Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2932
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 17. September 2019, Az. 4a O 57/18
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I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € – ersatzweise Ordnungs¬haft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an einem ihrer gesetzlichen Vertreter und hinsichtlich der Beklagten zu 2) und zu 3) an ihrem jeweiligen Geschäfts¬führer zu vollziehen ist, zu unterlassen, - Polarisationsumwandlungssysteme umfassend:
eine Polarisationsstrahlteiler (PBS) -Platte oder einen Polarisations- strahlteiler-Kubus, welche(r) konfiguriert ist um zufällig polarisierte, ein Bild enthaltende Lichtbündel von einer Projektor-Linse zu emp-fangen und einen ersten Polarisationszustand (SOP) aufweisende ers¬te Lichtbündel auf einen ersten Lichtweg zu lenken, und um einen zweiten SOP aufweisende zweite Lichtbündel auf einen zweiten Lichtweg zu lenken;
einen Polarisationsdreher, wobei der Polarisationsdreher auf dem ersten Lichtweg angeordnet ist und operabel ist um den ersten SOP in den zweiten SOP umzuwandeln, oder der Polarisationsdreher auf dem zweiten Lichtweg angeordnet ist und operabel ist um den zwei-ten SOP in den ersten SOP umzuwandeln; gekennzeichnet durch
einen Polarisationsschalter, welcher operabel ist um erste und zweite Lichtbündel jeweils von dem ersten bzw. dem zweiten Lichtweg zu empfangen und um die Polarisationszustände der ersten und zweiten Lichtbündel wahlweise in eine der Alternativen erster Ausgabe-SOP und zweiter Ausgabe-SOP umzuwandeln; und
ein auf dem zweiten Lichtweg angeordnetes Reflektor-Element,
wobei um den zweiten Lichtweg auf im Wesentlichen ähnliche Orte auf einer Projektionsfläche zu zu lenken wie der erste Lichtweg min-destens einer der folgenden Punkte erfüllt ist:
(i) das Reflektor-Element ist verkippbar;
(ii) der Polarisationsstrahlteiler ist verkippbar;
(iii) das Polarisationsumwandlungssystem umfasst außerdem eine Linse oder ein Element mit optischer Wirkung, wobei diese Linse oder dieses Element mit optischer Wirkung me-chanisch dezentriert werden kann,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besit¬zen, - 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu Ziffer I.l bezeichneten Handlungen seit dem 5. No-vember 2014 begangen haben, und zwar unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbe¬sitzer,
- b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Ver¬kaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Er¬zeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
- wobei
zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Be¬klagten) die zu Ziffer I.l bezeichneten Handlungen seit dem 5. Dezember 2014 begangen haben, und zwar unter Angabe :
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, – preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, – preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auf¬lagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktorenaufgeschlüsselten Gestehungskos¬ten und des erzielten Gewinns,
wobei
sich die Verpflichtung zur Rechnungslegung der Beklagten zu 3) im Hinblick auf die in Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen lediglich auf das Angebot der angegriffenen Ausführungsformen bezieht
und wobei
den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtge¬werblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin ei¬nem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegen¬heit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, verei¬digten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfän¬ger in der Aufstellung enthalten ist.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind – die Beklagten zu 1), 4) und 5) sowie die Beklagten zu 3), 4) und 5) jeweils als Gesamtschuldner -, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.l. bezeich¬neten, seit dem 5. Dezember 2014 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird, - wobei
sich die Verpflichtung der Beklagten zu 3) zur Leistung von Schadenersatz im Hinblick auf die in Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen lediglich auf das Angebot der angegriffenen Ausführungsformen bezieht. - III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- IV. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
- V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 350.000,00 EUR.
- Daneben ist der Anspruch auf Unterlassung (Ziff. I.1. des Tenors) gesondert vorläufig vollstreckbar gegen die Beklagten zu 1), zu 2) und zu 3) gegen Sicherheitsleistung von jeweils EUR 65.000,00 und gegen die Beklagten zu 4) und zu 5) gegen Sicherheitsleistung von jeweils EUR 30.000,00.
- Die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung (Ziff. I.2. und Ziff. I.3. des Tenors) sind gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen die Beklagten zu 1), zu 2) und zu 3) gegen Sicherheitsleistung von jeweils EUR 10.000,00 und gegen die Beklagten zu 4) und zu 5) gegen Sicherheitsleistung von jeweils EUR 5.000,00.
- Hinsichtlich der Kosten ist das Urteil gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils vollstreckbaren Betrages.
- T a t b e s t a n d
- Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen behaupteter unmittelbarer Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung (nur die Beklagten zu 2) und 3)) und Rückruf (nur die Beklagten zu 1) bis 3)) patentverletzender Erzeugnisse sowie auf Feststellung der Pflicht zum Leisten von Schadensersatz dem Grunde nach in Anspruch.
- Die Klägerin ist die im Register des Deutschen Patent- und Markenamts (vgl. den in Anlage BM2-EP‘XXX vorgelegten Registerauszug) eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 2 067 XXX B1 (nachfolgend: Klagepatent). Die Klagepatentschrift wird als Anlage BM2-EP‘XXX zur Akte gereicht; eine deutsche Übersetzung als Anlage BM3-EP‘XXX. Das in englischer Verfahrenssprache erteilte Klagepatent wurde am 28.09.2007 unter Inanspruchnahme dreier Prioritäten angemeldet. Das Europäische Patentamt veröffentlichte am 5.11.2014 den Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents.
- Das Klagepatent steht in Kraft.
- Es beansprucht ein Polarisationsumwandlungssystem, wie beispielhaft in der nachfolgend eingeblendeten Figur 2 dargestellt:
- Der geltend gemachte Anspruch 1 lautet in der maßgeblichen englischen Verfahrenssprache:
- “A polarization conversion system comprising: a polarization beam splitter (PBS) plate or cube (112, 212, 312, 412, 712) configured to receive randomly-polarized light bundles comprising an image from a projector lens (122, 722), and direct first light bundles having a first state of polarization (SOP) along a first light path, and direct second light bundles having a second SOP along a second light path; a polarization rotator (114, 214, 648, 714), wherein the polarization rotator is located on the first light path and operable to translate the first SOP to the second SOP, or the polarization rotator is located on the second light path and operable to translate the second SOP to the first SOP; characterized by a polarization switch (120, 220, 320, 520, 620, 720) operable to receive first and second light bundles from the first and second light paths respectively, and to selectively translate the polarization states of the first and second light bundles to one of a first output SOP and a second output SOP; and a reflector element (116, 216, 316, 516, 616, 716) located on the second light path, wherein to direct the second light path toward substantially similar locations on a projection screen as the first light path, at least one of the following applies: (i) the reflector element is tiltable; (ii) the polarization beam splitter is tiltable; and (iii) the polarization conversion system further includes a lens or element with optical power, wherein said lens or element with optical power can be mechanically decentered.”
