Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2974
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 12. November 2019, Az. 4c O 32/18
- I. Der Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,
- Schneidzähne mit einem Zahnkopf und einem Zahnschaft, der an seinen Schmalseiten ein Profil aufweist, wobei an mindestens einer Schmalseite eine Ausnehmung vorgesehen ist,
- Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern,
- soweit der jeweilige Schneidzahn dazu geeignet ist, in einer Schneidzahnanordnung für ein Erdbearbeitungsgerät eingesetzt zu werden, die außer dem Schneidzahn eine Halterung mit Einstecköffnung aufweist, in welche der Zahnschaft in einer Einsteckrichtung einsteckbar ist, wobei in einer eingesteckten Position der Zahnschaft in der Halterung mittels einem quer zur Einsteckrichtung angeordneten Befestigungsstift lösbar gehalten ist, wobei die Halterung gabelförmig mit zwei Haltearmen ausgebildet ist und die Haltearme im Bereich der Einstecköffnung in ihrem Abstand zueinander erweiterbar sind und die Halterarme jeweils eine Anlageseite aufweisen, die an den Schmalseiten des Zahnschafts anliegen, wobei zusätzlich zu den Schmalseiten des Zahnschafts auch die Anlagenseiten zur Bildung eines Formschlusses quer zur Einsteckrichtung mit einem Profil versehen sind und wobei auch an der Anlageseite zumindest eines Haltearmes eine Ausnehmung vorgesehen ist, so dass diese Ausnehmung und die Ausnehmung an der zugehörenden Schmalseite des Zahnschafts in der eingesteckten Position gemeinsam einen Durchgang für den Befestigungsstift bilden, soweit an einer dem Boden zugewandten Breitseite des Zahnschaftes eine pfeilförmige Erhebung angeordnet ist, welche gegenüber der Halterung vorsteht, und von einer oberen Flachseite der pfeilförmigen Erhebung verschleißmindernde Elemente vorstehen;
- 2. der Klägerin Auskunft zu erteilen und durch Vorlage eines geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang er die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 11. März 2004 begangen hat, und zwar unter Angabe,
- a) der Menge der erhaltenen Schneidzähne und der Menge der bestellten Schneidzähne sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,
- b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie Typenbezeichnungen und außerdem der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
- c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Typenbezeichnungen und außerdem der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
- d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- – wobei dem Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern der Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist
- – und wobei der Beklagte zum Nachweis der Angaben zu a) und b) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.
- II. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 11. März 2004 begangenen Handlungen entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
- III. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.799,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Juni 2018 zu bezahlen.
- IV. Die Widerklage wird abgewiesen.
- V. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin und der Beklagte jeweils zu 50 %.
- VI. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung hinsichtlich des Tenors zu Ziffer I.1. in Höhe von 150.000,- €, hinsichtlich der Tenors zu Ziffer I.2 in Höhe von 50.000,- € und hinsichtlich des Tenors zu Ziffer III. sowie der Kosten in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Für den Beklagten ist das Urteil wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. - Tatbestand
- Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen mittelbarer Verletzung des europäischen Patents 1 223 XXX B1 (im Folgenden: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach sowie auf Erstattung außergerichtlicher Kosten in Anspruch. Das Klagepatent wurde am 23. November 2001 unter Inanspruchnahme der Priorität eines deutschen Gebrauchsmusters vom 12. Januar 2001 in deutscher Verfahrenssprache angemeldet. Die Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents erfolgte am 11. Februar 2004. Der deutsche Teil des Klagepatents ist in Kraft.
- Gegen den Rechtsbestand des Klagepatentes erhob die A GmbH Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht (BPatG), welches das Klagepatent mit Urteil vom 16. Dezember 2014 (Az.: 1 Ni 11/14 (EP), Anlage K 2) gemäß dem Hilfsantrag 6 eingeschränkt aufrechterhielt. Die gegen die Entscheidung gerichteten Berufungen wies der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 7. Juni 2017 (Az.: X ZR 53/15, Anlage K 3) zurück.
- Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Schneidzahnanordnung“. Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 lautet in der eingeschränkt aufrechterhaltenen Fassung wie folgt:
- „Schneidzahnanordnung für ein Erdbearbeitungsgerät mit einem Schneidzahn (10), welcher einen Zahnkopf (12) und einen Zahnschaft (14) aufweist, und einer Halterung (30) mit Einstecköffnung (32), in welche der Zahnschaft (14) in einer Einsteckrichtung einsteckbar ist, wobei in einer eingesteckten Position der Zahnschaft (14) in der Halterung (30) mittels einem quer zur Einsteckrichtung angeordneten Befestigungsstift (5) lösbar gehaltert ist, dadurch gekennzeichnet,
– dass die Halterung (30) gabelförmig mit zwei Haltearmen (34) ausgebildet ist,
– dass im Bereich der Einstecköffnung (32) die Haltearme (34) in ihrem Abstand zueinander erweitert sind,
– dass die Haltearme (34) jeweils eine Anlageseite (36) aufweisen, welche an Schmalseiten (16) des Zahnschaftes (14) anliegen,
– dass die Anlageseiten (36) und die Schmalseiten (16) zur Bildung eines Formschlusses quer zur Einsteckrichtung mit einem Profil versehen sind,
– dass an der Anlageseite (36) zumindest eines Haltearmes (34) und an der zugehörigen Schmalseite (16) des Zahnschaftes (14) jeweils eine Ausnehmung (18, 38) vorgesehen ist, welche in der eingesteckten Position gemeinsam einen Durchgang (3) für den Befestigungsstift (5) bilden,
– dass an einer dem Boden zugewandten Breitseite (22) des Zahnschaftes (14) eine pfeilförmige Erhebung (24) angeordnet ist, welche gegenüber der Halterung (30) vorsteht, und
– dass von einer oberen Flachseite der pfeilförmigen Erhebung (24) verschleißmindernde Elemente (25) vorstehen.“ - Wegen des Wortlauts der insbesondere geltend gemachten Patentansprüche 2 bis 6 sowie 8 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
- Die nachfolgend verkleinert eingeblendeten Figuren zeigen ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung. In Figur 1 ist eine erfindungsgemäße Halterung in verschiedenen Ansichten dargestellt.
- Figur 2 zeigt einen Schneidzahn nach der Erfindung in verschiedenen Ansichten.
- Schließlich handelt es sich bei Figur 3 um die Darstellung einer montierten Schneidzahnanordnung mit der Halterung von Figur 1 und dem Schneidezahn von Figur 2.
- Bei der Klägerin handelt es sich um eine zum B-Konzern gehörende Gesellschaft. Sie vertreibt unter anderem sowohl Halterungen als auch Schneidzähne, die zusammen eine Schneidzahnanordnung für ein Erdbearbeitungsgerät bilden.
- Der Beklagte bietet an und liefert Schneidzähne, welche unter der Bezeichnung „C“ (nachfolgend angegriffene Ausführungsform A) vertrieben werden. Die angegriffene Ausführungsform A lieferte der Beklagte an die D GMBH in E. Nachfolgend wiedergegeben wird eine von der Klägerin angefertigte Fotographie der angegriffenen Ausführungsform A zusammen mit einer passenden Halterung, welche Gegenstand des Anlagenkonvolutes K 9 ist, worauf Bezug genommen wird.
- In der nachstehenden Abbildung ist zudem die angegriffene Ausführungsform A mit von der Klägerin eingezeichneten Konturen zu sehen.
- Mit anwaltlichem Schreiben vom 8. Dezember 2017 mahnte die Klägerin den Beklagten mit Bezug auf die angegriffene Ausführungsform A erfolglos ab.
- Mit Schriftsatz vom 6. Juni 2019 richtete die Klägerin die klageweise geltend gemachten Ansprüche ferner gegen einen Schneidzahn mit der Bezeichnung „F“, welcher im April 2019 auf der Messe „G“ in München auf dem Messestand der H Company (nachfolgend H) ausgestellt war. In dem dort ausgelegten Katalog mit dem Titel „I“ ist auf Seite 04 der Schneidzahn (nachfolgend angegriffene Ausführungsform B) abgebildet. Auf der letzten Seite des Katalogs (Anlage K 16) wird unter der Überschrift „J“ für Deutschland die Adresse und die Mobilfunknummer des Beklagten genannt. Auf die Abmahnung der H durch die Klägerin mit Datum vom 10. April 2019 gab H eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Der Beklagte wurde nicht abgemahnt.
