Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2864
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 29. Januar 2019, Az. 4b O 94/18
- I. Die Kosten des Verfahrens trägt der Verfügungsbeklagte.
- II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Tatbestand
- Die Verfügungsklägerin hat den Verfügungsbeklagten anlässlich der Ausstellung eines Pflegebetts auf der Messe A im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch genommen.
- Die Verfügungsklägerin ist ausschließliche Lizenznehmerin an dem deutschen Patent DE 199 12 XXX C2 (Verfügungspatent), das im Anspruch 1 ein Pflegebett mit einem Bettrahmen mit absenkbarem Seitenteil und im Anspruch 18 den Bettrahmen selbst schützt. Das am 22.03.1999 angemeldete Verfügungspatent, dessen Erteilung am 20.09.2001 veröffentlicht wurde, steht in Kraft.
- Der Verfügungsbeklagte war bis Anfang 2013 selbstständiger Vertriebspartner der Verfügungsklägerin für deren Pflegebetten und Bettrahmen. Auf der bis zum 29. September 2018 um 17:00 Uhr andauernden Messe A stellte der Verfügungsbeklagte unter der Bezeichnung B einen Bettrahmen aus, den er auch in einer ausliegenden Broschüre bewarb. Der Bettrahmen bestand aus einem Betteinsatz mit einem höhenverstellbaren Sockel und einem darauf um eine Horizontalachse drehbaren mehrteiligen Matratzenträger sowie einem daran an Kopf- und Fußende befestigten Seitenteil, dessen Oberteil durch Gasfedern abgesenkt werden konnte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen AS 3 und AS 4 Bezug genommen.
- Die Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsklägerin überreichte dem Verfügungsbeklagten am 26. September 2018 um 16:00 Uhr am Messestand ein Abmahnschreiben. Darin forderte die Verfügungsklägerin den Verfügungsbeklagten zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung innerhalb einer Frist bis zum 27. September 2018 um 10:00 Uhr auf. Wegen der weiteren Einzelheiten des Abmahnschreibens wird auf die Anlage AS 5 Bezug genommen. Noch am Messestand erläuterte der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin dem Verfügungsbeklagten anhand des Bettrahmens, dass es insbesondere auch um das absenkbare Seitenteil in Kombination mit dem Betteinsatz gehe. Bis zum Fristende hatte der Verfügungsbeklagte das absenkbare Seitenteil von dem ausgestellten Bettrahmen abmontiert und auch die Broschüren entfernt, gab aber nicht die geforderte Unterlassungserklärung ab.
- Mit Antragsschrift vom 27. September 2018, eingegangen am späten Nachmittag des selben Tages, hat die Verfügungsklägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit dem dem Verfügungsbeklagten Herstellung, Angebot und Vertrieb eines Pflegebettrahmens untersagt werden sollte. Nachdem die Verfügungsklägerin den ursprünglichen Antrag angepasst hatte, hat die Kammer auf das Anerkenntnis des Verfügungsbeklagten diesen antragsgemäß mit Teil-Anerkenntnisurteil vom 3. Dezember 2018 verurteilt und die Kostenentscheidung aufgrund wechselseitig gestellter Kostenanträge dem Schlussurteil vorbehalten.
- Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, die Kosten des Verfahrens seien dem Verfügungsbeklagten aufzuerlegen. Dass der im Abmahnschreiben enthaltene Entwurf einer Unterlassungsverpflichtungserklärung gegebenenfalls fehlerhaft gewesen sei, sei unbeachtlich. Der Verfügungsbeklagte hätte eine eigene Unterlassungserklärung abgeben können. Zudem hätte sie aufgrund der Messe sogar auf eine Abmahnung verzichten können.
- Der Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, der Entwurf der Unterlassungsverpflichtungserklärung sei aufgrund mangelnder Sorgfalt viel zu weit gefasst gewesen. Daher habe er darauf überhaupt nicht reagieren müssen. Tatsächlich habe er aber die beanstandeten Produkte vom Messestand entfernt. Die Prospekte und Fotos auf seiner Internetseite seien ohnehin nicht patentverletzend, weil Bettrahmen und Seitenwandabsenkungen verwendet worden seien, die von der Verfügungsklägerin stammten.
- Entscheidungsgründe
- Die Kosten des Verfahrens sind gemäß § 91 Abs. 1 ZPO dem Verfügungsbeklagten aufzuerlegen. Aufgrund seines Anerkenntnisses ist er die unterlegene Partei.
- Die Kosten sind nicht in entsprechender Anwendung von § 93 ZPO der Verfügungsklägerin aufzuerlegen. Denn der Verfügungsbeklagte hat Veranlassung dazu gegeben, dass die Verfügungsklägerin den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung gestellt hat.
- Der Patentinhaber – oder hier der ausschließliche Lizenznehmer – muss den Verletzer in der Regel vor Erhebung der Unterlassungsklage bzw. vor der Einreichung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern, wenn er für den Fall des sofortigen Anerkenntnisses der Kostenfolge des § 93 ZPO entgehen will (BGH GRUR 1990, 381, 382 – Antwortpflicht des Abgemahnten; OLG Düsseldorf InstGE 2, 237, 238; Benkard/Grabinski/Zülch, PatG 11. Aufl.: § 139 Rn 163a; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 37. Aufl.: § 12 Rn 2.118). Eine solche Abmahnung des Verfügungsbeklagten ist vor der Antragstellung durch die Verfügungsklägerin mit dem Schreiben vom 26. September 2018 erfolgt.