-
In deutscher Übersetzung lautet der geltend gemachte Anspruch wie folgt:
„Polarisationsumwandlungssystem, umfassend: eine Polarisationsstrahlsplitter (PBS)-platte oder -würfel (112, 212, 312, 412, 712), der konfiguriert ist für den Empfang von willkürlich polarisierten Lichtbündeln, die ein Bild von einer Projektionslinse (122, 722) enthalten, und für das Leiten von ersten Lichtbündeln, die einen ersten Polarisationszustand (SOP) aufweisen, entlang eines ersten Lichtpfades und für das Leiten von zweiten Lichtbündeln, die einen zweiten Polarisationszustand (SOP) aufweisen, entlang eines zweiten Lichtpfades; einen Polarisationsrotator (114, 214, 648, 714), wobei der Polarisationsrotator an dem ersten Lichtpfad liegt und wirksam ist für die Translation des ersten SOP in den zweiten SOP oder wobei der Polarisationsrotator an dem zweiten Lichtpfad liegt und wirksam ist für die Translation des zweiten SOP in den ersten SOP; gekennzeichnet durch einen Polarisationsschalter (120, 220, 320, 520, 620, 720), der wirksam ist für den Empfang von ersten und der zweiten Lichtbündeln jeweils von dem ersten und dem zweiten Lichtpfad und für die selektive Translation der Polarisationszustände der ersten und der zweiten Lichtbündel in einen eines ersten Ausgangs-SOP und eines zweiten Ausgangs-SOP; und ein Reflektorelement (116, 216, 316, 516, 616, 716), das sich an einem zweiten Lichtpfad befindet, wobei für das Lenken des zweiten Lichtpfads als ersten Lichtpfad in Richtung auf im Wesentlichen ähnliche Orte auf einem Projektionsschirm zumindest einer der folgenden Kriterien gilt: (i) das Reflektorelement lässt sich kippen; (ii) der Polarisationsstrahlsplitter lässt sich kippen; und (iii) das Polarisationsumwandlungssystem umfasst ferner eine Linse oder ein Element mit einer optischen Kraft, wobei die Linse oder das Element mit der optischen Kraft mechanisch dezentriert werden kann.“ - Die Beklagte zu 1) ist die Muttergesellschaft der Beklagten zu 3) (deren Alleineigentümerin sie ist) und der A SL. Der Beklagte zu 4) ist bzw. war Président (Präsident) der Beklagten zu 1), Geschäftsführer der Beklagten zu 3) und CEO der A SL. Im Oktober 2018 erklärte er den Rücktritt von diesen Ämtern. Der Beklagte zu 5) ist „Directeur Géneral“ (Generaldirektor) der Beklagten zu 1), Geschäftsführer der Beklagten zu 3) und Director der A SL.
- Mit Schriftsatz vom 26.07.2019, also nach Schluss der mündlichen Verhandlung, teilten die Beklagten zu 1), 3), 4) und 5) mit, dass gegen die Beklagten zu 1) am 10.07.2019 durch Urteil des Handelsgerichts Nanterre, Frankreich, das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Sanierungsverfahren eingeleitet wurde.
- Die Beklagte zu 2) ist ein deutsches Unternehmen und nicht Teil des Konzerns der Beklagten zu 1).
- Die Klägerin greift mit der Klage als „B“ bezeichnete Geräte mit den Modellnummern C und D an (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen), (vgl. die in Anlage BM6 bzw. BM7 vorgelegten Bedienungsanleitungen).
- Die Beklagte zu 2) verkaufte das Modell C bis 2014 im Inland und ab diesem Zeitpunkt das Model D, das sie im Oktober 2017 an die E Ltd. lieferte. Die A SL, eine Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1), vertreibt das Modell D seit 2013.
- Die angegriffenen Ausführungsformen sind in den hier relevanten technischen Aspekten grundsätzlich identisch gestaltet. Allerdings sind bei der älteren angegriffenen Ausführungsform C OCE-Filmschichtverbunde in Lichtausbreitungsrichtung vor den Flüssigkristall-Zellen angeordnet, während sie bei der angegriffenen Ausführungsform D hinter diesen angeordnet sind (Bezugsziffern 20, 21 in der unten eingeblendeten Zeichnung). Bei der angegriffenen Ausführungsform C sind in Lichtausbreitungsrichtung hinter den Elementen 10, 16, 19 auf allen drei Wegen des Bildlichts Viertelwellenplatten (Bezugsziffern 22, 23, 24 in der unten eingeblendeten Zeichnung) angeordnet.
- Die OCE-Filmschichtverbunde wirken bei der neueren angegriffenen Ausführungsform D wie Halbwellen-Platten und bewirken eine Änderung der Polarisation – von linkszirkular nach rechtszirkular und von rechtszirkular nach linkszirkular. Damit wird die Polarisation des oberen und unteren Lichtstrahls an die Polarisation des mittleren Lichtstrahls angepasst.
- Falls die Halbwellenplatte vor dem Polarisationsmodulator (Flüssigkristall-Platten) angeordnet ist, wie bei der älteren angegriffenen Ausführungsform C, erfolgt eine Umwandlung von einer S- zu einer P-Polarisation und von einer P- zu einer S-Polarisation (die erst anschließend durch die Elemente 22, 23, 24 in eine links- oder rechtszirkulare Polarisation umgewandelt wird).
- Letztlich tritt damit bei beiden angegriffenen Ausführungsformen das Licht auf allen drei Lichtwegen mit der gleichen Polarisation aus der angegriffenen Ausführungsform aus und trifft danach gegebenenfalls auf die (Leinwand-) Oberfläche auf.
- Eine Darstellung der (neueren) angegriffenen Ausführungsform D (von Seite 13 der Klageerwiderung = Bl. 106 GA) wird nachfolgend eingeblendet:
- Wie bereits erwähnt, unterscheidet sich die angegriffene Ausführungsform C dadurch, dass hier die OCE-Filmverbunde (Ziffern 20, 21) in Lichtausbreitungsrichtung vor den Polarisationsfiltern (Ziffern 10, 19) liegen. Zur Veranschaulichung wird nachfolgend die Schema-Abbildung der angegriffenen Ausführungsform C von Seite 14 der Duplik (Bl. 231 GA) eingeblendet:
- Die Klägerin ist der Auffassung, bei beiden angegriffenen Ausführungsformen handele es sich um klagepatentgemäße Vorrichtungen. Insbesondere sei es unerheblich, dass in den angegriffenen Ausführungsformen die Positionen der Halbwellenplatte und der Flüssigkristallzellen vertauscht seien. Das Klagepatent schreibe nicht vor, dass der Polarisationsschalter allein dafür sorgen müsse, einen einheitlichen Ausgab-Polarisationszustand (Ausgabe-SOP) zu erreichen. Ein klagepatentgemäßer Polarisationsrotator liege auch bei der Wandlung von zirkularem Licht vor. Schließlich gebe der Klagepatentanspruch keine strenge Reihenfolge der im Anspruch offenbarten Bauteile im System vor. Hilfsweise liege jedenfalls eine äquivalente Verletzung vor.
- Die Klägerin behauptet, die Beklagten zu 1), 2) und 3) hätten angegriffene Ausführungsformen im Inland beworben. Die Beklagten zu 4) und 5) hafteten als gesetzliche Vertreter der Beklagten zu 1) und zu 3) zudem auch für ihre Handlungen als Geschäftsführer der A SL.
- Die Klägerin beantragt,
- sinngemäß wie erkannt, sowie
- 4.
nur die Beklagten zu 2) und 3): die in ihrem unmittelbaren und/oder mittel-baren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter B.I.l. bezeichne¬ten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvoll¬zieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 2) bzw. 3) – Kosten herauszugeben;
5.
nur die Beklagten zu 1), 2) und 3): die unter B.I.L bezeichneten, seit dem 5. November 2014 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den ge-werblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des … vom …) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen; - hilfsweise,
- 1. die Beklagten zu 1), 3), 4) und 5) zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an einem ihrer gesetzlichen Vertreter und hinsichtlich der Beklagten zu 2) und zu 3) an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen.
