausbildung von Pumpe und Kanüle sei ebenfalls unschädlich. Die Länge der Kanüle werde nicht vorgegeben. Ferner überlasse der Klagpatentanspruch die Größe der Einlassöffnungen an der Kanüle dem Fachmann. Gleiches gelte für die Dicke der Streben zwischen den Einlassöffnungen.
  32. Die Klägerin hat zunächst den Unterlassungsantrag im Umfang des erteilten Anspruchs 1 des Klagepatents geltend gemacht. Nachdem das Bundespatentgericht im ersten Nichtigkeitsverfahren den Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG erlassen hat, ist die Verhandlung von der Kammer auf übereinstimmenden Antrag der Parteien mit Beschluss vom 14.12.2016 (Bl. 253 GA) ausgesetzt worden.
  33. Die Klägerin beantragt nunmehr,
  34. wie erkannt.
  35. Die Beklagten beantragen,
  36. die Klage abzuweisen.
  37. Sie sind der Ansicht, das Klagepatent sei in seinem Schutzbereich auf einen ganz bestimmten Pumpentypus (nicht expandierbare, stark miniaturisierte Pumpen) beschränkt, zu dem die angegriffene Ausführungsform nicht zähle. Deshalb seien sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs 1 nicht verwirklicht. Insbesondere verfüge die angegriffene Ausführungsform nicht über eine klagepatentgemäße Pumpe, da sich das Antriebsteil – insoweit unstreitig – außerhalb des Patientenkörpers befindet. Das Klagepatent definiere als Pumpe eine Einheit aus Motorteil und Pumpenteil, die unmittelbar ineinander übergehe. Der Katheter im Sinne des Klagepatents enthalte die elektrischen Leitungen für den Betrieb und die Steuerung der nicht expandierbaren, miniaturisierten Pumpe. Bei der Kanüle und der Pumpe handele es sich um zwei unterschiedliche Bauteile, die miteinander verbunden seien. Die Kanüle sei nach dem Klagepatent ein langgestreckter flexibler Schlauch. Sämtliche der vorgenannten Bauteile seien bei der angegriffenen Ausführungsform nicht entsprechend der Lehre des Klagepatents ausgestaltet. Schließlich fehle es der angegriffenen Ausführungsform an einer Mehrzahl von Einlassöffnungen an der Kanüle, die sich entfernt der entsprechenden Pumpe befinden. Durch die von der Klägerin als Einlassöffnungen ausgemachten Ausnehmungen zwischen den kronenförmig angeordneten Drähten werde das Strömungsverhalten nicht signifikant beeinflusst, so dass es sich insoweit nicht um einen Ansaugkorb mit Einlauftrichter handele. Der flexible Fortsatz der angegriffenen Ausführungsform sei nicht an der Kanüle im Sinne des Klagepatents angeordnet.
  38. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend Bezug genommen auf die wechselseitig zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.05.2020 (Bl. 373 f. GA).
  39. Entscheidungsgründe
  40. Die zulässige Klage ist begründet. Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die Lehre des geltend gemachten Patentanspruchs wortsinngemäß (hierzu unter I.). Aufgrund der patentverletzenden Benutzungshandlungen der Beklagten stehen der Klägerin gegen die Beklagten die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung (nur gegen die Beklagte zu 2)) und Rückruf patentverletzender Gegenstände sowie Schadensersatz dem Grunde nach aus §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1, Abs. 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zu (hierzu unter II.).
  41. I.
    Die angegriffene Ausführungsform macht von Anspruch 1 des Klagepatents in seiner nunmehr eingeschränkten Form unmittelbar und wortsinngemäß Gebrauch.
  42. 1.
    Das Klagepatent betrifft eine interkardielle Herzpumpe.
  43. Das Klagepatent geht aus von einer intrakardialen Pumpvorrichtung, die vollständig in das Herz über angrenzende Gefäße eingeführt werden kann, um die natürliche Pumpfunktion des Herzens zu unterstützen oder durch kontinuierlichen Pumpbetrieb zu ersetzen.
