Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2875
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 14. Februar 2019, Az. 4c O 89/17
- I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. - Tatbestand
-
Die Klägerin ist gemeinsam mit der A LLC mit Sitz in den USA eingetragene Inhaberin des europäischen Patents EP 2 024 XXX (Anlage GvW 1; im Folgenden: Klagepatent), dessen deutschen Teil die Klägerin hier geltend macht. Das Klagepatent wurde am 24.07.2007 angemeldet. Der Hinweis auf die Anmeldung wurde am 18.02.2009 und derjenige auf die Patenterteilung am 31.08.2011 veröffentlicht. Die Anmeldung nimmt die Priorität vom 11.05.2006 aus der Schrift DE 2006 022 XXX in Anspruch. Das Klagepatent steht auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft.
Das Klagepatent betrifft einen Einwegbioreaktor mit einer Sensoranordnung. - Anspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:
Einwegbioreaktor mit reversibel, äußerlich anbringbarer Sensoranordnung zur Messung einer physikalischen Größe eines enthaltenen Mediums, dadurch gekennzeichnet, dass in wenigstens einer dem Zu- und/oder Abfluss von Medium dienenden Peripherieleitung (14,16,18) des Bioreaktors ein Sensoradapter (28) zu Aufnahme einer über eine innere Grenzfläche (32a, 32b; 40; 44a, 44b) des Sensoradapters mit die Peripherieleitung (14, 16, 18) durchströmendem Medium wechselwirkenden, elektronischen Sensoranordnung (34, 38; 42; 44a, 44b, 46, 48) integriert ist und dass der Sensoradapter (28) als ein die Peripherieleitung (14, 16, 18) fortsetzender Einsatz, der von dem enthaltenen Medium durchströmbar ist, in der Peripherieleitung (14,16,18) ausgeführt ist. - Anspruch 1 des Klagepatents in der nunmehr geltend gemachten Fassung, wobei die Änderungen unterstrichen sind, lautet:
Einwegbioreaktor mit reversibel, äußerlich anbringbarer Sensoranordnung zur Messung einer physikalischen Größe eines enthaltenen flüssigen Mediums, dadurch gekennzeichnet, dass in wenigstens einer dem Zu- und/oder Abfluss von Medium dienenden Peripherieleitung (14,16,18) des Bioreaktors ein Sensoradapter (28) zu Aufnahme einer über eine innere Grenzfläche (32a, 32b; 40; 44a, 44b) des Sensoradapters mit die Peripherieleitung (14, 16, 18) durchströmendem flüssigen Medium wechselwirkenden, elektronischen Sensoranordnung (34, 38; 42; 44a, 44b, 46, 48) integriert ist und dass der Sensoradapter (28) als ein die Peripherieleitung (14, 16, 18) fortsetzender Einsatz, der von dem enthaltenen flüssigen Medium durchströmbar ist, in der Peripherieleitung (14,16,18) ausgeführt ist. Der Sensoradapter (28) umfasst Ausrichtungsmittel zum Befestigen der Sensoranordnung (34,38; 42; 44a, 44b, 46,48) an dem Sensoradapter. - Diese Anspruchsfassung entspricht denjenigen Anträgen, die die Klägerin auch im seitens der B zum Bundespatentgericht angestrengten Nichtigkeitsverfahren geltend macht, über welches bisher noch nicht entschieden worden ist.
- Die Beklagte ist ein deutsches Unternehmen, das seit mehreren hundert Jahren in der Chemie- und Pharmaindustrie tätig ist. Neben weiteren Produkten gehören zu ihrem Sortiment insbesondere Bioreaktoren, die mit der Marke „C“ gekennzeichnet werden. Die einzelnen Modelle werden beispielsweise „D“ sowie „E“ genannt (vgl. Anlage GvW 5). Diese werden von der Beklagten auf ihrer deutschsprachigen Website mit der deutschen Domain „.de“ präsentiert (Anlage GvW 5). Die Beklagte erscheint im Impressum dieses Internetauftritts (Anlage GvW 6).
