4b O 20/10 – Stahlbetontunnel (Arbeitnehmererf.)

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1509

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 23. November 2010, Az. 4b O 20/10

Rechtsmittelinstanz: 2 U 139/10

I.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 77.156,66 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 27.2.2010 zu zahlen.

II.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

III.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 3/4 und die Beklagte 1/4.

IV.
Das Urteil ist für beide Parteien vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

V.
Der Streitwert wird auf EUR 300.000 festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger, ein gelernter Stahlbetonbauer und Bauingenieur, trat im Jahre 1964 als Mitarbeiter in das Unternehmen der A VORM. B, später: A, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, ein. Ab 1992 war er Leiter der Abteilung Ingenieurtiefbau. Aufgrund eines Ausgliederungs- und Übernahmevertrages vom 11.4.2001 der A und der Beklagten und entsprechenden Beschlüssen der jeweiligen Hauptversammlungen vom 30.5.2001 wurden die Geschäftsbereiche „Building“ und “Civil“ sowie zugeordnete Vermögenswerte als Gesamtheit auf die Beklagte ausgegliedert, so dass der Kläger fortan Mitarbeiter der Beklagten war. Bis zum Jahre 2005 leitete der Kläger den Fachbereich Forschung und Entwicklung.

Der Kläger hat einen Miterfinderanteil von 40 % mit einem Anteilsfaktor von 11,5 % an der Diensterfindung betreffend das Europäische Patent EP 0 841 XXX (Anlage K 1, „Klagepatent“), die er der Beklagten am 23.8.1996 meldete. Die Beklagte nahm die Diensterfindung mit Schreiben vom 9.9.1996 in Anspruch. Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme der Priorität der DE 196 45 XXX.5 vom 6.11.1996 am 23.11.1996 angemeldet. Am 18.3.1998 stellte die Beklagte Prüfungsantrag beim EPA. Die Veröffentlichung der Anmeldung des Klagepatents nebst Recherchenbericht erfolgte am 13.5.1998. Der zur Offenlegungsschrift gehörende Europäische Recherchenbericht enthielt zehn vorveröffentlichte Druckschriften aus der Kategorie A. Mit Prüfungsbescheid vom 12.7.2002 (Anlage B 4) stellte das EPA die Patentfähigkeit des Klagepatents im Hinblick auf die erforderliche erfinderische Tätigkeit in Frage. Auf den Schriftsatz der Beklagten vom 11.11.2002 hin wurde das Klagepatent jedoch erteilt. Am 31.3.2004 erfolgte die Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents.

Der Anspruch 1 des Klagepatents lautet:

„Stahlbetontunnel aus Stahlbetontübbings mit Einrichtung zur Brandschutzsicherung und den Merkmalen

1.1) die Stahlbetontübbings bestehen aus einem Fest-Beton mit einer Endfestigkeit von 45N/mm2 und höher,

1.2) der Fest-Beton weist eine Bewehrung aus Stahlfasern mit einem Gehalt von 30 kg bis 80 kg pro Kubikmeter Frischbeton auf,

1.3) der Fest-Beton weist einen Zusatz von 10 bis 3000 g Kunststofffasern und/oder Kunststoffkugeln pro Kubikmeter Frischbeton auf,

wobei der Fest-Beton der Stahlbetontübbings Zuschlagstoffe mit einer Körnung von größer 0 bis 32 mm aufweist.“

Um die Jahrtausendwende wurde in Großbritannien mit dem Bau einer Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke (Channel Tunnel Rail Link (CTRL)) zwischen dem Kanaltunnel in Folkestone und der Londoner Innenstadt begonnen. Im Mai 2000 erfolgte die Ausschreibung für den zweiten Bauabschnitt. Der zweite Bauabschnitt bestand unter anderem aus den Baulosen C 320, C 250, C 240 und C 220 (nachfolgend „320“ pp.; vgl. das Bild 4 der Anlage K 2 auf S. 30 und die Tabelle auf Seite 32). Der Auftrag für das Baulos 320 wurde im Januar 2001 an die C vergeben, welche zu 25 % aus der Beklagten, zu 25 % aus der D und zu 50 % aus dem britischen Unternehmen E bestand. Der Beauftragung lag ein sog. „Cost and Fee“-Vertrag zugrunde, bei dem die Arbeitsgemeinschaft selbst keine eigenen Geräte oder Materialien besitzt, sondern mit einem Team von Construction Managern das Bauwerk komplett über NU-Leistungen und Lieferungen erstellt und der Bauherr die dabei entstehenden Kosten entsprechend den vorher vereinbarten Preisen einschließlich Fees begleicht. Die Baulose 250, 240 und 220 wurden im Februar 2001 an andere Arbeitsgemeinschaften, an denen die Beklagte keinen Anteil hatte, vergeben. Die Tunnelarbeiten zum zweiten Bauabschnitt mit einer Länge von 38,5 km wurden im Zeitraum Mitte 2002 bis etwa Ende 2003 durchgeführt. Die Beklagte ging insgesamt mit einem Verlust in Höhe von ca. EUR 3.000.000 aus dem Projekt hervor (vgl. Anlage B 3).

