Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2843
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 9. November 2018, Az. 4a O 17/17
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250 000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,a) Bewegungsvektordekodiervorrichtungen, die einen kodierten Bewegungsvektor eines Blocks, der in einem Bild enthalten ist, dekodieren,
- wobei die Vorrichtung umfasst:
- eine Einheit zum Spezifizieren benachbarter Blöcke, die zum Spezifizieren von benachbarten Blöcken (B, C, D), die um einen aktuellen Block (A), der zu dekodieren ist, angeordnet und die bereits dekodiert sind, ausgestaltet ist;
- eine Einheit zum Dekodieren eines differentiellen Bewegungsvektors, die zum Dekodieren eines kodierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks, ausgestaltet ist, um einen differenziellen Bewegungsvektor zu erzeugen;
- eine Einheit zum Ableiten eines prädizierten Bewegungsvektors, die zum Ableiten eines prädizierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A) durch Verwenden eines Bewegungsvektors mit einem Identifikator, der der gleiche ist wie ein Identifikator, der dem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks (A) zugewiesen ist, aus Bewegungsvektoren der spezifizierten benachbarten Blöcke (B, C, D) ausgestaltet ist, wenn der aktuelle Block (A) zwei Bewegungsvektoren aufweist, von denen jeder sich auf ein Referenzbild bezieht, das in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge angeordnet ist, und
- eine Bewegungsvektorbeschaffungseinheit, die zum Beschaffen des Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A) durch Verwenden des prädizierten Bewegungsvektors und des differenziellen Bewegungsvektors ausgestaltet ist,
- wobei die Einheit zum Ableiten eines prädizierten Bewegungsvektors zum Ableiten eines Medianwertes der Bewegungsvektoren der benachbarten Blöcke (B, C, D) mit dem gleichen Identifikator wie dem Identifikator, der dem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks (A) zugewiesen ist, ausgestaltet ist,
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- wobei der Identifikator für jeden Bewegungsvektor der benachbarten Blöcke (B, C, D) auf Block-Basis entsprechend einer Reihenfolge zugewiesen ist, in der die Bewegungsvektoren eines jeden Blocks in einem Bitstream erscheinen;
(unmittelbare Patentverletzung, Vorrichtungsanspruch 2) - und/oder
- b) Bewegungsvektordekodiervorrichtungen (Smartphones) die für ein Bewegungsvektordekodierverfahren zum Dekodieren eines kodierten Bewegungsvektors eines Blocks, der in einem Bild enthalten ist, geeignet sind,
- wobei das Verfahren umfasst:
- Spezifizieren von benachbarten Blöcken (B, C, D), die um einen aktuellen Block (A), der zu dekodieren ist, angeordnet und die bereits dekodiert sind,
- Dekodieren eines kodierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks, um einen differenziellen Bewegungsvektor zu erzeugen,
- Ableiten eines prädizierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A) durch Verwenden eines Bewegungsvektors mit einem Identifikator, der der gleiche ist wie ein Identifikator, der dem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks (A) zugewiesen ist, aus Bewegungsvektoren der spezifizierten benachbarten Blöcke (B, C, D), wenn der aktuelle Block (A) zwei Bewegungsvektoren aufweist, von denen jeder sich auf ein Referenzbild bezieht, das in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge angeordnet ist, und
- Beschaffen des Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A) durch Verwenden des prädizierten Bewegungsvektors und des differenziellen Bewegungsvektors,
- wobei das Ableiten des prädizierten Bewegungsvektors umfasst: Ableiten eines Medianwertes der Bewegungsvektoren der benachbarten Blöcke (B, C, D) mit dem gleichen Identifikator wie dem Identifikator, der dem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks (A) zugewiesen ist,
- Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern,
- wobei der Identifikator für jeden Bewegungsvektor der benachbarten Blöcke (B, C, D) auf Block-Basis entsprechend einer Reihenfolge zugewiesen wird (S113), in der die Bewegungsvektoren eines jeden Blocks in einem Bitstream erscheinen;
(mittelbare Patentverletzung, Verfahrensanspruch 1) - 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 11. Februar 2015 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
- b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
- wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 11. Februar 2015 begangen hat, und zwar unter Angabe:
- a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
- b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
- c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- 4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter 1.a) bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre Kosten herauszugeben;
- 5. die unter 1.a) bezeichneten, seit dem 11. Februar 2015 im Besitz gewerblicher Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird, und die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
- II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1.a) und b) bezeichneten, seit dem 11. Februar 2015 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 5.000.000,00. Daneben sind die Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung (Ziff. I.1., I.4 und I.5 des Tenors) gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 3.750.000,00; ferner sind die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung (Ziff. I.2 und I.3 des Tenors) gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 750.000,00. Im Kostenpunkt ist das Urteil gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen behaupteter unmittelbarer und mittelbarer Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf patentverletzender Erzeugnisse sowie auf Feststellung der Verpflichtung zum Leisten von Schadensersatz dem Grunde nach in Anspruch.
- Die Klägerin ist seit dem 11.02.2015 die im Register des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragene Inhaberin (vgl. Anlage K3) des deutschen Teils des Europäischen Patents EP A (nachfolgend: Klagepatent, vorgelegt in Anlage K1 und in Übersetzung als Anlage K2). Das in englischer Verfahrenssprache erteilte Klagepatent wurde am 10.04.2003 unter Inanspruchnahme der Prioritätsdaten 23.04.2002 der JP B und 14.06.2002 der JP C angemeldet. Das Europäische Patentamt veröffentlichte am 09.06.2010 den Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents.
- Das Klagepatent steht in Kraft. Die Beklagte hat gegen das Klagepatent Nichtigkeitsklage erhoben. In dem vor dem Bundespatentgericht geführten Nichtigkeitsverfahren ist bislang noch keine Entscheidung getroffen worden.
- Die geltend gemachten Ansprüche 1 und 2 des Klagepatents lauten in der englischen Verfahrenssprache des Klagepatents wie folgt:
- „1 A motion vector decoding method for decoding a coded motion vector of a block included in a picture, the method comprising:
- Specifying neighboring blocks (B, C, D) which are located around a current block (A) to be decoded and have already been decoded;
- decoding a coded motion vector of the current block (A) so as to generate a differential motion vector; when the current block (A) has two motion vectors, each of which refers to a reference picture located in a same direction in display order, deriving a predicted motion vector of the current block (A) by using a motion vector having an identifier, which is the same as an identifier assigned to the motion vector of the current block (A), from among motion vectors of the specified neighboring blocks (B, C, D);
- and obtaining the motion vector of the current block (A) by using the predicted motion vector and the differential motion vector,
- wherein said deriving of the predicted motion vector includes: deriving, as the predicted motion vector of the current block (A), a median value of the motion vectors of the neighboring blocks (B, C, D) having the same identifier as the identifier assigned to the motion vector of the current block (A),
- characterized in that the identifier for each motion vector of the neighboring blocks (B, C, D) is assigned (S113) on a block basis according to an order in which the motion vectors of the each block appear in a bitstream.”
- “2. A motion vector decoding apparatus which decodes a coded motion vector of a block included in a picture, the apparatus comprising:
- A neighboring block specifying unit operable to specify neighboring blocks (B, C, D) which are located around a current block (A) to be decoded and have already been decoded;
- a differential motion vector decoding unit operable to decode a coded motion vector of the current block (A) so as to generate a differential motion vector;
- a predicted motion vector deriving unit operable to, when the current block (A) has two motion vectors, each of which refers to a reference picture located in a same direction in display order, derive a predicted motion vector of the current block by using a motion vector having an identifier, which is the same as an identifier assigned to the motion vector of the current block (A), from among motion vectors of the specified neighboring blocks (B, C, D);
- and a motion vector obtaining unit operable to obtain the motion vector of the current block (A) by using the predicted motion vector and the differential motion vector,
- wherein said predicted motion vector deriving unit is operable to derive, as the predicted motion vector of the current block (A), a median value of the motion vectors of the neighboring blocks (B, C, D) having the same identifier as the identifier assigned to the motion vector of the current block (A),
- characterized in that the identifier for each motion vector of the neighboring blocks (B, C, D) is assigned on a block basis according to an order in which the motion vectors of the each block appear in a bitstream.”
- In der deutschen Fassung der Ansprüche lauten die Ansprüche 1 und 2 wie folgt:
- „1. Bewegungsvektordekodierverfahren zum Dekodieren eines kodierten Bewegungsvektors eines Blocks, der in einem Bild enthalten ist, wobei das Verfahren umfasst:
- Spezifizieren von benachbarten Blöcken (B, C, D), die um einen aktuellen Block (A), der zu dekodieren ist, angeordnet und die bereits dekodiert sind,
- Dekodieren eines kodierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks, um einen differenziellen Bewegungsvektor zu erzeugen,
- Ableiten eines prädizierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A) durch Verwenden eines Bewegungsvektors mit einem Identifikator, der der gleiche ist wie ein Identifikator, der dem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks (A) zugewiesen ist, aus Bewegungsvektoren der spezifizierten benachbarten Blöcke (B, C, D), wenn der aktuelle Block (A) zwei Bewegungsvektoren aufweist, von denen jeder sich auf ein Referenzbild bezieht, das in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge angeordnet ist, und
- Beschaffen des Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A) durch Verwenden des prädizierten Bewegungsvektors und des differenziellen Bewegungsvektors,
- wobei das Ableiten des prädizierten Bewegungsvektors umfasst: Ableiten eines Medianwertes der Bewegungsvektoren der benachbarten Blöcke (B, C, D) mit dem gleichen Identifikator wie dem Identifikator, der dem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks (A) zugewiesen ist,
- dadurch gekennzeichnet, dass der Identifikator für jeden Bewegungsvektor der benachbarten Blöcke (B, C, D) auf Block-Basis entsprechend einer Reihenfolge zugewiesen wird (S113), in der die Bewegungsvektoren eines jeden Blocks in einem Bitstream erscheinen.“
- „2. Bewegungsvektordekodiervorrichtung, die einen kodierten Bewegungsvektor eines Blocks, der in einem Bild enthalten ist, dekodiert, wobei die Vorrichtung umfasst:
- eine Einheit zum Spezifizieren benachbarter Blöcke, die zum Spezifizieren von benachbarten Blöcken (B, C, D), die um einen aktuellen Block (A), der zu dekodieren ist, angeordnet und die bereits dekodiert sind, ausgestaltet ist,
- eine Einheit zum Dekodieren eines differentiellen Bewegungsvektors, die zum Dekodieren eines kodierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks, ausgestaltet ist, um einen differenziellen Bewegungsvektor zu erzeugen,
- eine Einheit zum Ableiten eines prädizierten Bewegungsvektors, die zum Ableiten eines prädizierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A) durch Verwenden eines Bewegungsvektors mit einem Identifikator, der der gleiche ist wie ein Identifikator, der dem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks (A) zugewiesen ist, aus Bewegungsvektoren der spezifizierten benachbarten Blöcke (B, C, D), ausgestaltet ist, wenn der aktuelle Block (A) zwei Bewegungsvektoren aufweist, von denen jeder sich auf ein Referenzbild bezieht, das in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge angeordnet ist,
- und eine Bewegungsvektorbeschaffungseinheit, die zum Beschaffen des Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A) durch Verwenden des prädizierten Bewegungsvektors und des differenziellen Bewegungsvektors ausgestaltet ist,
- wobei die Einheit zum Ableiten eines prädizierten Bewegungsvektors zum Ableiten eines Medianwertes der Bewegungsvektoren der benachbarten Blöcke (B, C, D) mit dem gleichen Identifikator wie dem Identifikator, der dem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks (A) zugewiesen ist, ausgestaltet ist,
- dadurch gekennzeichnet, dass der Identifikator für jeden Bewegungsvektor der benachbarten Blöcke (B, C, D) auf Block-Basis entsprechend einer Reihenfolge zugewiesen ist, in der die Bewegungsvektoren eines jeden Blocks in einem Bitstream erscheinen.“
- Der MPEG-4 Teil 10 (Part 10) Standard mit der Nummer ISO/IEC14496-10, der auch als H.264 oder MPEG-4 AVC bezeichnet wird (nachfolgend kurz: „der Standard“ oder „AVC/H.264-Standard“), ist ein Standard für die Kompression von Videodaten. Auszüge des Standards sind mit Übersetzung in den Anlage K5 und K5a zur Akte gereicht worden. Für die hier relevanten Abschnitte haben sich seit der 1. Ausgabe des Standards vom 01.12.2003 keine relevanten Änderungen gegenüber der 8. Ausgabe vom 01.09.2014 ergeben, die in Anlage K5 vorgelegt worden ist.
- Die Beklagte ist ein deutsches Unternehmen im chinesischen Konzern D. Die Beklagte vertreibt Mobiltelefone, beispielsweise die Modelle X, Y, Z, die in der Lage sind, den AVC/H.264-Standard auszuführen (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen).
- Das Klagepatent, für welches eine FRAND-Erklärung vorliegt, ist Teil eines im Jahre 2004 aufgelegten Patentpools, in dem die Benutzung des AVC/H.264-Standards betreffende Patente eingebracht worden sind (nachfolgend auch: AVC/H.264-Patentpool). In dem AVC/H.264-Patentpool befinden sich knapp über 5.000 Patente. Der Pool beinhaltet standardwesentliche Patente, wobei zwischen den Parteien streitig ist, in welchem Umfang. Nicht nur die Klägerin, sondern auch andere Patentinhaber brachten ihre Patente in den Patentpool ein. Eine Liste der Poolpatentinhaber nebst zugehörigen Poolpatenten liegt als Anlage K10 – Exhibit C (deutsche Übersetzung: Anlage K10 – Exhibit C – a) vor. Hiernach beläuft sich die Anzahl der Poolpatentinhaber auf knapp 40. Als Pooladministrator fungiert die M (nachfolgend: M).
- Auf der Internetseite der M mit der Adresse O wird der als Anlage K10 – Exhibit G (deutsche Übersetzung: Anlage K10 – Exhibit G – a) vorgelegte Lizenzvertrag als Standardlizenzvertrag (nachfolgend auch kurz: Standardlizenzvertrag oder AVC/H.264-Standardlizenzvertrag) bereitgehalten. Es existieren ca. 1.400 Lizenznehmer (vgl. Liste der Lizenznehmer, Stand Mai 2017, abrufbar unter der Internetseite der M, Anlage K10 – Exhibit F; deutsche Übersetzung: Anlage K10 – Exhibit F – a), wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob mit jedem dieser Lizenznehmer der in Bezug genommene Standardlizenzvertrag abgeschlossen worden ist. Über die Internetseite sind außerdem eine Konkordanzliste/ Cross Reference Chart mit Bezug auf einschlägige Standardabschnitte, denen die Poolpatente zugeordnet sind (Anlage K10 – Exhibit E), sowie eine Liste der Lizenzgeber (vgl. screenshot Anlage K10 – Exhibit D (deutsche Übersetzung: Anlage K10 – Exhibit D – a) abrufbar.
- Anfang des Jahres 2009 bat E, wie die Beklagte eine Tochtergesellschaft der chinesischen Muttergesellschaft D. (nachfolgend auch: Muttergesellschaft oder Mutterkonzern), M um die Zusendung von Informationen über den Patentpool, der den sog. MPEG-2 Standard betrifft. Daraufhin wies M darauf hin, dass etwaige Verhandlungen ausschließlich mit den jeweiligen Muttergesellschaften bzw. eine Lizenzierung nur gegenüber allen Konzerngesellschaften erfolgen könne. In der Folgezeit kam es zu Lizenzverhandlungen, die jedoch zu keinem erfolgreichen Ergebnis führten. Ein Streitpunkt in diesen Verhandlungen war unter anderem, dass die Muttergesellschaft eine Lizenzierung unter Ausnahme Chinas anstrebte, während die Klägerin den chinesischen Markt in die Lizenzierung einbeziehen wollte.
- Unter dem 06.09.2011 (Anlage K10 – Exhibit A; deutsche Übersetzung: Anlage K10 – Exhibit A – a) wandte sich M hinsichtlich des hier streitgegenständlichen AVC/H.264-Standards an die Muttergesellschaft der Beklagten. In der E-Mail heißt es:
Soweit im Rahmen der E-Mail auf weitere Standards („MPEG-4-Visual“ und „ VC-1“) Bezug genommen wird, sind diese vorliegend nicht streitgegenständlich. - Per E-Mail vom 15.09.2011 (Anlage B21; deutsche Übersetzung: Anlage B21a) bat Herr F, genannt „H“, in Reaktion auf die E-Mail vom 06.09.2011 um ein Telefonat zur Besprechung der Lizenzierungsfrage. In der dann folgenden Kommunikation in Bezug auf den AVC/H.264-Standard waren – wie bereits im Zusammenhang mit den Verhandlungen zu dem MPEG-2 Standard – die Lizenzierung unter Aussparung des chinesischen Marktes sowie die Lizenzvergabe an einzelne Konzernunternehmen ein Gesichtspunkt.
- Anfang Februar 2012 erhielt die Muttergesellschaft den AVC/H.264-Standardlizenzvertrag nach Anlage K10 – Exhibit G (deutsche Übersetzung: Anlage K10 – Exhibit G – a) per Post. In Ziffer 2.1 des Standardlizenzvertrags, der gemäß dessen Ziffer 8.16 dem Recht des Staates New York unterliegt, heißt es zum Umfang der Lizenz:
- „AVC Produkte(e). Vorbehaltung der Bestimmungen der vorliegenden Vereinbarungen (einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Artikel 3 und 7), gewährt der Lizenzverwalter hiermit einem Codec-Lizenznehmer eine gebührenpflichtige, weltweite, nicht ausschließliche und nicht übertragbare Unterlizenz nach allen AVC wesentlichen Patenten im AVC Patentportfolio, ein AVC Produkt herzustellen, herstellen zu lassen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten und […].“,
- wobei ein „Codec-Lizenznehmer“ gemäß Ziffer 1.17 des Standardlizenzvertrags eine Person oder einen Rechtsträger bezeichnet, der ein AVC Produkt an (i) einen Codec-Lizenznehmerkunden (vgl. dazu Ziffer 1.18 des Vertrags) bzw. (ii) einen Endkunden verkauft. Der Umfang der gewährten Lizenz ist weiter in den Ziffern 2.2 – 2.10 geregelt, auf die wegen ihres genauen Inhalts Bezug genommen wird.
- In Ziff. 3.1.1 sieht der Standardlizenzvertrag einen volumenbasierten Staffellizenzsatz in Form einer Stücklizenz sowie einen Höchstlizenzsatz wie folgt vor:
- „Vorbehaltlich der Beschränkung aus Artikel 3.1.0, ist in jedem Kalenderjahr für die nach Absatz 2.1 der vorliegenden Vereinbarung gewährte Unterlizenz bei einem Verkauf nach dem 31. Dezember 2004 eines AVC Encoders, eines AVC Decoders oder eines AVC Codec (die nachstehend in diesem Artikel als „Einheit“ bezeichnet werden) und unabhängig davon, ob eine oder mehrere Einheiten in ein einziges Produkt integriert sind, die folgende Gebühr [zu]entrichten:
- Verkauf von Einheiten in einem beliebigen Kalenderjahr nach dem 31. Dezember 2004
zu entrichtende Gebühren
0 bis 100.000 Einheiten
0,00.
100.001 bis 5.000.000 Einheiten
0,20 $ pro Einheit
Mehr als 5.000.000 Einheiten
0,10 $ pro Einheit - Die Gebühr für die nach Absatz 2.1 der vorliegenden Vereinbarung gewährte Unterlizenz übersteigt jedoch keinesfalls die nachstehend aufgeführten Beträge für den kombinierten Verkauf von AVC Produkten eines Lizenznehmers und seiner Tochtergesellschaften:
- Kalenderjahr
Zu entrichtende Gebühren nach Unternehmen pro Jahr - Verkauf 2005 und 2006
3.500.000 $
Verkauf 2007 und 2008 4.250.000 $ - Verkauf 2009 und 2010 5.000.000 $
- Verkauf zwischen 2011 und 2015 6.500.000 $
- Verkauf 2016
8.125.000 $
Verkauf zwischen 2017 und 2020
9.750.000 $.“ - Wegen des weiteren Inhalts des Standardlizenzvertrags wird auf diesen verwiesen.
- Mit E-Mail vom 21.02.2012 (Anlage B23; deutsche Übersetzung: Anlage B23a) teilte „H“ mit, dass weitere Informationen zu dem Lizenzierungsstatus der Lizenznehmer „I“ und „J.“ AVC/H.264-Patentpool benötigt werden würden. Im November 2013 endeten die Gespräche über die Vergabe einer AVC/H.264-Lizenz zunächst ohne Lizenzvergabe, bevor es im Juli 2016 zu einer erneuten Zusammenkunft zur Verhandlung über eine Lizenznahme unter anderem an dem hier streitgegenständlichen Standard kam.
- Im Rahmen des hiesigen Rechtsstreits machte die Beklagte der Klägerin mit Klageerwiderung vom 03.11.2017 ein Angebot über eine weltweite Lizenz am gesamten Portfolio der Klägerin (nachfolgend auch kurz: Gegenangebot). Das Gegenangebot liegt der Akte als Anlage B2 (deutsche Übersetzung: Anlage B2a) bei.
- Die vorgeschlagene Vereinbarung soll zwischen der Klägerin auf der einen Seite sowie der „D“., der „E und der „E.“ auf der anderen Seite bestehen und sieht einleitend eine Rückwirkung der Lizenznahme zum „XXX“ vor.
- Zum Umfang der erteilten Lizenz heißt es in Ziff. 3. (Rechtschreibfehler werden übernommen):
- Zu den Lizenzgebühren sieht das Gegenangebot in Ziff. 4.1 Folgendes vor:
- Ziffer 4.2 des Vorschlags sieht außerdem eine Rabattregelung wie folgt vor:
- Mit Schreiben vom 01.03.2018 (Anlage B55; deutsche Übersetzung: Anlage B55a) rechnete die Beklagte über die zwischen Januar 2009 und Dezember 2017 gemäß ihres Angebots (Anlage B2/ B2a) angefallenen Lizenzgebühren ab und hinterlegte mit Schreiben vom 15.03.2018 eine unwiderrufliche Bankbürgschaft der Industrial and Commercial Bank of China über einen Betrag in Höhe von USD XXX (Anlage B56; deutsche Übersetzung: Anlage B56a). Mit Schreiben vom 12.09.2018 (Anlage B67) brachte die Beklagte eine weitere Bankgarantie bei, die die (auf Grundlage ihres Gegenangebots) voraussichtlich anfallenden Lizenzgebühren für den Zeitraum Januar 2018 bis Dezember 2020 abdecken soll. Umfasst ist ein Bürgschaftsbetrag von EUR XXX
- Neben dem hier zur Entscheidung stehenden Rechtsstreit sind weitere Verfahren zwischen den Parteien im Hinblick auf ein anderes Poolpatent der Klägerin (Az.: 4a O 63/17) sowie weitere Verfahren anderer Poolmitglieder gegen die hiesige Beklagte (Az.: 4c O 3/17 und 4b O 4/17 [Klägerin jeweils: XXX], Az.: 4b O 38/17 [Klägerin: GGG], Az.: 4c O 12/17 [Klägerin FFF]) anhängig. Auch in den Verfahren gegen andere Poolmitglieder erklärte sich die Beklagte zum Abschluss individueller Portfoliolizenzverträge bereit. Daneben ist auch ein Verfahren der hiesigen Klägerin gegen die K (Az.: 4a O 16/17) anhängig.
- Die Klägerin trägt vor, das Klagepatent sei standardwesentlich für die Benutzung des AVC/H.264-Standards. Durch den Vertrieb der standard-kompatiblen angegriffenen Ausführungsforme verletze die Beklagte damit Anspruch 1 mittelbar und Anspruch 2 unmittelbar wortsinngemäß.
- Es sei patentgemäß nicht erforderlich, dass die Bewegungsvektoren selbst auf die Referenzbilder verweisen müssten; die Bewegungsvektoren müssten sich nur auf ein Referenzbild beziehen, also einem Referenzbild zugeordnet sein. Ein Bewegungsvektor gebe nach dem Klagepatent die Verschiebung der Pixel in x- und in y-Richtung an. Er beziehe sich auf ein Referenzbild, enthalte aber selbst keinen Verweis auf dieses Referenzbild; vielmehr könne die Zuordnung zu einem Referenzbild auch anders erfolgen.
- Nach dem Standard beziehen sich beim Bildreihenfolgezähler Typ2 alle Bewegungsvektoren auf Referenzbilder, die in Anzeigereihenfolge jeweils vor dem mit dem betreffenden Bewegungsvektoren zu decodieren Bild liegen; die in Anzeigereihenfolge nachfolgenden Bilder sind zum fraglichen Zeitpunkt noch nicht decodiert. Dass beim Bildreihenfolgezähler Typ 2 (pic_order_cnt_type = 2) die Ausgabereihenfolge der Dekodierreihenfolge entspricht, ergebe sich auch direkt aus den nicht-informativen Teilen des Standards (Abschnitte 8.2.1/8.2.1.3, 3.108, 7.4.3).
- Die Identifikatoren dienten dazu, eine Reihenfolge der Bewegungsvektoren anzuzeigen, indem sie angeben, ob es sich um den ersten oder zweiten Bewegungsvektor handelt. Patentgemäß könne jeder Identifikator verwendet werden, der diese Funktion erfüllt.
- Im Standard werde auf Basis des Identifikators (0 oder 1) gemäß Abschnitt 8.4.1.3.1 (dort Gleichungen 8-212 und 8-213) eine separate Medianwertbildung mit den jeweils ersten und mit den jeweils zweiten Bewegungsvektoren der Nachbarblocks durchgeführt. Auch ein deskriptiver Bezeichner sei im Maschinencode weiter enthalten, jedenfalls als Speicheradresse.
- Klagepatentgemäß werde der differenzielle Bewegungsvektor kodiert, wie es auch im Stand der Technik der Fall war. Dies zeige sich schon daran, dass anspruchsgemäß der Bewegungsvektor aus dem differenziellen Vektor beschafft werden soll. Dies zeigten auch die Abs. [0034], [0068] und [0122] der Patentbeschreibung, wonach der differenzielle Vektor im Bitstrom enthalten ist. Der Anspruch könne daher schon denklogisch nicht so verstanden werden, dass der vollständige Bewegungsvektor im Bitstrom erscheinen muss.
- Nach dem Standard (Abschnitt 8.4.1) werden die Bewegungsvektoren mvL0 und mvL1 – unstreitig – durch Addition des differenziellen Bewegungsvektors (mvd_I0) mit dem prädizierten Bewegungsvektor (mvpL0) bestimmt. Die Zuweisung der Identifikatoren mvL0 und mvL1 erfolge in Dekodierreihenfolge, nämlich so wie mvd_I0 und mvd_I1 im Bitstrom erscheinen.
- Die Klägerin ist außerdem der Auffassung, ihr stünden die geltend gemachten Ansprüche auch bei Berücksichtigung der Standardessentialität des Klagepatents zu. Die Beklagte könne sich nicht erfolgreich auf den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand berufen. Sie, die Klägerin, habe sich im Einklang mit den von der Rechtsprechung in der Rechtssache D ./ K, Az.: C-170/13, in dem Urteil vom 16.07.2015 (nachfolgend: das EuGH-Urteil) aufgestellten Grundsätzen verhalten, ohne dass die Beklagte ihrerseits ein diesen Grundsätzen entsprechendes Gegenangebot unterbreitet habe.
- Das Schreiben vom 06.09.2011 (Anlage K10 – Exhibit A/ Exhibit A – a) der M an die Muttergesellschaft sei als hinreichender Verletzungshinweis zu verstehen.
- Insoweit müsse sich die hiesige Beklagte die Vorkorrespondenz der M mit ihrer (der Beklagten) Muttergesellschaft entgegenhalten lassen.
- In diesem Zusammenhang behauptet die Klägerin – was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet –, dass die M das Mandat und die einfache Lizenz erhalten habe, namens der Patentinhaber Lizenzen an dem AVC/H.264 Patentpool zu vergeben.
- Die M sei auch in der Vergangenheit mit den übrigen AVC/H.264-Lizenznehmern so verfahren, dass sie entweder mit der Muttergesellschaft oder mit jeder Konzerngesellschaft separat verhandelt habe, um im Ergebnis zu gewährleisten, dass sämtliche einer Konzerngruppe zugehörige Gesellschaften, die patentverletzende Produkte vertreiben, von der Lizenznahme erfasst seien.