Bei diesen Bioreaktoren handelt es sich um Einwegreaktoren („Single-Use“). Sie weisen Fassungsvermögen auf, welche von 3 Litern bis hin zu 2.000 Litern reichen. Dabei werden die Spezifikationen der Bioreaktoren mit Fassungsvermögen zwischen 50 und 2.000 Litern im Einzelnen in den korrespondierenden Datenblättern, vorgelegt als Anlagen GvW 7 und GvW 9, aufgezeigt. Diesen Datenblättern ist insbesondere zu entnehmen, dass die Bioreaktoren mit 50 Litern bis 2.000 Litern mit einer Überwachungsvorrichtung versehen werden können, welche mit „F“ bezeichnet wird. Es gibt drei verschiedene Ausführungen dieser Sensoreinheiten (im Folgenden zusammenfassend als „F“ bezeichnet), deren jeweiliger Aufbau sich der Bedienungsanleitung („User Guide“; Anlage GvW 10) zufolge durch die Anzahl der Adapter, dienend der Aufnahme der Sensoren, und durch die Länge dieser mittig angeordneten Sensoradapter unterscheidet. Die Verbindung zwischen den Fs und den Bioreaktoren wird über sogenannte „G“ hergestellt, die sich an den beiden jeweiligen Enden der F-Leitungen befinden.
Die Klägerin nimmt zur Begründung ihres Verletzungsvorwurfs die Kombination aus einem Einwegbioreaktor mit einem Fassungsvermögen von 1.000 Litern oder 2.000 Litern mit der D in Bezug (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). - Vor Klageerhebung mahnte die Klägerin die Beklagte aufgrund der streitgegenständlichen Ausführungsformen ab und forderte fruchtlos die Abgabe von Erklärungen.
- Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform würde wortsinngemäßen unmittelbaren, jedenfalls aber mittelbaren Gebrauch vom Klagepatent machen.
Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen, dass die angegriffene Ausführungsform bei Auslieferung weder Sonden noch Sensoren enthalte. Sie behauptet, dass jedenfalls im Begleitmaterial zur angegriffenen Ausführungsform Bioreaktoren zu sehen seien, die gerade mit einer F dargestellt würden, in welcher Sensoren enthalten seien (GvW 7, GvW 8). So seien ausweislich des „User Guides“ der „H“ als „Single Use pH Sensor“ und der „I“ als „J“ als Bestandteile der Konstruktion („materials of construction“) angegeben worden, was unstreitig ist. Diese Sensoren seien in die F einsetzbar. Es handele sich bei der Sensoranordnung um diejenigen sichtbaren Elemente, aus denen schwarze Kabel herausragen würden, welche zu Monitoren geführt würden. Das Vorhandensein dieser Sensoren ergebe sich außerdem aus dem Protokoll eines französischen Gerichtsvollziehers (Anlage GvW 13, deutsche Übersetzung GvW 13a), welches – was unstreitig ist – sich auf die Beschlagnahme eines Einwegbioreaktors nebst F bei einer französischen Tochtergesellschaft der Beklagten beziehe.
Die angegriffene Ausführungsform weise insbesondere auch Sensoradapter auf, da sich, so behauptet die Klägerin, aus den Informationsunterlagen ergebe, dass Sensoren mit PG-XX.X Gewinde in den Adapter eingebracht werden könnten. Als Ausrichtungsmittel würden die zwei oder vier, je nach Konfiguration der F, Aufnahmeschächte dienen, in welche die Sensoren eingesteckt werden könnten.