- Die Verwarnung erfüllte auch alle Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Abmahnung (vgl. dazu Benkard/Grabinski/Zülch, PatG 11. Aufl.: § 139 Rn 163a; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 37. Aufl.: § 12 Rn 1.12 ff).
- Das Abmahnschreiben vom 26. September 2018 enthielt die Mitteilung, dass die Verfügungsklägerin ausschließliche Lizenznehmerin sei. Adressat der Verwarnung war der Verfügungsbeklagte. Sodann enthielt das Abmahnschreiben Ausführungen zum Verletzungstatbestand: Das Verfügungspatent wurde mit seiner Veröffentlichungsnummer ausdrücklich genannt, so dass es unschädlich war, dass dem Schreiben nur die Offenlegungsschrift beigefügt war, die sich vom erteilten Verfügungspatent aber nicht wesentlich unterscheidet. Dies macht auch der Verfügungsbeklagte nicht geltend. Sodann wird im Abmahnschreiben die geschützte Technik beschrieben und nach Ausführungen zum Stand der Technik, den Nachteilen und der Aufgabe wird die Verletzungshandlung konkret benannt, nämlich die Bewerbung einen Bettrahmens mit Bett auf der Messe und im Internet. Dem Abmahnschreiben waren sogar die Broschüre und Abbildungen vom Messestand beigefügt. Eine Subsumtion unter den Patentanspruch enthält die Abmahnung nicht, ist aber für eine ordnungsgemäße Abmahnung auch nicht erforderlich. Abgesehen davon erläuterte der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin dem Verfügungsbeklagten noch auf der Messe die technischen Zusammenhänge.
- Weiterhin enthält das Abmahnschreiben vom 26. September 2018 die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Dem Schreiben war sogar ein Muster einer solchen Erklärung beigefügt. Dass dieses Muster fehlerhaft formuliert und nicht geeignet war, die Wiederholungsgefahr auszuräumen, ist unbeachtlich. Grundsätzlich ist die Formulierung der Unterlassungserklärung Sache des Verletzers. Er kann sich im Rahmen einer Entscheidung nach § 93 ZPO nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die vom Gläubiger geforderte Unterlassungserklärung fehlerhaft formuliert war, solange aus der Verwarnung mit der gebotenen Klarheit hervorgeht, auf welches Verhalten sich das Unterlassungsbegehren des Gläubigers bezieht (Benkard/Grabinski/Zülch, PatG 11. Aufl.: § 139 Rn 163a; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 37. Aufl.: § 12 Rn 1.19 m.w.N.). Das aber ist hier der Fall, weil die Verfügungsklägerin im Abmahnschreiben – wie gezeigt – die Schutzrechtslage und den Verletzungssachverhalt ausführlich darstellt.
- Die im Abmahnschreiben gesetzte Frist für die Abgabe der Unterlassungserklärung war im Hinblick auf die Messesituation und die dem Verfügungspatent zugrundeliegende überschaubare Technik angemessen. Dagegen wendet sich auch der Verfügungsbeklagte nicht. Schließlich wurden dem Verfügungsbeklagten auch gerichtliche Schritte für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs angedroht.
- Die Abmahnung war auch in der Sache berechtigt. Dass der Verfügungsbeklagte jedenfalls in einem Fall das Verfügungspatent verletzte, stellt auch er nicht in Abrede. Ob im Abmahnschreiben einzelne der beanstandeten Handlungen gegebenenfalls nicht patentverletzend waren, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. § 93 ZPO knüpft allein an die Veranlassung zur Klageerhebung an, die hier aufgrund des patentverletzenden Verhalten des Verfügungsbeklagten und die ausgebliebene Unterlassungsverpflichtungserklärung gegeben war.
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Streitwert: 50.000,00 EUR
Begründung: Entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten ist für die Streitwertberechnung grundsätzlich von dem patentgeschützten Pflegebett bzw. Bettrahmen auszugehen. Daher können für die Berechnung des Streitwertes nicht allein die Einkaufspreise für ein absenkbares Seitenteil, mit dem ein bestehendes Pflegebett umgerüstet werden kann, Berücksichtigung finden. Ebenso wenig können die Umsätze der Verfügungsklägerin als Grundlage dienen, weil es für den Streitwert maßgeblich auch auf Art, Ausmaß und Schädlichkeit der Verletzungshandlungen ankommt, insbesondere auf den dadurch bei der Verfügungsklägerin drohenden Schaden (vgl. Kühnen, Hb. der Patentverletzung, 11. Aufl.: Kap. J Rn 128). Da aber der Verfügungsbeklagte in den letzten vier Jahren überhaupt nur eine einstellige Stückzahl an patentgemäß ausgestatteten Pflegebetten veräußert hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Verfügungsbeklagte jeglichen Absatz an Pflegebetten einbüßt. Stattdessen hält die Kammer im Streitfall mit Blick auf die nur noch sechsmonatige Restlaufzeit des Verfügungspatents im Zeitpunkt der Antragstellung einen Streitwert von 50.000,00 EUR, wie er ursprünglich vom Verfügungsbeklagten beantragt worden ist, für angemessen.