Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2883
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 25. April 2019, Az. 4a O 52/18
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,
- Einrichtungen zum Schutz von Fahrgästen auf einem Sessel einer Seilbahnanlage, mit einem schwenkbaren Bügel mit einem Quersteg und wenigstens einer Fußstütze,
- anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
- wobei am Quersteg wenigstens ein, einem Sitzplatz zugeordneter und den Abstand zwischen dem Quersteg und der Sitzfläche verringernder Schutzbügel angeordnet ist,
- 2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 12.02.2009 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der Einkaufspreise,
- b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer und Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und
-preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger, - d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei zum Nachweis der Angaben zu lit. a) und b) – mit Ausnahme der Lieferzeiten – die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- wobei die Angaben zu den Lieferzeiten und die in lit. c), lit. d) und lit. e) aufgeführten Angaben nur für Handlungen ab dem 12.03.2009 zu machen sind;
- wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
- 3. an die Klägerin € 5.871,70 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.08.2017 zu zahlen.
- II. Es wird festgestellt,
- 1. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der A durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 12.03.2009 bis zum 21.10.2009 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;
- 2. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 22.10.2009 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 400.000,00. Daneben ist der Anspruch auf Unterlassung (Ziffer I. 1. des Tenors) gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 300.000,00. Der Anspruch auf Rechnungslegung (Ziffer I. 2. des Tenors) ist gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 50.000,00. Der Anspruch auf Zahlung (Ziffer I. 3. des Tenors) und die Kostenentscheidung sind jeweils gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Patents DE 100 51 XXX B4 (Anlage C rop 1, nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Rechnungslegung, Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht sowie Zahlung vorgerichtlicher Rechts- und Patentanwaltskosten in Anspruch.
- Das Klagepatent wurde am 16.10.2000 unter Inanspruchnahme zweier Prioritäten vom 04.11.1999 und vom 03.10.2000 angemeldet. Die Anmeldung des Klagepatents wurde am 23.05.2001 veröffentlicht. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 12.02.2009 bekanntgemacht.
- Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents.
- Anmelderin und ursprüngliche Inhaberin des Klagepatents war die B. Diese Gesellschaft wurde als übertragende Gesellschaft mit der D als übernehmender Gesellschaft verschmolzen. Letztere wurde wiederum in die A eingebracht.
- Die A übertrug mit Vertrag vom 22.10.2009 und Wirkung zum selben Tag das Klagepatent an die Klägerin und trat sämtliche Ansprüche wegen Verletzung des Klagepatents an diese ab (Anlage C rop 5).
- Das Klagepatent steht in Kraft. Die Beklagte hat eine das Klagepatent betreffende Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
- Das Klagepatent betrifft eine Einrichtung zum Schutz von Fahrgästen auf einem Sessel einer Seilbahnanlage.
- Der geltend gemachte Anspruch 1 lautet:
- „Einrichtung zum Schutz von Fahrgästen auf einem Sessel einer Seilbahnanlage, mit einem schwenkbaren Bügel mit einem Quersteg und wenigstens einer Fußstütze, dadurch gekennzeichnet, dass am Quersteg (8) wenigstens ein, einem Sitzplatz zugeordneter und den Abstand zwischen dem Quersteg (8) und der Sitzfläche (1) verringernder Schutzbügel (12) angeordnet ist.“
- Hinsichtlich des nur in Form eines „insbesondere“-Antrags geltend gemachten Unteranspruchs 8 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
- Nachfolgend wird in verkleinerter Darstellung Fig. 1 des Klagepatents wiedergegeben. Diese zeigt einen sechssitzigen Sessel einer Seilbahnanlage in Vorderansicht.
- Die Beklagte bietet auf ihrer Website unter der Bezeichnung „E“ Sessel für Sessellifte in der Bundesrepublik Deutschland an, die von ihr auch hergestellt werden (angegriffene Ausführungsform).
- Nachfolgend wird eine Abbildung der angegriffenen Ausführungsform eingeblendet, die die Klägerin dem Internetauftritt der Beklagten (vgl. Anlage C rop 7) entnommen und mit Anmerkungen versehen hat (Seite 34 der Klage, Bl. 36 GA):
Mit Schreiben vom 10.04.2017 (Anlage C rop 8) mahnte die Klägerin die Beklagte wegen der Verletzung des Klagepatents und weiterer Schutzrechte ab und forderte sie zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf, was die Beklagte mit Schreiben vom 19.05.2017 (Anlage C rop 9) zurückwies. - Die Klägerin trägt vor, das angerufene Gericht sei auch für die Entscheidung über den Entschädigungsanspruch international und örtlich zuständig. Dieser könne am Gerichtsstand der unerlaubten Handlung geltend gemacht werden. Der Entschädigungsanspruch sei auch begründet. Eine Verletzungshandlung nach Patenterteilung rechtfertige eine Verurteilung für den Offenlegungszeitraum.