  44. Solche aus dem Stand der Technik bekannten intrakardialen Blutpumpen, die perkutan in den Patientenkörper eingeführt werden, sind stark miniaturisiert. Sie weisen einen zylindrischen Antriebsteil und einen zylindrischen Pumpenteil auf. Das Ansaugende des Pumpenteils ist mit einer flexiblen Kanüle versehen, die am distalen Ende einen Saugkopf mit seitlichen Einlassöffnungen aufweist. Eine solche Pumpvorrichtung ist in EP 0 916 XXXA1 (…) beschrieben. Eine andere Pumpvorrichtung, die in distaler Richtung fördert, ist in WO 99/XXX(…) beschrieben. Bei dieser Pumpvorrichtung ist der Pumpenteil mit einer flexiblen Kanüle verlängert, die durch eine Herzklappe hindurchgeführt werden kann. Aus dem distalen Ende der Kanüle ragt ein Katheter heraus, an dem sich ein Ballon befindet, welcher beim Einführen der Pumpvorrichtung in den Körper vom Blutstrom mitgenommen werden soll.
  45. Eine Pumpvorrichtung, die das Blut durch eine Kanüle hindurch ansaugt und dann in proximaler Richtung fördert, kann so verlegt werden, dass sie durch die Aortenklappe hindurchführt, wobei der Saugkopf am Ende der Kanüle sich in der linken Herzkammer befindet, während der Pumpenauslass in der Aorta liegt. Die Tätigkeit der kontinuierlich fördernden Pumpe ist der pulsierenden Tätigkeit des Herzens überlagert, so dass die Pumpe starken pulsierenden Druckschwankungen ausgesetzt ist. Dabei kommt es vor, dass die Pumpe zusammen mit dem zugehörigen proximalen Katheter erheblichen Positionsänderungen ausgesetzt ist. Während einer Systole wird der Katheter gegen die Außenseite des Aortenbogens gedrückt und während einer Diastole gegen die Innenseite. Außerdem ändert sich die Lage der Pumpe ständig, wobei es zu Verschiebungen der durch die Aortenklappe hindurchgehenden Kanüle kommen kann, bis hin zu einem Auswurf der Kanüle, die dann aus der Herzklappe in die Aorta entgleitet.
  46. Ein weiterer Nachteil bei den bekannten Blutpumpen besteht darin, dass der Saugkopf der Kanüle sich an Gewebeteilen im Innern des Herzens festsaugen kann. Dadurch besteht die Gefahr von Irritationen des Herzens und ferner wird die Pumpenleistung durch Verstopfung von Einlassöffnungen verringert. Schließlich kann es vorkommen, dass die Kanüle sich an der Mitralklappe festsaugt und durch Ansaugen eine zusätzliche Blutschädigung induziert wird.
  47. Vor diesem Hintergrund liegt der Erfindung die technische Aufgabe zu Grunde, eine intrakardiale Pumpvorrichtung zur perkutanen Einführung zu schaffen, bei der die Gefahr des Festsaugens weitgehend vermieden wird.
  48. Zur Lösung schlägt das Klagepatent eine Blutpumpe nach Anspruch 1 vor, der sich in folgende Merkmale gliedern lässt:
  49. 1. Intrakardiale Pumpvorrichtung zur perkutanen Einführung,
    2. mit einer Pumpe (11),
    a) die am proximalen Ende (12) mit einem Katheter (14) und
    b) am saugseitigen distalen Ende (13) mit einer Kanüle (15) verbunden ist;
    3. die Kanüle weist entfernt von der Pumpe Einlassöffnungen (17) auf, dadurch gekennzeichnet, dass
    4. die Einlassöffnungen (17) an einem expandierbaren Ansaugkorb (40) vorgesehen sind, der einen Einlauftrichter (41) enthält, und
    5. dass an der Kanüle distal von den Einlassöffnungen (17) ein flexibler Fortsatz (20) vorgesehen ist.
  50. 2.