Die Klägerin meint, das Klagepatent werde das Nichtigkeitsverfahren erfolgreich durchlaufen, weil es rechtsbeständig sei. - Die Klägerin beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung von bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
Einwegbioreaktoren mit reversibel, äußerlich anbringbarer Sensoranordnung zur Messung einer physikalischen Größe eines enthaltenen flüssigen Mediums,
im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen in wenigstens einer dem Zu- und/oder Abfluss von Medium dienenden Peripherieleitung des Bioreaktors ein Sensoradapter zur Aufnahme einer über eine innere Grenzfläche des Sensoradapters mit die Peripherieleitung durchströmendem flüssigen Medium wechselwirkenden, elektronischen Sensoranordnung integriert ist, der Sensoradapter als ein die Peripherieleitung fortsetzender Einsatz, der von dem enthaltenen flüssigen Medium durchströmbar ist, in der Peripherieleitung ausgeführt ist und der Sensoradapter Ausrichtungsmittel zum Befestigen der Sensoranordnung an dem Sensoradapter umfasst; - 2. der Klägerin und der A LLC gemeinschaftlich Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziff. I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 18.03.2009 begangen hat und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiten sowie der Mengen der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, ferner der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) sowie für die seit dem 01.10.2011 begangenen Handlungen unter Angabe der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
3. die vorstehend zu I.1. bezeichneten Erzeugnisse zurückzurufen und aus den Vertriebswegen zu entfernen;
4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, vorstehend zu I.1. bezeichneten Erzeugnisse zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten an einen zur Vernichtung bereiten Gerichtsvollzieher herauszugeben;
5. an die Klägerin einen Betrag von EUR 9.988,62 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen; - II. die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung von bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
Einwegbioreaktoren, bei denen in wenigstens einer dem Zu- und/oder Abfluss von Medium dienenden Peripherieleitung des Bioreaktors ein Sensoradapter zur Aufnahme einer über eine innere Grenzfläche des Sensoradapters mit die Peripherieleitung durchströmendem flüssigen Medium wechselwirkenden, elektronischen Sensoranordnung integriert ist, der Sensoradapter als ein die Peripherieleitung fortsetzender Einsatz, der von dem enthaltenen flüssigen Medium durchströmbar ist, in der Peripherieleitung ausgeführt ist und der Sensoradapter Ausrichtungsmittel zum Befestigen der Sensoranordnung an dem Sensoradapter umfasst,
die geeignet sind im Zusammenhang mit einer reversibel, äußerlich anbringbaren Sensoranordnung eine physikalische Größe eines enthaltenen flüssigen Mediums zu messen,
Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern;
2. der Klägerin und der A LLC gemeinschaftlich Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziff. II. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 01.10.2011 begangen hat und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiten sowie der Mengen der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, ferner der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) sowie für die seit dem 01.10.2011 begangenen Handlungen unter Angabe der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns; - III. festzustellen,
1. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin und der A LLC gemeinschaftlich jeglichen Schaden zu ersetzen, der diesen in Folge der Handlungen gem. Ziff. I.1. bzw. II.1. seit dem 01.10.2011 entstanden ist und zukünftig noch entstehen wird;
2. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin und der A LLC gemeinschaftlich eine angemessene Entschädigung für die Handlungen gem. Ziff. I.1. seit dem 18.03.2009 bis zum 30.09.2011 zu zahlen. - Die Beklagte beantragt,
die Klage insgesamt abzuweisen;
hilfsweise den Rechtsstreit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung des vor dem Bundespatentgericht gegen den deutschen Teil des Klagepatents anhängigen Nichtigkeitsverfahrens auszusetzen. - Die Beklagte ist der Ansicht, dass die angegriffene Ausführungsform von der erfindungsgemäßen Lehre keinen Gebrauch mache. Sie behauptet, ihre Bioreaktoren würden keine Sensoren der Firma Finesse enthalten; die Klägerin würde Sensoren mit von der Beklagten angebotenen schwarzen Hüllen, die nicht in der Lage seien, Messungen vorzunehmen, verwechseln.