- Die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Anspruchs 1 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Sie verfüge insbesondere über einen am Quersteg angeordneten, einem Sitzplatz zugeordneten und den Abstand zwischen dem Quersteg und der Sitzfläche verringernden Schutzbügel. Dem Klagepatent lasse sich nicht entnehmen, dass ein Fußstützentragbügel bzw. eine lotrechte Stange – beides erfordere der Patentanspruch gerade nicht – kein Schutzbügel in diesem Sinne sein könne.
- Eine Aussetzung des Rechtsstreits sei nicht geboten, da sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen werde.
- Die Klägerin beantragt,
- I. die Beklagte zu verurteilen,
- 1. wie erkannt;
- 2. ihr unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 23.06.2001 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der Menge der erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der Einkaufspreise,
- b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer und der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
- d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei zum Nachweis der Angaben zu lit. a) und b) – mit Ausnahme der Lieferzeiten – die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- wobei die Angaben zu lit. e) nur für die Zeit seit dem 12.03.2009 zu machen sind,
- wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
- 3. an sie € 8.151,25 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen;
- II. festzustellen,
- 1. dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin für die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 23.06.2001 bis zum 11.03.2009 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
- 2. wie erkannt (Tenor zu II. 1);
- 3. wie erkannt (Tenor zu II. 2).
- Hinsichtlich des nur in Form eines „insbesondere“-Antrags geltend gemachten Unteranspruchs 8 wird auf die Klageschrift verwiesen.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- hilfsweise,
- den das Klagepatent DE 100 51 XXX B4 betreffenden Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren auszusetzen;
- weiter hilfsweise,
- ihr zu gestatten, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) auszusetzen.
- Die Beklagte trägt vor, das angerufene Gericht sei für eine Entscheidung über den Entschädigungsanspruch nicht zuständig. Dieser könne nicht am Gerichtsstand der unerlaubten Handlung eingeklagt werden. Ferner fehle es an Vortrag der Klägerin zu einer Benutzungshandlung im Offenlegungszeitraum.
- Das Klagepatent werde von der angegriffenen Ausführungsform nicht verletzt, da diese nicht über einen anspruchsgemäßen Schutzbügel verfüge. Nach der Lehre des Klagepatents handele es sich bei dem Schutzbügel und der lotrechten Stange um zwei räumlich-körperliche definierte, voneinander zu unterscheidende Bauteile mit unterschiedlicher Funktion. So differenziere das Klagepatent beispielsweise in Absatz [0012] ausdrücklich zwischen dem Schutzbügel und der lotrechten Stange. Nur der Schutzbügel verringere anspruchsgemäß den Abstand zwischen Querstange und Sitzfläche. Die lotrechte Stange verlaufe dagegen vor dem Sitz und verringere allenfalls den Abstand zur Sitzvorderkante, worauf es jedoch nicht ankomme. Die lotrechte Stange könne sich nur dann zwischen den Beinen des Fahrgastes befinden, wenn dieser sich mittig hinter jene Stangen setzen würde. Dass sich ein Fahrgast so verhalten würde, streite die Klägerin im Rahmen der Rechtsbestandsdiskussion jedoch selbst ab. Auch dass die Sichtweise der Klägerin dazu führe, dass die Unteransprüche 2 und 6 nie verwirklicht sein könnten, bestätige diese Auslegung.
- Ersatz der Abmahnkosten könne die Klägerin nicht verlangen. Dies ergebe sich daraus, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Abmahnung am 10.04.2017 insoweit nicht Rechtsinhaberin gewesen sei als sie Entschädigungs- und Folgeansprüche für den Zeitraum vor Februar 2009 geltend gemacht habe.
- Jedenfalls sei der Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO auszusetzen, da sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen werde. Die Lehre des Klagepatents werde durch mehrere Entgegenhaltungen und offenkundige Vorbenutzungen neuheitsschädlich vorweggenommen. Daneben habe sie aufgezeigt, dass der Fachmann ohne erfinderische Tätigkeit zu der Lehre des Klagepatents gelangt wäre.Die Klage ist der Beklagten am 07.08.2017 zugestellt worden.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.03.2019 Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Die Klage ist teilweise unzulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie überwiegend begründet.
- A.
Soweit die Klägerin Feststellung der Entschädigungspflicht im Offenlegungszeitraum begehrt (Antrag zu II. 1.), ist die Klage unzulässig. Es fehlt insoweit sowohl an der internationalen als auch an der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. - Nach der angesichts der in Frankreich ansässigen Beklagten allein in Betracht kommenden Vorschrift des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO ist die Zuständigkeit nicht begründet. Danach kann eine Person vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Eine unerlaubte oder einer solchen gleichgestellte Handlung in diesem Sinne hat die Klägerin indes nicht einmal schlüssig vorgetragen, so dass die Klage bereits unzulässig ist (vgl. Patzina, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2XXX, § 32 Rn. 39).
- Unabhängig davon, ob eine Benutzungshandlung im Offenlegungszeitraum grundsätzlich dem Art. 7 Nr. 2 EuGVVO unterfällt, ist eine solche vorliegend nicht ersichtlich. Die Klägerin hat eine Benutzungshandlung der Beklagten vor Patenterteilung nicht behauptet. Benutzungshandlungen nach Patenterteilung reichen für die Begründung des Entschädigungsanspruchs nicht aus (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Auflage 2019, Abschnitt D Rn. 410) und scheiden damit auch als Anknüpfungspunkt für Art. 7 Nr. 2 EuGVVO aus.
