Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2996
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 03. März 2020, Az. 4a O 98/18
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00
– ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, die an dem Managing Director der Beklagten zu vollziehen ist, - zu unterlassen,
- Abstandshalterprofile zur Verwendung als ein Abstandshalterprofilrahmen, der zum Montieren in und/oder entlang dem Randbereich einer Isolierfenstereinheit zum Ausbilden und Aufrechterhalten eines Zwischenraums zwischen Fensterscheiben geeignet ist, mit
- einem Profilkörper, der aus einem synthetischen Material gemacht ist und eine Kammer zur Aufnahme hygroskopischem Materials darin definiert, und
- einem Metallfilm, der den Profilkörper auf drei Seiten derart einschließt, dass in dem gebogenen und/oder zusammengefügten Zustand des Abstandhalterprofils die nicht eingeschlossene Innenseite des Profilkörpers in Richtung auf den Zwischenraum zwischen den Fensterscheiben gerichtet ist,
- bei dem die nicht eingeschlossene Innenseite des Profilkörpers Öffnungen aufweist, die dazu angepasst sind, Feuchtigkeitsaustausch zwischen dem hygroskopischen Material, das in der Kammer aufgenommen ist, und dem Zwischenraum zwischen den Fensterscheiben zu erleichtern, und
- der Metallfilm ein Profil an jedem Ende aufweist, das in Richtung auf den Zwischenraum zwischen den Fensterscheiben gerichtet ist, bei dem das Profil mindestens eine Kante oder Biegung aufweist,
- wobei das Profil durch den Profilkörper eingeschlossen ist;
- wobei der Metallfilm eine Dicke d1 größer als oder gleich 0,03 mm und kleiner als oder gleich 0,20 mm aufweist, und
- wobei das Abstandshalterprofil kaltbiegbar ist,
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
- (EP 2 116 XXX, geänderter Anspruch 1)
- 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 23.03.2016 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- b) der Menge der ausgelieferten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse gezahlt wurden, wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 23.04.2016 begangen hat, und zwar unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
- b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
- c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internetwerbung der jeweiligen Domain, Zugriffszahlen und Schaltungszeiträumen,
- d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Nachfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- 4. die unter Ziffer 1. bezeichneten, seit dem 23.03.2016 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern in der Bundesrepublik Deutschland unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts G vom …) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
- II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer 1. bezeichneten, seit dem 23.04.2016 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 500.000,00. Daneben sind die Ansprüche auf Unterlassung und Rückruf (Ziffern I. 1. und I. 4. des Tenors) gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 375.000,00. Ferner sind die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung (Ziffern I. 2. und I. 3. des Tenors) gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 100.000,00. Die Kostenentscheidung (Ziffer III. des Tenors) ist gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des in englischer Verfahrenssprache abgefassten europäischen Patents EP 2 116 XXX (Anlage KA1, in deutscher Übersetzung als Anlage KA2; geänderte Ansprüche und Beschreibung in englischer Sprache als Anlage KA12/HE-A16; nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
- Das Klagepatent, dessen eingetragene Inhaberin die Klägerin ist, wurde als europäische Patentanmeldung 09 010 XXX angemeldet, die eine Teilanmeldung zu der europäischen Patentanmeldung 05 XXX 712 ist, und deren Anmeldetag vom 30.08.2005 sowie die Priorität vom 09.09.2004 in Anspruch nimmt. Die Teilanmeldung wurde am 11.11.2009 veröffentlicht, der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 23.03.2016 bekanntgemacht. Das Klagepatent steht in Kraft.
- Den Einspruch der Beklagten gegen das Klagepatent hat die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts (EPA) mit Entscheidung vom 14.09.2018 (in englischer Sprache vorgelegt als Anlage KA4/HE-A6) zurückgewiesen. In dem dagegen gerichteten Beschwerdeverfahren hat die Beschwerdekammer des EPA in der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2019 das Klagepatent auf Antrag der Patentinhaberin und hiesigen Klägerin in eingeschränkter Fassung aufrechterhalten (Protokoll der mündlichen Verhandlung in englischer Sprache vorgelegt als Anlage HE-A15/KA12).
- Das Klagepatent betrifft ein Abstandhalterprofil. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch 1 lautet nunmehr in der englischen Verfahrenssprache mit gegenüber der erteilten Fassung hervorgehobenen Änderungen:
- „Spacer profile (50) for use as a spacer profile frame, which is suitable for mounting in and/or along the edge area of an insulating window unit for forming and maintaining an intervening space (53) between window panes (51, 52), the spacer profile (50) comprising:
- a profile body (10) made of synthetic material and defining one or more chambers (20) for accommodating hygroscopic material therein, and
- a metal film (30) enclosing the profile body (10) on three sides such that, in the bent and/or assembled state of the spacer profile (50), the non-enclosed inner side of the profile body is directed towards the intervening space (53) between the window panes (51, 52),
- wherein the not-enclosed inner side of the profile body (10) comprises openings (15) adapted to facilitate moisture exchange between hygroscopic material accommodated in the chamber(s) (20) and the intervening space (53) between the window panes (51, 52), characterized in that
- the spacer profile (50) is cold bendable, the metal film (30) has a first thickness d1 greater than or equal to 0.03 mm and less than or equal to 0.20 mm,
- the metal film (30) comprises a profile (31a-g, 32a-g) on each end that is directed towards the intervening space (53) between the window panes (51, 52), the profile having at least one edge or bend, and
- the profile (31a, b, d-g, 32a, b, d-g) is completely enclosed by the profile body (10).”
- In deutscher Übersetzung lautet Anspruch 1 mit gegenüber der erteilten Fassung hervorgehobenen Änderungen:
- „Abstandhalterprofil (50) zur Verwendung als ein Abstandhalterprofilrahmen, der zum Montieren in und/oder entlang dem Randbereich einer Isolierfenstereinheit zum Ausbilden und Aufrechterhalten eines Zwischenraums (53) zwischen Fensterscheiben (51, 52) geeignet ist, mit:
- einem Profilkörper (10), der aus einem synthetischen Material gemacht ist und eine oder mehrere Kammern (20) zum Aufnehmen hygroskopischen Materials darin definiert, und
- einem Metallfilm (30), der den Profilkörper (10) auf drei Seiten derart einschließt, dass in dem gebogenen und/oder zusammengefügten Zustand des Abstandhalterprofils (50) die nicht eingeschlossene Innenseite des Profilkörpers in Richtung auf den Zwischenraum (53) zwischen den Fensterscheiben (51, 52) gerichtet ist,
- bei dem die nicht eingeschlossene Innenseite des Profilkörpers (10) Öffnungen (15) aufweist, die dazu angepasst sind, Feuchtigkeitsaustausch zwischen hygroskopischem Material, das in der/den Kammer(-n) (20) aufgenommen ist, und dem Zwischenraum (53) zwischen den Fensterscheiben (51, 52) zu erleichtern, dadurch gekennzeichnet, dass
- das Abstandhalterprofil (50) kaltbiegbar ist, der Metallfilm (30) eine erste Dicke d1 größer als oder gleich 0,03 mm und kleiner als oder gleich 0,20 mm aufweist,
- der Metallfilm (30) ein Profil (31a-g, 32a-g) an jedem Ende aufweist, das in Richtung auf den Zwischenraum (53) zwischen den Fensterscheiben (51, 52) gerichtet ist, bei dem das Profil mindestens eine Kante oder Biegung aufweist, und
- das Profil (31a, b, d-g, 32a, b, d-g) vollständig durch den Profilkörper (10) eingeschlossen ist.“
- Wegen des Wortlauts der nur im Wege von „insbesondere“-Anträgen geltend gemachten geänderten Ansprüche 2 und 3 wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung der Beschwerdekammer vom 06.12.2019 nebst Anlage (in englischer Sprache vorgelegt als Anlage KA12) Bezug genommen.
