Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2931
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 20. August 2019, Az. 4a O 48/19
- I. Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt,
- es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten zu vollziehen ist,
- zu unterlassen,
- Fahrradanhänger mit einem Rahmengestell mit einer Körperaufnahme zum Transport von Babys, wobei die Körperaufnahme mit mindestens einem Befestigungselement im Rahmengestell befestigt ist,
- in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen,
- wenn eine flexible Matte und seitliche, in Längsrichtung der Matte wirkende Spannelemente, mit denen die flexible Matte in die für den Transport eines Babys benötigte Transportform verspannt ist, sowie seitlich an der Matte, insbesondere in Höhe des Gesäßbereichs, angeordnete Wandungen, die einem seitlichen Herausrutschen des Babys entgegenwirken, gegeben sind.
- II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.
- III. Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung hinsichtlich Ziffer I. wird von einer Sicherheitsleistung in Höhe von € 300.000,00 abhängig gemacht. Hinsichtlich Ziffer II. ist das Urteil vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
- T a t b e s t a n d
- Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes wegen Verletzung des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 2 075 XXX B1 (Anlage AST4, nachfolgend: Verfügungspatent) auf Unterlassung in Anspruch.
- Das Verfügungspatent wurde am 25.08.2003 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 10.09.2002 angemeldet. Die Anmeldung wurde am 01.07.2009 veröffentlicht, der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 16.06.2010 bekanntgemacht. Der deutsche Teil des Verfügungspatents steht in Kraft.
- Die Verfügungsklägerin, die ehemals als „A“ B GmbH und sodann als A GmbH firmierte (Handelsregisterauszug vorgelegt als Anlage AST3), ist eingetragene Inhaberin des Verfügungspatents.
- Die Verfügungsbeklagte hat eine das Verfügungspatent betreffende Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Unter dem 23.04.2019 hat das Bundespatentgericht nach § 83 Abs. 1 S. 1 PatG auf die Gesichts¬punkte hingewiesen, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sind (Anlage AST6).
- Gegen das aus der Prioritätsschrift des Verfügungspatents hervorgegangene deutsche Patent DE 102 42 XXX der Verfügungsklägerin (geänderte Patentschrift als Anlage K10 im beigezogenen Verfahren; nachfolgend: DE-Patent), wurde ebenfalls ein Nichtigkeitsverfahren geführt. Das Bundespatentgericht erklärte das DE-Patent mit Urteil vom 22.04.2009 (5 Ni 4/09, Anlage K11 im beigezogenen Verfahren) dadurch teilweise für nichtig, dass es eine eingeschränkte Fassung erhalten hat. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin des Nichtigkeitsverfahrens wies der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 07.10.2010 (X ZR 97/09, Anlage K12 im beigezogenen Verfahren) zurück.
- Das Verfügungspatent betrifft einen Fahrradanhänger mit einem Rahmengestell mit einer Körperaufnahme zum Transport von Babys.
- Der von der Verfügungsklägerin geltend gemachte Anspruch 1 lautet:
- „Fahrradanhänger mit einem Rahmengestell mit einer Körperaufnahme zum Transport von Babys, wobei die Körperaufnahme mit mindestens einem Befestigungselement im Rahmengestell befestigt ist und gekennzeichnet ist durch eine flexible Matte (21) und seitliche, in Längsrichtung der Matte (21) wirkende Spannelemente (22, 23, 31, 32), mit denen die flexible Matte (21) in die für den Transport eines Babys benötigte Transportform verspannt ist, und durch seitlich an der Matte (21), insbesondere in Höhe des Gesäßbereichs angeordnete Wandungen, die einem seitlichen Herausrutschen des Babys entgegenwirken.“
- Nachfolgend wird in verkleinerter Darstellung Fig. 1 des Verfügungspatents wiedergegeben, die einen Fahrradanhänger mit eingehängter Körperaufnahme in perspektivischer Darstellung zeigt:
- Die Verfügungsbeklagte stellt her und vertreibt eine Körperaufnahme für Babys (angegriffene Ausführungsform; Muster vorgelegt als Anlage AST1). Diese wird in einem Benutzerhandbuch mit der Überschrift „Hängematte mit Sicherheitsrahmen“ (Anlage AST2) näher beschrieben, welches bei Bestellung der angegriffenen Ausführungsform mitgeliefert wird.
- Nachfolgend wird eine der Anlage AST2, dort Seite 2, entnommene Abbildung der Vorder- und Rückseite der angegriffenen Ausführungsform mit Bezugsziffern und entsprechenden Erläuterungen eingeblendet:
- Zwischen den Parteien ist unter dem Aktenzeichen 4a O 116/17 ein weiterer Rechtsstreit in Form eines Hauptsacheverfahrens vor der Kammer rechtshängig, dessen Akten beigezogen worden sind. Dort angegriffen ist ein Fahrradanhänger mit einer Körperaufnahme, den die Verfügungsbeklagte Anfang September 2017 auf der Messe „C“ in Friedrichshafen präsentiert hatte. Die dortige Körperaufnahme unterscheidet sich von der hiesigen angegriffenen Ausführungsform jedenfalls im Hinblick auf das Vorhandensein eines oder mehrerer Gurte im mittigen Bereich der Rückseite und deren Anordnung.
- In der Sitzung vom 25.04.2019 im beigezogenen Verfahren legte die Verfügungs-beklagte und dortige Beklagte ein Muster der hiesigen angegriffenen Ausführungsform vor.
- Noch am selben Tag, dem 25.04.2019, veranlasste der patentanwaltliche Vertreter der Verfügungsklägerin, Herr Patentanwalt D, einen Testkauf der angegriffenen Ausführungsform durch Herrn E, den Ehemann seiner Sekretärin Frau E. Herr E bestellte über einen unter der Domain F.de erreichbaren Webshop ein Exemplar der angegriffenen Ausführungsform (Bestellunterlagen vorgelegt als Anlage AST12). Das Exemplar der angegriffenen Ausführungsform wurde nebst einem Benutzerhandbuch entsprechend Anlage AST2 am Nachmittag des 03.05.2019, einem Freitag, an Herrn E geliefert (Lieferschein nebst Zustellbestätigung vorgelegt als Anlage AST13). Am Montag, den 06.05.2019 übergab Frau E das Exemplar an Herrn D.
- Die Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten hatten zudem noch in der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2019 im beigezogenen Verfahren zugesagt, der Verfügungsklägerin ein Exemplar der angegriffenen Ausführungsform zur Verfügung zu stellen. Das dieser Zusage entsprechend übersandte Exemplar ging nebst dem Benutzerhandbuch (Anlage AST2) ebenfalls am Montag, den 06.05.2019 bei der Verfügungsklägerin ein.
- Um über die Möglichkeit einer vergleichsweisen Einigung zu sprechen, hatten die Parteien für den 16.05.2019 ein Treffen vereinbart. Kurz vor dem Termin bat der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin den Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten, die beiden auf der Messe „C“ ausgestellten Exemplare der im beigezogenen Verfahren streitgegenständlichen Körperaufnahme zum Termin mitzubringen. Dazu war der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten nicht bereit. Der Termin wurde daraufhin abgesagt.
- Die Verfügungsklägerin mahnte die Verfügungsbeklagte mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 22.05.2019 (Anlage AST7) ab und forderte sie unter anderem zur Abgabe einer Unterlassungserklärung bis zum 29.05.2019, 12 Uhr auf, was die Verfügungsbeklagte mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 29.05.2019 (Anlage AST8) zurückwies.