- Das Schreiben der M vom 06.09.2011 (Anlage K10 – Exhibit A/ Exhibit A – a) enthalte schließlich auch den für einen Verletzungshinweis erforderlichen Inhalt. Der konkreten Nennung der verletzenden AVC-Patente sei durch den Verweis auf die öffentlich zugängliche Webseite von M in dem Schreiben vom 14.06.2017 Genüge getan (Anlage K10).
- Im Übrigen würde sich ein Verletzungshinweis aber auch als bloße Förmelei darstellen.
- Die Beklagte bzw. die Muttergesellschaft habe auf die Verletzungsanzeige der M keine Bereitschaft bekundet, einen FRAND-gemäßen Lizenzvertrag abzuschließen. Die Bedingung der Muttergesellschaft eine Lizenz für den AVC/H.264-Standard nur dann abzuschließen, wenn man den chinesischen Markt ausspart, sei so zu verstehen gewesen, dass die Beklagte nicht lizenzwillig gewesen sei.
- Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe der Beklagten durch Übersendung des Standardlizenzvertrags im Februar 2012 ein FRAND-Grundsätzen entsprechendes Angebot unterbreitet.
- Da der Standardlizenzvertrag von nahezu 1.400 Lizenznehmern unterzeichnet worden sei, bedürfe es einer Erläuterung der Art und Weise der Berechnung nicht. Der Nachweis der FRAND-Konformität des Standardvertrags sei vielmehr dadurch geführt, dass dieser – wie die Vorlage der Standardlizenzverträge zeige – von nahezu 1.400 Lizenznehmern unverändert angenommen worden sei.
- Die Einwände der Beklagte zu den vorgelegten Standardlizenzverträgen würden kartellrechtlich relevante Unterschiede nicht aufzeigen.
- Da die genannte Anzahl von Lizenznehmern den Standardvertrag auch stets und ohne jegliche Ausnahme unverändert abgeschlossen habe, sei dieser auch weder unangemessen noch diskriminierend.
- Insbesondere hätten sämtliche Lizenznehmer den Standardlizenzvertrag unter Einschluss von Lizenzen für den chinesischen Markt (Anlage K10 – Exhibit G; deutsche Übersetzung: Anlage K10 – Exhibit G – a) akzeptiert. Ein Großteil auch des chinesischen Marktes sei lizenziert. Außer der Beklagten sind – insoweit unstreitig – die in China ansässigen Firmen „LLL“, „RRR“, „XXX“, „VVV“ und „K“ nicht lizenziert.Es laufe auch FRAND-Grundsätzen nicht zuwider, dass die AVC-Lizenzsätze für den chinesischen Markt nicht derart angepasst sind, dass sie niedriger sind. Der chinesische Markt stelle sich im Vergleich zu dem amerikanischen und dem europäischen Markt insbesondere nicht als niedrigpreisig dar. Des Weiteren würden die einheitlichen Lizenzsätze auch von sämtlichen Lizenznehmern gezahlt. Schon aus Gründen der kartellrechtlichen Gleichbehandlung könne dem Mutterkonzern der Beklagten daher keine spezifische Rate für den chinesischen Markt gewährt werden.
- Auch erweise sich die Bündelung mehrere Profile/Profilmerkmale in dem AVC/H.264-Standard nicht als diskriminierend. Es sei nicht erforderlich, dass der Lizenznehmer alle Profile/Profilmerkmale der in dem Pool eingelagerten Patente nutze, vielmehr sei maßgeblich, dass er sie nutzen und so ein AVC-fähiges Produkt auf dem Markt anbieten könne.
- Der AVC/H.264-Pool bündele auch keine essentiellen mit nicht essentiellen Patenten, vielmehr seien sämtliche eingebrachten Poolpatente standardwesentlich. Dies lasse sich auch anhand der über die Internetseite der M abrufbaren „Essentiality Cross Reference Chart“ (Anlage K10 – Exhibit E) nachvollziehen.
- Die Lizenznehmer hätten auch ausnahmslos die in Ziff. 3.1.1 vorgesehenen Höchstsätze akzeptiert.
- Weiter bedürfe es in dem Standardlizenzvertrag auch keiner Anpassungsklausel. Das Erfordernis einer solchen hänge von der in Rede stehenden Technologie und von dem konkreten Patentpool ab. Auch insoweit sei zu berücksichtigen, dass der streitgegenständliche Vertrag von einer Vielzahl von Lizenznehmern in der vorliegenden Form akzeptiert worden sei.
- Das Gegenangebot der Beklagten (Anlage B2; deutsche Übersetzung: Anlage B2a) auf Abschluss einer individuellen Portfoliolizenz widerspreche FRAND-Grundsätzen und sei zudem verspätet, weil die Beklagte ein solches im Rahmen der vorgerichtlichen Korrespondenz – insoweit unstreitig – nie geäußert hat.
- Sie, die Klägerin, sei nicht verpflichtet, der Beklagten ein Angebot über den Abschluss einer individuellen Portfoliolizenz zu unterbreiten. Der Abschluss einer individuellen Portfoliolizenz weiche von der mit nahezu 1.400 Lizenznehmern praktizierten Übung der Klägerin, ausschließlich Patente im Rahmen des AVC/H.264-Patentpools zu gewähren, ab. Es habe auch bisher kein Lizenzinteressierter bei der Klägerin um eine Portfoliolizenz nachgesucht.
- Auch seien die in dem Gegenangebot aufgeführten unterschiedlichen Lizenzraten für unterschiedliche Vertragsgebiete (USA, Europa, China) unter FRAND-Gesichtspunkten nicht gerechtfertigt. Das gelte schon in Anbetracht der nahezu 1.400 Lizenznehmer, mit denen der AVC/H.264-Standardlizenzvertrag ohne entsprechende Differenzierung bestehe. Des Weiteren seien die Durchschnittspreise in China auch mit denjenigen in USA und Europa vergleichbar. Nicht ersichtlich sei zudem, weshalb auch für alle anderen Regionen (außerhalb USA und Europa) dieselben Lizenzsätze wie in China gelten sollen.
- Es sei auch ein Schlechthin-Verbot hinsichtlich der mittelbaren Patentverletzung gerechtfertigt, da die angegriffene Ausführungsform mit zumutbaren Aufwand in patentfreie Vorrichtungen umgewandelt werden könnten.
- Das Klagepatent sei rechtsbeständig, so dass das Verfahren nicht in Bezug auf die Nichtigkeitsklage auszusetzen sei. Das Klagepatent sei nicht gegenüber der Stammanmeldung (Anlage NK3e) unzulässig erweitert und nehme das Prioritätsdatum 23.04.2002 wirksam in Anspruch. Die Lehre des Klagepatents sei auch neu gegenüber den angeführten Entgegenhaltungen, wobei (teilweise) deren Veröffentlichung von der Beklagten nicht nachgewiesen sei.
- Die Klägerin beantragt,
- wie zuerkannt;
- Hilfsweise:
- Es der Klägerin nachzulassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft abzuwenden.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- hilfsweise:
- Den Rechtsstreit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Bundespatentgerichts über die betreffend das Klagepatent beim Bundespatent anhängige Nichtigkeitsklage auszusetzen;
- weiter hilfsweise:
- Der Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.
- Die Beklagte trägt vor, das Klagepatent sei nicht standardessentiell, weshalb die Klägerin mit dem Verweis auf die Implementierung des Standards durch die angegriffenen Ausführungsformen eine Patentverletzung nicht nachweisen könne.
- Patentgemäß müsse sich der Bewegungsvektor selbst auf das Referenzbild beziehen. Dies sei im Standard nicht verwirklicht. Vielmehr sehe Abschnitt 3.89 des Standards vor, dass ein Bewegungsvektor – insoweit unstreitig – ein „Offset von Koordinaten“ bereitstellt – also eine Koordinatenverschiebung. Auf welches Bild sich die Koordinatenbewegung bezieht, ist – unstreitig – vielmehr in dem Parameter ref_IdxLo gespeichert.
- Der Standard definiere nicht, dass der aktuelle Block zwei Bewegungsvektoren aufweist, von denen sich jeder auf ein Referenzbild bezieht, das in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge angeordnet ist. Diese gehe nicht aus Abschnitt 8.2.1.3 des Standards hervor. Die „ANMERKUNG 3“, auf die sich die Klägerin ergänzend beruft, sei kein integraler Teil des Standards.
- Der Standard enthalte auch deshalb nicht die Lehre des Klagepatents, weil standardgemäß nicht vorgesehen sei, dass dem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks ein Identifikator zugewiesen wird. Das Klagepatent verlange, dass den Bewegungsvektoren Identifikatoren zugewiesen werden, die dann zusammen mit den Bewegungsvektoren abgespeichert werden. Etwa in Abs. [0090] des Klagepatents werde die patentgemäße Zuweisung von Identifikatoren klar von solchen (nicht beanspruchten) Verfahren abgegrenzt, bei denen verschiedene Speicherorte vorher bestimmt sind. Bei den Identifikatoren (IDs) müsse es sich patentgemäß um selbstständige Informationen handeln, die zusammen mit den Bewegungsvektoren gespeichert werden.
- Die Beklagte bestreitet, dass standardgemäß Bewegungsvektoren Identifikatoren im Sinne des Klagepatents zugewiesen werden. Vielmehr würden vorher definierte Speicherorte verwendet. Die Kennungen (X = 0 oder 1) seien zudem für eine Zuordnung nicht erforderlich. Die Bezeichner 0 und 1 (für die Variable X) seien bloße Symbole, um die beiden Bewegungsvektoren auf rein deskriptiver Ebene des Standards zu unterscheiden. Ein technischer Effekt sei mit diesen Symbolen nicht verbunden.
- Der Wortlaut des Anspruchs erfordere, dass die Bewegungsvektoren selbst in einem Bitstrom erscheinen; nicht patentgemäß seien dagegen reine Bewegungsvektordifferenzen im Bitstrom. Die Kodierung von Bewegungsvektoren im Bitstrom als Differenzvektoren diskutiere das Klagepatent nur im Zusammenhang mit dem Stand der Technik in Abs. [0003]. Es sei dem Klagepatent nicht zu entnehmen, dass statt der Bewegungsvektoren anspruchsgemäß nur die differenziellen Bewegungsvektoren im Bitstrom erscheinen können. Das Klagepatent stelle auf die Nachbarblöcke des aktuellen Blocks ab; deren Bewegungsvektoren müssten in einer bestimmten Weise im Bitstrom erscheinen. Da der Zusatz „kodiert“ im Anspruchswortlaut fehle, gehe es um unkodierte Bewegungsvektoren der Nachbarblöcke im Bitstrom.
- Das vom Standard vorgeschriebene, bloße Erscheinen von Bewegungsvektordifferenzen im Bitstrom (Abschnitte 7.3.5.1 und 7.3.5.2) sei damit nicht als patentgemäß anzusehen.
- Die Beklagte erhebt zudem den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand (FRAND-Einwand) und ist der Auffassung, die Klägerin habe sich nicht entsprechend der Vorgaben des EuGH-Urteils verhalten.
- Die Beklagten sind der Auffassung, eine im Sinne der EUGH Entscheidung E/ K hinreichende Verteidigungsanzeige liege nicht vor.
- Unbeschadet dessen, dass eine Kontaktaufnahme der Klägerin an die Beklagte zu keinem Zeitpunkt erfolgt ist, fehle es auch an einer Liste, die zumindest einige Patente repräsentativ nenne, sowie an einer Gegenüberstellung der einzelnen Patentansprüche mit den entsprechenden Passagen des Standards. Ein bloßer Verweis auf die über die Webseite der M abrufbaren Informationen mit Schreiben vom 14.06.2017 (Anlage K10/ Anlage K10a) genüge insoweit nicht.
- Auch fehle es an jeder Erläuterung dazu, durch welche konkrete Handlung das Klagepatent verletzt worden sein soll.
- Ihre, der Beklagten, Lizenzwilligkeit sei in der E-Mail vom 15.09.2011 (Anlage B21/ Anlage B21a) hinreichend zum Ausdruck gekommen.
- Weiter fehlt es nach Ansicht der Beklagten auch an einem FRAND-gemäßen Angebot der Klägerin.
- Unbeschadet dessen, dass die Vertretungsbefugnis von M für die Klägerin nicht erkennbar sei, habe M durch die bloße Übersendung der Standardlizenzverträge kein wirksames FRAND-Angebot zum Abschluss eines Lizenzvertrags vorgelegt. Diese Mustervertragsbedingungen könnten nur als Grundlage für weitere Verhandlungen über eine mit der Beklagten konkret zu vereinbarende Lizenz verstanden werden. Das zugesandte Formular ist – was unstreitig ist – auch nicht unterschrieben gewesen.
- Auch ergebe sich aus dem Vertrag die Art und Weise der Berechnung der Standardlizenzgebühr nicht hinreichend, weil die Umstände, die die Vergütungsfaktoren (Umsatz als Bezugsgröße, Staffellizenzsatz) als diskriminierungs- und ausbeutungsfrei erscheinen lassen, nicht angeführt werden.
- In diesem Zusammenhang könne sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass der Standardlizenzvertrag von einer Vielzahl von Lizenznehmern (nahezu 1.400) akzeptiert worden sei. (…)
Selbst dann, wenn man den von M zugesandten Standardlizenzvertrag als Angebot ausreichen lasse, sei dieses unfair/unangemessen und diskriminierend. - Das ergebe sich bereits daraus, dass das Musterformular die Vergabe einer weltweiten Lizenz davon abhängig macht, dass auch lizenzpflichtige Verkäufe in China umfasst sind. In diesem Zusammenhang behauptet die Beklagte, die Klägerin habe bisher keinen Lizenzvertrag über die AVC/H.264-Technologie mit einem chinesischen Hersteller von Mobilfunkgeräten geschlossen, der auch Verkäufe in China umfasse.
- Eine weitere Diskriminierung des Angebots der Klägerin auf Grundlage des Standardlizenzvertrags ergebe sich daraus, dass dieser die unterschiedlichen Absatzmärkte mit sehr unterschiedlichen Verkaufspreisen und die daraus folgenden Differenzen im Lizenzniveau nicht berücksichtige. Bei Anwendung eines einheitlichen weltweiten Lizenzsatzes auch auf Endgeräteverkäufe in China entstehe bei dortigen Verkäufen im Verhältnis zum Verkaufspreis eine höhere Lizenzbelastung. Denn die auf dem chinesischen Markt erzielten Umsätze würden deutlich hinter denjenigen auf anderen Märkten (USA, Deutschland) zurückbleiben, weil bei einem technisch gleichwertigen Gerät auf diesen anderen Märkten höhere Verkaufspreise erzielt werden könnten. Innerhalb der Industrie herrsche deshalb Einigkeit, dass China-spezifische Lizenzraten zu vereinbaren seien.
- Ein Bedürfnis für von den Standardlizenzsätzen abweichende Lizenzraten für China ergebe sich weiter auch daraus, dass M die überwiegende Mehrheit der durch den Pool verwalteten Patente gerade nicht in China, sondern in hochpreisigen Märkten halte.
- Der Effekt der Ungleichbehandlung werde weiter dadurch verstärkt, dass der AVC/H.264-Standard verschiedene Profile aufweist und der AVC/H.264-Patentpool diese Profile/ Substandards und Patente bündelt. Die angegriffenen Ausführungsformen aber würden im Allgemeinen nur einige ausgewählte Profile umsetzen. Dies bringe Vorteile für Multiproduktanbieter, die neben mobilen Endgeräten weitere AVC-fähige Produkte (TV-Geräte, HD-Set-Top-Boxen-HD-Monitore usw.) anbieten, benachteilige jedoch Anbieter wie die Beklagte, die ausschließlich mobile Endgeräte und Tablet-PCs vertreibt.
- Eine kartellrechtswidrige Zusammensetzung des Pools ergebe sich weiter auch daraus, dass darin in wesentlichem Umfang für den Standard nicht-wesentliche Patente enthalten seien. In diesem Zusammenhang verweist die Beklagte auf eine Analyse und Stellungnahme des Beratungsunternehmens U(Anlage B37, Anlage B38; deutsche Übersetzungen: Anlage B37a, Anlage B38a) sowie einer korrigierten Auswertung (Anlage B50; deutsche Übersetzung: Anlage B50a). Danach seien unter anderem die von der Klägerin in den Pool eingebrachten Patente zu XXX % nicht essentiell. Weitere Poolmitglieder mit ausschließlich nicht essentiellen Schutzrechten seien XXX, UUU ÖÖÖ und EEE. Der Gesamtanteil nicht essentieller Patente in dem Pool liege bei XXX %.
- Einen weiteren Anknüpfungspunkt für den diskriminierenden Charakter des Angebots erblickt die Beklagte darin, dass der Standardlizenzvertrag Höchstsätze („royalty caps“) vorsieht, über die eine jährliche Deckelung der Lizenzgebühren bewirkt wird. Dadurch würden – so die Beklagte – großvolumige Lizenznehmer mit hohen Absatzzahlen überproportional begünstigt. Das gelte insbesondere für solche Lizenznehmer, die – anders als die Beklagte – nicht ausschließlich die Mobilfunkpatente und -profile, sondern auch die Patente und Profile des Standards nutzen, die andere Anwendungen (Digital-TV oder Digitalkameras) betreffen.
- Auch laufe es FRAND-Grundsätzen zuwider, dass das an dem Standardlizenzvertrag orientierte Angebot der Klägerin keine Anpassungsklausel für den Fall, dass bei der Lizenzierung berücksichtigte Patente später rechtskräftig vernichtet werden, vorsieht.
- Unabhängig von der FRAND-Gemäßheit der Poollizenz hätte die Klägerin jedenfalls auf die Nachfrage der Beklagten ein Angebot zum Abschluss eines Lizenzvertrags allein über ihr Patentportfolio machen müssen – sowie es auch das Gegenangebot der Beklagten vorsieht.
- Dieses erweise sich auch im Übrigen als FRAND-gemäß, insbesondere auch insoweit wie es bei der Höhe der Lizenzgebühren nach Vertriebshandlungen in den USA, Europa und „China und anderen Ländern“ differenziert.
- Das beantragte Schlechthinverbot sei unverhältnismäßig und nicht gerechtfertigt. Es sei nicht ausreichend vorgetragen, dass Abnehmer sich von einem Warnhinweis nicht von einer patentverletzenden Nutzung abhalten lassen würden.
- Jedenfalls sei der Rechtsstreit im Hinblick auf die anhängige Nichtigkeitsklage auszusetzen, da das Klagepatent nicht rechtsbeständig sei und daher mit hoher Wahrscheinlichkeit für nichtig erklärt werden werde.
- Das Klagepatent sei gegenüber der Stammanmeldung EP L unzulässig erweitert.
- Es sei für den Stand der Technik auf den Zeitrang der internationalen Anmeldung (10.04.2003) abzustellen. Daher gehöre der im März 2003 veröffentlichte Standardentwurf JVT-GO50 (Anlage NK5) zum Stand der Technik und nehme das Klagepatent neuheitsschädlich hinweg. Das Klagepatent nehme das angegebene Prioritätsdatum nicht wirksam in Anspruch. Der Begriff „entsprechend einer Reihenfolge in der die Bewegungsvektoren eines Blocks in einem Bitstrom erscheinen“ finde sich in keinem der Prioritätsdokumente (Anlage NK3c/NK3d).Unabhängig von der Wirksamkeit der Priorität nehme der Standardentwurf JVT-B118r7 (Anlage NK8) die Lehre des Klagepatents neuheitsschädlich vorweg.
- Schließlich sei das Klagepatent ebenfalls nicht neu gegenüber der Standardeingabe VCEG-N40 (Anlage NK10), der auf den Standardentwurf TML-8 (Anlage NK11) Bezug nimmt, wodurch eine einheitliche Offenbarungsquelle vorliege.
- Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.10.2018 Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Die zulässige Klage ist begründet. Die angegriffenen Ausführungsformen verletzen das Klagepatent (hierzu unter I.). Der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand greift nicht durch (hierzu unter II.), so dass der Klägerin gegen die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, Abs. 2, 140a Abs. 1, Abs. 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zustehen (hierzu unter III.). Im Rahmen des der Kammer nach § 148 ZPO zustehenden Ermessens wird das Verfahren nicht im Hinblick auf das gegen das Klagepatent anhängige Nichtigkeitsverfahren ausgesetzt (hierzu unter IV.).
- I.
Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen Anspruch 1 des Klagepatents mittelbar und Anspruch 2 unmittelbar. Die Nutzung des von den angegriffenen Ausführungsformen implementierten AVC/H.264-Standards bedingt die Benutzung der Lehre des Klagepatents. - 1.
Das Klagepatent (nachfolgend nach Abs. der deutschen Übersetzung in Anlage K2 zitiert, ohne das Klagepatent dabei stets ausdrücklich zu nennen) betrifft Verfahren zum Kodieren und Dekodieren von Bewegungsvektorinformationen beim Kodieren und Dekodieren von Bewegtbildern (Videos) unter Verwendung von Inter-Bild-Prädiktionskodierung. - In seiner einleitenden Beschreibung erläutert das Klagepatent, dass beim Kodieren von Bewegtbildern im Allgemeinen der Informationsbetrag komprimiert werde, indem räumliche und zeitliche Redundanzen innerhalb der Bewegtbilder unterdrückt werden.
- a)
Ein Verfahren zur Unterdrückung der zeitlichen Redundanzen ist die Inter-Bild-Prädiktionskodierung. Hierbei werden zum Kodieren eines aktuellen Bildes die Bilder, die dem aktuellen Bild zeitlich vorhergehen oder nachfolgen, als Referenzbilder genutzt. Die Bewegung des aktuellen Bildes aus den Referenzbildern wird detektiert und die Differenz zwischen dem durch Bewegungskompensation erhaltenen Bild und dem aktuellen Bild berechnet. Dann wird aus dieser Differenz die räumlichen Redundanzen eliminiert, um den Informationsbetrag der Bewegtbilder zu komprimieren (Abs. [0002]). - Beim herkömmlichen Bewegtbildkodierverfahren etwa nach dem MPEG 4-Standard gibt es drei Typen von Bildern (Abs. [0003]): I-Bilder (intrakodierte Bilder) sind zwar intrakodiert; sie werden jedoch ohne Verwendung der Inter-Bild-Prädizierung kodiert;
- P-Bilder (prädizierte Bilder) werden mittels Inter-Bild-Prädizierung mit Bezug auf ein vorhergehendes Bild kodiert;
- B-Bilder (bidirektional prädizierte Bilder) werden mittels Inter-Bild-Prädizierung mit Bezug auf ein vorhergehendes Bild (I-Bild oder B-Bild) und ein nachfolgendes Bild (I-Bild oder P-Bild) kodiert.
- Dies erläutert das Klagepatent anhand der nachfolgend verkleinert eingeblendeten Figur 15:
- Fig. 15 zeigt vorhersagbare Beziehungen zwischen entsprechenden Bildern im oben genannten Bewegtbild-Kodierverfahren. Die vertikalen Linien in Fig. 15 stellen Bilder dar, wobei an der unteren rechten Seite der jeweiligen Bilder dessen Bildtyp (I, P und B) angegeben ist. Die Bilder an den Pfeilspitzen werden durch Inter-Bild-Prädiktionskodierung mit Bezug auf die Bilder an den anderen Enden der Pfeile kodiert. Zum Beispiel wird das zweite Bild (B-Bild) kodiert, indem das erste Bild (I-Bild) und das vierte Bild (P-Bild) als Referenzbilder verwendet werden (Abs. [0003]).
- b)
Bei der Kodierung werden Bewegungsvektoren für Blöcke verwendet. Blöcke sind dabei Teilbereiche des Bildes und können beispielsweise aus 8×8 Bildpunkten (Pixeln) bestehen. Der Bewegungsvektor eines Blocks zeigt durch Angabe der verschobenen Pixel in X- und in Y-Richtung an, wie sehr sich dieser Block im Vergleich zum Referenzbild verschoben hat.Um hierbei den Kodierungsbetrag (also die zu kodierende Datenmenge) zu reduzieren, wird nach dem MPEG-4-Standard nicht der Bewegungsvektor eines aktuellen Blocks selbst kodiert, sondern nur die Differenz zwischen dem (tatsächlichen) Bewegungsvektor des aktuellen Blocks und einem hierzu prädizierten Vektor. Dieser prädizierte Vektor wird aus den Bewegungsvektoren für die benachbarten Blocks des aktuellen Blocks erhalten. Weil diese Bewegungsvektoren der benachbarten Blocks (aus denen der prädizierte Vektor wird) normalerweise eine ähnliche Größe und Richtung der Bewegung auf der räumlichen Koordinate zu den Bewegungsvektoren für den aktuellen Block aufweisen, kann der Kodierungsbetrag der Bewegungsvektoren durch Berechnen der Differenz aus dem prädizierten Vektor, der aus den Bewegungsvektoren der benachbarten Blocks erhalten wird, reduziert werden (Abs. [0004]). Wenn sich also ein Block in der gleichen Weise bewegt wie dessen benachbarte Blocks, wird der tatsächliche Bewegungsvektor des Blocks dem prädizierten Vektor entsprechen. Die zu kodierende Differenz ist in diesem Fall null – so dass nur eine entsprechend geringe Datenmenge kodiert werden muss. - Die Kodierung von Bewegungsvektoren nach MPEG-4 erläutert das Klagepatent (Abs. [0004]) unter Bezugnahme auf die Figuren 16A bis 16D, die nachfolgend verkleinert eingeblendet werden:
- In diesen Abbildungen sind halbfett angegebene Blocks Makroblocks von 16×16 Pixel, wobei in jedem Makroblock 4 Blocks von 8×8 Pixel vorhanden sind. In den Figuren 16A-D ist der Bewegungsvektor (MV) jedes Blocks auf der Basis der Differenz aus dem prädizierten Vektor kodiert. Der prädizierte Vektor wiederum wird aus den Bewegungsvektoren (MV1, MV2 und MV3) der drei benachbarten Blocks erhalten. Für das Erhalten des prädizierten Vektors werden Medianwerte genutzt, die jeweils aus den horizontalen und vertikalen Komponenten dieser drei Bewegungsvektoren MV1, MV2 und MV3 berechnet werden.
- c)
Das Klagepatent erläutert in Abs. [0005] ferner, dass im Verfahren H.26L ein neues Kodierverfahren von B-Bildern vorgeschlagen wird. Wie bereits erwähnt, werden B-Bilder üblicherweise mittels Inter-Bild-Prädizierung kodiert, indem ein vorhergehendes Bild und ein nachfolgendes Bild als Referenzbilder genutzt werden. Nach dem neuen Kodierverfahren werden B-Bilder dagegen kodiert, indem zwei vorhergehende Bilder, zwei nachfolgende Bilder oder ein vorhergehendes Bild und ein nachfolgendes Bild verwendet werden (wobei die Referenzbilder alle jeweils vorher kodiert worden sind). - Nach den ersten beiden Möglichkeiten, also bei zwei vorhergehenden oder zwei nachfolgenden Bildern als Referenzbilder, stellt sich nach der Beschreibung des Klagepatents ein Problem: Wenn die benachbarten Blocks in einem B-Bild jeweils zwei Bewegungsvektoren in Richtung der vorhergehenden Referenzbilder oder zwei Bewegungsvektoren in Richtung der folgenden Referenzbilder aufweisen, ist es bei dem herkömmlichen Bewegungsvektorkodierverfahren keine bestimmte und vereinheitlichte Methode zur Bestimmung, welcher dieser zwei Vektoren als ein prädizierter Vektor verwendet werden soll. Das Klagepatent kritisiert, dass es insofern kein effizientes Kodierverfahren des bestimmten Bewegungsvektors gibt (Abs. [0007]).
- Mit anderen Worten: Es entsteht ein Problem, wenn ein B-Bild verwendet wird, bei denen als Referenzbilder entweder zwei vorhergehende oder zwei nachfolgende Bilder verwendet werden. In diesem Fall gibt es für die benachbarten Blocks des aktuellen Blocks jeweils zwei Bewegungsvektoren „in eine Richtung“, die für das Erhalten des prädizierten Vektors verwendet werden könnten.
- d)
Das Klagepatent nennt es in Abs. [0009] als dessen Aufgabe (technisches Problem), das oben geschilderte Problem zu lösen, und ein Bewegungsvektorkodierverfahren und eines Bewegungsvektordekodierverfahren bereitzustellen, die das Verfahren zum Bestimmen eines prädizierten Vektors zum Kodieren eines Bewegungsvektors vereinheitlichen und die Vorausberechenbarkeit verbessern können. - 2.