Ferner meint die Beklagte, dass es sich bei dem, was die Klägerin als „K“ bezeichne, nicht um eine Sensoranordnung, sondern um ein Schlauchsystem handele, das nicht in der Lage sei, elektronisch die physikalische Größe eines Mediums zu messen. Diese F könne nur irreversibel mit dem Bioreaktor verbunden und nicht zerstörungsfrei wieder gelöst werden. Es fehle zudem an einer Peripherieleitung im Sinne des Klagepatents, da die angegriffene Ausführungsform eine, was unstreitig ist, schleifenförmig ausgestaltete Leitung aufweise, welche das Medium vom Bioreaktor zurück in diesen transportiere. - Schließlich sei der Rechtsstreit auszusetzen. Die Dokumente US 2002/0146XXX A1 (Anlage KAP3a NK6, deutsche Übersetzung NK6a; im Folgenden D1) und WO 2005/118XXX A2 (Anlage KAP3a NK7, deutsche Übersetzung NK7a; im Folgenden D2) stünden der nunmehr geltend gemachten Fassung des Klagepatentanspruchs 1 neuheitsschädlich entgegen. Die D2 sei im Erteilungsverfahren nur unrichtig berücksichtigt worden, da das EPA dieses Dokument auf direkt am Beutel des Einwegbioreaktors vorgesehene Sensoranordnungen verkürzt habe. Im Übrigen spreche gegen die Zulässigkeit des geänderten Anspruchswortlauts, dass die hinzugefügten Merkmale nicht ursprungsoffenbart seien.
- Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftstücke nebst Anlagen Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
-
A.
Die zulässige Klage ist unbegründet. - I.
Das Klagepatent betrifft Einwegbioreaktoren mit Sensoranordnung.
Im Stand der Technik waren bereits Einwegbioreaktoren bekannt, die das enthaltene Medium mittels einer reversibel, äußerlich anbringbaren Sensoranordnung auf eine physikalische Größe messen. Ein solcher als Beutel ausgebildeter Einwegbioreaktor wurde z.B. in der US 2005/0162XXX A1 (vorgelegt als Anlage GvW 3) offenbart. Auf diese Schrift nimmt das Klagepatent in Abs. [0002] seiner Beschreibung Bezug und erläutert Ausgestaltung und Funktionsweise dieses Reaktors. Dieser Einwegbioreaktor ist so ausgebildet, dass er an der Innenseite eine Mehrzahl von Sensorkissen aufweist, welche fest mit der transparenten Beutelwand verbunden sind. Als Äquivalent zu den Sensorkissen im Inneren ist in diesem Bereich an der Außenwand des Bioreaktors eine Detektoranordnung angebracht, die jeweils eine Lichtquelle und einen Fotodetektor beinhaltet, welcher mit einer Auswertschaltung verbunden ist. Der Messvorgang ist so ausgestaltet, dass die Lichtquelle Licht an die Sensoren, bei denen es sich um Fluoreszenzsensoren, also solchen, deren Eigenschaften sich in Abhängigkeit von bestimmten physikalischen Bedingungen des Mediums verändern, handelt, aussenden. Das von diesen abgegebene Fluoreszenzlicht wird vom Fotodetektor empfangen und über die Auswertschaltung anschließend analysiert. Mithin befinden sich der eine Teil der Messvorrichtung, nämlich das Sensorkissen, innerhalb des Bioreaktors und der andere Teil außerhalb. Diese Aufteilung erfolgt, da Teil des Einwegbioreaktors ein Sterilisierungsvorgang ist, der üblicherweise mit Gammastrahlung oder aggressiven Chemikalien wie Ethylenoxid durchgeführt wird. Dies bedingt, dass die Sensorik entsprechend robust sein muss, um diesen Verfahrensschritt überstehen zu können. Die innenseitig vorgesehenen Sensorkissen sind so robust ausgestaltet. Die Sensorelektronik wie der Fotodetektor sind dagegen empfindlicher und müssen außen angebracht werden.
Das Klagepatent kritisiert am bekannten Stand der Technik als nachteilig, dass die eingesetzten Sensorkissen in der Innenseite des Bioreaktors das Medium berühren. Denn zum einen ist die Auswahl an Sensorkissen schon deshalb begrenzt, weil sie gegen die zur Sterilisierung eingesetzten Gammastrahlung oder Chemikalien wie ETO (Ethylenoxid) eine gewisse Resistenz aufweisen müssen, ohne dass die Messtätigkeit beeinträchtigt wird. Aufgrund der konstanten Berührung mit dem Medium besteht zum anderen die Gefahr einer zu innigen Wechselwirkung zwischen dem Medium (insbesondere, wenn es als Zellkulturgefäß benutzt wird) und den Sensorkissen.