Polarisationsumwandlungssysteme umfassend:
eine Polarisationsstrahlteiler (PBS) -Platte oder einen Polarisationsstrahlteiler-Kubus, welche(r) konfiguriert ist um zufällig polarisierte, ein Bild enthaltende Lichtbündel von einer Projektor- Linse zu empfangen und einen ersten Polarisationszustand (SOP) aufweisende erste Lichtbündel auf einen ersten Lichtweg zu lenken, und um einen zweiten SOP aufweisende zweite Lichtbündel auf einen zweiten Lichtweg zu lenken;
einen Polarisationsschalter, welcher operabel ist, um erste und zweite Lichtbündel jeweils von dem ersten bzw. dem zweiten Lichtweg zu empfangen und um die Polarisationszustände den ersten SOP der ersten und zweiten Lichtbündel wahlweise in eine der Alternativen erster Ausgabe-SOP und zweiter Ausgabe-SOP umzuwandeln und um den zweiten SOP der zweiten Lichtbündel gleichzeitig in die jeweils andere Alternative (zweiter Ausgabe-SOP oder erster Ausgabe-SOP) umzuwandeln: und
einen Polarisationsdreher, wobei der Polarisationsdreher auf dem ersten Lichtweg angeordnet ist und operabel ist- um den ersten SOP in den zweiten SOP umzuwandeln, oder der Polarisationsdreher auf dem zweiten Lichtweg angeordnet ist und operabel ist, um den zweiten Ausgabe-SOP in den ersten Ausgabe-SOP umzuwandeln und umgekehrt:
ein auf dem zweiten Lichtweg angeordnetes Reflektor-Element,
wobei um den zweiten Lichtweg auf im Wesentlichen ähnliche Orte auf einer Projektionsfläche zu zu lenken wie der erste Lichtweg mindestens einer der folgenden Punkte erfüllt ist:
(i) das Reflektor-Element ist verkippbar;
(ii) der Polarisationsstrahlteiler ist verkippbar;
(iii) das Polarisationsumwandlungssystem umfasst außerdem eine Linse oder ein Element mit optischer Wirkung, wobei diese Linse oder dieses Element mit optischer Wirkung mechanisch dezentriert werden kann
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
2. die Beklagten gemäß den Anträgen laut Klageschrift, Ziffer I.2 bis II zu verurteilen mit der Maßgabe, dass Bezugnahmen auf den Antrag zu I.l sich als Bezugnahmen auf den obigen Antrag 1. verstehen. - Die Beklagten beantragen,
- die Klage abzuweisen.
- Die Beklagten zu 1) und zu 3) bis 5) sind der Ansicht, die Klage sei hinsichtlich der Benutzungshandlungen teilweise unschlüssig. Die angegriffene Ausführungsform C werde seit 2014 nicht mehr vertrieben; die Beklagte zu 1) habe nach Erteilung des Klagepatents keine Benutzungshandlungen im Inland vorgenommen. Benutzungshandlungen der Beklagten zu 3) seien nicht ersichtlich.
- Jedenfalls die angegriffene Ausführungsform D verletze das Klagepatent nicht. Diese mache weder in wortsinngemäßer noch in äquivalenter Weise von den Merkmalen des Klagepatentanspruchs Gebrauch. Es läge weder ein klagepatentgemäßer Polarisationsrotator noch ein –schalter vor. Ein Rotator liege nur dann in klagepatentgemäßer Form vor, wenn er linear polarisiertes Licht umwandele. Ein klagepatentgemäßer Polarisationsschalter liege nur dann vor, wenn er Lichtbündel derselben Polarisation empfange und diese in umgewandelter Form, aber mit dem gleichen SOP wieder ausgebe. Ferner gebe der Klagepatentanspruch eine sequentielle Reihenfolge der genannten Bauteile vor, so dass sich der Polarisationsrotator vor dem Polarisationsschalter befinden müsse. Eine äquivalente Patentverletzung sei ausgeschlossen, da der Klagepatentanspruch eine bewusste Auswahlentscheidung treffe.
- Die Beklagte zu 2) schließt sich den Ausführungen der anderen Beklagten vollumfänglich an. Sie – die Beklagte zu 2) – habe seit 2014 nur ein Modell der angegriffenen Ausführungsform D verkauft und zwar an die E Ltd. Da es sich hierbei um ein offenbar mit der Klägerin verbundenes Unternehmen handele, sei sie von einer konkludenten Zustimmung der Klägerin ausgegangen. Ansonsten liege ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung vor.
- Auf die Einrede der Beklagten hin hat die Klägerin den Beklagten aufgrund des Beschlusses der Kammer vom 20.06.2018 (Bl. 169 GA) Sicherheit wegen der Prozesskosten in Höhe von EUR 69.500,00 geleistet (vgl. die in Anlage BM16-EP‘XXX vorgelegte Kopie der Einzahlungsquittung).
- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die wechselseitig zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Hauptverhandlung vom 02.07.2019 (Bl. 248 ff. GA).
- E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
- Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Eine Entscheidung in Bezug auf die Beklagte zu 1) durfte ergehen (hierzu unter I.). Die angegriffenen Ausführungsformen sind klagepatentgemäße Erzeugnisse nach § 9 S. 2 Nr. 1 PatG (hierzu unter II.). Da die Beklagten entgegen § 9 S. 2 Nr. 1 PatG die angegriffenen Ausführungsformen im Inland anbieten, stehen der Klägerin gegen die Beklagten die geltend gemachten Ansprüche aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, Abs. 2, 140a Abs. 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB im tenorierten Umfang zu (hierzu unter III. und IV.).
- I.
Die Kammer ist an einer Entscheidung in Bezug auf gegen die Beklagte zu 1) geltend gemachte Ansprüche nicht gehindert. Zwar ist das Verfahren auf Grund der Insolvenz der Beklagten zu 1) grundsätzlich nach § 240 S. 1 ZPO unterbrochen. Allerdings wird nach § 249 Abs. 3 ZPO durch die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eintretende Unterbrechung die Verkündung der auf Grund dieser Verhandlung zu erlassenden Entscheidung nicht gehindert. So liegt der Fall hier. Die Insolvenz der Beklagten zu 1) und damit der die Unterbrechung begründende Umstand trat erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung ein. - II.
Die angegriffenen Ausführungsformen sind Erzeugnisse nach Klagepatentanspruch 1, § 9 S. 2 Nr. 1 PatG. - 1.
Das Klagepatent betrifft ein Projektionssystem zur Projektion von Bildern für ein dreidimensionales Betrachtungserlebnis. - Aus dem Stand der Technik ist bekannt, dreidimensionale (3D) Bilder mittels einer dem Projektor nachfolgenden Polarisationssteuerung und polarisationssteuernder Brillen zu synthetisieren.
- Eine aus dem Stand der Technik bekannte Polarisationssteuerung zeigt das Klagepatent in der nachfolgend eingeblendeten Figur 1:
- Bei dieser Implementierung treten fast parallele Strah¬len aus der Linse 10 aus, welche von einer Pupille 12 in der Linse 10 zu stammen scheinen und zu Punkten auf einer Projektionsfläche 14 konvergieren. Die Strahlbündel A, B und C in Figur 1 formen Punkte am unteren Ende, dem Zentrum bzw. dem oberen Ende einer Projektionsfläche 14. Das Licht 20, welches aus der Projektionslinse austritt, ist zufällig polarisiert und in Figur 1 als sowohl s- als auch p-polarisiertes Licht dargestellt [s-polarisiertes Licht wird üblicherweise als ‚o‘, p-polarisiertes Licht als Doppelpfeil dargestellt]. Das Licht 20 durchläuft einen linearen Polarisator 22, was nach dem Polarisator 22 zu einem einzigen Pola¬risationszustand führt. Der dazu senkrechte Polarisati¬onszustand wird absorbiert (oder reflektiert). Der Licht¬fluss hinter dem Polarisator 22 beträgt typischerweise weniger als die Hälfte des ursprünglichen Flusses, was zu einem dunkleren finalen Bild führt. Der Polarisati-onsschalter 30 ist mit der Bildabfolge (den Bildrahmen) synchronisiert und der Polarisationszustand 24 hinter dem Polarisationsschalter wird alterniert, sodass Bilder mit abwechselnd orthogonaler Polarisation auf der Projektionsfläche entstehen. Polarisationsselektive „Augenbekleidung“ lässt Bilder einer Polarisation zu dem linken Auge und Bilder der dazu orthogonalen Polarisation zu dem rechten Auge durch. Indem den beiden Augen jeweils unterschiedliche Bilder angezeigt werden, können 3D-Bilder synthetisiert werden. Nach dem Klagepatent ist hieran nachteilig, dass mehr als 50 % des Lichts durch den Polarisator absorbiert werden und das Bild damit nur noch halb so hell ist wie in üblichen 3D-Kinos. Dies beschränke die Größe des für 3D-Anwendungen genutzten Kinos oder führe für das Publikum zu einem weniger erstrebenswerten Seherlebnis.