Mit Schreiben vom 9.9.2004 machte der Kläger die Beklagte auf eine mögliche Benutzung des Klagepatents durch die an den Baulosen 250, 240 und 220 beteiligten Unternehmen aufmerksam. Daraufhin richtete Herr F, ein leitender Angestellter der Beklagten, an Herrn Dr. G, bei der Beklagten für Patentangelegenheiten zuständig, die aus der Anlage K 13 ersichtliche Notiz vom 10.9.2004.

Zwischen den Parteien kam es in der Folgezeit zum Streit darüber, ob und in welcher Höhe dem Kläger Vergütungsansprüche für – teils streitige – Benutzungen der Diensterfindung im Rahmen der genannten Baulose zustehen. Am 6.3.2008 unterbreitete die vom Kläger schließlich angerufene Schiedsstelle nach dem Gesetz über Arbeitnehmererfindungen beim DPMA den aus der Anlage K 3 ersichtlichen Einigungsvorschlag, welchem die Beklagte widersprach. Die Beklagte setzte mit Schreiben vom 25.9.2008 eine Arbeitnehmervergütung in Höhe von EUR 7.500,00 brutto fest; dieser Festsetzung widersprach wiederum der Kläger mit patentanwaltlichem Schreiben vom 1.10.2008. Die Beklagte überwies dem Kläger aus dem festgesetzten Betrag von EUR 7.500,00 einen Teilbetrag in Höhe von EUR 6.211,88.

Mit patentanwaltlichem Schreiben gemäß Anlage K 4 vom 8.7.2008 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte und forderte zu weiteren Angaben in Bezug auf das Baulos 320 sowie zu einem akzeptablen Vorschlag hinsichtlich einer Vergütung für die Baulose 250, 240 und 220 auf. Mit Schreiben vom 21.11.2008 übersandte die Beklagte dem Kläger Unterlagen zur Berechnung der Bezugsgröße für die Ermittlung seiner Dienstvergütung, darunter einen F-Auszug (Anlage B 9).

Der Kläger meint, bei der Berechnung seiner Dienstvergütung sei als maßgebliche Bezugsgröße des Erfindungswertes der Gesamtumsatz im Zusammenhang mit den erstellten Tunneln anzusehen. Im Hinblick auf das Baulos 320 sei damit ein Umsatz von umgerechnet ca. EUR 85.000.000 anzusetzen, wobei keine Abstaffelung vorzunehmen sei. Der angemessene Lizenzsatz betrage 0,9 %. Die streitgegenständliche Diensterfindung habe eine ganz erhebliche (sicherheits-)technische und wirtschaftliche Bedeutung, was sich unter anderem aus den als Anlagen K 7, K 8 und B 2 vorgelegten Veröffentlichungen ergebe. Er behauptet, auch anlässlich der Arbeiten betreffend die Baulose 250, 240 und 220 sei von der Diensterfindung Gebrauch gemacht worden, wie der gesamten Fachwelt als auch der Beklagten bekannt gewesen sei; hierzu nimmt der Kläger auf Aufsätze in Fachzeitschriften (Anlagen K 2, 10, 11, 12), ein Schreiben der Beklagten vom 30.11.2005 (Anlage K 5) sowie die bereits erwähnte interne Notiz der Beklagten vom 10.9.2004 (Anlage K 13) Bezug. Die Beklagte habe im Frühjahr 2000 in Verbindung mit der erfolgten Ausschreibung für die Baulose 320, 250, 240 und 220 Kenntnis davon erlangt, dass die Baulose 250, 240 und 220 in Bezug auf den Brandschutz in gleicher Weise wie das Baulos 320 ausgeführt werden sollten. Eine entsprechende Kenntnisnahme bereits lange vor dem 9.9.2004 ergebe sich auch aus der als Anlage K 16 vorgelegten Notiz über ein – unstreitig stattgefundenes – Gespräch vom 12.2.2001. Im Hinblick auf diese Kenntnis habe die Klägerin auch Veranlassung gehabt, in Großbritannien Übersetzungen der offen gelegten Patentansprüche einzureichen. Das diesbezügliche – unstreitige – Unterlassen der Klägerin, die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme dieser Unternehmen nach Art. 67 EPÜ zu schaffen, sei fahrlässig gewesen. Es habe nicht zu seinen dienstlichen Aufgaben gehört, Schutzrechtsanmeldungen zu betreuen und mögliche Verletzungen durch Dritte zu verfolgen. Die Beklagte schulde ihm Vergütung wegen Nichtverwertung der Diensterfindung; jedenfalls sei die Beklagte ihm schadensersatzpflichtig, weil sie zum einen das Erteilungsverfahren zum Klagepatent nicht beschleunigt betrieben habe und zum anderen weil sie schuldhaft nicht die Voraussetzungen für einen einstweiligen Patentschutz nach Artt. 64, 67 EPÜ geschaffen habe, indem sie es pflichtwidrig unterlassen habe, rechtzeitig eine Übersetzung der Patentansprüche im Vereinigten Königreich einzureichen. Insoweit sei ein Gesamtumsatz von EUR 588.000.000,00 als Bezugsgröße zugrunde zu legen. Ihm – so der Kläger – wäre es im Falle der Abtretung von Ansprüchen durch die Klägerin gelungen, im Rahmen einer einvernehmlichen Regelung von den betreffenden Unternehmen einen Betrag von EUR 300.000 zu erhalten.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Arbeitnehmervergütung zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 10.7.2008.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Klage sei unzulässig, weil es an einem bestimmten Klageantrag fehle. Jedenfalls sei die Klage unbegründet: Unter anderem im Hinblick auf den seinerzeit fraglichen Rechtsbestand des Klagepatents sei aus unternehmerischer Sicht eine Einreichung von Übersetzungen des Klagepatents in Großbritannien nach Veröffentlichung der Anmeldung nicht angezeigt gewesen. Die maßgebliche Bezugsgröße für die Ermittlung des Wertes der Diensterfindung sei der auf die Tübbingproduktion zurückgehende Umsatz. Selbst wenn man die vom Kläger vorgesehene Bezugsgröße zugrunde lege, betrage der Gesamtumsatz nicht EUR 85.000.000, sondern EUR 77.976.069,00. Der angemessene Lizenzsatz betrage im Falle des Abstellens auf den Gesamtumsatz mit dem kompletten Bohrtunnel allenfalls 0,5 %, unter anderem deshalb, weil das Klagepatent leicht zu umgehen sei. Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die an den Baulosen 250, 240 und 220 beteiligten Unternehmen von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch machten. Eine etwaige Benutzung des Klagepatents im Rahmen auch dieser Lose sei ihr erstmals am 9.9.2004 durch die Mitteilung des Klägers bekannt geworden. Die Gesprächsnotiz vom 12.2.2001 (Anlage K 16) beziehe sich allein auf das Projekt „Themse-Tunnel“, was nur ein Teilabschnitt des Gesamtprojekts „CTRL“ sei. Selbst wenn gleichwohl insoweit eine Benutzung des Klagepatents erfolgt sein sollte, schulde sie dem Kläger dafür keine Vergütung, weil sie mit Rücksicht auf das erhebliche Prozessrisiko – unter anderem im Hinblick auf die fragliche Rechtsbeständigkeit des Klagepatents – aus anerkennenswerten unternehmerischen Gründen von einer Inanspruchnahme dieser Unternehmen abgesehen habe. Selbst bloße außergerichtliche Verhandlungen mit diesen Unternehmen seien ihr nicht zumutbar gewesen, um den Bestand des Klagepatents nicht zu gefährden.