Das Klagepatent beabsichtigt es daher, Einwegbioreaktoren derart weiterzuentwickeln, dass ebenjene Wechselwirkung zwischen Sensoren und Medium minimiert wird.
Daher schlägt das Klagepatent in seinem Anspruch 1 in der beschränkt geltend gemachten Fassung zur Lösung dieser Aufgabe eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor: - 1. Einwegbioreaktor
2. Dieser hat eine reversibel, äußerlich anbringbare Sensoranordnung zur Messung einer physikalischen Größe eines enthaltenen flüssigen Mediums.
3. In wenigstens einer dem Zu- und/oder Abfluss von Medium dienenden Peripherieleitung (14, 16, 18) des Bioreaktors ist ein Sensoradapter (28) integriert.
3.1 Der Sensoradapter (28) dient der Aufnahme einer über eine innere Grenzfläche (32a, 32b; 40; 44a, 44b) des Sensoradapters mit die Peripherieleitung (14, 16, 18) durchströmendem flüssigen Medium wechselwirkenden, elektronischen Sensoranordnung (34, 38; 42; 44a, 44b, 46, 48).
3.2 Der Sensoradapter (28) ist als ein die Peripherieleitung (14, 16, 18) fortsetzender Einsatz, der von dem enthaltenen flüssigen Medium durchströmbar ist, in der Peripherieleitung (14, 16, 18) ausgeführt.
3.3 Der Sensoradapter (28) umfasst Ausrichtungsmittel zum Befestigen der Sensoranordnung (34,38; 42; 44a, 44b, 46,48) an dem Sensoradapter. -
II.
Zwischen den Parteien stehen mit Ausnahme des Merkmals 1 alle Merkmale des Anspruchs 1 in Streit. Unabhängig von der Frage der Verwirklichung der weiteren streitigen Merkmale kann eine Verwirklichung des Merkmals 3.1 nicht festgestellt werden. - 1.
Das Merkmal 3.1 sieht vor, dass die Peripherieleitung durchströmendes flüssiges Medium über eine innere Grenzfläche des Sensoradapters mit der elektronischen Sensoranordnung, deren Aufnahme der Sensoradapter dient, wechselwirkt.
Unter einer inneren Grenzfläche des Sensoradapters versteht das Klagepatent diejenigen Stellen des Sensoradapters, mittels derer Messungen am Medium durchgeführt werden können. Sie sind so ausgestaltet, dass sie die entsprechenden Messverfahren fördern. Da das Klagepatent hinsichtlich der Art des anzuwendenden Messverfahrens keine konkreten Angaben macht, sind vom Gegenstand der Erfindung sowohl Konfigurationen für direkte als auch solche für indirekte Wechselwirkungen mit dem Medium umfasst, wobei in keinem Fall ein unmittelbarer Kontakt der Messeinrichtung mit dem Medium erfolgen soll.
Das Klagepatent hält zwar weder in seinem Anspruch 1 noch in der Beschreibung eine Definition bereit, was unter einer inneren Grenzfläche zu verstehen ist. Dieses Verständnis ergibt sich allerdings aus der Gesamtschau der Beschreibungsstellen unter Hinzuziehung der Zeichnungen.
So erkennt der Fachmann schon aus dem Anspruchswortlaut, dass die innere Grenzfläche einen Abschnitt des Sensoradapters beschreibt, deren konkrete Ausgestaltung von dem beabsichtigten Messverfahren abhängt. Dies korrespondiert mit den Beschreibungsstellen. Abs. [0008] beschreibt Messungen anhand von Infrarotsignalen, die direkt mit dem Medium wechselwirken, indem sie durch die geeignet ausgestaltete innere Grenzfläche einerseits hindurchgegeben und andererseits empfangen werden. Im Gegensatz dazu erläutert Abs. [0009] eine indirekte Wechselwirkung zwischen der Sensoranordnung und dem Medium vermittelt über die innere Grenzfläche, welche insbesondere bei Verfahren zur Temperaturmessung zum Tragen kommt. Mittels eines Temperatursensors wird die Temperatur der inneren Grenzfläche, ihrerseits beeinflusst durch das durchströmende Medium, gemessen. Die weiteren Beschreibungsabsätze [0018] und [0019] nehmen die vorerwähnten Messverfahren auf und stellen sie konkret anhand der in den Figuren 3 und 4 abgebildeten bevorzugten Ausführungsbeispielen dar. Da es sich bei den in den zuvor zitierten Beschreibungsstellen um bevorzugte Ausführungsbeispiele zeigend verschiedene Messverfahren handelt, ist dem Fachmann bekannt, dass die innere Grenzfläche weit zu verstehen ist und das Klagepatent beide Messverfahren und Ausgestaltungsformen der Grenzfläche als erfindungsgemäß ansieht, weil die bevorzugten Ausführungsbeispiele nicht geeignet sind, den Anspruchsgehalt einzuschränken.
