4b O 7/18 – Monoclonaler Antikörper

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2970

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 20. September 2019, Az. 4b O 7/18
1. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,— Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,

  1. Arzneimittel, die einen monoclonalen Antikörper vom menschlichen IgG1- oder IgG3-Typ umfassen, der mit einer Zuckerkette an Asn297 glycosyliert ist,
  2. im Geltungsbereich des deutschen Teils des EP A anzubieten, in Verkehr zu bringen oder (im Folgenden nur die Beklagte zu 5) zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
  3. wenn in dem Antikörper
    a) die Menge an Fucose innerhalb der Zuckerkette, bezogen auf die Summe aus G0, G1, G2 ohne Mannose 4 und Mannose 5 als 100 %, und wie durch Peptidmapping-Analyse mittels Flüssigchromatographie/Massenspektrometrie (LCMS) analysiert, mindestens 99 % ist,
    b) und darüber hinaus die Menge an NGNA innerhalb der Zuckerkette, bezogen auf die Summe aus G0, G1, G2 ohne Mannose 4 und Mannose 5 als 100 %, und wie durch Peptidmapping-Analyse mittels Flüssigchromatographie/Massenspektrometrie (LCMS) analysiert, 1 % oder weniger ist, und die Menge an N-terminaler alpha-1,3-Galactose innerhalb der Zuckerkette, bezogen auf die Summe aus G0, G1, G2 ohne Mannose 4 und Mannose 5 als 100 %, und wie durch Peptidmapping-Analyse mittels Flüssigchromatographie/Massenspektrometrie (LCMS) analysiert, 1 % oder weniger ist.
  4. 2.
    der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die vorstehend zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem X begangen haben, und zwar unter Angabe
    a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
  5. c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
    -zeiten und -preisen, sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
    d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internetwerbung der Domains, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume der Werbeaktionen,
    e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
    wobei die Beklagte zu 6) allein Auskunft darüber zu erteilen hat, in welcher Art und in welchem Umfang sie zu den Handlungen der übrigen Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland beigetragen hat (so z.B. durch Werbematerial, Messeauftritte und dergleichen);
    wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  6. 3.
    die vorstehend zu 1. bezeichneten und seit dem X in Deutschland in den Verkehr gebrachten (d.h. ggf. von Deutschland aus auch ins Ausland gelieferten) Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern mit Ablauf des 20. September 2020 unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des LG Düsseldorf vom 10. September 2019) festgestellten, patentverletzenden Zustand des Erzeugnisses und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen (wobei diese Verpflichtung nicht für die Beklagte zu 6 gilt).
  7. II.
    Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem X begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  8. III.
    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
    Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.
  9. V.
    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 2.000.000,00 vorläufig vollstreckbar.
  10. Tatbestand
  11. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP A (Anlgen K1, K3; nachfolgend: Klagepatent) in Anspruch.
  12. Die Klägerin ist Inhaberin des Klagepatents, das unter Inanspruchnahme der Prioritäten des EP B X und des EP C X angemeldet wurde. Die Mitteilung der Erteilung des Klagepatents wurde am veröffentlicht. Das Klagepatent war bereits Gegenstand eines Einspruchsverfahrens. Die Einspruchsabteilung hat das Klagepatent mit lediglich geringfügigen Änderungen aufrechterhalten. Die technische Beschwerdekammer hat die Beschwerde am X gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung abgewiesen (Anlage K 14). Die Beklagte zu 5) hat unter dem X Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht erhoben, über die derzeit noch nicht entschieden ist. Das Klagepatent steht in Kraft. Es betrifft glycolisierte Antikörper.
  13. Die hier streitgegenständlichen Ansprüche 1 und 7 lauten in der eingeschränkt aufrecht erhaltenen Fassung in deutscher Übersetzung wie folgt:
  14. Anspruch 1:
    „Monoclonaler Antikörper vom menschlichen IgG1- oder IgG3-Typ, der mit einer Zuckerkette an Asn297 glycosyliert ist, wobei der Antikörper
    dadurch gekennzeichnet ist, dass,
    a)
    die Menge an Fucose innerhalb der Zuckerkette, bezogen auf die Summe aus G0, G1, G2 ohne Mannose 4 und Mannose 5 als 100 %, und wie durch Peptidmapping-Analyse mittels Flüssigchromatographie/Massenspektrometrie (LGMS) analysiert, mindestens 99 % ist,
    b)
    und darüber hinaus die Menge an NGNA innerhalb der Zuckerkette, bezogen auf die Summe aus G0, G1, G2 ohne Mannose 4 und Mannose 5 als 100 %, und wie durch Peptidmapping-Analyse mittels Flüs-sigchromatographie/Massenspektrometrie (LGMS) analysiert, 1 % oder weniger ist, und die Menge an N-terminaler alpha-1,3-Galactose innerhalb der Zuckerkette, bezogen auf die Summe aus G0, G1, G2 ohne Mannose 4 und Mannose 5 als 100 %, und wie durch Peptidmapping-Analyse mittels Flüssigchromatographie/Massenspektrometrie (LGMS) analysiert, 1 % oder weniger ist.“
  15. Anspruch 7:
    „Arzneimittel umfassend einen Antikörper nach den Ansprüchen 1 bis 4.“
  16. Durch den anspruchsgemäßen Antikörper kann gegebenenfalls eine Effektorfunktion, sog. antibody-dependent cell-mediated cytotoxity (ADCC), unterbunden werden. ADCC ist ein Mechanismus, bei dem ein Antikörper an eine Zielzelle und zugleich an einen Fc-Rezeptor einer Effektorzelle (= Killerzelle) bindet und sodann die Effektorzelle zytotoxische Proteine zur Zerstörung der Zielzelle ausschüttet. Im Falle von z.B. Auto-Immunerkrankungen soll dieser Vorgang gehemmt werden, damit das Immunsystem des Patienten nicht seine eigenen Zellen angreift.
  17. Die Beklagte zu 1) ist Inhaberin der arzneimittelrechtlichen Marktzulassung in Europa für das Arzneimittel X(nachfolgend: angegriffene Ausführungsform). Die angegriffene Ausführungsform enthält den Wirkstoff X. Hierbei handelt es sich um einen gentechnisch hergestellten Antikörper gegen das Protein X. Die angegriffene Ausführungsform ist seit dem X auf dem Markt und wird gegen mittelschwere bis schwere Formen entzündlicher Krankheiten X eingesetzt (X). Patienten, die mit der angegriffenen Ausführungsform behandelt werden, sprechen entweder unzureichend auf eine konventionelle Therapie oder einen der X Antagonisten an oder sie sprechen hierauf nicht mehr an oder weisen eine Unverträglichkeit gegen eine entsprechende Behandlung auf. Durch die Bindung von X an X vermindert X die Entzündung X und lindert die Krankheitssymptome.
  18. Die Beklagte zu 1) bringt die angegriffene Ausführungsform bundesweit in den Verkehr. Die Beklagten zu 2), 3) und 4) sind in verschiedenen Gebrauchsinformationen als Herstellerinnen ausgewiesen (Anlagen K 7a-c)). In der Fachinformation ist die Beklagte zu 5) als Kontakt in Deutschland benannt, sie ist die örtliche Vertreterin, die laut eigener Angaben auf ihrer Internetseite Administrations- und Supportfunktionen, wie das X, in Deutschland wahrnimmt. Die Beklagte zu 6) ist ebenfalls mit der Vermarktung der angegriffenen Ausführungsform in Deutschland befasst. Sie befindet sich am Hauptsitz der Vertriebsorganisation in X und zeichnet für den Internetauftritt X verantwortlich.
  19. Die Beklagten verteidigen sich gegen den Verletzungsvorwurf unter anderem mit einem Lizenzeinwand.
    Die Pharmaunternehmen X. (nachfolgend: X), vorher X, und X (nachfolgend X) kooperierten im Zeitraum von 1997 bis 2004 und forschten zusammen an der Entwicklung des monoklonalen Antikörpers X“. Aus diesem Antikörper wurde X entwickelt. Im Jahre 2004 schlossen X und X am X einen Aufhebungsvertrag, in dem X eine weltweite, gebührenfreie Lizenz für alle X-Patente und Patentanmeldungen sowie X-Technologie für die Entwicklung und Vermarktung von X gewährte. Die Konzerngruppe der Beklagten hat X im Jahr X erworben. Das Unternehmen X ist seit dem Jahr X eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der X.
  20. Der Vertrag vom X (Anlagen B 12, 12a) enthält unter anderem folgende Regelungen:„c) Excluded Patents
    (i) “Excluded X Patents” means the […] X
  21. […]
    e) „X Patents“ means X
  22. (i) which is owned or controlled by X or to which X has a transferable or sublicensable interest and
    (ii) which is necessary for the research, development or commercialization of X, Derivates or Antibody Products, including without limitation X interest in Joint Patents.
    Notwithstanding the foregoing, “X Patents” shall not include
    (a) the Excluded X Patents, or
    (b) X
  23. […]
    4. License grant to X und XTechnology and XPatents
    a. License Grant
    (i)
    X
  24. (A) X
  25. (B) X
  26. (ii)
    X
  27. […]”
  28. Für den weiteren Vertragsinhalt wird auf die Anlagen B 12, 12a Bezug genommen.
    Mehrere US-amerikanische Konzerngesellschaften der Beklagten klagten vor dem amerikanischen Court of Chancery of the State of X gegen X unter anderem auf Feststellung, dass ihnen eine Lizenz zustehe. Die Klage wies das US-Gericht mit Urteil vom X (Anlage K 31) wegen fehlender Zuständigkeit ab. Die Beklagte zu 5) erwirkte daraufhin am X einen Beschluss des US District Court X auf Durchführung eines Discovery-Verfahrens, um Dokumente und Zeugenaussagen zu Themen zu erhalten, die für die Behauptung, dass X die US-Patentanmeldung kontrolliere, relevant seien und dass auch das Klagepatent nach dem obigen Vertrag ein X-Patent darstelle. Die Preisgabe der Informationen unterliegt dabei der vom Gericht am X erlassenen Protective Order (Anlage B 23). Neben dem hiesigen Rechtsstreit sind in Europa auch noch Rechtsstreitigkeiten im Vereinigten Königreich und in Italien anhängig.
  29. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die angegriffene Ausführungsform das Klagepatent verletze.
  30. Es gebe neben der ADCC auch noch andere, erwünschte Effektorfunktionen, die das Klagepatent auch benenne. Nach dem Anspruch komme es nicht auf einen erstrebten Ausschluss der Bindung an den FC-Gamma-Rezeptor Typ III und der damit einhergehenden Minimierung der Nebenwirkungen durch ADCC an, sondern allein auf den genannten hohen Fucosylierungsgrad. Denn dadurch gewinne der Antikörper in jedem Fall die Fähigkeit – also auch wenn der Antikörper an FC-Gamma-Rezeptor Typ III binden sollte – ADCC zu minimieren. Das Klagepatent stelle daher auch in der
  31. Beschreibung nicht auf eine FC-Gamma-Rezeptor Typ III- Bindung ab, sondern lediglich auf einen funktionell aktiven (FcR-Bindungs-)Fc-Teil ab. Denn die generelle Eignung, Fc-Rezeptoren zu binden vermittele auch die Fähigkeit, die erwünschten Effektorfunktionen wie z.B. eine hohe Halbwertzeit, zu erreichen. Die erfindungsgemäße Antikörperstruktur müsse grundsätzlich so beschaffen sein, dass sie erfindungsgemäß glycosyliert werde. Der technische Vorteil des Klagepatentes bestehe in einer Garantie der Reduzierung von ADCC, ohne dass es darauf ankomme, ob der Antikörper überhaupt in der Lage ist oder war, ADCC auszulösen. Der Antikörper soll die FcRIIIa-Aktivität weitestgehend reduzieren.