- Nachfolgend werden in verkleinerter Form Fig. 1 a) und 4 a) des Klagepatents eingeblendet. Fig. 1 a) zeigt eine perspektivische Querschnittsansicht der Anordnung der Scheiben in einer Isolierfenstereinheit mit dazwischen angeordnetem Abstandhalterprofil, Klebematerial und Dichtmaterial. Fig. 4 a) zeigt eine Querschnittsansicht eines Abstandhalterprofils nach einer ersten Ausführungsform in einer W-Konfiguration.
- Die in D ansässige Beklagte ist als Lieferantin für die Isolierglasindustrie tätig. Sie fertigt und vertreibt Abstandhalterprofile für Isolierglas.
- Mit der Klage angegriffen ist das Abstandhalterprofil „E“ der Beklagten, welches in unterschiedlichen Breiten und Farben erhältlich ist (angegriffene Ausführungsform).
- Nachfolgend wird eine der Klageschrift entnommene Fotografie der angegriffenen Ausführungsform (Seite 35 der Klage, Bl. 35 GA, Abbildung 18a) eingeblendet:
- Auf der Messe „F“, die vom XX. bis XX.XX.20XX in G stattfand, war die Beklagte vertreten. Sie verteilte eine deutschsprachige Präsentationsmappe mit Informationen zur angegriffenen Ausführungsform und mehreren Mustern in verschiedenen Breiten und Farben (vorgelegt in der mündlichen Verhandlung vom 28.01.2020 in dem abgetrennten Verfahren 4a O 61/19 sowie auszugsweise in Kopie als Anlage K1; nachfolgend: Präsentationsmappe).
- Auf der Website der Beklagten, die unter www.(…).html abrufbar ist, wird die angegriffene Ausführungsform in deutscher Sprache vorgestellt (ausgedruckt vorgelegt als Anlage KA8).
- Die Klägerin trägt vor, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch.
- Nach dem Patentanspruch sei erforderlich, dass der Profilkörper eine Kammer definiere und so deren Position bestimme. Dagegen verlange der Anspruch nicht, dass die Kammer vollständig und umfassend aus dem Profilkörper gebildet sei oder aus dessen Material bestehe. Durch die klare Unterscheidung zwischen den Begriffen „Seite“ und „Wand“ mache das Klagepatent ferner deutlich, dass die Kammer nicht allseits von Wänden umschlossen sein müsse. Auch funktional müsse eine Kammer zum Aufnehmen von hygroskopischem Material nicht vollständig geschlossen sein. Dies werde unter anderem durch die im Klagepatent gewürdigte EP 1 017 XXX A1, veröffentlicht als WO99/XXX (Anlage KA5; nachfolgend: D5) belegt, die als Ausführungsform einer Kammer eine nicht allseitig umschlossene Wanne zeige.
- Die angegriffene Ausführungsform weise auch einen Metallfilm auf. Schließlich sei die Diffusionsbarriere der angegriffenen Ausführungsform aus Edelstahl, dem im Klagepatent als bevorzugt bezeichneten Material, gefertigt, weise die im Patentanspruch genannten Stärke auf und sei durch Koextrusion, einer vom Patent genannten Methode, mit dem Profilkörper verbunden. Der Metallfilm schließe den Profilkörper ferner im Sinne des Klagepatents auf drei Seiten ein. Ein vollständiges Umfassen von Wänden des Profilkörpers verlange das Klagepatent auch in diesem Zusammenhang nicht.
- Weiter setze der Patentanspruch bei sachgerechter Auslegung voraus, dass die Enden des Metallfilms in Richtung auf den Fensterzwischenraum gerichtet seien. An diesen Enden seien, wie bei der angegriffenen Ausführungsform, Profile mit Kanten oder Biegungen vorhanden, die in unterschiedliche Richtungen weisen könnten. Die Auslegung der Beklagten, wonach das Profil in Richtung auf den Fensterzwischenraum ausgerichtet sein müsse, stehe nicht mit dem Grundsatz in Einklang, wonach die im Patentanspruch verwendeten Begriffe im Zweifel so zu verstehen seien, dass sämtliche Ausführungsbeispiele zu ihrer Ausfüllung herangezogen werden könnten.
- Die angegriffene Ausführungsform sei schließlich kaltbiegbar. Hierfür sei es ausreichend, dass sie ohne Erwärmung über Zimmertemperatur, das heißt bei ca. 20°C, aus einem Stück zu einem Abstandhalterrahmen gebogen werden könne. Die Reduktion der Faltenbildung sei dagegen keine Voraussetzung der Kaltbiegbarkeit. Hierfür sehe das Klagepatent vielmehr die Ausbildung eines Profils vor.
- Die Beklagte habe die angegriffene Ausführungsform auf der Messe „F“ in G, einer Verkaufsmesse, im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG angeboten und in Verkehr gebracht. Zudem liege ein Angebot in der Präsentation der angegriffenen Ausführungsform auf der Website der Beklagten.
- Die Klägerin hat zunächst auch die Vernichtung patentverletzender Erzeugnisse verlangt, die Klage insoweit jedoch in der mündlichen Verhandlung vom 28.01.2020 zurückgenommen.
- Nunmehr beantragt die Klägerin,
- wie erkannt,
- wobei es im Antrag zu I. 1. (Unterlassung) am Ende weiter heißt:
- „insbesondere wenn
- der Profilkörper darin eine Kammer zum Aufnehmen hygroskopischen Materials definiert, die seitlich durch Seitenwände definiert ist;
- (EP 2 116 XXX, geänderter Anspruch 2)
- und/oder
- die entsprechenden Seitenwände als eine Anbringbasis zur Anbringung an der Innenseite der Fensterscheiben ausgebildet sind;
- (EP 2 116 XXX, geänderter Anspruch 3).“
- Hilfsweise beantragt die Klägerin,
- es ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung abzuwenden.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen.
- Die Beklagte rügt hinsichtlich des Anbietens der angegriffenen Ausführungsform im Internet die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Der für die Zuständigkeit deutscher Gerichte relevante Verletzungsort im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf das außervertragliche Schuldverhältnis anzuwendende Recht (Rom-II-Verordnung) sei nicht Deutschland, sondern A. Maßgeblich sei der Ort, an dem der Prozess der Veröffentlichung des Angebots durch den Wirtschaftsteilnehmer auf seiner Internetseite in Gang gesetzt worden sei. Auf die angebliche Verletzungshandlung im Internet sei zudem A- Recht anzuwenden.
- Jedenfalls mache die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. So handele es sich bei einer Kammer um einen Körper, der um den gesamten Querschnitt Wände aufweise und von allen Seiten geschlossen sei. Nur ein solches Verständnis entspreche dem allgemeinen und dem technischen englischen und deutschen Sprachgebrauch zum maßgeblichen Zeitpunkt, wie die Stellungnahme des Sachverständigen Dr. H (Anlage HE-A3, in deutscher Übersetzung vorgelegt als Anlage HE-A4) bestätige. Dass die im Klagepatent gewürdigte D5 auch eine einseitig offene Wanne als Kammer ansehe, liege lediglich daran, dass sie eine vom üblichen technischen Sprachgebrauch abweichende, ausdrückliche Definition enthalte.
- Dem dargestellten Begriffsverständnis entsprechend seien im Klagepatent ausschließlich Kammern beschrieben und gezeigt, die im Querschnitt von allen Seiten mit synthetischem Material umschlossen seien. Es fänden sich zudem ausdrückliche Hinweise darauf, dass eine Kammer durch sie umschließende Wände definiert werde. So ergebe sich beispielsweise aus Absatz [0036], dass eine Kammer aus Wänden, dort den beiden Seitenwänden, der Innenwand und der Außenwand definiert werde.
- Der Profilkörper „definiere“ im Sinne des Klagepatents zudem nur dann eine Kammer, wenn die Kammer vollständig, das heißt allein durch den Profilkörper definiert werde. Dies schließe es aus, dass eine oder mehrere der erforderlichen Kammerwände ganz oder teilweise durch den Metallfilm gebildet würden.