Sowohl im Anspruchswortlaut als auch in den genannten Figuren der Klagepatentschrift kommt schließlich eindeutig die Zuordnung der inneren Grenzfläche zum Sensoradapter zum Ausdruck. Wörtlich wird dieser Bezug durch die Verwendung des Genitivs „des Sensoradapters“ hergestellt. Zeichnerisch ist er daran zu erkennen, dass die beiden Figuren 3 und 4 jeweils insgesamt einen Sensoradapter darstellen (28), welche an den entsprechend markierten Stellen die innere Grenzfläche aufweist. Wenngleich in den Beschreibungsabsätzen (vgl. Abs. [0008] f.) nicht der Genitiv benutzt wird, ändert dies an der Zuordnung der inneren Grenzfläche zum Sensoradapter nichts, weil jedenfalls kein Bezug zu einem anderen Vorrichtungselement, z.B. Sensoranordnung, begründet wird. Im Übrigen wird der Fachmann in dem Verständnis, dass die innere Grenzfläche zum Sensoradapter gehört, dadurch bestärkt, dass nach Abs. [0018] der Sensoradapter ein Paar gegenüberliegender Fenster (= innere Grenzfläche) „aufweist“.
Auch unter technisch-funktionaler Betrachtung gelangt der Fachmann zu diesem Verständnis. Die innere Grenzfläche dient der Bewerkstelligung von Messungen, wobei die Messvorrichtungen selbst nicht mit dem Medium in Kontakt kommen sollen und dies gerade durch die innere Grenzfläche, die zum Sensoradapter gehört und nicht Teil der Messeinrichtung ist, verhindert wird. - 2.
Die angegriffene Ausführungsform verletzt den klagepatentgemäßen Anspruch 1 nicht. Denn jedenfalls verwirklicht die angegriffene Ausführungsform das Merkmal 3.1 nicht. - a.
Dieses Merkmal erfordert, dass ein Sensoradapter vorhanden ist, welcher der Aufnahme einer über eine innere Grenzfläche des Sensoradapters mit der Peripherieleitung durchströmenden flüssigen Medium wechselwirkenden, elektronischen Sensoranordnung dient. Die Kammer vermochte nicht festzustellen, dass ein Sensoradapter in der angegriffenen Ausführungsform eine innere Grenzfläche aufweist. Die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat technisch nicht hinreichend detailliert und nachvollziehbar den Aufbau der angegriffenen Ausführungsform sowie das Vorliegen einer Grenzfläche aufgezeigt.