- B.
Die im Übrigen zulässige Klage ist überwiegend begründet. - Die Klägerin ist für die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche aktivlegitimiert (dazu unter I.). Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die Lehre des Klagepatents (dazu unter II.). Die Klägerin hat daher, allerdings nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang, die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Erstattung außergerichtlicher Patent- und Rechtsanwaltskosten sowie Schadensersatz dem Grunde nach aus §§ 139 Abs. 1 und 2, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB (dazu unter III). Eine Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf die anhängige Nichtigkeitsklage ist nicht veranlasst (dazu unter IV.).
- I.
Die Klägerin ist, was die Beklagte auch nicht in Abrede stellt, für die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche aktivlegitimiert. - Mit Ausnahme des vor dem 22.10.2009 entstandenen Schadensersatzanspruchs sowie des diesen vorbereitenden Rechnungslegungsanspruchs folgt die Aktivlegitimation der Klägerin daraus, dass sie die im Register eingetragene Inhaberin des Klagepatents ist. Die A als Rechtsnachfolgerin der D, die wiederum Rechtsnachfolgerin der Anmelderin und ursprünglichen Patentinhaberin B ist, hat der Klägerin das Klagepatent mit Wirkung zum 22.10.2009 übertragen.
- Im Übrigen ist die Klägerin aus abgetretenem Recht der A aktivlegitimiert, die ihr alle Ansprüche aus Verletzungen und Benutzungen des Klagepatents abgetreten hat.
- II.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. - 1.
Das Klagepatent (nachfolgend genannte Absätze ohne Quellenangabe sind solche des Klagepatents) betrifft eine Einrichtung zum Schutz von Fahrgästen auf einem Sessel einer Seilbahnanlage. - Nach den einleitenden Bemerkungen des Klagepatents sind bei solchen Einrichtungen üblicherweise die schwenkbaren Bügel beim Einsteigen in einer hochgeklappten Stellung durch eine Feder gehalten. Sobald sich die Fahrgäste an der Einstiegstelle der Seilbahnanlage auf den Sessel gesetzt haben, können die Bügel hinuntergezogen werden, so dass jeder Fahrgast seine Füße, allenfalls mit auf den Schuhen befestigten Skiern, auf der Fußstütze abstützen kann. Der Quersteg bietet dem Fahrgast eine Abstützmöglichkeit und schützt ihn vor einem Abrutschen vom Sessel. Eine gattungsmäßige Vorrichtung ist, so das Klagepatent, beispielsweise aus der DE 9405XXX U1 bekannt.
- Um dem Fahrgast eine bequeme Haltung mit abgewinkelten Beinen während der Fahrt zu sichern, ist ein bestimmter Abstand zwischen Fußstütze und Sitzfläche erforderlich. Da manche Fahrgäste groß sind und längere Beine haben als andere Fahrgäste, wird angestrebt, einen entsprechend großen Abstand zu wählen, der allen Fahrgästen eine mehr oder weniger bequeme Sitzhaltung bietet. Dadurch besteht aber ein Risiko für Kinder, die ihre Füße an der Fußstütze nicht abstützen können und der Gefahr ausgesetzt sind, unter dem Quersteg durchzurutschen und vom Sessel herunterzufallen (Absatz [0002]).
- Davon ausgehend benennt es das Klagepatent als Aufgabe, dieser Gefahr zu begegnen und eine verbesserte Einrichtung der angeführten Art vorzusehen, die auch für Kinder eine erhöhte Sicherheit bietet (Absatz [0003]).
- 2.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent eine Einrichtung zum Schutz von Fahrgästen auf einem Sessel einer Seilbahnanlage mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 vor, der nachstehend in gegliederter Form wiedergegeben wird: - 1. Einrichtung zum Schutz von Fahrgästen auf einem Sessel einer Seilbahnanlage,
- 2. mit einem schwenkbaren Bügel
- 2.1 mit einem Quersteg und
- 2.2 mit wenigstens einer Fußstütze,
- 3. wobei am Quersteg (8) wenigstens ein, einem Sitzplatz zugeordneter und den Abstand zwischen dem Quersteg (8) und der Sitzfläche (1) verringernder Schutzbügel (12) angeordnet ist.
- 3.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht Merkmal 3 des Klagepatentanspruchs 1. Die Verwirklichung der übrigen Merkmale ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, so dass es dazu keiner Ausführungen bedarf. - a)
Nach Merkmal 3 ist am Quersteg wenigstens ein, einem Sitzplatz zugeordneter und den Abstand zwischen dem Quersteg und der Sitzfläche verringernder Schutzbügel angeordnet. - Der Schutzbügel hat den Zweck, ein auf dem Sitz sitzendes Kind oder eine kleine Person gegen ein Abrutschen vom Sitz unterhalb des Querstegs des Bügels zu sichern (Absatz [0015]).
