4a O 135/16 – Stuhl

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2770

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 10. April 2018,  Az. 4a O 135/16

  1. I. Auf die Klage wird der Beklagte verurteilt Auskunft zu erteilen über sämtliche durch die Firma A C GmbH erzielten Verkäufe für die Produkteinheit „B“ auf der Grundlage des bei dem DPMA registrierten Patents 10 2009 058 XXX.X (Rückenlehne für einen Stuhl, Sessel oder dgl.) seit dem 06.07.2011, wobei für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 keine Angaben zu machen sind.
    II. Die Widerklage wird als unzulässig abgewiesen.
  2. III. Die Kostenentscheidung bleibt einem Schlussurteil vorbehalten.
  3. IV. Das Urteil (Ziff. I.) ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 700,00.
  4. T a t b e s t a n d
  5. Die Klägerin nimmt den Beklagten im Wege der Stufenklage auf Auskunft, ggf. eidesstattliche Versicherung und Zahlung von Lizenzgebühren in Anspruch. Streitgegenständlich ist vorliegend der Auskunftsanspruch (erste Stufe). Widerklagend nimmt der Beklagte die Klägerin auf Zahlung von Entwicklungskosten in Anspruch.
  6. Die Klägerin ist die Alleinerbin des am 29.03.2016 verstorbenen Prof. D E (vgl. den Erbschein in Anlage K1). Prof. E ist Erfinder und ursprünglicher Inhaber eines beim DPMA unter dem Aktenzeichen DE 10 2009 058 XXX.X geführten Patents (nachfolgend: Lizenzpatent; vgl. den in Anlage K2 vorgelegten Registerauszug).
  7. Über das Lizenzpatent schloss Prof. E mit der A C GmbH (nachfolgend: A) unter dem 14.02.2011 eine „Nutzungsvereinbarung“ (vorgelegt in Anlage K3), in der Prof. E der A „die exklusiven Nutzungsrechte“ für das Lizenzpatent einräumt. Unter Ziff. 7 der Nutzungsvereinbarung heißt es:
  8. „Entgeltregelung:
    Die Lizenzgebühr beträgt 4,00 € pro verkaufter und abgerechneter Produkteinheit, die auf das o.a. Patent beruht.
    Die Patentgebühr ist vierteljährlich zu entrichten, spätestens bis zum 15. Tages [sic!] des Folgemonats.“
  9. In einem Schreiben vom 27.06.2011 (in der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2018 vom Beklagtenvertreter überreicht) bat Prof. E den Beklagten um die Übersendung eines Abtretungsvertrages hinsichtlich des Lizenzpatents, der auch eine Weiterzahlung der festgelegten Lizenzgebühren vorsehen sollte. Hierzu hieß es in dem Schreiben weiter:
  10. „Die Beträge stunde ich Ihnen selbstverständlich bis zur Klärung ihrer Aufwendungen (Entwicklungsarbeiten) für unser Patent.“
  11. In der Folge trat Prof. E mit Erklärung vom 06.07.2011 (Anlage K4) das Lizenzpatent an den Beklagten ab und willigte in dessen Umschreibung ein, was der Beklagte annahm. Der Beklagte erklärte gegenüber Prof. E mit Schreiben ebenfalls vom 06.07.2011:
  12. „dass die Entgeltfestlegung, die wir vertraglich vereinbart haben, von der Patentabtretung nicht berührt wird.
    Ich halte mich daran gebunden, Ihnen für jede verkaufte Produkteinheit des Artikels „B“ eine Lizenzgebühr von 4,00 Euro zu bezahlen“.
  13. Der Beklagte wurde als Inhaber des Lizenzpatents im Patentregister eingetragen. Er ist der Vater des Geschäftsführers der A und nimmt in diesem Unternehmen selbst Aufgaben wahr (vgl. Anlage K5). A bewirbt auf ihrer Internetseite einen B-Bürodrehstuhl, der von Prof. E entwickelt und patentiert worden sei (vgl. Anlagen K6 und K12).
  14. Die Abrechnungen über die zu zahlenden Lizenzgebühren gegenüber Prof. E erfolgten von der A (vgl. etwa Anlage K8). Eine Abrechnung, die von der Klägerin aufgefunden werden konnte, betrifft allein das 1. Quartal 2014.