    Die angegriffene Ausführungsform macht von sämtlichen Merkmalen des Klagepatentanspruchs 1 unmittelbar und wortsinngemäß Gebrauch.
  51. a)
    Es handelt sich bei ihr um eine intrakardiale Pumpvorrichtung zur perkutanen Einführung im Sinne von Merkmal 1.
  52. Eine interkardiale Pumpvorrichtung zur perkutanen Einführung liegt unter Berücksichtigung der allgemeinen Auslegungsgrundsätze bereits dann vor, wenn die Pumpvorrichtung dazu geeignet ist, zumindest teilweise durch die Haut in den menschlichen Körper (perkutan) und in den Herzmuskel selbst (interkardial) eingeführt zu werden. Eine vollständige Einführung sämtlicher Elemente der Pumpvorrichtung in den Körper des Patienten, insbesondere des Antriebsteils der Pumpe, ist hingegen nicht notwendig.
  53. aa)
    Für die Interkardialität folgt dies bereits aus der Funktion der klagepatentgemäßen Pumpvorrichtung, die Blut aus der linken Herzkammer in die Aorta pumpen soll. Hierzu ist es notwendig, dass jedenfalls der Teil der Pumpvorrichtung, welcher die Auslassöffnungen aufweist, in der Aorta verbleibt, damit das Blut dorthin abgegeben werden kann. Entsprechendes lässt sich der nachfolgend verkleinert eingeblendeten Figur 1 des Klagepatents entnehmen. In dem dort dargestellten Ausführungsbeispiel befinden sich das Motorteil und ein Teil des Pumpenteils innerhalb der Aorta und gerade nicht innerhalb des Herzmuskels selbst.
    bb)
    Bei der Formulierung „zur perkutanen Einführung“ handelt es sich um eine Zweckangebe. Bei einer solchen ist regelmäßig anzunehmen, dass durch sie zum Ausdruck gebracht wird, dass – ggfls. erst durch eine zu den körperlichen Festlegungen im Patentanspruch hinzutretende Gestaltung – dafür gesorgt sein muss, dass das Erzeugnis oder das betreffende Merkmal sich zu dem/r benannten Zweck oder Funktion eignet oder die angegebene Wirkung erreichen kann (BGH, GRUR 2012, 475 – Elektronenstrahltherapiesystem).
  54. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Auslegungsgrundsätze lässt sich der betreffenden Zweckangabe nicht entnehmen, dass eine vollständige perkutane Einführung sämtlicher Bestandteile der klagepatentgemäßen Pumpvorrichtung eine Voraussetzung für die Anspruchsverwirklichung ist.
  55. Bei den Ausführungen in Abschnitt [0003] des Klagepatents handelt es sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht um eine Legaldefinition von Blutpumpen zur perkutanen Einführung. Zunächst wird hier zwar ausgeführt, dass derartige Pumpvorrichtungen stark miniaturisiert seien und einen zylindrischen Antriebsteil und einen zylindrischen Pumpenteil aufweisen. Eine unmittelbare Verbindung dieser beiden Teile und die Verortung – innerhalb oder außerhalb des Patientenkörpers – werden aber nicht unmittelbar offenbart.
  56. Darüber hinaus wird hier lediglich ein Ausschnitt des bereits vorbekannten Stands der Technik im Bereich der Blutpumpen beschrieben. Denn auch Blutpumpen zur perkutanen Einführung mit einem externen Antriebsteil waren, was zwischen den Parteien unstreitig ist, bereits vorbekannt. Dass sich die Lehre des Klagepatents auf diese speziellen, miniaturisierten Blutpumpen beschränken möchte, lässt sich der entsprechenden Beschreibungsstelle nicht entnehmen. Es bleibt dem Fachmann überlassen, in welcher Art und Weise der Antrieb der Pumpe innerhalb der Gesamtvorrichtung auszugestalten ist.