- Funktional werde eine Kammer aus synthetischem Material, also Kunststoff, verwendet, weil dessen Wärmeübertragungseigenschaften günstig seien. Dagegen seien die Diffusionsdichtigkeit und die Festigkeit des Materials unzulänglich, hierfür sei Metall besser geeignet. Verstünde man das Klagepatent dahingehend, dass keine Kunststoffwände der Kammer erforderlich seien, wären Wände aus dem einzigen anderen Material zu bilden, nämlich demjenigen der Metallfolie. Diese Wände müssten dick genug sein, um die durch fehlende Kunststoffwände verloren gegangene Festigkeit wett zu machen. Sie würden dann aber wiederum so viel Wärme leiten, dass die „warm edge“-Bedingungen nicht eingehalten werden könnten.
- Bei der angegriffenen Ausführungsform würden die Seitenwände der Kammer aus dem Profilkörper und der Metallfolie gebildet. Die Außenwand werde sogar allein durch die Metallfolie gebildet. Erst aus dem Zusammenwirken beider Elemente entstehe eine Kammer, womit es an einer Patentverletzung fehle.
- Es fehle ferner an einem Metallfilm. Nach der Definition der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung vom 14.09.2018 sei ein Film ein sehr dünner, flexibler Bogen, der sich an die Oberfläche des Gegenstands anpasse, auf den er aufgebracht ist. Überdies handele es sich danach nur dann um einen Metallfilm, wenn dieser an ein anderes Profil laminiert sei. Diese Voraussetzungen träfen auf die Diffusionsbarriere der angegriffenen Ausführungsform nicht zu.
- Selbst wenn es sich bei der Diffusionsbarriere der angegriffenen Ausführungsform aber um einen Metallfilm handelte, schließe dieser den Profilkörper nicht von allen drei Seiten ein. Eingeschlossen sei etwas nur, wenn es vollständig umfasst werde. Der Metallfilm müsse also drei Seiten des Profilkörpers vollständig – von außen – umfassen, wie es beispielsweise in Fig. 6 des Klagepatents gezeigt sei. Bei der angegriffenen Ausführungsform werde die Außenseite nicht eingeschlossen, weil sich dort kein Profilkörper, sondern Trocknungsmittel befinde. Auch an den seitlichen Seiten schließe der Metallfilm den Profilkörper nicht vollständig, sondern nur zu etwa zwei Dritteln von außen ein.
- Die Profile der angegriffenen Ausführungsform seien nicht, wie es anspruchsgemäß aber erforderlich und in den Fig. 7, 8, 9 und 11 gezeigt sei, in Richtung auf den Zwischenraum zwischen den Scheiben gerichtet, sondern in Richtung der gegenüberliegenden Seitenwände.
- Der Begriff der Kaltbiegbarkeit könne nicht lediglich die Möglichkeit bedeuten, ein Abstandhalterprofil bei Raumtemperatur zu einem Rahmen zu biegen. Eine Kaltbiegbarkeit in diesem Sinne sei im Stand der Technik bereits hinlänglich bekannt gewesen und werde von allen gattungsgemäßen Abstandhalterprofilen verwirklicht. Es müsse deshalb bei sachgerechter Auslegung durch die Kaltbiegbarkeit eine Reduktion der Faltenbildung erzielt werden. Bei der angegriffenen Ausführungsform sei dies nicht der Fall. Diese löse das Problem der Faltenbildung vielmehr schlechter als dies im Stand der Technik bekannt gewesen sei.
- Die Klägerin habe weder ein Anbieten noch ein Inverkehrbringen der angegriffenen Ausführungsform auf der Messe „F“ hinreichend vorgetragen. Insbesondere habe sie nicht vorgetragen, dass sie, die Beklagte, Preislisten oder ähnliches für die angegriffene Ausführungsform vorgelegt oder über diese Verkaufsgespräche geführt habe. Es habe sich bei der „F“ überdies um eine Leistungsschau und nicht um eine klassische Verkaufsmesse gehandelt.
- Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.01.2020 Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Die Klage ist zulässig und begründet.
- A.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Düsseldorf auch insoweit international und örtlich zuständig, als die Klage auf das Anbieten der angegriffenen Ausführungsform im Internet gestützt wird. - I.
Nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO, der sowohl die internationale als auch die örtliche Zuständigkeit regelt (Gottwald, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2017, Brüssel Ia-VO Art. 7 Rn. 45), kann eine Person vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Damit sind sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs (Erfolgsort) als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens (Handlungsort) zuständigkeitsbegründend. Fallen Erfolgs- und Handlungsort auseinander, hat der Kläger das Wahlrecht (EuGH, GRUR 2012, 654, 655 Rn. 19 – Wintersteiger/Produkts 4U; GRUR 2015, 296, 297 – Hejduk/ EnergieAgentur; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Abschnitt D Rn. 16). - Der Erfolgsort als Ort der Belegenheit des verletzten Rechtsguts ist identisch mit dem Schutzstaat des verletzten Patents (EuGH, GRUR 2012, 654, 655 Rn. 27 – Wintersteiger/Produkts 4U; BGH, GRUR 2018, 84, 88 Rn. 48 – Parfummarken; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Abschnitt D Rn. 18). Dies gilt auch in Fällen eines Internetangebots, das einen hinreichenden Bezug zum Schutzstaat schon dann aufweist, wenn das Angebot dort zugänglich ist, selbst wenn das Angebot subjektiv nicht für dort ansässige Interessenten bestimmt ist (EuGH, GRUR 2015, 296, 297 f. – Hejduk/EnergieAgentur; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Abschnitt D Rn. 18).
- II.
Danach ist vorliegend die Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf begründet. Erfolgsort des in Deutschland zugänglichen Internetangebots ist Deutschland als Schutzstaat des Klagepatents, nämlich des deutschen Teils des EP 2 116 XXX. Das Internetangebot ist bundesweit und somit auch im Bezirk des Landgerichts G bzw. in Nordrhein-Westfalen (§ 143 Abs. 2 PatG i. V. m. der Verordnung über die Zuweisung von Patentstreitsachen, Gebrauchsmusterstreitsachen und Topografieschutzsachen an das Landgericht G vom 30.08.2011) abrufbar. Dass der Erfolgsort in Deutschland belegen ist, ist für die Begründung der Zuständigkeit deutscher Gerichte ausreichend. Mit der Klageerhebung hat die Klägerin ein etwaiges Wahlrecht jedenfalls ausgeübt. - Vor diesem Hintergrund greift der Einwand der Beklagten, der Prozess der Veröffentlichung der beanstandeten Website sei in A in Gang gesetzt worden, nicht durch. Diese Argumentation befasst sich ebenso wie die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung lediglich mit dem Handlungsort.
- B.
Die Klage ist auch begründet. - Die angegriffene Ausführungsform macht von Anspruch 1 des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Die Klägerin hat aufgrund der patentverletzenden Handlungen der Beklagten die begehrten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf sowie Schadensersatz dem Grunde nach aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB.
- I.
Auf die Verletzung des Klagepatents, dem deutschen Teil des europäischen Patents EP 2 116 XXX, ist nach dem Schutzlandprinzip (lex fori protectionis) deutsches Recht anzuwenden (vgl. OLG G, Urteil vom 17.10.2019 – 2 U 11/18, BeckRS 2019, 31342 Rn. 53 m. w. N.). - II.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. - 1.
Das Klagepatent (nachfolgend genannte Absätze ohne Quellenangabe sind solche der deutschen Übersetzung der Klagepatentschrift, Anlage KA2) betrifft ein Abstandhalterprofil und Isolierfenster mit solchen Abstandhalterprofilen (Absatz [0002]). - Nach den einleitenden Bemerkungen des Klagepatents sind Isolierfenstereinheiten mit wenigstens zwei Fenstern bekannt, die in der Isolierfenstereinheit in einem Abstand voneinander gehalten werden. Isolierfenster sind normalerweise aus anorganischem oder organischem Glas oder aus anderen Materialien wie Plexiglas ausgebildet. Der Abstand der Fenster wird normalerweise durch einen Abstandhalterrahmen gewährleistet. Dieser Abstandhalterrahmen ist entweder aus mehreren Stücken über Verbinder zusammengesetzt oder er ist aus einem Stück gebogen, so dass dann nur noch an einer Stelle der Abstandhalterrahmen durch einen Verbinder zu schließen ist (Absatz [0003]).