- Nach Auffassung der Klägerin macht der Beklagte mittelbar wortsinngemäß, hilfsweise mit äquivalenten Mitteln von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Die angegriffene Ausführungsform A weise eine pfeilförmige Erhebung an einer dem Boden zugewandten Breitseite des Zahnschaftes auf. Die technische Wirkung der Erfindung liege in einer Reduzierung des Verschleißes der Schneidezahnanordnung und des damit verbundenen Aufwandes zur Instandhaltung bei gleichzeitiger Sicherstellung einer zuverlässigen Befestigung des Schneidzahnes in der Halterung. Diese Wirkungen würden gerade dadurch erreicht, dass der Schneidzahn eine spezielle Ausgestaltung aufweise, so dass ein solcher Schneidzahn ein wesentliches Element der Erfindung verkörpere.
- Die Klägerin beantragt mit der dem Beklagten am 16. Juni 2018 zugestellten Klage,
- zu erkennen, wie geschehen,
- sowie dem Beklagten die Kosten des Teilanerkenntnisses aufzuerlegen;
- hilfsweise zu dem Tenor zu Ziffer I.1.
- I. Der Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,
- Schneidzähne mit einem Zahnkopf und einem Zahnschaft, der an seinen Schmalseiten ein Profil aufweist, wobei an mindestens einer Schmalseite eine Ausnehmung vorgesehen ist,
- Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern,
- soweit der jeweilige Schneidzahn dazu geeignet ist, in einer Schneidzahnanordnung für ein Erdbearbeitungsgerät eingesetzt zu werden, die außer dem Schneidzahn eine Halterung mit Einstecköffnung aufweist, in welche der Zahnschaft in einer Einsteckrichtung einsteckbar ist, wobei in einer eingesteckten Position der Zahnschaft in der Halterung mittels einem quer zur Einsteckrichtung angeordneten Befestigungsstift lösbar gehalten ist, wobei die Halterung gabelförmig mit zwei Haltearmen ausgebildet ist und die Haltearme im Bereich der Einstecköffnung in ihrem Abstand zueinander erweiterbar sind und die Halterarme jeweils eine Anlageseite aufweisen, die an den Schmalseiten des Zahnschafts anliegen, wobei zusätzlich zu den Schmalseiten des Zahnschafts auch die Anlagenseiten zur Bildung eines Formschlusses quer zur Einsteckrichtung mit einem Profil versehen sind und wobei auch an der Anlageseite zumindest eines Haltearmes eine Ausnehmung vorgesehen ist, so dass diese Ausnehmung und die Ausnehmung an der zugehörenden Schmalseite des Zahnschafts in der eingesteckten Position gemeinsam einen Durchgang für den Befestigungsstift bilden, soweit an einer dem Boden zugewandten Breitseite des Zahnschaftes eine Erhebung angeordnet ist, die
– der Kontur der Breitseite des Zahnschaftes – mit Ausnahme des Bereichs der Ausnehmungen des Zahnschaftes – im wesentlichen folgt,
– im Bereich der Ausnehmungen des Zahnschaftes um diese Ausnehmungen – mit Ausnahme des Bereichs des äußeren Randes de Zahnschaftes – herum verläuft,
– wobei sich die Kontur der Erhebung ab denjenigen Randbereichen der Erhebung, die in Einsteckrichtung gesehen den Ausnehmungen nachfolgen, in Einsteckrichtung allmählich und mit gekrümmtem Verlauf bis zum tiefsten Punkt der Erhebung verjüngt,
– und die gegenüber der Halterung vorsteht,
und von einer oberen Flachseite dieser Erhebung verschleißmindernde Elemente vorstehen. - Der Beklagte erklärt unter Verwahrung gegen die Kostenlast das sofortige Anerkenntnis in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform B und beantragt im Übrigen,
- die Klage abzuweisen,
- hilfsweise dem Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden,
- Widerklagend beantragt der Beklagte,
- die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten einen Betrag in Höhe von 6.799,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- Die Klägerin beantragt,
- die Widerklage abzuweisen.