- Die Verfügungsklägerin trägt vor, die Verfügungsbeklagte mache von der Lehre des Verfügungspatentanspruchs 1 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Bei der angegriffenen Ausführungsform handele es sich um eine flexible Matte, wofür es ausreiche, dass sie faltbar sei. Die angegriffene Ausführungsform verfüge auch über Spannelemente, mit denen die flexible Matte in die für den Transport eines Babys benötigte Transportform verspannt sei. Insbesondere stellten die Gurte, aber auch die beiden U-förmigen, zusammenklappbaren Teilrahmen solche Spannelemente dar. Ferner könnten die textilen Hülsen, mit denen die Oberseite und die Unterseite der Matte am Querrohr des jeweiligen U-förmigen Rahmenteils verbunden seien, als Spannelemente bzw. Gegenlager verstanden werden.
- Zögerliches Verhalten bei der Rechtsverfolgung sei ihr nicht vorzuwerfen. Die für sie handelnden Personen hätten erstmals in der mündlichen Verhandlung im beigezogenen Verfahren am 25.04.2019 zur Kenntnis genommen, dass die Verfügungsbeklagte die angegriffene Ausführungsform herstelle und vertreibe. Nach Kenntniserlangung seien von ihrer Seite alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen worden, um in den Besitz der angegriffenen Ausführungsform zu gelangen und sodann die ihr zustehenden Ansprüche im Wege der Abmahnung und der einstweiligen Verfügung geltend zu machen.
- Es wirke sich nicht dringlichkeitsschädlich aus, dass sie gegen die im beigezogenen Verfahren angegriffene Körperaufnahme nicht im Wege der einstweiligen Verfügung vorgegangen sei. Schließlich sei zum Zeitpunkt der dortigen Klageerhebung der Rechtsbestand des Verfügungspatents noch nicht gesichert gewesen.
- Nunmehr liege ein für den Erlass einer einstweiligen Verfügung hinreichend gesicherter Rechtsbestand vor. Dies ergebe sich aus dem qualifizierten Hinweis des Bundespatentgerichts und dem Urteil des Bundesgerichtshofs im Nichtigkeitsverfahren betreffend das DE-Patent. In dem gegen das Verfügungspatent geführten Nichtigkeitsverfahren würden schließlich nur solche Entgegenhaltungen vorgetragen, die bereits Gegenstand des das DE-Patent betreffenden Nichtigkeits¬verfahrens gewesen seien.
- Mit ihrem am 04.06.2019 bei Gericht eingegangen Verfügungsantrag beantragt die Verfügungsklägerin,
- wie erkannt.
- Die Verfügungsbeklagte beantragt,
- den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
- Sie trägt vor, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Verfügungspatents keinen Gebrauch. Sie verfüge nicht über Spannelemente und werde nicht durch Verspannen in eine Transportform gebracht. Derartige Spannelemente müssten nach der Lehre des Verfügungspatents selbst die Matte auf Zug belasten und daher eine Elastizität aufweisen. Keines der von der Verfügungsklägerin zur Begründung der Patentverletzung herangezogenen Bauteile erfülle die Anforderungen an derartige Spannelemente:
- Der im Benutzerhandbuch mit Ziffer 01 bezeichnete Rahmen sei schon deshalb kein Spannelement, weil er den Stoff nicht auf Zug belaste und zudem nicht in Längsrichtung wirke. Vielmehr wirkten die seitlichen Rahmenteile naturgemäß in seitlicher Richtung.
- Der mittig auf der Rückseite angebrachte, im Benutzerhandbuch mit Ziffer 09 bezeichnete Gurt sei nicht, wie es das Verfügungspatent fordere, seitlich angebracht.
- Schließlich könne es sich bei den im Benutzerhandbuch mit den Bezugsziffern 06 und 10 bezeichneten Befestigungselementen nicht um Spannelemente handeln, weil sie nicht am Stoff befestigt bzw. mit diesem verbunden seien und deshalb die Matte nicht in die Transportform verspannten.
- Schließlich sei die Matte der angegriffenen Ausführungsform aus einem festen, nicht dehnbaren Material gefertigt und damit nicht flexibel im Sinne des Verfügungspatents.
- Ferner fehle es an einem Verfügungsgrund. Die Verfügungsklägerin habe durch ihr Verhalten gezeigt, dass ihr die Rechtsverfolgung nicht dringlich sei. Schließlich sei die Verfügungsklägerin gegen die in dem beigezogenen Verfahren angegriffene Körperaufnahme – die sogar näher am Patent liege als die hiesige angegriffene Ausführungsform – nicht im Wege der einstweiligen Verfügung vorgegangen.
- Dass der Verfügungsklägerin vor dem 25.04.2019 nicht bekannt gewesen sei, dass sie, die Verfügungsbeklagte, die angegriffene Ausführungsform vertreibe, werde zudem bestritten. Tatsächlich vertreibe sie die angegriffene Ausführungsform bereits seit Februar 2019.
- Es liege auch keine die Dringlichkeit neu begründende wesentliche Veränderung der Umstände darin, dass sie, die Verfügungsbeklagte, die Gestaltung der Körperaufnahme verändert habe. Vielmehr stelle die hiesige angegriffene Ausführungsform im Vergleich zu der im beigezogenen Verfahren angegriffenen Körperaufnahme ein bloßes Minus dar.
- Der Rechtsbestand des Verfügungspatents sei nicht mit der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung notwendigen Sicherheit gewährleistet. Ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren habe es schließlich nicht überstanden. Der Hinweis des Bundespatentgerichts sei nur vorläufiger Natur und daher nicht ausreichend. Sähe man dies anders, hätte zudem die Verfügungsklägerin nach diesem Hinweis im Wege der einstweiligen Verfügung gegen die im beigezogenen Verfahren angegriffene Körperaufnahme vorgehen müssen.
- Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.08.2019 Bezug genommen.
- E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
- Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet.
- Der Verfügungsklägerin steht gegen die Verfügungsbeklagte ein im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbarer Unterlassungsanspruch gemäß Art. 64 EPÜ
i. V. m. §§ 139 Abs. 1, 9 S. 2 Nr. 1 PatG zu. Die Verfügungsbeklagte macht mit der Herstellung und dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform von der Lehre des Verfügungspatentanspruchs 1 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Neben dem deshalb gegebenen Verfügungsanspruch (dazu unter I.) besteht auch ein Verfügungsgrund, §§ 935, 940 ZPO (dazu unter II.). - I.
Ein Verfügungsanspruch ist glaubhaft gemacht. Die angegriffene Ausführungsform macht von Anspruch 1 des Verfügungspatents unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Die Verfügungsklägerin hat daher gegen die Verfügungsbeklagte den geltend gemachten Unterlassungsanspruch. - 1.
Das Verfügungspatent (nachfolgend genannte Absätze ohne Quellenangabe sind solche des Verfügungspatents) betrifft einen Fahrradanhänger mit einem Rahmengestellt mit einer Körperaufnahme zum Transport von Babys. - Der Patentbeschreibung zufolge ist der Transport von Kleinkindern und Babys in Fahrradanhängern nicht ohne weiteres möglich, da die Sitze der Fahrradanhänger hierfür nicht ausgelegt sind. Mangels geeigneter Lösungen für dieses Problem werden, so das Verfügungspatent, häufig für Autos konzipierte Babyschalen in Fahrradanhänger eingesetzt und darin mit Gurten befestigt. Zwar kann ein Kleinkind auf diese Weise grundsätzlich in einem Fahrradanhänger transportiert werden. Wesentlicher Nachteil hierbei ist aber, dass Babyschalen sehr klobig und in der Regel breiter als die für ein Kind vorgesehene Sitzfläche sind. Dies ist insbesondere bei zweisitzigen Fahrradanhängern ein Problem, da bei Einsetzen der Babyschale in den Anhänger neben der Schale kaum noch Platz für ein zweites Kind, geschweige denn für eine zweite Babyschale verbleibt (vgl. Absatz [0002]).
