Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2869
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 26. Februar 2019, Az. 4c O 79/18
- I. Der Antrag vom 2. November 2018 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
- II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsklägerin.
- III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Tatbestand
- Die Verfügungsklägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patentes EP 2 788 XXX B1 (Anlage Ast 3), welches am 7. Dezember 2012 unter Inanspruchnahme einer Priorität der DE 10 2011 129 XXX vom 9. Dezember 2011 angemeldet und dessen Erteilung am 2. November 2016 bekannt gemacht wurde. Das Patent der Antragstellerin betrifft ein Verfahren zur Altpapieraufbereitung. Um das in der Patentschrift erläuterte Verfahren kommerziell nutzbar zu machen, suchte die Verfügungsklägerin einen Partner im Bereich des Maschinenbaus. Da die Verfügungsbeklagte im Bereich des Recyclings und der Zerkleinerung verschiedenster Rohmaterialien tätig ist, schlossen die Parteien am 6. Juni 2013 eine Kooperationsvereinbarung. Nachfolgend wiedergegeben wird die entsprechende Vereinbarung:
- Im Zuge der Vereinbarung nahm die Verfügungsklägerin verschiedene Tätigkeiten wahr. Unter dem 29. Januar 2015/6. Februar 2015 schlossen die Parteien nachfolgenden „Nachtrag zur Kooperationsvereinbarung vom 6.6.2013“:
- Am 24. Februar 2017 meldete die Verfügungsbeklagte eine Vorrichtung zur Aufberreitung von Materialien als deutsches Patent an. Die Anmeldung wird unter der Registernummer DE 10 2017 103 XXX A1 (nachfolgend: Streitpatentanmeldung) beim Deutschen Patent- und Markenamt geführt. Die Veröffentlichung der Anmeldung erfolgte am 30. August 2018. Eine Patenterteilung ist bisher nicht erfolgt.
- Die Verfügungsklägerin macht geltend, dass der Nachtrag zur Kooperationsvereinbarung sie nicht an der Geltendmachung von Ansprüchen wegen Patentvindikation an der Streitpatentanmeldung hindere. Unter wechselseitigen Ansprüchen seien wechselseitige Zahlungsansprüche gemeint, welche im Rahmen der Kooperation entstanden sein könnten.
Sie sei jedenfalls Miterfinderin der Lehre der Erfindung nach der Streitpatentanmeldung. Sie habe sie unter anderem die Doppelwandigkeit der Maschine sowie die Siebe, Beschleunigungselemente, Zartmacherbleche bzw. Prallleisten und die Absaugvorrichtung entwickelt, welche Gegenstand der Lehre nach der Streitpatentanmeldung seien. - Die Verfügungsklägerin beantragt,
- 1. der Verfügungsbeklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 € oder für den Fall der Nichteintreibbarkeit Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu untersagen,
- über die am 24. Februar 2017 angemeldete Patentanmeldung der Erfindung „Vorrichtung zur Aufbereitung von Materialien“, Veröffentlichungsnummer DE 10 2017 103 XXX A1, zu verfügen, insbesondere diese zu veräußern, auf die Anmeldung zu verzichten oder diese zurückzunehmen;
- 2. zur Sicherung der Rechte der Verfügungsklägerin an der Erfindung „Vorrichtung zur Aufbereitung von Materialien“, Veröffentlichungsnummer DE 10 2017 103 XXX A1, zu Gunsten der Verfügungsklägerin und – unbeschadet etwaiger Kostenansprüche – auf deren Kosten die Sequestration der vorgenannten Patentanmeldung anzuordnen;
- 3. zum Sequester Herrn Patentanwalt A Partnerschaftsgesellschaft von Patentanwälten m.b.B. zu bestellen.
- Die Verfügungsbeklagte beantragt,
- den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Sequestration der deutschen Patentanmeldung DE 10 2017 103 XXX A1 zurückzuweisen.
- Sie ist der Ansicht, dass die Verfügungsklägerin aufgrund des Nachtrags zur Kooperationsvereinbarung an der Geltendmachung von Ansprüchen gehindert sei.