- Zur Erfüllung dieser Funktion muss der Schutzbügel nach dem Patentanspruch so ausgestaltet sein, dass er den Abstand zwischen dem Quersteg und der Sitzfläche verringert. Auf diese Weise verengt er den Spalt zwischen Quersteg und Sitzfläche so, dass ein Kind durch diesen Spalt nicht mehr durchrutschen und vom Sitz herunterfallen kann (Absatz [0004]).
- Durch welche Ausgestaltung der Schutzbügel den Abstand zwischen Quersteg und Sitzfläche verringert, gibt der Patentanspruch nicht vor. In dem Ausführungsbeispiel des Klagepatents ragt der Schutzbügel abwärts, zwischen die Beine einer normal großen Person (vgl. Absatz [0015]), reicht jedoch nicht bis zu dem Boden des Sessels oder zu der Fußstütze. Auf eine solche Ausgestaltung ist der Patentanspruch jedoch nicht beschränkt. Dieser lässt es vielmehr offen, wie die anspruchsgemäße Verringerung des Abstands zwischen Quersteg und Sitzfläche erzielt wird.
- Was das Klagepatent unter einer Verringerung des Abstands zwischen Quersteg und Schutzbügel versteht, definiert es nicht ausdrücklich. Der Fachmann erkennt indes, dass es dem Klagepatent nicht im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs darum geht, dass Quersteg und Sitzfläche näher zusammenrücken. Vielmehr versteht das Klagepatent unter einer Verringerung des Abstands, dass durch ein zusätzliches Bauteil diejenige freie Fläche zwischen Quersteg und Sitzfläche reduziert wird, durch die eine Person hindurchrutschen kann. Wie diese Reduzierung erfolgt, gibt das Klagepatent nicht vor. Insbesondere wird nicht vorausgesetzt, dass zwischen dem unteren Ende des zusätzlichen Bauteils und der Sitzfläche noch ein bestimmter Abstand verbleibt.
- Dass eine Verbindung zwischen Schutzbügel und Fußstütze nicht bestehen darf, lässt sich dem Patentanspruch ebenfalls nicht entnehmen. Zwar sind im Ausführungsbeispiel des Klagepatents die Fußstützen an insgesamt drei lotrechten Stangen angeordnet, die jeweils zwischen zwei Fahrgästen positioniert sind (vgl. Absatz [0012]). Der Patentanspruch fordert in Merkmal 2.2 aber lediglich das Vorhandensein wenigstens einer Fußstütze. Dass diese an einer lotrechten Stange angeordnet ist, ist nach dem Anspruch ebenso wenig erforderlich wie das Vorhandensein der lotrechten Stange überhaupt. Dementsprechend ist es nicht ausgeschlossen, dass die Fußstütze nicht an einer lotrechten Stange angeordnet ist, sondern an dem Schutzbügel. Sieht man in einem solchen Fall den Schutzbügel als lotrechte Stange an, ist es gleichfalls nicht ausgeschlossen, dass die – anspruchsgemäß nicht vorgesehene – lotrechte Stange und der Schutzbügel in einem Bauteil zusammenfallen.
- Dass bei einem solchen Zusammenfallen von Schutzbügel und lotrechter Stange in einem Bauteil der Schutzbügel nicht im Sinne des Unteranspruchs 6 in der verschwenkten Lage auf den Beinen des Fahrgasts frei aufliegt, ändert an der vorgenommenen Auslegung nichts. Unteransprüche gestalten die im Hauptanspruch gestellte Lehre weiter aus, engen den Hauptanspruch aber nicht ein (vgl. BGH, GRUR 2XXX, 1031, 1033 – Wärmetauscher).Der Schutzbügel ist nach Merkmal 3 einem Sitzplatz zugeordnet. Wenigstens ein Schutzbügel muss deshalb für einen bestimmten Sitzplatz vorgesehen sein. Sofern der Schutzbügel die Ausgestaltung einer lotrechten Stange aufweist, muss diese daher – anders als die lotrechte Stange mit der Bezugsziffer 9 im Ausführungsbeispiel des Klagepatents – einem einzelnen Sitzplatz zugeordnet sein.
- b)
Diese Auslegung zugrunde gelegt, verwirklicht die angegriffene Ausführungsform das Merkmal 3. Bei den in der Abbildung der Klägerin auf Seite 34 der Klageschrift (Bl. 36 GA) als „Schutzbügel“ bezeichneten Bügeln handelt es sich um Schutzbügel im Sinne des Merkmals 3.Die sechssitzige angegriffene Ausführungsform verfügt über insgesamt sechs, jeweils einem Sitzplatz zugeordnete, am Quersteg angeordnete derartige Bügel, an denen jeweils auf zwei unterschiedlichen Höhen Fußstützen angeordnet sind. Die Bügel befinden sich während der Fahrt zwischen den Beinen des Fahrgasts, der seine Füße auf den auf beiden Seiten des Bügels angeordneten Fußstützen abstellt. - Die Bügel verringern den Abstand zwischen Quersteg und Sitzfläche, indem sie als ein zusätzliches Bauteil das Durchrutschen des Fahrgasts verhindern. Dass es sich der Ausgestaltung nach um eine lotrechte Stange handelt, an der die Fußstützen angebracht sind, steht der Merkmalsverwirklichung nach obiger Auslegung nicht entgegen.