- Es wurden, so das Klagepatent weiter, verschiedene Gestaltungen bei Isolierfenstereinheiten verwendet, die eine gute Wärmedämmung aufweisen sollen. Entsprechend einer Gestaltung wird der Scheibenzwischenraum bevorzugt mit einem isolierenden Inertgas wie beispielsweise Argon, Krypton, Xenon etc. gefüllt. Natürlich soll es diesem Füllgas nicht möglich sein, aus dem Scheibenzwischenraum zu entweichen. Der Scheibenzwischenraum muss folglich entsprechend abgedichtet sein. Darüber hinaus soll es natürlich auch in der Umgebungsluft enthaltenem Stickstoff, Sauerstoff, Wasser etc. nicht möglich sein, in den Scheibenzwischenraum einzutreten. Das Abstandhalterprofil muss also diese Diffusion verhindern. Soweit hier der Begriff „Diffusionsdichtigkeit“ bezüglich des Abstandhalterprofils oder der das Abstandhalterprofil bildenden Materialien verwendet wird, sind in der folgenden Beschreibung sowohl Dampfdiffusionsdichtigkeit als auch Gasdiffusionsdichtigkeit für die in Rede stehenden Gase gemeint (Absatz [0004]).
- Weiterhin spielt zur Erzielung einer geringen Wärmeleitung bei diesen Isolierfenstereinheiten insbesondere die Wärmeübertragung des Randverbundes,
d. h. des Verbundes des Rahmens der Isolierfenstereinheit, der Scheiben und des Abstandhalterrahmens, eine sehr große Rolle. Isolierfenstereinheiten, die eine hohe Wärmedämmung im Randverbund sicherstellen, erfüllen die sogenannten „warm edge“-Bedingungen entsprechend der Bedeutung des Begriffs in der Technik (Absatz [0005]). - Herkömmlicherweise wurden Abstandhalterprofile aus Metall hergestellt. Solche aus Metall bestehenden Abstandhalterprofile können jedoch die „warm edge“-Bedingungen nicht erfüllen. Zur Verbesserung solcher Abstandhalterprofile aus Metall wurde das Vorsehen von Kunststoff auf den Abstandhalterprofilen aus Metall z. B. in der US 4,XXX,213 oder der DE 102 26 XXX A1 beschrieben (Absatz [0006]).
- Obwohl ein Abstandhalter, der ausschließlich aus Kunststoff mit einem niedrigen Wärmeleitwert besteht, wohl die „warm edge“-Bedingungen erfüllt, wären die Anforderungen an die Diffusionsdichtigkeit und die Festigkeit sehr schwierig zu erfüllen (Absatz [0007]).
- Andere bekannte Lösungen sehen Abstandhalterprofile aus Kunststoff vor, die mit einer Metallfolie als Diffusionssperre und Verstärkungsschicht versehen sind, wie sie z. B. in der EP 0 953 XXX A2 (Familienmitglied US 6,XXX,652) oder der EP 1 017 XXX A1 (Familienmitglied US 6,XXX,909) gezeigt sind (Absatz [0008]).
- Solche Komposit-Abstandhalterprofile verwenden einen Profilkörper aus Kunststoff mit einer Metallfolie, die zur Erfüllung der „warm edge“-Bedingungen möglichst dünn sein, aber zur Gewährleistung der Diffusionsdichtigkeit und Festigkeit eine gewisse Mindestdicke aufweisen sollte (Absatz [0009]).
- Da das Metall ein wesentlich besserer Wärmeleiter als der Kunststoff ist, wurde z. B. versucht, den Weg für die Wärmeleitung zwischen den Seitenrändern/-wänden (d. h. durch oder über die Metallfolie) so lang wie möglich zu gestalten (siehe die EP 1 017 XXX A1) (Absatz [0010]).
- Zur Verbesserung der Gasdichtigkeit wird der Abstandhalterrahmen bevorzugt aus einem einstückigen Abstandhalterprofil gebogen, möglichst durch Kaltbiegen (bei Raumtemperatur von ungefähr 20°C), damit nur eine die Diffusionsdichtigkeit potentiell verschlechternde Stelle, d. h. die Lücke zwischen den entsprechenden Enden des Abstandhalterrahmens, vorhanden ist. Ein Verbinder wird an dem gebogenen Abstandhalterrahmen zum Schließen und Abdichten der Lücke angebracht (Absatz [0011]).
- Bei dem Biegen, insbesondere beim Kaltbiegen, gibt es das Problem der Faltenbildung an den Biegungen. Der Vorteil des Kaltbiegens ist, wie bereits erwähnt, dass daraus eine bessere Diffusionsdichtigkeit und damit eine erhöhte Lebensdauer der Isolierfenstereinheit resultieren (Absatz [0012]).
- Bei der aus der EP 1 017 XXX A1 bekannten Lösung ist, so das Klagepatent, das Problem der Faltenbildung gut gelöst, aber der für das Trocknungsmittel zur Verfügung stehende Raum in der Kammer ist insbesondere bei kleinen Scheibenabständen, d. h. bei Trennabständen < 12 mm, insbesondere bei 6, 8 oder 10 mm nicht zufriedenstellend. Bei anderen Lösungen, wie sie z. B. in Fig. 1 der EP 0 953 XXX A2 dargestellt sind, bleibt insbesondere auch das Problem der Faltenbildung in den Biegungen bestehen. Bei beiden Lösungen besteht außerdem, wenn die Abstandhalterprofile in einen großen Rahmen eingesetzt werden sollen, das Problem des erheblichen Durchhangs entlang von ungestützten, langen Abschnitten des Abstandhalterprofils (Absatz [0013]).
- Aus der EP 0 601 XXX A2 (Familienmitglied US 5,XXX,862) ist ein Komposit-Abstandhalterprofil bekannt, bei dem an der Seite, die im montierten Zustand dem Scheibenzwischenraum zugewandt ist, in dem Kunststoff eine Versteifungseinlage eingebettet ist. Die US 5,XXX,289 offenbart einen Komposit-Abstandhalter. Die US 4,XXX,431 offenbart eine Abdichtungs- und Abstandhaltereinheit für Mehrscheibenfenster mit einem Abstandhalter-Dehydrator-Element, das zwischen den Fensterscheiben zu positionieren ist (Absatz [0014]).
- Davon ausgehend bezeichnet es das Klagepatent als seine Aufgabe, ein verbessertes Abstandhalterprofil anzugeben, das bevorzugterweise die „warm edge“-Bedingungen erfüllt und das Problem der Faltenbildung bei möglichst großem Volumen der Kammer für das Trocknungsmittel vermindert. Verbesserte Isolierfenstereinheiten mit solchen Abstandhalterprofilen sind andere Ziele der Erfindung (Absatz [0015]).
- 2.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent ein Abstandhalterprofil nach dem vorliegend geltend gemachten Klagepatentanspruch 1 vor, der sich wie folgt gliedern lässt: - 1. Abstandhalterprofil (50) zur Verwendung als ein Abstandhalterprofilrahmen, der zum Montieren in und/oder entlang dem Randbereich einer Isolierfenstereinheit zum Ausbilden und Aufrechterhalten eines Zwischenraums (53) zwischen Fensterscheiben (51, 52) geeignet ist.
- 2. Das Abstandhalterprofil (50) weist einen Profilkörper (10) auf, der aus einem synthetischen Material gemacht ist;
- 2.1 der Profilkörper (10) definiert eine oder mehrere Kammern (20) zum Aufnehmen hygroskopischen Materials darin.