  32. Der Begriff Asn297 sei keine Maßangabe, sondern die generelle Umschreibung des konservierten Asparaginrestes in der CH2-Domäne der schweren Kette von humanen IgG-Antikörpern, an den die Zuckerkette gebunden sei. Die Zahl 297 beschreibe damit nur die betreffende Region und sei ein Platzhalter für etwaige andere Positionen. Das Klagepatent weist selber darauf hin, dass es hier Abweichungen geben könne, wobei +/- 3 nicht als Einschränkung zu verstehen sei.
  33. Nach der eindeutigen Lehre des Klagepatents seien nicht alle gemessenen Glycanspezies zu berücksichtigen. Das Klagepatent gebe vor, dass nach dem Beispiel 3 zu berechnen sei. Damit werde das Beispiel zur Norm. Das Klagepatent verfolge das Ziel, Antikörper bereitzustellen, die möglichst ähnlich zu menschlichen IgGs seien, damit sie wenige Nebenwirkungen haben und dabei möglichst auch ein geringes ADCC-Potential besäßen. Daher konzentriere sich das Klagepatent auf die in Abschnitt [0026] genannten biantennären Glycostrukturen und zwar auf diejenigen, die in den Tabellen 3a und 3b aufgeführt seien. Die klagepatentgemäße Lehre fokussiere sich daher bei der Bestimmung der Fucosemenge allein auf die im Bespiel 3 aufgeführten komplex-biantennären Glycostrukturen. Der Auswahl des Beispiels 3 liege zugrunde, dass der Antikörper einerseits die unerwünschten Oligosaccharide (alpha-1,3-Galactose und NGNA) nicht mehr enthalte und andererseits der gewünschte hohe Fucosylierungsgrad auftrete. So sei untersucht worden, ob die unerwünschten Strukturen mit alpha-1,3-Galactose und NGNA (G3, G4 und jede mit NGNA in der Bezeichnung) eliminiert worden seien. Weiter seien zur Ermittlung der Fucosylierung die fucosylierten biantennär-komplexen Oligosaccharide G0, G1 und G2, sowie Fragmente von G0 und G1, die nicht-fucosylierten biantennär-komplexen Oligosaccharide „G0 minus Fuc“ und „G1 minus Fuc“ zu betrachten. Besonderes Augenmerk habe dabei auf der Abwesenheit der nicht-fucosylierten biantennär-komplexen Oligosaccharide gelegen, da es – wie allgemein bekannt war – deren Menge ist, die bei relativ hoher Fucosylierung mit der ADCC-Aktivität also deren weitestgehender Verringerung korreliere.
    Bisecting-GlcNAc seien nicht in der Tabelle aufgenommen worden, weil sie nicht bei Antikörpern vorkämen, die von Maus- oder CHO-Zellen hergestellt würden. Da dem Fachmann dies bewusst sei, sei dieser Randaspekt in den Tabellen nicht weiter berücksichtigt. Der Zweck des Klagepatents bestehe darin, einen aussagekräftigen und leicht und gleichbleibend nachzuarbeitenden Qualitätsstandard für die Fähigkeit einen Antikörper zu etablieren, u.a. ADCC hervorzurufen. So habe auch das EPA die Art und Weise der Bestimmung der Fucosemenge thematisiert und bestätigt, dass sich aufgrund der Tabellen 3a und 3b eine verlässlich nachzuarbeitende, standardisierte relative Menge der fucosylierten Spezies im Sinne eines Qualitätsstandards berechnen lasse.
    Dass der Anspruch nur die Hochmannosen 4 und 5 erwähne, sei ein gewichtiges Indiz dafür, dass allein die Tabellen 3a und 3b maßgeblich sein sollen. Daraus schließe der Fachmann, dass keine sonstigen Hochmannosen Berücksichtigung finden sollen. Wenn er zusätzlich sehe, dass bestimmte Glykanspezies ebenso nicht in der Tabelle auftauchten, dann werde er der Lehre entnehmen, dass eben nur die in den Tabellen genannten Glykanespezies relevant seien.
    Sofern man wie die Beklagten alle Glykostrukturen einbeziehe, dann müsse man auf der anderen Seite auch alle Hochmannosen abziehen – und nicht nur die Mannosen 4 und 5. Sämtliche Hochmannosen könnten nicht fucosyliert werden. Insofern stünden die Manosen 4 und 5 als Statthalter für zusätzlich identifizierte Hochmannosen.
  34. Die Klägerin ist der Auffassung, auch die Beklagten zu 2) bis 4) seien Mittäter an den Verletzungshandlungen der übrigen Beklagten. Sie hätten durch die nach dem Arzneimittelgesetz typischen Handlungen wie das Konfektionieren der Verletzungsformen im Ausland zum Angebot und Inverkehrbringen hier in Deutschland einen Beitrag geleistet, wobei sie mindestens billigend in Kauf genommen hätten, dass die angegriffene Ausführungsform auch nach Deutschland gelange.
  35. Die angegriffene Ausführungsform sei sowohl in der Lage, den neonatalen Fc-Rezeptor (FcRn), der die Halbwertzeit positiv beeinflusse, zu binden als auch den FC-Gamma-Rezeptor Typ III. Aus den Zulassungsunterlagen der angegriffenen Ausführungsform ergebe sich die Bindung an den Fc-Rezeptor FcRn (Anlage K 20) und die Klägerin habe diese Eigenschaft durch ein entsprechendes Experiment (Anlage K 21) nachgewiesen. Die Versuchsbedingungen sähen auch den richtigen pH-Wert vor. Dass auch bei der angegriffenen Ausführungsform die X-Mutation noch Restbindungsaktivität an den Rezeptor Fc-Gamma-Rezeptor Typ III entfalte, ergebe sich zum einen aus den bereits von den Beklagten vorgelegten Privatgutachten selbst und zum anderen aus der Untersuchung der Firma X von Antikörpern, die Ähnlichkeit mit der Struktur der angegriffenen Ausführungsform aufwiesen, (Anlagen K 22a, 22b). Darüber hinaus mache die Erklärung des Privatgutachters Dr. X(Anlagen K 31a, 31b) deutlich, dass der Fachmann sich nicht auf X-Mutation allein verlassen hätte, um die Fc-Effektorfunktionen eines Antikörpers zu eliminieren.
  36. Nach den Messungen der Klägerin (Anlage K 10) weise die angegriffene Ausführungsform die anspruchsgemäße Fucosemenge auf. Die gemessenen Werte für G0, G1 und G2 seien entsprechend Merkmal 3 rechnerisch als 100% angesetzt und die Hochmannosen (Man 4 und 5) davon abgezogen worden. Auf dieser Grundlage habe die Klägerin eine Menge an Fucose in den Proben der angegriffenen Ausführungsform von mind. 99,4 % errechnet.
  37. Die Klägerin meint, die Beklagten hätten die Fucosemenge für eine andere Charge als die von der Klägerin untersuchte Charge bestimmt. Die von der Privatgutachterin Dr. X untersuchte Probe sei der Charge „X“ entnommen. Weiter stamme die Probe mit dem X nach den Angaben des Privatgutachters der Beklagten aus einer nicht-kommerzialisierten Entwicklungscharge. Die von der Klägerin untersuchte Probe sei in Deutschland erworben worden und stamme aus der XCharge Nr. X. Auch hin-
  38. sichtlich der weiteren Probe, die aus dem österreichischen Markt stammen solle, werde mit Nichtwissen bestritten, dass sie mit der angegriffenen Ausführungsform übereinstimme.
    Bei der Bestimmung verwendeten die Beklagten alle detektierten Glycanspezies und nicht nur die in den Tabellen 3a und 3b des Klagepatents genannten. Schließlich berechneten die Beklagten die Fucosemenge auf keine klagepatentgemäße Weise. Laut dem klagepatenten Beispiel seien außer Mannose 4 und 5 weder die Mannosen 6, 7 und 8 noch GF1-NANA und GF2-NANA einzubeziehen. Von den gemessenen Spezies seien diejenigen auszuwählen, die als Referenzglykane in den Tabellen 3a und 3b genannt seien, und dann diese Mengen so umzurechnen, dass deren Summe wieder 100% ergebe.
    Die Beklagten seien mit ihrem Privatgutachter Prof. X – der zudem nur ein als Entwurf bezeichnetes Gutachten vorgelegt habe – bei ihrer Berechnung zielgerichtet von den Vorgaben des Klagepatents abgewichen. Anders als die Beklagten rechneten, werde die Menge an Fucose nach Durchführung eines Normierungsschrittes bei der Menge der nicht-fucosylierten Spezies durch die Bildung der Differenz 100 minus der Menge der nicht-fucosylierten Spezies gebildet.
    Ferner leide die Rechnung der Beklagten an dem wesentlichen Fehler, dass der Normierungsfaktor mit der Summe der Mengen der fucosylierten Oligosaccharide aus Schritt 1 multipliziert werde anstatt mit der Summe der nicht-fucosylierten Oligosaccharide G0-Fuc und G1-Fuc. Aus dem Gesamtkontext der Tabellen 3a und 3b sei dem Fachmann klar, dass der Normierungsfaktor (100/99,2 = 1,01) mit dem Wert der vorletzten Zeile 0,2 % (Summe G0/1 minus Fuc) multipliziert worden sei, was aufgerundet wiederum 0,2% ergäbe (relative Menge ohne Fuc). Die Herangehensweise der Beklagten sei widersprüchlich, da sie einerseits durch das Abheben auf sämtliche fucosylierten komplex-bianntenären Oligosaccharide von der Lehre des Klagepatents abwichen, andererseits aber an der Lehre des Klagepatents festhielten, indem sie für die Normierung lediglich die Hochmannose-Spezies Man4 und Man5 heranzögen. Somit erhielten die Hochmannosen Man6, Man7 und Man8 eine Bedeutung, die das Klagepatent nachweislich nicht beabsichtigt habe, weil sie in der Rechnung der Beklagten praktisch wie nicht-fucosylierte komplex-biantennäre Oligosaccharide behandelt würden.
    Sofern man die seitens der Beklagten gemessenen Antikörper nach der klägerischen Methode richtig berechne (vgl. Anlage K 15), ergebe sich, dass auch die Messwerte der Beklagten dazu führen, dass die angegriffene Ausführungsform zu über 99% focusyliert sei.
  39. Im Hinblick auf den von der Beklagten erhobenen Lizenzeinwand bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen, dass X eine Unterlizenz an X vergeben habe. Selbst wenn es so wäre, dass X zuvor wirksam eine Lizenz eingeräumt worden sei, sei dies unbeachtlich, weil X weder Inhaber, noch ausschließlicher Lizenznehmer oder anderweitig berechtigt sei, über das Klagepatent zu verfügen. X übe weder über das Klagepatent noch über die X-Anmeldung eine für eine Lizenzierung erforderliche Kontrolle aus.
    Ferner bestünde keine Lizenz, weil das Klagepatent unter Ziffer 1 c) des Aufhebungsvertrages fiele. Die Klägerin sei – insoweit unstreitig – Inhaberin des Klagepatents und vergebe eigenständig Lizenzen.
    Die Beklagten hätten eine Zwangslizenz beantragen können, was sie jedoch aufgrund der hierfür strengen Anforderungen unterlassen hatten. Die Klägerin werde zukünftig selbst mit einem Produkt auf den Markt kommen. Es sei nicht ersichtlich, wieso die Beklagten nicht in der Lage seien, das Medikament umzustellen. Die Darstellung mangelnder Alternativen sei einseitig und ergebnisorientiert.