- III.
Die Beklagte verletzt das Klagepatent durch die Herstellung und das Angebot der patentgemäß ausgestalteten angegriffenen Ausführungsform (vgl. § 9 S. 2 Nr. 1 PatG). Aus der festgestellten Patentverletzung ergeben sich die zuerkannten Rechtsfolgen. - 1.
Gemäß § 139 Abs. 1 PatG ist die Beklagte zur Unterlassung verpflichtet. - 2.
Die Beklagte war dem Feststellungsantrag der Klägerin entsprechend zum Schadensersatz zu verurteilen. - a)
Die Klage ist hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs zulässig. Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Feststellungsklage sind gegeben. Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO. - b)
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach (§ 139 Abs. 2 PatG). Die Beklagte hat schuldhaft gehandelt. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können. - 3.
Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die hiernach geschuldeten Angaben sind für Handlungen ab Veröffentlichung der Patenterteilung (12.02.2009) zu machen. - Die weitergehende Auskunftspflicht folgt aus §§ 242, 259 BGB. Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren Schadensersatzanspruch zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunft im zuerkannten Umfang zu. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Anspruch auf diese Angaben besteht – wie der Schadensersatzanspruch – nur für Handlungen ab der Veröffentlichung der Patenterteilung zuzüglich einer Karenzzeit von einem Monat, somit ab dem 12.03.2009.
- Für Handlungen vor diesen Zeitpunkten besteht jeweils kein Anspruch auf Auskunft. Es fehlt an einem Anspruch auf Entschädigung im Offenlegungszeitraum, der durch diese Angaben vorbereitet werden könnte.
- 4.
Schließlich hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der ihr durch die Abmahnung entstandenen Rechts- und Patentanwaltskosten in Höhe von € 5.871,70 aus § 139 Abs. 2 PatG nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit. Der geltend gemachte Anspruch auf darüber hinausgehende Abmahnkosten in Höhe von insgesamt € 8.151,25 besteht dagegen nicht. - a)
Der Erstattungsfähigkeit der Abmahnkosten steht nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der Abmahnung die der A zustehenden Ansprüche für den Zeitraum vor Übertragung des Klagepatents noch nicht an die Klägerin abgetreten waren, die Klägerin sie aber gleichwohl geltend gemacht hat. - Zwar setzt die Erstattungsfähigkeit der Abmahnkosten voraus, dass die Abmahnung zu dem Zeitpunkt, zu dem sie dem Schuldner zugegangen ist, berechtigt war (BGH, GRUR 2011, 532, 533 – Millionen-Chance II; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.06.2015 – I-2 U 64/14, GRUR-RS 2015, 18679 Rn. 72 – Verbindungsstück). Unzutreffende Angaben zur Aktivlegitimation nehmen der Abmahnung grundsätzlich ihre Wirksamkeit (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.06.2015 – I-2 U 64/14, GRUR-RS 2015, 18679 Rn. 72 – Verbindungsstück; Beschluss vom 21.10.2010 – I-2 W 52/10; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Auflage 2019, Abschnitt C Rn. 8).
- Unzutreffende Angaben in diesem Sinne, die der Abmahnung ihre Wirksamkeit nehmen, liegen indes nicht vor. Zunächst fehlt es, jedenfalls soweit aus der ohne Anlagen zur Akte gereichten Abmahnung ersichtlich, an derartigen (ausdrücklichen) Angaben. Auch wenn man in der uneingeschränkten Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs und des Schadensersatzanspruchs jedoch die Erklärung enthalten sieht, dass auch insoweit eine Berechtigung vorliegt, begründet diese keine Unwirksamkeit. Schwerpunkt der Abmahnung ist das Unterlassungsverlangen. Die weiteren Ansprüche können zwar mit der Abmahnung geltend gemacht werden, können aber vom Schuldner zurückgewiesen werden, ohne dass die Unterlassungserklärung ihre Wirksamkeit verliert (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Auflage 2019, Abschnitt C Rn. 28). Da hinsichtlich des Unterlassungsverlangens die Aktivlegitimation im Zeitpunkt der Abmahnung vorlag, folgt aus der teilweise fehlenden Berechtigung keine Unwirksamkeit. Der Fall liegt insofern nicht anders als bei der aus anderen Gründen unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen. Auch diese würde im vorliegenden Fall bereits deshalb die Wirksamkeit der Abmahnung unberührt lassen, weil der Unterlassungsanspruch nicht betroffen ist.