Die Klageschrift ist der Beklagten am 26.2.2010 zugestellt worden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.

Insbesondere steht der Zulässigkeit der Klage keine mangelnde Bestimmtheit des Klageantrages entgegen. Gemäß § 38 ArbEG kann – in Konkretisierung zu § 253 ZPO – bei Streit über die Höhe der Vergütung die Klage auch auf Zahlung eines vom Gericht zu bestimmenden angemessenen Betrages gerichtet werden. Diese Voraussetzung ist auch hinsichtlich des in Bezug auf die Baulose 250, 240 und 220 gestellten Zahlungsantrages erfüllt, weil der Kläger auch insoweit einen Vergütungsanspruch geltend macht, nämlich wegen (teilweise) nicht erfolgter Verwertung gemäß §§ 9, 12 ArbEG i.V.m. RL Nr. 26 Abs. 2 S. 1 i.V.m. RL Nr. 24. Dass der Kläger seinen vermeintlichen Zahlungsanspruch rechtlich auch auf die Hilfserwägung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten stützt, ändert nichts an der grundsätzlichen Rechtnatur des geltend gemachten Anspruchs.

Die Klage ist jedoch nur teilweise begründet, weil dem Kläger lediglich ein Vergütungsanspruch im Hinblick auf eine Benutzung des Klagepatents im Rahmen der Arbeiten zum Baulos 320 zusteht. Hinsichtlich der übrigen Baulose ist ein Gebrauchmachen von der technischen Lehre des Klagepatents nicht feststellbar.

I.

Das Klagepatent betrifft einen Stahlbetontunnel aus Stahlbetontübbings mit einer Einrichtung zur Brandschutzsicherung. Stahlbetontunnel sind im Verkehrstunnelbau gegen Brandbelastungen bis zu 120 Minuten und einem Temperaturmaximum von 1.350 Grad Celsius zu sichern.

Bei vorbekannten Stahlbetontunneln waren die Einrichtungen zur Brandschutzsicherung Zusatzeinrichtungen, und zwar zusätzliche Tunnelauskleidungen in Form von Brandschutzplatten. Daran kritisiert das Klagepatent, dass die Befestigung dieser Tunnelauskleidungen im gekrümmten Tunnelquerschnitt erhebliche technische Aufwendungen erfordere und kostenintensiv sei. Zudem ergebe sich folgendes Problem: Der Fugenanteil der Stahlbetontunnel, welcher bei der Verwendung von Tübbingsegmenten besonders groß sei, bedürfe aus Sicherheitsgründen der Beobachtung und ggf. Wartung. Insoweit störten die zusätzlichen zur Brandschutzsicherung angebrachten Brandschutzplatten. Bei mangelnder Dichtheit der Fugen könne austretende Feuchtigkeit die Dauerhaftigkeit der Brandschutzauskleidungen beeinträchtigen.

Als Stand der Technik erwähnt das Klagepatent sodann die DE 37 31 124 A. Das dort gelehrte Brandschutzsystem weist eine an der Tunnelwandung angeordnete wärmedämmende und feuerbeständige Bekleidung aus Isolierstoffen auf. Zum Tunnelinneren hin ist die Bekleidung durch eine selbsttragende Schale begrenzt. Diese Maßnahmen kritisiert das Klagepatent einerseits als zu aufwendig und andererseits dahingehend, dass sie im Hinblick auf die Brandschutzsicherheit zu wünschen übrig ließen.