  40. Die Klägerin beantragt,
  41. I. die Beklagten zu verurteilen,
    1.
    es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,— Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,
  42. Arzneimittel, die einen monoclonalen Antikörper vom menschlichen IgG1- oder IgG3-Typ umfassen, der mit einer Zuckerkette an Asn297 glycosyliert ist,
  43. im Geltungsbereich des deutschen Teils des EP A anzubieten, in Verkehr zu bringen oder (im Folgenden nur die Beklagte zu 5) zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
  44. wenn in dem Antikörper
    a) die Menge an Fucose innerhalb der Zuckerkette, bezogen auf die Summe aus G0, G1, G2 ohne Mannose 4 und Mannose 5 als 100 %, und wie durch Peptidmapping-Analyse mittels Flüssigchromatographie/Massenspektrometrie (LCMS) analysiert, mindestens 99 % ist,
    b) und darüber hinaus die Menge an NGNA innerhalb der Zuckerkette, bezogen auf die Summe aus G0, G1, G2 ohne Mannose 4 und Mannose 5 als 100 %, und wie durch Peptidmapping-Analyse mittels Flüssigchromatographie/Massenspektrometrie (LCMS) analysiert, 1 % oder weniger ist, und die Menge an N-terminaler alpha-1,3-Galactose innerhalb der Zuckerkette, bezogen auf die Summe aus G0, G1, G2 ohne Mannose 4 und Mannose 5 als 100 %, und wie durch Peptidmapping-Analyse mittels Flüssigchromatographie/Massenspektrometrie (LCMS) analysiert, 1 % oder weniger ist
    (Anspruch 7 i.V.m. Anspruch 1 des EP A);
    insbesondere, wenn
    die Menge an NGNA 0,5 % oder weniger ist (Anspruch 2);
    und/oder
    die Menge an N-terminaler alpha-1,3-Galactose 0,5% oder weniger ist
    (Anspruch 3);
    und/oder
    der Antikörper ein humanisierter Antikörper ist (Anspruch 4, letzte Alternative);
  45. 2.
    der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die vorstehend zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem X begangen haben, und zwar unter Angabe
    a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
    c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
    -zeiten und -preisen, sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
    d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internetwerbung der Domains, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume der Werbeaktionen,
    e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
    wobei die Beklagte zu 6) allein Auskunft darüber zu erteilen hat, in welcher Art und in welchem Umfang sie zu den Handlungen der übrigen Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland beigetragen hat (so z.B. durch Werbematerial, Messeauftritte und dergleichen);
    wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  46. 3.
    die vorstehend zu 1. bezeichneten und seit dem X in Deutschland in den Verkehr gebrachten (d.h. ggf. von Deutschland aus auch ins Ausland gelieferten) Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des LG Düsseldorf vom …) festgestellten, patentverletzenden Zustand des Erzeugnisses und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen (wobei diese Verpflichtung nicht für die Beklagte zu 6 gilt);
  47. II.
    festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem X begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  48. Die Beklagten beantragen,
  49. I.
    die Klage abzuweisen;
  50. hilfsweise
    II.
    den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 5) (X) auszusetzen;
  51. hilfsweise
    III.
    das Unterlassungsgebot
    1.
    nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären;
    weiter hilfsweise
    2.
    nur für Neuverabreichungen der angegriffenen Ausführungsform (d.h. für Patienten, die bis zum Beginn der vorläufigen Vollstreckung noch nicht mit der angegriffenen Ausführungsform behandelt wurden) für vorläufig vollstreckbar zu erklären;
    weiter hilfsweise
    3.
    die Beklagten zu verurteilen, zunächst bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die beantragte Unterlassungsverpflichtung, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen, Arzneimittel [Konkretisierung gemäß Anspruchswortlaut], insbesondere das Arzneimittel X im Geltungsbereich des deutsches Teils des EP A anzubieten, in Verkehr zu bringen oder (im Folgenden nur die Beklagte zu 5) zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, ohne auszuschließen, dass diese zur Behandlung von Patienten verabreicht werden, die bis zu dem Beginn der vorläufigen Vollstreckung noch nicht mit diesem Arzneimittel behandelt worden sind,
    indem sie,
    (a) Informationsschreiben an folgende Adressaten, mit Kopie an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin, versenden und darauf hinweisen, dass (i) der patentverletzende Zustand gerichtlich festgestellt worden ist und (ii) dass X nicht an Patienten verabreicht werden darf, die bis zu dem Beginn der vorläufigen Vollstreckung noch nicht mit X behandelt worden sind:
    • den GKV-Spitzenverband (Spitzenverband Bund der Krankenkassen),
    • den PKV (Verband der Privaten Krankenversicherung),
    • die Bundesärztekammer,
    • die Länder-Ärztekammern,
    • die X
    • den X
    das Kompetenznetz X e.V., sowie X
    (b) eben diesen Hinweis zusätzlich gut erkennbar auf der eigenen Webseite sowie in Werbe- und Informationsmaterialien aufnehmen; und
    (c) die gesetzlichen und privaten Krankenkassen, mit Kopie an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin, anschreiben und darauf hinweisen, dass (i) der patentverletzende Zustand gerichtlich festgestellt worden ist und (ii) dass X nicht an Patienten verabreicht werden darf die bis zu dem Beginn der vorläufigen Vollstreckung noch nicht mit X behandelt worden sind;
  52. weiter hilfsweise,
  53. IV.
    die Rückrufverpflichtung
    1.
    nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären;
    weiter hilfsweise
  54. 2.
    entsprechend des eingeschränkten Unterlassungsgebotes gemäß Antrag III.2 nur für Neuverabreichungen der angegriffenen Ausführungsform (d.h. für Patienten, die bis zum Beginn der vorläufigen Vollstreckung noch nicht mit der angegriffenen Ausführungsform behandelt wurden) für vorläufig vollstreckbar zu erklären;
    weiter hilfsweise
    3.
    den Beklagten eine Aufbrauchfrist von wenigstens 12 Monaten für den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform zu gewähren.
  55. Die Beklagten sind der Auffassung, allein durch die Angabe der Beklagten zu 2) und 3) als Herstellerinnen werde keine Verletzungshandlung begründet. Die Beklagten zu 2) und 4) nähmen in X auf das Produkt gerichtete Handlungen wahr. Diese seien nicht auf den deutschen Markt gerichtet. Keines dieser Produkte würde auf dem deutschen Markt vertrieben. Die Konfektionierungshandlungen für den deutschen Markt nehme ausschließlich die Beklagte zu 3) vor.
  56. Die angegriffene Ausführungsform verletze das Klagepatent aus mehreren Gründen nicht.
    Das Klagepatent definiere den erfindungsgemäßen Antikörper. Dieser müsse einen funktionell aktiven Fc-Teil vom Typ IgG1 oder IgG3 umfassen. Hierfür müsse er eine Fc-Rezeptorbindung aufweisen. Das Klagepatent nenne gerade keine Antikörper, die bereits aufgrund ihrer Struktur nicht das Potential hätten, ADCC auszulösen, z.B. durch Mutationen (sog. Fc-Engineering). Die Vermeidung von ADCC solle ausschließlich durch die hohe Fucosylierung erfolgen (mindestens 99%). Da eine Modifizierung des Antikörpers aus dem Stand der Technik bekannt gewesen sei, könne dies gerade nicht der Gegenstand der vermeintlichen Erfindung sein. Durch die Wahl des Typs IgG1 oder IgG3 sei das Klagepatent gerade auf die Verhinderung der ADCC-Aktivität von Antikörpern ausgerichtet. Typ IgG2 und IgG4 vermittelten kein ADCC. Nach der Lehre des Klagepatents sei es nicht maßgeblich, ob die angegriffene Ausführungsform an den neonatalen Fc-Rezeptor binde. Der Antikörper müsse entweder alle Effektorfunktionen hervorrufen oder keine. Dies zeige die „und“-Verknüpfung in der Beschreibung.
    Das Klagepatent fordere weiter, dass die Zuckerkette sich an der Anbindungsstelle Asn297 befinde, wobei eine geringfügige Sequenzabweichung von +/-3 Stellen ebenfalls erfasst sein solle.
  57. Für die Berechnung der Fucosemenge von mindestens 99% sehe das Klagepatent eine 4-schrittige Berechnung vor: 1) Ermittlung der fucosylierten Glykane innerhalb der Zuckerkette, 2) Beziehen der Menge an Fucose auf die Summe aus G0, G1, G2, wobei diese Summe auf 100% gesetzt werde, 3) Abzug der relativen Werte der Mannose 4 und 5 von der auf 100% gesetzten Summe aus G0, G1, G2 und 4) die ermittelte Menge an Fucose (= fucosylierten Glykane) werde ins Verhältnis gesetzt zu dem aus Schritt 2 und 3 erhaltenen Wert. Das Klagepatent schreibe aber in Absatz [0073] selbst vor, dass alle Glykopeptide des Antikörpers zu berücksichtigen seien. Da die Vermeidung von ADCC allein durch die hohe Fucosylierung erreicht werden solle, müssten zur Bestimmung der anspruchsgemäßen Fucosemenge alle fucosylierte Glykanspezies bei der Berechnung berücksichtigt werden. Andernfalls – sofern nicht sämtliche detektierte Glykanspezies berücksichtigt würden – führe dies dazu, dass nicht-fucosylierte Glykane im Ergebnis als fucosylierte Glykane in die Berechnung eingingen. Abs. [0008] verlange nicht, dass sich die Auswahl der Glykane nach Tabelle 3a richte, sondern nur, dass die Berechnung in Einklang mit der Tabelle stünde. Die Berechnung sei daher nur beispielhaft zu verstehen. Von einer Beschränkung der Berechnung der Glykane der Tabellen 3a und 3b von Beispiel 3 des Klagepatents sei weder in Absatz [0008], noch in Beispiel 3 des Klagepatents die Rede. Beispiel 3 zeige exemplarisch die Berechnungsschritte anhand zweier spezieller Antikörper, wobei eine Vorgabe dazu, welche Glykanspezies bei anderen Proben berücksichtigt werden dürfen, nicht aus der Tabelle folge. Aus dem Beispielsklon könne hinsichtlich der zu berücksichtigenden Glykanspezies keine allgemeine Aussage für alle Antikörper gezogen werden.
    Die im Anspruch genannte LCMS-Methode analysiere zudem ebenfalls alle m/z Spektren für alle analysierten Glykopeptide. Dies gehe einher mit Absatz [0074] des Klagepatents, wonach Bisecting GlcNac, NGNA und Hochmannose auf dieselbe Weise ermittelt worden seien. Da dem Fachmann klar gewesen sei, dass neben den in der Tabelle angegebenen weitere Glykanspezies bekannt seien, würde er das Fehlen einer entsprechenden Angabe so verstehen, dass sie bei diesem konkreten Klon-Antikörper nicht aufgefunden worden seien. Hieraus könne keine allgemeine Aussage für alle Antikörper gezogen werden. Dies bedeute, dass nach Erstellung des vollständigen Glykanprofils mit allen fucosylierten und allen unfucosylierten Glykanspezies die Summe der relativen Menge aller fucosylierten Spezies innerhalb der Zuckerkette zu ermitteln sei.
    Bei der klägerischen Berechnung gingen nicht-fucosylierte Glykane im Ergebnis als fucosylierte Glykane ein, weil die Klägerin nicht die fucosylierte Spezies aufsummiere, sondern von 100% lediglich die nicht-fucosylierten Spezies abziehe. Wäre nicht-fucosyliertes G2 in einem Antikörper vorhanden, würde sie diese nicht-fucosylierte G2-Spezies nicht von 100% abziehen und diese somit der Fraktion der fucosylierten Glykane zuordnen. Gleiches gelte für alle anderen nicht-fucosylierten Spezies. Damit sei der hohe Fucosegehalt von mindestens 99% kein verlässliches Kriterium, um das erfindungsgemäße Ziel zu erreichen.