- Im Stand der Technik ist eine harte Babyschale aus Polystyrol bekannt, die auf die Breite eines Kindersitzes in einem Fahrradanhänger zugeschnitten ist. Diese Schale weist eine konkav ausgebildete Liegesitzfläche auf, deren Gesäßbereich gegenüber dem Rücken- und Schulterbereich abgeflacht ist. Knapp unterhalb des Gesäßbereichs der Schale sind in ihrer Mitte eine Durchgangsöffnung sowie in ihrem Schulterbereich zu beiden Seiten der zentralen Längsachse mehrere übereinander paarweise angeordnete Durchgangsöffnungen für die Gurte eines Rückhaltesystems zum Anschnallen des Babys vorgesehen. Darüber hinaus sind im oberen und im unteren Bereich der Schale Befestigungsöffnungen vorgesehen, durch die Schlaufen zur Befestigung der Babyschale auf einem Sitz des Fahrradanhängers hindurch gezogen werden können (vgl. Absatz [0003]). Diese Transportschale ist allerdings sperrig, wodurch ihre Befestigung in einem Fahrradanhänger erschwert wird und eine platzsparende Lagerung nicht möglich ist. Starre Babyschalen können sich außerdem nicht an die Lage und Bewegung eines Babys oder Kleinkindes anpassen und sind nicht atmungsaktiv (vgl. Absatz [0004]).
- Davon ausgehend benennt es das Verfügungspatent als seine Aufgabe, eine Alternative zu der bekannten Babyschale zur Verfügung zu stellen, mit der ein Transport von Babys in einem Fahrradanhänger ermöglicht wird und bei der die zuvor beschriebenen Nachteile nicht bestehen (Absatz [0005]).
- 2.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Verfügungspatent einen Fahrradanhänger mit einem Rahmengestell mit einer Körperaufnahme zum Transport von Babys gemäß Anspruch 1 vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen: - 1. Fahrradanhänger mit einem Rahmengestell
- 2. mit einer Körperaufnahme zum Transport von Babys, die mit mindestens einem Befestigungselement im Rahmengestell befestigt ist,
- 3. mit einer flexiblen Matte (21),
- 4. mit seitlichen, in Längsrichtung der Matte (21) wirkenden Spannelementen (22, 23, 31, 32), mit denen die flexible Matte (21) in die für den Transport eines Babys benötigte Transportform verspannt ist,
- 5. mit seitlich an der Matte (21), insbesondere in Höhe des Gesäßbereichs angeordneten Wandungen, die einem seitlichen Herausrutschen des Babys entgegenwirken.
- 3.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die Merkmale 3 (dazu unter a)) und 4 (dazu unter b)) des Verfügungspatentanspruchs 1. Ferner verwirklicht sie – was zwischen den Parteien zu Recht unstreitig ist und deshalb keiner weiteren Erörterung bedarf – die Merkmale 2 und 5. Merkmal 1 wird zwar durch die angegriffene Ausführungsform nicht verwirklicht. Dies steht jedoch ausnahmsweise einer unmittelbaren Patentverletzung nicht entgegen (dazu unter c)). - a)
Merkmal 4 des Verfügungspatentanspruchs 1 ist verwirklicht. - aa)
Nach Merkmal 4 ist die flexible Matte mit seitlichen, in Längsrichtung der Matte wirkenden Spannelementen in die für den Transport eines Babys benötigte Transportform verspannt. - (1)
Das Verfügungspatent bezeichnet es als die Grundidee der Erfindung, dass die Körperaufnahme aus einem flexiblen Material gebildet wird, das bei Bedarf durch ein Verspannen des Materials von außen und/oder in sich selbst in die für den Transport des Körpers benötigte Form gebracht werden kann (Absatz [0007]). Was das Verfügungspatent unter einem solchen Verspannen von außen und/oder in sich selbst versteht, ist in Absatz [0007] definiert. Ein „Verspannen von außen“ ist danach so zu verstehen, dass außerhalb der Körperaufnahme am Rahmengestell gelagerte Spannelemente so angeordnet sind, dass sie die Matte auf Zug belasten. Als Beispiel derartiger Spannelemente nennt das Verfügungspatent längenverstellbare federelastische Gurte. Unter einem „Verspannen in sich selbst“ versteht das Verfügungspatent, dass sich die Spannelemente beim Verspannen im Material selbst abstützen. Eine solche Verspannung ist beispielsweise mit Federstangen möglich, die in Hohlnähte, die in oder an der Matte vorgesehen sind, eingeschoben oder unter Spannung in Verankerungspunkte der Matte eingesetzt werden, ähnlich wie bei einem selbsttragenden Kuppelzelt. - Funktion des Verspannens ist es, wie sich aus dem Wortlaut des Merkmals selbst ergibt, die flexible Matte in die für den Transport eines Babys benötigte Transportform zu bringen (vgl. auch Absatz [0008]). Die flexible Matte verfügt aus sich heraus noch nicht über die benötigte Form, sondern erhält diese erst durch das Verspannen. Das Verspannen geschieht mittels der seitlichen, in Längsrichtung der Matte wirkenden Spannelemente.
- (2)
Unter der Transportform versteht das Verfügungspatent eine Form, in der ein Baby transportiert werden kann. Dabei handelt es sich, wie der Fachmann weiß, nicht um eine aufrecht sitzende, nahezu rechtwinklige, sondern um eine liegende oder jedenfalls halb-liegende Position (vgl. Urteil des BGH zum DE-Patent, Anlage K12 im beigezogenen Verfahren, Seite 21). Im Übrigen gibt das Verfügungspatent eine bestimmte Ausgestaltung der Transportform nicht vor. Insbesondere lässt sich dem Verfügungspatent nicht entnehmen, dass der Gesäßbereich der Matte infolge des gemäß Merkmal 4 erfolgenden Verspannens in die Transportform vertieft sein muss. Vielmehr ergibt sich aus Absatz [0015], dass ein Winkel zwischen Gesäßbereich sowie Rücken- und Schulterbereich der Stützfläche auch erst beispielsweise durch das Zusammenwirken des Verspannens in Längsrichtung mit einem quer zur Längsachse verlaufenden Gurt im Gesäßbereich der Stützfläche oder durch ein Verspannen nach hinten erzielt werden kann. Der Patentanspruch, der lediglich das Verspannen in Längsrichtung fordert, schließt aber auch nicht aus, dass sich eine Vertiefung im Gesäßbereich erst durch das Gewicht des zu transportierenden Babys oder – über ein gewisses Nachgeben des Materials hinaus (dazu sogleich unter b)) – gar nicht ergibt. - In die Transportform verspannt ist die flexible Matte dann, wenn die Transportform durch das Verspannen erreicht wird. Dass das gesamte Material der flexiblen Matte gespannt bzw. auf Spannung gebracht sein muss, lässt sich dem Anspruch dagegen nicht entnehmen.
- Das Verfügungspatent schließt nicht aus, dass die endgültige Form der Matte nicht allein durch die in Längsrichtung der Matte wirkenden Spannelemente erreicht wird. „In die Transportform verspannt“ wird die Matte vielmehr auch dann, wenn neben den in Längsrichtung wirkenden Spannelementen weitere Spannelemente vorhanden sind, die die endgültige Form der Matte bedingen. Das Verfügungspatent schließt solche weiteren Spannelemente nicht aus. Es geht vielmehr selbst davon aus, dass die Matte in verschiedene Richtungen verspannbar ist. So kann durch den bereits unter (1) erwähnten, auf der Rückseite der Matte befestigten Gurt im Bereich des Gesäßes die Körperaufnahme so verspannt werden, dass sich ein Winkel zwischen Gesäßbereich sowie Rücken- und Schulterbereich ergibt. Gleichzeitig kann die Matte in ihrer Längsrichtung an ihrer Ober- und Unterseite verspannt sein (vgl. Absatz [0015]). Anspruchsgemäß erforderlich ist indes nur die Verspannung mit in Längsrichtung wirkenden Spannelementen. Eine Verspannung „nach hinten“ (vgl. auch Absatz [0015] am Ende) verwirklicht Merkmal 4 nicht.