Im Übrigen sei es unzutreffend, dass die Verfügungsklägerin zumindest Miterfinderin der Lehre nach der Streitpatentanmeldung sei. Bei dem Gegenstand der Erfindung handele es sich einerseits um Eigenentwicklungen der Verfügungsbeklagten und andererseits seien wesentliche Teile bereits aus dem Stand der Technik bekannt gewesen.
Letztlich habe die Verfügungsbeklagte auch keinerlei Interesse an einer Verfügung über die Streitpatentanmeldung. Sie beabsichtige nicht die Anmeldung aufzugeben. - Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
- Entscheidungsgründe
- Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet. Die Kammer vermochte nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass zugunsten der Verfügungsklägerin ein Verfügungsanspruch besteht.
- I.
Die Verfügungsklägerin vermochte es nicht zur Überzeugung der Kammer darzulegen und glaubhaft zu machen, dass sie nach der unstreitigen Beendigung der zwischen den Parteien ehemals bestandenen Kooperationsvereinbarung zur Geltendmachung von Ansprüchen berechtigt ist. - Die Parteien vereinbarten unter dem 29. Januar 2015 bzw. 6. Februar 2015 die einvernehmliche Beendigung der Kooperationsvereinbarung vom 6. Juni 2013 mit sofortiger Wirkung. Ferner wurde vereinbart, dass keine etwaigen wechselseitigen Ansprüche geltend gemacht werden.
- Der Wortlaut der Vereinbarung ist danach eindeutig darauf gerichtet, dass zwischen den Parteien nach Beendigung der Vereinbarung keinerlei Ansprüche – bekannte wie unbekannte – gleich welchen Ursprungs bestehen soll. Insofern spricht der Wortlaut der Vereinbarung dafür, dass einem entsprechenden Ausschluss von wechselseitigen Ansprüchen jegliche Ansprüche unterfallen sollen und damit auch ein Anspruch der vorliegend behaupteten Patentvindikation. Denn jedenfalls finanzielle Ansprüche sollten damit nicht gemeint sein, da nach dem unbestrittenen Vortrag der Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung Zahlungsansprüche nicht im Raum standen. Die zwischen den Parteien geschlossene Kooperationsvereinbarung vom 6. Juni 2013 sollte schlichtweg beendet werden.
- Gegen dieses Verständnis spricht auch nicht, dass in der Kooperationsvereinbarung im letzten Spiegelstrich geregelt ist, dass die Geheimhaltungspflicht unbefristet auch nach einer Beendigung des Kooperationsverhältnisses gilt. Damit wird lediglich der rechtliche Rahmen gesichert, dass etwaige Entwicklungen, gleich welcher Partei, nicht unbefugt an die Öffentlichkeit gelangen sollen. Dass damit deutlich gemacht wird, dass Ansprüche aus einer behaupteten unberechtigten Anmeldung einer Erfindung einem Ausschluss der Geltendmachung nicht unterfallen sollen, ist hiermit indes nicht gesagt. Vielmehr wird deutlich gemacht, dass nach Beendigung der Kooperationsvereinbarung die Interessen der Vertragspartner an dem Schutz etwaiger neuer Entwicklungen gewahrt werden sollten. Denn gerade die Formulierung in Spiegelstrich 1 Satz 2, wonach neue Erkenntnisse und Weiterentwicklungen bei der Verfügungsklägerin verbleiben und knapp zwei Jahre später vereinbart wird, dass keine wechselseitigen Ansprüche geltend gemacht werden, verdeutlicht, dass über die Rechtsverhältnisse und Ansprüche der Parteien kein Streit bestand und dies gerade vor dem Hintergrund, dass – die Behauptung der Verfügungsklägerin als wahr unterstellt – Weiterentwicklungen von ihr getätigt worden sein sollen.