Einerseits stellt die Klägerin zum Nachweis auf einen Hinweis in den Informationsmaterialien der Beklagten ab, wonach der Sensor nicht-invasiv sei (vgl. Anlage GvW 11). Aus dieser Angabe leitet die Klägerin ab, dass der Sensor nicht mit dem Medium im Bioreaktor in Kontakt kommt und er deshalb eine innere Grenzfläche aufweisen müsse. Diese Bezugnahme genügt indes zur technischen Herleitung einer inneren Grenzfläche dienend einer Wechselwirkung mit dem Medium nicht. Denn diese (Werbe-) Aussage lässt keinen Schluss auf die tatsächliche technische Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform, welche für die Beurteilung der Patentverletzung allein maßgeblich ist, zu. Ebenso wenig konkret ist der Vortrag, wonach (bei der Ausführung SUS) eine Grenzfläche vorliege, weil zwischen der Kammer aufnehmend den Sensor und der Mediumleitung eine Fläche vorhanden sei. Denn dieses Vorbringen erfolgt ohne jede bildliche Betrachtung und Verortung der beschriebenen Elemente in der angegriffenen Ausführungsform. Außerdem benutzt die Klägerin in Klageschrift und Replik Begrifflichkeiten zur Herleitung der inneren Grenzfläche nicht konstant. So beschreibt sie zum einen einen Sensoradapter mit einer Kammer und zum anderen einen Port, aufnehmend die Sensoren, der angegriffenen Ausführungsform, die jeweils die Grenzfläche darstellen sollen. Unklar bleibt, ob Kammer und Port identisch zu verstehen sind; unabhängig davon, dass das Klagepatent derlei Ausdrücke überhaupt nicht verwendet und somit nicht ohne Weiteres nachzuvollziehen ist, welche Elemente der angegriffenen Ausführungsform adressiert sind.
Konkretisiert wurde dieser Vortrag auch in der mündlichen Verhandlung nicht. Vielmehr wurde dort zusätzlich der Begriff der „Kamine“ angeführt, in welche die Sensoren/Sensoranordnung eingebracht wird, ohne aufzulösen, ob auch insoweit alle Begriffe gleichbedeutend sein sollen.
Zum Nachweis von Sensoradaptern mit einer inneren Grenzfläche konnte die Klägerin auch nicht erfolgreich auf das mit der Replik zur Anlage gereichte französische Beschlagnahme-Protokoll (Anlage GvW 13, 13a) zurückzugreifen.
Dieser Rückgriff scheidet schon deshalb auch, weil nicht mit Sicherheit feststellbar ist, dass die dort abgebildete Vorrichtung der angegriffenen Ausführungsform von Aufbau und Funktionsweise her entspricht. Allein die Tatsache, dass es sich bei dem Unternehmen, in dem die Beschlagnahme stattfand, um ein Tochterunternehmen der Beklagten handelt, genügt für diesen Rückschluss nicht, weil es zwei separate juristische Persönlichkeiten sind, sodass die Zusammenstellung verschiedener Vorrichtungen nicht auszuschließen ist. Im Übrigen behauptet die Klägerin auch nicht, dass das französische Unternehmer Hersteller der Vorrichtungen sei und das deutsche Unternehmen beliefere etc. Nachdem die Beklagte die Identität der angegriffenen Ausführungsform mit der aus dem Protokoll ersichtlichen Anlage bestritten hat, wären dazu nähere Ausführungen der Klägerin notwendig gewesen. Denn, selbst wenn sich auch die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung zu den aus diesem Protokoll ersichtlichen Bildern geäußert hat, liegt darin kein konkludentes Zugeständnis dahingehend, dass die dort behandelte Vorrichtung der angegriffenen Ausführungsform entspricht. - Aber auch dann, wenn das als Anlage GvW 13, 13a eingereichte Beschlagnahme-Protokoll, dort insbesondere S. 64 bezüglich der Beschreibung und S. 67f. bezüglich der Lichtbilder, zu Argumentations- und Veranschaulichungszwecken herangezogen wird, ergibt sich daraus kein Nachweis einer inneren Grenzfläche des Sensoradapters.
Das Vorbringen, wonach die Grenzfläche als Einsatz in den Port gestaltet sei und die Sensoren dort eingebracht seien, ist nicht nachvollziehbar. Dass es sich um die Grenzfläche des Sensoradapters handelt, folgt daraus nicht eindeutig.