Zur Lösung schlägt das Klagepatent ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Dekodierung gemäß der Ansprüche 1 und 2 vor. Diese Ansprüche lassen sich in Form von Merkmalgliederungen wie folgt darstellen: - Anspruch 1:
- Bewegungsvektordekodierverfahren zum Dekodieren eines kodierten Bewegungsvektors eines Blocks, der in einem Bild enthalten ist.
- Das Verfahren umfasst:
- 1 Spezifizieren von benachbarten Blöcken (B, C, D).1.1 Die benachbarten Blöcke (B, C, D) sind um einen aktuellen Block (A), der zu dekodieren ist, angeordnet.
- 1.2 Die benachbarten Blöcke (B, C, D) sind bereits dekodiert.
- 2 Dekodieren eines kodierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A),
- 2.1 um einen differenziellen Bewegungsvektor zu erzeugen.
- 3 Ableiten eines prädizierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A)
- 3.1 Das Ableiten des prädizierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A) erfolgt, wenn der aktuelle Block (A) zwei Bewegungsvektoren aufweist, von denen jeder sich auf ein Referenzbild bezieht, das in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge angeordnet ist.3.2 Das Ableiten des prädizierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A) erfolgt durch Verwenden eines Bewegungsvektors mit einem Identifikator aus Bewegungsvektoren der spezifizierten benachbarten Blöcke (B, C, D).
- 3.2.1 Der verwendete Identifikator ist der gleiche wie ein Identifikator, der dem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks (A) zugewiesen ist.
- 3.2.2 Der Identifikator wird für jeden Bewegungsvektor der benachbarten Blöcke (B, C, D) auf Block-Basis entsprechend einer Reihenfolge zugewiesen (S113), in der die Bewegungsvektoren eines jeden Blocks in einem Bitstream erscheinen.
- 3.3 Das Ableiten des prädizierten Bewegungsvektors umfasst: Ableiten eines Medianwertes der Bewegungsvektoren der benachbarten Blöcke (B, C, D) mit dem gleichen Identifikator wie dem Identifikator, der dem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks (A) zugewiesen ist.
- 4 Beschaffen des Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A)
- 4.1 durch Verwenden des prädizierten Bewegungsvektors und des differenziellen Bewegungsvektors.
- Anspruch 2:
- Bewegungsvektordekodiervorrichtung, die einen kodierten Bewegungsvektor eines Blocks, der in einem Bild enthalten ist, dekodiert.
- Die Vorrichtung umfasst:
- 1 Eine Einheit zum Spezifizieren benachbarter Blöcke, die zum Spezifizieren von benachbarten Blöcken (B, C, D), ausgestaltet ist.
- 1.1 Die benachbarten Blöcke (B, C, D) sind um einen aktuellen Block (A), der zu dekodieren ist, angeordnet.
- 1.2 Die benachbarten Blöcke (B, C, D) sind bereits dekodiert.
- 2 Eine Einheit zum Dekodieren eines differenziellen Bewegungsvektors, die zum Dekodieren eines kodierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks, ausgestaltet ist,
- 2.1 um einen differenziellen Bewegungsvektor zu erzeugen.
- 3 Eine Einheit zum Ableiten eines prädizierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A), die zum Ableiten eines prädizierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A) ausgestaltet ist.
- 3.1 Das Ableiten des prädizierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A) erfolgt, wenn dieser zwei Bewegungsvektoren aufweist, von denen jeder sich auf ein Referenzbild bezieht, das in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge angeordnet ist.
- 3.2 Das Ableiten des prädizierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A) erfolgt durch Verwenden eines Bewegungsvektors mit einem Identifikator aus Bewegungsvektoren der spezifizierten benachbarten Blöcke (B, C, D).3.2.1 Der verwendete Identifikator ist der gleiche wie ein Identifikator, der dem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks (A) zugewiesen ist.
- 3.2.2 Der Identifikator wird für jeden Bewegungsvektor der benachbarten Blöcke (B, C, D) auf Block-Basis entsprechend einer Reihenfolge zugewiesen, in der die Bewegungsvektoren eines jeden Blocks in einem Bitstream erscheinen.
- 3.3 Die Einheit zum Ableiten eines prädizierten Bewegungsvektors ist zum Ableiten eines Medianwertes der Bewegungsvektoren der benachbarten Blöcke (B, C, D) mit dem gleichen Identifikator wie dem Identifikator, der dem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks (A) zugewiesen ist, ausgestaltet.
- 4 Eine Bewegungsvektorbeschaffungseinheit, die zum Beschaffen des Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A)
- 4.1 durch Verwenden des prädizierten Bewegungsvektors und des differenziellen Bewegungsvektors ausgestaltet ist.
- 3.
Das mit Anspruch 1 geschützte Verfahren basiert wie die im Stand der Technik bekannten Verfahren darauf, dass nicht der gesuchte Bewegungsvektor des aktuellen Blocks kodiert und dann übertragen oder auf einem Speichermedium gespeichert wird. Dieser Bewegungsvektor wird vielmehr bei der Dekodierung aus einem errechneten prädizierten Bewegungsvektor und dem kodierten (übertragenen / gespeicherten) differenziellen Vektor erzeugt (vgl. Merkmal 4). Der prädizierte Bewegungsvektor gibt eine abgeleitete Erwartung an, welchen Betrag der Bewegungsvektor des aktuellen Blocks haben könnte. Der differenzielle Bewegungsvektor gibt dagegen die Abweichung zwischen der abgeleiteten Erwartung und dem tatsächlichen Betrag des gesuchten Bewegungsvektors des Blocks an. Hierdurch wird die Menge der zu übertragenen oder zu speichernden Daten reduziert. - Wie aus Merkmal 4 ersichtlich ist, soll der Bewegungsvektor des aktuellen Blocks dadurch beschafft werden, dass man den prädizierten Bewegungsvektor und den differenziellen Bewegungsvektor verwendet (Merkmal 4.1). „Verwenden“ versteht der Fachmann hierbei beispielsweise als Addieren des differenziellen Bewegungsvektors und des prädizierten Bewegungsvektors.
- Die Gewinnung des hierfür erforderlichen „differenziellen Bewegungsvektor“ wird von Merkmalsgruppe 2 vorgegeben. Hiernach soll der kodierte Bewegungsvektor des aktuellen Blocks dekodiert werden, um den differenziellen Bewegungsvektor zu erzeugen. Zwar heißt es in Merkmal 2 wie in Merkmal 4 oder im einleitenden Merkmal „kodierter Bewegungsvektor“. Der Fachmann erkennt aber, dass es sich hierbei um verschiedene Vektoren handelt. Denn könnte der gesuchte Bewegungsvektor durch eine Dekodierung nach Merkmal 2 erhalten werden, wären die übrigen Merkmale überflüssig. Der in Merkmal 2 genannte kodierte Bewegungsvektor ist daher als der kodierte differenzielle Bewegungsvektor zu verstehen, der ja auch nach Merkmal 2 das Ergebnis der Dekodierung ist.
- Wie der „prädizierte Bewegungsvektor“ erhalten wird, ist demgegenüber Gegenstand der Merkmalsgruppen 1 und 3. Vereinfacht gesagt basiert der prädizierte Bewegungsvektor auf den Bewegungsvektoren benachbarter Blöcke, die um den aktuellen Block angeordnet sind. Merkmalsgruppe 1 gibt dabei vor, von welchen Blöcken die Bewegungsvektoren verwendet werden. Es handelt sich dabei um benachbarte Blöcke des aktuellen Blocks, die schon dekodiert sind (Merkmale 1.1/1.2).
- Die eigentliche Ableitung des prädizierten Bewegungsvektors wird von Merkmalsgruppe 3 vorgegeben. Das Verfahren zur Ableitung ist für solche Ausgestaltungen ausgelegt, bei denen der aktuelle Block zwei Bewegungsvektoren aufweist, die sich beide auf Referenzbilder in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge beziehen – also auf zwei vorhergehende oder zwei nachfolgende Referenzbilder (Merkmal 3.1). Dies erfasst zwei der drei möglichen Varianten der „neuen“ B-Bilder, wie sie in der einleitenden Beschreibung (vgl. Abs. [0005]) präsentiert werden. Hier haben die benachbarten Blöcke ebenfalls zwei Referenzbilder in derselben Richtung und damit auch jeweils zwei Bewegungsvektoren.
- In diesem Fall wird anspruchsgemäß (Merkmale 3.2 bis 3.2.2) ein Identifikator verwendet, um die passenden Bewegungsvektoren der benachbarten Blöcke auszuwählen. Der prädizierte Bewegungsvektor des aktuellen Blocks wird jeweils aus den Bewegungsvektoren benachbarter Blöcke erzeugt, die den gleichen Identifikator aufweisen. So ist sichergestellt, dass die beiden prädizierten Bewegungsvektoren des aktuellen Blocks jeweils aus derjenigen Gruppe Bewegungsvektoren benachbarter Blöcke abgeleitet werden, die sich jeweils auf dasselbe Referenzbild beziehen. Die Zuweisung der Identifikatoren zu den Bewegungsvektoren der benachbarten Blöcke und damit die Unterscheidung nach Referenzbildern erfolgt dabei auf Basis des Erscheinens der Bewegungsvektoren der Blocks im Bitstrom (Merkmal 3.2.2).
- 4.
Bei der Nutzung des Standards wird von dem durch Anspruch 1 des Klagepatents geschützten Verfahren wortsinngemäß Gebrauch gemacht. - a)
Die Verwirklichung von Merkmal 3.1 lässt sich feststellen. - aa)
Bei Merkmal 3.1, - „3.1 Das Ableiten des prädizierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A) erfolgt, wenn der aktuelle Block (A) zwei Bewegungsvektoren aufweist, von denen jeder sich auf ein Referenzbild bezieht, das in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge angeordnet ist“,
- ist zwischen den Parteien zunächst streitig, wann sich ein Bewegungsvektor „auf ein Referenzbild bezieht“ (hierzu unter (1)). Weiterhin bemängelt die Beklagte, es sei nicht am Standard nachgewiesen, dass „der aktuelle Block zwei Bewegungsvektoren aufweist, von denen sich jeder auf ein Referenzbild bezieht, das in der gleichen Richtung der Anzeigenreihenfolge angeordnet ist“ (hierzu unter (2)).
- (1)
Entgegen der Auffassung der Beklagten erfordert Merkmal 3.1 mit der Vorgabe, dass sich die Bewegungsvektoren (des aktuellen Blocks) auf ein Referenzbild beziehen, nicht, dass der Bewegungsvektor selbst eine Zuordnung zu einem Referenzbild enthält. Der Anspruchswortlaut gibt hierfür keinen Anhaltspunkte. Ein Bewegungsvektor ist nach dem Klagepatent nur die Angabe einer Koordinatenverschiebung (in X- und Y-Richtung; vgl. Abs. [0004], [0011] und [0070]) verglichen mit einem Referenzbild. Diese Verschiebung muss sich notwendigerweise einem bestimmten Referenzbild zuordnen lassen. Damit wird aber vom Klagepatent keine Aussage darüber getroffen, auf welche Weise diese Beziehung hergestellt werden soll. Dass der Bewegungsvektor selbst „sein“ Referenzbild angeben muss, lässt sich dem Klagepatent nicht entnehmen. Wie diese Zuordnung vorgenommen wird, ist vielmehr dem Können des Fachmanns überlassen. - Die Auffassung der Beklagten lässt sich auch nicht mit Verweis auf Fig. 4A-C stützen. Dass in der Tabelle jeweils das Referenzbild zusammen mit dem Vektor angegeben ist, ermöglicht nicht den Schluss, dass die Bewegungsvektoren die Information enthalten, auf welches Referenzbild sie sich beziehen. Zudem handelt es sich um ein Ausführungsbeispiel, welches den vorstehend ermittelten, weiteren Wortsinn des Anspruchs nicht beschränkten könnte.
- (2)
Voraussetzung für das Verfahren nach Merkmalsgruppe 3 ist weiterhin, dass sich die beiden Bewegungsvektoren eines Blocks sich jeweils auf ein Referenzbild beziehen und diese beiden in Bezug genommenen Referenzbilder zudem in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge angeordnet sind. Damit wird die im Stand der Technik angesprochene Problematik aufgegriffen, dass sich bei den neuen „B-Bildern“ beide Referenzbilder vor oder nach dem aktuellen Bild befinden können. Ein Beispiel hierfür zeigt Fig. 5, bei der die Referenzbilder P4 und P7 beide in Vorwärtsrichtung angeordnet sind (vgl. Abs. [0021] und [0028] a.E.). - bb)
Auf Grundlage der vorstehenden Erwägungen lässt sich die Verwirklichung von Merkmal 3.1 im AVC/H.264-Standard feststellen. - (1)
Die Bewegungsvektoren beziehen sich im Standard auf Referenzbilder. Wie dargestellt ist hierfür nicht erforderlich, dass diese Beziehung aus dem Bewegungsvektor selbst hervorgeht. Im Standard zeigt der Parameter ref_IdxLo („Referenzindex“) an, auf welches (Referenz-) Bild die vom Bewegungsvektor beschriebene Koordinatenverschiebung anzuwenden ist. - (2)
Die beiden Bewegungsvektoren eines Blocks beziehen sich im Standard auch auf zwei Referenzbilder, die beide in der gleichen Richtung in der Anzeigenreihenfolge angeordnet sind. Beim Bildreihenfolgenzähler Typ2 (pic_order_cnt_type = 2 in Abschnitt 8.2.1.3) beziehen sich alle Bewegungsvektoren auf Referenzbilder, die in Anzeigereihenfolge jeweils vor dem Bild mit dem aktuellen Bewegungsvektor liegen. - Dies geht zunächst aus der Anmerkung 3 davor; der Hinweis der Beklagten, dass diese Anmerkung einen nur informativen Charakter hat, stellt kein taugliches Bestreiten dar. Denn die Beklagte trägt nicht vor, dass diese Anmerkung die Kodierung nach dem Standard unzutreffend wiedergibt.
- Die Klägerin hat ferner anhand anderer Standardstellen aufgezeigt, dass beim Bildreihenfolgezähler Typ2 sich Bewegungsvektoren auf zwei Referenzbilder beziehen können, die in Anzeigereihenfolge vor dem Bild liegen, für das der gesuchte Bewegungsvektor verwendet wird. Dem ist die Beklagte nicht mehr entgegen getreten.
- b)
Bei der Implementierung des Standards wird auch Merkmal 3.2.1 verwirklicht. Insofern besteht zwischen den Parteien Streit über die Zuweisung eines Identifikators. - aa)
Die Merkmale 3.2.1, 3.2.2 und 3.3, - „3.2.1 Der verwendete Identifikator ist der gleiche wie ein Identifikator, der dem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks (A) zugewiesen ist.
- 3.2.2 Der Identifikator wird für jeden Bewegungsvektor der benachbarten Blöcke (B, C, D) auf Block-Basis entsprechend einer Reihenfolge zugewiesen (S113), in der die Bewegungsvektoren eines jeden Blocks in einem Bitstream erscheinen.
- 3.3 Das Ableiten des prädizierten Bewegungsvektors umfasst: Ableiten eines Medianwertes der Bewegungsvektoren der benachbarten Blöcke (B, C, D) mit dem gleichen Identifikator wie dem Identifikator, der dem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks (A) zugewiesen ist,“
- spezifizieren (unter anderem) jeweils die Zuweisung eines Identifikators zu einem Bewegungsvektor – nämlich zu dem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks (Merkmal 3.3) und zu jeden der Bewegungsvektoren der benachbarten Blöcke (Merkmal 3.2.2).
- Das Klagepatent versteht unter Zuweisung jede Verknüpfung eines Bewegungsvektors eines Blocks mit einer Information, die eine Einteilung der Bewegungsvektoren ermöglicht, mit der der Bewegungsvektor einem Referenzbild zugeordnet werden kann. Dies wiederum ermöglicht die Unterscheidung der beiden prädizierten Bewegungsvektoren des aktuellen Blocks. Wie diese Information (Zuordner) ausgestaltet ist, überlässt das Klagepatent dem Können des Fachmanns.
- (1)
Die patentgemäße Funktion der zugewiesenen Identifikatoren liegt in der Zuordnung der beiden Bewegungsvektoren des aktuellen Blocks zu den entsprechenden Vektoren der Nachbarblöcke. Die Identifikatoren sollen es patentgemäß ermöglichen, dass die beiden prädizierten Bewegungsvektoren des aktuellen Blocks unter Verwendung der Bewegungsvektoren benachbarter Blöcke abgeleitet werden, die sich jeweils auf dasselbe Referenzbild beziehen. Dies verdeutlicht Merkmal 3.2.1, das vorschreibt, dass beim Ableiten des prädizierten Bewegungsvektors diejenigen Bewegungsvektoren benachbarter Blöcke verwendet werden, deren - „Identifikator (…) der gleiche [ist] wie ein Identifikator, der dem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks (A) zugewiesen ist“.
- Während Merkmal 3.2.2 dem Fachmann vorgibt, nach welchem System der Identifikator zugewiesen werden soll, enthält der Anspruch keine näheren Vorgaben zur Art und Weise der Zuordnung.
- In der Beschreibung wird in der deutschen Übersetzung der Ausdruck „Kennungscode“ (Abs. [0054], [0080]) für einen Identifikator verwendet. Allerdings darf dies nicht dahin verstanden werden, dass zwingend ein „Code“ vorhanden sein muss. Insoweit erscheint der Begriff „Identifikator“ auch sprachlich breiter.
- (2)
Dass Zuweisungen, bei denen der Identifikator mit dem Bewegungsvektor zusammen gespeichert wird, vom Schutzbereich ausgenommen sind, lässt sich auch Abs. [0090] nicht entnehmen: - „[0090] Außerdem gibt es die folgenden Verfahren zum Speichern und Verwalten von Bewegungsvektoren in der Bewegungsvektor-Speichereinheit 706 der vorliegenden Ausführungsform:
- (1) Bewegungsvektoren für benachbarte Blocks und deren Reihenfolge (Kennungscodes, die anzeigen, ob sie die ersten Bewegungsvektoren oder die zweiten Bewegungsvektoren sind) werden so gespeichert, um den ersten oder den zweiten Bewegungsvektor für jeden benachbarten Block aus der Bewegungsvektor-Speichereinheit 706 unter Verwendung der Kennungscodes zu erfassen; und
- (2) die Orte zum Speichern des ersten Bewegungsvektors und des zweiten Bewegungsvektors für jeden benachbarten Block werden vorher bestimmt, um den ersten oder den zweiten Bewegungsvektor für den benachbarten Block aus der Bewegungsvektor-Speichereinheit 706 zu erfassen, indem auf deren Speicherstellen zugegriffen wird.“ (Absatztrennung hinzugefügt)
- Entgegen der Auffassung der Beklagten sind beide beschriebenen Verfahren anspruchsgemäß. Der Fachmann entnimmt Abs. [0090] nicht, dass nur das erste Verfahren vom Patentanspruch erfasst wird. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die beschriebenen Ausführungsbeispiele vom Anspruch erfasst werden, sofern der Anspruch nicht zwingend so auszulegen ist, dass er das Ausführungsbeispiel nicht erfasst (BGH, GRUR 2015, 875, 876 Rn. 16 – Rotorelemente). Dass im zweiten Verfahren kein Kennungscode (oder Identifikator) erwähnt ist, ermöglicht alleine nicht den Schluss, dass dieses Verfahren nicht anspruchsgemäß ist. In dieser Variante ist vielmehr die Speicheradresse der Identifikator. Denn durch die Zuweisung einer bestimmten Speicheradresse lässt sich die Zuordnung zu einem bestimmten Referenzbild sicherstellen. Dass dem Bewegungsvektor selbst eine Information hinzugefügt werden muss, kann dem Klagepatent nicht entnommen werden. Funktional macht es keinen Unterschied, ob die Zuweisung des Identifikators erfolgt, indem man dem Bewegungsvektor eine Information hinzufügt oder indem man diesen Bewegungsvektor an einer hierfür vorgesehenen Adresse abspeichert und ihn hierüber identifiziert. Die Zuweisung einer Speicheradresse stellt damit eine Zuweisung eines Identifikators dar. Dementsprechend werden von Abs. [0090] auch beide Verfahren gleichranging beschrieben.
- Es kann daher Abs. [0090] entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht entnommen werden, dass es sich bei dem Identifikatoren um „selbstständige Informationen“ handeln muss, die „zusammen mit denselben gespeichert werden müssen“. Im Übrigen findet sich für ein solch einschränkendes Verständnis der Zuweisung von Identifikatoren im bei der Auslegung vorrangig zu berücksichtigenden Patentanspruch keine Stütze. Eine Beschränkung der Identifikatoren auf selbstständige Informationen, die mit den Bewegungsvektoren gespeichert werden, ist schließlich für das Erreichen der patentgemäß angestrebten Vorteile nicht erforderlich.
- bb)
Nach den vorstehenden Maßgaben ist Merkmal 3.2.1, - „3.2.1 Der verwendete Identifikator ist der gleiche wie ein Identifikator, der dem Bewegungsvektor des aktuellen Blocks (A) zugewiesen ist“,
- im Standard verwirklicht. Standardgemäß werden den Bewegungsvektoren Identifikatoren zugewiesen. In Abschnitt 8.4.1.3.1 des Standards (S. 170 Anlage K5a) heißt es:
- Bei der Variablen X (die 0 oder 1 sein kann) handelt es sich um einen patentgemäßen Identifikator. Die Werte dieser Variable (0,1) beziehen sich auf die Referenzbildlisten L0 oder L1. Aus den Gleichungen 8-212 und 8-213 geht hervor, dass der prädizierte Vektor (mvpLX) letztlich zwei Mal berechnet wird – nämlich für jedes Referenzbild separat abhängig von dem Wert der Variable X. Es wird dabei der jeweilige Bewegungsvektor der benachbarten Blöcke (mvLXA, mvLXB und mvLXC) verwendet, dessen Variable den gleichen Wert aufweist (0 oder 1). Die Bewegungsvektoren werden also standardgemäß mit einer Variable (0 oder 1) als Identifikator unterschieden.
- Soweit die Beklagte einwendet, es handele sich hierbei um rein deskriptive Symbole (Bezeichner) ohne technischen Effekt, kann dem nicht gefolgt werden. Auch die Beklagte räumt ein, dass diese Bezeichner „bei der Übersetzung in ausführbaren Maschinencodes durch Speicheradressen ersetzt werden“. Es mag sein, dass diese Bezeichner dann als solche „nicht mehr vorhanden“ sind – allerdings bleiben sie nicht ohne technischen Effekt: Denn die Zuordnungsfunktion zu einem Referenzbild wird dann möglicherweise nicht mehr direkt von dem Bezeichner selbst erfüllt, aber durch die gewählte Speicheradresse übernommen.
- Damit liegt auch auf der Ebene des Maschinencodes noch ein Identifikator vor. Allerdings kommt es auf diese Ebene patentgemäß letztlich nicht an. Es reicht aus, wenn der Identifikator vorher vorhanden ist und die Zuordnung ermöglicht.
- c)
Merkmal 3.2.2, - „3.2.2 Der Identifikator wird für jeden Bewegungsvektor der benachbarten Blöcke (B, C, D) auf Block-Basis entsprechend einer Reihenfolge zugewiesen (S113), in der die Bewegungsvektoren eines jeden Blocks in einem Bitstream erscheinen“,
- verlangt nicht, dass die Bewegungsvektoren der benachbarten Blöcke in vollständiger Form „in einem Bitstream erscheinen“. Vielmehr reicht es aus, wenn dort die Bewegungsvektoren in codierter Form – etwa als differenzieller Bewegungsvektor – enthalten sind.
- aa)
Merkmal 3.2.2 gibt vor, nach welchem Kriterium die Identifikatoren den Bewegungsvektoren benachbarter Blöcke zugewiesen werden soll: Die Zuweisung soll nach der Reihenfolge erfolgen, in der die Bewegungsvektoren im Bitstrom erscheinen. So kann etwa dem zuerst erscheinenden Bewegungsvektor der Identifikator „0“ zugewiesen werden, während der anschließende erscheinende Bewegungsvektor eines Blocks den Identifikator „1“ erhält. - (1)
Bei den Bewegungsvektoren im Bitstrom handelt es sich regelmäßig um differenzielle Bewegungsvektoren. Die Lehre des Klagepatents ist darauf ausgerichtet, dass nur der differenzielle Bewegungsvektor übertragen bzw. gespeichert wird, aus dem dann mit Hilfe des prädizierten Bewegungsvektors der tatsächliche Bewegungsvektor decodiert werden kann. Dies entnimmt der Fachmann, der bei der Auslegung den Anspruch in seiner Gesamtheit betrachtet, etwa den Merkmalen 2/2.1 sowie 4/4.1: - „2 Dekodieren eines kodierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A),
- 2.1 um einen differenziellen Bewegungsvektor zu erzeugen.“
- „4 Beschaffen des Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A)
- 4.1 durch Verwenden des prädizierten Bewegungsvektors und des differenziellen Bewegungsvektors.“
- Bei dem in Merkmal 2 genannten „kodierten Bewegungsvektor des aktuellen Blocks“ handelt es sich damit nicht unmittelbar um den „Bewegungsvektor des aktuellen Blocks“ in kodierter Form, sondern um den kodierten differenziellen Bewegungsvektor, aus dem erst mit Hilfe des prädizierten Bewegungsvektors der eigentliche Bewegungsvektor erzeugt werden kann. Andernfalls könnte die Decodierung auf Merkmalsgruppe 2 beschränkt bleiben und die Merkmalgruppen 1, 3 und 4 wären überflüssig. Das Ableiten eines prädizierten Bewegungsvektors macht nur Sinn, wenn man diesen benötigt, um aus dem differenziellen Bewegungsvektor den (tatsächlichen) Bewegungsvektor des aktuellen Blocks zu beschaffen.
- (2)
In diesem Zusammenhang weicht das Klagepatent nicht von dem in der einleitenden Beschreibung erörterten Stand der Technik ab. Hierin wird – wie gesehen – vom Klagepatent dargelegt, dass im MPEG-4-Standard - „zum Kodieren von Bewegungsvektoren eine Differenz zwischen einem Bewegungsvektor eines aktuellen Blocks und einem aus den Bewegungsvektoren für die benachbarten Blocks erhaltenen prädizierten Vektor kodiert“ wird (Abs. [0004]).
- Bei der Auslegung kann hier auf diese Ausgestaltung im Stand der Technik zurückgegriffen werden. Denn das Klagepatent macht sich insofern den Stand der Technik zu Eigen, indem es von einer vorbekannten Konstruktion ausgeht, diese als vorteilhaft ansieht und für die Erfindung beibehalten will (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.10.2014 – Az. I-15 U 30/14 – Rn 99 bei Juris). Das Klagepatent geht ersichtlich von der Kodierung des MPEG-4-Standards aus und möchte bei bestimmten B-Bildern (vgl. Abs. [0007]) das Verfahren zum Bestimmen eines prädizierten Vektors verbessern (Abs. [0009]). Den hier im Streit stehenden Aspekt der Kodierung und Übertragung/Speicherung nur der Differenz lässt das Klagepatent dagegen unverändert. Ohne die Übertragung/Speicherung der Differenz würde auch die Verwendung von prädizierten Bewegungsvektoren zu keinerlei Verbesserung der Kodier-Effizienz führen. Der prädizierte Bewegungsvektor würde nicht gebraucht, wenn der vollständige Bewegungsvektor selbst übertragen/gespeichert würde.
- Dass das Klagepatent insofern von der Lösung im Stand der Technik ausgeht, bestätigt Abs. [0043] der Patentbeschreibung: Hierin wird für die Kodierung beschrieben, die „Differenz zwischen dem Bewegungsvektor und dem prädizierten Vektor“ zu kodieren. Da Kodierung und Dekodierung regelmäßig invers zueinander verlaufen und der Anspruch von einem kodierten Bewegungsvektor ausgeht, sieht der Fachmann dies als Beleg, dass im Bitstrom – wie im Stand der Technik – die differenziellen Bewegungsvektoren enthalten sind. Die Kodierung mit Hilfe von Differenzen wird auch in Abs. [0068] i.V.m. Abs. [0034] gezeigt: Hier wird der differenzielle Bewegungsvektor als kodierter Bewegungsvektor bezeichnet. Ferner schildert das Klagepatent in Abs. [0122] explizit die Kodierung der Differenz zwischen Bewegungsvektor und prädizierten Vektor in einem Bitstrom.