    Es gebe viele komplexe biantennäre Spezies, die nicht in den Tabellen 3a, 3b aufgelistet seien und deren fehlende Beachtung vor dem Hintergrund, dass sich das Klagepatent nach Ansicht der Klägerin allein auf komplexe biantennäre Spezies fokussiere, mache keinen Sinn, wenn ADCC vermieden werden solle.
    Hochmannosespezies seien miteinzubeziehen. Auch sie könnten ADCC hervorrufen. Wenn ADCC nicht vollständig unterdrückt werde, sei unklar, welchen Einfluss die unfucosylierten komplexen biantennären Glykane im Gegensatz zu den mannosereichen Spezies wie z.B. Man6, Man7 oder Man8 haben. Das Klagepatent umfasse Antikörper, die beispielsweise in menschlichen Zellen hergestellt würden, wobei davon auszugehen sei, dass diese auch bisecting GlcNAc Spezies enthielten.
    Auch die alternative Berechnungsmethode halte sich nicht an die Vorgabe des Klagepatents. Eine nachträgliche Korrektur aufgrund vermeintlicher Inkonsequenzen der Anspruchsformulierung verbiete sich. Im Übrigen seien Hochmannosen nur solche mit vier und fünf Manoseresten nach der Beschreibung. Etwaige Versäumnisse der Klägerin bei der Abfassung der Klagepatentschrift könnten nicht zulasten der Rechtssicherheit gehen.
  58. Bei der angegriffenen Ausführungsform handele es sich nicht um eine anspruchsgemäßen Antikörper, weil dieser aufgrund einer genetischen Modifizierung zwei Punktmutationen X und X aufweise, die mit dem Fc-Gamma-Rezeptor Typ III wechselwirkten, damit es zu keiner ADCC komme. Die strukturelle Bindungsfähigkeit des Antikörpers an Fc-Gamma Rezeptor Typ III gehe dadurch verloren. Die angegriffene Ausführungsform löse daher mit einem gänzlich anderen Mechanismus das klagepatentgemäße Problem. Dies belegten auch die Privatgutachten von Prof. X (Anlagen B6, B6a; B18, B18a), die Ausführungen der Beklagten im US-Zulassungsverfahren und die Veröffentlichung X (Anlage B7, B7a) und der Bewertungsbericht der EMA (Anlage B 8) sowie das Privatgutachten von Dr X (Anlage B 10, B10a). Auch die weiteren Privatgutachten der Beklagten von Prof. X (Anlagen B 19, 19a) und Prof. X (Anlagen B 20, 20a) bestätigten, dass die X-Mutation ausreiche, um die Interaktion mit FC-Gamma-Rezeptor Typ III ausreichend zu reduzieren, um einen ADCC-Effekt zu unterbinden.
    Aufgrund der Mutationen würde der Fachmann die angegriffene Ausführungsform auch eher als IgG2 bis IgG4 Antikörper einstufen.
    Die Beklagte bestreite mit Nichtwissen, welchen Antikörper die Klägerin getestet habe. Der Antikörper A-01 sei nicht die angegriffene Ausführungsform, wie sie kommerziell erhältlich sei.
    Die Klägerin habe zudem nicht den Nachweis geführt, dass die angegriffene Ausführungsform an den neonatalen Fc-Rezeptor binde. Die Beklagten hingegen hätten mittels eines ADCC-Assays bewiesen, dass eine X mit X-Mutation keine Effektorfunktion aufweise.
  59. Die angegriffene Ausführungsform sei auch nicht an der Stelle Asn 297 mit einer Zuckerkette glycosyliert. Bei der angegriffenen Ausführungsform befinde sich die Zuckerkette an Stelle 301, die Abweichung betrage bereits 4 Stellen.
  60. Die Messung der Klägerin sei bereits deswegen angreifbar, weil sie nicht von einem unabhängingen Institut vorgenommen worden sei.
    Die von der Klägerin vorgelegten LCMS-Ergebnisse seien nicht nachvollziehbar. Die Position und Befähigung der die Untersuchung durchführenden Personen werde mit Nichtwissen bestritten. Die Klägerin berücksichtige bei ihren Untersuchungen nicht alle Glykanwerte, sondern ausschließlich die Glykanwerte aus der Tabelle 3a. Die angegriffene Ausführungsform weise viele zusätzliche Glykanspezies auf, die nicht in der Tabelle 3a vorhanden seien, wie Mannose 6, 7 und 8 sowie fucosyliertes G1 mit NANA und fucosyliertes G2 mit NANA. Die Klägerin lege einen beliebigen Anteil von Glykanen als Summe aller Glykane fest, anstatt relative Prozentsätze auf der Grundlage aller mittels LCMS detektierten Glykopeptide anzugeben. Indem die Klägerin die nicht-fucosylierten Glykanspezies (Mannose 6 bis 8) nicht berücksichtige, sei die Menge an nicht-fucosylierten Glykanspezies künstlich und unzutreffend niedrig gehalten. Dies führe im Ergebnis zu einem künstlich hohen Wert an fucosylierten Glykanspezies.
    Bei richtiger Berechnung zeige die angegriffene Ausführungsform eine Fucosemenge unterhalb von 99% auf, nämlich bei drei Verdauen im Schnitt 98,55%.
    Die Beklagten hatten in ihrer Berechnung die Menge der Fucose bereits positiv ermittelt, eine Negativberechnung in Form der Subtraktion der unfocusylierten Glykane von der Gesamtsumme sei dann nicht mehr vonnöten.
  61. Die Beklagten sind hinsichtlich des erhobenen Lizenzeinwandes der Auffassung, die Beklagten als Konzerngesellschaften könnten auch Unterlizenzen erwerben, weil X über das Klagepatent die erforderliche Kontrolle habe. Sämtliche pharmazeutische Aktivitäten der X in X seien in der X zusammengefasst. Das Klagepatent und auch das X amerikanische Gegenstück zum Klagepatent, die Anmeldung mit der Nummer X (nachfolgend: X), würden maßgeblich durch die X verwaltet. Das Discovery-Verfahren habe ergeben, dass X neben dem hiesigen Rechtsstreit auch das Parallelverfahren in England koordiniere. Das Klagepatent falle auch nicht unter die vertragliche Ausnahmevorschrift, weil die Generalklausel am Ende eng zu verstehen sei und sich nur auf solche anderen Drittpatente beziehe, die den konkret benannten Patenten von Ziffer 1. c, die in der Anlage näher definiert seien, glichen. Die Erteilung einer Unterlizenz entspräche gängiger Rechtspraxis. Sie sei von X
  62. bestätigt worden und vorsichtshalber rückwirkend an dem Klagepatent erteilt worden.
  63. Das Klagepatent werde sich überdies nicht als rechtsbeständig erweisen. Die Entscheidung des EPA sei offensichtlich unrichtig. Das Klagepatent sei weder neu, noch beruhe es auf erfinderischer Tätigkeit noch sei es ausführbar.
  64. Im Falle einer Verurteilung stelle ein uneingeschränkt ausgeurteilter Unterlassungsanspruch eine unzumutbare Härte für die Beklagten dar. Behandlungsbedürftige Patienten könnten aufgrund der Langfristigkeit der Behandlung nicht ohne weiteres substituiert werden. Der entstehende Vertrauensverlust gegenüber dem Produkt der Beklagten wäre nicht wiedergutzumachen. Darüber hinaus wäre die Reputation der Beklagten stark gefährdet. Demgegenüber habe die Klägerin, die kein Wettbewerbsprodukt bereit stelle, lediglich monetäre Interessen.
    Weiter bestünde auch eine unzumutbare Härte gegenüber Patienten. Das Medikament sei für zahlreiche Patienten das einzig noch in Betracht kommende Präparat. In der Bundesrepublik werde die angegriffene Ausführungsform an X Patienten vertrieben. Verschiedene andere Medikamente am Markt versprächen aufgrund verschiedenster schwerer Nebenwirkungen keine vergleichbar gute Verträglichkeit. Insofern sei der Unterlassungsanspruch wenigstens auf Neuverabreichungen zu beschränken.
    Jedenfalls im Rahmen der Verhältnismäßigkeit des Rückrufanspruchs solle eine Aufbrauchfrist gewährt werden.
  65. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
  66. Entscheidungsgründe
  67. Die Klage ist zulässig und weit überwiegend begründet.
    Der Klägerin stehen Ansprüche gegen die Beklagten auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf und Feststellung der Schadensersatzpflicht gem. Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs.1, Abs. 2, 140a Abs. 3, 140b PatG i.V.m. §§ 259, 242 BGB zu, wobei der Rückruf zeitlich beschränkt ist.
  68. I.
    Das Klagepatent betrifft einen rekombinanten Antikörper mit einer exprimierten und glycosylierten Fc-Region, wobei eine Core-Kohlenhydrat-Hauptstruktur, die an die Fc-Region des Antikörpers gebunden ist, vollständig fucosyliert ist.
  69. Das Klagepatent erläutert, dass vorbekannte Immunglobine oder Antikörper in ihrer nativen Form üblicherweise tetramere Glycoproteine sind, die aus zwei leichten und zwei schweren Ketten bestehen. Antikörper enthalten konstante Domänen, die sie unterschiedlichen Klassen wie IgA, IgD, IgE, IgM und IgG und verschiedenen Unterklassen wie IgG1, IgG2, IgG3 und IgG4 zuordnen. Antikörper von Menschen der Klasse IgG1 und IgG3 vermitteln üblicherweise die ADCC (Antikörper-abhängige zellvermittelte Zytotoxizität).
    Vorbekannt sind laut Klagepatent auch andere Moleküle, die antikörperähnlich sind und die z.B. eine Bindungsdomäne eines heterologen Proteins wie eines Rezeptors, Liganden oder Enzyms sowie die Fc-Region eines Antikörpers enthalten. Solche Fc-Fusionsproteine sind z.B. von X und X beschrieben.
    Das Klagepatent führt weiter aus, dass monoclonale Antikörper vier Effektorfunktionen hervorrufen: ADCC, Phagozytose, vom Komplement-System-abhängige Zytotoxizität (CDC) und Halbwertszeit/Clearance Rate. ADCC und Phagozytose werden durch Wechselwirkung von zellgebundenen Antikörpern mit FC-Gamma-Rezeptoren hervorgerufen; CDC durch Wechselwirkung von zellgebundenen Antikörpern mit einer Reihe von Proteinen, die das Komplement-System bilden. Die CDC steht mit der
  70. Clq-Bindungs-C3-Aktivierung und/oder Fc-Rezeptor-Bindung des Fc-Teils in Zusammenhang. Sollte die Clq-Bindungs-C3-Aktivierung und/oder Fc-Rezeptor-Bindung des konstanten Teils eines Antikörpers vermindert sein, werden üblicherweise IgG4-Antikörper verwendet, die das Komplement-System nicht aktivieren, Clq nicht binden und C3 nicht aktivieren. Alternativ dazu werden Fc-Teile umfassend die konstante Region 5 einer gamma-1-schweren Kette mit bestimmten Mutationen wie X und X oder X und X verwendet.