- 3. Das Abstandhalterprofil (50) weist einen Metallfilm (30) auf, der den Profilkörper (10) auf drei Seiten derart einschließt, dass in dem gebogenen und/oder zusammengefügten Zustand des Abstandhalterprofils (50) die nicht eingeschlossene Innenseite des Profilkörpers in Richtung auf den Zwischenraum (53) zwischen den Fensterscheiben (51, 52) gerichtet ist;
- 3.1 der Metallfilm (30) weist eine erste Dicke d1 größer als oder gleich 0,03 mm und kleiner als oder gleich 0,20 mm auf.
- 4. Die nicht eingeschlossene Innenseite des Profilkörpers (10) weist Öffnungen (15) auf, die dazu angepasst sind, Feuchtigkeitsaustausch zwischen hygroskopischem Material, das in der/den Kammer(-n) (20) aufgenommen ist, und dem Zwischenraum (53) zwischen den Fensterscheiben (51, 52) zu erleichtern.
- 5. Der Metallfilm (30) weist ein Profil (31a-g, 32a-g) an jedem Ende auf, das in Richtung auf den Zwischenraum (53) zwischen den Fensterscheiben (51, 52) gerichtet ist, bei dem das Profil mindestens eine Kante oder Biegung aufweist;
- 5.1 das Profil (31a-g, 32a-g) ist vollständig durch den Profilkörper eingeschlossen.
- 6. Das Abstandhalterprofil ist kaltbiegbar.
- 3.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die Merkmale 2.1, 3, 5 und 6 des Klagepatentanspruchs 1. Die Verwirklichung der übrigen Merkmale ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, so dass es insoweit keiner Ausführungen bedarf. - a)
Merkmal 2.1 ist verwirklicht. - aa)
Nach Merkmal 2.1 definiert der Profilkörper eine oder mehrere Kammern zum Aufnehmen von hygroskopischem Material darin. - (1)
Der Profilkörper, der nach Merkmal 2 aus einem synthetischen Material gemacht ist, „definiert“ nach Merkmal 2.1 die Kammer. Der Profilkörper ist es somit, der die Lage der Kammer im Abstandhalterprofil bestimmt. Hierfür ist es nicht notwendig, dass die Kammer nach allen Seiten von aus dem synthetischen Material des Profilkörpers gebildeten Wänden umschlossen ist. - Dem Klagepatent liegt sowohl im Hinblick auf die Kammer als auch im Hinblick auf den Profilkörper eine klare Differenzierung der Begriffe „Wand“ und „Seite“ zugrunde. Deutlich wird dies beispielsweise in Absatz [0037], wo von einer auf einer Seite der Kammer angeordneten Außenwand die Rede ist. Eine Wand kann somit auf einer Seite angeordnet sein, ist mit dieser aber nicht gleichzusetzen. Auch in den Absätzen [0018], [0020] und [0036] werden jeweils beide Begriffe in Abgrenzung zueinander verwendet. Anknüpfend an diese Unterscheidung spricht der Anspruchswortlaut in den Merkmalen 3 und 4 von Seiten des Profilkörpers, während er „Wände“ des Profilkörpers nicht nennt.
- Zwar wird in den Ausführungsbeispielen des Klagepatents die Kammer durch vier miteinander verbundene Wände des Profilkörpers gebildet (vgl. Fig. 4a, b; Absatz [0036]) und die Kammer wird durch diese Wände „begrenzt“ bzw. – in zutreffenderer Übersetzung des maßgeblichen englischen Wortlauts – „definiert“ (vgl. Absatz [0036] der Anlage KA1: „The chamber 20 is defined […]“). Jedoch darf der Schutzbereichs eines Patents nicht auf gezeigte Ausführungsbeispiele beschränkt werden, weil sie die Lehre des Hauptanspruchs bloß exemplarisch aufzeigen (BGH, GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe). Im Anspruch hat eine Vorgabe von vier Wänden des Profilkörpers keinen Niederschlag gefunden. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch kein dahingehender Rückschluss ziehen, dass nur vier Wände des Profilkörpers die Kammer „definieren“. Weil in dem beschriebenen Ausführungsbeispiel vier miteinander verbundene Wände des Profilkörpers vorhanden sind, bilden diese die Kammer und definieren sie zugleich. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass der Profilkörper die Kammer bei einer anderen Ausgestaltung nicht definiert.
- (2)
Die Funktion der Kammer ergibt sich aus der Zweckangabe im Merkmal selbst. Die Kammer dient danach zum Aufnehmen hygroskopischen Materials darin. Zur Erfüllung dieser Funktion ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Kammer das hygroskopische Material halten kann. Ob dies dadurch erreicht wird, dass die Kammer nach allen Seiten von Wänden des Profilkörpers umschlossen ist oder auf andere Weise, ist unerheblich. Soweit der Verbleib des hygroskopischen Materials in der Kammer gewährleistet ist, ist insbesondere nicht ausgeschlossen, dass die Kammer auf einer Seite nur durch den in Merkmal 3 vorgesehenen Metallfilm begrenzt wird. - Dass eine nicht allseitig von Wänden umschlossene Kammer zur Aufnahme von hygroskopischem Material geeignet sein kann, wurde dem Fachmann zudem durch die in den Absätzen [0008], [0010] und [0013] des Klagepatents gewürdigte D5 bestätigt. Die D5 versteht unter einer Kammer neben allseitig geschlossenen Hohlräumen auch wannenartige Profilformen mit drei Wänden (Seite 8, vorletzter Absatz; Seite 18, 4. Absatz; Fig. 11, 12 der D5). Die D5 weist nach der Würdigung des Klagepatents die in Absatz [0013] genannten Nachteile auf. Eine fehlende Eignung der als Wanne ausgebildeten Kammer zur Aufnahme des hygroskopischen Materials wird dabei nicht erwähnt.
- Das Erfordernis einer nach allen Seiten von Wänden des Profilkörpers umschlossenen Kammer folgt auch nicht daraus, dass anderenfalls die „warm edge“-Bedingungen nicht erfüllt werden können. Im Patentanspruch wird die Erfüllung der „warm edge“-Bedingungen, die auch in der subjektiven Aufgabenstellung nur als bevorzugte Ausgestaltung erwähnt werden (Absatz [0015]), nicht als selbstständige Voraussetzung genannt. Soweit die Beklagte argumentiert, dass bei einer auf einer Seite der Kammer nicht vorhandenen Wand aus dem Kunststoff des Profilkörpers der Metallfilm dick genug sein müsste, um die durch die fehlende Kunststoffwand verloren gegangene Festigkeit wett zu machen, dann jedoch so viel Wärme leiten würde, dass die „warm edge“-Bedingungen nicht eingehalten werden können, folgt daraus nichts anderes. Der Anspruch gibt in Merkmal 3.1 die Maximaldicke eines anspruchsgemäßen Metallfilms selbst an. Dass mit einem dünneren Film die „warm edge“-Bedingungen besser erfüllbar sein mögen (vgl. Absatz [0033]), ist für die Anspruchsverwirklichung unerheblich. Das Klagepatent sieht die in Merkmal 3.1 genannte Grenze von kleiner als oder gleich 0,2 mm als ausreichend an, um der beanspruchten Lehre entsprechend nicht zu viel Wärme zu leiten.