- (3)
Dass patentgemäß differenzielle Bewegungsvektoren übertragen werden, gilt nicht nur für den aktuellen Block, sondern auch für die in Merkmal 3.2.2 genannten benachbarten Blöcke. Diese werden patentgemäß in gleicher Weise übertragen wie der aktuelle Block. Ob es sich bei einem bestimmten Block um einen aktuellen Block oder um einen Nachbarblock handelt, hängt zudem nur davon ab, welcher Block aktuell zur Dekodierung ansteht. Im Übrigen schließt das Klagepatent nicht aus, dass die Bewegungsvektoren vollständig im Bitstrom erscheinen – was allerdings für die Kodier-Effizienz klar nachteilig wäre. - (4)
Es ist auch funktional kein Grund erkennbar, warum es dem Klagepatent darauf ankommen sollte, dass die Zuordnung der Identifikatoren auf Grundlage des Erscheinens der vollständigen Bewegungsvektoren vorzunehmen und die Orientierung an dem tatsächlich im Bitstrom vorhandenen differenziellen Bewegungsvektoren auszuschließen. Dass im Bitstrom die differenziellen Bewegungsvektoren enthalten sind, wird bereits von Merkmalsgruppe 2 vorgeben. - (5)
Dieser Auslegung steht auch Fig. 8 nicht entgegen. Diese Figur ist nach Abs. [0021] eine grafische Darstellung, welche die Reihenfolge von in einem Bitstrom angeordneten Bewegungsvektoren zeigt. Allerdings trifft diese Figur keine Aussage darüber, in welcher Form die Bewegungsvektoren im Bitstrom erscheinen. - Es wird ferner nicht gegen den Auslegungsgrundsatz verstoßen, dass gleiche Begriffe im Anspruch im Zweifel auch die gleiche Bedeutung zukommt (BGH, GRUR 2017, 152 – Zungenbett). Denn hier ergibt die Auslegung des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit unter Berücksichtigung der Beschreibungen und der Zeichnungen ein solches Verständnis (BGH, GRUR 2017, 152 – Zungenbett). Der im Patentanspruch verwendete Begriff des Bewegungsvektors erfasst sowohl dessen unkodierte als auch dessen kodierte Form, ohne dass es sich um ein unterschiedliches Verständnis des gleichen Begriffs handelt (wie Merkmalsgruppe 2 deutlich macht). Der Patentanspruch befasst sich gerade mit beiden Formen des Bewegungsvektors.
- bb)
Hiernach lässt sich die Verwirklichung von Merkmal 3.2.2 im Standard feststellen. Im Bitstrom erscheinen die Bewegungsvektordifferenzen der Bewegungsvektoren der benachbarten Blöcke, was zwischen den Parteien unstreitig ist (vgl. S. 9 Duplik = Bl. 346 GA). Diese Differenzen liegen in Form der Parameter mvd_l0 und mvd_l1 vor. - Hinsichtlich des Merkmalsteils, der die Zuweisung per se betrifft, kann auf die vorstehenden Ausführungen zu Merkmal 3.2.1 verwiesen werden, die hier entsprechend gelten.
- d)
Soweit auch Merkmal 3.3 die Zuweisung eines Identifikators zu einem Bewegungsvektor voraussetzt, ist dies im Standard verwirklicht; auf die obigen Ausführungen wird verwiesen. Im Übrigen bestreitet die Beklagte zutreffend nicht die Verwirklichung dieses Merkmals im Standard. - e)
Die Verwirklichung der übrigen Merkmale von Anspruch 1 im Standard steht zwischen den Parteien zu Recht nicht in Streit, so dass Ausführungen hierzu unterbleiben können. - 5.
Die Beklagte verletzt durch den Vertrieb der (standardkonformen) angegriffenen Ausführungsformen in Deutschland das Klagepatent mittelbar (§ 10 Abs. 1 PatG). Bei der Befolgung des Standards wird – wie vorstehend dargestellt – das Verfahren nach Anspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß verwirklicht. Gegen das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung hat die Beklagte zutreffend keine Einwendungen erhoben. - Es handelt sich bei den angegriffenen Ausführungsformen (die den Standard implementieren können) um Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung des Klagepatents beziehen, da das gesamte anspruchsgemäße Verfahren auf den Mobiltelefonen abläuft.
- Der für eine mittelbare Patentverletzung erforderliche doppelte Inlandsbezug liegt vor, da die angegriffenen Ausführungsformen von der Beklagten im Inland für die Benutzung im Inland vertrieben werden. Eine Zustimmung der Klägerin als berechtigte Patentinhaberin liegt nicht vor; auch die Angebots- und Lieferungsempfänger sind nicht zur Nutzung des Klagepatents berechtigt. Sofern es sich bei den Kunden um Privatpersonen handelt, greift die Ausnahme vom Patentschutz nach § 11 Nr. 1 PatG aufgrund von 10 Abs. 3 PatG nicht ein.Die Verwendungsbestimmung liegt ebenfalls vor, da jedenfalls offensichtlich ist, dass die angegriffenen Ausführungsformen zur Nutzung des Standards und damit auch der patentgemäßen Lehre geeignet sind und hierfür von den (End-) Kunden verwendet werden.
- 6.
Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen den (Vorrichtungs-) Anspruch 2 des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß. - Die beiden Ansprüche 1 und 2 sind im Wesentlichen parallel zueinander. Die Vorrichtung nach Anspruch 2 soll letztlich so ausgestaltet sein, dass sie das Verfahren nach Anspruch 1 ausführen kann. Hierfür müssen nach Anspruch 2 entsprechende Einheiten vorhanden sein, deren Ausgestaltung das Klagepatent aber dem Fachmann überlässt. Besondere räumlich-körperliche Anforderungen stellt das Klagepatent in dieser Hinsicht nicht. Insofern kann zum Verständnis der Merkmale auf die Ausführungen zur mittelbaren Verletzung von Anspruch 1 verwiesen werden. Die Parteien verweisen in ihrem Vortrag ebenfalls auf Anspruch 1; Diskussionspunkte, die nur Anspruch 2 betreffen, sind nicht vorhanden.
- Die angegriffenen Ausführungsformen sind in der Lage die Vorgaben von Anspruch 2 umzusetzen und verfügen damit über die hierfür erforderlichen und patentgemäß verlangten Einheiten. Sie verletzen damit Anspruch 2 unmittelbar wortsinngemäß.
- II.
Die Beklagte kann sich nicht erfolgreich auf den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand berufen. - Es ist nicht feststellbar, dass die Klägerin ihre marktbeherrschende Stellung (vgl. dazu unter Ziff. 1.) in missbräuchlicher Art und Weise ausnutzt (dazu unter Ziff. 2.).
- 1.
Die Klägerin verfügt über eine marktbeherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV. - a)
„Marktbeherrschung“ meint in diesem Kontext die wirtschaftliche Macht, die es einem Unternehmen erlaubt, einen wirksamen Wettbewerb auf dem (zeitlich, räumlich und sachlich relevanten) Markt zu verhindern und sich seinen Wettbewerbern, Abnehmern und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (EuGH SIg. 78, 207 Rn. 65 f. – United Brands; EuGH Slg. 79, 461 Rn. 38 f. – Hoffmann-La Roche). Die notwendige exakte Abgrenzung des Marktes in sachlicher und räumlicher Hinsicht erfolgt mittels des sog. Bedarfsmarktkonzepts. Es sind diejenigen Wettbewerbskräfte zu eruieren, denen die betreffenden Unternehmen unterliegen. Ferner werden diejenigen Unternehmen bestimmt, welche tatsächlich in der Lage sind, dem Verhalten der beteiligten Unternehmen Schranken zu setzen und einen Entzug vom Wettbewerbsdruck verhindern. Es ist zu klären, welche Produkte bzw. Dienstleistungen aus der Sicht der Nachfrager funktionell gegeneinander austauschbar sind. Demselben sachlichen Markt wird zugeordnet, was aufgrund der jeweiligen Eigenschaften, Preise und Verwendungszwecke aus Sicht der Nachfrager nicht durch andere Produkte bzw. Dienstleistungen substituierbar ist. Zu berücksichtigen ist dabei ein Zusammentreffen mehrerer Faktoren (bspw. Marktanteil, Unternehmensstruktur, Wettbewerbssituation, Verhalten auf dem Markt; grds. jedoch nicht der Preis) (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 148 – Mobiles Kommunikationssystem, zitiert nach juris). - Im Zusammenhang mit den hier geltend gemachten Verbietungsrechten aus einem Patent ist die geschilderte Abgrenzung in Bezug auf den Lizenzvergabemarkt vorzunehmen (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 149; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 217): Anbieter ist der Patentinhaber, dem allein eine Lizenzvergabe am jeweiligen Patent möglich ist; Nachfrager ist der an der patentgeschützten Technik interessierte Anwender. Mit der bloßen Inhaberschaft von Patenten alleine ist noch keine marktbeherrschende Stellung verbunden. Erhält der Patentinhaber allerdings aufgrund hinzutretender Umstände die Möglichkeit, mittels seiner Monopolstellung wirksamen Wettbewerb auf einem nachgelagerten Markt zu verhindern, so liegt eine marktbeherrschende Stellung vor (EuGH, GRUR Int 1995, 490 – Magill TVG Guide; EuGH, WuW 2013, 427 – Astra Zeneca; BGH, NJW-RR 2010, 392 ff. – Reisestellenkarte). Ein solcher nachgeordneter Produktmarkt besteht für aufgrund des Patents lizenzpflichtige Waren/Dienstleistungen.
- Nicht jedes standardessentielle Patent begründet als solches eine Marktbeherrschung (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 150; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 220). Eine solche ist jedoch ohne weiteres anzunehmen, wenn sich der Zugang zur Nutzung des fraglichen SEP als regelrechte Marktzutrittsvoraussetzung darstellt (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, ebd., Kap. E, Rn. 221), was der Fall ist, wenn auf dem relevanten Markt überhaupt nur Produkte angeboten und nachgefragt werden, die den Standard durch Benutzung des SEP ausführen (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, a.a.O.). Entsprechendes gilt, wenn auf dem relevanten Markt zwar auch Produkte angeboten werden, die die Produktkonfiguration des SEP nicht aufweisen, jedoch ein wettbewerbsfähiges Angebot ohne Zugang zur Nutzung des streitigen SEP nicht möglich ist (Kühnen, a.a.O.).
- Aus dem zuvor Gesagten folgt umgekehrt, dass mangelnde Standardessentialität eines Patents der Annahme einer Marktbeherrschung nicht zwangsläufig entgegensteht. Eine Marktbeherrschung kann sich auch ohne Standardessentialität aus einer technischen oder wirtschaftlichen Überlegenheit der patentierten Erfindung ergeben (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
- Der Beklagte trägt für die Marktbeherrschung nach den allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 151; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 225). Der Beklagte ist insoweit gehalten, ganz konkrete Tatsachen vorzutragen, die eine gerichtliche Überprüfung, ob eine beherrschende Stellung auf dem räumlich und sachlich relevanten Markt gegeben ist oder nicht, erlauben (Kühnen, a.a.O.).
- b)
Auf der Basis vorstehender Grundsätze bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Klägerin aufgrund ihrer Eigenschaft als Inhaberin des Klagepatents eine marktbeherrschende Stellung zukommt. - Die Beklagte hat vorgebracht, dass auf dem Lizenzvergabemarkt für den AVC/H.264-Standard keine wirtschaftlich sinnvoll umsetzbare („realistische“) Alternative zu dem AVC/H.264-Patentpool besteht. Auf dem hier maßgeblichen nachfolgenden Markt seien nahezu sämtliche marktfähigen mobilen Endgeräte mit dem geltend gemachten AVC-Standard ausgerüstet, so dass sich der Grad der Marktdurchdringung des Standards auf der Ebene des nachgelagerten Produktmarktes auf nahezu XXX % belaufe.
- Diesen Vortrag, dem die Klägerin nicht entgegengetreten ist, hat die Beklagte zusätzlich anhand stichprobenartiger Marktanalysen weiter substantiiert. Aus den vorgelegten Proben (Anlagenkonvolut B42) geht hervor, dass jedenfalls dem Gericht als gewichtige Marktteilnehmer bekannte Unternehmen (WWW, AAA, QQQ, LLL, HHH, ZZZ, OOO, YYY), ihre Endgeräte als AVC/H.264-fähig bewerben und vertreiben.
- Auch ist eine Austauschbarkeit des AVC-Standards mit anderen gängigen Standards zur Videocodierung (AVI, DivX, Flash Video, WMV) nicht gegeben. Da das verwendete Videoformat durch den Inhalte-Anbieter, nicht den Hersteller des Endgeräts, bestimmt wird, statten die Hersteller ihre Produkte mit der Möglichkeit zur Unterstützung verschiedener Standards, eben auch des hier streitgegenständlichen AVC/H.264-Standards, aus.
- Das Ausgeführte trifft auch auf die technische Funktion zu, die das Klagepatent bereitstellt. Die Klägerin selbst beruft sich im Rahmen ihrer Klageschrift darauf, dass das Klagepatent wesentlich für die Nutzung des AVC/H.264-Standards ist – (vgl. unter Ziff. I.).
- 2.
Es kann hingegen nicht festgestellt werden, dass die Klägerin ihre marktbeherrschende Stellung in missbräuchlicher Art und Weise ausnutzt, indem sie den in dem EuGH-Urteil aufgestellten Anforderungen an den Inhaber eines SEP, für das eine FRAND-Erklärung vorliegt, nicht nachgekommen ist. - a)
Der EuGH hat dem Inhaber eines standardessentiellen Patents (nachfolgend kurz: „SEP“), der sich gegenüber einer Standardisierungsorganisation dazu verpflichtet hat, jedem Dritten eine Lizenz zu fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen („FRAND“ = „fair, reasonable and non-discriminatory“) zu gewähren, in der Rechtssache D/ K, Az.: C-170/13, mit Urteil vom 16.07.2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15.12.2015 (GRUR 2015, 764) in Auslegung des Art. 102 AEUV Verpflichtungen auferlegt, die – sofern sie von diesem eingehalten werden – dazu führen, dass eine von diesem erhobene Klage auf Unterlassen oder Rückruf nicht als Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung anzusehen ist (EuGH, GRUR 2015, 764, Rn. 55) (dazu unter lit. aa)). Nach dieser Maßgabe ist auch der hier zur Entscheidung stehende Fall zu beurteilen (dazu unter lit. bb)). - aa)
Aus dem in Bezug genommenen EuGH-Urteil ergibt sich ein von Patentinhaber und Patentbenutzer zu befolgendes Regime von Pflichten/ Obliegenheiten, dessen einzelnen Verfahrensschritte aufeinander aufbauen, so dass der Patentverletzer nur dann in der ihm obliegenden Art und Weise zu reagieren hat, wenn der Patentinhaber seinerseits zuvor die ihm oliegenden Pflichten erfüllt hat (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I-15 U 66/15 – Mobiles Kommunikationssystem, zitiert nach juris). - Dieses Regime sieht vor, dass der Patentinhaber den angeblichen Verletzter „vor Erhebung der Klage“ (bzw. „vor der gerichtlichen Geltendmachung“) unter Angabe des fraglichen SEP sowie der Art und Weise der Verletzung hinzuweisen hat (EuGH, GRUR 2015, 764, Rn. 62, 71). Hat der angebliche Patentverletzer daraufhin seine Lizenzbereitschaft zum Abschluss eines Lizenzvertrags unter FRAND-Bedingungen zum Ausdruck gebracht, hat der Patentinhaber – um sich nicht dem Vorwurf des Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung auszusetzen – ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu FRAND-Bedingungen zu unterbreiten (EuGH, ebd., Rn. 71). Aus diesem müssen insbesondere die Lizenzgebühr sowie die Art und Weise ihrer Berechnung hervorgehen (a.a.O.). Dem vermeintlichen Patentverletzer obliegt es sodann, auf dieses Angebot mit Sorgfalt, gemäß den in dem Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten und nach Treu und Glauben, zu reagieren (EuGH, ebd., Rn. 65, 71). Nimmt der vermeintliche Verletzer das Angebot nicht an, kann er sich auf die rechtsmissbräuchliche Geltendmachung einer Unterlassungs- oder Rückrufklage nur berufen, wenn er dem Inhaber des betreffenden SEP innerhalb einer kurzen Frist schriftlich ein konkretes Gegenangebot macht, das den FRAND-Bedingungen entspricht (EUGH, ebd., Rn. 66). Weiter hat der Patentbenutzer ab dem Zeitpunkt, zu dem sein Gegenangebot abgelehnt wurde, eine angemessene Sicherheit gemäß den in dem betreffenden Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten zu leisten (EuGH, ebd., Rn. 67).
- Die vom EuGH für die Geltendmachung des Unterlassungs- und Rückrufanspruchs aufgestellten kartellrechtlichen Einschränkungen gelten auch für den Vernichtungsanspruch (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.01.2016, Az.: I-15 U 65/15, Rn. 16, zitiert nach juris).
- bb)
Die dargestellte EuGH-Rechtsprechung ist auch auf den vorliegenden Fall anwendbar. - Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, die hier vorliegende Sachverhaltskonstellation, wonach – was noch zu zeigen ist – bereits eine routinierte Lizenzpraxis existiert, stehe einer Anwendung der in dem zitierten EuGH-Urteil aufgestellten Grundsätze entgegen, es habe vielmehr ein Rückgriff auf die sog. „Orange-Book-Standard“-Rechtsprechung, die dem Patentbenutzer das Erfordernis eines Angebots auf Abschluss eines Lizenzvertrags auferlegt (BGH, GRUR 2009, 694, Rn. 29), zu erfolgen, schließt sich die Kammer dem nicht an.
- Der EuGH hat – wie den Entscheidungsgründen des Urteils zu entnehmen ist – den von ihm zu beurteilenden Sachverhalt dadurch charakterisiert gesehen, dass „zum einen“ das Klagepatent für einen von einer Standardisierungsorganisation normierten Standard essenziell ist (EuGH, GRUR 2015, 764, Rn. 48) und „zum anderen“ eine unwiderrufliche Verpflichtungszusage des Inhabers besteht, Dritten zu FRAND-Bedingungen Lizenzen zu erteilen (EuGH, ebd., Rn. 51). Gerade mit diesen Aspekten verknüpft der EuGH den besonderen, für den Patentinhaber aufgestellten Pflichtenkatalog:
- „In einer solchen Konstellation muss der Inhaber eines SEP, damit eine Klage auf Unterlassung oder Rückruf nicht als missbräuchlich angesehen werden kann, Bedingungen erfüllen, durch die ein gerechter Ausgleich der betroffenen Interessen gewährleistet werden soll.“ (EuGH, ebd., Rn. 55; Hervorhebung diesseits).
- Die (weitergehende) Abgrenzung der so beschriebenen Ausgangssituation zu Fällen, in denen eine bestehende Lizenzierungspraxis existiert, ist dem EuGH-Urteil hingegen nicht zu entnehmen. Zwar heißt es in Randnummer 64 des EuGH-Urteils:
- „[…]. Außerdem ist der Inhaber des SEP, wenn weder ein Standardlizenzvertrag noch mit anderen Wettbewerbern bereits geschlossene Lizenzverträge veröffentlicht sind, in einer besseren Lage, um zu prüfen, ob sein Angebot die Voraussetzungen der Gleichbehandlung wahrt, als der angebliche Verletzer.“ (Hervorhebung diesseits),
- damit hat der EuGH jedoch nicht erkennbar ein weiteres Abgrenzungskriterium schaffen wollen. Dagegen spricht bereits die sprachliche Einleitung mit dem Wort „außerdem“, die lediglich ein zusätzliches Argument für die Ansicht, dass der Patentinhaber in Richtung des Abschluss eines Lizenzvertrages initiativ werden muss, markiert. Auch die systematische Stellung des Passus im Zusammenhang mit der Darstellung der Obliegenheiten des Patentinhabers, die sich gerade aus den zuvor (in den Randnummern 48 und 51) beschriebenen Besonderheiten ergibt, unterstreicht, dass lediglich ein zusätzliches Argument für diese Obliegenheiten, nicht aber ein neues Unterscheidungskriterium präsentiert werden soll. Letztlich spricht gegen eine Abkehr von dem aufgestellten Pflichtenprogramm im Falle einer bestehenden Lizenzierungspraxis auch, dass auch in einem solchen Fall, die von dem Patentinhaber geweckte Erwartungshaltung, er sei zum Abschluss eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen bereit, bestehen bleibt (EuGH, ebd., Rn. 54). Diese wird durch die bereits „gelebte“ Lizenzpraxis sogar noch besonders geschürt. Gleichermaßen verbleibt es auch in diesen Fällen bei der Möglichkeit eines Informationsdefizits hinsichtlich der Benutzung der Lehre eines standardessentiellen Patents auf Seiten des vermeintlichen Verletzers – ein Umstand, der den EuGH gerade zur Statuierung der Pflicht zum Erstangebot auf Seiten des Patentinhabers bewogen hat (EuGH, ebd., Rn. 62). Aus dem bloßen Umstand, dass ein Standardlizenzvertrag veröffentlicht ist, ist nicht der zwingende Schluss ableitbar, dass der Patentbenutzer von der Benutzung des standardessentiellen Patents/ standardessentieller Patente auch Kenntnis hat. Die Recherche nach einem entsprechenden Standardlizenzvertrag dürfte eine solche Kenntnis regelmäßig vielmehr voraussetzen.
- Hinzukommt, dass die Auffassung, wonach eine etablierte Lizenzvertragspraxis aus den in dem EUGH-Urteil aufgestellten Grundsätzen hinausführt, auch zu praktischen Abgrenzungsproblemen führt, ab wann von einer solchen Konstellation auszugehen ist.
- Die vorherigen Ausführungen schließen hingegen nicht aus, einer etwaigen bestehende Lizenzierungspraxis des Patentinhabers im Rahmen der Prüfung des von ihm zu erbringenden Pflichtenprogramms eine besondere Bedeutung zukommen zu lassen – wozu nachfolgend unter lit. d) ausführlich und mit konkretem Bezug zu dem hier zur Entscheidung stehenden Fall ausgeführt wird.
- b)
Mit der E-Mail vom 06.09.2011 (Anlage K10 – Exhibit A – a) liegt eine hinreichende Verletzungsanzeige vor. - Da bei der Verletzungsanzeige „das fragliche SEP zu bezeichnen und anzugeben ist, auf welche Weise es verletzt worden sein soll“ (EuGH, ebd., Rn. 61), ist zumindest die Angabe der Veröffentlichungsnummer des Klagepatents, die angegriffene Ausführungsform und die vorgeworfene Benutzungshandlung (im Sinne von §§ 9 f. PatG) gegenüber dem Verletzer erforderlich (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 172 – Mobiles Kommunikationssystem, zitiert nach juris). Die Verletzungsanzeige verlangt aber keine detaillierten (technischen und/oder rechtlichen) Erläuterungen – der andere Teil muss nur in die Lage versetzt werden – ggf. mit sachverständiger Hilfe – den Verletzungsvorwurf zu prüfen (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 328; weitergehend LG Mannheim, Urteil vom 29.01.2016 – 7 O 66/15 – Rn. 57). Die Verletzungsanzeige dient dazu, dem hinsichtlich des Schutzbereichseingriffs ggf. noch gutgläubigen Benutzer die Gelegenheit zu geben, um die Erteilung einer aufgrund der FRAND-Erklärung jedem Interessenten zugesagten Benutzungserlaubnis nachzufragen (Kühnen, a.a.O.). Die Pflicht zur Selbstanzeige ist jedoch kein Selbstzweck. Sie ist deshalb dort entbehrlich, wo sie sich als nutzlose Förmelei darstellt, weil aufgrund der Gesamtumstände mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass der Verletzungsbeklagte Kenntnis von der Benutzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform hat und sein Berufen darauf, der Kläger habe ihm dies nicht angezeigt, als Rechtsmissbrauch erscheint (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 33). An das Vorliegen eines solchen Tatbestandes sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen (a.a.O.).
- Nach dieser Maßgabe erweist sich das Schreiben der M vom 06.09.2011 (Anlage K10 – Exhibit A – a) als hinreichender Verletzungshinweis.
- aa)
Unschädlich ist zunächst, dass das in Rede stehende Schreiben zwischen der M und Herrn G, genannt „H“, ausgetauscht worden ist. - (1)
Sofern – auf Seiten des Patentbenutzers – sichergestellt ist, dass eine der Muttergesellschaft übersandte Verletzungsanzeige konzernintern an die jeweils betroffenen Tochtergesellschaften weitergeleitet wird, bedarf es keiner formalen Benachrichtigung an sämtliche Tochtergesellschaften (OLG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 175; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 329). Bereits die Konzernzugehörigkeit begründet in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte die berechtigte Annahme, dass die betroffenen Tochtergesellschaften informiert werden (OLG Düsseldorf, a.a.O.). - Im Übrigen rechtfertigt vorliegend aber auch die Vorkorrespondenz der Parteien das Vertrauen darauf, dass Lizenzierungsfragen betreffende Informationen innerhalb des Konzerns der Beklagten weitergeleitet werden. So liefen auch bereits die vorgelagerten Lizenzgespräche über den MPEG-2 Standard regelmäßig über „H“, der Mitarbeiter der Tochtergesellschaft E ist, jedoch für den E Konzern in Erscheinung trat und den Eindruck vermittelte, als liefen die den Konzern betreffenden Lizenzierungsfragen bei ihm zusammen. So heißt es in einer E-Mail von „H“ vom 10.11.2009 (Anlage B10; deutsche Übersetzung: Anlage B10a):
- und in einer weiteren E-Mail vom 09.12.2009 (Anlage B16; deutsche Übersetzung: Anlage B16a):
- In Übereinstimmung mit dieser bisherigen Verhandlungspraxis war dann auch das hier in Rede stehende Schreiben der M vom 06.09.2011 an „H“ adressiert. Darin heißt es:
- „N hat mir vorgeschlagen, Sie zu kontaktieren, weil Sie bei E für Patentlizenzierungsangelegenheiten zuständig sind.“
- In der daraufhin ergehenden Antwortmail vom 15.09.2011 (Anlage B21/ Anlage B21a) wird dieser Passus von „H“ nicht angegriffen, sondern vielmehr ausgeführt:
- (2)
Auch kann das von der M verfasste Schreiben als Verletzungshinweis der Klägerin gewertet werden. - Es ist davon auszugehen, dass die M Rechtshandlungen im Zusammenhang mit der Gewährung von Lizenzen an dem AVC/H.264-Patentpool vornehmen kann.
- Der Standardlizenzvertrag zu dem hier streitgegenständlichen Pool (Anlage K10 – Exhibit G – a) kommt nach dem Eingangspassus,
- „Dieser Vertrag wurde am XXX 20XXX zwischen M, einer Limited Liability Company nach dem Recht des Staates D mit Sitz L, ZZZ (nachstehend „Lizenzverwalter“ genannt), und XXX (nachstehende „Lizenznehmer“ genannt) geschlossen.“,
- zwischen der M und dem jeweils Lizenzwilligen zustande. Zu diesem Zweck werden der M von den Inhabern der Poolpatente Unterlizenzen gewährt:
- „Jeder Lizenzgeber gewährt dem Lizenzverwalter eine weltweite, nicht-exklusive Lizenz und/ oder Unterlizenz an allen vom Lizenzgeber lizenzierbaren oder unterlizenzierbaren für AVC wesentlichen Patenten, um es dem Lizenzverwalter zu ermögliche, weltweite nicht-exklusive Unterlizenzen an allen diesen für AVC wesentlichen Patent gemäß den Bestimmungen dieses Vertrags zu gewähren.“ (Standardlizenzvertrag, Anlage K10 – Exhibit G – a, S. 2, letzter Abs.).
- In Ziff. 3.1 des Standardlizenzvertrags (Anlage K10 – Exhibit G – a; Hervorhebung diesseits) heißt es außerdem:
- „Für die Lizenzen, die in Artikel 2 dieser Vereinbarung nach den AVC wesentlichen Patenten im AVC Patentportfolio gewährt werden, muss der Lizenznehmer dem Lizenzverwalter zugunsten der Lizenzgeber für die Laufzeit der vorliegenden Vereinbarung die im Folgenden festgesetzten Gebühren entrichten:“
- Dieser Vertragsinhalt regelt zwar das Vertragsverhältnis der M und den jeweiligen Poolpatentinhabern nicht unmittelbar – Regelungsgegenstand ist vielmehr das Vertragsverhältnis zwischen der M und dem jeweiligen Lizenznehmer – , er gibt jedoch einen Hinweis auf die Handlungsmöglichkeiten der M im Zusammenhang mit der Lizenzvergabe an dem hier streitgegenständlichen Standard.