- Das Klagepatent nennt als weiteren Stand der Technik einen in der Druckschrift US 6.206.532 offenbarten Projektor, bei welchem unpolarisiertes Licht von einem Strahlteiler in zwei Polarisationen geteilt wird. Die Polarisation des einen Strahls wird transformiert, die Strahlen werden wieder zusammengeführt und dann einem räumliche Lichtmodulator zugeführt, um ein Bild zu erzeugen.
- Hiervon ausgehend stellt sich das Klagepatent implizit die Aufgabe, die oben genannten Nachteile zu minimieren und ein helleres Bild bei der 3D-Projektion zu erreichen. Zur Lösung schlägt das Klagepatent ein Polarisationsumwandlungssystem gemäß dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch 1 des Klagepatents vor, der sich in Form einer Merkmalsgliederung wie folgt darstellen lässt:
- Polarisationsumwandlungssystem, umfassend:
1. eine Polarisationsstrahlsplitter (PBS)-platte oder -würfel (112, 212, 312, 412, 712),
a) der konfiguriert ist für den Empfang von willkürlich polarisierten Lichtbündeln, die ein Bild von einer Projektionslinse (122, 722) enthalten, und
b) für das Leiten von ersten Lichtbündeln, die einen ersten Polarisationszustand (SOP) aufweisen, entlang eines ersten Lichtpfades und
c) für das Leiten von zweiten Lichtbündeln, die einen zweiten Polarisationszustand (SOP) aufweisen, entlang eines zweiten Lichtpfades;
2. einen Polarisationsrotator (114, 214, 648, 714),
a) wobei der Polarisationsrotator an dem ersten Lichtpfad liegt und
b) wirksam ist für die Translation des ersten SOP in den zweiten SOP oder
c) wobei der Polarisationsrotator an dem zweiten Lichtpfad liegt und
d) wirksam ist für die Translation des zweiten SOP in den ersten SOP; gekennzeichnet durch
3. einen Polarisationsschalter (120, 220, 320, 520, 620, 720),
a) der wirksam ist für den Empfang von ersten und der zweiten Lichtbündeln jeweils von dem ersten und dem zweiten Lichtpfad und
b) für die selektive Translation der Polarisationszustände der ersten und der zweiten Lichtbündel in einen eines ersten Ausgangs-SOP und eines zweiten Ausgangs-SOP; und
4. ein Reflektorelement (116, 216, 316, 516, 616, 716),
a) das sich an einem zweiten Lichtpfad befindet,
b) wobei für das Lenken des zweiten Lichtpfads als ersten Lichtpfad in Richtung auf im Wesentlichen ähnliche Orte auf einem Projektionsschirm zumindest einer der folgenden Kriterien gilt:
aa) (i) das Reflektorelement lässt sich kippen;
bb) (ii) der Polarisationsstrahlsplitter lässt sich kippen; und
cc) (iii) das Polarisationsumwandlungssystem umfasst ferner eine Linse oder ein Element mit einer optischen Kraft, wobei die Linse oder das Element mit der optischen Kraft mechanisch dezentriert werden kann. - 2.
Die angegriffenen Ausführungsformen sind ein klagepatentgemäßes Erzeugnis im Sinne von § 9 S. 1 Nr. 1 PatG. Entsprechend verletzen die Beklagten das Klagepatent, indem sie die angegriffenen Ausführungsformen anbieten, in den Verkehr bringen und zu den genannten Zwecken einführen und besitzen. - 3.
Die Parteien gehen übereinstimmend zu Recht davon aus, dass es sich bei beiden angegriffenen Ausführungsformen um Polarisationsumwandlungssysteme handelt, welche über einen Polarisationsstrahlsplitter im Sinne der Merkmalsgruppe 1 des Klagepatentanspruchs 1 verfügen. Auf der nachfolgend eingeblendeten, der Klageerwiderung (S. 6, Bl. 99 GA) entnommenen Skizze ist der Lichtweg innerhalb der angegriffenen Ausführungsform F dargestellt. Dieser unterscheidet sich von dem in der angegriffenen Ausführungsform G dahingehend, dass die mit den Ziffern XX/XX gekennzeichneten Bauteile und die Bauteile XX/XX/XX in ihrer Position auf dem Lichtweg vertauscht sind. - Bei beiden angegriffenen Ausführungsformen trifft das zufällig polarisierte Licht auf ein lichtstrahlteilendes Element 18, welches das Licht in das Lichtbündel 13 mit einem ersten linearen Polarisationszustand und in die Lichtbündel 14 und 22, die einem zum Polarisationszustand des ersten Lichtbündels orthogonalen zweiten Polarisationszustand aufweisen.
- Hierbei ist es unschädlich für die Merkmalsverwirklichung, dass der zweite Lichtpfad bei den angegriffenen Ausführungsformen in zwei Unterpfade aufgespalten ist, die einmal oberhalb und einmal unterhalb des ersten Lichtpfads verlaufen. Funktional geht es in dem betreffenden Merkmal darum, das Licht in zwei Polarisationszustände aufzuspalten. Das Licht soll auf zwei unterschiedlichen Lichtpfaden gleitet werden. Wie diese Lichtpfade konkret ausgestaltet sind, ob also die Aufsplittung in weitere Pfade möglich ist, lässt der Anspruchswortlaut insoweit offen und stellt dies in das Ermessen des Fachmanns. Mithin ist die Merkmalsgruppe 1 in beiden Ausführungsformen verwirklicht.
- 4.
Die angegriffenen Ausführungsformen verfügen über einen Polarisationsrotator im Sinne der Merkmalsgruppe 2,a) wobei der Polarisationsrotator an dem ersten Lichtpfad liegt und
b) wirksam ist für die Translation des ersten SOP in den zweiten SOP oder
c) wobei der Polarisationsrotator an dem zweiten Lichtpfad liegt und
d) wirksam ist für die Translation des zweiten SOP in den ersten SOP. - Was unter einem klagepatentgemäßen Polarisationsrotator zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Nach Art. 69 Abs. 1 EPÜ wird der Schutzbereich des Patents durch seine Ansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind allerdings zur Auslegung heranzuziehen. Patentschriften bilden im Hinblick auf die dort verwendeten Begriffe ihr eigenes Lexikon. Weichen diese vom allgemeinen Sprachgebrauch ab, kommt es letztlich nur auf den sich aus der Patentschrift ergebenden Begriffsinhalt an (BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Dabei ist die Patentschrift in einem sinnvollen Zusammenhang zu lesen und der Patentanspruch im Zweifel so zu verstehen, dass sich keine Widersprüche zu den Ausführungen in der Beschreibung und den bildlichen Darstellungen in den Zeichnungen ergeben, sondern sie als aufeinander bezogene Teile der dem Fachmann mit dem Patent zur Verfügung gestellten technischen Lehre als eines sinnvollen Ganzen verstanden werden (BGH, GRUR 2009, 653 – Straßenbaumaschine; OLG Düsseldorf, Mitt 1998, 179 – Mehrpoliger Steckverbinder). Allerdings erlaubt ein Ausführungsbeispiel regelmäßig keine einschränkende Auslegung eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (BGH, GRUR 2004, 1023 – bodenseitige Vereinzelungseinrichtung).
- Aus dem Anspruchswortlaut folgt, dass es sich bei dem Polarisationsrotator um ein Bauteil handelt, welches sich lediglich auf einem der beiden Lichtpfade befindet und welches eine Änderung des Polarisationszustands auf diesem Lichtpfad bewirkt, und zwar, im Unterschied zum Polarisationsschalter, nicht wahlweise ansteuerbar. Es handelt sich also um ein statisches Element, dessen primäre Funktion es ist, die Polarisationszustände beider Lichtpfade derart anzugleichen, dass sie nach dem Austritt aus dem Polarisationsumwandlungssystem denselben Polarisationszustand aufweisen.