    Laut dem Klagepatent ist aus dem Stand der Technik ebenfalls bekannt, die konstanten Domänen von Antikörpern zu modifizieren, um die Effektorfunktionen zu verbessern. Solche Verfahren sind zum Beispiel in der X beschrieben X berichten über das Glycosylierungsmuster eines in CHO-DUKX-Zellen exprimierten humanisierten IgG1-Antikörpers. Dieser Antikörper weist ein molares Verhältnis von FUC: Man von 0,8 : 3,0 auf, was sich auf einen Fucosylierungsgrad von 80% bezieht X berichten über eine Fucosylierung von ungefähr 90% für in CHO DG44 produzierte Anti-CD20-IgG1- und -IgG3-Antikörper X berichten, dass X die Produktion von menschlichem chimärem IgG in CHO-K1-Zellen erhöht, wobei die Funktion und das Glycoform-Profil beibehalten werden. Die Oligosaccharidprofile zeigen einen beachtenswerten Gehalt an afucosylierten Glycanstrukturen. X berichten über die Auswirkung der Variation der Glycosylierung durch Expressionssysteme auf die biologische Wirksamkeit von therapeutischen Immunglobulinen und die Nomenklatur. X berichten über die Kohlenhydratanalyse von X weist eine Fucosylierung von 9-10 % auf X berichten, dass bovines IgG ungefähr 11% afucosyliertes IgG enthält. X berichten, dass menschliches IgG zu ungefähr 14% afucosyliert ist. X berichten, dass in Maus-SP2/0 produzierte Antikörper große Mengen an N-Glycolylneuraminsäure (NGNA)-Oligosaccharide enthalten. X., in: X berichten, dass bei CHO-Expression von IgG1 nach transienter Transfektion eine schlechte Gesamtglycosylierung beobachtet wird. X, X
  71. berichten über die rekombinante Produktion eines chimären Maus-Human-Antikörpers in Maustransfectomzellen. Der IgG1-Antikörper ist in einer Menge von 13% afucosyliert. X berichten über die Glycosylierung von Antikörpern aus Hybridomzellen und Maus-Ascites. X berichten über eine Fucosylierung von 91% bei einem CD20-IgG1-Antikörper nach rekombinanter Produktion in CHO DG44, und X über eine Fucosylierung von 94%. X berichten, dass die Expression von Antikörpern mit veränderten Glycoformen zu einer Erhöhung der ADCC führt. Der Antikörper von X ist daher in beträchtlichem Ausmaß nichtfucosyliert. X vergleichen die Glycosylierung von Antikörpern mit unterschiedlichen Expressionssystemen. X berichten, dass der Mangel an Fucose an Human-lgG1-Fc die FcγRlll-Bindung und die ADCC verbessert. Ein Anti-Her2-Antikörper, der zu ungefähr 90% fucosyliert ist, weist ebenfalls eine beträchtliche ADCC auf. X berichten über die Produktion von menschlichen Antikörpern in Hühnereiern. X und X beschreiben verbesserte Antikörper gegen IGF-1R.
  72. Das Klagepatent formuliert nicht explizit eine Aufgabe. Vor dem Hintergrund des dargestellten Standes der Technik sieht das Klagepatent nunmehr ein Arzneimittel in den Ansprüchen 1 und 7 des Klagepatents vor, das folgende Merkmale aufweist:
  73. 1.
    Arzneimittel umfassend
  74. 2.
    einen monoclonalen Antikörper.
    a)
  75. Der Antikörper ist vom menschlichen IgG1- oder IgG3-Typ.
    b)
    Der Antikörper ist mit einer Zuckerkette an Asn297 glycosyliert.
    3.
    Die Menge an Fucose innerhalb der Zuckerkette,
    – bezogen auf die Summe aus G0, G1, G2 ohne Mannose 4 und Mannose 5 als 100 %, und
    – wie durch Peptidmapping-Analyse mittels Flüssigchromatographie/Massenspektrometrie (LCMS) analysiert,
    ist mindestens 99 %.
    4.
    Darüber hinaus ist die Menge
    a) an NGNA innerhalb der Zuckerkette,
    – bezogen auf die Summe aus G0, G1, G2 ohne Mannose 4 und Mannose 5 als 100 %, und
    – wie durch Peptidmapping-Analyse mittels Flüs-sigchromatographie/Massenspektrometrie (LCMS) analysiert,
    1 % oder weniger, und
    b) die Menge an N-terminaler alpha-1,3-Galactose innerhalb der Zuckerkette,
    – bezogen auf die Summe aus G0, G1, G2 ohne Mannose 4 und Mannose 5 als 100 %, und
    – wie durch Peptidmapping-Analyse mittels Flüssigchromatographie/Massenspektrometrie (LCMS) analysiert,
    1 % oder weniger.
  76. II.
    Angesichts des Streits der Parteien bedarf es der Auslegung des Begriffes monoclonaler Antikörper (dazu unter 1) sowie weiterer Ausführungen dazu, welche Anforderungen der Fachmann an die Glycolisierung an der Sequenzstelle Asn 297 (dazu unter 2) stellt und welches Verständnis er der Menge an Fucose von mindestens 99% (dazu unter 3) beimisst.
    1.
    Der Fachmann versteht unter einem anspruchsgemäßen monoclonalen Antikörper einen solchen, der über einen funktionell aktiven (FcR-Bindungs-)Fc-Teil des IgG1-oder IgG3-Typs verfügt. Dabei ist das funktionell aktive FcR-Bindungs-Fc-Teil nicht nur ein solches, das an den für ADCC verantwortlichen FC-Gamma-Rezeptor Typ III bindet, sondern eines, das grundsätzlich eine Bindung mit Fc-Rezeptoren eingeht, die eine Effektorfunktion auslösen.
    Dieses Verständnis gründet sich zunächst auf den Anspruchswortlaut, der generell von einem monoclonalen Antikörper spricht, der vom menschlichen IgG1- oder IgG3 Typ ist (Merkmale 2, 2a). Aus der Beschreibung ergibt sich ferner, dass ein erfindungsgemäßer Antikörper mindestens einen funktionell aktiven (FcR-Bindungs-)Fc-Teil des IgG1- oder IgG3-Typs, umfassend glycosyliertes Asn297 enthält (Absatz [00028] der Klagepatentschrift; nachfolgend sind Absätze ohne nähere Angaben solche des Klagepatents). Dem Fachmann ist aufgrund seines allgemeinen Fachwissens auch bekannt, dass die Fc-Region für die Interaktion zwischen dem Antikörper und anderen Komponenten des Immunsystems zuständig ist, weil an diese Region Fc-Rezeptoren binden, die sich auf bestimmten Zelloberflächen des Immunsystems befinden (vgl. X, Anlage B6a, Rn. 16). Fc-Rezeptoren für IgG-Antikörper sind als Fc-Gamma-Rezeptoren bekannt, wobei jeder dieser Rezeptoren zu unterschiedlichen Effektorfunktionen führt (vgl. X, Anlage B6a, Rn. 16). Das Klagepatent benennt im allgemeinen Teil der Beschreibung vier dieser Effektorfunktionen: ADCC, Phagozytose, vom Komplement-System-abhängige Zytotoxizität (CDC) und die Halbwertszeit/Clearance-Rate (Absatz [0004]).
    Auch wenn der weitere Anspruch eine hohes Maß an Fucosylierung (mindestens 99%, Merkmal 3) voraussetzt, die nur dann die Effektorfunktion ADCC negativ beeinflusst bzw. hemmt, wenn eine Bindung mit dem für diese Funktion zuständigen FC-Gamma-Rezeptor zustande kommt (vgl. Absatz [0004]), wird der Fachmann den monoklonalen Antikörper nicht auf diese spezifische Bindung beschränkt verstehen. Der Antikörper soll generell ein funktionell-aktives Bindungsteil aufweisen, wobei nach dem Anspruchswortlaut und der Definition in Abs. [0028] alle Effektorfunktionen erfasst sind. Da das Klagepatent selbst die Funktion der Halbwertzeit nennt, die bestimmt, wie lange die Wirkung der Immunreaktion vorhält, fällt auch eine Bindung mit dem neonatalen Fc-Rezeptor (FcRn) unter den Begriff „funktionell aktiv“. Denn der Anspruchswortlaut ist gerade nicht beschränkt auf einen bestimmt Fc-Rezeptor. Dass sich der FcRn strukturell grundlegend von den übrigen Fc-Rezeptoren unterscheidet und einen anderen Bindungsmechanismus hat (vgl. X, Anlage B 18a, Rn. 11) ist ebenfalls unerheblich, weil das Klagepatent für die Art der Bindung und der Struktur der Rezeptoren keinerlei Vorgaben macht. Dass FcRn überhaupt nicht an dem FcR-Bindungs-Fc-Teil bindet, hat auch der Privatgutachter der Beklagten nicht behauptet. Dass FcRn keinen Einfluss auf die Induktion von ADCC hat, ist an dieser Stelle irrelevant. Merkmal 3 soll durch den hohen Fucosewert eine Unterdrückung von ADCC sicherstellen. Insofern ergibt sich aber auch hier weder aus dem Anspruch noch aus der Beschreibung, dass ausschließlich an Fc-Gamma-Rezeptoren Typ III gebunden werden müsste. Dass der Grad der Fucosylierung Einfluss auf die ADCC-Aktivität hat, ist aus dem Stand der Technik bekannt (Absatz [0006]). Die Eignung, die Funktion ADCC zu unterdrücken, hat ein Antikörper nach dem Klagepatent, wenn es einen Fucosegehalt von mindestens 99% aufweist. Sofern die Funktion ADCC aber (zusätzlich) bereits durch eine mangelnde Bindung an entsprechende Rezeptoren unterdrückt wird, beseitigt dies nicht die generelle Eignung des Antikörpers mit einem hohen Fucosegehalt, ADCC zu unterdrücken. Das Klagepatent erfasst insbesondere ausdrücklich Mutationen in der Fc-Region, solange sie nicht die Zuckerkette an Asn297 betreffen (vgl. Absatz [0027]).
    Etwas anderes folgt auch nicht aus Merkmal 2a). So mag es sein, dass den nicht beanspruchten Typen IgG2 und IgG4 an den Stellen 234-237 das für die Fc-Gamma-Rezeptor Typ III-Bindung relevante gemeinsame Aminosäuresequenzmotiv LLGG fehlt, wohingegen die beanspruchten Typen IgG1 und IgG3 dieses aufweisen. Da das Klagepatent Mutationen aber ausdrücklich zulässt und auch die IgG1 und IgG3 Typen an andere Rezeptoren als an FC-Gamma-Rezeptoren Typ III binden können, die ebenfalls zur Reduktion von ADCC führen (z.B. FC-Gamma-Rezeptor Typ I) schränkt auch Merkmal 2a den Anspruch an dieser Stelle nicht ein.
    Schließlich lässt sich dem Klagepatent auch nicht entnehmen, dass ein funktionell-aktiver Bindungsteil zwingend alle Bindungen zulassen muss, weil nur ein Antikörper geschützt sei, der alle Effektorfunktionen hervorruft oder keine. Die Aufzählung in Absatz [0004] ist beispielhaft. Dieses Argument der Beklagten verliert auch deswegen an Überzeugungskraft, weil es gegen ihre eigene Auslegung spricht, wonach eine funktionell-aktive Bindung nur und ausschließlich eine solche sein soll, die für die Effektorfunktion ADCC verantwortlich ist.
  77. 2)
    Sofern der Anspruch vorgibt, dass sich die Zuckerkette an der Aminosäuresequenzstelle Asn297 befindet (Merkmal 2 b)), sind davon auch solche Positionsverschiebungen umfasst, die der Fachmann nach seinem allgemeinen Fachwissen nicht als völlig unüblich ansieht.
