4b O 6/19 – Prozesskostensicherheit

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2910

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 04. Juni 2019, Az. 4b O 6/19

  1. Der Antrag der Beklagten auf Leistung von Prozesskostensicherheit durch die Klägerin wird zurückgewiesen.
  2. Tatbestand
  3. Die Klägerin nimmt die Beklagten aus dem auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patent 1 173 XXX (Klagepatent B) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
  4. In dem hier zur Entscheidung stehenden Zwischenstreit ist zunächst nur über die Verpflichtung der Klägerin zur Leistung einer Prozesskostensicherheit gemäß § 110 ZPO zu befinden, nachdem die Beklagten mit Schriftsatz vom 18. Juli 2018 und 18. Februar 2019 einen entsprechenden Antrag gestellt haben.
  5. Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft mit beschränkter Haftung luxemburgischen Rechts mit Sitz in Luxemburg. Sie wurde im Jahre 2011 gegründet und änderte am 20. Juli 2017 ihren Namen von A zu ihrem gegenwärtigen Namen. Ihr Festkapital beträgt knapp über $ 3.500.000,00. Sie ist Teil der B-Unternehmensgruppe, die über eine Mehrzahl von Patent-Portfolios zu unterschiedlichen Technologien hält. Die Klägerin bezeichnet sich als Inhaberin des streitgegenständlichen Portfolios, das neben dem Klagepatent ca. 900 Patente und Patentanmeldungen umfasst.
  6. Die Klägerin ist Partei eines Vertrages, der ihr unter der Adresse ihres satzungsmäßigen Sitzes die Nutzung von Büro-Räumlichkeiten erlaubt.
  7. So heißt es dort unter anderem:
  8. „[…]
    The services included in the rental agreement are:
  9. (i) The use of premises comprising a furnished office at XX.
    (ii) Access to the usual facilities including a meeting room, kitchen, WC, etc.:
    The board meeting room is at your disposal for 40 hours / per year which is included in the services. An extra fee will be involved separately once these 40 hours has been used.
    Meeting Room occupation must be reserved with the Supplier.
    (iii) Photocopying services is available with a defined quota: B&W 1000 pages & 500 Colour pages. […]”
  10. In dem Gebäude, dessen Adresse die Klägerin als Sitz anführt, sind verschiedene Büro- und Unternehmenseinheiten und das Hotel C Luxemburg untergebracht. Das Gebäude verfügt insoweit über verschiedene Eingänge unter der gleichen Hausnummer.
  11. Die Klägerin wird derzeit von drei Geschäftsführern (Managern), einen mit dem Rang A und zwei mit dem Rang B geführt. Nach dem Gesellschaftssatzung ist keiner der Manager alleinvertretungsberechtigt, die Manager des Rangs B müssen zwingend im Großherzogtum Luxemburg ihren Aufenthalt haben und alle Entscheidungen der Geschäftsführung müssen in Meetings erfolgen, die im Großherzogtum Luxemburg abzuhalten sind.
  12. Insoweit heißt es in dem Auszug der zur Akte gereichten Gesellschaftssatzung (Statuts Coordonnes):
  13. „[…] Art. 3 Managers´ general authority and power to bind the company
    […]
    (2) If two or more managers are appointed they shall together constitute a board of managers, which board shall consist of one or more managers A and/or one or more managers B. Managers B must be resident in the Grand Duchy of Luxembourg.
  14. (3) The board of managers (or if the company only has one manager, the sole manager) represents and binds the company towards third parties. A manager A acting jointly with a manager B may also represent and bind the company.
    […]
    Art. 6 Managers to take decisions at a meeting only.
    Managers can only take decisions at a duly convened meeting to be held in the Grand Duchy of Luxembourg.
    […]”
  15. Die Beklagte ist der Auffassung, es sei allein auf den tatsächlichen Verwaltungssitz der Klägerin abzustellen und dieser läge vorliegend in den USA. Die Klägerin unterhalte an ihrem angegebenen Registersitz keinerlei Büro- und Geschäftsräume. Ihr Geschäftsführer D halte sich dauerhaft in den USA auf, wo er lebe und arbeite. Der Tätigkeitsort der Geschäftsführung läge daher nicht Luxemburg.
  16. Die Beklagte beantragt,
    der Klägerin aufzugeben, ihr innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist wegen der Prozesskosten Sicherheit zu leisten.
  17. Die Klägerin beantragt,
    den Antrag der Beklagten auf Leistung einer Prozesskostensicherheit zurückzuweisen.