- Hinzukommt, dass M eine Vielzahl von Standardlizenzverträgen auch tatsächlich abgeschlossen hat, mithin das in dem Standardlizenzvertrag dargestellte Modell auch gelebt wird. Dies zeigen unter anderem die mit den Anlage K26 und K27 vorgelegten (ausgefüllten) Standardlizenzvertrag, beispielhaft seien hier die Verträge mit XXX genannt.
- Auch die Muttergesellschaft der Beklagten selbst stand zu Verhandlungszwecken mit der M über mehrere Jahre – anhand der vorgelegten Unterlagen können die Verhandlungen bis in das Jahr 2009 zurückverfolgt werden – in Kontakt. So trägt die Beklagte selbst vor, „E habe den Kontakt zu Vertretern des M Patentpools gesucht“. Insoweit liegt auch eine dies bestätigende E-Mail des Herrn M(E) vom 13.02.2009 (Anlage B4; deutsche Übersetzung: Anlage B4a) vor. Auch wenn diese Kontaktaufnahme zunächst eine Lizenzierung im Hinblick auf den MPEG-2 Standard zum Gegenstand hatte, spricht daraus die Annahme der Beklagten, dass M zu einer Lizenzvergabe im Zusammenhang mit dem MPEG-Standard rechtlich in der Lage ist. In der Antwortmail der M vom 16.02.2009 (Anlage B5; deutsche Übersetzung: Anlage B5a) gab M auch zu erkennen, dass die Möglichkeit zur Lizenzvergabe auch den MPEG-4 Standard erfasst:
- Auch in der Folgezeit hat die Muttergesellschaft der Beklagten (bzw. E) etwaige Verhandlungen mit M geführt. Insoweit sei insbesondere auf den E-Mailverkehr des Jahres 2009 verwiesen, der in den Anlagen B4 – B8, dem Anlagenkonvolut B9 und den Anlagen B10 – B16 (die deutschen Übersetzungen der Anlagen sind jeweils mit dem Buchstaben „a“ gekennzeichnet) zum Ausdruck kommt.
- Die angeführten Tatsachen, wonach M im Zusammenhang mit der Lizenzvergabe an dem streitgegenständlichen Standard vielfach in Erscheinung getreten ist, berücksichtigend würde es sich zudem auch als treuwidrig erweisen, wenn etwaige Patentinhaber sich im Verhältnis zu Lizenznehmern auf die fehlende Handlungsmöglichkeit der M berufen würden. In Übereinstimmung mit der Lizenzierungspraxis beruft sich die Klägerin als Poolpatentinhaberin in dem hiesigen Verfahren auch gerade auf die Handlungsbefugnis der M.
- Unbeschadet dessen ist auch davon auszugehen, dass der Beklagten der Einsatz eines Lizenzverwalters in der Branche sowie die Rolle von M als ein solcher grundsätzlich bekannt gewesen sind, was deren Bestreiten der Handlungsmöglichkeit der M mit Nichtwissen jedenfalls fragwürdig erscheinen lässt.
- Insbesondere lässt sich der E-Mailkorrespondenz zwischen den Parteien entnehmen, dass der Konzern der Beklagten eine Zusammenarbeit mit M im Hinblick auf einen „LTE Patentpool“ andachte:
- Die Zusammenarbeit zwischen M und dem Konzern der Beklagten wird schließlich auch von „H“ in einer E-Mail vom 19.11.2009 (Anlage B14; deutsche Übersetzung: Anlage B14a) als „langjährig“ beschrieben.
- bb)
Im Hinblick auf die inhaltlichen Anforderungen an einen Verletzungshinweis ist der Beklagten zuzugestehen, dass das Schreiben der M vom 06.09.2011 (Anlage K10 – Exhibit A – a) lediglich pauschale Angaben zum Verletzungsprodukt – dort bezeichnet mit „mobile Handapparat- und Tablet-Produkte“ – und zu den/ dem verletzten Schutzrecht(en) – in Form des Hinweises auf „das AVC-Patentportfolio“ mit „mehr als 1000 essentiellen AVC-Patenten von 25 Patentinhabern“ – enthält. Die Veröffentlichungsnummer konkreter Patente aus dem umfangreichen Pool werden darin ebenso wenig genannt wie die konkrete Bezeichnung vermeintlicher Verletzungsprodukte. - Dieser Inhalt ist jedoch vor dem Hintergrund der Vorkorrespondenz zwischen der Muttergesellschaft der Beklagten und der M sowie dem Verhalten der Muttergesellschaft nach dem Verletzungshinweis ausnahmsweise ausreichend.
- Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Muttergesellschaft (bzw. zunächst E) und die M bereits im Jahre 2009 im Hinblick auf die Lizenzvergabe an dem M2-Standard in Kontakt standen. In diesem Rahmen teilte die M bereits mit, dass hinsichtlich der Komprimierung von Videos nicht nur der (von der E angefragte) M-2 Standard, sondern auch der Standard AVC/H.264 (M-4 Teil zehn) bekannt sei, weshalb auch dieser Standard angesichts der von E vertriebenen Produkte relevant sei (E-Mail vom 16.02.2009, Anlage B5/B5a). In diesem Zusammenhang erhielt der Konzern der Beklagten auch die AVC/H.264 Standardlizenz zur Kenntnis (vgl. Antwort-E-Mail des Herrn Mvom 26.02.2009, Anlage B6/B6a), dem auch eine Patentliste beigefügt war. Mit E-Mail vom 18.03.2009 (Anlage B7/B7a) meldete sich der mit den Lizenzverhandlungen auf Seiten des Konzerns der Beklagten betraute „H“ und bezog sich bei seiner Antwort zumindest auch auf den M-4 Standard,
- obgleich insoweit (noch) kein konkreter Wille zur Verhandlung auch dieses Standards (neben dem M-2 Standard) erkennbar wird. Auch in der Folgezeit klang eine Lizenzierung des M4-Standards in der Kommunikation mit der Muttergesellschaft an:
- Vor dem Hintergrund dieser Korrespondenz war davon auszugehen, dass die Beklagte außer der in dem Schreiben vom 06.09.2011 (Anlage K10 – Exhibit A – a) enthaltenen Informationen keiner weiteren Angaben mehr bedurfte, um eine Entscheidung im Hinblick auf ihre grundsätzliche Lizenzwilligkeit zu treffen.
- Die M machte mit dem in Bezug genommenen Schreiben deutlich, dass sie – in Abgrenzung zu den Verhandlungen zu dem MPEG-2 Standard – nunmehr auch gezielt Gespräche zur Lizenzvergabe an dem hier streitgegenständlichen AVC/H.264 Standard anstrebte. Dabei hatte sie der Muttergesellschaft bereits im Jahre 2009 Unterlagen in Form des Standardlizenzvertrages zukommen lassen. Im Rahmen dieser Kommunikation hat die Muttergesellschaft trotz Interessenbekundungen auch im Hinblick auf eine Lizenz an dem AVC/H.264-Standard keine weitergehenden Informationen zu diesem angefordert, und damit zu erkennen gegeben, dass ihr eine Beurteilung ihrer Lizenzwilligkeit auf der Grundlage des bereits bestehenden Wissens möglich ist. Auch im Nachgang zu dem Aufforderungsschreiben vom 06.09.2011 hat die Muttergesellschaft einen weitergehenden Informationsbedarf nicht erkennen lassen, sondern stattdessen um einen Gesprächstermin zur Erörterung gebeten (E-Mail „H“ vom 15.09.2011, Anlage B21/B21a). Eine Anfrage der Claim Chart durch die Beklagte lässt sich erst in das Jahr 2016 datieren (vgl. Protokoll zur Verhandlungssitzung mit M_20160720, Ziff. II. 1. (9), Anlage B26; deutsche Übersetzung: Anlage B26a). Des Weiteren gab die Muttergesellschaft auch zu erkennen, dass ihr die M als Lizenzverwalterin grundsätzlich bereits im Jahr 2009 bekannt war (vgl. E-Mail Pvom 01.07.2009, Anlagenkonvolut B9/B9a), was eine Kenntnis auch des Internetauftritts der M, der eine Übersicht der Poolpatentinhaber nebst zugehörigen Poolpatenten (Anlage K10 – Exhibit C) sowie eine Konkordanzliste/ Cross Reference Chart mit Bezug auf einschlägige Standardabschnitte (Anlage K10 – Exhibit E) bereithält.
- Das dargestellte Kommunikationsverhalten der Muttergesellschaft spricht zugleich für das Vorbringen der Klägerin, dass in der Smartphone- und Tablet-Branche offenkundig ist, dass der AVC/H.264-Standard bei der Nutzung der angegriffenen Geräte verwendet wird, und steht im Widerspruch zu dem Vortrag der Beklagten, dem E Konzern sei der AVC/H.264-Standard noch im Zeitpunkt des Aufforderungsschreibens von M unbekannt gewesen.
- c)
Der Mutterkonzern der Beklagten hat im Rahmen der vorgerichtlichen Korrespondenz auch – wie vom EuGH verlangt – seine Lizenzbereitschaft zu erkennen gegeben. - An die auf den Verletzungshinweis erforderliche Bitte zur Lizenzierung sind inhaltlich keine hohen Anforderungen zu stellen. Sie kann pauschal sowie formlos geschehen, das Verhalten des Patentbenutzers muss jedoch den eindeutigen Willen zur Lizenznahme erkennen lassen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I-15 U 66/15, Rn.183 – Mobiles Kommunikationssystem, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 333). Von der Lizenzbereitschaftserklärung darf in der Folge nicht abgewichen werden, so dass es auch dann noch Bestand hat, wenn der Patentinhaber sein FRAND-Angebot abzugeben hat (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 195). Inhaltliche Ausführungen, derer es nicht bedarf, können sich dann als schädlich erweisen, wenn der Patentinhaber auf ihrer Grundlage annehmen muss, dass eine Bereitschaft zur Lizenznahme nur unter ganz bestimmten, nicht verhandelbaren Bedingungen besteht, die nicht FRAND sind und auf die sich der Schutzrechtsinhaber deshalb nicht einlassen muss (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 197 a. E.; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 333). Jedoch sind an die Feststellung eines solchen Tatbestandes hohe Anforderungen zu stellen. Die Angabe zu begehrten Lizenzbedingungen entkräftet die Annahme der Lizenzbereitschaft nur dann, wenn sie den sicheren Schluss zulässt, dass der Patentbenutzer in Wahrheit keine Lizenz nehmen möchte (OLG Düsseldorf, (Hinweis)beschluss v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 9, zitiert nach juris).
- Orientiert an diesem Maßstab war die grundsätzliche Lizenzbereitschaft des Konzerns der Beklagten für die Klägerin erkennbar. Nachdem der Verhandlungsführer der Muttergesellschaft die E-Mail vom 06.09.2011 erhalten hatte, bat dieser mit E-Mail vom 15.09.2011 (Anlage B21/ Anlage B21a) um ein Telefonat „damit die weiteren Einzelheiten dieser Angelegenheit besprochen werden können“. Die Antwort lässt – bei isolierter Betrachtung – zwar grundsätzlich auch Raum dafür, dass ein Interesse an einer rechtsverbindlichen Einigung am Ende des Gespräches (doch) nicht besteht, was dann aus Sicht der Klägerin die Zusendung von Vertragsunterlagen auch nicht lohnen würde.
- Jedoch war die Antwortmail vom 15.09.2011 bei Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs des zwischen der Muttergesellschaft und der M im Jahre 2009 bereits stattgefundenen Austauschs so nicht zu verstehen (zur grundsätzlichen Berücksichtigung des Gesamtkontextes auch: OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 198).
- Ein Verweis der M auf die AVC/H.264 Lizenzierung gegenüber dem Mutterkonzern befindet sich bereits in der Email des Herrn Q vom 16.02.2009 (Anlage B5/B5a). Auf diesen Verweis reagierte der Mutterkonzern auch mit E-Mail vom 18.03.2009 (Anlage B7/B7a) durch namentliche Benennung des Standards – in allgemeiner Form als MPEG 4 (darunter fallen weitere, hier nicht streitgegenständliche Standards wie MPEG-4 Visual (Teil zwei)) – und brachte dies in einen Zusammenhang mit dem Bestreben des Konzerns, eine Lizenzierung nur von Tochterunternehmen (insbesondere E) zu vereinbaren. In der Folgezeit festigte sich diese Forderung vor allem im Hinblick auf eine Lizenzerteilung an dem MPEG-2 Standard aber auch im Zusammenhang mit dem „MPEG 4-Standard“ (vgl. Email P vom 01.07.2009, Anlage B8/B8a). Die M setzte die Gespräche mit der Muttergesellschaft in Kenntnis dieser Forderung zunächst mit hauptsächlichem Bezug zur Lizenzierung des MPEG-2-Standards, immer aber auch unter Verweis auf den AVC/H.264-Standard (vgl. bspw. E-Mail Herr N vom 12.09.2009, Anlage B11/B11a), fort. Daraus wird deutlich, dass die M und die Konzerngesellschaft bereits im Vorfeld der als Verletzungsanzeige verstandenen E-Mail vom 06.09.2011 in Verhandlungen waren. Das Schreiben vom 06.09.2011 erweist sich vor diesem Hintergrund als Konkretisierung der zuvor mit Augenmerk auf den MPEG-2-Standard durchgeführten Vertragsverhandlungen auf den AVC/H.264-Standard. Als „H“ dann die weitere Besprechung der Angelegenheit anregte, war dies deshalb dahingehend zu verstehen, dass die bereits begonnenen Verhandlungen fortgeführt werden sollten.
- Dass auch die M das Verhalten des Mutterkonzerns, insbesondere deren Bestreben zum Abschluss nur einzelner, unternehmensbezogener Lizenzen bzw. für Sonderkonditionen hinsichtlich des chinesischen Marktes bis dahin nicht so verstand, dass dieser schlechthin lizenzunwillig ist, kommt auch darin zum Ausdruck, dass die M mit der E-Mail vom 06.09.2011 auch ein konkretes Vertragsangebot für die Lizenzierung des AVC/H.264-Standards in Richtung der Muttergesellschaft versandte – wozu unter lit. d), aa) noch näher ausgeführt wird – und sich daran Lizenzierungsgespräche bis in das Jahr 2013 anschlossen (vgl. bspw. E-Mail des „H“ vom 21.02.2012, Anlage B23/ Anlage B23a; E-Mail des Hr. R vom 07.11.2013, Anlage K16, deutsche Übersetzung: Anlage K16a).
- d)
Durch die Zusendung des Standardlizenzvertrags im Februar 2012 an die Muttergesellschaft liegt ein der Klägerin zurechenbares FRAND-gemäßes Angebot vor, welches sowohl den vom EuGH aufgestellten (eher) „ formellen“ Anforderungen entspricht (dazu unter lit. aa)), und sich auch im Hinblick auf den Inhalt als fair, angemessen und nicht diskriminierend erweist (dazu unter lit. bb)). - aa)
Die Zusendung des Standardlizenzvertrags wird den (eher) „formellen“ Anforderungen, die der EUGH an das Angebot des Patentinhabers stellt, gerecht. - Das Angebot ist danach schriftlich zu verfassen und muss darüber hinaus konkret in dem Sinne sein, dass daraus die Lizenzgebühr und die einschlägigen Berechnungsparameter (maßgebliche Bezugsgröße, anzuwendender Lizenzsatz, ggf. Abstaffelung) sowie die Art und Weise der Berechnung hervorgehen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 203 – Mobiles Kommunikationssystem, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E. Rn. 325). Die Punkte, die üblicherweise Regelungsgegenstand von Lizenzverträgen sind, müssen in das Angebot in Form von aussagekräftigen Bestimmungen aufgenommen sein (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
- Diese Kriterien sind mit der Zusendung des Standardlizenzvertrag-Dokuments erfüllt.
- (1)
Die Zusendung des Standardlizenzvertrags ist ihrem objektiven Erklärungswert nach eine hinreichend konkrete Angebotshandlung, die insbesondere auch die Berechnungsparameter erkennen lässt. - Aus der Zusendung des schriftlichen Standardlizenzvertrags wird für die Muttergesellschaft deutlich, dass und zu welchen Bedingungen sie eine Lizenz an den in den AVC/H.264-Poll eingelagerten Schutzrechten erhalten kann.
- Sofern die Beklagten geltend macht, die Vertragsunterlagen seien lediglich zu Informationszwecken übersandt worden, und nicht erkennbar als eine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung aufzufassen gewesen, trifft dies in der Allgemeinheit nicht zu. Bei dem zugesandten Vertragsdokument handelte es sich erkennbar um einen Vertrag, der nicht gezielt auf die Muttergesellschaft zugeschnitten, sondern – im Sinne eines Standardvertrags – für eine Vielzahl von Lizenzwilligen gelten soll. Erkennbar wird dies beispielsweise daran, dass das Datum des Vertragsschlusses sowie der Name des Lizenznehmers in das Vertragsdokument einzusetzen sind, dies im Übrigen aber eine in sich geschlossene Struktur aufweist. Daran, dass die M dieses Dokument unterschreiben würde, musste die Muttergesellschaft mithin keine begründeten Zweifel haben. Des Weiteren heißt es in der E-Mail des Herrn R (M) vom 06.09.2011 (Anlage K10 – Exhibit A – a) zur Erklärung (Hervorhebung diesseits):
- Aus dem allein auf die digitale Vertragsversion beschränkten Hinweis, dass die so zugegangen Unterlagen nicht als maßgebliches Vertragsdokument fungieren können, folgt im Umkehrschluss, dass die postalisch zugesandten Schriftstücke diese Funktion sehr wohl erfüllen konnten. In der Zusendung derselben trat deshalb die Absicht der M zum Vertragsschluss offen zu tage.
- An dem Angebotscharakter der Zusendung des Standardlizenzvertrags fehlt es auch nicht deshalb, weil die M bereits zuvor Vertragsunterlagen für den streitgegenständlichen Standard an die Muttergesellschaft versandte. Denn anders als bei den vorherigen Handlungen war der Zusendung der Vertragsdokumente im Februar 2012 die E-Mail vom 06.09.2011 (Anlage K10 – Exhibit A – a) vorausgegangen, anhand derer die Muttergesellschaft – wie dargelegt (vgl. unter lit. b)) – erkennen konnte, dass der M nunmehr auch an der Einleitung konkreter Vertragsverhandlungen über den MPEG-4 Standard gelegen war.
- Der Standardvertrag lässt schließlich auch die für die Lizenzberechnung erforderlichen Parameter erkennen, wobei sich insbesondere aus Ziff. 3.1.1 die Berechnungsfaktoren für die Stücklizenz ergeben.
- (2)
Es ist auch unschädlich, dass der Standardlizenzvertrag nicht an die Beklagte, sondern an die in dem Konzern der Beklagten mit den Lizenzverhandlungen betraute Person („H“) gerichtet worden ist. Da der Abschluss einer Konzernlizenz in Rede stand und die Verhandlungen auch vor dem 06.09.2011 bereits mit „H“ geführt wurden, ist dieser der richtige Adressat (vgl. dazu allgemein auch: Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 320). - (3)
Im Ergebnis ist auch die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühr ausreichend dargelegt, obwohl sich weder das Vertragsdokument noch im Zusammenhang mit diesem übersandte Unterlagen ausdrücklich dazu verhalten. - Als Angaben zur „Art und Weise der Berechnung“ verlangt der EuGH nicht nur Informationen zur Höhe der Lizenzgebühr und zu ihrer Berechnung. Vielmehr muss der SEP-Inhaber dem Verletzer konkret und für diesen nachvollziehbar erläutern, warum die vorgesehenen Lizenzgebühren FRAND sind (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 203; Kühnen, ebd., Kap. E. Rn. 309). Die Art und Weise der Lizenzgebührenberechnung erfordert keine streng mathematische Herleitung. Sofern dies im konkreten Fall möglich ist, ist es ausreichend, die Akzeptanz der verlangten (Standard-) Lizenzsätze am Markt über bereits abgeschlossene Lizenzverträge darzulegen (LG Düsseldorf, Urt. v. 13.07.2017, Az.: 4a O 154/15, Rn. 311, zitiert nach juris). Der Patentinhaber hat dann jedoch (je nach den Umständen des Einzelfalles mehr oder weniger substantiiert) insbesondere zu begründen, warum die von ihm vorgesehene Lizenzvergütung gerade vor diesem Hintergrund FRAND ist (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 203; LG Düsseldorf, ebd., Rn. 310; Kühnen, ebd., Rn. 326). Bei einer ausreichenden Anzahl von Lizenzverträgen und einer so nachgewiesenen Akzeptanz am Markt (beispielsweise über den Marktanteil der zu einer bestimmten Gebührenhöhe lizenzierten Produkte), werden im Regelfall keine weiteren Angaben zur Angemessenheit der Lizenzgebührenhöhe mehr erforderlich sein (LG Düsseldorf, ebd., Rn. 311). Der SEP-Inhaber muss jedoch grundsätzlich zu allen wesentlichen Lizenzverträgen vortragen – andernfalls besteht die Gefahr, dass selektiv nur solche Verträge vorgelegt werden, die die geforderte Lizenzgebührenhöhe stützen (LG Düsseldorf, ebd., Rn. 313).
- Nach dieser Maßgabe ist die Art und Weise der Berechnung im Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden Angebotshandlung hinreichend dargelegt worden.
- Der Standardlizenzvertrag, der der Muttergesellschaft im Februar 2012 zuging, enthält selbst zwar keine Ausführungen zur Art und Weise der Berechnung in dem dargelegten Sinn. Insoweit kann jedoch auf das Wissen des Mutterkonzerns darum, dass es sich bei dem Vertragsdokument um einen Standardlizenzvertrag handelt, welcher bereits durch eine Vielzahl von Lizenznehmern abgeschossen worden ist, abgestellt werden.
- Von einem solchen Wissen auf Seiten der Muttergesellschaft kann einerseits aufgrund der Ausgestaltung des Vertragsdokuments selbst ausgegangen werden (vgl. dazu unter (Ziff. (1)), andererseits stand der Konzern der Beklagten aber auch bereits seit längerer Zeit mit der M in Kontakt (vgl. dazu unter lit. b), aa), Ziff. (2)), und war/ ist eine Liste der Lizenznehmer (Anlage K10 – Exhibit F) über die Internetseite der M abrufbar. Dass der Konzern der Beklagten nicht ohne Kenntnis etwaiger Lizenznehmer war, wird weiter auch aus der vorgelegten E-Mail Korrespondenz deutlich. In deren Verlauf verwies die Muttergesellschaft, um ihrem Verlangen nach einer nur einzelne Tochterunternehmen betreffenden Lizenz Nachdruck zu verleihen, die M mehrfach darauf, dass es Lizenznehmer (..).
Die Vorlage der einzelnen abgeschlossenen Lizenzverträge selbst ist hingegen im Rahmen des Vertragsangebots nicht zu verlangen. Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass dies branchenüblich ist. - Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Muttergesellschaft weitere Informationen im Zusammenhang mit der Vorlage des Standardlizenzvertrags nicht verlangt hat und sich dennoch in Vertragsverhandlungen begab, dafür, dass weitergehende Informationen nicht branchenüblich sind.
- bb)
Das hier zur Prüfung stehende Angebot entspricht auch inhaltlich FRAND-Grundsätzen. - (1)
Als „faire und angemessene“ Vertragsbedingungen sind solche zu verstehen, die dem Lizenzwilligen nicht unter Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung angeboten werden. Die Vertragsbedingungen müssen zumutbar und dürfen nicht ausbeuterisch sein (OLG Düsseldorf, (Hinweis)beschluss v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 15, zitiert nach juris). Ein Angebot des Lizenzgebers kann sich insbesondere dann als unfair/ unangemessen erweisen, wenn eine Lizenzgebühr verlangt wird, die den hypothetischen Preis, der sich bei wirksamem Wettbewerb auf dem beherrschten Markt gebildet hätte, erheblich überschreitet, es sei denn, es gibt eine wirtschaftliche Rechtfertigung für die Preisbildung (LG Düsseldorf, Teilurt. v. 31.03.2016, Az.: 4a O 73/14, Rn. 225, zitiert nach juris; Huttenlauch/ Lübbig, in: Loewenheim/ Meessen/ Riesenkampff/ Kerstin/ Meyer-Lindemann, Kartellrecht, Kommentar, 3. Auflage, 2016, Art. 102 AEUV, Rn. 182; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 245). Handelt es sich um ein standardgebundenes Schutzrecht, kann sich die Unangemessenheit ferner daraus ergeben, dass sich im Falle einer Lizenzforderung auch für die übrigen Standard-Schutzrechte eine kumulative Gesamtlizenzbelastung ergeben würde, die wirtschaftlich nicht tragbar ist (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 246). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass eine mathematisch genaue Herleitung einer FRAND-gemäßen Lizenzgebühr nicht zu erfolgen hat, vielmehr ist eine annäherungsweise Entscheidung, die auf Wertungen und Schätzungen beruht, vorzunehmen (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 425). Vergleichbare Lizenzverträge können dabei ein gewichtiges Indiz für die Angemessenheit der angebotenen Lizenzbedingungen sein (LG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 245, Rn. 430). Das Vertragsangebot hat sich des Weiteren auch im Hinblick auf die übrigen Vertragsbedingungen (lizenzpflichtige Schutzrechte, Lizenzgebiet usw.) als angemessen zu erweisen. - Das Diskriminierungsverbot normiert für das marktbeherrschende Unternehmen eine Verpflichtung zur Gleichbehandlung, indem es Handelspartnern, die sich in gleicher Lage befinden, dieselben Preise und Geschäftsbedingungen einräumen muss (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2017, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 208 – Mobiles Kommunikationssystem, zitiert nach juris). In das Gleichbehandlungsgebot sind dabei nur Sachverhalte, die auch vergleichbar sind, einzubeziehen, während auch marktbeherrschende Unternehmen auf unterschiedliche Marktbedingungen differenziert reagieren können (a.a.O.). Eine Ungleichbehandlung ist daher zulässig, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist (a.a.O.). Der dem Inhaber eines gewerblichen Schutzrechts grundsätzlich zustehende weite Spielraum für eine sachliche Rechtfertigung ist eingeschränkt, wenn neben die marktbeherrschende Stellung weitere Umstände treten, aus denen sich ergibt, dass die Ungleichbehandlung die Freiheit des Wettbewerbs gefährdet (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 209). Diese können insbesondere darin bestehen, dass der Zugang zu einem nachgeordneten Produktmarkt von der Befolgung der patentgemäßen Lehre abhängig ist (BGH, GRUR 2004, 966 (968) – Standard-Spundfass) oder das Produkt – wie hier – erst bei Benutzung des Patents wettbewerbsfähig ist (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
- Der Lizenzsucher ist darlegungs- und beweispflichtig für eine Ungleichbehandlung (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 212) bzw. das Vorliegen eines Ausbeutungstatbestandes (LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2006, Az.: 4b O 58/05, Rn. 140 – Videosignal-Codierung I, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 247, Rn. 308). Jedoch ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Lizenzsucher regelmäßig keine nähere Kenntnis über die Lizenzierungspraxis des SEP-Inhabers, insbesondere über mit Dritten bestehende Lizenzverträge und deren Regelungsgehalt, besitzt. Dies rechtfertigt es, dem SEP-Inhaber, der naturgemäß in Kenntnis der Vertragsverhältnisse mit anderen Lizenznehmern ist, und dem nähere Angaben hierzu auch zumutbar sind, insoweit eine sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 212; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 311). Die Angabe zu den Lizenznehmern hat in diesem Zusammenhang vollständig zu erfolgen, und darf nicht auf einige namhafte Unternehmen der Branche reduziert werden (Kühnen, a.a.O.). Der Vortrag hat auch Angaben dazu zu enthalten, welche – konkret zu benennenden – Unternehmen mit welcher Bedeutung auf dem relevanten Markt zu welchen konkreten Konditionen eine Lizenz genommen haben (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Steht eine Ungleichbehandlung fest, so obliegt es dem Patentinhaber, etwaige die unterschiedliche Behandlung rechtfertigende Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Kühnen, a.a.O.).