    Wie die Klägerin zu Recht ausgeführt hat, ist dem Fachmann bekannt, dass in den Aminosäureketten Längenvariationen auftreten können, welche zu Positionsverschiebungen führen können. Diesen Umstand beschreibt das Klagepatent auch in Absatz [0034], wenn es ausführt, dass Asn297 erfindungsgemäß die Aminosäure Asparagin sei, die sich ungefähr bei Position 297 in der Fc-Region befindet. Aufgrund von kleineren Sequenzvariationen von Antikörpern kann sich Asn 297 auch einige Aminosäuren (üblicherweise nicht mehr als +/- 3 Aminosäuren) stromaufwärts oder stromabwärts befinden. Auch bei dem Antikörper in den Ausführungsbeispielen befindet sich das Asparagin tatsächlich an Position 298. Der Fachmann erkennt also, dass das Aspirigin nicht zwingend an der Position 297 vorliegen muss, sondern der Begriff Asn297 eine Region beschreibt. Er sieht aber anhand der Angaben auch, dass eine ungefähre Positionsbestimmung um 297 die Region beschreibt. Sofern drei Stellen eine übliche Abweichung darstellen, wird er auch andere Abweichungen noch als innerhalb der anspruchsgemäßen Region verorten, sofern sie nicht völlig unüblich sind. Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Abweichung von vier Stellen eine solche Unüblichkeit darstellt, die den Fachmann zu dem Schluss kommen lässt, dass es sich nicht mehr um das anspruchsgemäße Asparigin handelt. Keine der Parteien hat vorgetragen, dass bei einer Abweichung von 4 Stellen der Antikörper eine völlig andere molekulare Struktur erhält oder dadurch völlig andere Eigenschaften. Nach dem Vorgesagten ist auch klar, dass für die Anwendung der Rechtsprechung zu Zahlen- und Bereichsangaben bei diesem Merkmal kein Raum ist. Die Zahl ist lediglich ein Synonym für ein Strukturmerkmal, nämlich die Verortung der Zuckerkette.
  78. 3)
    Des Weiteren bedarf die Bestimmung des Grads der Fucosylierung von 99% (Merkmal 3) der Auslegung.
    Die Kammer hat sich hierbei an folgende von der Rechtsprechung aufgestellte Auslegungsregeln zu halten: Die Auslegung darf auch dann nicht unterbleiben, wenn der Wortlaut des Anspruchs eindeutig zu sein scheint (vgl. statt aller BGH, GRUR 2012, 1124 – Polymerschaum I). Denn die Beschreibung des Patents kann Begriffe eigenständig definieren und insoweit ein „patenteigenes Lexikon“ darstellen (BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Auch der Grundsatz, dass bei Widersprüchen zwischen Anspruch und Beschreibung der Anspruch Vorrang genießt, weil dieser und nicht die Beschreibung den geschützten Gegenstand definiert und damit auch begrenzt (GRUR 2011, 701 – Okklusionsvorrichtung), schließt nicht aus, dass sich aus der Beschreibung und den Zeichnungen ein Verständnis des Patentanspruchs ergibt, das von demjenigen abweicht, das der bloße Wortlaut des Anspruchs vermittelt. Funktion der Beschreibung ist es, die geschützte Erfindung zu erläutern. Im Zweifel ist daher ein Verständnis der Beschreibung und des Anspruchs geboten, das beide Teile der Patentschrift nicht in Widerspruch zueinander bringt, sondern sie als aufeinander bezogene Teile der dem Fachmann mit dem Patent zur Verfügung gestellten technischen Lehre als eines sinnvollen Ganzen versteht. In jedem Fall hat das Verletzungsgericht diejenige Bedeutung der Angaben des Anspruchs zu bestimmen, die nach dem sonstigen Inhalt der Ansprüche unter Berücksichtigung von Beschreibung und Zeichnung als sinnvoll erkannt werden kann (BGH, GRUR 2008, 887 – Straßenbaumaschine).
    Nach dem Wortlaut des Anspruchs ist die Menge an Fucose innerhalb der Zuckerkette mindestens 99%. Die 99% sind bezogen auf die Summe aus den focusylierten Glykane G0, G1, G2 ohne Mannose 4 und 5 als 100%. Absatz [0008] erläutert näher, was das Klagepatent unter dem Begriff der Menge versteht, nämlich die Menge des Zuckers, die zu der Summe von G0, G1 und G2 abzüglich der Mannosen 4 und 5 als 100% in Beziehung gesetzt wird und wie Beispiel 3 berechnet wird. Der Fachmann entnimmt Absatz [0026] die Funktion komplexer biantennären Oligosaccharide, also der Zuckerkette, deren Fucosegehalt bestimmt werden soll: Danach ist ihr Vorhandensein wesentlich dafür, dass der Antikörper Effektorfunktionen vermittelt, wie die antikörperunabhängigen Zellcytoxität (ADCC). Es ist unstreitig so, dass sich die Zuckerkette in Glykane aufteilen lässt, die in der Kernregion Fucose aufweisen (fucosylierte Glykane), und in Glykane, die keine Fucose enthalten (nicht-fucosylierte Gykane). Die Tabellen 3a und 3b geben insoweit die Berechnungsart vor, wie das Klagepatent die anspruchsgemäße Menge der Fucose ermittelt. Demnach werden unter anderem die relativen Mengen an fucosylierten G0, G1 und G2-Glycanen aufsummiert. Sodann werden die relativen Mengen von G0, G1 und G2 aufsummiert und jeweils ihr presenter Anteil an dieser Summe (=100%) ermittelt. Von diesen 100 wird die relative Menge mit hohem Mannosegehalt abgezogen und so die Summe ohne Man (99,2) ermittelt. Mittels der relativen Menge der nicht-fucosylierten Glykane G0, G1 und G2 minni Fue (0,2) wird die relative Menge an Zucker ohne Fucose ermittelt (0,2 x 100/ 99,2 = 0,2). Dieser Wert wird dann von der Zuckermenge (100%) abgezogen, der ermittelte Rest (fucosylierte Menge) liegt über 99%. Nach dem zwischen den Parteien unstreitigen Verständnis des Fachmanns tragen nicht-fucosylierte Glykane zur Induktion von ADCC bei, fucosylierte Glykane grundsätzlich nicht. Funktion des Merkmals 3 ist es daher, einen möglichst hohen Fucosegehalt (mindestens 99 %) der Glykose zu gewährleisten, weil dadurch Fc-Rezeptorbindung des Antikörpers gehemmt wird. Bezogen ist die Menge der Fucose auf die Zuckerkette. Der Fachmann erkennt also, dass die Berechnung nach Merkmal 3 gewährleisten soll, den Fucosegehalt innerhalb der Zuckerkette zu ermitteln. Insofern gibt das Klagepatent die Berechnungsart in Beispiel 3 vor.
    Die Parteien streiten zunächst darüber, ob bei der anspruchsgemäßen Berechnung ein vollständiges Glykanprofil zu erstellen ist und zwar von allen Glykanspezies, die sich in dem Antikörper befinden. Dafür spricht zum einen der Wortlaut des Anspruchs „innerhalb der Zuckerkette“, also aller Zucker, und zum anderen auch Absatz [0073] des Klagepatents, wonach die LCMS-Peptidmapping-Analyse für alle Glycopeptide des verwendeten Klons angewendet wurde. Absatz [00073] ist Teil des Beispiels 3. Daher wird der Fachmann die Tabelle 3a so verstehen, dass es sich bei dem untersuchten Antikörper bei den in Beispiel 3 aufgeführten Glykanen um alle handelt, die analysiert wurden. Auch die Funktion des Merkmals 3 spricht dafür, denn wenn die Fucosemenge zuverlässig bestimmt wird, ist gewährleistet, dass ADCC verringert wird. Insofern wird er bei einer Berechnung nach Beispiel 3 als Ausgangspunkt alle Glykanspezies wählen und nicht nur die im Beispiel 3 genannten berücksichtigen. Denn insoweit ist dem Fachmann bewusst, dass es noch andere fucosylierte Glykane gibt, die im Beispiel 3 nicht aufgeführt sind.
    Problematisch ist im Weiteren aber dann, dass der Anspruch verlangt, die Summe der focusylierten Glykane auf 100% zu beziehen. Mit diesem Rechenschritt wird letztlich obsolet, ob vorher sämtliche nicht-focusylierten Glykane in die Betrachtung einbezogen wurden oder nicht, weil von dieser Menge die focusylierten Glykane in jedem Fall gleich 100% gesetzt werden. Diesen Rechenschritt vollzieht auch das Beispiel 3. Da das Klagepatent an dieser Stelle aufgrund konsistenter Beschreibung mit dem Anspruch kein anderes Verständnis zulässt, steht der Fachmann vor dem Problem, das ihm eine Berechnung an die Hand gegeben wird, die von der Idee her dazu führt dass er die Menge an Fucose von der Fucosemenge bestimmen soll. Diese Rechnung macht für sich genommen wenig Sinn. Im englischen Verfahren (Anlage B 38a) wurde – dort allerdings an anderer Stelle – das Wort „crazy math“ bemüht. Nach den oben genannten Grundsätzen wird der Fachmann aber bei dem Ergebnis einer „sinnlosen“ Auslegung nicht stehen bleiben, sondern er wird versuchen, dem Anspruch mit Hilfe der Beschreibung einen irgendwie sinnvollen Gehalt zu entnehmen. Der einzige noch sinnvolle Gehalt verbleibt aber nur dann, wenn man das Beispiel 3 als konkrete Formulierung für eine abstrakte Handlungsanweisung versteht, die Fucosemenge innerhalb der Glykane zu bestimmen. Faktisch läuft die Berechnung in Beispiel 3 auch darauf hinaus, weil der Fucoseanteil bzw. nicht-Fucoseanteil (o,2) innerhalb der gesamten Zuckerkette (das sind faktisch die 100%) abzüglich der Mannosen (100% – 0,8 % = 99,2) berechnet wird. Danach sind die nicht-fucosylierten Glykane und die Mannosen – die das Klagepatent jedenfalls als eine Struktur erkennt, die es von den fucosylierten Glykanen separieren möchte (unerheblich, ob Hochmannosen generell fucosyliert werden können oder nicht) –, von den fucosylierten Glykanen herauszurechnen, um den Anteil der Fucose zu ermitteln. Wenn aber – wofür nach obiger Auslegung viel spricht alle Glykane Berücksichtigung finden, müssen hiervon auf der anderen Seite auch alle Mannosen erfasst werden. Insofern ist der Anspruch – entgegen seinem Wortlaut – so zu lesen, dass die Mannose 4 und 5 stellvertretend für alle Mannosen stehen. Anderenfalls wird die Rechnung verfälscht. Alle Mannosen sind dann gleichlaufend bei Ermittlung der relativen Mengen von Fucose auch wieder abzuziehen. Anderenfalls ergeben sich die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung aufgezeigten Diskrepanzen. Insbesondere würde somit der Anteil der fucosylierten Glykane an der Gesamtheit aller Glykane zuzüglich der Hochmannosen mit Ausnahme von Mannose 4 und 5 bestimmt, was alles anderes als sinnvoller erscheint.
  79. II.
    Die angegriffene Ausführungsform macht von der klagepatentgemäßen Lehre Gebrauch. Sie verwirklicht insbesondere die Merkmale 2a, 2b und 3. Ausführungen zu den übrigen Merkmalen erübrigen sich, da sie zwischen den Parteien zu Recht unstreitig sind.
  80. 1)
    Die angegriffene Ausführungsform ist ein monoclonaler Antikörper im Sinne des Merkmals 2. Nach obiger Auslegung ist unerheblich, dass X in der schweren Aminosäurekette zwei Mutationen (X und X) vorsieht, um bereits Bindungsstellen zu eliminieren. Auch wenn die Klägerin bestreitet, dass eine Bindung an FC-Gamma-Rezeptor Typ III ausreichend reduziert sei, um einen ADCC-Effekt zu unterbinden, kann der diesbezügliche Beklagtenvortrag als richtig unterstellt werden, ohne dass dies aus der Verletzung herausführen würde. Es genügt, dass die angegriffene Ausführungsform eine funktionell aktive Fc-Region aufweist. Dass dies überhaupt nicht der Fall sei, hat die Beklagte nicht konkret vorgetragen. Ihrer Auffassung, dass die angegriffene Ausführungsform infolge der Mutationen eher dem Typ IgG2 bzw. IgG4 zuzuordnen sei, kann die Kammer nicht folgen. Denn die Gegenüberstellung des Privatgutachter X der X-Sequenz zu den IgG-Typen 1 bis 4 in seinem Gutachten vom 29. Juni 2019 (Anlage B 18a) unter Randnummer 13 zeigt anschaulich, dass X mit der Sequenz X gerade keine Übereinstimmung mit den gelb markierten Sequenzen von IgG2 (VAG-) und IgG4 (FLGG) aufweist. Die Klägerin hat dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform an den neonatalen FcRn binden kann. Dies hat die Beklagte nicht substantiiert bestritten. Auf den Einwand der Beklagten, der ph-Wert sei nicht angegeben, hat die Klägerin erläutert, dass zunächst bei leicht saurem ph-Wert gearbeitet wurde und die gebundenen Antikörper anschließend mittels eines ph-Gradienten eluiert wurden.