Es ist zwar ersichtlich, und unstreitig, dass Sensoren in entsprechende Gegenstücke („Kamine“) in der angegriffenen Ausführungsform eingebracht werden. Wie sodann im Einzelnen die Wechselwirkung im Rahmen der Messungen erfolgt, ist dagegen nicht zu erkennen. Aus dem Beschlagnahme-Protokoll ergibt sich dazu nur, dass abhängig von der Länge der Kamine, mithin abhängig von dem konkret eingesetzten F-Modell (K oder L), ist, ob die Sensoren, abgedeckt durch schwarze Hüllen, in die von Medium durchströmte Leitung hineinragen. Gerade bei der ausweislich des Beschlagnahmeprotokolls beschlagnahmten Vorrichtung ist es so, dass die schwarzen Hüllen in diese Leitung hineinragen. Wie dies technisch mit der erfindungsgemäßen Lehre des Klagepatents zu vereinen ist, trägt die Klägerin nicht substantiiert vor. Denn gerade bei dieser Ausgestaltung wäre es erforderlich, dass dasjenige Element, welches bin in die Leitung reicht, zum Sensoradapter gehört. Dafür fehlen Anhaltspunkte. Im Übrigen wären auch deshalb detailliertere Ausführungen erforderlich gewesen, weil S. 25 des Protokoll erklärt, dass nur für die langen Stutzten (Kamine) Sonden benutzt werden, die mit dem Medium in Kontakt kommen; wohingegen bei kurzen Kaminen nur optische Sonden zum Einsatz kommen, die das Medium nicht berühren. Diese Beschreibung ist nicht mit den Abbildungen auf S. 67 f. zu vereinbaren, da dort gerade kurze Stutzen und aber auch in die Leitung hineinragende Sonden(-hüllen) zu sehen sind. Es besteht umso mehr ein Erfordernis diesen Widerspruch aufzuklären, als die Klägerin hier nur die Ausführungsvariante mit den kurzen Stutzen angreift.
Die Erläuterung in der mündlichen Verhandlung, wonach die schwarzen Hüllen die Grenzflächen darstellen würden, verfängt damit im Ergebnis nicht. Zwar sind diese Hüllen unproblematisch auch dem Beschlagnahmeprotokoll zu entnehmen. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass es sich dabei um den Sensoradapter handelt. Die zugehörigen Beschreibungen im Protokoll sprechen insofern nämlich von Sonden-Ports bzw. Sensoren, was den Schluss nahelegt, dass es sich nur um Elemente der Sensoren/Sensoranordnung handelt. Gleichermaßen hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass es sich bei diesen schwarzen Elementen um den Sensor oder jedenfalls einen Teil davon handelt. Diesem Vorbringen ist die Klägerseite nicht substantiiert entgegengetreten.
Es bedarf schließlich keiner abschließenden Klärung, welchen Teil der angegriffenen Ausführungsform die Klägerin mit „F“ meint und ob es sich dabei um ein korrektes Verständnis handelt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihren bisherigen Vortrag nämlich derart konkretisiert, dass sie als Sensoradapter die gesamte „F“ auffasse. Doch selbst wenn die ganze F den Sensoradapter bilden soll, verbleibt es bei den oben aufgeworfenen Unklarheiten, weil auch dann nicht nachzuvollziehen ist, inwiefern die seitens der Klägerin benannten Elemente zum Sensoradapter und nicht zu den eigentlichen, vom Sensoradapter getrennten, da nach Merkmal 2 reversibel angebrachten, Sensoren zählen sollen.
Ebenso kommt es mangels eigenen substantiierten Vortrags der Klägerin nicht darauf an, ob in der angegriffenen Ausführungsform tatsächlich der im Termin überreichten Anlage KAP 5a entsprechende Sensorik enthalten ist. - b.
Auch eine mittelbare Patentverletzung (§ 10 PatG) kann nicht festgestellt werden. Unabhängig von der Frage einer etwaigen Verspätung, welche von der Beklagten gerügt wird, und der zwischen den Parteien in Streit stehenden Frage, ob die angegriffene Ausführungsform ein wesentliches Element der Erfindung bildet und geeignet ist, mit einem Gegenstand der Erfindung zusammenzuwirken, hat die Klägerin zu den subjektiven Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung nichts vorgetragen. In der mündlichen Verhandlung wurde lediglich eine Antragsfassung bezogen auf eine mittelbare Patentverletzung überreicht, ohne dass weiterer Vortrag erfolgte. - III.
Da eine Verletzung des Klagepatentes – unmittelbar oder mittelbar – nicht vorliegt, sind die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche unbegründet. - C.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.