- Unter dem Begriff der Längsrichtung versteht das Verfügungspatent die Richtung entlang der seitlichen Begrenzungen der Matte. Dieser Sichtweise entsprechend verwendet das Verfügungspatent den Begriff der Längsrichtung im Hinblick auf die als Spannelemente wirkenden Gurte, die innerhalb schlauchartiger Hülsen geführt werden, die Bestandteile der seitlichen Wandungen sind (vgl. Absätze [0010], [0011] i. V. m. [0025]). Ein Wirken in Längsrichtung setzt voraus, dass die zur Verspannung aufzubringenden Kräfte (vgl. Absatz [0016]) ihre Wirkung in einer den seitlichen Begrenzungen entsprechenden Richtung entfalten.
- (3)
Wenn in der Definition des Verspannens von außen (vgl. Absatz [0007]) darauf abgestellt wird, dass außerhalb der Körperaufnahme „am Rahmengestell“ gelagerte Spannelemente so angeordnet sind, dass sie die Matte auf Zug belasten, ist damit das Rahmengestell im Sinne des Merkmals 1 gemeint, also dasjenige des Fahrradanhängers. Demgegenüber verfügt die flexible Matte nach Merkmal 5 nach den Begrifflichkeiten des Verfügungspatents nicht notwendigerweise selbst über ein „Rahmengestell“, sondern über seitlich angeordnete Wandungen, die einem Herausrutschen des Babys entgegenwirken. Dass die Spannelemente räumlich-körperlich von diesen Wandungen zu unterscheidende Bauteile sein müssen, lässt sich dem Patentanspruch nicht entnehmen. - Schließlich gibt das Verfügungspatent nicht vor, dass es sich bei den Spannelementen um elastische Bauteile handeln muss. Insbesondere werden die federelastischen Gurte ausdrücklich nur beispielhaft als mögliche Spannelemente für ein „Verspannen von außen“ genannt. Die Definition des Verfügungspatents setzt die Elastizität der Spannelemente indes weder für das „Verspannen von außen“ noch für das „Verspannen in sich selbst“ zwingend voraus. Durch welche Ausgestaltung die Belastung der Matte auf Zug bzw. das Abstützen im Material selbst erzielt wird, überlässt das Verfügungspatent dem Fachmann.
- bb)
Diese Auslegung zugrunde gelegt, verwirklicht die angegriffene Ausführungsform Merkmal 4. - (1)
Spannelemente, mit denen die flexible Matte im Sinne des Merkmals 4 in die für den Transport eines Babys benötigte Transportform verspannt ist, stellen die Rahmenteile dar. Das Verspannen ist dabei in der Variante des „Verspannens in sich selbst“ verwirklicht. - Um das textile Material der Matte herum und damit seitlich sind Rahmenteile angeordnet, die einen Faltmechanismus aufweisen. Die Rahmenteile sind in der dem Benutzerhandbuch (Anlage AST2), dort Seite 2, entnommenen Abbildung als „Sicherheitsrahmen“ mit der Bezugsziffer 01 bezeichnet (nachfolgend genannte Bezugsziffern sind ebenfalls solche der dortigen Abbildung). Die Gelenke mit Druckknöpfen, die das Auf- und Zusammenfalten der Körperaufnahme ermöglichen, sind mit den Bezugsziffern 10 bezeichnet.
- Wenn die Matte aufgefaltet wird, werden die Rahmenteile und damit auch die Matte in die für den Transport benötigte Form gebracht. Die benötigte Transportform wird unabhängig davon hergestellt, ob der weitere, mittig angeordnete Gurt mit der Bezugsziffer 09, der sich an der Rückseite der Körperaufnahme in Höhe des Gesäßbereichs befindet, lose herabhängt oder bestimmungsgemäß montiert ist. Insbesondere setzt die Transportform nach obiger Auslegung weder eine Spannung im gesamten Material der flexiblen Matte noch eine Tiefe des Gesäßbereichs voraus.
- Die Rahmenteile stützen sich im Material selbst ab, ähnlich dem in der Definition des Verfügungspatents genannten Beispiel des selbsttragenden Kuppelzelts. Sie wirken in Längsrichtung der Matte.
- Schließlich ist es nach obiger Auslegung für die Merkmalsverwirklichung unerheblich, dass die Spannelemente räumlich-körperlich mit der äußeren Begrenzung der Körperaufnahme und damit auch mit den einen Schutz gegen seitliches Herausrutschen des Babys bietenden Wandungen zusammenfallen.
- (2)
Ob daneben weitere Spannelemente vorhanden sind, die entweder im Sinne des Merkmals 4 in Längsrichtung oder in eine andere Richtung wirken, kann offen bleiben. Nach obiger Auslegung führt es nicht aus der Verletzung heraus, wenn die endgültige Form der Matte auch durch weitere Spannelemente bzw. weiteres Verspannen bedingt wird. - b)
Merkmal 3, wonach die Körperaufnahme über eine flexible Matte verfügt, ist ebenfalls verwirklicht. - aa)
Das Verfügungspatent versteht unter einer flexiblen Matte eine solche, die aus einem flexiblen Material gebildet wird (vgl. Absatz [0007]). Damit grenzt sich das Verfügungspatent insbesondere zu der aus dem Stand der Technik bekannten harten und starren Babyschale aus Polystyrol ab (vgl. Absätze [0003], [0004]). Als bevorzugtes Material nennt das Verfügungspatent ein Textilgewebe (Absatz [0019]). - Die Bildung aus einem flexiblen Material ermöglicht es, die Matte im Sinne des Merkmals 4 in die Transportform zu verspannen, vorzugsweise – somit allerdings nicht zwingend – erst nach ihrer Befestigung in einem Fahrradanhänger (vgl. Absätze [0007], [0008]). Die Flexibilität ermöglicht es zum einen, die Matte bei Nichtgebrauch zusammenzufalten und kompakt zu verstauen (vgl. Absatz [0008]). Zum anderen weist die Matte nach der Lehre des Verfügungspatents selbst in ihrer Transportform eine gewisse Flexibilität auf, so dass sie sich bis zu einem gewissen Grad an eine Körperform anpassen kann (Absatz [0008]).
- Anhand dieser Erläuterungen erkennt der Fachmann, dass eine flexible Matte im Sinne des Merkmals 3 aus einem Material gebildet ist, welches nicht starr ist, sondern zum einen das Verspannen in die Transportform im Sinne des Merkmals 4 und zum anderen auch in der Transportform ein gewisses Nachgeben ermöglicht. Darüber hinausgehende Vorgaben, etwa einen bestimmten Grad der Elastizität, lassen sich dem Verfügungspatent dagegen nicht entnehmen.