  81. 2)
    Nach obiger Auslegung weist die angegriffene Ausführungsform mit einer Zuckerkette an Position 301 auch eine Glykolisierung an Asn297 im Sinne des Merkmals 2b) auf.
  82. 3)
    Nach obiger Auslegung verwirklicht die angegriffene Ausführungsform auch nach den Messungen der Beklagten das Merkmal 3, weil bei Berücksichtigung aller Mannosen (auch Man6, Man7 und Man8) eine relative Menge an Fucose von mehr als 99% innerhalb der Zuckerkette der angegriffenen Ausführungsform vorhanden ist. Dies ergibt sich aus der von der Klägerin vorgelegten Anlage K 19, in der wie in der rechten Tabelle unter Zugrundelegung der Messungen der Beklagten deren Berechnungen nachvollzogen hat mit der Einschränkung, dass alle Hochmannosen (einschließlich 116, 117, 118) von100 % abgezogen wurden, wie es nach zutreffender Auslegung nach erfolgen soll.
  83. III.
    Der Lizenzeinwand der Beklagten führt nicht zum Erfolg.
  84. X
  85. IV.
    Die Beklagte zu 3) ist passiv legitimiert. So ist derzeit unstreitig, dass die Beklagte zu 3) Konfektionierungshandlungen für die angegriffene Ausführungsform vorgenommen hat. Dabei handelt es sich um einen Kausalbeitrageitrag bei der Vermarktung der angegriffenen Ausführungsform. Die Beklagte zu 3) hat damit den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform gefördert und zumindestens billigend in Kauf genommen, dass die angegriffene Ausführungsform auch in Deutschland in den Verkehr gebracht wird (zur Reichweite der Haftung siehe BGH GRUR 2009, 1142, 1145 – MP3 – Playerimport).
    Darüber hinaus liegt in der Angabe der Beklagten zu 2) und 4) als Herstellerin in der Gebrauchsinformation (vgl. Anlagen K 7a, K 7c) ebenfalls ein Kausalbeitrag, der jedenfalls eine Mitwirkung an dem Inverkehrbringen begründet.
    Der Verweis der Beklagten auf die Entscheidung der Schwesterkammer zur Herstellungshandlung (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 12.7.2005, Az. 4a O 123/04) ist unbehelflich, weil ein Verbot des Herstellens als solches von der Klägerin zu Recht nicht beantragt ist. Die Entscheidung HIV-Medikament des Oberlandesgerichts Düsseldorf (vgl. GRUR-RR 2013, 241) kann hier ebenso wenig mit Erfolg herangezogen werden, da es nicht um die Frage der Auswirkung eines Antrags oder des Besitzes einer europäischen Arzneimittelzulassung geht.
    Die Nennung in der Gebrauchsinformation stellt einen Teilbetrag zum Inverkehrbringen dar, verstanden als der tatsächliche Übergang der Verfügungsgewalt des patentierten Erzeugnisses an eine dritten Person (vgl. Benkard/Scharen, 11. Aufl., § 9 Rn. 44). Indem die Beklagten zu 2) und 4) als Hersteller in der für die Bundesrepublik Deutschland verwendeten Gebrauchsinformation genannt werden, zeichnen sie sich verantwortlich für die Zusammensetzung der angegriffenen Ausführungsform und dienen als Ansprechpartner. Durch die Nennung des pharmazeutischen Herstellers
    ist für den Erwerber der angegriffenen Ausführungsform klar, an wen er sich bei Problemen oder gezielten Fragen wenden kann. Dies ist auch sinnvoll, denn der Hersteller weiß wie kein anderer über die Zusammensetzung, die optimale Lagerungsbedingungen, die Wirkung etc. seines Medikamentes Bescheid. Ohne diese Angabe käme ein Vertrieb in der Bundesrepublik nicht in Frage. Dies mag nur aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung nach § 11 AMG so sein. Der Sinn und Zweck des AMG – die Volksgesundheit – steht aber nicht in Kontroverse zum Schutz des geistigen Eigentums an technischen Erfindungen, welchen das Patentgesetz verfolgt. Denn die genannten pharmazeutischen Unternehmen sind selbstverständlich gehalten, nur solche Arzneimittel auf den Markt zu bringen, die nicht die absoluten Schutzrechte anderer verletzen und die Angaben nach dem AMG müssen freilich korrekt sein. Sofern die Beklagten vorgetragen haben, dass die Beklagten zu 2) und 4) ausschließlich in Italien auf das Produkt gerichtete Handlungen vornehmen, die nicht auf den deutschen Markt gerichtet seien, mag das im Ergebnis zutreffen, ändert aber nichts an der – wenn auch fälschlichen – Nennung in der Gebrauchsinformation, die für sich allein bereits als Tatbeitrag ausreicht. Dass die Beklagten darüber keine Kenntnis hatten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
    Mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung der Beklagten zu 2) ist die durch die Nennung in der Gebrauchsinformation im Jahr X begründete Wiederholungsgefahr ebenfalls nicht beseitigt.
  86. V.
    Die Verletzung des Klagepatents zieht folgende Rechtsfolgen nach sich.
  87. 1)
    Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung nach Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG. Mit dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform benutzen die Beklagten die klagepatentgemäße Erfindung.
    Sofern die Beklagten einwenden, eine Verurteilung zur Unterlassung stelle eine unzumutbare Härte dar und sei insofern unverhältnismäßig, kann dem in Form der Anträge zu III. 1 bis 3 der Beklagten nicht gefolgt werden.
    Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung sieht der § 139 PatG nicht vor. Die insoweit spezialgesetzliche Normierung findet sich in § 24 PatG, wonach die Klägerin – die sich hauptsächlich auf öffentliche Patienteninteressen stützt – eine Klage auf Erteilung einer Zwangslizenz hätte anstreben können. So hat das OLG Düsseldorf erst kürzlich noch betont, dass eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung anderenfalls das Ergebnis des auf die Erteilung einer Zwangslizenz gerichteten einstweiligen Verfügungsverfahrens konterkarieren könnte, mit der Folge, dass dem Unterlassungstitel unter dem Gesichtspunkt möglicher Drittinteressen nicht einstweilen die Vollstreckbarkeit genommen werden kann (vgl. Beschluss vom 5. August 2019, I-2 U 35/19).
    Auch nach den Grundsätzen der Wärmetauscher-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 2016, 1031) ist vorliegend ebenfalls keine Aufbrauchfrist für den Unterlassungsanspruch zu gewähren. Berücksichtigt werden können die wirtschaftlichen Auswirkungen der Unterlassung, das Verhalten des Berechtigten sowie Art und Umfang des Verschuldens des Verletzers, nicht hingegen Interessen (bestimmter) Dritter oder der Öffentlichkeit (LG Düsseldorf BeckRS 2017, 104662; Busse/Keukenschrijver § 139 Rn. 94; (BeckOK PatR/Voß, Stand: 25.4.2019, Vor §§ 139–142b (Verletzungsprozess) Rn. 198a). Sofern die Beklagten etwaige Reputationsverluste ins Feld führen, realisiert sich hier das normale Risiko eine Patentverletzung. Einem etwaigen besonderen Vertrauensverlust in der Pharmabranche können die Beklagten durch entsprechende Information des Marktes über die Patentverletzung vorbeugen. Ähnlich wie die im Antrag vorgeschlagenen Schreiben können sie ihre Abnehmer in Kenntnis setzen, dass keine Wirkungsverluste oder Produktschäden der Grund für die Einstellung des Vertriebs sind, sondern eine juristische Auseinandersetzung über Geistige Eigentumsrechte. Dass die Klägerin jedenfalls im Moment noch kein eigenes Produkt im Markt hat, schmälert ihr Interesse an einem unbeschränkten Unterlassungstitel hingegen nicht. Die Patienteninteressen sind als Drittinteressen in die vorliegende Abwägung von vorneherein nicht miteinzustellen.
  88. 2)
    Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus § 140b Abs. 1 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ, §§ 242, 259 BGB zu. Der An-spruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfin-dungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunfts-pflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Ver-pflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagten werden durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
  89. 3)
    Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Rückruf der angegriffenen Ausführungsformen aus den Vertriebswegen, da die Beklagten mit der ange-griffenen Ausführungsform die klagepatentgemäße Erfindung im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG benutzen, ohne dazu berechtigt zu sein, § 140a Abs. 3 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ.
    Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung war den Beklagten jedoch ein Zeitraum von 12 Monaten ab Verkündung dieses Urteils zu gewähren, in denen der Rückruf seitens der Klägerin nicht geltend gemacht werden kann.
    Anders als beim Unterlassungsanspruch sieht § 140a Abs. 4 PatG eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor, die auch ausdrücklich Drittinteressen berücksichtigt. Dabei verkennt die Kammer nicht den Charakter als Ausnahmetatbestand, der grundsätzlich eng auszulegen ist (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2018, 22632). Den Hilfsanträgen IV. 1.-2. war aufgrund ihrer Anlehnung an den so nicht gewährten Unterlassungsanspruch nicht zu entsprechen. Der Hilfsantrag zu IV. 3 wurde unter Bestimmtheitsgesichtspunkten sprachlich im Tenor angepasst und der Sache nach zugesprochen.