Schließlich geht das Klagepatent auf die DE 40 06 972 A1 ein, die der Gefahr, dass im Brandfall Abplatzungen an der Betonschale des Tunnels entstehen können, die Personen gefährden können, damit begegnet, dass eine Fangschicht vorgesehen ist. Daran bemängelt das Klagepatent, dass diese Maßnahmen wenig effektiv seien und keine ausreichende Brandschutzsicherheit brächten.

Vor diesem technischen Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe zugrunde, einen Stahlbetontunnel mit hoher Brandschutzsicherheit zu schaffen, der von Brandschutzauskleidungen frei ist.

Zur Lösung dieses technischen Problems schlägt der Anspruch 1 einen Stahlbetontunnel mit folgenden Merkmalen vor:

1. Stahlbetontunnel aus Stahlbetontübbings mit Einrichtung zur Brandschutzsicherung.

2. Die Stahlbetontübbings bestehen aus einem Fest-Beton mit einer Endfestigkeit von 45N/mm2 und höher.

3. Der Fest-Beton weist eine Bewehrung aus Stahlfasern mit einem Gehalt von 30 kg bis 80 kg pro Kubikmeter Frischbeton auf.

4. Der Fest-Beton weist einen Zusatz von 10 bis 3000 g Kunststofffasern und/oder Kunststoffkugeln pro Kubikmeter Frischbeton auf.

5. Der Fest-Beton der Stahlbetontübbings weist Zuschlagstoffe mit einer Körnung von größer 0 bis 32 mm auf.

II.

1a)
Dass dem Kläger für die unstreitige Benutzung der technischen Lehre des Klagepatents im Rahmen der Arbeiten zum Baulos 320 dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch gegen die Beklagte aus §§ 9, 12 ArbEG zusteht, ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig. Der Höhe nach schuldet die Beklagte dem Kläger als Hauptsumme noch den Betrag von EUR 20.689,86.

Die Diensterfindungsvergütung (V) berechnet sich anerkanntermaßen wie folgt:

V = Erfindungswert * Anteilsfaktor * Miterfinderanteil.

aa)
Die Parteien stimmen zu Recht darin überein, dass der Miterfinderanteil des Klägers 40 % und der Anteilsfaktor 11,5 % betragen, so dass diesbezüglich weitergehende Ausführungen der Kammer entbehrlich sind.

bb)
Bei der Bestimmung des Erfindungswertes geht es um die Ermittlung, welchen Preis der Arbeitgeber – losgelöst von der Art des Zustandekommens als Diensterfindung – bei einer entsprechenden freien Erfindung auf dem Markt zahlen würde (BGH GRUR 1998, 689, 691 – Copolyester II; GRUR 1998, 684, 687 – Spulkopf). In diesem Rahmen ist zu würdigen, welche Gegenleistung vernünftige (Lizenz-) Vertragsparteien angesichts von Art und Umfang der Nutzung durch den Arbeitgeber und mit Blick auf die sonstigen Umstände des konkreten Einzelfalles vereinbart hätten (BGH GRUR 2002, 801, 802 f. – Abgestuftes Getriebe; BGH Mitt. 2003, 466, 468 – Abwasserbehandlung). Allerdings bedürfen diese marktbezogenen Werte einer betriebsbezogenen Überprüfung, d.h. die objektiv zu bestimmenden wirtschaftlichen Vorteile des Arbeitgebers sind betriebsbezogen zu ermitteln (BGH GRUR 1998, 684, 687 – Spulkopf; BGH GRUR 1998, 691 f. – Copolyester II). Die tatsächlich vom Arbeitgeber erzielten Vorteile spiegeln in aller Regel den objektiven wirtschaftlichen Vorteil wieder (BGH GRUR 2002, 801 f. – Abgestuftes Getriebe). Bei der Berechnung des Erfindungswertes kommt vorrangig die Methode der Lizenzanalogie in Betracht (BGH GRUR 2002, 801, 802 f. – Abgestuftes Getriebe). Bei ihr wird der Erfindungswert durch Multiplikation des Umsatzes mit einem üblichen Lizenzsatz ermittelt.

aaa)
Nach Ansicht der Kammer ist in Anwendung der Nr. 8 der Amtlichen Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen (RL) bei der Ermittlung des Erfindungswertes in Einklang mit dem Vorschlag der Schiedsstelle vorliegend auf den Umsatz mit dem Bohrtunnel als Gesamtvorrichtung und nicht lediglich auf den die Tübbingproduktion betreffenden Umsatz abzustellen.

Bei der Frage nach der richtigen technisch-wirtschaftlichen Bezugsgröße kommt es vorrangig darauf an, welche Teile des Produkts/der Vorrichtung durch die Erfindung beeinflusst werden, d.h. welche Teile durch die geschützte Erfindung ihr kennzeichnendes Gepräge erhalten (BGH, GRUR 1962, 401, 402 f. – Kreuzbodenventilsäcke; OLG Düsseldorf, InstGE 8, 147 ff. – Türinnenverstärkung; Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindervergütung, 3. Auflage, RL Nr. 8 Rn 21). Für die betreffende Feststellung ist regelmäßig von der betreffenden Patentanmeldung bzw. –schrift auszugehen und zu fragen, was durch die Erfindung erreicht werden soll und was effektiv erreicht wird (Bartenbach/Volz, a.a.O., RL Nr. 8 Rn 22). Umfassen das technische Problem und dessen Lösung die Gesamtvorrichtung, wird regelmäßig diese als Bezugsgröße zu wählen sein. Für die Wahl der Gesamtanlage spricht es, wenn eine Anlage „neuen Typs“ entsteht, also grundlegende Eigenschaften oder Funktionen der gesamten Anlage verbessert werden.