- Der Beklagte meint hinsichtlich der mit der Klage geltend gemachten Ansprüche, dass die angegriffene Ausführungsform A kein wesentliches Element der Erfindung darstelle, da sie nicht geeignet sei mit der Erfindung zusammenzuwirken. Die angegriffene Ausführungsform A weise keine pfeilförmige Erhebung auf. Vielmehr sei die Erhebung entsprechend der Kontur des Schneidzahns ausgebildet.
Die Klägerin sei zur Kostentragung im Hinblick auf das Teilanerkenntnis verpflichtet, da das Anerkenntnis sofort erfolgt sei. Die Widerklage sei im Hinblick auf den Umstand begründet, dass eine mittelbare Patentverletzung nicht bestehe. Die Klägerin sei daher zur Erstattung der für die Abwehr der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung entstandenen Kosten verpflichtet, welche – unstreitig – mit einer 1,5 fachen Rechts- und Patentanwaltsgebühr zuzüglich einer Auslagenpauschale in Höhe von 20,- € zu berechnen seien. - Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen. Eine Abmahnung des Beklagten sei entbehrlich gewesen.
- Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Die zulässige Klage hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach sowie Ersatz außergerichtlicher Kosten aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140b Abs. 1 und 3 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu, da die angegriffene Ausführungsform A mittelbar von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht. Die Widerklage der Beklagten hingegen ist unbegründet.
- I.
Das Klagepatent betrifft eine Schneidzahnanordnung für ein Erdbearbeitungsgerät mit einem Schneidzahn, der einen Zahnkopf und einen Zahnschaft aufweist, und eine Halterung mit Einstecköffnung, in die der Zahnschaft in eine Einsteckrichtung einsteckbar ist, wobei in einer eingesteckten Position der Zahnschaft in der Halterung mittels einem quer zur Einsteckrichtung angeordneten Befestigungsstift lösbar gehaltert ist. - Eine gattungsgemäße Schneidzahnanordnung, so führt das Klagepatent einleitend aus, gehe beispielsweise aus der DE 40 02 907 A1 hervor. Bei dieser bekannten Anordnung werde ein Zahnschaft in einen taschenförmigen Aufnahmeraum an einer Bohrkrone eingesteckt, so dass sowohl die Schmal- als auch die Breitseiten des Zahnschaftes von Aufnahmeflächen der Aufnahmetasche umgeben seien. Eine lösbare Halterung werde hierbei durch einen Befestigungsstift erreicht, der etwa mittig an einer Breitseite des quaderförmigen Zahnschaftes angeordnet sei und sowohl die Seitenflächen der Aufnahmetasche als auch einen Mittelbereich des Zahnschaftes durchdringe.
- Beim Abtragen von Boden durch Bohren oder Fräsen trete ein erheblicher Verschleiß an den Zähnen auf. Mit der bekannten Vorrichtung könne zwar der Zahn relativ leicht gewechselt werden. Allerdings sei auch die Aufnahmetasche zum Haltern des Zahns erheblichem Verschleiß ausgesetzt. Daher sei es erforderlich, die gesamte Aufnahmetasche oder zumindest einzelne Wände abzutragen und auszuwechseln.
- Dem Klagepatent liegt daher die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, eine Schneidzahnanordnung für ein Erdbearbeitungsgerät zu schaffen, bei welchem ein Verschleiß bei der Erdbearbeitung und der damit verbundene Aufwand zur Instandhaltung des Erdbearbeitungsgerätes weiter reduziert ist.
- Dies geschieht nach Patentanspruch 1 durch eine Kombination der folgenden Merkmale:
- 1. Schneidzahnanordnung für ein Erdbearbeitungsgerät
- 1.1. mit einem Schneidzahn (10), welcher einen Zahnkopf (12) und einen Zahnschaft (14) aufweist,
- 1.2 mit einer Halterung (30) mit Einstecköffnung (32), in welche der Zahnschaft (14) in einer Einsteckrichtung einsteckbar ist.