- Unerheblich ist hierbei, ob das Licht auf dem Lichtpfad unmittelbar vor Eintreffen auf den Polarisationsrotator denselben Polarisationszustand aufweist wie unmittelbar nach Austritt aus dem Polarisationsstrahlteiler. Die Weiterverarbeitung der Lichtbündel ist insoweit unschädlich, als dass es ausreicht, wenn die Lichtbündel auf den beiden Lichtpfaden, bevor eines der Lichtbündel den Polarisationsrotator durchläuft, zwei unterschiedliche Polarisationszustände aufweisen. Denn sonst würde der Polarisationsrotator seiner Angleichungsfunktion nicht mehr nachkommen können.
- Entgegen der Auffassung der Beklagten führt eine Zwischenverarbeitung in Form einer Polarisationsveränderung auf einem der Lichtpfade nicht zu einer unterschiedlichen Auslegung des Begriffs erster bzw. zweiter Polarisationszustand in den Merkmalsgruppe 1 und 2. Hierbei ist der Beklagten zuzugestehen, dass Patentansprüche in der Regel so auszulegen sind, dass die gleichen Begriffe die gleiche Bedeutung haben (BGH, GRUR 2017, 152 – Zungenbett). Dies ist hier indes der Fall. Der Polarisationsstrahlteiler definiert nach Merkmalsgruppe 1 einen ersten und einen zweiten Lichtpfad, wobei die Lichtbündel des ersten Lichtpfades einen ersten und die Lichtbündel des zweiten Lichtpfades einen zweiten Polarisationszustand aufweisen. Bei dem ersten Polarisationszustand handelt es sich mithin um den Polarisationszustand der Lichtbündel des ersten Lichtpfades, bei dem zweiten Polarisationszustand um denjenigen Polarisationszustand der Lichtbündel auf dem zweiten Lichtpfad. Selbst wenn nun die Lichtbündel vor Eintritt in den Polarisationsrotator in ihrem Polarisationszustand verändert werden, so handelt es sich doch weiterhin um den Polarisationszustand der Lichtbündel des ersten Lichtpfades, mithin um Lichtbündel mit einem ersten Polarisationszustand. Denn zur Erreichung der erfindungsgemäßen Vorteile ist es notwendig, aber auch hinreichend, wenn die Lichtbündel der beiden Lichtpfade vor Eintritt in den Rotator unterschiedliche Polarisationszustände aufweisen, die zu ihrer Unterscheidung als „erste“ und „zweite“ Polarisationszustände bezeichnet werden.
- Selbst wenn man dem Beklagtenvortrag folgen möchte, dass der Fachmann unter einer Veränderung in zirkularer Form immer eine Phasenverschiebung und nie eine Drehung versteht, so entspricht dies nicht dem Verständnis des Klagepatents. Das Klagepatent beschreibt in Abschnitt [0030] das in Figur 6 dargestellte Ausführungsbeispiel. Hier heißt es:
„In diesem Fall ist jener Polarisationsschalter 520 ein Polarisationsschalter für zirkuläre Polarisation […]“
In der nachfolgend eingeblendeten Figur 6 findet sich direkt vor dem Polarisationsschalter 520 ein Bauteil mit der Ziffer 514. - Dieses ist zwar in der Klagepatentbeschreibung nicht ausdrücklich beschrieben. Allerdings handelt es sich nach fachmännischem Verständnis um einen Polarisationsrotator, da in sämtlichen anderen Figuren der Klagepatentschrift (mit lediglich einer Ausnahme, nämlich Ziffer 648) dieses Bauteil mit einer Ziffernfolge mit der Endziffer „14“ bezeichnet wird (114, 214, 714). Mithin wird in dieser Figur ein Polarisationsumwandlungssystem offenbart, dessen Polarisationsschalter und damit auch dessen Polarisationsrotator in der Lage sind, zirkulares Licht zu verarbeiten. Die Klagepatentschrift bildet insoweit, wie oben dargestellt, ihr eigenes Lexikon.
- Unter Heranziehung dieser Auslegung handelt es sich bei der zweiteilig ausgestalteten Halbwellenplatte XX/XX in den angegriffenen Ausführungsformen um einen klagepatentgemäßen Polarisationsrotator. Die Halbwellenplatten wandeln bei der angegriffenen Ausführungsform D die Lichtbündel des zweiten Lichtwegs entweder in links- oder rechtszirkulares Licht um, so dass nach Austritt aus der Halbwellenplatte sämtliche Lichtbündel, also die Lichtbündel, die durch die Halbwellenplatte gelaufen sind und das andere Lichtbündel, denselben Polarisationszustand aufweisen. Bei der angegriffenen Ausführungsform C wird linear polarisiertes Licht umgewandelt. Der Aufbau entspricht hier dem des in Figur 2 des Klagepatents offenbarten Ausführungsbeispiels.
- 5.
Die angegriffenen Ausführungsformen verfügen über einen Polarisationsschalter nach Merkmal 3, der
a) wirksam ist für den Empfang von ersten und der zweiten Lichtbündeln jeweils von dem ersten und dem zweiten Lichtpfad und
b) für die selektive Translation der Polarisationszustände der ersten und der zweiten Lichtbündel in einen eines ersten Ausgangs-SOP und eines zweiten Ausgangs-SOP. - Aus dem Anspruchswortlaut folgt, dass der Polarisationsschalter in der Lage sein muss, Lichtbündel der durch den Strahlteiler aufgespaltenen Lichtpfade zu empfangen und den Polarisationszustand des empfangenen Licht ansteuerbar in einen anderen Polarisationszustand zu wechseln. Der Hauptzweck des betreffenden Bauteils liegt in seiner wahlweisen Ansteuerbarkeit. Bei sämtlichen anderen Bauteilen des streitgegenständlichen Systems handelt es sich um statische Bauteile, die nicht von außen gesteuert werden können. Um am Ende auf der Leinwand aber Bildfolgen mit wechselnden SOPs zu erhalten, muss eines der Bauteile ansteuerbar und in der Lage sein, nach Wahl einen von zwei SOPs auszugeben. Dies ist die klagepatentgemäße Aufgabe des Polarisationsschalters.
- Eine Einschränkung dahingehend, dass dieser gleichmäßige Ausgabe-SOP auf der Leinwand allein durch den Polarisationsschalter ohne Zusammenwirken mit anderen Bauteilen hergestellt werden muss, lässt sich dem Anspruchswortlaut hingegen nicht entnehmen. Dies deckt sich mit den Ausführungsbeispielen und der Beschreibung. In den Figuren 2, 3, 6, 7 und 8 werden jeweils klagepatentgemäße Ausführungsformen offenbart, in welchen auf einem der Lichtpfade eine Halbwellenplatte verbaut ist, welche den SOP dreht. Ohne die Implementierung dieser Halbwellenplatte wäre der Polarisationsschalter gar nicht in der Lage einen einheitlichen Ausgabe-SOP herzustellen. Ein enges funktionales Zusammenwirken dieser beiden Bauteile ist mithin in der Klagepatentschrift bereits angelegt.
- Entgegen der Auffassung der Beklagten gibt der Anspruchswortlaut ebenfalls keine Reihenfolge der räumlich-körperlichen Positionierung der einzelnen im Klagepatentanspruch aufgeführten Bauteile vor. Es handelt sich um eine bloße Aufzählung; die genaue Positionierung im System wird dem Fachmann überlassen und bestimmt sich allein danach, ob die klagepatentgemäßen Funktionen durch das Bauteil in der gewählten räumlich-körperlichen Position erreicht werden können. Zwar sind in den Ausführungsbeispielen und der dazugehörigen Beschreibung ausschließlich Systeme offenbart, bei welchen sich der Polarisationsschalter hinter dem Rotator befindet, allerdings schränken Ausführungsbeispiele, wie oben dargelegt, die technische Lehre nicht ein.
- Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich bei den in den angegriffenen Ausführungsformen verbauten Flüssigkristallzellen, die in der unter I.3 eingeblendeten Skizze mit den Ziffern 10, 13 und 18 bezeichnet sind, um klagepatentgemäße Polarisationsschalter. Sie sind in der Lage, je nach Ansteuerung links- oder rechtszirkulares Licht auszugeben. Es ist unerheblich, dass in der angegriffenen Ausführungsform C diese nach den Halbwellenplatten, in der angegriffenen Ausführungsform D aber vor den Halbwellenplatten verbaut sind. In der angegriffenen Ausführungsform G sind die Bauteile entsprechend der Ausführungsbeispiele des Klagepatents angeordnet so dass auch die Beklagte zu Recht nicht in Abrede stellt, dass es sich bei den Flüssigkristallzellen um Polarisationsschalter handelt. Aber auch in der angegriffenen Ausführungsform D liegen klagepatentgemäße Polarisationsschalter vor, da diese in der Lage sind, in Zusammenwirken mit den Halbwellenplatten bei Austritt aus dem Gesamtsystem einen einheitlichen Polarisationszustand herzustellen.
- 6.
Die angegriffenen Ausführungsformen verfügen, von den Beklagten zu Recht nicht in Abrede gestellt, über ein Reflektorelement mit der in der Merkmalsgruppe 4 genannten Ausgestaltung. - III.
Feststellbare Benutzungshandlungen nach § 9 S. 2 Nr. 1 PatG in Bezug auf die angegriffenen Ausführungsformen C und D haben sämtliche Beklagten vorgenommen. - 1.
Die Beklagte zu 1) hat beide angegriffenen Ausführungsformen (D und C) nach Erteilung des Klagepatents im Inland angeboten. Ferner ist ihr als Muttergesellschaft des H-Konzerns die Vertriebshandlung der Beklagten zu 2) zuzurechnen. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen zu III.2.b). - a)
Das Anbieten ist eine eigenständige Benutzungsart neben diesen Handlungen, die selbstständig zu beurteilen und für sich allein anspruchsbegründend ist (vgl. BGH, GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte; GRUR 2006, 927, 928 – Kunststoffbügel; GRUR 2007, 221, 222 – Simvastin; OLG Düsseldorf, GRUR 2004, 417, 419 – Cholesterinspiegelsenker). Der Begriff des Anbietens ist rein wirtschaftlich zu verstehen. Er umfasst jede im Inland begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert den Gegenstand der Nachfrage in äußerlich wahrnehmbarer Weise zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitstellt (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014 – I-15 U 19/14 = BeckRS 2014, 16067). Maßgeblich ist, ob mit der fraglichen Handlung tatsächlich eine Nachfrage nach dem schutzrechtsverletzenden Gegenstand geweckt wird, die zu befriedigen mit dem Angebot in Aussicht gestellt wird (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014 – 15 U 19/14 = GRUR-RS 2014, 16067). Voraussetzung für ein Anbieten ist grundsätzlich nicht das tatsächliche Bestehen einer Lieferbereitschaft (BGH, GRUR 2003, 1031, 1032 – Kupplung für elektrische Geräte) oder ob das Angebot Erfolg hat, es also nachfolgend zu einem Inverkehrbringen kommt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.10.2016 – I-2 U 19/16 – Rn. 97 bei Juris m.w.N.). - Ein Mittel für das Anbieten ist auch die bloße Bewerbung eines Produkts im Internet, da dies bereits dazu bestimmt und geeignet ist, Interesse an dem beworbenen Gegenstand zu wecken und diesen betreffende Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259, 261 – Thermocycler).
- Ein Internetangebot stellt dabei nicht schon deshalb ein inländisches Angebot dar, weil die betreffende Internetseite im Inland aufgerufen werden kann. Notwendig ist vielmehr ein wirtschaftlich relevanter Inlandsbezug (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 11. Aufl. 2019, Kap. A. Rn. 296). Auf die tatsächliche Lieferbereitschaft ins Inland kommt es auch bei Internetangeboten nicht an; maßgeblich ist vielmehr, wie das Angebot aus Sicht der interessierten Verkehrskreise im Inland zu verstehen ist (OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.01.2009 – Az. 6 U 54/06 – Rn. 99 bei Juris – SMD-Widerstand).
- b)
Die Beklagte zu 1) hat bei Anwendung dieser Maßstäbe die angegriffenen Ausführungsformen in beiden Versionen im Inland angeboten. - aa)
Eine Angebotshandlung liegt in dem Datenblatt nach Anlage BM26, das auf der Homepage www.H.com auch nach Erteilung des Klagepatents heruntergeladen werden konnte. Dieses Datenblatt ist als Angebot der Beklagten zu 1) hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen C und D zu werten. - (1)
Zwar werden die Internetseiten nunmehr möglicherweise von der A SL betrieben. Dies schließt aber Angebote der Beklagten zu 1) auf diesen Seiten nicht aus; insbesondere, da es sich bei ihr um die Muttergesellschaft der A SL handelt. - Das von der Internetseite herunterladbare Datenblatt (vorgelegt in Anlage BM26) weist konkret auf die Beklagte zu 1) als Anbieterin der angegriffenen Ausführungsformen hin. Dieses Datenblatt enthält am Rand der zweiten Seite den Zusatz:
- „Document and pictures not contractual, the informations on this product sheet can be changed by H I at any time without notice.“
- Auf Deutsch:
- „Dokument und Bilder sind nicht vertraglich; die Informationen auf diesem Datenblatt können von H I zu jeder Zeit ohne Vorwarnung geändert werden.“ (Übersetzung des Gerichts).
- Dem kann entnommen werden, dass die beschriebenen Produkte von der Beklagten zu 1) stammen, sich diese aber im Falle eines Vertragsschlusses nicht an die wiedergegebenen technischen Spezifikationen gebunden sieht. Dass die Beklagte zu 1) derartige Vorbehalte hinsichtlich eines Vertragsschlusses macht, kann nur so verstanden werden, dass Kaufverträge über die angegriffenen Ausführungsformen mit ihr abgeschlossen werden können.
- Ferner wird im Datenblatt die Marke „H“ benutzt, die der Beklagten zu 1) gehört. Auf der ersten Seite des Datenblatts heißt es zudem „Designed by H in France“, was auf die Beklagte zu 1) und nicht auf die in Spanien ansässige A SL hindeutet.
- Dies alles zeigt jedenfalls in der Gesamtschau, dass es sich bei den gezeigten angegriffenen Ausführungsformen um Produkte der Beklagten zu 1) handelt, welche hier angeboten werden.
- (2)
Nach den oben dargestellten Grundsätzen stellt das Datenblatt ein Anbieten dar, denn es ist geeignet, die Nachfrage nach den angegriffenen Ausführungsformen zu fördern. Die angegriffenen Ausführungsführungsformen werden werbend dargestellt („J“); das Datenblatt ermöglicht einem potenziellen Kunden, sich für die gezeigten Produkte zu entscheiden. - (3)
Die Verwendung der englischen Sprache im Datenblatt steht einem inländischen Angebot nicht entgegen. Zum einen kann bei spezialisierten technischen Geräten wie den angegriffenen Ausführungsformen angenommen werden, dass potenzielle Kunden die englische Sprache verstehen, insbesondere da kein längerer Text vorhanden ist, sondern primär technische Daten. Zum anderen ist der Rest der Internetseiten auch in Deutsch verfügbar. - (4)
Vor dem Hintergrund des unstreitigen Datenblatts stellt sich das allgemeine Bestreiten (S. 3 Duplik = Bl. 225 GA) von Benutzungshandlungen der Beklagten zu 1) im Inland als unbeachtlich dar. - bb)
Das Datenblatt stellt auch ein Angebot für beide Versionen der angegriffenen Ausführungsform dar. - Dass sich das Datenblatt hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform C auf eine nicht mehr angebotene Ausführungsform bezieht – wie die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2019 vorgetragen haben – lässt sich nicht feststellen. Zwar mag es sein, dass teilweise Datenblätter, Betriebsanleitungen etc. von Produkten erhältlich sind, die nicht mehr vertrieben werden. Dies bedarf jedoch insbesondere bei werbenden Datenblätter eines besonderen Hinweises, der hier fehlt.