  15. Nachdem die Klägerin Ansprüche aus dem Lizenzvertrag gegenüber A geltend gemacht hatte, verwies A mit Schreiben vom 16.08.2016 (Anlage K9) auf den Beklagten als „Ansprechpartner in der Patentangelegenheit“. Die Klägerin forderte daraufhin den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 19.08.2016 (Anlage K10) zur Abrechnung über sämtliche Verkäufe der Produkteinheit des Artikels „B“ seit der Abtretung des Patents auf. Mit Schreiben vom 01.09.2016, wegen dessen Inhalts auf Anlage K11 verwiesen wird, wies der Beklagte diese Ansprüche der Klägerin zurück. Die begehrte Auskunft wurde nicht erteilt.
  16. Aufgrund der Position des Beklagten in der A kann dieser die von der Klägerin begehrten Abrechnungen vornehmen. In der Klageerwiderung vom 02.05.2017 machte der Beklagte verschiedene Angaben zu den Schalen, die in der Rückenkonstruktion für das Modell „Duo B“ verwendet wurde.
  17. Die Klägerin ist der Ansicht, die Angaben in der Klageerwiderung erfüllten den Auskunftsanspruch nicht. Auskunftspflichtig sei jede verkaufte Produkteinheit des Artikels „B“, ein von dem Beklagten angeführtes älteres Patent gebe es nicht. Auch sei nicht nachvollziehbar, dass die Auskunft im Jahre 2015 endet.
  18. Die Klägerin beantragt (auf der ersten Stufe der Stufenklage):
  19. Der Beklagte wird verurteilt Auskunft zu erteilen über sämtliche durch die Firma A C GmbH erzielten Verkäufe für die Produkteinheit „B“ auf der Grundlage des bei dem DPMA registrierten Patents 10 2009 058 XXX.X (Rückenlehne für einen Stuhl, Sessel oder dgl.) seit dem 06.07.2011, wobei für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 keine Angaben zu machen sind.
  20. Der Beklagte beantragt,
  21. die Klage abzuweisen.
  22. Widerklagend beantragt der Beklagte:
  23. Die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten 3.800 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
  24. Die Klägerin beantragt,
  25. die Widerklage abzuweisen.
  26. Der Beklagte meint, von den (behaupteten) insgesamt 617 gefertigten Stühlen gemäß der Auskunft in der Klageerwiderung sei 1/3 nicht nach dem neuen Patent von Prof. E gefertigt worden, sondern nach einem älteren Patent. Die Zahl von 430 lizenzpflichtigen Stühlen ergebe sich daraus, dass höchstens 430 Gummispangen in der Fertigung verwendet wurden, die das Herzstück der patentgemäßen Konstruktion seien.
  27. Der Beklagte behauptet, Prof. E habe angegeben, dass er sich an den Entwicklungs- und Marketingkosten des Duo-B-Stuhl beteiligen wolle und bis zu deren Höhe auf die Lizenzgebühren verzichte. Die Entwicklung sei bis heute nicht abgeschlossen, so dass die Lizenzgebühren nicht fällig seien.
  28. In einem in der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2018 überreichten Schriftsatz beruft sich der Beklagte auf ein Schreiben vom 21.04.2016, worin er die Kosten für die Entwicklungsarbeiten der vom Patent erfassten zwei-flügeligen Rückenlehne auf EUR 5.960,00 beziffert. Aufgrund einer Rechnung des Produktdesigners Herrn F ergebe sich nun ein noch weitaus höherer Gesamtbetrag an Entwicklungskosten. Von diesem solle zu prozessualen Zwecken allerdings nur der Teilbetrag von EUR 3.800,00 mit der Widerklage geltend gemacht werden.
  29. Die Klägerin erhebt gegen die widerklagend geltend gemachten Ansprüche die Einrede der Verjährung. Die behaupteten Entwicklungsleistungen seien bis zum Jahr 2011 erbracht worden und damit spätestens mit Ablauf des 31.12.2014 verjährt. Durch den Eintritt der Verjährung sei auch die Stundungsabrede dauerhaft entfallen. Der Umstand, dass – unstreitig – noch im Jahr 2014 Lizenzgebühren gezahlt worden sind, unterstreiche dies.