- 2. In einer eingesteckten Position ist der Zahnschaft (14) in der Halterung (30) lösbar gehalten;
- 2.1. dies erfolgt mittels einem quer zur Einsteckrichtung angeordneten Befestigungsstift (5);
- 3. die Halterung (30) ist gabelförmig mit zwei Haltearmen (34) ausgebildet;
- 3.1 wobei im Bereich der Einstecköffnung (32) die Haltearme (34) in ihrem Abstand zueinander erweitert sind.
- 4. die Haltearme (34) weisen jeweils eine Anlagenseite (36) auf;
- 4.1. die Anlageseiten (36) liegen an Schmalseiten (16) des Zahnschafts (14) an;
- 5. die Anlageseiten (36) der Halterung und die Schmalseiten (16) des Zahnschaftes sind zur Bildung eines Formschlusses quer zur Einsteckrichtung mit einem Profil versehen;
- 6. an der Anlageseite (36) zumindest eines Haltearmes (34) und an der zugehörenden Schmalseite (16) des Zahnschafts (14) ist jeweils eine Ausnehmung (18, 38) vorgesehen;
- 6.1. die Ausnehmungen (18, 38) bilden in der eingesteckten Position einen Durchgang (3) für den Befestigungsstift (5).
- 7. An einer dem Boden zugewandten Breitseite (22) des Zahnschaftes (14) ist eine pfeilförmige Erhebung (24) angeordnet, welche gegenüber der Halterung (30) vorsteht, und
- 7.1. von einer oberen Flachseite der pfeilförmigen Erhebung (24) stehen verschleißmindernde Elemente (25) hervor.
-
II.
Durch das Angebot und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform A – und unstreitig der angegriffenen Ausführungsform B – macht der Beklagte von der technischen Lehre des Klagepatents mittelbar Gebrauch, Art. 64 EPÜ, § 10 PatG. - 1.
Die angegriffene Ausführungsform A bezieht sich auf ein wesentliches Element der Erfindung. - a)
Nach der Rechtsprechung bezieht sich ein Mittel auf ein wesentliches Element der Erfindung, wenn es geeignet ist, mit einem oder mehreren Merkmalen des Patentanspruchs bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken (BGH GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler; BGH GRUR 2005, 848 – Antriebsscheibenaufzug), es sei denn, es trägt zum Leistungsergebnis der Erfindung, das heißt zu der erfindungsgemäßen Lösung des dem Patent zugrunde liegenden technischen Problems nichts bei (vgl. BGH GRUR 2007, 769 – Pipettensystem). Das Kriterium der Eignung des Mittels, mit einem wesentlichen Element der Erfindung bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken, schließt solche Mittel aus, die – wie etwa die für den Betrieb einer geschützten Vorrichtung benötigte Energie – zwar bei der Benutzung der Erfindung verwendet werden können, zur Verwirklichung der technischen Lehre der Erfindung jedoch nichts beitragen. Leistet ein Mittel einen solchen Beitrag, wird es demgegenüber im Allgemeinen nicht darauf ankommen, mit welchem Merkmal oder welchen Merkmalen des Patentanspruchs das Mittel zusammenwirkt. Denn was Bestandteil des Patentanspruchs ist, ist regelmäßig bereits deshalb auch wesentliches Element der Erfindung (vgl. BGH GRUR 2004, 758, 761 – Flügelradzähler). - b)
Davon ausgehend bezieht sich die angegriffene Ausführungsform A auf ein wesentliches Element der Erfindung. - Der angegriffene Schneidzahn ist Teil der beanspruchten Schneidzahnanordnung, die aus dem Schneidzahn und der Schneidzahnhalterung besteht. Dabei weist der Schneidzahn einen Zahnschaft auf, der mittels eines Befestigungsstifts lösbar in der Halterung gehalten wird (Merkmalsgruppe 3). Desweiteren sollen Halterung und Schneidzahn funktional so zusammenwirken, dass die Anlageseiten der Haltearme der Halterung an den Schmalseiten des Zahnschafts anliegen (Merkmalsgruppe 5). Zudem sollen die Anlageseiten und die Schmalseiten quer zur Einsteckrichtung mit einem Profil versehen sein, damit ein Formverschluss gebildet wird (Merkmal 6). Schließlich soll an der Anlageseite zumindest eines Haltearms und an der zugehörigen Schmalseite des Zahnschafts jeweils eine Ausnehmung vorgesehen sein, die gemeinsam einen Durchgang für den Befestigungsstift bilden. Ferner stehen von einer oberen Flachseite verschleißmindernde Elemente hervor (Merkmal 7.1).