- (3)
Der Wortlaut „Kammer“ gebietet keine andere Sichtweise. Nach den Ausführungen in der von der Beklagten überreichten Stellungnahme des Gutachters Dr. H habe ein Fachmann im Jahr 2004 eine Kammer in einem Abstandhalter normalerweise im Querschnitt als Struktur verstanden, die um den Umfang herum geschlossen ist, wenn man die Durchtritte für den Gasaustausch zwischen dem Scheibenzwischenraum und der Kammer außer Betracht lasse. Offene Strukturen würden demgegenüber, so die Beklagte, als „channel“ bezeichnet. Jedoch stellt die Patentschrift im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon dar, so dass letztlich der einer Patentschrift zu entnehmende Begriffsinhalt maßgebend ist (BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Wie erörtert, liegt dem Klagepatent eine klare Unterscheidung der Begriffe „Wand“ und „Seite“ zugrunde. Gleichwohl gibt Merkmal 2.1 lediglich vor, dass der Profilkörper die Kammer definiert, nicht jedoch, dass er die Kammer mit vier Wänden umschließt. Damit hat das Klagepatent sein Verständnis hinreichend zum Ausdruck gebracht, so dass kein Raum für einen Rückgriff auf den von der Beklagten vorgetragenen Sprachgebrauch verbleibt. - (4)
Schließlich ergibt sich etwas anderes nicht aus den Erwägungen der Einspruchsabteilung in der Entscheidung vom 14.09.2018 (in englischer Sprache vorgelegt als Anlage KA4/HE-A6). Die Beklagte beruft sich darauf, dass die Einspruchsabteilung im Hinblick auf die Entgegenhaltung US 5,XXX,289 A (in englischer Sprache vorgelegt als Anlage HE-A5; nachfolgend: D4) festgestellt habe, dass die dortige Kammer aus einem Metallteil 120A und dem Profilkörper 110A gebildet werde und es daher nicht der Profilkörper 110A sei, der die Kammer definiere. In Fig. 1A der D4, auf die sich die zitierte Passage bezieht, begrenzt das Bauteil top bridge member 110A aus Kunststoff die gezeigte Kammer im Querschnitt allerdings lediglich nach einer Seite, während die übrigen drei Seiten aus dem Bauteil J aus Metall gebildet werden. Vor diesem Hintergrund lässt sich der zitierten Passage bereits nicht die Aussage entnehmen, nur bei einer Ausbildung aller vier Wände als Profilkörper aus Kunststoff definiere dieser die Kammer. - bb)
Diese Auslegung zugrunde gelegt, definiert der aus Kunststoff bestehende Profilkörper der angegriffenen Ausführungsform eine Kammer zum Aufnehmen hygroskopischen Materials darin. Dass die Kammer nicht vollständig von aus dem Kunststoff des Profilkörpers bestehenden Wänden umschlossen wird, führt, wie gesehen, nicht aus der Verletzung heraus. Ob man die als Metallfolie ausgebildete Diffusionsbarrierenschicht ausschließlich der Außenseite oder, wie die Beklagte, teilweise den seitlichen Seiten der Kammer zuordnet, kann offen bleiben. Auch bei der letztgenannten Sichtweise bestimmt der Profilkörper die Lage der Kammer innerhalb des Abstandhalterprofils und definiert diese somit im Sinne des Merkmals 2.1. - b)
Merkmal 3 ist ebenfalls verwirklicht. - aa)
Nach Merkmal 3 weist das Abstandhalterprofil einen Metallfilm auf, der den Profilkörper auf drei Seiten derart einschließt, dass in dem gebogenen und/oder zusammengefügten Zustand des Abstandhalterprofils die nicht eingeschlossene Innenseite des Profilkörpers in Richtung auf den Zwischenraum zwischen den Fensterscheiben gerichtet ist. - (1)
Mit dem Begriff „Metallfilm“ gibt der Patentanspruch zum einen das Material – Metall – vor. Zum anderen gibt Merkmal 3.1 die Dicke des Films vor, nämlich größer als oder gleich 0,03 mm und kleiner als oder gleich 0,20 mm. - Aus dem Wortlaut „Film“ lassen sich keine darüber hinausgehenden Anforderungen an die Ausgestaltung des Metallfilms ableiten. Soweit die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung vom 14.09.2018 (in englischer Sprache vorgelegt als Anlage KA4/HE-A6) ausführt, dass für den Fachmann der Ausdruck „Film“ ein Material in Form eines sehr dünnen, flexiblen Bogens sei und der Film sich an die äußere Form des Profilkörpers nach seinem Auflegen anpassen müsse, kann dem jedenfalls nach der Einschränkung des Klagepatents im Beschwerdeverfahren nicht gefolgt werden. Durch das – erst durch die Einschränkung in den Anspruch aufgenommene – Merkmal 3.1 hat das Klagepatent die Dicke des Metallfilms abschließend festgelegt. Neben der Festlegung von Material sowie Mindest- und Maximaldicke im Anspruch bleibt auch kein Raum für die Forderung eines bestimmten Grades an Flexibilität. Eine Reihenfolge der Herstellung des geschützten Erzeugnisses ist ebenfalls nicht Gegenstand des Patentanspruchs. Auch dass der Metallfilm, wie die Beklagte unter Berufung auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung weiter argumentiert, an ein anderes Profil laminiert sein muss, findet im Patentanspruch keine Grundlage.
- Funktion des Metallfilms ist es, zumindest im Wesentlichen die Diffusionsdichtigkeit des Abstandhalterprofils herzustellen und vorzugsweise auch als Verstärkungselement zu dienen (vgl. Absätze [0009], [0018], [0033]). Mit der in Merkmal 3.1 vorgegebenen Mindestdicke wird erreicht, dass die Folie ausreichend dick ist, um gas- und dampfundurchlässig zu sein (vgl. Absatz [0018]). Andererseits werden die „warm edge“-Bedingungen besser erfüllt, je dünner die Folie ist (Absatz [0033]). Vor diesem Hintergrund gibt Merkmal 3.1 auch eine Maximaldicke an, um die Wärmeleitung zu begrenzen. Dass der Film über eine besondere Flexibilität verfügt oder an ein anderes Profil laminiert ist, ist für die Erfüllung der Funktion nicht erforderlich.
- (2)
Weiter gibt Merkmal 3 vor, dass der Metallfilm den Profilkörper auf drei Seiten derart einschließt, dass in dem gebogenen und/oder zusammengefügten Zustand des Abstandhalterprofils die nicht eingeschlossene Innenseite des Profilkörpers in Richtung auf den Zwischenraum zwischen den Fensterscheiben gerichtet ist. - Bei den „drei Seiten“, auf denen der Metallfilm den Profilkörper einschließt, handelt es sich um die Seiten des Profilkörpers und nicht etwa um diejenigen des Metallfilms. Dies wird daran deutlich, dass Merkmal 3 selbst, wie auch Merkmal 4, die „Innenseite des Profilkörpers“ als nicht eingeschlossen bezeichnet. Zudem greift die allgemeine Beschreibung in Absatz [0018] den Wortlaut des Merkmals auf und nennt als Beispiel für die drei eingeschlossenen Seiten solche des Profilkörpers.
- Der Profilkörper weist bei einer im Querschnitt rechteckigen Ausgestaltung vier Seiten auf – Innenseite, Außenseite und zwei seitliche Seiten. Um aus dem synthetischen Material des Profilkörpers ausgebildete Wände muss es sich bei diesen Seiten jedoch nicht handeln. Dies folgt auch insofern aus der klaren Unterscheidung zwischen Wänden und Seiten, die das Klagepatent vornimmt. Da nach dem Wortlaut des Merkmals die Innenseite des Profilkörpers nicht von dem Metallfilm eingeschlossen ist, schließt der Metallfilm den Profilkörper bei einer im Querschnitt rechteckigen Ausgestaltung auf dessen Außenseite und auf seinen zwei seitlichen Seiten ein.
- „Eingeschlossen“ ist eine Seite nach der Lehre des Klagepatents, wenn sie mit Metall bedeckt ist. Dies geht aus Absatz [0019] hervor, in der die innere Seite als „nicht umschlossene (nicht mit Metall bedeckte)“ Seite beschrieben wird. Der Heranziehung von Absatz [0019] steht nicht entgegen, dass dort statt von einer „eingeschlossenen Seite“ von einer „umschlossenen Seite“ die Rede ist. Die Differenzierung zwischen den Begriffen „umschlossen“ und „eingeschlossen“ in der Anlage KA2 findet in der nach Art. 70 Abs. 1 EPÜ maßgeblichen englischen Fassung keine Entsprechung. Dort wird sowohl in Absatz [0019] als auch in den den Merkmalen 3 und 4 entsprechenden Teilen des Anspruchs das Verb „X“ verwendet.