- (2)
Orientiert an dem unter Ziffer (1) dargelegten Maßstab greifen die gegen die FRAND-Gemäßheit gerichteten Einwände der Beklagten nicht durch. - (a)
Die räumliche Erstreckung des Lizenzvertrags auch auf den chinesischen Markt stellt sich weder unter dem Aspekt der selektiven Durchsetzung der Patentrechte als eine kartellrechtswidrige Diskriminierung dar (dazu unter lit. (aa)), noch ist die Höhe der Lizenzgebühren unangemessen, weil sie nicht zwischen einzelnen regionalen Märkten, insbesondere im Hinblick auf eine Lizenz für Benutzungshandlungen auf dem chinesischen Markt, differenziert (dazu unter lit. (bb)). - (aa)
Zwischen den Parteien ist zwar unstreitig, dass mit bestimmten Smartphone-Anbietern keine Standardlizenzverträge abgeschlossen worden sind, obwohl diese mit dem AVC/H.264-Standard ausgestattete Mobilfunktelefone anbieten, eine gegen das Kartellrecht verstoßende Ungleichbehandlung ergibt sich daraus gleichwohl nicht. - Nach Auffassung der Beklagten läuft das Angebot der Klägerin, welches eine Lizenzierung auch des chinesischen Markts vorsieht, FRAND-Bedingungen zuwider, weil die M bisher noch mit keinem chinesischen Hersteller von Mobilfunkgeräten, der auf dem chinesischen Markt tätig ist, Lizenzen für eben diesen Markt vergeben habe.
- Insoweit ist zunächst zu beachten, dass die Beklagte sich, insbesondere auch nach Vorlage der Standardlizenzverträge durch die Klägerin, nicht erheblich gegen deren Vortrag gewandt hat, dass bereits ein erheblicher Teil der auf dem chinesischen Markt tätigen Anbieter – die Klägerin nennt unter weitergehenden Verweis auf die Anlage K18 insbesondere X,Y und Z – Lizenzen genommen haben. Sofern die Beklagte als Unternehmen, denen es an einer Lizenz für den chinesischen Markt fehlt, die „FFF“, die „RRR.“ und die „HHH“ nennt, ergibt sich aus dem von ihr selbst in Bezug genommenen E-Mail Verkehr (Anlage B7/B7a), dass es sich dabei um Sachverhalte zum MPEG-2-Standard handelt.Soweit danach noch die Unternehmen „LLL“, „RRR“, „ZZZ“, „VVV“ und „III“ verbleiben, die unstreitig keinen Lizenzvertrag abgeschlossen haben, ergibt sich daraus zwar unter dem Aspekt der selektiven Rechtsverfolgung zunächst ein Anknüpfungspunkt für eine Ungleichbehandlung, die die Klägerin jedoch sachlich rechtfertigt.
- Eine Ungleichbehandlung liegt tatbestandlich nicht nur dann vor, wenn der marktbeherrschende Patentinhaber einzelnen Lizenzsuchern vertragliche Vorzugskonditionen einräumt, die er anderen verweigert, sondern gleichermaßen dann, wenn er seine Verbietungsrechte aus dem Patent selektiv durchsetzt, indem er gegen einzelne Wettbewerber vorgeht, um sie in den Lizenzvertrag zu zwingen, andere Wettbewerber hingegen bei der Benutzung des Schutzrechts gewähren lässt (OLG Düsseldorf, (Hinweis)beschluss v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 41, zitiert nach juris; LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2006, Az.: 4b O 508/05, Rn. 170 – Videosignal-Codierung I, zitiert nach juris). In ihrer faktischen Auswirkung bedeutet eine solche Strategie nichts anderes, als dass einem Teil der Wettbewerber unentgeltlich, einem anderen Teil der Wettbewerber hingegen nur entgeltliche Lizenzen eingeräumt werden (LG Düsseldorf, a.a.O.).
- Die Klägerin hat im Zusammenhang mit dem hier in Streit stehenden Gesichtspunkt vorgebracht, dass sie versuche, auch die noch nicht lizenzierten Unternehmen zu einer Lizenznahme zu bewegen. Dieser Vortrag wird dadurch bestätigt, dass sie gegen die K ein Klageverfahren eingeleitet hat (vgl. das bei dem hiesigen Gericht anhängige Verfahren mit dem Aktenzeichen 4a O 16/17). Diese Erklärung schließt die Annahme einer Diskriminierung aus.
- Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil die Klägerin bisher neben dem K-Konzern keine weiteren der näher benannten nichtlizenzierten Unternehmen gerichtlich in Anspruch genommen hat. Der Klägerin ist eine differenzierte gerichtliche Geltendmachung schon wegen des damit verbundenen Kostenrisikos zuzugestehen. Hinzukommt, dass die Klägerin ihre Auswahlentscheidung, für die ihr ohnehin ein Ermessen einzuräumen ist, nachvollziehbar auch damit begründet hat, dass sie ihre Rechte zunächst gegenüber einem bedeutenden Marktteilnehmer gerichtlich wahrnehmen wolle, weil hier der aufgrund der ausgebliebenen Lizenzierung zu erwartende Schaden am umfangreichsten ist und um auf diese Weise ggf. auch einen Abschreckungseffekt gegenüber anderen Unternehmen erzielen zu können.
- Weiter zeigt auch eine umsatzbezogenen Betrachtung, die das Verhältnis des Verkaufspreises pro Einheit zu der von dem Pool eingenommenen Lizenzgebühr in den Blick nimmt, nicht, dass der auf den Pool entfallende Wertanteil bei Verkäufen in China unangemessen größer ist als bei Verkäufen in anderen Ländern.
- Die von der Klägerin vorgetragenen Verkaufspreise der von dem Konzern der Beklagten angebotenen Mobiltelefone für das Jahr 2016,
- Verkaufspreis China
Verkaufspreis USA Verkaufspreis Europa
Premium Phone
: $ 384 $ 336 $ 320
Basis Phone
: $ 151 $ 166 $ 141
Utility Phone
: $ 53 $ 53 $ 52,
stehen den von der Beklagten pauschal vorgetragenen erheblichen Unterschieden in den Verkaufspreises auf dem chinesischen Markt entgegen. - Unbeschadet dessen hat aber auch die Beklagte nicht aufgezeigt, dass bei einer solchen Betrachtung der Gebührenanteil bei chinesischen Vertriebshandlungen so hoch ist, dass dieser einem wirtschaftlich vernünftig handelndem Lizenznehmer nicht mehr zugemutet werden könnte. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass, sofern weitere Inhaber von essentiellen AVC-Patenten in derselben Art und Weise verfahren, eine exzessive Gesamtlizenzbelastung entstehe, lässt ihr Tatsachenvortrag schon nicht erkennen, dass eine solche tatsächlich auch besteht – was aber für die Feststellung eines Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung erforderlich wäre (OLG Düsseldorf, (Hinweis)beschluss v. 17.11.2006, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 50, zitiert nach juris). Insoweit ist gerade auch zu beachten, dass dem hier streitgegenständlichen Pool bereits ca. 40 Poolpatentinhaber für AVC/H.264-wesentliche Patente angehören. Das Beklagtenvorbringen lässt schon offen, welcher weiteren Lizenzen es für die Nutzung des Standards darüber hinaus noch bedarf.
- (iii)
Die Unangemessenheit der in dem Standardlizenzvertrag angesetzten Lizenzgebühr ergibt sich – entgegen der bestehenden Indizwirkung – auch nicht daraus, dass – wie die Beklagte unter Bezugnahme auf die Übersicht nach Anlage B29 (deutsche Übersetzung: Anlage B29a) geltend macht – für den chinesischen Markt weniger Poolpatente in Kraft stehen. - Der damit in Bezug genommene Sachverhalt kann zwar grundsätzlich Anhalt für eine unangemessene Behandlung geben, wobei es jedoch auch insoweit maßgeblich auf die Branchenüblichkeit ankommt (OLG Düsseldorf, (Hinweis)beschluss v. 17.11.2006, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 42).
- In diesem Zusammenhang ist zunächst zu beachten, dass die Zahl der in einem Land in Kraft stehenden Schutzrechte nicht überbewertet werden darf, weil auch schon ein einziges Patent in der Lage ist, einen Interessenten von dem standarddefinierten Markt fernzuhalten. Ob der Lizenzsucher darüber hinaus noch weitere Lizenzen benötigt, um die standardisierte Technologie zu nutzen, spielt dann eine eher untergeordnete Rolle (LG Düsseldorf, Urt. v. 11.09.2008, Az.: 4b O 78/07, Rn. 102, zitiert nach juris). Weiter ist beachtlich, dass – worauf die Klägerin zu Recht hinweist – auch nach der Aufstellung der Beklagten (Anlage B29/Anlage B29a) der Anteil der Poolpatente in China am viertstärksten ist („CN – 233“).
- Die Tatsache, dass eine Patentdurchsetzung möglicherweise erschwert ist, stellt für sich genommen keinen Grund dar, geringere Lizenzraten zu verlangen. Ein Patent ist schon dann zu beachten, wenn es besteht.
- (b)
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der AVC/H.264-Patentpool in kartellrechtswidriger Weise zusammengesetzt ist. - (aa)
Die Feststellung eines „fairen und angemessenen Lizenzangebots“ im Zusammenhang mit einem Patentpool, das heißt in der Form eines Zusammenschlusses mehrerer Schutzrechtsinhaber zur gemeinsamen Lizenzierung der von ihnen gehaltenen Patente, verlangt zunächst substantiierten Sachvortrag zur Benutzung der Patente aus dem Pool (OLG Düsseldorf, (Hinweis)beschluss v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 26 f.; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 420). Insoweit ist jedoch kein an § 286 ZPO gemessener Überzeugungsgrad, der eine persönliche Gewissheit, die Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen, verlangt (m. w. Nachw. Greger, in: Zöller, ZPO, Kommentar, 32. Auflage, 2018, § 286, Rn. 19), erforderlich. Vielmehr ist § 287 Abs. 2 ZPO anwendbar, der – in Herabsetzung des Beweismaßes des § 286 ZPO – eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreichen lässt (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 26; Kühnen, a.a.O.). - Ein entsprechender Sachvortrag geschieht grundsätzlich über die Vorlage sog. Claim Charts für ausgewählte Portfolio-Patente, die die konkret einschlägigen Passagen des maßgeblichen Standards den jeweiligen SEPs zuordnen (OLG Düsseldorf, ebd., Rn. 27; Kühnen, a.a.O.).
- Eine solche Referenzliste liegt – bezogen auf sämtliche Poolpatente – als Anlage K10 – Exhibit E vor.
- (bb)
Das Anbieten einer Lizenz in einem Patentpool begründet für sich allein den Vorwurf einer missbräuchlichen Unangemessenheit noch nicht. Regelmäßig dient es dem wohlverstandenen Interesse etwaiger Lizenzsucher, dass ihnen eine Benutzungserlaubnis für den gesamten Standard aus einer Hand zu einheitlichen Konditionen offeriert wird, weil sie damit der Notwendigkeit enthoben werden, bei jedem einzelnen Schutzrechtsinhaber um eine Lizenz für dessen Patente nachsuchen zu müssen (LG Düsseldorf, 4b O 508/05, Rn. 119 – Videosignal-Codierung I, zitiert nach juris). Insoweit geben auch die „Leitlinien zur Anwendung von Art. 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Technologietransfer-Vereinbarungen vom 28.03.2014 (Amtsbl. C 89/3) (nachfolgend kurz: „die Leitlinien“) eine Orientierungshilfe (vgl. hierzu allgemein Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 299). Sie sehen zur Handhabung des Kartellverbots nach Art. 101 AEUV in Randnummer 245 Folgendes vor: - „[…] Technologiepools können wettbewerbsfördernde Wirkung haben, zumal sie Transaktionskosten senken und der Kumulierung von Lizenzgebühren Grenzen setzen, so dass eine doppelte Gewinnmaximierung vermieden wird. Sie ermöglichen eine zentrale Lizenzvergabe für die vom Pool gehaltenen Technologien. Dies ist vor allem in Wirtschaftszweigen wichtig, in denen Rechte des geistigen Eigentums von zentraler Bedeutung sind und es für die Marktpräsenz erforderlich ist, von einer erheblichen Anzahl von Lizenzgebern Lizenzen zu erhalten. […].“
- Von einer wettbewerbsbeschränkenden Wirkung ist erst dann auszugehen, wenn weitergehende Umstände hervortreten, was auch in Randnummer 246 der Leitlinien zum Ausdruck gelangt:
- „Technologiepools können den Wettbewerb auch beschränken, denn ihre Gründung impliziert zwangsläufig den gemeinsamen Absatz der zusammengeführten Technologien, was bei Pools, die ausschließlich oder vorwiegend aus substituierbaren Technologien bestehen, zu einem Preiskartell führen kann. Darüber hinaus können Technologiepools nicht nur den Wettbewerb zwischen den Vertragsparteien verringern, insbesondere wenn sie einen Industriestandard unterstützen oder de facto begründen, sondern durch den Ausschluss alternativer Technologien auch den Innovationswettbewerb. Ein vorhandener Standard und ein entsprechender Technologiepool können den Marktzugang für neue und verbesserte Technologien erschweren.“
- Orientiert an diesem Maßstab erweist sich das Angebot einer Lizenznahme an einem Patentpool erst bei Vorliegen besonderer Umstände als unangemessen bzw. diskriminierend, und damit als kartellrechtswidrig.
- Solche Umstände können hier – wie nachfolgend aufgezeigt wird – nicht festgestellt werden.
- (aaa)
Insbesondere ergeben sich solche Umstände nicht daraus, dass – was die Beklagte geltend macht – Mobilfunkanbieter typischerweise lediglich eines der im Wesentlich vier durch den Standard bereitgestellten Profile und hiervon auch lediglich bestimmte Merkmale nutzen. - (i)
Die Beklagte wendet ein, die Tatsache, dass der AVC/H.264-Standard aus verschiedenen Profilen (im Wesentlichen vier: „Baseline (CBP/BP)“, „Extended (XP)“, „Main (MP)“ und „High (HiP)“) besteht, wobei jedes Profil bestimmte Merkmale („Features“) aufweise, Hersteller von Mobilfunkgeräten jedoch im Allgemeinen lediglich einige ausgewählte Profile, insbesondere „Baseline“, und auch dann nur bestimmte Merkmale dieser Profile nutzen (Merkmale wie „flexible macroblock ordering (FMO)“, „arbitrary slice ordering (ASO)“, „redundant slices (RS)“, „data partitioning“ und „SI/SP slices“ würden beispielsweise nicht genutzt.), seien Mobilfunkanbieter mit einer exzessiven Lizenz belastet. - Dieser Einwand kann grundsätzlich geeignet sein, eine Unangemessenheit der Lizenzgebühren darzutun. Er ist mit den Fällen vergleichbar, in denen nicht sämtliche Patente eines Pools genutzt werden (vgl. dazu Kühnen, ebd., Rn. 412). Jedoch können – wie vorliegend – gegen eine unbillige Behinderung in diesem Sinne sachliche Gründe angeführt werden (Kühnen, a.a.O.).
- (ii)
Mit der Etablierung eines Patentpools für die Nutzung eines Standards geht – was auch die Beklagte im Ausgangspunkt nicht in Abrede stellt – stets eine gewisse Pauschalierung einher (LG Düsseldorf, Urt. v. 11.09.2008, Az.: 4b O 78/07, Rn. 101, zitiert nach juris), wobei eine solche insbesondere bei einem Patentpool von mehr als 5.000 Patenten nicht vermeidbar erscheint. - Die Kammer verkennt nicht, dass mit der Pauschalierung als solcher noch keine Aussage über den Umfang der Pauschalierung, aus dem die Unangemessenheit gerade erwachsen kann, verbunden ist. Insoweit ist jedoch in dem hier zur Entscheidung stehenden Fall zu berücksichtigen, dass Ausgangspunkt der Lizenzgewährung die Einräumung der rechtlichen Möglichkeit des Angebots und des Vertriebs „AVC-fähiger“ Produkte ist, die den Standard in seiner Gesamtheit wahrnehmen können. Ziffer 2.1 knüpft den Umfang der Lizenz deshalb auch an Benutzungshandlungen im Zusammenhang mit einem „AVC-Produkt“, das nach Ziffer 1.10 des Lizenzvertrags als
- „Produkt oder jede Sache, in welcher Form auch immer, welche mindestens einen voll funktionstüchtigen AVC Decoder, AVC Encoder oder AVC Codec enthalten oder bilden. […].“
- definiert wird. Ein AVC-Code ist nach Ziffer 1.4
- „ein Einzelprodukt oder eine Sache, welche die kompletten Funktionen eines AVC Decoders oder eines AVC Encoders enthalten. […].“
- Maßgeblich ist danach mithin die per AVC hergestellte Videoeinheit, unabhängig davon mit welchem Produkt der Herstellungsprozess umgesetzt worden ist.
- In den dargestellten vertraglichen Regelungen findet die Erwartungshaltung des Marktes an einem AVC-fähigen Produkt einen Ausdruck. Diese liegt insbesondere darin begründet, dass die technischen Nutzungsmöglichkeiten des Standards nicht primär zur Wahl des Smartphone-Herstellers stehen, sondern durch den Ersteller der Videos festgelegt werden.
- Für das Bedürfnis, die technische Bandbreite des Standards zur Verfügung zu stellen, spricht vorliegend auch, dass die Klägerin unter Bezugnahme auf den als Anlage K8 vorgelegten Testbericht vorgetragen hat, dass die angegriffenen Ausführungsformen in der Lage sind, mehr als nur ein Profil, nämlich „Baseline“, „Main“ und „High“, abzuspielen. Lediglich ältere Smartphones seien nicht in der Lage andere Profile als „Baseline“ wiederzugeben. Auch dem Beklagtenvorbringen ist nicht zu entnehmen, dass die (aktuellen) Mobilfunkgeräte technisch nicht dazu in der Lage sind, diese Profile umzusetzen. Daraus folgt, dass das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung insoweit im Grundsatz ausgewogen ist. Für eine enge Verknüpfung der unterschiedlichen Profile aus Marktsicht spricht schließlich auch, dass die Abgrenzung unterschiedlicher Produkttypen ohnehin immer weniger trennscharf ist, weil beispielsweise auch die angegriffenen Smartphones mehr und mehr Funktionen des Digital TVs oder von Videokameras übernehmen können und Computer-Funktionalitäten aufweisen.
- (iii)
Gegenüber den angeführten sachlichen Rechtfertigungsgründen vermag die Tatsache, dass die Gebührenstruktur des Nachfolgestandards zu dem hier streitgegenständlichen Standards (H.265/HEVC-Standard) eine Differenzierung nach Profilnutzungen vorsieht, eine andere Bewertung nicht herbeizuführen. Die Tatsache einer Differenzierung nach der Profilnutzung trägt nicht ohne weiteres die Annahme, dass ein Vertragskonstrukt, bei dem es an einer solchen Differenzierung fehlt, FRAND-widrig ist. Eine Differenzierung nach der Profilnutzung mag – was hier nicht zur Überprüfung steht – bei Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs des den Nachfolgestandard betreffenden Lizenzsystems geboten sein. Eine Vergleichbarkeit mit dem hier zur Prüfung stehenden Standard, die auch in dem hiesigen Fall eine Differenzierung gebietet, folgt daraus aber nicht. - (bbb)
Der AVC/H.264-Patentpool ist auch nicht deshalb kartellrechtswidrig zusammengesetzt, weil dieser standardessentielle und nicht-standardessentielle Patente enthält. - Mit einer derartigen Zusammensetzung des Patentpools aus standardessentiellen und nicht-standardessentiellen Patenten kann grundsätzlich eine unangemessene Behandlung des Lizenzsuchers einhergehen (LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2006, Az.: 4b O 508/05, Rn. 132 – Videosignal-Codierung I; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 255, Rn. 412 ff.). Ein Ausbeutungstatbestand wird regelmäßig dann zu bejahen sein, wenn in einen Pool planmäßig für die Einhaltung des Standards nicht notwendige Schutzrechte Eingang in den Lizenzvertrag finden, so dass der Zweck erkennbar wird, die Lizenzgebühren durch die Aufnahme möglichst vieler Patente ungerechtfertigt zu steigern (LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2006, Az.: 4b O 508/05, Rn. 130, 132 – Videosignal-Codierung I, zitiert nach juris).
- Dass dies vorliegend der Fall ist, lässt sich dem Beklagtenvorbringen nicht hinreichend entnehmen.
- (i)
Anhand der über die Internetseite der M abrufbaren Cross Reference Chart mit Bezug auf einschlägige Standardabschnitte, denen die Poolpatente zuzuordnen sind (Anlage K10 – Exhibit E), ist erkennbar, woraus sich die Standardessentialität der Poolpatente ergeben soll. Das Vorbringen der darlegungsbelasteten Beklagten trägt demgegenüber die Annahme einer kartellrechtswidrigen Zusammensetzung des Pools schon in tatsächlicher Hinsicht nicht. - Die Beklagte macht unter Verweis auf eine sog. Essentialitätsanalyse des geltend, die von der Klägerin, sowie TTT eingebrachten Poolpatente seien nicht standardwesentlich.
- Aus den von der Beklagten in Bezug genommenen Dokumenten lässt sich lediglich das Ergebnis einer stichprobenartigen Untersuchung entnehmen, die zum Gegenstand hatte, einige ausgewählte Poolpatente auf den Standard zu lesen (vgl. Anlage B38a, S. 5 f., Ziff. IV., Pkt. 10. – 14.).
- Eine Begründung dieses Ergebnisses, aus der der Gang der Untersuchung deutlich wird, enthalten die Dokumente nicht. Weder aus dem Beklagtenvortrag noch aus den vorgelegten Unterlagen zur Essentialitätsanalyse (Anlage B37/B37a und Anlage B38/B238a) geht hervor, welche Poolpatente (mit Veröffentlichungsnummer) als essentiell und welche als nicht-essentiell erachtet worden sind, und welche Stellen des Standards – entgegen der Cross Reference Chart (Anlage K10 – Exhibit E) – in den jeweiligen Patenten keine Übereinstimmung finden. Soweit die Beklagte im Hinblick auf die Klägerin sämtliche der in den Pool eingebrachten Patente für nicht standardwesentlich hält, lässt die Übersicht (Anlage B37/B37a) dies nicht erkennen. Daraus geht hervor, (..)
Aus der Übersicht nach Anlage B50 (deutsche Übersetzung: Anlage B50a) folgt insoweit nichts anderes. Sie soll zwar „eine im Ergebnis leicht nach unten korrigierte Auswertung“ enthalten, lässt aber im Hinblick auf die hier betrachteten Ergebnisse ein abweichendes Zahlenmaterial nicht erkennen. - Auch die Tatsache, dass die auf den vorliegenden Fall anwendbaren ISO/ITU/IEC Regeln – anders als bei dem „XXX Institute“ – keine Vorkehrungen dafür vorsehen, um das „Aufblähen“ des SEP Portfolios anhand tatsächlich nicht essentieller Patente zu verhindern, berechtigt nicht zu der Annahme, der streitgegenständliche Pool enthalte nicht essentielle Patente. Unbeschadet dessen, dass dieser Vortrag schon eine Auseinandersetzung mit dem konkreten Pool nicht erkennen lässt, weist die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf hin, dass unabhängig von den Regularien der jeweiligen Organisation auch eine Prüfung durch unabhängige Sachverständige erfolge, was nach Randziffer 248 der Leitlinien bei der Einordnung eines Pools als wettbewerbsbeschränkend bzw. -fördernd zu berücksichtigen ist (vgl. zu dem Verfahren der ISO im Zusammenhang mit den MPEG-2 Standard auch LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2006, Az.: 4b O 508/05, Rn. 127 – Videosignal-Codierung I, zitiert nach juris).
- Des Weiteren kann der Beklagten als Verletzer der angemahnte Kartellverstoß nur dann zugutekommen, wenn er von denjenigen Lizenzschutzrechten, die durch den Standard nicht gestützt werden, keinen Gebrauch macht (LG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2006, Az.: 4b O 508/05, Rn. 136 – Videosignal-Codierung I, zitiert nach juris). Zu einem rechtserheblichen Verteidigungsvorbringen gehört deshalb nicht nur die Behauptung, bestimmte (konkret zu bezeichnende Lizenzvertragsschutzrechte lägen außerhalb des Standards, sondern auch, dass von keinem dieser Rechte Gebrauch gemacht wird (a.a.O.). Auch dazu verhält sich die Beklagte vorliegend nicht.
- (ii)
Unbeschadet der Ausführungen unter (i) bietet der Beklagtenvortrag auch keine hinreichenden Anknüpfungspunkte dafür, dass die Poolinhaber, selbst dann, wenn der Pool nicht standardwesentliche Patente enthält, von denen die Beklagte keinen Gebrauch macht, widerholt und systematisch schutzunfähige Patente in diesen aufgenommen haben. - Die Beklagte trägt vor, der Anteil tatsächlich nicht essentieller Patente am Pool liege bei rund XXX %. Dies lässt sich dem vorgelegten Untersuchungsmaterial schon deshalb nicht nachvollziehbar entnehmen, weil sich aus diesem selbst ergibt, dass die Beklagte nicht sämtliche Poolpatente hat untersuchen lassen. Gegenstand der in Auftrag gegebenen Anlayse waren vielmehr (..). Bei diesen Verhältnissen kann ein planmäßiges Einlagern von nicht standardwesentlichen Patenten nicht ohne weiteres angenommen werden.
- Auch ist es aus Sicht der Kammer zur Begründung eines systematischen Vorgehens der Poolpatentinhaber nicht ausreichend, dass die Klägerin ihre Poolpatente zuvor von einem anderen Poolmitglied („PPP“) erhalten hat, und es sich bei den übertragenen Patenten um Teilanmeldungen von ein und derselben „PPP-Patentfamilie“ handelt. Die Beklagte macht geltend, die Abzweigungen seien nur deshalb vorgenommen worden, um die Anzahl der standardessentiellen Poolpatente – und so die zu zahlenden Lizenzgebühren – zu erhöhen.
- Ähnliches schildert die Beklagte im Verhältnis von „PPP“ und einem dritten Unternehmen, welches nicht in den streitgegenständlichen Pool eingelagert worden ist. Die Beklagte leitet daraus ab, dass sich in dem Pool gerade nicht essentielle Patente befinden, während die außerhalb des Pools gehaltenen Patente überwiegend essentiell seien.
- Unbeschadet dessen, dass die Klägerin die Standardwesentlichkeit bestreitet, und die von der Beklagten insoweit als Anlage B54 (deutsche Übersetzung: Anlage B54a) vorgelegte Essentialitätsanalyse denselben Bedenken wie die Essentialitätsanalysen zu den Poolpatenten unterliegt (vgl. dazu unter (i)), handelt es sich bei den von der Beklagten dargestellten Lebenssachverhalten im Ausgangspunkt um „neutrale“ Vorgänge. Weitere Umstände, die diese als Teil eines missbräuchlichen systematischen Vorgehens erscheinen lassen, trägt die Beklagte nicht vor, und sie ergeben sich auch aus einer Gesamtschau des Beklagtenvorbringens nicht. Gegen eine Wertung der vorgetragenen Konstellationen als systematisches Vorgehen steht in diesem Zusammenhang auch, dass die Lizenzgebühr mit Erhöhung der Poolpatente nicht angestiegen ist, und der M eine Erhöhung aufgrund der Erweiterung des Patentpools nach Ziffer 4.9 des Standardlizenzvertrags auch nicht möglich ist (vgl. dazu insgesamt unter lit. (e)).
- (ccc)
Schließlich ergibt sich eine kartellrechtswidrige Zusammensetzung des Pools auch nicht dadurch, dass die Gesamtlizenzbelastung AVC-fähiger Produkte unangemessen hoch ist, weil neben den in den streitgegenständlichen Pool eingelagerten Schutzrechten Lizenzen von weiteren, außerhalb des Pools stehenden Patentinhabern bezogen werden müssen. - Der Umstand, dass es auch weitere – ggf. für den streitgegenständlichen Standard essentielle – Patente außerhalb des Pools gibt, führt nicht zu der zwingenden Annahme eines Ausbeutungstatbestands. Denn auch eine Poollizenz, die nicht alle standardwesentlichen Patente erfasst, bringt den Vorteil mit sich, dass der Lizenzsucher nicht mit jedem einzelnen Patentinhaber eine individualvertragliche Regelung abschließen muss. Die Grenze zur Wettbewerbsbeschränkung ist erst dann erreicht, wenn das die Standardfunktionen nutzende Produkt in der Gesamtheit der abzuführenden Gebühren tatsächlich derart belastet ist, dass eine gewinnbringende Vermarktungsmöglichkeit nicht mehr besteht. Ein bloß theoretische Kumulierung führt hingegen noch nicht zur Unangemessenheit der Lizenzgebühr (OLG Düsseldorf, (Hinweis)beschluss v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 50).