- bb)
Diese Auslegung zugrunde gelegt, verfügt die angegriffene Ausführungsform über eine flexible Matte im Sinne des Merkmals 4. Die Matte ist aus einem textilen Material gebildet und ermöglicht über den unter a) bb) (1) erörterten Gelenkmechanismus ein Auf- und Zusammenfalten und in der Transportform ein gewisses Nachgeben. Dass die Matte im aufgefalteten Zustand im gewissen Umfang ein Nachgeben ermöglicht, wird auch von der Verfügungsbeklagen, die lediglich darauf abstellt, es handele sich um ein festes, nicht dehnbares Material, nicht in Abrede gestellt. Überdies konnte sich die Kammer hiervon anhand des vorgelegten Exemplars der angegriffenen Ausführungsform (Anlage AST1) selbst überzeugen. - c)
Einer unmittelbaren Benutzung des Verfügungspatents steht es schließlich nicht entgegen, dass die angegriffene Ausführungsform ohne den für die Verwirklichung der patentgemäßen Lehre erforderlichen „Fahrradanhänger“ (Merkmal 1) vertrieben wird und sich auch ein gemeinsames Anbieten oder eine Komplettlieferung beider Vorrichtungsbestandteile nicht feststellen lässt. - aa)
Bei einem Kombinationspatent liegt zwar eine unmittelbare Patentverletzung im Regelfall nur vor, wenn die Gesamtkombination geliefert wird. Eine unmittelbare Patentverletzung kommt jedoch ausnahmsweise dann in Betracht, wenn erst die Zutat eines Dritten die patentgeschützte Kombination ergibt. Diese Einstufung ist gerechtfertigt, wenn bei der Lieferung eines Teils einer Gesamtvorrichtung das angebotene oder gelieferte Teil bereits alle wesentlichen Merkmale des geschützten Erfindungsgedankens aufweist und es zu seiner Vollendung allenfalls noch der Hinzufügung selbstverständlicher Zutaten bedarf, die für die im Patent unter Schutz gestellte technische Lehre unbedeutend sind, weil sich in ihnen die eigentliche Erfindung nicht verkörpert hat (für das Patentgesetz 1968: BGH, GRUR 1977, 250 – Kunststoffhohlprofil; für das Patentgesetz 1981: OLG Düsseldorf, InstGE 13, 78 –Lungenfunktionsmessgerät m. w. N. auch zur Gegenansicht; Urteil vom 13.02.2014 –I-2 U 93/12, Folientransfermaschine; Urteil vom 19.02.2015 – I-15 U 39/14, GRUR-RR 2016, 97 – Primäre Verschlüsselungslogik; Urteil vom 19.07.2018 – I-15 U 43/15, Rn. 78 bei juris). - Dies ergibt sich bei einer wertenden Betrachtung des Sachverhalts unter Zurechnungsgesichtspunkten: Würde ein Dritter die fehlende Zutat liefern, so läge eine gemeinsam begangene unmittelbare Patentverletzung vor. Damit wertungsgemäß vergleichbar ist es jedoch, wenn sich der Abnehmer bereits im Besitz der fehlenden (Allerwelts-) Zutat befindet oder er sich diese im Anschluss an die fragliche Lieferung mit Sicherheit besorgen wird, um sie mit dem gelieferten Gegenstand zur patentgeschützten Gesamtvorrichtung zu kombinieren. Der Handelnde macht sich dann mit seiner Lieferung die Vor- oder Nacharbeit seines Abnehmers bewusst zu eigen, was es rechtfertigt, ihm diese Vor- oder Nacharbeit so zuzurechnen, als hätte er die Zutat selbst mitgeliefert (OLG Düsseldorf, InstGE 13, 78 – Lungenfunktionsmessgerät; Urteil vom 19.02.2015 – I-15 U 39/14, GRUR-RR 2016, 97 – Primäre Verschlüsselungslogik; Urteil vom 19.07.2018 – I-15 U 43/15, Rn. 79 bei juris; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Auflage 2019, Abschnitt A Rn. 412).
- Auch und erstrecht ist eine solche Betrachtung gerechtfertigt, wenn die fehlende Zutat nicht von einem Dritten, sondern von dem den übrigen Teil der Gesamtvorrichtung Bereitstellenden selbst – wenn auch nicht im Sinne einer einheitlichen Benutzungs¬handlung – geliefert wird.
- bb)
Daran gemessen liegt im vorliegenden Fall eine unmittelbare und nicht nur eine mittelbare Patentverletzung vor. - Dass die Körperaufnahme der Verfügungsbeklagten in anderer Weise sinnvoll genutzt werden könnte als in Kombination mit einem Fahrradanhänger mit Rahmengestell, ist weder dargetan noch sonst erkennbar. Es ist der Betrachtung vielmehr zugrunde zu legen, dass ein Abnehmer die Körperaufnahme in einem Fahrradanhänger mit Rahmengestell installieren wird, über den er entweder bereits verfügt oder den er sich im Anschluss an die Lieferung der Körperaufnahme mit Sicherheit besorgen wird. In dem Fahrradanhänger mit Rahmengestell verkörpert sich auch die eigentliche Erfindung des Verfügungspatents nicht, so dass er als (Allerwelts-) Zutat im Sinne der oben dargestellten Grundsätze angesehen werden kann.
- Die unter diesen Umständen vorgezeichnete nachfolgende Herstellung der patentgemäßen Gesamtvorrichtung beim Abnehmer ist der Verfügungsbeklagten zuzurechnen, weil sie weiß und will, dass die Abnehmer die Körperaufnahme in einen Fahrradanhänger mit Rahmengestell einhängen. Hierzu werden sie in dem bei Bestellung der angegriffenen Ausführungsform mitgelieferten Benutzerhandbuch ausdrücklich angeleitet (vgl. Seiten 5 ff. der Anlage AST2). Die Verfügungsbeklagte baut bei ihren Lieferungen gezielt darauf auf, dass der fehlende Fahrradanhänger mit Rahmengestell beim Abnehmer entweder bereits vorhanden ist oder aber von diesem problemlos selbst besorgt werden kann und auch tatsächlich beschafft wird, um die gelieferte angegriffene Ausführungsform ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung zuzuführen.
- 4.
Da die Verfügungsbeklagte durch die Herstellung und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform das Verfügungspatent verletzt, § 9 S. 2 Nr. 1 PatG, ist sie der Verfügungsklägerin gemäß Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet. - II.
Die Verfügungsklägerin kann die ihr zustehenden Ansprüche auch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend machen. Das Vorliegen des nach den §§ 935, 940 ZPO notwendigen Verfügungsgrundes hat die Verfügungsklägerin glaubhaft gemacht. - Das Bestehen eines Verfügungsgrundes verlangt nicht nur eine Dringlichkeit in einem rein zeitlichen Sinne, sondern darüber hinaus eine materielle Rechtfertigung des vorläufigen Unterlassungsgebotes. Diese erfordert eine Interessenabwägung zwischen den dem Schutzrechtsinhaber ohne das gerichtliche Eingreifen drohenden Nachteilen und den Interessen des als Verletzer in Anspruch genommenen Verfügungsbeklagten. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung aus einem Patent, insbesondere wenn sie auf Unterlassung gerichtet ist, kommt nur in Betracht, wenn sowohl die Frage der Schutzrechtsverletzung als auch der Bestand des Verfügungsschutzrechtes im Ergebnis so eindeutig zugunsten des Antragstellers zu beantworten sind, dass eine fehlerhafte, in einem etwa nachfolgenden Hauptsacheverfahren zu revidierende Entscheidung nicht ernstlich zu erwarten ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.02.2016 – I-2 U 55/15; Urteil vom 06.12.2012 – I-2 U 46/12).
- Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die Verfügungsklägerin glaubhaft gemacht. Der Rechtsbestand des Verfügungspatents ist hinreichend gesichert (dazu unter 1.). Die Dringlichkeit im zeitlichen Sinne ist ebenfalls gegeben (dazu unter 2.). Schließlich überwiegen bei einer Interessenabwägung die der Verfügungsklägerin drohenden Nachteile die Interessen der Verfügungsbeklagten (dazu unter 3.).
- 1.