- Entgegen der Ansicht des Beklagten ist an einer dem Boden zugewandten Breitseite des Zahnschaftes auch eine pfeilförmige Erhebung angeordnet.
- Nach allgemeinem Sprachverständnis ist unter einer Pfeilform nicht allein eine Ausgestaltung zu verstehen, wie sie in der zeichnerischen Darstellung einer bevorzugten Ausführungsform in den Figuren 2.c) und 3.a) des Klagepatentes gezeigt ist, d.h. mit einer ausgeprägten Pfeilspitze. Hierunter können vielmehr auch Ausgestaltungen gefasst werden, die einen Schaft und eine Befiederung aufweisen, entsprechend einem herkömmlich verwendeten Pfeil, der jedoch nicht zwingend spitz zulaufen muss.
- Dem Klagepatent kann unter Berücksichtigung der technischen Funktion der pfeilförmigen Erhebung nicht entnommen werden, dass eine spitz zulaufende Pfeilform zur Erfüllung der erfindungsgemäßen Funktion zwingend erforderlich ist. Das Klagepatent stellt hinsichtlich der Pfeilform in Abs. [0025], der einzige Absatz, der sich mit der pfeilförmigen Erhebung befasst, deutlich heraus, dass die pfeilförmige Erhebung zur Verminderung des Verschleißes vorgesehen ist, in Verbindung mit den verschleißmindernden Elementen, welche von Merkmal 7.1 umfasst sind. Die pfeilförmige Erhebung soll dabei so ausgestaltet sein, dass sie sich sowohl über den Zahnschaft als auch den Zahnkopf erstreckt. Die Dicke der Erhebung ist ferner so gestaltet, dass sie definiert gegenüber der Halterung vorsteht, so dass durch die Erhebung nicht nur der Schneidzahn, sondern auch die Halterung vor Verschleiß geschützt werden kann. Mittels der Pfeilform soll nach den Ausführungen der Klägerin bewirkt werden, dass geringere Scherkräfte auf die Befestigungsstifte wirken, was eine Reduktion des Verschleißes bewirken soll. Soweit der Beklagte darauf verweist, dass die pfeilförmige Erhebung keine Reduzierung des Verschleißes bewirken kann, sondern einzig eine Markierung für die Einbausituation beinhaltet, bietet das Klagepatent für ein solches Verständnis keinen Anhaltspunkt. Den zeichnerischen Darstellungen, welche bekanntermaßen keine technischen Konstruktionszeichnungen darstellen, kann ein entsprechendes Verständnis nicht entnommen werden. Die Figur 2.b), welche der Beklagte zur Begründung seiner Auffassung herangezogen hat, zeigt nicht, dass die Pfeilform nur der Markierung dient. Auch der Beschreibung der Erfindung nach dem Klagepatent kann entsprechendes nicht entnommen werden.
- Ferner hat auch der Bundesgerichtshof in dem das Klagepatent betreffenden Nichtigkeitsberufungsverfahren im Urteil vom 7. Juni 2017 (Anlage K 3) keine Ausführungen dahingehend gemacht, dass die pfeilförmige Erhebung der Markierung für die richtige Einsteckposition dient. Vielmehr führt der Bundesgerichtshof auf Seite 18, Randziffer 37 mittig wie folgt aus:
- „Dem entnimmt der Fachmann, dass bereits das Vorsehen einer sich lediglich über die Breitseite des Zahnschaftes erstreckenden pfeilförmigen Erhebung (24) dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich ist, weil dadurch die Halterung vor Verschleiß geschützt werden kann, und zwar unabhängig davon, ob sich die pfeilförmige Erhebung darüber hinaus auch über die Breitseite des Zahnkopfes erstreckt.“
- Auch im Rechtsbestandsverfahren wird daher auf die Verringerung des Verschleißes durch die pfeilförmige Erhebung abgestellt.