  57. Die von den Beklagten zur einschränkenden Auslegung herangezogene Beschreibungsstellen in den Abschnitten [0017] und [0019] sowie die Figur 2 beschreiben lediglich ein Ausführungsbeispiel. Dieses kann, ohne weitere Hinweise im Anspruchswortlaut oder der allgemeinen Beschreibung, regelmäßig nicht den Schutzumfang beschränken (vgl. BGH, GRUR 2007, 309 – Schussfädentransport).
  58. Die Anspruchssystematik spricht ebenfalls gegen den Zwang zu einer Verortung des Antriebsteils im menschlichen Körper. Im Klagepatentanspruch 1 werden einige erfindungswesentliche Elemente in ihrer Gestaltung und in ihrem Aufbau zueinander beschrieben. Das Antriebsteil ist nicht explizit erwähnt. Die räumlich-körperliche Ausgestaltung sowie die Verortung des Antriebsteils werden mithin dem Fachmann überlassen.
  59. Schließlich spielt die Verortung des Antriebsteils unter funktionaler Betrachtung keine Rolle. Zur Erreichung des erfindungsgemäßen Zwecks – Konstruktion einer Pumpvorrichtung, die zuverlässig Blut aus der linken Herzkammer in die Aorta pumpt und sich dabei möglichst nicht festsaugt – ist es unerheblich, ob das Antriebsteil in unmittelbarer Verbindung mit dem Pumpenteil steht oder ob sich dieses außerhalb des Patientenkörpers befindet.
  60. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Ausführungen des BGH in seiner Nichtigkeitsentscheidung. In Bezug auf die Entgegenhaltung HL 12 führt der Bundesgerichtshof dort aus, dass die Pumpe bei der HL 12 von außen über eine Antriebswelle betrieben wird (Rz. 42 des BGH-Urteils). Der Bundesgerichtshof sieht damit eine Pumpvorrichtung offenbart, die entsprechend der Merkmalsgruppe 1 aufgebaut ist (Rz. 46 des BGH-Urteils). Hierin liegt zwar lediglich eine Bewertung des Offenbarungsgehalts der HL 12 und keine Beurteilung des Schutzumfangs es Klagepatents. Nichtsdestotrotz ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs als fachmännische Äußerung zu berücksichtigen (BGH, GRUR 1998, 895 – Regenbecken).
  61. cc)
    Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um eine interkardiale Pumpvorrichtung zur perkutanen Einführung im Sinne des Merkmals 1 des Klagepatents.
  62. Aus den unten eingeblendeten Abbildungen, die aus der Gebrauchsanleitung der angegriffenen Ausführungsform (Anlage K 32) stammen, ist ersichtlich, dass es sich bei ihr um eine interkardiale Pumpvorrichtung handelt. Diese wird mittels eines Katheters im Herzen platziert. Unter Beachtung der vorgenannten Auslegung ist es unerheblich, dass lediglich die rot eingefärbten Elemente (siehe zweite Abbildung) in den Körper eingeführt werden und insbesondere das Motorteil außerhalb des Körpers verbleibt.
    b)
    Die angegriffene Ausführungsform weist eine Pumpe im Sinne der Merkmalsgruppe 2 auf, die am proximalen Ende mit einem Katheter und am saugseitigen distalen Ende mit einer Kanüle verbunden ist.
  63. aa)
    Unter Berücksichtigung der Auslegung des Merkmals 1, wonach sich das Antriebsteil der Pumpvorrichtung außerhalb des menschlichen Körpers befinden darf, ist der Begriff der Pumpe in der betreffenden Merkmalsgruppe dahingehend zu verstehen, dass es sich um den Teil der Pumpe handelt, der letztendlich das Blut befördert.
  64. Dies folgt bereits aus der Anspruchssystematik. Im Klagepatentanspruch werden diejenigen Teile der Pumpvorrichtung in ihrer Ausgestaltung und Anordnung zueinander beschrieben, die eine Aufgabe im Herzmuskel des Patienten übernehmen, nämlich Katheter, Kanüle und Pumpe. Das Antriebsteil zählt nicht hierzu.