- Funktion des Einschlusses des Profilkörpers auf drei Seiten durch den Metallfilm ist es, eine weitgehende Diffusionsdichtigkeit zu erreichen. Aus diesem Grund ist auch die Innenseite des Profilkörpers, an der der Feuchtigkeitsaustausch zwischen dem in die Kammer aufgenommenen hygroskopischen Material und dem Zwischenraum zwischen den Fensterscheiben stattfindet (vgl. Merkmal 4, Absatz [0039]), von dem Einschluss durch den Metallfilm ausgenommen. Zur Herstellung einer weitgehenden Diffusionsdichtigkeit ist es nicht notwendig, dass eine Wand des Profilkörpers mit Metall bedeckt ist. Das synthetische Material des Profilkörpers spielt für die Diffusionsdichtigkeit nach der Lehre des Klagepatents keine Rolle.
- Die einzelnen Seiten müssen nicht vollständig, das heißt ihrer gesamten Ausdehnung nach, von dem Metallfilm bedeckt sein. Der Wortlaut des Merkmals gibt entsprechendes nicht vor. Auch zur Erfüllung der Funktion ist eine Bedeckung, die eine weitgehende – somit nicht vollständige – Diffusionsdichtigkeit herstellt, ausreichend. Das Klagepatent schließt insbesondere nicht aus, dass sich das nach Merkmal 5 vorgesehene Profil des Metallfilms nicht bis zur vollständigen Höhe der nicht eingeschlossenen Innenseite erstreckt. Dies wird vor allem daran deutlich, dass in den Fig. 4, 5, 7, 8 und 9 eine Ausgestaltung gezeigt ist, in denen der Metallfilm mit seinem Profil unterhalb der Höhe der dort vorhandenen Seitenwände des Profilkörpers endet. Im Zweifel sind die im Anspruch verwendeten Begriffe so zu verstehen, dass sämtliche Ausführungsbeispiele zu ihrer Ausfüllung herangezogen werden können (vgl. BGH, GRUR 2015, 972, 974 – Kreuzgestänge).
- bb)
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht das so verstandene Merkmal 3. Sie verfügt über eine Diffusionsbarriere aus dem vorgegebenen Material, nämlich Metall in Form von Edelstahl, und liegt mit ihrer Dicke von 0,10 mm innerhalb des in Merkmal 3.1 vorgegebenen Bereichs. Der Metallfilm schließt den Profilkörper auf drei Seiten in der in Merkmal 3 vorgegebenen Weise ein. Er erstreckt sich über die Seitenwände und die Außenseite des Profilkörpers. Dass die Außenseite des Profilkörpers nicht als Wand ausgebildet ist, sondern der Metallfilm allein die Diffusionsdichtigkeit herstellt, ist nach obiger Auslegung unerheblich. Ebenso steht es der Merkmalsverwirklichung nicht entgegen, dass das Profil des Metallfilms unterhalb der Höhe der Seitenwände des Profilkörpers endet. - c)
Auch Merkmal 5 ist verwirklicht. - aa)
Nach Merkmal 5 weist der Metallfilm ein Profil an jedem Ende auf, das in Richtung auf den Zwischenraum zwischen den Fensterscheiben gerichtet ist, bei dem das Profil mindestens eine Kante oder Biegung aufweist. - Ob sich der Passus „das in Richtung auf den Zwischenraum zwischen den Fensterscheiben gerichtet ist“ auf das Profil oder auf das jeweilige Ende des Metallfilms bezieht, wird durch den Wortlaut nicht eindeutig beantwortet. Dies gilt auch für die nach Art. 70 Abs. 1 EPÜ maßgebliche englische Verfahrenssprache („the metal film comprises a profile on each end that is directed towards the intervening space between the window panes“).
- Allerdings steht nur die letztgenannte Auslegung im Einklang mit dem sonstigen Inhalt der Patentschrift. Legt man diese zugrunde, kommt es auf die Ausrichtung des Endes des Metallfilms an, an dem das Profil ausgebildet ist. Das Ende des Metallfilms ist in Richtung auf den Fensterscheibenzwischenraum gerichtet, wenn der Verlauf des Metallfilms in räumlicher Nähe zu der Innenseite endet. An demjenigen Ende, welches in räumlicher Nähe zu der Innenseite gelegen ist, soll das Profil ausgebildet sein. Eine solche Positionierung des Profils möglichst nah an der Innenseite wird in der Patentschrift mehrfach ausdrücklich als vorteilhaft bezeichnet (vgl. Absätze [0020], [0043], [0045], [0049], [0051]). Alle Ausführungsbeispiele des Klagepatents zeigen zudem eine solche Ausgestaltung.
- Demgegenüber verhält sich das Patent nicht zu einer Ausrichtung des Profils in eine bestimmte Richtung. Zwar erläutert das Patent beispielhaft den möglichen Verlauf der Biegungen bei der Ausbildung eines Profils (vgl. Absätze [0053], [0055]). Das Patent enthält aber keinen Hinweis darauf, dass eine Richtung des Profils von Bedeutung ist oder dass ein Profil überhaupt eine solche Richtung aufweist. Ferner bliebe bei dieser Sichtweise offen, wie eine solche Richtung überhaupt zu verstehen wäre. Auch an den erwähnten Stellen beschreibt das Klagepatent nur den Verlauf des Metallfilms und nennt keine Richtung des fertig ausgebildeten Profils.
- Aus der Funktion des Merkmals ergeben sich ebenfalls keine Hinweise darauf, dass die Richtung des Profils von Bedeutung ist. Durch die Ausbildung eines Profils kann der Durchhang gegenüber der Ausbildung ohne profilierten Verlängerungsabschnitt verringert werden (Absätze [0056], [0057]). Ferner kann die Faltenbildung in den Biegungen, also die Zahl der Falten und/oder die Länge der Falten, reduziert werden (Absatz [0059]). Beides bedingt weitere Vorteile (vgl. Absatz [0061]). Ein Anhaltspunkt dafür, dass diese Vorteile durch eine bestimmte Richtung des Profils erreicht oder verbessert werden können, ist nicht ersichtlich.
- Legt man die Argumentation der Beklagten zugrunde und stellt für die Richtung des Profils darauf ab, wo entweder eine Biegung um 180° vollzogen wird (Fig. 7, 8, 9) oder der Metallfilm endet (Fig. 11), wären nur die Fig. 7, 8, 9 und 11 anspruchsgemäß. Demgegenüber zeigten die Fig. 4, 5 und 6 keine anspruchsgemäße Ausführungsformen. Im Zweifel sind die im Anspruch verwendeten Begriffe allerdings so zu verstehen, dass sämtliche Ausführungsbeispiele zu ihrer Ausfüllung herangezogen werden können (vgl. BGH, GRUR 2015, 972, 974 – Kreuzgestänge). Da vorliegend, wie erläutert, eine Auslegungsvariante zur Verfügung steht, bei der sämtliche Ausführungsformen vom Anspruch erfasst sind, wird der Fachmann diese wählen.
- bb)
Diese Auslegung zugrunde gelegt, verwirklicht die angegriffene Ausführungsform Merkmal 5. Die Diffusionsbarriere der angegriffenen Ausführungsform weist an beiden Enden, die sich in räumlicher Nähe zum Fensterscheibenzwischenraum befinden, ein Profil in Form einer Biegung auf. - d)
Schließlich ist Merkmal 6 verwirklicht. - aa)
Nach Merkmal 6 ist das Abstandhalterprofil kaltbiegbar. - Unter einem Kaltbiegen versteht das Klagepatent das Biegen bei Raumtemperatur von ungefähr 20°C (Absatz [0011]). Vorteil des Kaltbiegens ist es, dass dadurch eine verbesserte Diffusionsdichtigkeit erzielt (Absätze [0011], [0012]) und so die Lebensdauer der Isolierfenstereinheit erhöht werden kann (Absatz [0012]). Grund der besseren Diffusionsdichtigkeit ist, dass durch das Biegeverfahren keine zusätzlichen die Diffusionsdichtigkeit potentiell verschlechternden Stellen entstehen. Wird der Abstandhalterrahmen aus einem einstückigen Abstandhalterprofil durch Kaltbiegen gebogen, ist sogar nur eine derartige Stelle vorhanden (vgl. Absatz [0011]).