Der Rechtsbestand des Verfügungspatents ist hinreichend gesichert. - a)
Von einer für den Erlass einer einstweiligen Verfügung hinlänglichen Sicherheit des Rechtsbestands kann grundsätzlich nur dann ausgegangen werden, wenn das Verfügungspatent bereits ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.02.2016 – I-2 U 55/15; GRUR-RS 2014, 04902 – Desogestrel; Urteil vom 17.01.2013 – I-2 U 87/12, Flupirtin-Maleat; Urteil vom 06.12.2012 – I-2 U 46/12; InstGE 12, 114 – Harnkatheterset; Urteil vom 29.05.2008 – I-2 W 47/07, Olanzapin). Von dem Erfordernis einer dem Antragsteller günstigen kontradiktorischen Rechtsbestandsentscheidung kann nur in Sonderfällen abgesehen werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.02.2016 – I-2 U 55/15; Urteil vom 06.12.2012 – I-2 U 46/12). Dabei hat das OLG Düsseldorf – ausdrücklich ohne Anspruch auf Vollständigkeit – bestimmte Fallgruppen genannt. - Hierzu zählt der Fall, dass sich der Antragsgegner bereits mit eigenen Einwendungen am Erteilungsverfahren beteiligt hat, so dass die Patenterteilung sachlich der Entscheidung in einem zweiseitigen Einspruchsverfahren gleichsteht, dass ein Rechtsbestandsverfahren deshalb nicht durchgeführt worden ist, weil das Verfügungsschutzrecht allgemein als schutzfähig anerkannt wird (was sich durch das Vorhandensein namhafter Lizenznehmer oder dergleichen widerspiegelt), dass sich die Einwendungen gegen den Rechtsbestand des Verfügungsschutzrechts schon bei der dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren eigenen summarischen Prüfung als haltlos erweisen, oder dass (z. B. mit Rücksicht auf die Marktsituation oder die aus der Schutzrechtsverletzung drohenden Nachteile) außergewöhnliche Umstände gegeben sind, die es für den Antragsteller ausnahmsweise unzumutbar machen, den Ausgang des Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens abzuwarten (InstGE 12, 114, 121 – Harnkatheterset; GRUR-RS 2014, 04902 – Desogestrel). Die vom OLG Düsseldorf beschriebenen Fallgruppen sind zwar nicht abschließend, geben aber eine Orientierung dahingehend, welche Erwägungen bei der Entscheidung, ob vom Erfordernis eines durchgeführten kontradiktorischen Rechtsbestandsverfahrens abgesehen werden kann, berücksichtigt werden sollten und welches Gewicht diese Umstände haben müssen.
- Wenn danach eine positive erstinstanzliche Rechtsbestandsentscheidung ausnahmsweise entbehrlich sein sollte, muss der Verfügungskläger das Verletzungsgericht – im Sinne hinreichender Glaubhaftmachung – davon überzeugen, dass sich das Verfügungsschutzrecht als rechtsbeständig erweisen wird. Hierfür müssen aus der Sicht des Verletzungsgerichts entweder die besseren Argumente für die Patentfähigkeit sprechen, so dass sich diese positiv bejahen lässt, oder es muss (mit Rücksicht auf die im Rechtsbestandsverfahren geltende Beweislastverteilung) die Frage der Patentfähigkeit mindestens ungeklärt bleiben, so dass das Verletzungsgericht, wenn es anstelle des Patentamtes oder des Bundespatentgerichts in der Sache selbst zu befinden hätte, dessen Rechtsbestand bejaht hätte (OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2015 – I-2 U 35/15, Rn. 50 bei juris; GRUR-RS 2014, 04902 – Desogestrel).
- b)
Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Rechtsbestand des Verfügungspatents hinreichend gesichert. Es liegen Umstände vor, die es rechtfertigen, von dem Erfordernis einer kontradiktorischen Rechtsbestandsentscheidung ausnahmsweise abzusehen (dazu unter aa)). Das Verfügungspatent wird sich zudem zur Überzeugung der Kammer als rechtsbeständig erweisen (dazu unter bb)). - aa)
Vorliegend erlaubt es die Gesamtschau der Umstände, auf das Erfordernis einer erstinstanzlichen kontradiktorischen Rechtsbestandsentscheidung zu verzichten. Es handelt sich bei Einordnung in die Fallgruppen des OLG Düsseldorf um diejenige der außergewöhnlichen Umstände, die es für den Verfügungskläger ausnahmsweise unzumutbar machen, den Ausgang des Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens abzuwarten. - Solche außergewöhnlichen Umstände liegen bei einer Gesamtbetrachtung aufgrund folgender drei Faktoren vor: Dem qualifizierten Hinweis im gegen das Verfügungspatent anhängigen Nichtigkeitsverfahren, der gegen das DE-Patent in zweiter Instanz ergangenen Rechtsbestandsentscheidung und dem ebenfalls auf das Verfügungspatent gestützten, beigezogenen Hauptsacheverfahren.
- (1)
Als ein für die Entbehrlichkeit einer kontradiktorischen Rechtsbestandsentscheidung sprechender Umstand zu berücksichtigen ist der qualifizierte Hinweis des Bundespatentgerichts nach § 83 Abs. 1 PatG vom 23.04.2019 (Anlage AST6), wonach nach derzeitiger Auffassung des Senats von einer Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatentanspruchs 1 auszugehen sein dürfte. - Der qualifizierte Hinweis nimmt die vom Bundespatentgericht erst noch zu treffende Nichtigkeitsentscheidung nicht vorweg; er hat nur vorläufigen Charakter. Gleichwohl handelt es sich um eine gewichtige fachkundige Stellungnahme desjenigen Spruchkörpers, der unmittelbar mit dem Rechtsbestand des Verfügungspatents befasst ist und in erster Instanz über die Nichtigkeitsklage zu entscheiden hat. Durch den qualifizierten Hinweis soll das Bundespatentgericht die tatsächlichen Grundlagen der zu treffenden gerichtlichen Entscheidung, also seine vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage, frühzeitig offenlegen, damit sich die Parteien darauf einstellen und ihren weiteren Vortrag daran ausrichten können. Die Basis für den qualifizierten Hinweis bildet dabei der möglichst umfassend vorbereitete Prozessstoff (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.08.2017 – I-2 U 75/16). Die Gewichtigkeit eines qualifizierten Hinweises für die Beurteilung des hinreichend gesicherten Rechtsbestandes hängt – ebenso wie für die Frage der Aussetzung – davon ab, ob sich das Bundespatentgericht ausweislich seiner Ausführungen in dem Bescheid bereits eine (vorläufige) Rechtsauffassung gebildet hat oder ob nur Präferenzen für einen Argumentationsstandpunkt zum Ausdruck gebracht werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.08.2017 – I-2 U 75/16; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Auflage 2019, Abschnitt E Rn. 728).
- Vorliegend ist bei der Gewichtung der Bedeutung des Hinweises einerseits zu berücksichtigen, dass die gewählten Formulierungen („Nach derzeitiger Auffassung des Senats dürfte […]“) Einschränkungen im Hinblick auf die Deutlichkeit erkennen lassen, mit denen die vorläufige Rechtsauffassung mitgeteilt wird. Andererseits begründet das Bundespatentgericht seine Auffassung anhand der einzelnen Merkmale ausführlich und geht auf die schwerpunktmäßig eingeführten Entgegenhaltungen ein. Letzteres rechtfertigt es jedenfalls, den Hinweis als einen Faktor zu berücksichtigen, wenn es um die Feststellung der außergewöhnlichen Umstände im Sinne der oben dargestellten Fallgruppe geht.