- Nicht entnommen werden kann den Ausführungen des Bundesgerichtshofes ferner, dass es auf eine spitz zulaufende Pfeilform zur Erzielung des erfindungsgemäßen Erfolges – Reduzierung des Verschleißes – ankommt. Für den Bundesgerichtshof bestand vor dem Hintergrund des angeführten Standes der Technik kein Anlass sich zu dieser Fragestellung zu äußern. Ob eine pfeilförmige Erhebung tatsächlich den erfindungsgemäßen Vorteil der Reduzierung des Verschleißes erzielen kann, was vom Beklagten in Abrede gestellt wird, ist für die Frage der Auslegung des Merkmals ohne Relevanz.
- Ausgehend von dem beschriebenen Verständnis des Merkmals 7 macht die angegriffene Ausführungsform A von diesem Gebrauch. Denn diese weist, wie im Tatbestand bildlich wiedergegeben, eine pfeilförmige Erhebung auf. Dabei wird, wie die Kammer auch durch Inaugenscheinnahme der angegriffenen Ausführungsform in der mündlichen Verhandlung feststellen konnte, mit der pfeilförmigen Erhebung nicht nur die Kontur des Zahnes wiedergegeben. Denn bei der angegriffenen Ausführungsform A sind keine Erhebungen vorgesehen um den runden Bereich der beiden Ausnehmungen für die Befestigungsstifte, was einer ausschließlichen Wiedergabe der Kontur des Schneidzahns ebenso entgegensteht wie der Umstand, dass die Erhebung auch nicht bis an den Rand reicht. Entsprechendes kann neben dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Muster der von der Klägerin farblich markierten Fotographie der angegriffenen Ausführungsform A nach Anlage K 11, welche im Tatbestand wiedergegeben wurde, entnommen werden.
- 2.
Dass die angegriffene Ausführungsform A durch den Beklagten zur Benutzung der Erfindung in der Bundesrepublik Deutschland geeignet und von den Abnehmern des Beklagten auch für die Benutzung der Erfindung bestimmt ist, hat der Beklagte nicht erheblich in Abrede gestellt, so dass es insoweit keiner weiteren Ausführungen bedarf. - 3.
Die Abnehmer des Beklagten überschreiten mit der Verwendung des angegriffenen Schneidzahns die Grenzen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs des von ihnen erworbenen, eine Schneidzahnhalterung aufweisenden Erdbearbeitungsgerätes und stellen mit der Einsetzung einer neuen Schneidzahnanordnung jeweils die erfindungsgemäße Schneidzahnanordnung erneut her, was vom Beklagten nicht in Abrede gestellt wird. -
III.
Da der Beklagte somit durch das Angebot und den Vertrieb der der angegriffenen Ausführungsform das Klagepatent mittelbar verletzt (Art. 64 EPÜ, § 10 Abs. 1 PatG), ergeben sich die folgenden Rechtsfolgen: - 1.
Der Klägerin steht nach Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG gegen den Beklagten ein Unterlassungsanspruch zu. Anhaltspunkte dafür, dass die angegriffene Ausführungsform auch verwendet werden kann, ohne dass eine klagepatentgeschützte Baueinheit entsteht, sind weder vorgetragen, noch ersichtlich. Daher kann die Klägerin entsprechend ihrem Antrag auch ein Schlechthinverbot verlangen. - 2.
Zudem haftet gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG auch der mittelbare Verletzer dem Patentinhaber auf Schadenersatz. Hierbei reicht es für den Feststellungsausspruch aus, dass nach der Lebenserfahrung die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer unter Verwendung des Mittels begangene Verletzungshandlung besteht. Der Beklagte handelt zumindest fahrlässig, da er als Fachunternehmen hätte zumindest erkennen können, dass seine Abnehmer die durch ihn angebotenen Schneidzähne im Rahmen des durch das Klagepatent beanspruchten Verfahrens anwenden. - 3.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch zu beziffern, steht ihr zudem ein Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch aus § 140b Abs. 1 und 3 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu. - 4.
Schließlich hat der Beklagte der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten, Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG. - IV.