- Vielmehr versteht ein potenzieller Abnehmer das Datenblatt nach Anlage BM26 als Werbung für die angegriffenen Ausführungsformen C und D (sowie für das nicht angegriffene Produkt VPSP-08100). Er entnimmt dem Datenblatt, dass sich diese beiden Produkte hinsichtlich der „dark time“ unterscheiden und er je nach Anwendungsbereich und seinen technischen Bedürfnissen zwischen den genannten Modellen auswählen kann. Dass eines davon – konkret die angegriffene Ausführungsform C – nicht mehr erhältlich ist, geht aus dem Datenblatt nicht hervor. Auch ansonsten lässt sich im Zusammenhang mit dem Datenblatt kein Hinweis ersehen, dass eines der dargestellten Modelle nicht mehr erhältlich ist. Entsprechend werden die angegriffenen Ausführungsformen auch auf der Internetseite www.Ha.com nicht als „eingestellte Produkte“ geführt.
- cc)
Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob weitere Angebotshandlungen der Beklagten zu 1) festgestellt werden können. - 2.
Die Beklagte zu 2) hat nach Erteilung des Klagepatents inländische Benutzungshandlungen (§ 9 S. 2 Nr. 1 PatG) vorgenommen. - a)
Die Beklagte zu 2) hat beide angegriffenen Ausführungsformen auch nach Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents auf ihren Internetseiten angeboten. - aa)
Auf den Internetseiten der Beklagten zu 2) (vgl. die in Anlage BM27 vorgelegten Auszüge mit dem Stand 06.05.2019) wird eine angegriffene Ausführungsform werbend dargestellt, wobei sich die beiden angegriffenen Ausführungsformen äußerlich nicht unterscheiden. - Die Beklagte zu 2) hat zudem vorgetragen, bei ihren Angeboten nicht zwischen den beiden Modellen der angegriffenen Ausführungsform unterschieden zu haben. Dies ist in Bezug auf das Bild auf der Internetseite unstreitig – in einem anderen Zusammenhang unterscheidet die Beklagte zu 2) dagegen sehr wohl zwischen den beiden angegriffenen Ausführungsformen. Auf ihren Internetseiten ist das in Anlage BM28 vorgelegte Datenblatt der Beklagten zu 1) erhältlich, das dem Datenblatt in Anlage BM26 entspricht. Wie oben dargelegt ist dieses Datenblatt als Angebot sowohl für die angegriffene Ausführungsform C als auch für die angegriffene Ausführungsform D anzusehen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Durch die Aufnahme des Datenblatts auf ihrer Internetseite bietet die Beklagte zu 2) beide angegriffenen Ausführungsformen an.
- bb)
Es steht nach dem oben ausgeführten Verständnis des Anbietens (§ 9 S. 2 Nr. 1 PatG) einer Benutzungshandlung nicht entgegen, dass die Beklagte zu 2) keine unmittelbare Bestellmöglichkeit auf ihrer Internetseite vorsieht, sondern nach Interessensbekundungen konkrete Angebote unterbreitet. Die Internetseite der Beklagten zu 2) mit dem Datenblatt fördert jedenfalls die Nachfrage, die die Beklagte zu 2) zu befriedigen ermöglicht. Auch ist es für ein Anbieten nicht erforderlich, dass es zu Absatzgeschäften gekommen ist. - b)
Die Beklagte zu 2) hat ferner eine angegriffene Ausführungsform in Deutschland am 18.10.2017 an eine Gesellschaft der Klägerin (E Ltd) geliefert (vgl. den Lieferschein in Anlage BM13). - Soweit die Beklagte zu 2) einwendet, diese Lieferung sei letztlich mit Zustimmung der Klägerin erfolgt, greift dies nur teilweise gegen die Ansprüche der Klägerin durch. Testkäufe sind im Patentrecht zum Nachweis von Patentverletzungen grundsätzlich zulässig, sofern der Mitbewerber nicht reingelegt wird oder verwerfliche Mittel angewendet werden (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.01.2010 – I-2 U 131/08 – Rn. 93 f. bei Juris – Interframe dropping; Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 11. Aufl. 2019, Kap. B. Rn. 295). Zwar wird angenommen, dass die Lieferung im Rahmen eines Testkaufs selbst wegen Erschöpfung nicht rechtswidrig ist (BGH, GRUR 2013, 1230 – MPEG-2-Videosignalcodierung). Allerdings besteht gleichwohl die für den Unterlassungsantrag notwendige Erstbegehungsgefahr, denn es ist ohne weiteres davon auszugehen, dass die Beklagte zu 2) auch an andere Abnehmer geliefert hätte. Unredliche Mittel hat die Klägerin beim Testkauf nicht eingesetzt. Die Beklagte zu 2) hat auch nicht vorgetragen, dass sie an andere Besteller nicht geliefert hätte.
- Im Übrigen liegt eine Benutzungshandlung der Beklagten zu 2) schon in Form des Anbietens (siehe oben) vor.
3.
Eine nach der Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents am 5.11.2014 begangene Benutzungshandlung der Beklagten zu 3) lässt sich ebenfalls feststellen. Diese hat patentverletzende Erzeugnisse angeboten. In Bezug auf das Inverkehrbringen lässt sich allerdings keine Benutzungshandlung der Beklagten zu 3) feststellen. Hierzu fehlt es bereits an schlüssigem Vortrag der Klägerin. - a)
Ein Angebot kann allerdings nicht auf den aktuellen Internetseiten www.H.com ersehen werden. Soweit nunmehr auf der englischen Fassung der Homepage (nicht aber in der deutschen Version) allgemein unter anderem ein deutsches Verkaufsbüro genannt wird (vgl. S. 17 im Anlagenkonvolut nach Anlage BM25), ist dies nicht ausreichend konkret, um einen Bezug zur Beklagten zu 3) und (zugleich) zu den angegriffen Ausführungsformen herzustellen. - b)
Die Veröffentlichung des als Anlage BM 10 vorgelegten Datenblatts auf der Homepage www.H.com, welches am 6.11.2014 und damit nach Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents abrufbar war, stellt hingegen eine Angebotshandlung der Beklagten zu 3) dar. - Insoweit wird hinsichtlich der Klassifizierung der Veröffentlichung des Datenblatts als Angebotshandlung zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen unter III.1.b) Bezug genommen.
- Die betreffende Angebotshandlung ist der Beklagten zu 3) zuzurechnen. Sie ist ausweislich des als Anlage BM 1-3-1 vorgelegten Ausdrucks der Homepage www.H.com neben der Beklagten zu 1) und der A konkret mit ihrer Postanschrift als Ansprechpartnerin aufgeführt und zeichnet sich nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont mitverantwortlich für die über die betreffende Homepage veröffentlichten Inhalte und insbesondere für den Vertrieb nach Deutschland.
- 4.
Die Beklagten zu 4) und zu 5) haften als gesetzliche Vertreter der Beklagten zu 1) und der A SL. - a)
Geschäftsführer haben kraft ihrer Stellung im Unternehmen für die Beachtung absoluter Rechte Dritter Sorge zu tragen und das Handeln der Gesellschaft im Geschäftsverkehr zu bestimmen. Dabei ist im Falle der schuldhaften Verletzung, derer es für den Unterlassungsanspruch nicht bedarf, eines Patents durch eine Gesellschaft grundsätzlich davon auszugehen, dass dies auf dem schuldhaften Fehlverhalten ihrer gesetzlichen Vertreter beruht (BGH, GRUR 2016, 257, Rn. 115 ff. – Glasfasern II). Deshalb hat der Verletzte – dem grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für alle Anspruchsvoraussetzungen obliegt – regelmäßig keinen Anlass näher zur persönlichen Verantwortlichkeit des Geschäftsführers vorzutragen (BGH, a.a.O., Rn.119). Vielmehr obliegt dem gesetzlichen Vertreter der verletzenden Gesellschaft eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Frage, wie er den ihm obliegenden Pflichten nachgekommen ist. Hierbei hat er gegebenenfalls insbesondere darzulegen, weshalb er keinen Anlass hatte, sich eine Entscheidung über die angegriffenen Handlungen vorzubehalten und welche organisatorischen Maßnahmen er ergriffen hat, um eine Schutzrechtsverletzung durch Mitarbeiter des Unternehmens zu verhindern (BGH, a.a.O., Rn. 120). - b)
Die Beklagten zu 4) und zu 5) waren bei der Beklagten zu 1) und der A SL auch gesetzliche Vertreter im Sinne der vorstehend dargelegten Rechtsprechung. Dass sie für die Beachtung gewerblicher Schutzrechte nicht zuständig waren, ist nicht dargetan. - c)
Die Beklagten zu 4) und zu 5) haften als gesetzliche Vertreter der Beklagten zu 1) für deren Benutzungshandlungen (vgl. die Ausführungen oben). - Sie haften ferner als gesetzliche Vertreter der hier nicht verklagten A SL. Dass die A SL Benutzungshandlungen nach Erteilung des Klagepatents vorgenommen hat, wird von den Beklagten nicht in Abrede gestellt.