- b)
Die zuerkannte Zahlung entspricht einem Viertel der Gebühren für die Abmahnung, ausgehend von einer 1,8 Geschäftsgebühr auf einen Gegenstandswert der Stufe bis € 1,6 Mio. zuzüglich € 20,00 Auslagenpauschale für Patent- und Rechtsanwälte (= insgesamt je € 11.743,40). - aa)
Es sind die vorgerichtlich entstandenen Kosten sowohl der Rechtsanwälte als auch der Patentanwälte erstattungsfähig. Insbesondere ist die Einschaltung der mitwirkenden Patentanwälte nach den Umständen des Einzelfalls als notwendig anzusehen (vgl. dazu Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Auflage 2019, Abschnitt C Rn. 46, 54). - bb)
Der Höhe nach erscheint eine 1,8-fache Geschäftsgebühr als angemessen. Die Gebührenhöhe ergibt sich aus Nr. X des Vergütungsverzeichnisses, wo ein Rahmen von 0,5 bis 2,5 Gebühren vorgesehen ist. Innerhalb dieses Rahmens ist nach § 14 Abs. 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen, wobei eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig ist. Ein Übersteigen der 1,3 Gebühr ist hier zulässig, da es sich um einen Patentverletzungsstreitfall handelt (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Auflage 2019, Abschnitt C Rn. 54), der auch nicht ausnahmsweise völlig unkompliziert ist. - Soweit ein Sachverhalt vorliegt, der aufgrund des Umfangs oder der Schwierigkeit beim Tätigwerden des Rechtsanwalts ein Übersteigen der Regelgebühr von 1,3 zulässt, ist dem Rechtsanwalt ein Ermessen bei der Gebührenfestsetzung in einem Toleranzbereich von 20 % einzuräumen (BGH, GRUR-RR 2012, 491 – Toleranzbereich).
- Unter Berücksichtigung des der Klägerin somit zustehenden Ermessenspielraums bei der Festsetzung der Geschäftsgebühr erscheint eine Gebühr (nur) bis zum 1,8-fachen Satz angemessen. Die Abmahnung (vorgelegt in Anlage C rop 8) ist mit 15 Seiten für vier Schutzrechte eher kurz gehalten. Hieraus lassen sich keine Schwierigkeiten erkennen, die über einen üblichen Patentverletzungssachverhalt hinausgehen. Im Gegenteil handelt es sich um einen für Patentstreitsachen eher einfachen technischen Sachverhalt. Dass die Abmahnung auf vier Patenten basiert, wird durch den Streitwert widergespiegelt und führt nicht zu einer Erhöhung der Geschäftsgebühr. Der enge technische Zusammenhang ist zudem eher ein Grund dafür, hier nicht mehr als 1,8 Geschäftsgebühren anzusetzen. Die Klägerin bringt auch sonst keine durchgreifende Begründung, warum die Angelegenheit besonders kompliziert sein soll.
- cc)
Der Ansatz eines Gegenstandswerts der Stufe bis € 1,6 Mio. für die Abmahnung insgesamt und die Aufteilung auf die einzelnen geltend gemachten Schutzrechte sind grundsätzlich nicht zu beanstanden. - Zwar kann die Klägerin die Erstattung der Abmahnkosten nur nach demjenigen Gegenstandswert verlangen, der zum Zeitpunkt des Zugangs der Abmahnung berechtigt war. Dieser Wert ist unter Berücksichtigung der Ausführungen unter a) geringer als der auch für den vorliegenden Rechtsstreit angegebene Wert von € 1,6 Mio. Die fehlende Berücksichtigung der auf den Zeitpunkt vor der Übertragung des Patents entfallenden Ansprüche führt aber jedenfalls nicht dazu, dass die nächstgeringere Stufe – € 1,55 Mio. – erreicht wird.
- c)
Der Zinsanspruch folgt aus § 291 Abs. 1 i. V. m. § 288 Abs. 1 S. 2 BGB. - IV.
Eine Aussetzung bis zu einer Entscheidung in der das Klagepatent betreffenden Nichtigkeitsklage gemäß § 148 ZPO ist nicht veranlasst. - 1.
Nach § 148 ZPO kann das Gericht bei Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens einen Rechtsstreit aussetzen. Die Erhebung einer Nichtigkeitsklage stellt allerdings ohne weiteres noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen. Die Patenterteilung ist auch für die (Verletzungs-) Gerichte bindend. Wegen der gesetzlichen Regelungen, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangen und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage und den Einspruch vor dem jeweiligen Patentamt zur Verfügung stellen, kann der Angriff gegen das Klagepatent nicht als Einwand im Verletzungsverfahren geführt werden. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits im Rahmen der nach § 148 ZPO zu treffenden Ermessenentscheidung ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage oder dem erhobenen Einspruch nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237 – Kurznachrichten; OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2015, 18679). - Eine Aussetzung kommt regelmäßig nicht in Betracht, wenn der dem Klagepatent entgegengehaltene Stand der Technik demjenigen entspricht, der bereits im Erteilungsverfahren oder in einem erfolglos durchgeführten Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren berücksichtigt worden ist oder vom Erfindungsgegenstand noch weiter abliegt als der schon geprüfte (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Auflage 2019, Abschnitt E Rn. 719).
- 2.