Entsprechend der vorstehenden Ausführungen ist die Widerklage unbegründet. Die Schutzrechtsverwarnung durch die Klägerin war nicht unberechtigt. - V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 93 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten im Hinblick auf das teilweise Anerkenntnis betreffend die angegriffene Ausführungsform B zu tragen. Insoweit handelt es sich um ein sofortiges Anerkenntnis mit der Kostenfolge des § 93 ZPO. Der Beklagte hat insoweit keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben. Veranlassung zur Klage gibt der Beklagte regelmäßig nur dann, wenn er dem Begehren des Klägers auf dessen vorgerichtliche Abmahnung hin keine Folge leistet. Entbehrlich ist eine Abmahnung nur dann, wenn eine vorherige Abmahnung des Klägers zu der Zeit, zu der er entscheiden muss, ob er abmahnt oder nicht, bei Anlegung eines objektiven Maßstabs unzumutbar ist (OLG Düsseldorf, InstGE 2, 237 – Turbolader II). Unzumutbarkeit kann daher bejaht werden, wenn die mit einer vorherigen Abmahnung notwendig verbundene Verzögerung schlechthin nicht hinnehmbar ist oder sich dem Kläger bei objektiver Sicht der Eindruck geradezu aufdrängen musste, der Verletzer baue auf die grundsätzliche Abmahnpflicht und wolle sich diese zunutze machen. Ferner ist eine Abmahnung unter dem Gesichtspunkt der Förmelei überflüssig, wenn sie aus der Sicht des Klägers von vorneherein zwecklos erscheint. Voraussetzung dafür ist, dass nach den gesamten Umständen des Einzelfalles nicht nur mit gegebenenfalls hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass die vorgerichtliche Abmahnung den Beklagten nicht zum Einlenken bewegen wird. Solches ist denkbar, wenn es einer Unternehmensstrategie des Abgemahnten entspricht, sich in rechtlichen Auseinandersetzungen nicht freiwillig in die Rolle des Unterlegenen zu begeben, sondern unabhängig von den Chancen einer Rechtsverteidigung aus prizipiellen Erwägungen heraus eine gerichtliche Klärung zu erzwingen (OLG Düsseldorf, InstGE 13, 238 – Laminatboden-Paneele II). Unzureichend ist demgegenüber, dass zwischen den Parteien diverse Auseinandersetzungen geführt wurden und werden, von denen bisher keine einzige außergerichtlich beigelegt werden konnte, wenn Gegenstand der Rechtsstreitigkeiten jeweils Patent- und Gebrauchsmusterverletzungen waren (vgl. Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 11. Aufl. Kap. C Rn. 152 ff.). Den vorliegenden Sachverhalt zugrundelegend vermag die Kammer keine der genannten Fallgruppen zu erkennen. Auch ansonsten sind keine Umstände gegeben, die die Klägerin darauf schließen lassen konnten, der Beklagte werde sich auf eine Abmahnung hin nicht unterwerfen. Der von der Klägerin adressierte Umstand, der Beklagte sei auf der Messe „G“ 2019 am Messestand der H Company gewesen und H habe sich unterworfen, von Seiten des Beklagten aus, sei jedoch keine Reaktion erfolgt, lässt nicht den Schluss zu, dass eine Abmahnung entbehrlich gewesen wäre. Denn unbestritten hat der Beklagte vorgetragen, dass er selbst auf der Messe nicht angesprochen worden ist und die Verantwortlichkeit seiner Person für den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform B steht zwischen den Parteien im Streit. Soweit die Klägerin für ihre gegenteilige Sichtweise auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf „Nudelrolle“ (Urt. v. 18. Juni 2010, I-2 U 43/08, BeckRS 2010, 22204) verweist, ist dieser Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Denn gegen den Beklagten wurde lediglich die vorliegende Klage erhoben, gegen welche er sich verteidigt hat. - Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 1, 709 S. 1 ZPO i. V. m. § 108 ZPO. Soweit der Beklagte einen Antrag nach § 712 ZPO hilfsweise gestellt hat, wurden die entsprechenden Voraussetzungen nicht glaubhaft gemacht.
- Der Streitwert wird für die Klage auf 250.000,- EUR (125.000,- EUR je Ausführungsform) und für die Widerklage auf 6.799,- € festgesetzt.