  90. Angesichts der vorgetragenen Drittinteressen und dem letztlich geringen Risiko der Klägerin, dass nach einem Jahr die Vertriebswege nicht endgültig frei geräumt sind, überwiegen die Drittinteressen der Patienten, die jedenfalls in Bezug auf den Rückruf substantiell von der Klägerin auch nicht Frage gestellt werden. So ist konkret dargetan, dass Patienten, die derzeit in Behandlung, sind nach zwölf Monaten das Maximum an X Heilung erreichen, um im weiteren klini-
    schen Verlauf zu profitieren. Angesichts der möglichen Krankheitsverläufe bei Langzeitbehandlungen erscheint es der Kammer unverhältnismäßig, dass Patienten, die derzeit in Behandlungen stehen und in bestimmten Zeitabständen die angegriffene Ausführungsform verabreicht bekommen und gesundheitlich in hohen Maßen konkret auf die angegriffene Ausführungsform angewiesen sind, diese dadurch vorenthalten wird, dass bereits für die Behandlung georderte Darreichungsformen wieder aus den Vertriebswegen zurückgerufen werden. Ein milderes Mittel stellt es demgegenüber dar, wenn die Patienten bzw. die entsprechenden medizinischen Einrichtungen eine angemessene Karenzzeit erhalten, um auf ein anderes Medikament umgestellt zu werden. Insoweit richtet sich der Rückrufanspruch nur gegen die Produkte, die bereits in den Vertriebswegen sind und nach der Karenzzeit noch bei Apotheken, Krankenhäusern oder Ärzten auf Vorrat gehalten werden. Auf Seiten der Klägerin ist zwar zu berücksichtigen, dass gegebenenfalls nach einem Jahr keinerlei Produkte mehr zurückgerufen werden können, da sie alle verbraucht sind, weil nach dem Vortrag der Beklagten die angegriffene Ausführungsform nur bedarfsgerecht für die Therapiezeit von zwölf Monaten bestellt und verwendet wird. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass nach Ablauf der Karenzzeit die Vertriebswege endgültig frei sind, da durch den von Anfang an bestehenden Unterlassungsanspruch keine Nachlieferungen seitens der Beklagten mehr möglich sind. Insofern wird Sinn und Zweck des Rückrufanspruchs auch nach einem Jahr erreicht, da ein Bevorraten der angegriffenen Ausführungsform gerade nicht stattfindet. Es kommt also nicht zu einem faktischen Leerlauf des Rückrufs, sondern Sinn und Zweck wird ebenfalls erreicht, nur mit anderem zeitlichen Verlauf. Darüber hinaus steht hier eine recht geringe Menge an Patienten und somit auch an im Umlauf befindlichen Verletzungsprodukten im Raum. Der behauptete Marktanteil von X Patienten im Jahr 2019 von X betroffenen Patienten erscheint überschaubar X Insoweit erscheint auch fraglich, ob die Klägerin diese Zahlen wirksam mit Nichtwissen bestreiten konnte, da sie selbst behauptet, zukünftiger Wettbewerber zu sein und als ein Unternehmen ihres Zuschnitts nach eigener Wahrnehmung wissen wird, inwieweit etwa sich der Markt aufteilt. Schließlich ist sie durch den unbeschränkten Unterlassungsanspruch abgesichert und weiß, dass keine zusätzlichen Verletzungsprodukte mehr in den Markt gelangen. Zuguterletzt hat die Klägerin sowohl schriftsätzlich als auch in der mündlichen Verhandlung bereits deutlich gemacht, dass sie mit Blick auf das Wohl einzelner Patientengruppen durchaus bereit ist, auf eine vorläufige Vollstre-
    ckung zu verzichten. Da diese Aussage auf die Unterlassung bezogen war, stellt jedenfalls eine Aufbrauchfrist nur für den Rückruf ein Vorgehen da, das letztlich keinem Interesse der beiden Parteien ernstlich zuwiderläuft. Wahrhaft gestritten wird in diesem Rechtsstreit um andere Fragen.
  91. 4)
    Die Klägerin hat gegen die Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Zah-lung von Schadensersatz aus § 139 Abs. 1 und 2 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ, weil die Beklagten die Patentverletzung schuldhaft begingen. Als Fachunternehmen hätten die Beklagten die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erfor-derlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht un-wahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Pa-tentverletzung ein Schaden entstanden ist. Das für die Zulässigkeit des Feststel-lungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
  92. V.
    Es besteht keine Veranlassung, den Rechtsstreit im Hinblick auf das Nichtigkeitsverfahren gem. § 148 ZPO auszusetzen. Für die Kammer lässt sich auf der Grundlage des vorgetragenen Sach- und Streitstands die für eine Aussetzung erforderliche hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit der Nichtigkeitsklage nicht bejahen (BGH, GRUR 2014, 1237 – Kurznachrichten).
  93. 1.
    Zunächst liegt bereits eine Rechtbestandsentscheidung seitens des EPA in letzter Instanz vor.
    Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, dass sie neuen Stand der Technik aufgefunden habe, der noch keine Berücksichtigung in dem Rechtsbestandsverfahren des EPA gefunden hat. Im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit trägt sie vor, dass die Entscheidung evident unrichtig sei. Beide Vorbringen veranlassen die Kammer hingegen nicht dazu anzunehmen, dass das Klagepatent vom Bundespatentgericht vernichtet wird. Bei dieser Sachlange hat die Kammer vielmehr die bereits vorliegende Rechtsbestandsentscheidung zu akzeptieren.
    Bei alledem ist auch zu berücksichtigen, dass eine sichere Vernichtungswahrscheinlichkeit dann für das Verletzungsgericht ausscheidet, wenn der im Rechtsbestandsverfahren zur Diskussion stehende technische Sachverhalt derart kompliziert und komplex ist, dass sich das Verletzungsgericht keinen wirklichen Einblick in die Gegebenheiten verschaffen kann (vgl. Kühnen, Hdb, 11. Aufl., Kap. E, Rn. 721).
  94. 1.
    Das Klagepatent ist gegenüber dem Stand der Technik neu.
  95. a)
    Die Entgegenhaltung NiK 5, Nik5a – X zeigt nicht unmittelbar und eindeutig, dass die Menge an Fucose durch die Peptidmapping-Analyse mittels Flüssigchromatographie/Massenspetkrometrie (LCMS) analysiert wurde (Merkmal 3).
    Das englische Urteil (Anlage B 38a), das die Kammer grundsätzlich als eine sachverständige Äußerung zur Kenntnis nimmt, sieht dies genauso (Anlage B 38a, Rn. 139 „[…] beinhaltet das Verfahren weder ein Peptid-Mapping noch stelle es eine LCMS-Technik dar“). Nach hiesigen Anforderungen an die Neuheitsprüfung fehlt es damit an der unmittelbaren Offenbarung eines Merkmals.
  96. b)
    Auch die Entgegenhaltung NiK 6, 6a – X zeigt keine Verwendung des LCMS-Verfahrens im Zusammenhang mit Merkmal 3. Das englische Urteil geht hierauf nicht näher ein. Angesichts des hiesigen Neuheitsmaßstabs zeigt die Schrift nicht alle Merkmale des Anspruchs 1
  97. c)
    Die NiK 14 – X ist bereits von der Einspruchsabteilung geprüft und nicht als neuheitsschädlich angesehen worden. Insoweit hat das EPA auch hier nicht die LCMS-Peptidmapping-Analyse offenbart gesehen (Anlage K 16.6.4). Diese Entgegenhaltung ist daher zurecht in der Beschwerdeinstanz nicht mehr weiter verfolgt worden. Dass englische Urteil legt hier offenbar wiederum einen anderen Neuheitsmaßstab an, der hier nicht anzuwenden ist.
  98. d)
    Bei der offenkundigen Vorbenutzung X ist Vortrag der Beklagten hinlänglich bestritten. Eine etwaige Beweisaufnahme vor dem Bundespatentgericht– die das englische Gericht in seinem Verfahren selbst selbst vornehmen konnte – kann die Kammer hier nicht vorwegnehmen. Dieser Angriff ist daher nicht geeignet, eine Aussetzungsentscheidung zu rechtfertigen.
  99. 2.
    Nach dem hiesigen Aussetzungsmaßstab sieht die Kammer nicht, dass das EPA evident unrichtig zu dem Schluss gekommen ist, dass das Klagepatent Erfindungshöhe besitzt.
  100. a)
    Auch wenn der Fachmann einen Anlass aus der Entgegenhaltung X (NiK 13, 13a), wie das EPA zu Recht in seiner Entscheidung festgestellt hat – ebenso wie aus der EP X (NiK 12, 12a), die noch nicht beim EPA eingeführt worden war – hatte, den Fucosegehalt zu erhöhen, weil der Zusammenhang zwischen der Fucose und der Reduzierung von ADCC ersichtlich war, ist – wie auch die EPA- Entscheidung zu Recht feststellt –, nicht ersichtlich, welches Mittel der Fachmann ergreifen sollte, um verlässlich einen Fucosylierungsgrad von mindestens 99% zu erhalten.
  101. So kann die Kammer bereits nicht erkennen, wo sich in einer Entgegenhaltung die Lösung finden lassen soll. In der Duplik nennen die Beklagten vier Wege, die dem Fachmann vermeintlich bekannt gewesen seien. Die Kammer kann dies aber nicht ohne Weiteres nachvollziehen und insbesondere nicht in einer solchen offensichtlichen und klaren Weise, wie es nach hiesiger Auffassung von Nöten wäre, um eine Aussetzungsentscheidung basierend auf mangelnder Erfindungshöhe gegen eine Rechtsbestandsentscheidung zu rechtfertigen.
    Für die in-Vitro-Fucosylierung verweisen die Beklagten auf zwei Antikörper X und X, die in vitro fucosyliert worden seien, wobei es sich hierbei nach der Klägerin um nachveröffentlichte Daten handelte, die insoweit keinen Stand der Technik darstellen.
    Sofern die Beklagten sich im Hinblick auf die NiK 14, 14a darauf beziehen, es sei für den Fachmann klar, dass bei Antikörpern mit einer Ausgangs-Focusylierung von 95% zusätzlich mit einer Überexpression des Fucosyltransferasegens FUT8 eine nochmalige Erhöhung von 9% und damit der klagepatentgemäße Wert erreicht werden könne, ist nicht gezeigt, wie genau der Fachmann dies erreichen soll.
    Ferner sei es möglich gewesen, mittels Lektin-Affinitätschromatographie eine große Menge nicht-fucosylierter Spezies von einer Antikörper-Zusammensetzung in YB20-Zellen, zu entfernen. Aus der Nik 14 und der NiK 21 ergebe sich jeweils eine Steigerung um 19 Prozentpunkte. Aufgrund seines allgemeinen Fachwissens soll dem Fachmann klar gewesen sein, dass er durch einfache Wiederholung der Lektin-Affinitätschromatographie den Grad der Fucose beliebig erhöhen könne. Auch hier ist nicht ohne weiteres ersichtlich, dass der Fachmann letztlich automatisch auf Werte über 99% kommt und wie er diese Zahl tatsächlich erreicht.
    Schließlich belegten die Anlagen NiK 37, NiK 47 und Nik 48, dass der Fachmann durch eine empirische Auswahl von Zellklonen dieselbe Fucosemengen erhalten hätte, wie im Klagepatent. Weiter führen die Beklagten die Aussage des Sachverständigen X im englischen Verfahren an, dass es keine Erwartung gegeben habe, dass X die Focusylierung beeinflussen könne. Es ist aber fraglich, ob der Fachmann tatsächlich mit bestehendem Anlass zwingend auf diese Auswahl von Zellklonen zurückgegriffen hätte. Vielmehr bedurfte es noch des Schritts, den Zusammenhang zu erkennen. Eine andere Sichtweise läuft Gefahr rückschauend zu
  102. sein. Etwas anderes vermag auch aus der Erklärung von Frau X nicht zu folgen (Anlage NiK 17).
    Dass die Vernehmungen eines Sachverständigen das englische Gericht zu der Überzeugung kommen ließ, dass das Klagepatent keinen technischen Beitrag zum Fortschritt leiste, stellt für sich genommen keinen Umstand dar, der die EPA-Entscheidung evident unrichtig erscheinen lässt. Allenfalls liegen in diesem Punkt zwei widerstreitende Entscheidungen hinsichtlich der Erfindungshöhe vor, wobei in dieser Situation die Kammer nicht mit hinreichender Sicherheit prognostizieren kann, zu welchem Ergebnis das Bundespatentgericht gelangt.
  103. 3.
    Der Einwand der Ausführbarkeit ist angesichts der Komplexität des Falles für das Verletzungsgericht nicht zu prognostizieren, so dass sich vertiefte Ausführungen hierzu erübrigen.
  104. VI.
  105. Die Schriftsätze der Beklagten vom 30. Juli 2019 und der Klägerin vom 31. Juli 2019 sowie vom 5. August 2019 haben bei der Entscheidung keine Berücksichtigung gefunden, § 296a ZPO. Eine Schriftsatzfrist der Beklagten war nicht zu gewähren, da die Klägerin den Vortrag hinsichtlich der Entgegenhaltung NiK45 bereits in der Triplik gebracht hat und er insoweit nicht neu war.
  106. VII.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 ZPO.
  107. Der Streitwert wird auf EUR 2.000.000,00 festgesetzt, wobei 200.000,00 EUR auf die gesamtschuldnerische Pflicht zur Schadensersatzleitung entfallen.

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