Wendet man dieses Kriterium auf die Diensterfindung an, so ergibt sich, dass das zugrunde liegende technische Problem und dessen Lösung hier die Gesamtvorrichtung, also den Stahlbetontunnel, betreffen. Insbesondere stellt die Klagepatentschrift nicht nur die erfindungsgemäßen Tübbings, sondern gerade deren Zuordnung zur Gesamtvorrichtung unter Schutz. Zu Recht ging die Schiedsstelle davon aus, dass die Erfindung zu einem „Tunnel einer neuen Art“ führt. Die Eigenart liegt nämlich darin begründet, dass der erfindungsgemäße Tunnel keiner zusätzlichen Brandschutzauskleidung bedarf, sondern die zum Brandschutz verwendeten Materialien (Bewehrung aus Stahlfasern, Zusatz von Kunststofffasern, Zuschlagstoffe) gleichsam in den Tunnelkörper als solchen integriert werden, während der Festbeton des Tunnels im Übrigen nach den Regeln der Baukunst aufgebaut ist. Insofern steht der hier vertretenen Festlegung der Bezugsgröße nicht entgegen, dass maßgebliche Positionen des Gesamtumsatzes (z.B. Kosten für die Vortriebsmaschine und die Vortriebsmannschaft sowie des Erdausbruchs) durch die Diensterfindung nicht beeinflusst werden. Denn der Tunnel in seiner Gesamtheit stellt die kleinste technisch-wirtschaftliche Einheit dar, die durch die streitgegenständliche Diensterfindung ihr kennzeichnendes Gepräge erhält.

Allerdings ist insoweit nicht ein Umsatz von EUR 85.000.000,00, sondern von lediglich EUR 77.976.069,00 in Ansatz zu bringen. Wie die Beklagte nämlich unwidersprochen auf Seite 14 der Klageerwiderung (Blatt 35 GA) vorgebracht hat, setzt sich der maßgebliche Gesamtumsatz aus den work items B8 „Down Line Runnel Drive“ und B9 „Up Line Tunnel Drive“ mit einem Gesamtvolumen von £ 35.534.684,00 zusammen, so dass sich unter Berücksichtigung der anteiligen „general items“ und der „contractors fee“ umgerechnet der Betrag von EUR 77.976.069,00 ergibt.

bbb)
Als Lizenzsatz erachtet die Kammer vorliegend einen solchen von 0,75 % als angemessen, wobei diesem Ergebnis die nachfolgenden rechtlichen Überlegungen zugrunde liegen.

Da die Beklagte unstreitig als Bauunternehmen keine Lizenzeinnahmen generiert, scheidet hier eine konkrete Lizenzanalogie aus und es ist auf eine abstrakte Lizenzanalogie abzustellen, mithin auf die Üblichkeit für eine entsprechende ausschließliche Lizenz am freien Markt (vgl. Bartenbach/Volz, a.a.O., RL Nr. 6 Rn 30).

Insoweit hat die Schiedsstelle (vgl. S. 6 unten ihres Vorschlages gemäß Anlage K 3) ohne Widerspruch der Parteien ausgeführt, dass im Berg- und Tiefbau wegen der großen bewegten Massen mit sehr niedrigen Lizenzsätzen gearbeitet wird und insofern Lizenzsätze von 0,6 % üblich sind. Ausgehend von diesem „Basiszinssatz“ erscheint der Kammer im Ergebnis aufgrund folgender Parameter eine moderate Erhöhung auf 0,75 % angezeigt:

Lizenzerhöhend wirkt es sich aus, dass es beim Tunnelbau weniger um ein Massengeschäft geht als beim gewöhnlichen Berg- und Tiefbau.

Zu Recht kam bereits die fachkundig besetzte Schiedsstelle zu dem Ergebnis, dass sich die Erfindung in bedeutender Weise vom Stand der Technik abhebt. Dem steht zunächst nicht entgegen, dass im ersten Prüfungsbescheid (Anlage B 4) die erfinderische Tätigkeit verneint wurde; schließlich hat das EPA diesen Einwand auf den nächsten Schriftsatz der Beklagten hin nicht aufrecht erhalten, sondern das Klagepatent erteilt. Der Beklagten ist zuzugestehen, dass im Stand der Technik einerseits Tunnel aus Stahlfasertübbings anstatt solcher mit einer Stahlbewehrung bekannt waren und andererseits auch bereits die Zugabe von PP-Fasern zwecks Erhöhung der Brandresistenz Stand der Technik war. Der „Clou“ der Diensterfindung liegt indes darin begründet, dass diese beiden Komponenten zusammengeführt wurden. Dass es sich dabei keineswegs um eine auf der Hand liegende Kombination handelte, wird bereits dadurch indiziert, dass dem Recherchenbericht zur Europäischen Patentanmeldung lediglich solche Druckschriften zu entnehmen sind, die der Kategorie A zugeordnet wurden. Sodann weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass der Stand der Technik eben nur hergab, dem Beton entweder Stahlfasern oder Kunststoffasern hinzuzufügen, während die kumulative Zugabe nicht bekannt war. Die Beklagte selbst, welcher das aus Anlage B 12 ersichtliche Patent DE 42 20 XXX, das die Zugabe von Kunststoffasern zur Vermeidung von Abplatzungen lehrt, bekannt war, und die selbst bereits Inhaberin des Patents DE 42 18 XXX (Anlage B 15 – Anlage zum Herstellen von Tübbingen aus Stahlfaserbeton) war, gelangte im Zuge ihrer noch im Jahre 1994 durchgeführten umfangreichen Brandversuche bei hochfestem Beton nicht zur Lösung des Klagepatents. Insoweit ist nochmals zu betonen, dass die Diensterfindung zu einem „Tunnel neuer Art“ führte.