  18. Die Klägerin ist der Auffassung, sofern sie an ihrem satzungsmäßigen Sitz – an dem sie Büroräume unterhalte – neben der Möglichkeit einer Zustellung auch nachweisen könne, dass dort signifikante Vermögenswerte der Gesellschaft lägen, sei irrelevant ob ein Verwaltungssitz am gleichen Ort, einem anderen Ort in der EU oder außerhalb der EU liege. So liege der Fall hier. Im Übrigen sei der tatsächliche Verwaltungssitz vorliegend ebenfalls Luxemburg.
  19. Ergänzend wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
  20. Entscheidungsgründe
  21. Der zulässige, insbesondere rechtzeitig im Sinne von § 282 Abs. 3 ZPO gestellte Antrag der Beklagten auf Leistung einer Prozesskostensicherheit durch die Klägerin ist unbegründet, da die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO nicht gegeben sind.
  22. I.
    Nach § 110 Abs. 1 ZPO müssen Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, und für die keine der Ausnahmen des § 110 Abs. 2 ZPO eingreift, auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit leisten. Sinn und Zweck dieser Prozesskostensicherheit ist es, den obsiegenden Beklagten vor Schwierigkeiten bei der Durchsetzung seines Kostenerstattungsanspruchs zu bewahren, die typischerweise bei einer Vollstreckung außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraum und damit außerhalb der Anwendungsbereiche der EuGVVO bzw. des Luganer Übereinkommens auftreten (vgl. OLG Düsseldorf (15. Senat), BeckRS 2017, 113388; BGH GRUR 2016, 1204 – Prozesskostensicherheit m. w. Nachw.; OLG Düsseldorf (2. Senat), BeckRS 2015, 06771).
  23. Bei einer juristischen Person wie der Klägerin richtet sich die Verpflichtung zur Leistung von Prozesskostensicherheit danach, wo sich der Sitz des Unternehmens im Sinne des § 17 ZPO befindet. Es ist umstritten, ob es sich hierbei um den satzungsmäßigen Sitz der juristischen Person (OLG Schleswig BeckRS 2013, 02591) oder den tatsächlichen Verwaltungssitz handelt (OLG München, BeckRS 2018, 21416; OLG Düsseldorf (2. Senat), GRUR-RS 2016, 9830; OLG Karlsruhe NJW-RR 2008, 944). Offen bleiben kann die Frage dann, wenn die Klägerin sowohl ihren satzungsmäßigen Sitz als auch ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union hat (vgl. BGH GRUR 2016, 1204 – Prozesskostensicherheit; OLG Düsseldorf (15. Senat), BeckRS 2017, 113388). Maßgeblich dafür, wo eine Gesellschaft ihren Verwaltungssitz hat, ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung oder der sonst dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (vgl. BGH, GRUR 2016, 1204 – Prozesskostensicherheit; OLG München, BeckRS 2018, 21416; OLG Düsseldorf (15. Senat), BeckRS 2017, 113388; OLG Düsseldorf (2. Senat), BeckRS 2015, 06771). Wird hierbei die Geschäftsführung von mehreren Geschäftsführern an unterschiedlichen Orten wahrgenommen, kommt es nicht darauf an, in welchem Verhältnis diese zueinander stehen, solange sich sämtliche Tätigkeitsorte der Geschäftsführer in der Europäischen Union oder innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums befinden (BGH GRUR 2016, 1204 – Prozesskostensicherheit). Wenn sich der Tätigkeitsort eines der zwei Geschäftsführer nicht in der Europäischen Union oder innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums befindet, kommt es nach dem OLG München darauf an, in welchem Verhältnis beide Geschäftsführer mit Blick auf die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung und deren Umsetzung zueinander stehen (vgl. OLG München, BeckRS 2018, 21416). Darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO sind die Beklagten (OLG Düsseldorf (15. Senat), BeckRS 2017, 113388 m.w.N.). An die Vortragslast der Beklagten dürfen allerdings keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Sie haben keine eigenen Kenntnisse über die interne Organisationsstruktur der Klägerin und können diese auch nicht von sich aus ermitteln. Es genügt deshalb, dass die Beklagten plausible Anhaltspunkte aufzeigen, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin ihren tatsächlichen Verwaltungssitz nicht in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum hat. Gelingt dies, trifft die Klägerin eine sekundäre Darlegungslast, welche jedoch weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Erklärungslast (§ 138 Abs. 1, 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung führt, den Beklagten alle für ihren Prozesserfolg benötigten Information zu verschaffen. Es wird „nur“ im Rahmen des Zumutbaren das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsachen unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt. Kommt die nicht beweisbelastete Partei ihrer sekundären Darlegungslast nach, indem sie das Vorbringen der (primär) darlegungs- und beweisbelasten Partei substantiiert bestreitet, kommen die „normalen“ Regeln erneut zum Tragen. Der beweisbelasteten Partei obliegt der Beweis. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO kann im Freibeweisverfahren festgestellt werden (OLG Düsseldorf, (15. Senat), BeckRS 2017, 113388 m.w.N.).