  65. Dies entspricht dem Ergebnis einer funktionalen Betrachtungsweise. Zur Erzielung des erfindungsgemäßen Zwecks – Pumpen des Bluts von der linken Herzkammer in die Aorta ohne Festsaugen – ist es notwendig, die Pumpe, den Katheter und die Kanüle in einer bestimmten Reihenfolge anzuordnen, da sonst z.B. das Blut in die falsche Richtung gepumpt werden würde. Wo sich das Antriebsteil befindet, ist hierfür unerheblich, so lange es in der Lage ist, die eigentliche Pumpe anzutreiben.
  66. Die einschränkende Auslegung der Beklagten beruht auf dem Ausführungsbeispiel nach Figur 2 des Klagepatents. Dieses ist nicht geeignet, den Schutzbereich entsprechend einzuschränken.
  67. bb)
    Zur Merkmalsverwirklichung ist es nicht notwendig, dass es sich bei der Pumpe und der Kanüle um zwei voneinander unabhängige bauliche Elemente handelt.
  68. Bereits nach dem Anspruchswortlaut sind Pumpe und Kanüle „miteinander verbunden“ und damit eine räumlich-körperliche Einheit. Ob diese Einheit durch eine nachträgliche Verbindung entsteht oder durch eine einstückige Ausbildung, ist aus funktionaler Sicht unerheblich. Die einstückige Ausbildung der Elemente stellt gleichsam die stärkste anzunehmende Verbindung dar.
  69. Eine hinreichende Abgrenzbarkeit liegt vor, wenn sich die Elemente weiterhin in Funktionseinheiten einteilen lasen. Für die einschränkende Auslegung der Beklagten lassen sich keine Anhaltspunkte im Wortlaut des Anspruchs bzw. in der allgemeinen Beschreibung finden.
  70. cc)
    Der Begriff des Katheters ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf solche Katheter begrenzt, die elektrische Leitungen für den Betrieb und die Steuerung der Pumpe führen. Diese einschränkende Auslegung fußt wiederum lediglich auf den Ausführungsbeispielen der Klagepatentschrift.
  71. Der Anspruchswortlaut gibt in Bezug auf den Katheter lediglich die Verbindung mit der Pumpe vor. In der allgemeinen Beschreibung der Klagepatentschrift findet sich keine weitere Konkretisierung hinsichtlich des Katheters. Damit bleibt es dem Fachmann überlassen, den Katheter räumlich-körperlich derart auszugestalten, dass dieser eine hinreichende Verbindung zwischen der Pumpvorrichtung im Herzmuskel und den extrakorporalen Bauteilen der Pumpvorrichtung bildet. Soweit der Fachmann die Pumpvorrichtung derart ausgestaltet, dass das Antriebsteil außerhalb des Körpers verbleibt, erkennt dieser, dass der Katheter keine elektrischen Leitungen enthalten muss, sondern andere Funktionen übernehmen kann.
  72. dd)
    Die Merkmalsgruppe 2 ist bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht.
  73. Der unten eingeblendeten Abbildung der angegriffenen Ausführungsform aus der als Anlage K 32 vorgelegten Gebrauchsanleitung ist zu entnehmen, dass ein Katheter, in welchem sich eine Antriebswelle und Flüssigkeiten zu deren Spülung befinden, bei der angegriffenen Ausführungsform vorgesehen ist. Dieser Katheter ist mit einem baulichen Element verbunden, welches aus einem rohrförmigen, beschichteten Drahtgeflecht besteht und am katheterseitigen Ende einen Rotor (Impeller) enthält, der von der Antriebswelle angetriebenen wird. Der Rotor (Impeller) erstreckt sich – in Längsrichtung betrachtet – über etwa die Hälfte des rohrförmigen Drahtgeflechts.