- In beiden Fällen ist nicht ersichtlich, dass die Beklagten zu 4) und 5) die notwendigen Maßnahmen zur Verhinderung von Schutzrechtsverletzungen vorgenommen haben.
- d)
Beim Beklagten zu 4) war die Haftung für Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz nicht zu begrenzen. Es ist nicht ersichtlich, dass er im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung wirksam aus seinen Ämtern ausgeschieden ist, weil nicht feststellbar ist, dass die Erklärung des Rücktritts zu einer Beendigung seiner Organstellung geführt hat. - IV.
Aus der festgestellten Patentverletzung ergeben sich die zuerkannten Rechtsfolgen. Ansprüche auf Vernichtung und Rückruf stehen der Klägerin gegen keine der Beklagten zu. - 1.
Die Beklagten sind der Klägerin gemäß Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet. - Im Übrigen bestände der Unterlassungsanspruch auch gegenüber den Beklagten zu 4), selbst wenn dieser als gesetzlicher Vertreter schon ausgeschieden wäre. Die Wiederholungsgefahr kann durch das Ausscheiden aufgrund der begangenen Verletzungshandlungen regelmäßig nicht ausgeschlossen werden kann (BGH, GRUR 2009, 845, Rn. 47 – Internet-Videorecoder; Grabinski/ Zülch, in Benkard, PatG, Kommentar, 11. Auflage, 2015, § 139, Rn. 22).
- Hinsichtlich der Beklagten zu 3) besteht ausgehend von der oben festgestellten Angebotshandlung eine Wiederholungsgefahr in Bezug auf die Benutzungshandlung des Anbietens patentverletzender Erzeugnisse. Unerheblich ist hierbei, dass die Beklagte zu 3) im aktuellen Internetauftritt des H-Konzerns nicht mehr als Ansprechpartnern genannt ist. Die bloße Einstellung der Patentverletzungshandlung und sogar die Aufgabe jeder geschäftlichen Betätigung beseitigen eine Wiederholungsgefahr nämlich regelmäßig nicht (vgl. BGH, GRUR 1998, 1046 – Brennwertkessel; BGH, GRUR 2001, 453 – TCM-Zentrum). Ferner besteht zumindest eine Erstbegehungsgefahr hinsichtlich der weiteren von der Klägerin geltend gemachten Benutzungshandlungen. Denn bei einem Handelsunternehmen wie dem der Beklagten zu 3) begründet eine Angebotshandlung die Begehungsgefahr hinsichtlich sämtlicher weiterer Benutzungshandlungen mit Ausnahme des Herstellens (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 6.04.2017, Az. I-2 U 51/16, Rz. 181 – zitiert nach juris).
- 2.
Des Weiteren haben die Beklagten der Klägerin Schadenersatz zu leisten (Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG). - Als Fachunternehmen bzw. deren gesetzliche Vertreter hätten die Beklagten die Patentverletzung durch die angegriffenen Ausführungsformen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.
- Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.
- Der Anspruch gegenüber der Beklagten zu 3) ist jedoch auf die Benutzungshandlung des Anbietens begrenzt. Zwar genügt es für die Feststellung der Schadensersatzpflicht aus § 139 Abs. 2 PatG und die Verurteilung zur Rechnungslegung in der Regel bereits, wenn nachgewiesen wird, dass der Beklagte während der Schutzdauer des Klagepatents überhaupt irgendwelche schuldhaft rechtswidrigen Verletzungshandlungen begangen hat (vgl. BGH, GRUR 1956, 265 , 269 – Rheinmetall-Borsig I; GRUR 1960, 423, 424 – Kreuzbodenventilsäcke). Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Parteien sowohl darüber streiten, ob die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagepatents Gebrauch macht, und zwischen den Parteien darüber hinaus streitig ist, ob der Beklagte eine ihm auch zur Last gelegte Benutzungsform vorgenommen hat, was dieser plausibel in Abrede stellt. In einem solchen Fall kommt eine Feststellung der Schadensersatzpflicht und eine Verurteilung des Beklagten zur Rechnungslegung grundsätzlich nur für diejenigen Benutzungsarten des § 9 PatG in Betracht, für die eine Verletzungshandlung vom Kläger nachgewiesen wird (OLG Düsseldorf, 6.04.2017, Az. I-2 U 51/16, Rz. 185 – zitiert nach juris). So liegt der Fall hier. Wie oben dargelegt, hat die Klägerin insoweit lediglich eine Angebotshandlung nachgewiesen.
- Die Beklagten zu 1), 4) und 5) sowie die Beklagten zu 1) 3) und 5) haften für die Patentverletzung als Gesamtschuldner, § 840 Abs. 1 BGB (vgl. Grabinski/Zülch, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 139 PatG Rn. 21).
- 3.
Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform gegenüber den Beklagten ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 3 PatG. - Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, die Schadensersatzansprüche zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagten ferner ein Anspruch auf Auskunft im zuerkannten Umfang aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 242, 259 BGB zu. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Die Beschränkung des Tenors gegenüber der Beklagten zu 3) folgt aus der Akzessorietät des betreffenden Anspruchs zum Schadenersatzanspruch.
- 4.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2) und 3) keinen Anspruch auf Vernichtung aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 PatG. - Den hierfür erforderlichen Inlandsbesitz der Beklagten zu 2) und 3) am Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin weder vorgetragen noch ist dieser sonst ersichtlich. Nach dem Vortrag der Beklagten zu 2) ist davon auszugehen, dass sie angegriffene Ausführungsformen erst bezieht, wenn eine konkrete Bestellung hierfür vorliegt. Eine aktuelle Einbeziehung der Beklagten zu 3) in die Vertriebskette hat die Klägerin nicht schlüssig vorgetragen.
- 5.
Ansprüche auf Rückruf patentverletzender Erzeugnisse aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 3 PatG, die geltend gemacht sind gegen die Beklagten zu 1), 2) und 3), stehen der Klägerin nicht zu. Hinsichtlich der Beklagten zu 1) und zu 3) lassen sich keine unmittelbaren Lieferungen ins Inland feststellen, die sie zurückrufen könnten; hinsichtlich der Beklagten zu 2) war die Lieferung an eine Gesellschaft aus dem Konzern der Klägerin nicht rechtswidrig; weitere Lieferungen sind nicht dargetan worden. - 6.
Der Inhalt des nicht nachgelassenen Schriftsatzes der Beklagten zu 1), 3), 4) und 5) vom 8.07.2019, dem sich die Beklagte zu 2) vollumfänglich mit ebenfalls nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 18.07.2019 angeschlossen hat, rechtfertigt weder die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO noch eine abweichende Entscheidung. - V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 100 ZPO. - Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Auf Antrag waren Teilsicherheiten für die Vollstreckung der einzelnen Ansprüche gegen die verschiedenen Beklagten festzusetzen.
- Der Streitwert wird auf EUR 350.000,00 festgesetzt.