- Eine faltenfreie Verbiegbarkeit oder eine Reduktion der Faltenbildung gegenüber dem Stand der Technik ist dagegen keine Voraussetzung der Kaltbiegbarkeit. Im Gegenteil bezeichnet das Klagepatent die Faltenbildung an den Biegungen als besonders beim Kaltbiegen auftretendes Problem (Absatz [0012]). Angesichts der im Übrigen bestehenden Vorteile des Kaltbiegens nimmt das Klagepatent diesen Nachteil jedoch in Kauf. Zur Reduktion der Faltenbildung dient nach der Lehre des Klagepatents, wie unter c) erläutert, die Ausbildung eines Profils des Metallfilms.
- „Kaltbiegbar“ ist das Abstandhalterprofil bereits dann, wenn es geeignet ist, im Wege des Kaltbiegens gebogen und so zu einem Abstandhalterprofilrahmen (vgl. Merkmal 1) geformt zu werden. Auf eine tatsächliche Herstellung des gebogenen Zustands durch das Kaltbiegen kommt es demgegenüber nicht an.
- bb)
Eine Kaltbiegbarkeit in diesem Sinne lässt sich feststellen. Dass die angegriffene Ausführungsform bei Zimmertemperatur zu einem Profilrahmen gebogen werden kann, haben die Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vom 28.01.2020 nicht mehr bestritten. Vielmehr haben sie erklärt, dies sei eine Eigenschaft aller gattungsgemäßen Abstandhalterprofile. - III.
Es liegen auch Benutzungshandlungen im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG vor. - 1.
Die Beklagte bietet die angegriffene Ausführungsform im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG im Inland an, indem sie sie auf ihrer aus Deutschland abrufbaren und in deutscher Sprache verfassten Website bewirbt. Auf die tatsächliche Lieferbereitschaft ins Inland kommt es auch bei Internetangeboten nicht an (OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.01.2009 – 6 U 54/06– SMD-Widerstand, Rn. 99 bei juris). - 2.
Darüber hinaus hat die Beklagte die angegriffene Ausführungsform auf der Messe „F“, die vom 23. bis 26.10.2018 in G stattfand, im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG angeboten und in Verkehr gebracht. - a)
Die Verteilung der Präsentationsmappe mit den darin enthaltenen Mustern der angegriffenen Ausführungsform auf der Messe war dazu geeignet und bestimmt, Interesse an dem Produkt zu wecken und auf dieses bezogene Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen. Dies reicht für ein Anbieten im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG aus. - Dass der Mappe eine Preisliste nicht beigefügt war, steht dieser Bewertung nicht entgegen. Interesse an dem Produkt wird bereits durch dessen Darstellung selbst geweckt. Um eine wirksame Vertragsofferte im Sinne von § 145 BGB muss es sich nicht handeln (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Auflage 2020, Abschnitt A Rn. 287).
- Ferner greift der Einwand der Beklagten, ein Anbieten sei wegen des Charakters der „F“ als Leistungsschau ausgeschlossen, nicht durch. Zwar trifft es zu, dass von dem Grundsatz, wonach das Ausstellen von Waren auf einer inländischen Fachmesse ein Anbieten darstellt, abzuweichen ist, wenn es sich ausnahmsweise um die Teilnahme an einer reinen Leistungsschau handelt (OLG G, Urteil vom 27.03.2014 – 15 U 19/14, BeckRS 2014, 16067 Rn. 34; Urteil vom 06.10.2016 – I-2 U 19/16, GRUR-RS 2016, 21218 Rn. 61). Bei der „F“ handelte es sich jedoch nicht um eine reine Leistungsschau in diesem Sinne, sondern jedenfalls auch um eine Verkaufsmesse.
- „Verkaufsmesse“ und „Leistungsschau“ sind nicht zwei verschiedene Arten von Messeveranstaltungen, die einander ausschließen, so dass entweder das eine oder das andere vorliegt. Der Begriff „Leistungsschau“ bezieht sich vielmehr auf die Darstellung von Leistungen in einem bestimmten Bereich, während der Begriff „Verkaufsmesse“ die Zielrichtung des Absatzes der ausgestellten Produkte beschreibt. Bei einer Fachmesse, auf der Unternehmen ihre Produkte präsentieren, liegt regelmäßig beides vor, weil die Unternehmen mit der Darstellung der erbrachten Leistungen zumindest auch, regelmäßig sogar in erster Linie, den Zweck verfolgen, die die Leistungen verkörpernden Produkte zu verkaufen (OLG G, Urteil vom 27.03.2014 – 15 U 19/14, BeckRS 2014, 16067 Rn. 36). Dies wird auch durch die Pressemitteilung zur „F“ (Anlage HE-A2) bestätigt. So werden auf Seite 1, 1. Absatz „…“ hervorgehoben. Ob es sich dabei um bereits auf der Messe zustande gekommene oder zukünftige Abschlüsse handelt, spielt für die Bewertung als (jedenfalls auch) Verkaufsmesse keine Rolle. Ähnlich heißt es auf Seite 3, letzter Absatz: „…“. Dass die Darstellung von Leistungen an sich und der „Wissenstransfer“ (vgl. Seite 2, 1. Absatz der Anlage HE-A2) ebenfalls zentrale Aspekte der Messe gewesen sind, schließt, wie dargestellt, das Vorliegen (auch) einer Verkaufsmesse nicht aus.
- b)
Indem die Beklagte die Präsentationsmappe einschließlich der darin enthaltenen Muster den Empfängern der Mappe überließ und ihre eigene Verfügungsgewalt aufgab, hat sie die angegriffene Ausführungsform zudem im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG in Verkehr gebracht. Die Aushändigung und Überlassung eines funktionsfähigen Musters zur Absatzwerbung ist hierfür ausreichend (vgl. Mes, in: Mes, Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz, 4. Auflage 2015, § 9 Rn. 46; Ann, in: Kraßer/Ann, Patentrecht, 7. Auflage 2016, § 33 Rn. 120; Scharen, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 9 Rn. 44). Dass die in der Präsentationsmappe enthaltenen Muster nicht im Sinne der Lehre des Klagepatents funktionsfähig waren, ist weder geltend gemacht noch sonst erkennbar. - Dagegen ist nicht feststellbar, dass die Beklagte die angegriffene Ausführungsform auch dadurch in Verkehr gebracht hat, dass sie Exemplare der angegriffenen Ausführungsform auf der Messe gewerblichen Abnehmern zur Vorführung des Herstellungsprozesses von Rahmen auf Biegemaschinen zur Verfügung gestellt hat. Die Klägervertreter haben in der mündlichen Verhandlung vom 28.01.2020 in dem abgetrennten Verfahren 4a O 61/19 nicht mehr bestritten, dass die Firma K die angegriffene Ausführungsform selbst zur „F“ mitgebracht hat. Ihren schriftsätzlichen Vortrag haben sie dahingehend klargestellt, dass es sich um eine bloße Schlussfolgerung gehandelt hat.
- IV.
Aufgrund der festgestellten Patentverletzung ergeben sich die nachfolgenden Rechtsfolgen. - 1.
Gemäß Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG ist die Beklagte der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet. - 2.
Des Weiteren hat die Klägerin gegen die Beklagte im begehrten Umfang einen Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach. - Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.
- Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.
- 3.
Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140b Abs. 3 PatG. - Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren festgestellten Schadensersatzanspruch zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunft im zuerkannten Umfang aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
- 4.
Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückruf der schutzrechtsverletzenden Erzeugnisse aus den Vertriebswegen gemäß Art. 64 EPÜ
i. V. m. § 140a Abs. 3 PatG. Für die Unverhältnismäßigkeit des Anspruchs bestehen keine Anhaltspunkte. - C.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. - Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Auf Antrag der Klägerin sind Teilsicherheiten für die gesonderte vorläufige Vollstreckung festgesetzt worden.