  74. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Auslegung handelt es sich bei dem Bereich des beschichteten Drahtgeflechtrohres, in welchem sich der Rotor befindet, um die klagepatentgemäße Pumpe, da in diesem Bereich das Blut durch die Bewegung des Rotors weiterbefördert wird. Dieser Bereich ist an seinem proximalen Ende mit einem Katheter verbunden. An seinem distalen Ende geht der Pumpenbereich in den Kanülenbereich über. Die einstückige Ausbildung von Pumpe und Kanüle stellt eine Verbindung im Sinne des Klagepatentanspruchs dar. Dadurch, dass der Rotor sich lediglich in einem Teilbereich des Drahtrohres befindet, lassen sich die Pumpe und die Kanüle räumlich-körperlich voneinander abgrenzen. Mithin sind sämtliche baulichen Elemente der Merkmalsgruppe 2 in klagepatentgemäßer Weise angeordnet und ausgestaltet.
  75. c)
    Die Kanüle der angegriffenen Ausführungsform weist entfernt von der Pumpe Einlassöffnungen auf im Sine des Merkmals 3.
  76. aa)
    Der Fachmann schließt aus dem Anspruchswortlaut, wonach die Pumpe an ihrem distalen Ende mit einer Kanüle verbunden ist und sich die Einlassöffnungen der Kanüle entfernt von der Pumpe befinden, dass sich die Einlassöffnungen nicht in dem Bereich befinden sollen, in welchem die Kanüle mit der Pumpe verbunden ist. Vielmehr soll eine gewisse Entfernung zwischen Einlassöffnungen und Pumpe geschaffen werden, die in ihrer Weite aber weder im Anspruchswortlaut noch in der allgemeinen Beschreibung näher konkretisiert wird. Als weitestmögliche Entfernung kommt hier das distale Ende der Kanüle in Betracht. Dies entspricht den in der Klagepatentschrift gezeigten Ausführungsbeispielen, bei welchen sich die Einlassöffnungen ebenfalls am distalen Ende der Kanüle befinden.
  77. Funktional betrachtet handelt es sich bei den Einlassöffnungen um Ausnehmungen in der Kanüle, durch die das Blut in die Kanüle eingesaugt wird. Dies folgt aus Abschnitt [0017] der Klagepatentschrift.
  78. Durch die Verwendung des Plurals in Bezug auf die Einlassöffnungen verdeutlicht das Klagepatent dem Fachmann, dass eine Konstruktion, bei welchem die Kanüle – ein schlauchartiger Körper – an einem Ende offen ist, nicht dem Schutzbereich unterfällt. Denn in diesem Fall wiese die Kanüle lediglich eine einzige Öffnung auf.
  79. Eine weitere Einschränkung dahingehend, dass sich die Einlassöffnungen lediglich radial, also seitlich an der Kanüle befinden dürfen, lässt sich weder dem Anspruchswortlaut noch der Beschreibung des Klagepatents entnehmen. Im Gegenteil: Das Ausführungsbeispiel nach Figur 4 des Klagepatents (nachfolgend verkleinert eingeblendet) zeigt ein kronenförmiges Ende einer Kanüle mit Einlassöffnungen, die jedenfalls teilweise stirnseitige Ausnehmungen aufspannen.
  80. Der Verweis auf die BGH-Nichtigkeitsentscheidung und die dortige Auseinandersetzung mit der HL 48 (Rz. 53 ff.) vermag den Schutzbereich ebenfalls nicht einzuschränken. Der BGH führt dort zwar aus, dass aus der vorgelegten Abbildung der HL 48 nicht offenbart sei, dass sich die Einlassöffnungen entfernt von der Pumpe befinden. Allerdings führt er schon in Rz. 53 aus, dass in der Abbildung die Lage der einzelnen Bestandteile der Pumpe zueinander nicht erkennbar sei. Der BGH hat sich mithin lediglich damit auseinandergesetzt, was in der HL 48 nicht zu erkennen ist, aber keine Feststellungen zur konkreten Ausgestaltung der Pumpe nach der HL 48 getroffen, insbesondere nicht dazu, wie weit sich der Rotor innerhalb des Gehäuses erstreckt.
    bb)
    Die Kanüle der angegriffenen Ausführungsform weist derartige Einlassöffnungen entfernt von der Pumpe auf.