Eine solche hinreichende (Vernichtungs-) Wahrscheinlichkeit kann auf Grundlage der Argumente der Beklagten nicht festgestellt werden. - a)
Dies gilt zunächst für die von der Beklagten geltend gemachte neuheitsschädliche Vorwegnahme durch die Entgegenhaltung CH 400 XXX (Anlage PM8, nachfolgend: D1). Die D1 offenbart Merkmal 3 des Klagepatentanspruchs 1 nicht. - Zur Veranschaulichung wird nachfolgend Fig. 2 der D1 eingeblendet:
- Die Streben 22 sind nicht im Sinne des Merkmals 3 einem Sitzplatz zugeordnet und verringern deshalb auch nicht den Abstand zwischen dem Quersteg und der Sitzfläche. Der in der D1 offenbarte Sessel sieht zwei Sitzplätze vor. Jeder Fahrgast nutzt die auf einer Seite der Streben angebrachte Fußstütze und stellt beide Füße darauf.
- Dass auch ein Sessel für eine in der Mitte sitzende Person offenbart ist, wobei sich die Streben 22 zwischen den Beinen der Person befinden, kann die Kammer nicht mit dem für eine Aussetzung notwendigen Grad der Wahrscheinlichkeit feststellen. Zwar wird in den Zeilen 68 ff. (Seite 1, Spalte 2) der D1 erwähnt, dass der Sessel auch für die Aufnahme einer einzigen Person ausgebildet sein kann. Allerdings lassen sich der D1 keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, wie in einem solchen Fall der Sessel auszubilden ist.
- b)
Ferner ist eine Aussetzung nicht im Hinblick auf eine neuheitsschädliche Vorwegnahme durch die JPH01-113XXX (Anlage PM3, in englischer Übersetzung als Anlage PM3a, nachfolgend: D2) veranlasst. - aa)
Es kann nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die D2 Merkmal 3 des Klagepatentanspruchs 1 offenbart. - Zur Veranschaulichung wird nachfolgend Fig. 1B der D2 eingeblendet:
- Damit das Bauteil „E“ der D2 im Sinne des Merkmals 3 einem Sitzplatz zugeordnet ist und den Abstand zwischen Quersteg und Sitzfläche verringert, müsste in der D2 ein Zwei-Personen-Sessel offenbart sein. Eine ausreichende textliche Offenbarung ist insofern nicht vorgetragen. Die zweifache Verwendung der Bezugsziffer 13 in Fig. 1 für „chair“ reicht hierfür nicht aus. Im Übrigen lässt sich anhand der Abbildungen (insbesondere Fig. 1, vgl. aber auch Fig. 3) nicht feststellen, dass es sich hierbei um einen Zwei-Sitz-Sessel handelt. Bei einem Vier-Personen-Sessel sind die Schutzbügel nicht einem Sitzplatz zugeordnet.
- Es kommt für Merkmal 3 auch auf die angedachte Sitzposition auf einem Sitz an. Dass sich ein Fahrgast auf mehrere Sitze setzen kann, so dass sich der Tragbügel zwischen seinen Beinen befindet, reicht für die Offenbarung des Merkmals nicht aus.
- bb)
Gegen eine Aussetzung spricht im Übrigen, dass die Beklagte keine deutsche, sondern nur eine englischsprachige Übersetzung der japanischen Entgegenhaltung vorgelegt hat (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 04.07.2013 – 4b O 13/12 – Rn. 70 bei juris; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Auflage 2019, Abschnitt E Rn. 725). Nach der zwingenden Regelung des § 184 GVG ist Gerichtssprache deutsch, was jedenfalls für Erklärungen gegenüber dem Gericht gilt. Den Parteien ist zusätzlich in der prozessleitenden Verfügung vom 31.07.2017 (Bl. 45 GA) aufgegeben worden, von fremdsprachigen Unterlagen mit demselben Schriftsatz eine deutsche Übersetzung einzureichen. Dies hat die Beklagte nicht beachtet. - c)
Weiter ist eine Aussetzung nicht im Hinblick auf eine neuheitsschädliche Vorwegnahme durch offenkundig vorbenutzte Sessellifte geboten. - aa)
Dies gilt zunächst im Hinblick auf einen vorbenutzten Sessellift, wie er auf dem nachfolgend eingeblendeten Foto zu sehen ist: - Weder bei dem Foto noch bei dem darauf abgebildeten Sessellift handelt es sich um Stand der Technik im Sinne von § 3 Abs. 1 PatG. Die Voraussetzungen einer offenkundigen Vorbenutzung liegen nicht vor.
- Die Vorrichtung ist offenkundig geworden, wenn die Benutzungshandlung die nicht zu entfernte Möglichkeit eröffnet hat, dass beliebige Dritte und damit auch Fachkundige zuverlässige, ausreichende Kenntnis von der Erfindung erhalten (BGH, GRUR 1986, 372, 373 – Thrombozyten-Zählung; GRUR 1996, 747, 752 – Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem).