Nicht uneingeschränkt zuzustimmen ist allerdings der Prognose der Schiedsstelle, dass zukünftig Tunnel zwingend von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch machen müssen. Vielmehr ist das Klagepatent relativ leicht dadurch zu umgehen, dass ein Kunststoffgehalt von mehr als 3 kg/m3 verwendet wird. Insoweit kommt es nicht entscheidend darauf an, ob solches für eine signifikante Reduzierung der Gefahr von Betonabplatzungen im Brandfalle sogar notwendig wäre, wie die Beklagte unter Verweis auf die Gesprächsnotiz gemäß Anlage K 16, Seite 2 unten, geltend macht.

Lizenzmindernd wirkt es sich nach Auffassung der Kammer aus, dass die Beklagte im Zusammenhang mit dem CTRL-Projekt Verluste in Höhe von ca. EUR 3 Millionen machte. Da anerkanntermaßen gilt, dass der Gewinn, den der Arbeitgeber mit der Verwertung einer Diensterfindung zu erzielen vermag, einen Anhaltspunkt für die Bestimmung des Lizenzsatzes gibt (BGH GRUR 2002, 801, 803 – Abgestuftes Getriebe), weil der Lizenzsatz nämlich letztlich auch die Gewinnerwartung und damit einen Anteil am Gewinn des Unternehmens ausdrückt, sind umgekehrt auch Verluste bei der Lizenzsatzbestimmung angemessen zu berücksichtigen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Verluste auf einem wirtschaftlich nicht vertretbaren Handeln des Arbeitgebers beruhen.

Zu Recht hat die Schiedsstelle bei der Ermittlung des Lizenzsatzes mindernd berücksichtigt, dass von einer umfassenden Bezugsgröße ausgegangen wurde. Insoweit besteht nämlich eine Wechselwirkung in der Weise, dass im Falle des Abstellens auf den Wert der Gesamtvorrichtung ein entsprechend niedrigerer Lizenzsatz zu veranschlagen ist bzw. umgekehrt (vgl. nur Bartenbach/Volz, a.a.O., RL Nr. 8 Rn 71 ff.).

Entgegen dem Vorschlag der Schiedsstelle ist vorliegend auch eine Abstaffelung geboten, was allerdings zunächst lizenzerhöhend zu berücksichtigen ist (Bartenbach/Volz, a.a.O., RL Nr. 8 Rn 81 ff.) Wann eine Abstaffelung entsprechend RL Nr. 11 vorzunehmen ist, ist sehr umstritten. Die Schiedsstelle stellt regelmäßig darauf ab, ob die Ursächlichkeit der Erfindung für die hohen Umsätze gegenüber anderen Faktoren aus dem Einflussbereich des Arbeitgebers zurücktritt (sog. Kausalitätsverschiebung). Teile der Rechtsprechung stellen indes auf den Nachweis der Üblichkeit einer Abstaffelung in der betreffenden Branche ab (vgl. OLG Frankfurt GRUR 1992, 852, 854 – Simulation von Radioaktivität). Zutreffend erscheint es indes, bei besonders hohen Umsätzen generell einen linearen Abschlag von dem marktüblichen Lizenzsatz vorzunehmen, da dies den Aspekt der Verhaltensweise vernünftiger Lizenzvertragsparteien berücksichtigt (z.B. 1/3 Abschlag bei einem Umsatz ab 300 Mio. EUR: OLG Düsseldorf, InstGE 4, 165, 181 f. – Spulkopf II; 20 % bei einem Gesamtumsatz von rund 100. Mio EUR: LG Düsseldorf 4 O 329/95, Urteil vom 10.3.1998 – nicht veröffentlicht).

Auf den vorliegenden Fall (Umsatz: EUR 78 Mio.) übertragen, erscheint daher eine Abstaffelung im Bereich von 15 % des an sich angemessenen Lizenzsatzes angebracht, so dass ausgehend von einem – vor Abstaffelung – an sich gebotenen Lizenzsatz von 0,9 % insgesamt ein Lizenzsatz von 0,75 % zu veranschlagen ist.

Dass die erfindungsgemäßen Tübbings nicht für weiche Böden geeignet sind, wirkst sich nicht entscheidend auf die Höhe des Lizenzsatzes aus, da jedenfalls eine Verwendung in Böden anderer Art in Betracht kommt.