- (2)
Darüber ist als ein weiterer Faktor zu berücksichtigen, dass das DE-Patent in einer eingeschränkten Fassung rechtskräftig aufrechterhalten worden ist. Zu parallelen Schutzrechten ergangene Entscheidungen in Rechtsbestandsverfahren sind bei der Beurteilung des hinreichend gesicherten Rechtsbestands grundsätzlich zu berücksichtigen, soweit sich die dortigen Ausführungen auf das Verfügungsschutzrecht übertragen lassen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.02.2016 – I-2 U 55/15). Ebenso wie die erstinstanzliche kontradiktorische Rechtsbestandsentscheidung zu dem Verfügungsschutzrecht als sachkundige bzw. wie eine sachkundige Beurteilung zu berücksichtigen ist, gilt dies auch für entsprechende Entscheidungen zu Parallelschutzrechten (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.06.2007 – I-2 U 134/06, medizinisches Instrument). - Zwar verbieten es die Abweichungen im Anspruchswortlaut des Patentanspruchs 1 des DE-Patents in seiner eingeschränkten Fassung von demjenigen des Verfügungspatentanspruchs 1, das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.04.2009 (Anlage K11 im beigezogenen Verfahren) zu dem DE-Patent wie eine in einem kontradiktorischen Verfahren zum Verfügungspatent selbst ergangene Entscheidung zu behandeln. Als ein Faktor, der im Zusammenspiel mit weiteren Faktoren das Absehen von einer solchen Entscheidung erlaubt, kann das Urteil gleichwohl in die Beurteilung einbezogen werden. Dies gilt insbesondere deshalb, weil sich der Bundesgerichtshof ausführlich mit denjenigen Entgegenhaltungen auseinander setzt, die auch Gegenstand des Nichtigkeitsverfahrens betreffend das Verfügungspatent sind.
- (3)
Schließlich spricht als ein dritter Faktor das parallel geführte, beigezogene Hauptsacheverfahren dafür, ein kontradiktorisches Rechtsbestandsverfahren für entbehrlich zu halten. - Grundsätzlich kann es für den Verzicht auf eine kontradiktorische Rechtsbestandsentscheidung sprechen, wenn ein einstweiliges Verfügungsverfahren wie ein Hauptsacheverfahren geführt wird (vgl. Urteil der Kammer vom 18.03.2008 – 4a O 4/08, Rn. 53 bei juris; LG Düsseldorf, InstGE 5, 231, 233 – Druckbogenstabilisierer; bestätigt durch OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.03.2006 – 5 U 55/05; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Auflage 2019, Abschnitt G Rn. 74). Einer der Gründe hierfür ist, dass der Verfügungsbeklagte in einem solchen Fall ausreichend Gelegenheit zur Recherche hatte (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Auflage 2019, Abschnitt G Rn. 74). Die für ein Eilverfahren typische Situation, dass der Verfügungsbeklagte in seinen Möglichkeiten beschränkt ist, die mangelnde Schutzfähigkeit eines Patents und die Erfolgsaussichten eines Nichtigkeitsverfahrens kurzfristig darzulegen oder dass das Gericht aufgrund der Eilbedürftigkeit gehindert ist, entgegengehaltenen Stand der Technik im Hinblick auf die Frage der Schutzfähigkeit eingehend zu würdigen, liegt in einem solchen Fall gerade nicht vor (vgl. Urteil der Kammer vom 18.03.2008 – 4a O 4/08, Rn. 53 bei juris).
- Vorliegend wird zwar das einstweilige Verfügungsverfahren selbst in zeitlicher Hinsicht nicht wie ein Hauptsacheverfahren geführt. Allerdings bestand in dem dasselbe Patent betreffenden beigezogenen Hauptsacheverfahren im Hinblick auf die dortige Aussetzungsdiskussion ausreichend Gelegenheit für die Parteien und die Kammer, den gegen das Verfügungs- bzw. dortige Klagepatent vorgebrachten Stand der Technik zu würdigen. Dass die Verfügungsbeklagte die dortige Würdigung für ausreichend erachtet, wird zudem daran deutlich, dass im hiesigen Verfahren konkrete Entgegenhaltungen nicht diskutiert wurden.
- bb)
Das Verfügungspatent wird sich zur Überzeugung der Kammer im Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen. Insbesondere beruht es gegenüber den dort vorgebrachten Entgegenhaltungen auf einer erfinderischen Tätigkeit. Wegen der Würdigung im Einzelnen wird auf das Urteil der Kammer vom heutigen Tage im beigezogenen Verfahren Bezug genommen. Die dortigen Erwägungen rechtfertigen nicht nur nach dem für die Aussetzungsfrage anzuwendenden Maßstab die Entscheidung gegen die Aussetzung. Darüber hinaus gelangt die Kammer auf der Basis der dortigen Erwägungen zu der Überzeugung, dass der Rechtsbestand in dem für den Erlass einer einstweiligen Verfügung notwendigen Maße gesichert ist. - 2.
Die Dringlichkeit im zeitlichen Sinne ist ebenfalls gegeben. Insbesondere ist der Verfügungsklägerin kein zögerliches Verhalten bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche vorzuwerfen. - a)
Für die Beurteilung der Dringlichkeit ist maßgeblich, ob sich der Verletzte bei der Verfolgung seiner Ansprüche in einer solchen Weise nachlässig und zögerlich verhalten hat, dass aus objektiver Sicht der Schluss geboten ist, dem Verletzten sei an einer zügigen Durchsetzung seiner Rechte nicht gelegen, weswegen es auch nicht angemessen ist, ihm die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes zu gestatten (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.01.2013 – I-2 U 87/12, Flupirtin-Maleat). Grundsätzlich beginnt die „Uhr“ für die Verfügungsklägerin mit der zuverlässigen Kenntnis von den rechtsverletzenden Ausführungsformen an „zu ticken“. Liegt ein solches Wissen vor, hat sich der Verfügungskläger unverzüglich darüber klar zu werden, ob er gegen den Verletzungstatbestand vorgehen will und im Anschluss daran alles Notwendige zu tun, um den Sachverhalt gegebenenfalls in einer solchen Weise aufzuklären und (durch Beschaffung von Glaubhaftmachungsmitteln) aufzubereiten, dass mit Aussicht auf Erfolg ein gerichtliches Verfahren angestrengt werden kann (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.07.2012 – I-2 U 12/12, BeckRS 2014, 01174). Der Verfügungskläger muss bei der Rechtsverfolgung keinerlei Prozessrisiko eingehen. Er muss das Gericht deshalb erst dann anrufen, wenn er verlässliche Kenntnis aller derjenigen Tatsachen hat, die eine Rechtsverfolgung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren erfolgversprechend machen, und wenn er die betreffenden Tatsachen in einer solchen Weise glaubhaft machen kann, dass sein Obsiegen sicher absehbar ist. Der Verfügungskläger darf sich dabei auf jede mögliche prozessuale Situation, die nach Lage der Umstände eintreten kann, vorbereiten, so dass er – wie immer sich der Verfügungsbeklagte auch einlassen und verteidigen mag – darauf eingerichtet ist, erfolgreich erwidern und die nötigen Glaubhaftmachungsmittel präsentieren zu können (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.01.2013 – I-2 U 87/12, Flupirtin-Maleat). - Der Dringlichkeit steht es nicht entgegen, dass der Schutzrechtsinhaber zunächst die erstinstanzliche Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung abwartet, wenn der Rechtsbestand streitig ist und ein vor der aufrechterhaltenden Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung eingereichtes Verfügungsbegehren mutmaßlich keine Erfolgsaussicht hat (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2016 – I-2 U 48/15; Beschluss vom 13.11.2008 – I-2 U 35/08, Inhalator).