  30. Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2018 Bezug genommen.
  31. E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
  32. Die Klage ist auf der hier streitgegenständlichen ersten Stufe zulässig und begründet (hierzu unter A.). Die Widerklage war dagegen als unzulässig abzuweisen (hierzu unter B.).
  33. A.
    Die Klägerin hat den begehrten Anspruch auf Auskunft aus § 242 BGB i.V.m. dem zwischen Prof. E und dem Beklagten geschlossenen Vertrag vom 14.02.2011 mit den Modifikationen gemäß der Vereinbarung vom 06.07.2011 (Anlagen K3 und K7).
  34. I.
    Die Klägerin ist als Alleinerbin im Wege der Gesamtrechtsfolge unmittelbar in die Rechtsstellung von Prof. E eingetreten (§ 1922 Abs. 1 BGB; vgl. Schulte/Moufang, PatG, 10. Aufl. 2017, § 15 Rn. 16). Aus den Vereinbarungen zwischen Prof. E und dem Beklagten ergibt sich in Verbindung mit § 242 BGB ein Anspruch auf Auskunft über die Anzahl der verkauften Produkte, die gemäß der Lehre des Lizenzpatents gestaltet sind, da ohne diese Information Prof. E bzw. nunmehr die Klägerin nicht in der Lage ist, den Zahlungsanspruch gegen den Beklagten unter der Vereinbarung zu berechnen.
  35. Ein solcher Zahlungsanspruch besteht dem Grunde nach, da die Vereinbarung den Beklagten zur Zahlung von EUR 4,00 für „jede verkaufte Produkteinheit des Artikels „B““ verpflichtet. Dies ist allerdings – auf Grundlage der Vereinbarung vom 14.02.2011 (Anlage K3) – dahingehend zu verstehen, dass dies nur für solche Produkteinheiten gilt, die patentgemäß sind, d.h. die Lehre des Lizenzpatentes verwirklichen. Gemeint sind dabei die entsprechenden Verkäufe von A, die das Produkt „B“ vertreiben. Der Beklagte ist in diesem Unternehmen tätig; verkauft aber selbst keine Stühle. Aufgrund seiner Position bei A ist der Beklagte auch in der Lage, die entsprechende Information vorzulegen.
  36. II.
    Soweit der Beklagte in der Klageerwiderung aufrechenbare Ansprüche behauptet, steht dies dem Auskunftsanspruch nicht entgegen.
  37. 1.
    Die behaupteten Ansprüche des Beklagten auf Zahlung der Entwicklungskosten durch Prof. E stehen dem Auskunftsanspruch nicht entgegen. Eine Verrechnung kann erst erfolgen, wenn die Höhe des Anspruchs der Klägerin feststeht – hierfür ist sie aber auf den Auskunftsanspruch angewiesen. Eine mögliche Verrechnung betrifft allenfalls die Höhe des Zahlungsanspruchs (auf der 3. Stufe). Solange die Höhe der Lizenzgebühren mangels Auskunft aber nicht feststeht und damit auch nicht bestimmt werden kann, ob der Lizenzgebührenanspruch die behaupteten Gegenansprüche des Beklagten übersteigt, besteht der Auskunftsanspruch der Klägerin.
  38. 2.
    Im Übrigen kann schon nicht festgestellt werden, dass der Beklagte den Lizenzgebühren einen Erstattungsanspruch hinsichtlich der Entwicklungskosten entgegen halten kann. Der entsprechende Vortrag des Beklagten wird von der Klägerin bestritten. Der Beklagte legt schon nicht ausreichend dar, wann und wie Prof. E eine Kostenübernahme für die Entwicklungskosten erklärt haben soll. Aus dem Schreiben vom 27.06.2011 geht nur eine Stundung der Lizenzgebühren hervor (hierzu unter III.). Der Beklagte räumt zudem ein, dass eine abschließende Vereinbarung mit Prof. E krankheitsbedingt nicht zustande kam. Im Schreiben vom 21.04.2016 (also nach dem Tod von Prof. E) gibt der Beklagte zu den Entwicklungskosten entsprechend an: „Über die Abrechnung/Verrechnung müssen wir dann gesondert bei einem Besuch sprechen.“. Auch dies spricht gegen das Bestehen einer Verrechnungsvereinbarung.