  81. Wie oben dargelegt, endet die Pumpe der angegriffenen Ausführungsform dort, wo der Rotor in dem rohrförmigen Drahtgeflecht endet. An diesem Punkt beginnt die Kanüle der angegriffenen Ausführungsform. Diese Kanüle endet an ihrem anderen (distalen) Ende in einer aus vier Drähten gebildeten „Krone“. Diese vier Drähte spannen, wie der unten eingeblendeten, dem Schriftsatz der Klägerin vom 12.05.2020 (Bl. 350 GA) entnommenen Abbildung zu entnehmen ist, vier Ausnehmungen auf, durch die Blut in die Kanüle strömen kann. Hierbei handelt es sich mithin um klagepatentgemäße Einlassöffnungen. Es ist unerheblich, dass diese sich nicht nur radial, sondern auch stirnseitig erstrecken und nur durch Drähte voneinander getrennt werden, denn die konkrete Größe und Ausgestaltung der betreffenden Öffnungen überlässt das Klagepatent, wie oben dargelegt, dem Fachmann.
  82. d)
    Merkmal 4, wonach die Einlassöffnungen an einem expandierbaren Ansaugkorb vorgesehen sind, der einen Einlauftrichter (41) enthält, ist ebenfalls verwirklicht.
  83. aa)
    Nach dem Anspruchswortlaut handelt es sich bei dem Ansaugkorb um einen Teil der Kanüle. An diesem sind die Einlassöffnungen vorgesehen. Weitere Vorgaben zur räumlich-körperlichen Ausgestaltung des Ansaugkorbs finden sich nicht. Insoweit bleibt dem Fachmann die Wahl der Anordnung und Größe der Einlassöffnungen überlassen.
  84. In Abschnitt [0026] der Klagepatentschrift wird der Ansaugkorb weiter spezifiziert. Hiernach hat der Ansaugkorb im expandierten Zustand einen größeren Durchmesser als die Kanüle. Bei der Expansion wird der Einlauftrichter aufgespannt, der eine glatte Einströmung ermöglicht. Hieraus schließt der Fachmann, dass durch den Ansaugkorb das Blut zur Pumpe hin einströmt, also durch die Einlassöffnungen zur Pumpe hin gelenkt wird. Diese Lenkungsfunktion des Blutstroms wird ebenfalls durch die Wahl des Begriffs „Einlauftrichter“ bestätigt. Angaben dazu, wie stark die Einströmwirkung des Ansaugkorbs bzw. des Einlauftrichters ausgestaltet ist, fehlen in der Klagepatentschrift. Es bleibt dem Fachmann überlassen, den Ansaugkorb und den Einlauftrichter derart räumlich-körperlich auszugestalten, dass die Pumpfunktion gewährleistet ist.
  85. bb)
    Die angegriffene Ausführungsform weist einen klagepatentgemäßen Ansaugkorb auf. Die Kanüle besteht, wie oben bereits dargestellt, aus einem beschichteten Drahtgeflecht. Am distalen Ende der Kanüle wird dieses Drahtgeflecht – ohne die Beschichtung – weitergeführt und vier der Drähte werden zu einer expandierbaren Krone aufgespannt. Diese vier Drähte sind mithin der Kanüle zuzuordnen. Im expandierten Zustand spannen die vier Drähte einen Raum auf, dB Durchmesser, wie die Beklagten selbst vortragen, größer ist als der Durchmesser der Kanüle. Dies ist ebenfalls aus der unter c) eingeblendeten Detailansicht der angegriffenen Ausführungsform ersichtlich.
  86. Dass die einzelnen Einlassöffnungen lediglich durch Drähte voneinander abgegrenzt sind, ist unerheblich. Denn, wie oben dargelegt, bleibt die Wahl der Größe der Öffnungen dem Fachmann überlassen.
  87. An seiner proximalen Seite ist der Ansaugkorb mit einer trichterförmigen Beschichtung bespannt, die den klagepatentgemäßen Einlauftrichter bildet.