Unter Berücksichtigung der Multiplikatoren

– Umsatz: EUR 77.976.069,00,
– Lizenzsatz: 0,75 %,
– Anteilsfaktor: 11,5 %,
– Miterfinderanteil: 40 %

ergibt sich hinsichtlich des Bauloses 320 eine Vergütung von EUR 26.901,74.

Weil die Beklagte unstreitig am 14.11.2008 bereits EUR 6.211,88 an den Kläger zahlte, trat insoweit Teilerfüllung gem. § 362 BGB ein, so dass hinsichtlich der Hauptsumme noch ein Anspruch von EUR 20.689,86 besteht.

b)
Als Bestandteil einer angemessenen Lizenzvergütung ist auch eine Verzinsung der im Vorjahr angefallenen Vergütung zum 1. Februar des Folgejahres in Höhe von 3,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz anzusehen (vgl. nur OLG Düsseldorf, InstGE 4, 159, 182 f. – Spulkopf II). Unter Berücksichtigung der oben erwähnten Teilzahlung ergibt sich insoweit ein Betrag für die Zeit vom 1.2.2004 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 7.10.2010 von EUR 56.466,80, welchen die Beklagte dem Kläger schuldet.

c)
Insgesamt errechnet sich damit als Vergütung für die Benutzung der Diensterfindung im Rahmen des Bauloses 320 der im Tenor zu Ziffer I. ausgewiesene Betrag von EUR 77.156,66.

Ein Anspruch auf Entrichtung von Verzugszinsen gem. §§ 280 Abs. 2, 286 BGB steht dem Kläger erst für die Zeit nach Zustellung der Klageschrift am 26.2.2010 zu. Für den davor liegenden Zeitraum ist ein Verzugseintritt nicht feststellbar. Insbesondere genügt das aus Anlage K 4 ersichtliche Schreiben nicht den Anforderungen an eine Mahnung, unter der man die an den Schuldner gerichtete Aufforderung des Gläubigers versteht, die geschuldete Leistung zu erbringen, wobei zwar keine Folgen angedroht werden müssen und auch keine Fristsetzung erforderlich ist, jedoch eine eindeutige Leistungsaufforderung erfolgen muss (Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Auflage, § 286 Rn 17). Demgegenüber heißt es auf Seite 3 des betreffenden Schreibens lediglich, dass „ein außergerichtlicher Abschluss der Angelegenheit spätestens bis zum 30.8.2008 erwartet werde“. Das Schreiben endet mit der Bitte, in Bezug auf die Baulose 250, 240 und 220 einen akzeptablen Vorschlag zu machen und in Bezug auf das Baulos 320 noch weitere Angaben zu machen. Insoweit ließ dieses Schreiben keine eindeutige Zahlungsaufforderung erkennen, vielmehr befanden sich die Parteien offensichtlich noch mitten in außergerichtlichen Verhandlungen. Damit kann offen bleiben, ob – in Anbetracht der fehlenden Bezifferung – überhaupt dem Bestimmtheitserfordernis genügt wäre, wenn das Schreiben gleichwohl als Mahnung zu qualifizieren wäre.

2)
Bezüglich der Baulose 250, 240, 220 steht dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu. Es besteht weder ein Anspruch aus §§ 9, 12 ArbEG noch aus Schadensersatzrecht, weil nicht festgestellt werden kann, dass auch im Rahmen der Arbeiten zu diesen Baulosen von den betreffenden Unternehmen die Erfindung des Klagepatents benutzt wurde.

Der Kläger ist der ihn treffenden Darlegungs- und Beweislast für diese anspruchsbegründende Tatsache nicht hinreichend nachgekommen. Eine Abweichung von diesem allgemeinen Grundsatz für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ist namentlich nicht unter dem Gesichtspunkt einer sekundären Darlegungslast der Beklagten geboten. Vielmehr bestreitet die Beklagte die insoweit maßgeblichen Tatsachen zulässigerweise mit Nichtwissen gem. § 138 Abs. 4 ZPO. Diese gehören nämlich nicht zum eigenen Geschäfts- oder Verantwortungsbereich der Beklagten, die unstreitig selbst nicht an der Durchführung der Arbeiten zu den Baulosen 250, 240 und 220 beteiligt war. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aufgrund des an ihn gerichteten Schreibens der Beklagten vom 30.11.2005 (Anlage K 5): Zwar stellt die Beklagte in den dortigen Ausführungen nicht ausdrücklich in Abrede, dass Dritte insoweit das Klagepatent benutzten, jedoch lässt sich dies deshalb ohne Weiteres mit dem im Prozess erfolgten Bestreiten mit Nichtwissen in Einklang bringen, weil ausgeführt wird, ein Vorgehen gegen die betreffenden Unternehmen sei nicht erfolgversprechend, da die Patentansprüche vor dem Erteilungsdatum nicht in englischer Sprache veröffentlicht waren; zur Frage der Benutzung der technischen Lehre verhält sich das Schreiben also gar nicht explizit. Erst recht kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die Gesprächsnotiz vom 10.9.2004 (Anlage K 13) berufen: Denn die dortigen Ausführungen auf Seite 2 lassen erkennen, dass allenfalls der Verdacht einer Patentbenutzung bestand, wobei noch genauere Angaben über die Betonzusammensetzung der eingebauten Tübbings, etwa anhand Daten einer Güteüberwachung, als notwendig erachtet wurden. Von einer positiven Kenntnis der Beklagten kann daher keine Rede sein. In diesem Zusammenhang gilt es insbesondere zu beachten, dass es im „Technical Report“ (Anlage B 2, S. 4 unten) heißt: „Each contract should include further testing to optimise the concrete mix.“ Insofern steht gerade nicht fest, dass die Vorgaben der Ausschreibung zum zweiten Bauabschnitt des CTRL tatsächlich zwingend eingehalten wurden, vielmehr kann nicht ausgeschlossen werden, dass im Rahmen der Baulose 250, 240 und 220 die Anforderungen des Klagepatents bspw. an den Zusatz von Kunststoffen im Interesse einer noch höheren Brandresistenz „überboten“ wurden. Schließlich vermag der Inhalt der Gesprächsnotiz gemäß Anlage K 16 die Ansicht des Klägers a priori nicht zu stützen, da die von ihm insoweit hervorgehobenen Passagen den „Themsetunnel“ betreffen, er aber nicht dem von der Beklagten erfolgten Hinweis, wonach der „Themsetunnel“ allein das Baulos 320 meine (vgl. auch Anlage K 9), entgegen getreten ist.