- (c)
Der Standardlizenzvertrag stellt sich auch nicht deshalb als diskriminierend dar, weil – ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund – von diesem abweichende individualvertragliche Vereinbarungen mit Dritten bestehen. - Wegen des genauen Regelungsgehalts dieses Vertragskonstrukts wird auf das Vertragsdokument verwiesen (Anlage B47/B47a).
- (bb)
Auch aus der Lizenznahme von Poolpatentinhabern selbst lässt sich eine missbräuchliche Ungleichbehandlung nicht herleiten. - Die Klägerin hat insoweit vorgetragen – und durch Vorlage der Lizenzverträge substantiiert –, dass mit Poolpatentinhabern derselbe Standardlizenzvertrag wie mit Lizenznehmern, die an dem Pool nicht beteiligt sind, abgeschlossen wird. Sofern die Beklagte in den internen Regelungen („Membership Agreements“) zwischen den Poolpatentinhabern einen Anknüpfungspunkt dafür vermutet, dass etwaige von den Poolmitgliedern zu erbringende Lizenzzahlungen durch eine interne Verteilung der Lizenzgebühren kompensiert werden würden, bringt sie in diesem Zusammenhang keine die Vermutung stützenden tatsächlichen Anhaltspunkten vor.
- Aus der Tatsache der Verteilung der Lizenzgebühren allein folgt noch kein eine kartellrechtswidrige Ungleichbehandlung begründendes Verhalten. Vielmehr wird den jeweiligen Poolpatentinhabern damit im Grundsatz ein Ausgleich (Gegenleistung) für die von ihnen erbrachte Leistung, die Patente in den Pool einzubringen, gewährt. Dafür, dass die Verteilung der Lizenzen nach einem Schlüssel, in dem die unterschiedliche Beteiligung an dem Pool zum Ausdruck kommt, erfolgt – und damit eine Überkompensation der gezahlten Lizenzgebühren nicht entsteht – spricht schon, dass jeder an dem Patentpool beteiligter Patentinhaber ein erhebliches Eigeninteresse an einer Verteilung entsprechend seiner Beteiligung an dem Pool hat.
- Die vorherigen Ausführungen sprechen dafür, den Standardlizenzvertrag bereits separat von dem „Membership Agreement“ zu sehen. Jedenfalls liegt aber auch in der Tatsache, dass der Lizenzgeber seine Poolpatente bereitstellt, ein zulässiges Differenzierungskriterium (vgl. ähnlich etwa wie bei der Berücksichtigung von Kreuzlizenzen bei bestehenden Lizenzvergütungen Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 308).
- Vor dem Hintergrund des Dargelegten ist auch die Klägerin nicht gehalten, „Membership Agreements“ von M vorzulegen.
- (cc)
Schließlich begründen auch etwaige Ratenzahlungs- und Anrechnungsvereinbarungen keine gegen das Diskriminierungsverbot verstoßende Ungleichbehandlung. - Ratenzahlungs- und Anrechnungsvereinbarungen stellen Regelungen zu den Zahlungsmodalitäten dar, die die nach dem Standardvertrag der Höhe nach zu entrichtenden Gebühren im Grundsatz jedoch nicht berühren.
- Sofern Anrechnungsvereinbarungen im Raum stehen ist eine missbräuchliche Ungleichbehandlung bereits deshalb ausgeschlossen, weil es sich dabei lediglich um eine Kompensation etwaiger von dem Lizenznehmer bereits erbrachter Leistungen handelt, mithin jedenfalls ein sachlicher Rechtfertigungsgrund vorliegt. Die Beklagte hat auch nicht dargetan, dass auf ihrer Seite bereits ein Anrechnungsbedürfnis besteht. Zwar geht aus dem Gesprächsprotokoll zwischen E und der M vom 03.07.2017 (Anlage B26/B26a) hervor, dass E im Rahmen des Gesprächs ausgeführt hat, dass Lizenzverträge mit einzelnen Inhabern von Poolpatenten geschlossen worden sind (Anlage B26a, S. 1, unter Ziff. II., 1. (1)).
Im Hinblick auf die Möglichkeit von Ratenzahlungen hat die Klägerin erklärt, dass diese Möglichkeit jedem eingeräumt wird. Insoweit hat die Beklagte aber auch kein Bedürfnis für eine solche Absprache auf ihrer Seite vorgetragen. - (dd)
Die Richtigkeit des Vortrags der Beklagten, wonach die M Lizenzverträge mit Unternehmen unter Aussparung der Lizenzvergabe auch an deren Muttergesellschaften geschlossen habe, unterstellt, kommt grundsätzlich ein diskriminierendes Verhalten der M in Betracht. - Dem Vortrag der Beklagten fehlt es jedoch an Substanz, um diesen Einwand in erheblicher Weise darzulegen.
Hinsichtlich des AVC/H.264-Standards führt die Beklagte die „OOO“ an. Insoweit hat die Klägerin jedoch die Lizenzierungspraxis der M dahingehend konkretisierend beschrieben, dass gesonderte Lizenzen an einzelne Konzernunternehmen nur dann vergeben werden, wenn sich die patentrechtlich relevanten Benutzungshandlungen auf diese konkreten Konzernunternehmen einschränken lassen. Dass dies gleichermaßen auf den Konzern der Beklagten zutrifft, hat die Beklagte nicht dargetan. - (ee)
Soweit die Beklagte Anhaltspunkte für eine von dem Standardlizenzvertrag abweichende vertragliche Gestaltung auch daraus herleiten will, dass in der Aufstellung nach Anlage K14 in der 3. Spalte „Associated Contract“ unterschiedliche Vertragsnummern aufgeführt sind, ist dies für das vorliegende Verfahren unerheblich, weil diese sich – wie die 1. Spalte („patent pool“) der Tabelle erkennen lässt – durchweg auf den – hier nicht zur Prüfung stehenden – MPEG-2 Standard bezieht. - (d)
Die in dem Standardlizenzvertrag vorgesehenen Höchstsätze für die Entrichtung der jährlichen Lizenzgebühr führen eine der FRAND-Gemäßheit des Angebots entgegenstehende Diskriminierung nicht herbei. - Die Beklagte erblickt eine solche darin, dass durch die vorgesehenen Höchstsätze, bei deren Erreichen keine Lizenzgebühren für weitere veräußerte Einheiten anfallen, großvolumige Lizenznehmer, insbesondere solche, die neben Mobilfunkgeräten auch andere AVC/H.264-Standard-fähige Produkte vertreiben, überproportional begünstigt werden würden. Dies ermögliche eine Quersubventionierung derart, dass die für den Vertrieb von Smartphones zu leistende Lizenzgebühren durch den im Zusammenhang mit anderen AVC-fähigen Produkten erzielten Gewinn finanziert werden könnten. Darin sei eine gegen das Diskriminierungsverbot verstoßende strukturelle Ungleichbehandlung zu erblicken.
- Dem vermag die Kammer jedoch im Ergebnis nicht zu folgen.
- Art. 102 AEUV kann eine allgemeine Verpflichtung zur Meistbegünstigung nicht entnommen werden (OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.03.2011, Az.: 6 U 66/09, Rn. 166 – FRAND-Grundsätze, zitiert nach juris). Danach ist auch ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht gezwungen, allen die gleichen – günstigen – Marktbedingungen, insbesondere Preise zu gewähren (a.a.O.). Ihm kann nicht verwehrt werden, auf unterschiedliche Marktbedingungen differenziert zu reagieren (a.a.O.). Eine unzulässige Diskriminierung ergibt sich deshalb nicht schon daraus, dass mit der Marktgegenseite abgeschlossene Verträge nicht in jedem Fall zu einem gleichen wirtschaftlichen Ergebnis führen (a.a.O.). Maßgeblich für die Frage der Diskriminierung ist vielmehr, ob eine unterschiedliche Gestaltung der Konditionen auf Willkür oder sachfremden Erwägungen beruht. Entscheidend sind Art und Ausmaß der unterschiedlichen Behandlung, sowie ob sich eine relative Schlechterstellung eines Unternehmens gegenüber einem anderen als wettbewerbskonformer Interessenausgleich oder auf Willkür/ auf sachfremden Erwägungen beruhend darstellt (a.a.O.).
- Die entrichteten Jahresgebühren taugen nach dem soeben Ausgeführten grundsätzlich als objektiver Anknüpfungspunkte für eine Rabattgewährung. Da das Lizenzsystem des AVC/H.264-Pools eine Stücklizenz vorsieht, hängt das Erreichen der Höchstgrenze der entrichteten Jahresgebühr von der Verkaufskraft des jeweiligen Unternehmens ab. Diese ist in erster Linie Ausdruck des wettbewerblichen Handelns der auf dem Markt tätigen Unternehmen sowie unternehmerischer Entscheidungen. Erweist sich ein Wettbewerber danach, weil er sich einen weitergehenden Markt als sein Wettbewerber erschlossen hat, als (im Hinblick auf die veräußerte Stückzahl) „stärker“, erscheint es nicht von vornherein unangemessen, damit eine Rabattierung zu verbinden.
- Insoweit ist weiter auch zu beachten, dass die Begrenzung der (jährlich) zu zahlenden Lizenzgebühren nach der vertraglichen Konzeption jedem Lizenznehmer zu Gute kommt, mithin „im Rechtlichen“ eine Ungleichbehandlung nicht vorliegt. Der Einwand der Beklagten hat seinen Bezugspunkt vielmehr „im Tatsächlichen“. Dass die Höchstgrenze vorliegend aber gerade so bemessen ist, dass diese – was für sachfremde Erwägungen sprechen würde – faktisch nur auf ein bestimmtes Unternehmen bzw. eine geringe Anzahl von Unternehmen Anwendung findet, bringt die Beklagte nicht vor.
- Sofern die Beklagte in diesem Zusammenhang einwendet, dass die Höchstgrenze insbesondere Multiproduktanbieter gegenüber „reinen“ Smartphone-/Tablet-PC-Anbietern unzulässig begünstige, ist gegen diese Pauschalisierung nichts einzuwenden. Denn Ausgangspunkt der Lizenzvergabe ist es gerade, das Anbieten und Vertreiben eines AVC-fähigen Produkts zu ermöglichen (vgl. dazu auch unter lit. (b), (bb), (aaa)).
- Dem Beklagtenvorbringen ist auch nicht zu entnehmen, dass die vertraglich festgelegte Höchstgrenze für keinen Anbieter, dessen Vertriebstätigkeit auf Mobilfunkgeräte beschränkt ist, zur Anwendung gelangen kann. Dagegen stehen auch die von der Klägerin mit der nachfolgenden Tabelle wiedergegebenen Zahlen:
- die auf Daten der Marktforschungsgesellschaft XXX beruhen, und die dartun, dass der Konzern der Beklagten seit dem Jahre 2014 die Kappungsgrenze erreicht. Die Beklagte tritt dieser Tabelle zwar in anderem Zusammenhang entgegen, indem sie sich auf die – weitestgehend identische und von der Klägerin in anderem Zusammenhang vorgebrachte – Tabelle auf Seite 48 der Replik bezieht. Hier sind in der zweiten Spalte unter der Überschrift „Global sales of units“ Zahlen mit „$“-Zeichen aufgeführt. Diese Einheit ist in der Tat für die Angabe von Stückzahlen untauglich, in der hier in Bezug genommenen Tabelle auf Seite 55 der Replik ist diese Einheit jedoch nicht aufgeführt. Die Klägerin hat insoweit auch klargestellt, dass sie sich mit den genannten Werten auf die Stückzahl bezieht. Soweit die Beklagte – auch wiederum in anderem Zusammenhang (im Hinblick auf ihre Verkaufseinheiten auf dem asiatischen Markt) – geltend macht, die von der Klägerin vorgelegten Zahlen seien unrichtig, und auf die Aufstellung nach Anlage B49 (deutsche Übersetzung: Anlage B49a) verweist, so zeigt diese jedenfalls für das Jahr 2014 und das Jahr 2016 eine höhere Anzahl verkaufter als nach der Übersicht der Klägerin, so dass der Vortrag, wonach die Kappungsgrenzen erreicht werden, auch bei Berücksichtigung der von der Beklagten vorgelegten Zahlen zutreffend bleibt. Nach alledem besteht kein struktureller Unterschied in den wirtschaftlichen Möglichkeiten eines Multiproduktanbieters und denjenigen eines (ausschließlichen) Smartphone-Anbieters, der die Kappungsgrenze ebenfalls erreicht.
- Dass es daneben auch Anbieter geben mag, die die Kappungsgrenze nicht erreichen, knüpft an betriebswirtschaftliche Sonderbedingungen einzelner Wettbewerber an, die bei der hiesigen Bewertung außer Betracht zu bleiben haben. Abzustellen ist im Rahmen einer objektiven Betrachtungsweise vielmehr auf die auf dem jeweiligen Markt typischen Produktions- und Vertragsbedingungen (in anderem Zusammenhang: LG Düsseldorf, Urt. v. 11.09.2008, Az.: 4b O 78/07, Rn. 141).
- (e)
Die in dem Standardlizenzvertrag angebotene Lizenzhöhe erweist sich auch nicht deshalb als unangemessen, weil in dem Vertrag eine Anpassungsklausel nicht vorgesehen ist. - Eine solche Anpassungsklausel wird zur Herbeiführung der FRAND-Gemäßheit eines sich auf einen Patentpool erstreckenden Angebots als adäquates Mittel erachtet, um ein mögliches Ungleichgewicht zwischen der festgeschriebenen Lizenzgebühr und dem variablen Schutzgegenstand in dem Fall auszugleichen, in dem sich der Bestand des Pools verändert (OLG Düsseldorf, (Hinweis)beschluss v. 17.11.2016, Az.: I-15 U 66/15, Rn. 32, zitiert nach juris; Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 419), beispielsweise durch Ablauf der Schutzdauer von Poolpatenten oder rechtskräftiger Vernichtung derselben. Es ist jedoch auch möglich, eine in der Variabilität des Schutzrechtsbestandes angelegte unangemessene Höhe der Lizenzgebühren auch durch andere Mechanismen zu kompensieren (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
- So ist es vorliegend.
- Die Vertragsklausel in Ziff. 4.9,
- „Der Lizenznehmer und der Lizenzverwalter erkennen an, dass die zahlbaren Lizenzgebühren nicht deshalb steigen oder fallen, weil die Anzahl der lizensierten AVC Patentportfolio-Patente steigt oder fällt oder weil die Preise der AVC Lizenzgebühr-Produkte steigen oder fallen.“,
- schreibt die Lizenzgebühren unabhängig von der Anzahl der Poolpatente fest. Der Klausel wohnt inne, dass der Lizenzgeber das Risiko des Anstiegs der Poolpatente und der Lizenznehmer das Risiko einer Minimierung derselben übernimmt. Die Klausel trägt – so die Klägerin – der zeitlichen Entwicklung des Patentpools Rechnung, wonach insbesondere am Anfang und am Ende der Laufzeit eine geringere Anzahl von Patenten zu erwarten ist, während im Übrigen eine größere Patentanzahl in dem Pool eingelagert ist.
- Dass es sich dabei um einen interessengerechten Kompensationsmechanismus handelt, findet zum einen darin einen Ausdruck, dass der Standardlizenzvertrag in dieser Form von den Lizenznehmern angenommen worden ist (vgl. dazu unter lit. (a), (bb), (aaa)), zum anderen darin, dass sich das damit verteilte Risiko bisher nur hinsichtlich des Lizenzgebers realisiert hat. Denn die Lizenzgebühren sind seit Aufnahme des Pools im Jahre 2004 nicht angehoben worden, obwohl die Anzahl der Patente von anfänglich 41 auf nunmehr über 5.000 Patente angestiegen ist.
- (f)
Auch der Einwand, dass im Rahmen des Standardlizenzvertrags lediglich eine konzernweite Lizenz angeboten wird, führt nicht zur Unangemessenheit des Lizenzvertragsangebots. - Im Elektronik- und Mobilfunkbereich sind konzernweite Lizenzverträge gebräuchlich (Kühnen, ebd., Kap. E., Rn. 411), was hier auch durch die Tatsache bestätigt wird, dass die M nach dem Vortrag der Klägerin für den AVC/H.264-Standard bereits konzernweite Lizenzverträge abgeschlossen hat. Diesem Vortrag ist die Beklagte auch nach Vorlage der Lizenzverträge nicht mehr hinreichend entgegengetreten (vgl. dazu unter lit. (a), (bb)).
- e)
Die Beklagte hat von der ihr im Falle eines FRAND-gemäßen Angebots des Patentinhabers zustehenden Möglichkeit, ihrerseits ein FRAND-Grundsätzen entsprechendes Gegenangebot zu unterbreiten, keinen Gebrauch gemacht. - Das der Klägerin mit Klageerwiderung vom Datum unterbreitete Gegenangebot (Anlage B2/ Anlage B2a) erweist sich als nicht FRAND-gemäß. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob dieses Angebot wegen des späten Vorbringens desselben überhaupt noch zu berücksichtigen ist.
- aa)
Sofern die Beklagte mit ihrem Gegenangebot die Einräumung einer Portfoliolizenz begehrt, das heißt eine Lizenz allein an den zur Nutzung des AVC/H.264-Standards wesentlichen Patenten der Klägerin, widerspricht dies FRAND-Grundsätzen. - Das Begehren der Klägerin zum Abschluss einer Poollizenz erweist sich als fair und angemessen (vgl. dazu unter lit. d), bb), (2), (b)). Die Klägerin hat zudem vorgetragen, dass seit Aufnahme des Pools auch kein Lizenznehmer um eine auf ihre Poolpatente beschränkte Lizenz nachgesucht habe. Die Beklagte bringt im Gegensatz dazu zwar vor, dass die Poolmitglieder eine individuelle Portfoliolizenz verweigert hätten, verbindet diese schlichte Behauptung jedoch mit keinerlei Tatsachenvortrag, der dieses Vorbringen rechtfertigt.
- Der Standardlizenzvertrag (Anlage K10 – Exhibit G – a) verpflichtet die Poolmitglieder auch nicht, abweichend von dieser Lizenzierungspraxis auf ihr Portfolio beschränkte Lizenzen einzuräumen.
- Eine solche Pflicht folgt nicht aus dem folgenden Passus der Präambel:
- „Jeder Lizenzgeber verpflichtet sich hiermit dazu, Einzelpersonen, Gesellschaften oder sonstigen Rechtsträgern einzelne Lizenzen bzw. Unterlizenzen nach sämtlichen AVC wesentlichen Patenten zu maßvollen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen entsprechend den hier vereinbarten Geschäftsbedingungen zu erteilen, die vom Lizenzgeber (ohne Zahlungen an Dritte) erteilt werden können.“
- Dieser Passus gibt nur die jeweilige Erklärung der Poolpatentinhaber wieder, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu gewähren, ohne dass damit bereits eine bestimmte Art der Lizenzierung – innerhalb dessen, was FRAND-gemäß ist – festgeschrieben wäre. Das zeigt sich auch darin, dass der Passus auf den Standardlizenzvertrag verweist, der gerade das Regelungsmodell einer Poolpatentlizenz vorsieht.
- Eine Verpflichtung der Poolpatentinhaber zur Einräumung von Portfoliolizenzen erwächst auch nicht daraus, dass es in der Präambel des Standardlizenzvertrages weiter heißt: (..)
- Dieser Passus stellt klar, dass den Mitgliedern des Pools zwar die Möglichkeit, separate Lizenzen an ihrem Portfolio zu vergeben, verbleibt, unter welchen Gesichtspunkten sich daraus – bei Auslegung nach dem anzuwendenden Recht des Staates New York – eine Verpflichtung gegenüber Lizenzsuchern ergibt, diese tatsächlich auch zu gewähren, ist jedoch nicht ersichtlich. Die Beklagte führt dazu auch nichts aus.
- Auch unter Angemessenheitsgesichtspunkten ist nicht erkennbar, weshalb die Beklagte allein eine auf das Portfolio der Klägerin beschränkte Lizenz benötigt – etwa, weil nur diese bei den angegriffenen Ausführungsformen zur Anwendung gelangen. Dagegen steht schon, dass die Beklagte auch in den Parallelverfahren gegenüber anderen Poolmitgliedern jeweils die Erteilung von Portfoliolizenzen anstrebt.
- Vor dem Hintergrund der etablierten Lizenzierungspraxis in Form einer Poolpatentlizenz ist es schließlich auch aus Gründen der Diskriminierungsfreiheit bedenklich, wenn die Klägerin vereinzelt – ohne erkennbaren sachlichen Grund – Lizenzen allein an ihrem Portfolio vergibt (zu dieser Argumentation allerdings im Verhältnis Portfoliolizenz – Einzellizenz vgl. auch LG Düsseldorf, Teilurt. v. 31.03.2016, Az.: 4a O 73/14, Rn. 227, zitiert nach juris).
- bb)
Das Gegenangebot der Beklagten erweist sich auch vor dem Hintergrund als FRAND-widrig, als darin (unter Ziff. 4.1) eine Differenzierung der Lizenzhöhe nach unterschiedlichen Regionen vorgenommen wird, ohne dass dies in einem hinreichenden Bezug zu den tatsächlichen Marktverhältnissen steht. - Die Beklagte hat – wie sie selbst ausführt – bei der Bemessung dieser Lizenzgebühren die Tatsache berücksichtigt, dass es sich bei dem chinesischen Markt um einen Markt handelt, auf dem der mit Smartphones erzielbare Kaufpreis geringer als in den USA/ in der EU ist. Weiter hat sie berücksichtigt, dass die Patentdurchsetzung in China erschwert ist.
- Dies erweist sich aufgrund zweier Gesichtspunkte als unangemessen.
- Zum einen ist nicht schlüssig dargetan, dass es sich bei dem chinesischen Markt um einen niedrigpreisigen Mobilfunkmarkt handelt. Zum anderen führt die Beklagte keinerlei Gründe dafür an, weshalb neben China auch in allen weiteren Ländern außerhalb der USA und der EU der Ansatz eines niedrigeren Lizenzsatzes gerechtfertigt ist. Das erweist sich als umso zweifelhafter (..). Mit einer bei Poolpatenten hinnehmbaren Pauschalisierung von Marktbedingungen kann dieses Vorgehen jedenfalls nicht mehr begründet werden. Denn die Beklagte selbst macht ja gerade die unterschiedlichen Marktbedingungen als Kriterium für eine Differenzierung in den Lizenzhöhen aus, kombiniert dann aber – im Widerspruch dazu – doch einen nach ihrem Vortrag niedrigpreisigen mit einem hochpreisigen Markt.
- cc)
Ausführungen dazu, weshalb der Lizenzvertrag J Wirkung entfalten soll, fehlen in Gänze, weshalb die FRAND-Gemäßheit auch insoweit schon nicht hinreichend dargetan ist. - f)
Da die Beklagte die von ihr erbrachte Sicherheitsleistung anhand der in dem Gegenangebot festgelegten Lizenzgebühren bemessen hat, und diese sich als unangemessen erweisen (vgl. dazu unter lit. e), bb)), erweist sich auch die Sicherheitsleistung bereits aus diesem Grund als unzureichend. Dies kann jedoch in Ermangelung eines FRAND-gemäßen Gegenangebots vorliegend ebenso dahinstehen, wie der Umstand, dass sich der zu Sicherungszwecken erbrachte Betrag in Höhe von F aus den vorgelegten Abrechnungen nicht nachvollziehbar ergibt (Anlage B55; deutsche Übersetzung: Anlage B55a). - III.
Aufgrund der festgestellten Patentverletzung durch den Vertrieb der patentverletzenden angegriffenen Ausführungsformen ergeben sich die zuerkannten Rechtsfolgen, wobei – wie gesehen – keine Einschränkungen aus kartellrechtlichen Gründen vorzunehmen sind: - 1.
Der Unterlassungsanspruch beruht auf Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG, da die Benutzung des Erfindungsgegenstandes ohne Berechtigung erfolgt. - Es ist auch hinsichtlich der nur mittelbaren Patentverletzung des Verfahrensanspruchs 1 durch die angegriffenen Ausführungsformen ein Schlechthin-Verbot zu verhängen. Ein Schlechthinverbot ist regelmäßig zu erlassen, wenn das streitgegenständliche Mittel nur patentverletzend einsetzbar ist. Bei einem Mittel, das sowohl patentverletzend als auch patentfrei verwendet kann, bestimmen sich dagegen die vom Anbieter oder Lieferant des Mittels zu treffenden Vorsorgemaßnahmen nach Abwägung aller Umstände im Einzelfall. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Maßnahmen einerseits geeignet und ausreichend sein müssen, um Patentverletzungen mit hinreichender Sicherheit zu verhindern, andererseits den Vertrieb des Mittels zum patentfreien Gebrauch nicht in unzumutbarer Weise behindern dürfen (BGH, GRUR 2007, 679, 685 – Haubenstretchautomat m.w.N.). Als im Vergleich zum Schlechthinverbot mildere Maßnahmen zur Verhinderung von Patentverletzungen sind insbesondere Warnhinweise oder – subsidiär, falls ein Warnhinweis nicht ausreicht – der Abschluss von Unterlassungsverpflichtungs-Vereinbarungen (ggf. mit Strafbewehrung) mit Abnehmern vorranging zu prüfen (vgl. BGH, GRUR 2007, 679, 685 – Haubenstretchautomat).
- Zwar können die angegriffenen Ausführungsformen auch jenseits der Nutzung der geschützten Lehre des Klagepatents wirtschaftlich sinnvoll verwendet werden. Gleichwohl war ein Schlechthinverbot zu verhängen. Mildere Mittel als ein Schlechthin-Verbot sind hier nicht geeignet, eine patentverletzende Nutzung der angegriffenen Ausführungsformen zu verhindern; insbesondere erscheinen ein Warnhinweis oder die Verpflichtung, strafbewehrte Unterlassungsvereinbarungen mit den Kunden der angegriffenen Ausführungsformen abschließen zu müssen, hier ungeeignet. Die angegriffenen Ausführungsformen werden letztlich regelmäßig von Endverbrauchern für private Zwecke verwendet. Diesen Kunden kann die Nutzung des Klagepatents nach § 11 Nr. 1 PatG im privaten Bereich zu nicht gewerblichen Zwecken nicht verboten werden. Weiterhin lässt für die Klägerin sich bei Mobiltelefonen wie den angegriffenen Ausführungsformen praktisch nicht kontrollieren, ob die geschützte Lehre verwendet wird.
- Im Übrigen kann bei einer patentfreien Verwendungsmöglichkeit ein Schlechthinverbot insbesondere auch deshalb begründet sein, wenn der angegriffene Gegenstand ohne Weiteres derart abgeändert werden kann, dass er den Vorgaben des Patents nicht mehr entspricht, seine Eignung zur patentfreien Verwendung aber gleichwohl nicht einbüßt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.03.2012 – Az. I-2 U 137/10 – Rn. 83 bei Juris; LG Düsseldorf, InstGE 5, 173 – Wandverkleidung). In solchen Fällen bedarf es der patentgemäßen Ausbildung des Mittels zur Gewährleistung eines gemeinfreien Gebrauchs außerhalb des Patentes nicht; derjenige, der das Mittel anbietet oder vertreibt, kann an ihr deswegen auch kein schützenswertes Interesse haben.
- Die Beklagte ist dem Vortrag der Klägerin zur Abwandelbarkeit nicht entgegen getreten. Es ist auch nicht ersichtlich, welche technischen Schwierigkeiten dabei bestehen könnten, die Nutzung der patentgemäßen Lehre zu unterbinden.
- Soweit die Abwandelbarkeit dadurch erschwert wird, dass wegen der Standardessentialität des Klagepatents ohne Verwendung von dessen Lehre eine Nutzung des gesamten AVC/H.264-Standards unmöglich gemacht wird, steht dies einem Schlechthin-Verbot grundsätzlich nicht entgegen. Die hiermit verbundenen nachteiligen Folgen für den Patentverletzer werden durch die kartellrechtlichen Beschränkungen des Unterlassungsanspruchs aus dem standardessentiellen Patent kompensiert. Sofern der FRAND-Einwand – wie hier – nicht durchgreift, kann sich ein Patentverletzer nicht darauf berufen, eine patentfreie Abänderung der angegriffenen Ausführungsform sei deswegen nicht möglich oder unangemessen, weil hierdurch zugleich die Nutzung des Standards vereitelt wird.