  24. 2.
    Nach den obigen Grundsätzen kann eine Entscheidung der Streitfrage offen bleiben, da die Klägerin sowohl ihren satzungsmäßigen Sitz als auch ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union hat.
  25. a)
    Der satzungsmäßige Sitz der Klägerin ist ausweislich des Auszugs aus dem Registre de Commerce et des Sociétés (Anlage EIP 2) in Luxemburg und ihr Festkapital beläuft sich auf über € 3.500.000,00. Unstreitig können an der Adresse XX Zustellungen vorgenommen werden.
  26. b)
    Die Kammer kann weiter feststellen, dass sich auch der tatsächliche Verwaltungssitz dort befindet.
  27. Auf den Einwand der Beklagten, es handele sich bei streitgegenständlichen Adresse lediglich um ein Hotel, hat die Klägerin – ihrer sekundären Darlegungslast entsprechend – substantiiert dargetan, dass sich unter der Adresse eine Gebäudeeinheit mit verschiedenen Eingängen befindet, die unterschiedlich genutzt wird. Neben dem Hotel unterhält das Gebäude auch Büroräume und ein Business-Center. Ausweislich des vorgelegten Mietvertrages hat die Klägerin dort einen Büroraum angemietet und kann weitere Räumlichkeiten wie einen Besprechungsraum sowie einen weiteren „Board-Meeting-Raum“ für 40 Stunden im Jahr nutzen. Ebenfalls steht ihr ein Fotokopier-Service mit einem bestimmten Kontingent zur Verfügung. Dieser Vortrag ist seitens der Beklagten unwidersprochen geblieben.
  28. Die Klägerin hat weiter dargetan, dass die Geschäftsführungsorgane relevante Tätigkeiten für das Unternehmen in diesen Räumlichkeiten ausüben. Dagegen spricht nicht bereits der Umstand, dass der Geschäftsführer des Rangs A, D, seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in den USA hat. Denn vorliegend ist nach der Satzung der Klägerin eine gemeinsame Geschäftsführung angeordnet, wobei Entscheidungen der Geschäftsführung in Sitzungen erfolgen müssen, die in Luxemburg abzuhalten sind. Wenn mehr als zwei Geschäftsführer/Manager berufen sind, sollen diese ein Board besetzen, das aus einem oder mehreren Managern des Rangs A und/oder einem oder mehreren Managern des Rangs B bestehen soll (vgl. Art. 3 Abs. 2 S. 1, Statuts Coordonnes). Die Manager des Rangs B müssen ihren Aufenthaltsort in Luxemburg haben (vgl. Art. 3 Abs. 2 S. 2 Statuts Coordonnes). Die Klägerin hat insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass beide Manager des Rangs B, E und F, dauerhaft in Luxemburg arbeiten und leben. Ferner hat die Klägerin unter Vorlage eines exemplarischen Sitzungsprotokolls dargelegt, dass die Board Meetings in Luxemburg am Sitz der Klägerin („held at the registered office“, Anlage EIP 8) abgehalten werden. Insoweit führte Herr E den Vorsitz und F hatte die Protokollführung inne. Als Anwesende (persönlich oder via elektronischen Hilfsmitteln zugeschaltet) ist neben den beiden auch D genannt. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass alle Anwesenden der Telefonkonferenz nur per Mobilgerät zugeschaltet und nicht physisch in Luxemburg dem Meeting beigewohnt haben. Dies bereits deshalb, weil dann der Zusatz „physically“ im Protokoll überflüssig wäre. Mangels anderer Anhaltspunkte ist auch nicht davon auszugehen, dass es sich bei dem im vorgelegten Protokoll wiedergegebenen Ablauf des Board-Meetings nicht um eine übliche Vorgehensweise handelt. In diesen Sitzungen werden nach der Satzung die für die Klägerin wesentlichen Entscheidungen getroffen, zumal keiner der Manager ausweislich Art. 3 Abs. 3 des Statuts Coordonnes alleinvertretungsberechtigt ist. Ferner hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass E als einer der ständig in Luxemburg arbeitenden Manager, Aufgaben aus dem Kerngeschäft der Klägerin wahrnimmt, wie z.B. Änderungen von Patentanmeldungen und die Bevollmächtigung von Anwälten. Die grundlegenden Entscheidungen der Geschäftsführung und ihre Umsetzung finden daher in Luxemburg statt.
  29. Indem die Klägerin ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen ist und die Beklagten diesen Vortrag nicht widerlegt haben, liegen alle entscheidenden Anknüpfungspunkte für den tatsächlichen Verwaltungssitz innerhalb der Europäischen Union vor.
  30. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

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