- Wo und ob der entsprechende Sessellift in Betrieb gegangen ist, ist auf dem Foto nicht zu erkennen. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Beklagten, die lediglich auf den Todeszeitpunkt des auf dem Foto abgebildeten Herrn Pomagalski abstellt. Dass das Foto vor dem Prioritätstag des Klagepatents aufgenommen sein muss, bedeutet aber nicht, dass damit auch der entsprechende Sessellift öffentlich zugänglich gewesen ist. Dass der auf dem Foto gezeigte Sessellift überhaupt in Betrieb war, lässt sich ohne entsprechenden Vortrag nicht feststellen. Es könnte sich bei dem abgebildeten Sessel auch beispielsweise um einen Prototypen handeln. Zu der öffentlichen Zugänglichkeit des Fotos selbst fehlt es ebenfalls an Vortrag.
- bb)
Die Voraussetzungen einer offenkundigen Vorbenutzung liegen auch im Hinblick auf die nachfolgende Abbildung eines Sessellifts (vgl. Anlage PM5) nicht vor, weil es sich dabei, wie sich bereits aus der Bildunterschrift ergibt, um einen Prototypen handelt: - cc)
Schließlich kann die Kammer auch im Hinblick auf einen Sessellift im Skigebiet H in L, wie er insbesondere in der Anlage PM10 gezeigt ist (nachfolgend: PM10), nicht mit der für eine Aussetzung hinreichenden Wahrscheinlichkeit feststellen, dass eine offenkundige Vorbenutzung vorliegt. - (1)
Wird der Aussetzungsantrag auf eine offenkundige Vorbenutzung gestützt, kann von einer hinreichenden Erfolgswahrscheinlichkeit des Rechtsbestandsangriffs nur dann ausgegangen werden, wenn der Vorbenutzungstatbestand lückenlos durch liquide Beweismittel belegt ist. Da eine Vernehmung etwaiger angebotener Zeugen nur im Rechtsbestandsverfahren und nicht auch im Verletzungsverfahren erfolgt, ist nicht vorhersehbar, in welcher Weise die Zeugen aussagen werden und ob ihre Aussagen für glaubhaft gehalten werden (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 636, 637 – Ventilanbohrvorrichtung; Urteil vom 10.03.2XXX, I-2 U 41/15, Rn. 123 bei juris; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Auflage 2019, Abschnitt E Rn. 722; Voß, in: BeckOK Patentrecht, 10. Edition Stand: 26.10.2018, Vor §§ 139–142b Rn. 185). - (2)
Daran gemessen ist eine offenkundige Vorbenutzung vorliegend nicht hinreichend dargetan. Die zeitliche Einordnung der in der Anlage PM10 enthaltenen Abbildungen lässt sich allein anhand dieser Abbildungen nicht feststellen. Auch nach dem Vortrag der Beklagten bleiben Unklarheiten bezüglich der zeitlichen Zuordnung der einzelnen Darstellungen. Insbesondere deshalb, weil der Sessellift nach dem Vortrag der Beklagten erst nach dem Datum der frühesten Priorität des Klagepatents (04.11.1999) außer Betrieb gegangen ist, wäre eine solche Zuordnung erforderlich gewesen. An der Würdigung der textlichen Offenbarung der PM10 ist die Kammer gehindert, weil diese nur in französischer Sprache vorgelegt worden ist. Auf die diesbezüglichen Ausführungen unter IV. 2. b) bb) wird Bezug genommen. - d)
Eine Aussetzung ist auch nicht im Hinblick auf eine fehlende erfinderische Tätigkeit ausgehend von der DE 27 50 XXX (Anlage PM-C 16, nachfolgend: D4) in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen veranlasst. - Es fehlt an einem Anlass für den Fachmann, ausgehend von der D4 die darin nicht offenbarte wenigstens eine Fußstütze (Merkmal 2.2 des Klagepatentanspruchs 1) vorzusehen. Die D4 offenbart einen in einen Sessel eines Sessellifts einhängbaren Sitz für Kinder. Warum sich der Fachmann veranlasst gesehen haben sollte, einen solchen Sitz um eine Fußstütze zu ergänzen, legt die Beklagte nicht dar. Zudem hätte der Fachmann eine solche Fußstütze auch nicht ohne erfinderische Tätigkeit vorsehen können. Es liegt nicht auf der Hand, wie eine solche Fußstütze konstruktiv hätte ergänzt werden können. Insbesondere sieht die D4 keine vertikale Stange oder ähnliches vor, an der die Fußstütze angeordnet werden könnte.
- C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. - Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Auf Antrag der Klägerin waren Teilsicherheiten für die vorläufige Vollstreckung einzelner zuerkannter Ansprüche festzusetzen.
- Der Beklagten war nicht zu gestatten, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung abzuwenden. Die Beklagte hat weder dargetan, noch – wie von § 714 Abs. 2 ZPO vorgeschrieben – glaubhaft gemacht, dass ihr die Vollstreckung des Urteils einen nicht zu ersetzenden Nachteil im Sinne von § 712 Abs. 1 ZPO bringen würde.
- D.
Der Streitwert wird auf € 400.000,00 festgesetzt.