Die Kammer hat den Kläger im Haupttermin ausweislich des Terminsprotokolls (Blatt 79 GA) darauf hingewiesen, es lasse sich nach Aktenlage nicht feststellen, dass im Zuge der Arbeiten zu den Baulosen 250, 240 und 220 von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch gemacht wurde und dass er die Benutzung „Merkmal für Merkmal“ darzutun habe. Weder die daraufhin erfolgten mündlichen Ausführungen im Haupttermin noch die betreffende „Zusammenfassung“ im nachgelassenen Schriftsatz vom 21.10.2010 geben Anlass zu einer anderweitigen rechtlichen Würdigung. Die von ihm in Bezug genommenen Anlagen sind weder je für sich betrachtet noch in ihrer Gesamtheit geeignet, eine Überzeugung der Kammer im Sinne von § 286 ZPO von der Richtigkeit seiner Behauptung herbeizuführen:

Das gilt zunächst hinsichtlich der Angaben auf Seite 32, linke Spalte des als Anlage K 2 vorgelegten Aufsatzes des Dipl.-Ing. G. Die Ausführungen beruhen offensichtlich allenfalls auf Angaben vom „Hören-Sagen“. So führt der Autor – ein freier Fachjournalist – aus, dass der „Tübbingbeton 40 Mpa (B55) Festigkeit im Alter von 28 Tagen besitzen soll“ (Hervorhebung durch die Kammer). Die Quelle für diese Information wird nicht genannt. Sollte es sich insoweit um den Inhalt der Ausschreibung handeln, kann – siehe oben – nicht ausgeschlossen werden, dass davon auf außerhalb des Klagepatents liegende Bereiche abgewichen wurde.

Soweit der Kläger die Anlagen K 5, K 13 und K 16 für seine Darlegungen bemüht, gilt jeweils das oben zu diesen Anlagen bereits Ausgeführte entsprechend.

Der Aufsatz gemäß Anlage K 11 ist aus den gleichen Gründen wie der – sogar noch später erschienene – Aufsatz desselben Autors gemäß Anlage K 2 nicht geeignet, eine Überzeugung der Kammer von der Benutzung des Klagepatents im Rahmen der Baulose 250, 240 und 220 herbeizuführen. Auch insoweit ist die Informationsquelle nicht klar; wiederum heißt es beispielsweise, dass „der Tübbingbeton 30 kg/m3 Stahlfasern enthalten soll“ (Hervorhebung durch die Kammer). Erst recht gilt all dies für den noch älteren Aufsatz desselben Autors gemäß Anlage K 10, der im März 2002 und damit weit vor Fertigstellung des zweiten Bauabschnitts erschien.

Der von anderen Autoren stammende Aufsatz gemäß Anlage K 12 betrifft allein den Themsetunnel, mithin das Baulos 320. Zudem heißt es dort auf Seite 15 lediglich, dass der Entwurf des Auftraggebers 30kg/m3 in Kombination mit 1kg/m3 Polypropylenfasern für alle Tübbinge vorsehe.

Weitergehende Beweise hat der Kläger nicht angetreten, so dass er für seine diesbezügliche Behauptung insgesamt beweisfällig geblieben ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1. ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus § 709 ZPO.

Der nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 21.10.2010 sowie der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 17.11.2010 gaben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Dass der festgesetzte Streitwert von EUR 300.000 deutlich unter demjenigen Betrag liegt, den der Kläger sich als Gesamtvergütung für alle streitgegenständlichen Baulose vorstellte, beruht auf der „sozialpolitischen“ Funktion des § 38 ArbEG (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR 1984, 653; vgl. Trimborn, in: Reimer/Schade/Schippel, ArbEG, 8. Auflage, § 38 Rn 3): Die Vorschrift des § 38 ArbEG will für den Arbeitnehmer, der keine genaue Vorstellung von der angemessenen Vergütung hat, das Kostenrisiko minimieren. Betragsmäßige Angaben, die der Kläger schriftsätzlich zum Ausdruck brachte, dürfen des-halb nicht 1:1 bei der Streitwertbemessung zugrunde gelegt werden, um diesen Normzweck nicht ins Leere laufen zu lassen. Insofern erscheint der Kammer im Ergebnis der vom Kläger bei Einleitung des Rechtsstreits vorläufig angegebene Streit wert als angemessen.