  88. Das von den Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 28.04.2020 (Bl. 334 GA) vorgelegte, unten eingeblendete Druckdiagramm, welches die Druckverhältnisse im Kronenbereich der angegriffenen Ausführungsform darstellen soll, führt zu keiner abweichenden Betrachtung.
  89. Zwar zeigt das betreffende Diagramm, dass der Druck im Trichterbereich der angegriffenen Ausführungsform höher ist als im Kronenbereich. Dies ist für die Merkmalsverwirklichung allerdings unschädlich. Das Druckdiagramm zeigt hingegen nicht, dass der Druck innerhalb des Herzmuskels dem Druck entspricht, der im Kronenbereich der angegriffenen Ausführungsform herrscht. Denn in den rot eingefärbten Bereichen des Druckdiagramms, zu denen sowohl der Kronenbereich der angegriffenen Ausführungsform als auch der ihn umgebende Bereich der Herzkammer zählen, können laut der im Diagramm befindlichen Legende Druckdifferenzen von bis zu X.X Pa herrschen, so dass das Diagramm insoweit unergiebig ist. Die Beklagten haben ihren Vortrag in ihrem Schriftsatz vom 18.05.2020 (Bl. 370 GA) entsprechend dahingehend relativiert, dass sich außerhalb der Einlassöffnung keine signifikanten Druckdifferenzen einstellten. Ausgehend von der vorgenannten Auslegung, wonach die Stärke der Einströmwirkung dem Belieben des Fachmanns überlassen bleibt, sind die von den Beklagten nicht in Abrede gestellten gewissen Druckdifferenzen jedenfalls hinreichend, um die kronenförmige Ausgestaltung der Kanüle als klagepatentgemäßen Ansaugkorb zu klassifizieren.
  90. e)
    Merkmal 5, wonach an der Kanüle distal von den Einlassöffnungen (17) ein flexibler Fortsatz (20) vorgesehen ist, ist ebenfalls verwirklicht.
  91. Wie bereits oben dargestellt, handelt es sich bei den vier Drähten, die den Ansaugkorb bilden, um einen Bestandteil der Kanüle. Hieran ist bei der angegriffenen Ausführungsform, was insoweit unstreitig ist, ein flexibler Fortsatz vorgesehen.
  92. II.
    Durch das Anbieten und Vertreiben der patentgemäßen angegriffenen Ausführungsform im Inland entgegen § 9 S. 2 Nr. 1 PatG verletzen die Beklagten das Klagepatent. Aus der festgestellten Patentverletzung ergeben sich die zuerkannten Rechtsfolgen:
  93. 1.
    Die Beklagten sind der Klägerin gemäß § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet.
  94. 2.
    Die Klägerin hat ferner gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach (§ 139 Abs. 2 PatG) für patentverletzende Handlungen ab dem 19.09.2004 (Veröffentlichung der Patenterteilung zuzüglich eines Monats Karenzzeit).
  95. Als Fachunternehmen hätten die Beklagten die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.
  96. Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.
  97. 3.
    Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG.
  98. Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihre Schadensersatzansprüche zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagten ferner ein Anspruch auf Auskunft im zuerkannten Umfang aus §§ 242, 259 BGB zu. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
  99. 4.
    Gegen die Beklagte zu 2) steht der Klägerin auch ein Vernichtungsanspruch nach § 140a Abs. 1 S. 1 PatG zu. Eine Unverhältnismäßigkeit nach § 140a Abs. 4 PatG hat die Beklagte zu 2) weder vorgetragen noch kann eine solche sonst festgestellt werden.
  100. 5.
    Ferner hat die Klägerin gegen die (beiden) Beklagten einen Anspruch auf Rückruf aus § 140a Abs. 3 PatG. Auch insoweit lässt sich keine Unverhältnismäßigkeit gemäß § 140a Abs. 4 PatG ersehen.
  101. III.
    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 100, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
  102. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Auf Antrag der Klägerin sind Teilsicherheiten für die gesonderte vorläufige Vollstreckung der zuerkannten Ansprüche festgesetzt worden.

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