- Grundsätzlich kann eine bereits entfallene Dringlichkeit wieder aufleben, wenn sich die für die Beurteilung des Verfügungsbegehren maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse ändern (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.11.2008 – I-2 U 35/08, Inhalator; OLG Frankfurt, Urteil vom 14.07.2005 – 16 U 23/05). Eine solche für die Beurteilung des Verfügungsgrundes maßgebliche Änderung der Tatsachengrundlage kann es darstellen, wenn sich das Patent erstmals in einem kontradiktorischen Verfahren als bestandskräftig erwiesen hat (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.11.2008 – I-2 U 35/08, Inhalator).
- b)
Daran gemessen ist der Verfügungsklägerin kein zögerliches Verhalten bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche vorzuwerfen. - aa)
Dass die Verfügungsklägerin vor der mündlichen Verhandlung im beigezogenen Verfahren am 25.04.2019 Kenntnis von der angegriffenen Ausführungsform hatte, ist nicht feststellbar. Die Verfügungsbeklagte trägt zwar vor, die angegriffene Ausführungsform werde seit Februar 2019 vertrieben. Dem durch den Screenshot der Website der Verfügungsbeklagten (Anlage AST11, Bl. 59 GA) untermauerten Vortrag der Verfügungsklägerin, dass der Vertrieb nicht über die Website der Verfügungsbeklagten unter der Domain G.de erfolgt, ist sie jedoch nicht entgegengetreten. Auch ergibt sich aus dem Vortrag der Verfügungsbeklagten nicht, wie der Vertrieb erfolgt ist und in welcher Weise die Verfügungsklägerin davon Kenntnis genommen haben soll. Vor dem Hintergrund, dass die Verfügungsklägerin in dem beigezogenen Verfahren die auf einer Messe präsentierte frühere Ausgestaltung einer Körperaufnahme angegriffen hat, erscheint eine Kenntnisnahme der Verfügungsklägerin zudem nicht naheliegend. Eine solche Kenntnis hätte nämlich vorausgesetzt, dass die Verfügungsklägerin nicht nur auf den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform aufmerksam geworden wäre, sondern auch festgestellt hätte, dass es sich um eine Abwandlung gegenüber der bereits angegriffenen Körperaufnahme handelt. - Die Verfügungsklägerin hat ihre fehlende Kenntnis auch durch die eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers vom 11.07.2019 (Anlage AST10, Bl. 58 GA) glaubhaft gemacht. Dieser durfte – und musste – sich darauf beschränken, die Erklärung bezogen auf seinen eigenen Kenntnisstand abzugeben. Anhaltspunkte dafür, dass im Unternehmen der Verfügungsklägerin jemand anders die entsprechende Kenntnis hatte und diese der Verfügungsklägerin zuzurechnen ist, sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar.
- Eine der Verfügungsklägerin vorwerfbare Verzögerung ist ferner nicht darin zu sehen, dass sie sich nach der mündlichen Verhandlung im beigezogenen Verfahren am 25.04.2019 zunächst darum bemüht hat, selbst ein Exemplar der angegriffenen Ausführungsform zu erhalten. Im beigezogenen Verfahren, in dem die Verfügungsbeklagte die angegriffene Ausführungsform vorgelegt hat, war diese nicht angegriffen. Die Verfügungsklägerin durfte sich deshalb dort darauf beschränken, die Relevanz für das dortige Verfahren zu bestreiten. Es konnte von ihr nicht erwartet werden, zugleich zu untersuchen, ob auch die abgewandelte Form ihrer Einschätzung nach unter das Verfügungspatent fällt und ob im Hinblick auf fehlende Kerngleichheit ein gesonderter Angriff notwendig ist. Abgesehen davon haben die anwaltlichen Vertreter der Verfügungsbeklagten der Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung zugesagt, dieser ein Exemplar der angegriffenen Ausführungsform zur Verfügung zu stellen. Dass sie diese Zusage erst am 06.05.2019 umgesetzt haben, kann nicht der Verfügungsklägerin zur Last gelegt werden.
- Dass die für die Verfügungsklägerin handelnden Personen sodann das Gespräch mit der ebenfalls gesprächsbereiten Verfügungsbeklagten suchten und nach dessen Scheitern die Verfügungsbeklagte wegen der hiesigen angegriffenen Ausführungsform abmahnten, ist der Verfügungsklägerin ebenfalls nicht als zögerliches Verhalten anzulasten. Abgesehen davon ist der Zeitraum zwischen dem 06.05.2019 und dem am 04.06.2019 bei Gericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Ergebnis ohnehin nicht zu beanstanden.
- bb)
Der Verfügungsklägerin ist auch nicht anzulasten, dass sie nicht bereits gegen die im beigezogenen Verfahren gemeinsam mit einem Fahrradanhänger angegriffene Körperaufnahme im Wege der einstweiligen Verfügung vorgegangen ist. - Dabei kann offen bleiben, ob ein solches, auf eine andere Ausführungsform bezogenes Verhalten überhaupt als Selbstwiderlegung im Hinblick auf die spätere Abwandlung in Betracht kommt. Jedenfalls war zum Zeitpunkt der Klageerhebung im beigezogenen Verfahren der Rechtsbestand des Verfügungspatents nicht in einem Maße gesichert, das ein risikoloses Vorgehen möglich gemacht hätte. Die Gefahr, dass der Rechtsbestand des Verfügungspatents aufgrund der nur zum DE-Patent vorliegenden Entscheidung vom Gericht nicht als ausreichend gesichert bewertet würde, musste die Verfügungsklägerin nach den obigen Grundsätzen nicht eingehen.
- Ein in dem nunmehr vorliegenden Maße gesicherter Rechtsbestand liegt erst seit dem qualifizierten Hinweis des Bundespatentgerichts im Nichtigkeitsverfahren gegen das Verfügungspatent vor. Dieser datiert indes erst vom 23.04.2019, somit zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung im beigezogenen Verfahren. Zu diesem Zeitpunkt noch im Wege der einstweiligen Verfügung gegen die im beigezogenen Verfahren angegriffene Ausführungsform vorzugehen, hätte erkennbar nicht zum schnelleren Erhalt eines Titels geführt.
- 3.
Schließlich überwiegen bei einer Abwägung die der Verfügungsklägerin drohenden Nachteile die Interessen der Verfügungsbeklagten. Dieses durch die festgestellte Patentverletzung bei gesichertem Rechtsbestand und gegebener Dringlichkeit bereits indizierte Ergebnis wird durch die überschaubare Restlaufzeit des Verfügungspatents von ca. vier Jahren weiter unterstrichen. Auch die Tatsache, dass die Verfügungsklägerin wegen einer weitgehend identischen Körperaufnahme bereits ein Hauptsacheverfahren gegen die Verfügungsbeklagte führt, der darin erlangte Titel aber durch die Abwandlung in die hiesige angegriffene Ausführungsform umgangen werden könnte, bestätigt das Überwiegen der Interessen der Verfügungsklägerin (vgl. auch Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Auflage 2019, Abschnitt H Rn. 160). - III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. - Die Anordnung der Sicherheitsleistung beruht auf §§ 936, 921 S. 2 ZPO. Sie ist sinnvoll und geboten, weil damit gewährleistet wird, dass der Unterlassungsanspruch nicht unter geringeren Bedingungen vollstreckbar ist, als er es bei einem entsprechenden erstinstanzlichen Hauptsacheurteil wäre (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.02.2016 – I-2 U 55/15). Da keine Anhaltspunkte für einen darüber hinausgehenden Schaden der Verfügungsbeklagten durch Vollziehung der einstweiligen Verfügung vorgetragen oder sonst ersichtlich sind, hat die Kammer die Sicherheitsleistung in Höhe des Streitwerts festgesetzt.
- IV.
Der Streitwert wird auf € 300.000,00 festgesetzt.