- Der Kammer ist bewusst, dass das vorstehende Verständnis ausschließlich vor dem Hintergrund des Wortlauts des Nachtrags zur Kooperationsvereinbarung getroffen wurde. Grundsätzlich gilt indes, dass eine Auslegung nicht bei einer reinen Buchstabeninterpretation stehen bleiben darf. Ausgangspunkt für die Auslegung ist jedoch der Wortlaut der Erklärung. In einem zweiten Schritt sind die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Verträge sind nach §§ 157, 133 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt daher in Betracht, wenn eine Vereinbarung der Parteien in einem regelungsbedürftigen Punkt fehlt und keine Regelung des dispositiven Gesetzesrechts eingreift. Dabei ist es unerheblich, ob die Parteien bewusst auf eine ins Einzelne gehende Regelung verzichtet haben, ob die „Lücke“ von Anfang an bestanden hat oder sich erst nachträglich als Folge des weiteren Verlaufs der Dinge ergibt. Bei einer erforderlichen Ergänzung des Vertragsinhalts ist darauf abzustellen, was redliche und verständige Parteien in Kenntnis der Regelungslücke nach dem Vertragszweck und bei sachgemäßer Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten (BGH, NJW-RR 2008, 562 mwN). Dabei ist der hypothetische Parteiwille Grundlage für die Ergänzung des Vertragsinhalts. Die ergänzende Vertragsauslegung darf indes nicht im Widerspruch zum tatsächlichen Parteiwillen oder zum Vertragsinhalt stehen. Sie ist ausgeschlossen, wenn die Parteien über den (scheinbar) regelungsbedürftigen Punkt bewusst eine abschließende Regelung getroffen haben. Gegenüber einer eindeutigen vertraglichen Abrede ist sie nur zulässig, wenn sich aus konkreten Tatsachen ergibt, dass trotz des Wortlauts eine Regelungslücke vorliegt (vgl. Palandt/Ellenberger, 78. Aufl. § 157 Rn. 8 m.w.N.).
- Diese Grundsätze in den Blick nehmend haben die Parteien bei Abschluss des Nachtrags zur Kooperationsvereinbarung nicht in den Blick genommen, dass mit der gewählten Formulierung auch Ansprüche wegen unberechtigter Anmeldung einer Erfindung unter der Ausschluss der Geltendmachung wechselseitiger Ansprüche fallen können. Insoweit ist bereits fraglich, ob eine Regelungslücke vorliegt, welche den Weg zu einer ergänzenden Vertragsauslegung eröffnet. Die Verfügungsklägerin hat indes keine Umstände vorgetragen und glaubhaft gemacht, welche den Schluss auf den tatsächlichen Willen der Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ermöglichen. Vielmehr schloss die Verfügungsklägerin in Kenntnis der getätigten Arbeiten ihrem Wortlaut nach eine Vereinbarung, welche etwaige Ansprüche aus diesen Tätigkeiten ausschließt. Umstände, die darauf schließen lassen, dass dabei nicht Ansprüche umfasst sein sollen, welche aus ihrer Tätigkeit für die Verfügungsbeklagte resultieren, wurden bisher nicht vorgetragen. Es ist auch nicht vorgetragen worden, dass unter wechselseitige Ansprüche nicht solche gefasst sein sollten, welche zu einem Ausschluss der Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund einer etwaigen erfinderrechtlichen Tätigkeit der Verfügungsklägerin rühren. Zu den Umständen des Abschlusses des Nachtrages und der in diesem Zusammenhang erfolgten Kommunikation der Parteien wurden keine Tatsachen vorgetragen.
- Vor diesem Hintergrund vermag die Kammer im hier vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren nicht festzustellen, dass vom Gegenstand des Nachtrags der Kooperationsvereinbarung Ansprüche der Verfügungsklägerin aufgrund möglicherweise von ihr geleisteter erfinderrechtlicher Beiträge nicht umfasst sein sollten. Ein Verfügungsanspruch ist daher nicht glaubhaft gemacht.
- Die Schriftsätze vom 18. Februar 2019 und 22. Februar 2019 sind verspätet.
- II.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 91 Abs. 1 ZPO. - Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 6 ZPO.
- Der Streitwert des Verfahrens wird auf 100.000,00 € festgesetzt.