- 2.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, der aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG folgt. - Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB.
- Da überdies durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten die Entstehung eines Schadens hinreichend wahrscheinlich ist, der durch die Klägerin aber noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.
- 3.
Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 3 PatG. - Die weitergehende Auskunftspflicht folgt aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 242, 259 BGB. Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, die Schadensersatzansprüche zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rechnungslegung im zuerkannten Umfang zu. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Angaben nicht unzumutbar belastet.
- 4.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Vernichtungsanspruch hinsichtlich der unmittelbar patentverletzenden Erzeugnisse, der aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 PatG folgt. Eine Unverhältnismäßigkeit nach Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 4 PatG ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. - 5.
Soweit eine unmittelbare Patentverletzung festgestellt wurde, kann die Klägerin die Beklagte aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 3 PatG auf Rückruf patentverletzender Erzeugnisse in Anspruch nehmen. Auch insoweit lässt sich keine Unverhältnismäßigkeit gemäß Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 4 PatG feststellen. - IV.
Im Rahmen des der Kammer nach § 148 ZPO zustehenden Ermessens wird der Rechtsstreit nicht in Bezug auf das gegen das Klagepatent anhängige Nichtigkeitsverfahren ausgesetzt. - 1.
Nach § 148 ZPO kann das Gericht bei der Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens einen Rechtsstreit aussetzen. Die Vorgreiflichkeit ist aufgrund der angenommenen Verletzung des Schutzrechtes hinsichtlich des anhängigen Nichtigkeitsverfahrens gegeben. Die Erhebung einer Nichtigkeitsklage stellt ohne weiteres noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen. Die Patenterteilung ist auch für die (Verletzungs-) Gerichte bindend. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent nicht als Einwand im Verletzungsverfahren geführt werden. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits im Rahmen der nach § 148 ZPO zu treffenden Ermessenentscheidung ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage oder dem erhobenen Einspruch nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.06.2015 – Az. 2 U 64/14, S. 29 f.). - Eine solche hinreichende Vernichtungswahrscheinlichkeit lässt sich für das Klagepatent nicht feststellen.
- 2.
Es kann nicht festgestellt werden, dass das Klagepatent gegenüber der Anmeldung EP L(vorgelegt als Anlage NK3e; nachfolgend beziehen sich die Verweise auf NK-Anlagen auf die in den Anlagenkonvoluten B43/B43a überreichten Dokumente) nicht unzulässig erweitert ist (was einen Nichtigkeitsgrund gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG (= §§ 22, 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG) darstellen würde). - a)
Ob eine unzulässige Erweiterung vorliegt, ist mittels eines Vergleichs des Gegen-standes des erteilten Schutzrechts mit dem Inhalt der ursprünglichen Anmeldung zu klären (Benkard/Rogge/Kober-Dehm, PatG, 11. Aufl. 2015, § 21 Rn. 30). Der Gegenstand des Patents ist dabei die durch die Patentansprüche bestimmte Lehre, wobei Beschreibung und Zeichnungen zur Auslegung heranzuziehen sind (§ 14 PatG / Art. 69 EPÜ). Der Inhalt der Patentanmeldung ist hingegen der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen, ohne dass den Patentansprüchen dabei eine gleich hervorgehobene Bedeutung zukommt (BGH, GRUR 2010, 509, 511 Rn. 25 – Hubgliedertor I). Der Inhalt der Anmeldung ist nicht auf den Gegenstand der in der Anmeldung formulierten Patentansprüche beschränkt, so dass im Erteilungsverfahren die Patentansprüche weiter gefasst werden können als in der Anmeldung, allerdings nur im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung der Anmeldung (Benkard/Rogge/Kober-Dehm, a.a.O., § 21 Rn. 30). Für den Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen kommt es darauf an, was aus ihnen aus fachmännischer Sicht unmittelbar und eindeutig als zur Erfindung gehörend hervorgeht (BGH, GRUR 2013, 1272, 1273 Rn. 14 – Tretkurbeleinheit; BGH, GRUR 2015, 573 Rn. 21 – Wundbehandlungsvorrichtung). Dabei muss die ursprüngliche Offenbarung für den Fachmann erkennen lassen, dass der geänderte Lösungsvorschlag von vornherein von dem Schutzbegehren mit umfasst werden sollte (BGH, GRUR 2010, 509, 511 Rn. 25 – Hubgliedertor I). - b)
Nach diesen Maßstäben lässt sich eine unzulässige Erweiterung nicht hinreichend feststellen. Die streitigen Merkmale 3.2.2 und 3.2.1/3.3 sind in der Stammanmeldung EP L(nachfolgend: NK3e; vorgelegt als Anlage NK3e im Anlagenkonvolut B43) offenbart. - aa)
Merkmal 3.2.2, - „3.2.2 Der Identifikator wird für jeden Bewegungsvektor der benachbarten Blöcke (B, C, D) auf Block-Basis entsprechend einer Reihenfolge zugewiesen (S113), in der die Bewegungsvektoren eines jeden Blocks in einem Bitstream erscheinen.“
- ist in der Stammanmeldung offenbart. In Abs. [0010] NK3e heißt es:
- „In dem Zuweisungsschritt können die IDs den zwei Bewegungsvektoren für jede der Mehrzahl an codierten Blöcken auch gemäß einer Reihenfolge im Bitstrom zugewiesen werden, in den jeder der Bewegungsvektoren als codierte Differenz angeordnet ist.“
- Es erscheint unstreitig, dass dies jedenfalls für die Kodierung die Zuweisung von Identifikatoren auf Grundlage des Erscheinens der Bewegungsvektoren im Bitstrom offenbart. Der Fachmann versteht diese aber auch als Teil des offenbarten Dekodierungsverfahrens. Kodierung und Dekodierung erfolgen im Regelfall invers zueinander. Dass dies hier anders ist, kann von der Kammer nicht festgestellt werden. Es sind auch keine Hinweise in der Anmeldung hierauf ersichtlich, was aber zu erwarten wäre, wenn bei der Dekodierung sich besondere Schwierigkeiten oder Abweichungen stellen könnten. Wenn IDs auf Grundlage des Erscheinens der Vektoren im Bitstrom bei der Erzeugung eines prädizierten Bewegungsvektors bei der Kodierung verwendet werden, gilt dies auch für die Dekodierung.
- Zudem heißt es in Abs. [0018] NK3e:
- „[0018] Entsprechend kann der mit dem Bewegungsvektor-codierungsverfahren gemäß der vorliegenden Erfindung codierte Bewegungsvektor decodiert werden.“
- Selbst wenn man dies nur auf Abs. [0017] NK3e beziehen sollte, spräche dies für eine Offenbarung von Merkmal 3.2.2 auch für die Decodierung. In Abs. [0017] NK3e heißt es:
- „die Bewegungsvektoren für die entsprechenden benachbarten Blocks in der vorbestimmten Reihenfolge eingerichtet und die Bewegungsvektoren der gleichen Rangfolge werden aus den geordneten Bewegungsvektoren ausgewählt, um den prädizierten Vektor (basierend auf den ausgewählten Bewegungsvektoren) zu erzeugen.“
- In diesem Zusammenhang versteht der Fachmann die „vorbestimmte Reihenfolge“ als Bezugnahme auf die in Abs. [0010] NK3e erwähnte Reihenfolge des Erscheinens im Bitstrom.
- bb)
Aufgrund der gezeigten Offenbarung von Merkmal 3.2.2 in der NK3e entnimmt der Fachmann auch die Zuweisung eines Identifikators zu dem aktuellen Block (wie es die Merkmale 3.2.1 und 3.3 voraussetzen) der Anmeldung. In Abs. [0078] NK3e ist die Verwendung der Bewegungsvektoren benachbarter Blöcke mit derselben ID („with the same ID“) gezeigt. Dies impliziert aber, dass auch der aktuelle Block eine ID – also einen Identifikator – besitzt, der diesem zugewiesen werden muss. - 3.
Eine Aussetzung ist nicht im Hinblick auf den Einwand einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme durch den Standardentwurf JVT-G050 (Anlage NK5; nachfolgend: NK5) geboten. Dabei kann offen bleiben, ob das Klagepatent seine Prioritäten wirksam in Anspruch nimmt. Auch wenn man auf den Anmeldetag des Klagepatents am 10.04.2003 abstellt, ist nach dem im vorliegenden Verletzungsverfahren anzuwendenden Maßstab eine vorherige Veröffentlichung der NK5 nicht hinreichend anzunehmen. - Die allein in Betracht kommende vorherige Onlineveröffentlichung der NK5, eines sogenannten Ausgabedokuments des 7. Standardisierungstreffens, das zwischen dem 7. und 14. März 2003 in Pattaya, Thailand, stattfand, lässt sich nicht mit der für eine Aussetzung hinreichenden Wahrscheinlichkeit feststellen.
- a)
Zwar kann das Internet selbstverständlich Quelle von Informationen über den Stand der Technik sein. Jedoch obliegt es dem Zitierenden, überzeugend darzulegen, was zu einem bestimmten Zeitpunkt dort zu finden war, und dies durch weitere Angaben zu stützen (BPatG, Beschluss vom 14.07.2009 – 17 W (pat) 318/05 – Rn. 60 bei Juris). Die Frage des Zeitrangs der Internet-Fundstelle unterliegt dann der freien Beweiswürdigung im Nichtigkeitsverfahren (BPatG, a.a.O. – Rn. 60 bei Juris; BPatG, Beschluss vom 11.05.2010 – 17 W (pat) 70/09 = BeckRS 2010, 16272 – Netbook). Alleine die Notwendigkeit einer Beweiswürdigung im Nichtigkeitsverfahren führt zu Schwierigkeiten, die für eine Aussetzung notwendige, hinreichende Wahrscheinlichkeit der Vernichtung des Klageschutzrechts festzustellen. Denn es ist nicht Sache des Verletzungsgerichts, eine im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens durch das Nichtigkeitsgericht vorzunehmende Beweisaufnahme und -würdigung zu antizipieren (Kammer, Urteil vom 03.09.2013 – 4a O 56/12 – Rn. 91 bei Juris – Lichtemittierende Diode), weshalb etwa bei einer offenkundigen Vorbenutzung keine Aussetzung erfolgt, wenn der Nachweis der Vorbenutzung von Zeugenaussagen abhängig ist (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 10. Aufl. 2018, Kap. E. Rn. 658). Insofern ist eine Aussetzung nur dann gerechtfertigt, wenn die betreffende Entgegenhaltung offensichtlich zum Stand der Technik des Klageschutzrechts gehört, was von der Beklagten mit liquiden Beweismitteln nachzuweisen ist. - b)
Nach diesem Maßstab ist nicht hinreichend nachgewiesen, dass die NK5 vor dem Anmeldetag des Klagepatents öffentlich zugänglich gemacht wurde. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass zwischen dem Treffen in Pattaya und dem Anmeldetag des Klagepatents ein Zeitraum von nur einem knappen Monat lag. - Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich zwar, dass grundsätzlich ein Dokument wie die NK5 am Tag seiner Erstellung, spätestens am Folgetag, in einem öffentlich zugänglichen Ordner gespeichert wurde. Es ergibt sich daraus aber nicht, dass dies im Falle der NK5 tatsächlich geschehen ist und diese vor dem Anmeldetag des Klagepatents im JVT-Ordner „2003_03_Pattaya“ verfügbar war. Einen konkreten Beleg für das Veröffentlichungsdatum der NK5 in dem besagten Ordner konnte die Beklagte nicht beibringen. Auch ein genaues Veröffentlichungsdatum trägt sie nicht vor. Das einzige Verzeichnis „Pattaya“, auf das die Beklagte verweist, trägt „3/9/2010“ als Datum – was nach dem Anmeldetag des Klagepatents liegt. Dass die Speicherangabe nicht das Veröffentlichungsdatum wiederspiegelt, erlaubt nicht im Umkehrschluss die Feststellung eines Veröffentlichungsdatums vor dem Anmeldetag.
- Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass in der europäischen Patentanmeldung EP XXX (Anlage NK6, nachfolgend: NK6) als Quellennachweis in Absatz [0040] NK6 auf das Dokument „Draft Text of Final Draft International Standard (FDIS) of Joint Video Specification (ITU-T Rec. H.264 I ISO/IEC 14496-10 AVC), JVT-G050, March 2003“ von QQQ Bezug genommen wird. Ob „March 2003“ hierin ein Veröffentlichungsdatum bezeichnet, erscheint unklar. Da die NK6 erst am 02.05.2003 angemeldet wurde, bedeutet die Aufnahme der NK5 im Quellenverzeichnis nicht eine Veröffentlichung vor dem Anmeldetag des Klagepatents (10.04.2003). Dem Quellennachweis lässt sich nicht entnehmen, dass das in Bezug genommene Dokument tatsächlich im März 2003 – oder überhaupt – veröffentlicht worden ist. Da U als einer der in der NK6 genannten Erfinder gleichzeitig Mitautor der NK5 ist, wäre eine öffentliche Zugänglichkeit der NK5 jedenfalls keine Voraussetzung für die Kenntniserlangung von dieser Quelle.
- Eine Veröffentlichung der NK5 im März 2003 ergibt sich auch nicht aus dem Dokument „JVT-G048“ (NK15), das aus dem gleichen Ordner „2003_03_Pattaya“ von der ITU-Website heruntergeladen werden kann wie die NK5. Der Verweis auf die NK5 unter „Annex A“ belegt aus den gleichen Erwägungen wie zu der NK6 keine Veröffentlichung im März 2003. Es handelt sich bei beiden Dokumenten um solche der Standardisierungsgruppe, so dass ein Quellennachweis auch ohne öffentliche Zugänglichkeit der NK5 möglich gewesen wäre.
- Selbst wenn man die von der Beklagten aufgezeigten Indizien in ihrer Gesamtheit betrachtet, lässt sich eine Vorveröffentlichung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen. Die hierfür notwendige Antizipation der freien Beweiswürdigung im Nichtigkeitsverfahren ist der Kammer, wie ausgeführt, verwehrt.
- c)
Die Klägerin durfte sich darauf zurückziehen, darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen der Beklagten die Veröffentlichung der NK5 im März 2003 nicht belegt. Daraus, dass Angestellte ihrer Rechtsvorgängerin Mitglieder der JVT-Standardisierungsgruppe zum H.264-Standard gewesen sein mögen, ergibt sich keine zurechenbare Kenntnis der Veröffentlichung der NK5 vor dem Anmeldetag des Klagepatents. Dabei kann offen bleiben, ob eine Kenntnis der allgemeinen Abläufe des Standardisierungsverfahrens der Klägerin zurechenbar wäre. Dies gilt ohne – hier nicht vorliegende – weitere Anhaltspunkte nicht auch für die tatsächliche Veröffentlichung eines bestimmten Dokuments zu einem bestimmten Zeitpunkt. - 4.
Eine Aussetzung ist auch nicht aufgrund des Standardentwurfs JVT-B118r7 (nachfolgend: NK8, vorgelegt in Anlage NK8) angezeigt, den die Beklagte als neuheitsschädlich anführt. - Ob nach den oben dargestellten Grundsätzen von einer Vorveröffentlichung der NK8 auszugehen ist, kann dahingestellt bleiben. Es lässt sich jedenfalls nicht mit der für eine Aussetzung erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die NK8 die Lehre des Klagepatents neuheitsschädlich vorwegnimmt.
- a)
Es ist nicht ausreichend klar, dass die Entgegenhaltung Konstellationen offenbart, bei denen ein Block zwei Bewegungsvektoren aufweist, die auf zwei Referenzbilder in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge bezogen sind – so wie es das Klagepatent in Merkmal 3.1 verlangt: - „3.1 Das Ableiten des prädizierten Bewegungsvektors des aktuellen Blocks (A) erfolgt wenn der aktuelle Block (A) zwei Bewegungsvektoren aufweist, von denen jeder sich auf ein Referenzbild bezieht, das in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge angeordnet ist“.
- Die Kammer kann nicht feststellen, dass der Fachmann in Abs. 8.2.12 NK8 („Für das Kodieren eines B-Bildes gibt es zwei derartige Sätze von Referenz-Bildern, genannt der Vorwärts-Referenz-Satz und der Rückwärts-Referenz-Satz“) zwei Bilder in der gleichen Richtung in Anzeigenreihenfolge entnimmt. Dies geht auch nicht hinreichend deutlich aus den Abs. 8.2.12.21 und 8.2.12.2 hervor.
- Der Vorwärts-Bewegungsvektor zeigt bei der NK8 im Rahmen der B-Prädiktion auf Referenzbilder im Vorwärts-Referenzbildsatz und der Rückwärts-Bewegungsvektor zeigt auf Referenzbilder im Rückwärts-Referenzbildsatz. Es lässt sich der NK8 dagegen nicht entnehmen, dass beide Bewegungsvektoren eines aktuellen Blocks auf vorwärts oder auf rückwärts gerichtete Referenzbilder zeigen. Vielmehr heißt es in Abs. 11.2 NK8, dass „Vorwärts-Prädiktion“ die Prädiktion aus einem vorhergehenden Referenzbild und „Rückwärts-Prädiktion“ die Prädiktion aus einem zeitlich nachfolgenden Referenzbild meint. Angesprochen werden also „klassische“ B-Bilder (wie in Abs. [0003] des Klagepatents erörtert), so dass gerade nicht beide Bewegungsvektoren auf Referenzbilder in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge verweisen.
- Aus der sich an Absatz 11.2 NK8 anschließenden Notiz des Editors: „Diese Aussage ist im vorliegenden Codec nicht richtig“ lässt sich nicht folgern, dass stattdessen Vorwärts- und Rückwärtsprädiktion keinen Hinweis auf die zeitliche Anordnung des Referenzbildes (vorher oder nachher) mehr ermöglichen. Erst recht lässt sich der Notiz nicht die positive Aussage entnehmen, dass ein Block zwei Bewegungsvektoren enthalten kann, die sich auf Referenzbilder in der gleichen Anzeigereihenfolge beziehen. Tatsächlich erschöpft sich die Notiz des Editors darin, die zuvor getroffene inhaltliche Aussage in Frage zu stellen. Was an ihrer Stelle inhaltlich zu gelten habe, erläutert die Notiz nicht. Zudem bleibt auch unklar, in welchem Verhältnis Autor und Editor der NK8 stehen und wessen Aussage aus Sicht des Lesers im Ergebnis Vorrang haben soll.
- Zwar mag es in der Standard-Index-Reihenfolge für B-Bilder nach Absatz 8.2.12.2 der NK8 möglich sein, einen Block mit zwei Bewegungsvektoren vorzusehen, die auf Referenzbilder in derselben Anzeigerichtung verweisen. Dies reicht ohne entsprechende Erläuterungen hierzu in der NK8 für eine eindeutige und unmittelbare Offenbarung aber ebenfalls nicht aus. Ebenso wenig reicht es aus, dass in Absatz 3.20 in Bezug auf die Dekodierreihenfolge ausgeführt wird, diese müsse „nicht notwendigerweise“ der Anzeigereihenfolge entsprechen („This order is not necessarily the same as the display order“). Zwar ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass nach dieser Formulierung die Anzeigereihenfolge der Dekodierreihenfolge nicht entsprechen muss, dies aber kann. Eine hinreichend deutliche Offenbarung von Blocks mit zwei Bewegungsvektoren, deren Referenzbilder in die gleiche Richtung in Anzeigereihenfolge verweisen, stellt dies aber nicht dar. Zudem bleibt auch unter Berücksichtigung der „Notiz des Editors“ die Frage offen, in welchem Verhältnis diese Möglichkeit zu Absatz 11.2 steht, der diese Möglichkeit gerade ausschließt.
- b)
Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass die NK8 B-Bilder offenbart, die sich auf zwei Referenzbilder in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge beziehen, kann eine Vorwegnahme der Lehre des Klagepatents nicht festgestellt werden. Es lässt sich von der Kammer nicht hinreichend ersehen, dass der Fachmann die Offenbarung in Abs. 11.3 (den die Beklagte zur Offenbarung von Merkmal 3.2.2 anführt) in Bezug auf die neuen B-Bilder versteht. - Angesichts der aufgezeigten Widersprüche in der NK8 würde es damit jedenfalls an der Ausführbarkeit der technischen Lehre fehlen. Es ist nicht hinreichend ersichtlich, dass der Fachmann diese Widersprüche auflösen und die NK8 im Sinne der vom Klagepatent beanspruchten Lehre nacharbeiten kann. Eine solche unfertige und die beanspruchte Lehre noch nicht als ausführbare Anweisung enthaltende Lehre ist nicht neuheitsschädlich (Benkard/Melullis, PatG, 11. Aufl. 2015, § 3 Rn. 181).
- c)
Aus dem allgemeinen Vorbringen der Beklagten, es sei bereits im Rahmen des H.26L-Standardisierungsverfahrens bekannt gewesen, dass Bewegungsvektoren auf zwei Referenzbilder verweisen können, die in Anzeigereihenfolge in der gleichen Richtung liegen, lässt sich hinsichtlich der Prüfung der Neuheitsschädlichkeit nichts ableiten. - Ebenso wenig findet Berücksichtigung, dass gemäß einem Hinweis in der NK8 unter dem Abschnitt „11 B-Bilder“ („11 B-pictures“) noch beträchtliche Arbeit erforderlich sei, um den Einbau des „verallgemeinerten ERPS“ zu vervollständigen. Der Inhalt des besagten ERPS wird hierdurch nicht zum Inhalt der NK8, weshalb sich weitere Ausführungen zu dessen Offenbarungsgehalt erübrigen.
- 5.
Es lässt sich nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen Sicherheit feststellen, dass die Standardeingabe VCEG-N40 (nachfolgend: NK10; vorgelegt mit Übersetzung als Anlage NK10) in Verbindung mit dem Standardentwurf TML-8 (nachfolgend: NK11; vorgelegt mit Übersetzung als Anlage NK11) die Lehre des Klagepatents neuheitsschädlich vorwegnehmen. - a)
Die NK10 (Standardeingabe VCEG-N40) nimmt auf S. 1 Nr. 1 auf die NK11 (Standardentwurf TML-8) Bezug und schlägt eine andere Form von B-Prädiktion vor. Unstreitig nimmt keine der beiden Entgegenhaltungen für sich genommen die Lehre des Klagepatents vorweg. - Die NK11 offenbart – vereinfacht dargestellt – die Erzeugung von (prädizierten) Bewegungsvektors mit Hilfe der Bewegungsblöcken benachbarter Blöcke, bezieht sich aber auf „klassische“ B-Bilder – also solche, bei denen die beiden Referenzbilder nicht in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge angeordnet sind (wie es aber Merkmal 3.1 des Klagepatents voraussetzt).
- Dagegen schlägt die NK10 (VCEG-N40) vor, den bidirektionalen Modus der NK11 durch einen „Multihypothesen-Modus“ zu ersetzen, der auch „Kombinationen von zwei Vorwärts- oder zwei Rückwärts-Prädikations-Signalen“ (Abs. 1 und 3.2 NK10) zulässt – also „neue“ B-Bilder. Dies führt die Beklagte als Offenbarung von Merkmal 3.1 an; sie zeigt aber nicht auf, dass die weiteren Merkmale der geltend gemachten Ansprüche des Klagepatents in der NK10 offenbart sind. Dies reicht für eine neuheitsschädliche Vorwegnahme der Lehre des Klagepatents nicht aus.
- b)
Es fehlt an einer einheitlichen Offenbarung der Lehre des Klagepatents. Trotz des Verweises der NK10 auf die NK11 liegt keine einheitliche Offenbarungsquelle vor. Kombinationen mit Merkmalen außerhalb des Dokuments sind in der Regel nicht mit offenbart, es sei denn, das Dokument verweist für eine bestimmte Gestaltung ausdrücklich auf eine andere Vorveröffentlichung und macht sie damit zum Inhalt des Dokuments selbst oder ein Fachmann würde beide Dokumente ausnahmsweise zusammen lesen (Schulte/Moufang, PatG, 10. Aufl. 2017, § 3 Rn. 112 m.w.N.). Nach diesem Maßstab stellen die NK10 und die NK11 keine einheitliche Offenbarung dar. Die NK10 stellt den untersuchten „Multihypothesen-Modus“ zwar als Alternative für den „bidirektionalen Modus“ der NK11 vor. Allerdings reicht dieser Verweis nicht aus, um den gesamten Inhalt der NK11 in die NK10 hineinzulesen. Bezug genommen wird lediglich auf die zeitliche Anordnung der Referenzbilder im Verhältnis zu den auf sie bezogenen Bewegungsvektoren. Der Inhalt der NK11 im Übrigen wird nicht thematisiert. - c)
Es kann aber auch bei der unterstellten Kombination beider Schriften nicht festgestellt werden, dass der kombinierte Offenbarungsgehalt der NK10 und der NK11 die Lehre des Klagepatents unmittelbar und eindeutig vorwegnimmt. In der NK10 wird insbesondere nicht angesprochen, dass bei zwei Referenzbildern in der gleichen Richtung in Anzeigereihenfolge die Zuordnung der Bewegungsvektoren bei der Prädiktion problematisch sein könnte. Weder die NK10 noch die NK11 liefern Antworten auf die Fragen, die sich gerade für den Fall zweier Bewegungsvektoren, die auf Referenzbilder in gleicher Richtung verweisen, stellen. - 6.
Es lässt sich nicht feststellen, dass der Lehre des Klagepatents die erfinderische Tätigkeit fehlt. Die Beklagte hat nicht dargestellt, aus welchem Grund der Fachmann zwei Entgegenhaltungen aus dem Stand der Technik auf eine bestimmte Weise kombinieren sollte, um so zur Lehre des Klagepatents zu kommen. Dies gilt insbesondere aus den vorstehend unter Ziff. IV.5.c) genannten Gründen auch für die Kombination aus NK10 und NK11. - V.
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingereicht wurden, fanden bei der Entscheidung keine Berücksichtigung. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht geboten, §§ 296a, 156 ZPO. - 1.
Anders als die Beklagte im Schriftsatz vom 16.10.2018 vorträgt, hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung keinen Hinweis erteilt, sondern nur den Sach- und Rechtsstand erörtert. Der dem Urteil des Bundespatentgericht vom 13.12.2016 (Az. 3 Ni 5/16) zugrundeliegende Fall ist mit der hiesigen Konstellation im Übrigen nicht unmittelbar vergleichbar. Auch geht das Bundespatentgericht im dortigen Fall von einer öffentlichen Zugänglichkeit innerhalb eines Monats ab dem angegebenen Datum aus, während vorliegend auch nach dem Vortrag der Beklagten zwischen den „spätesten Veröffentlichungsdatum“ der Entgegenhaltung und dem Anmeldetag des Klagepatents (10.04.2003) nur drei Wochen und fünf Tage liegen. - 2.
Ferner sei angemerkt, dass das neue Lizenzangebot der Beklagten bereits deshalb nicht dem Unterlassungsanspruch der Klägerin entgegen gehalten werden könnte, da dieses aufgrund des Zeitpunkt der Abgabe unter FRAND-Gesichtspunkten nicht berücksichtigt werden muss. Aufgrund der Abgabe nach der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin im Prozess keine ausreichende Möglichkeit zur Reaktion (vgl. Kammer, Urt. v. 13.07.2018 – 4a O 154/15 – Rn. 283 ff. zitiert nach juris, zur Unbeachtlichkeit eines Angebots kurz vor der mündlichen Verhandlung, was entsprechend für verspätete Gegenangebote gilt). Der EuGH verlangt explizit ein FRAND-gemäßes Gegenangebot „innerhalb einer kurzen Frist“ (EuGH, GRUR 2015, 764, Rn. 66) und dass hierbei „keine Verzögerungstaktik verfolgt wird“ (EuGH, ebd., Rn. 65). Diese Vorgaben befolgt die Beklagte nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, warum das Gegenangebot nicht vorher hätte erfolgen können. Dessen Abgabe just kurz vor dem festgesetzten Verkündungstermin in dieser Sache erscheint gerade Ausdruck einer Verzögerungstaktik und wiederspricht FRAND-Prinzipien. - VI.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. - Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO. Auf Antrag der Klägerin waren Teilsicherheiten für die gesonderte Vollstreckung festzusetzen.
- Dem hilfsweisen Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten war nicht zu entsprechen; da sie die Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 ZPO weder dargelegt noch gemäß § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat.
- VII.
Der Streitwert wird auf EUR 5.000.000,00 festgesetzt.