  39. III.
    Der Auskunftsanspruch der Klägerin ist nicht durch Erfüllung erloschen. Die Angaben in der Klageerwiderung vom 02.05.2017 können den hiernach bestehenden Auskunftsanspruch nicht erfüllen.
  40. Diese Auskunft enthält keine hinreichenden Angaben zu den Verkäufen lizenzpflichtiger Stühle. Der Beklagte macht nur Angaben zu von A bezogenen Schalen, die für die Rückenkonstruktion der B-Stühle verwendet worden sind. Ferner endet die Auskunft mit einer Lieferung der Schalen am 20.11.2015. Ersichtlich unvollständige Angaben können den Auskunftsanspruch nicht erfüllen. Der Beklagte legt nicht dar, warum eine Auskunft über die Verkäufe nicht möglich sein soll.
  41. Der Beklagte hat zudem nicht hinreichend dargelegt, warum einige B-Stühle nicht dem Lizenzpatent unterfallen und damit nicht auskunftspflichtig wären. Dies steht auch im Widerspruch zum Internetauftritt von A, wo im Zusammenhang mit den B-Stühlen auf ein Patent von Prof. E verwiesen wird (vgl. Anlage K6).
  42. Dass der Beklagte, mit Ausnahme des 1. Quartals 2014, bereits gegenüber Prof. E den Auskunftsanspruch erfüllt hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Da die Klägerin vorgetragen hat, insofern keine Unterlagen mehr gefunden zu haben, obliegt es dem Beklagten die Erfüllung vorzutragen.
  43. IV.
    Die Auskunftsansprüche der Klägerin sind auch nicht gestundet.
  44. 1.
    Zunächst würde eine Stundung des (Lizenzgebühren-) Zahlungsanspruchs nicht dazu führen, dass der hier streitgegenständliche Auskunftsanspruch gestundet wäre. Dies zeigt schon die erfolgte Abrechnung der Lizenzgebühren für das 1. Quartal 2014. Es kann auch nicht angenommen werden, dass eine Abrechnung erstmals Jahre nach den lizenzpflichtigen Verkäufen durchgeführt werden sollte.
  45. 2.
    Eine fortgeltende Stundung der Zahlungsansprüche kann allerdings schon nicht festgestellt werden. Die von Prof. E im Schreiben vom 27.06.2011 erklärte Stundung der Lizenzgebührenzahlung sollte nur bis zur Klärung der Aufwendungen für die Entwicklungskosten gelten. Die Aufwendungen sind aber spätestens seit April 2016 geklärt. Die entsprechenden Entwicklungskosten hat der Beklagte im Schreiben vom 21.04.2016 an Prof. E (nach dessen Tod) aufgestellt. Dass noch weitere Entwicklungskosten zu erwarten sind, hat der Beklagte nicht substantiiert vorgetragen. Aus dem Vortrag des Beklagten ist vielmehr zu entnehmen, dass die Verrechnung der Entwicklungskosten in einem Gespräch geklärt werden sollte, zu dem es aber nicht mehr kam, obwohl der Beklagte einen Kontakt zu Prof. E gesucht hat. Ein solches Treffen ist auch im Schreiben vom 21.04.2016 angesprochen. Dieser Vortrag ergibt nur dann Sinn, wenn die Entwicklungskosten zu diesem Zeitpunkt bestimmt waren.
  46. 3.
    Auch der Beklagte geht augenscheinlich davon aus, dass Lizenzgebühren und Entwicklungskosten feststehen bzw. feststellbar sind und gegeneinander verrechnet werden können – anders lässt sich der Zahlungsantrag in der Widerklage nicht erklären.
  47. 4.
    Ob die gesamte Stundungsabrede wegen der von der Klägerin erhobenen Verjährungseinrede hinfällig ist, kann ebenfalls dahingestellt bleiben.
  48. B.
    Die Widerklage ist als unzulässig abzuweisen, da die geltend gemachte Forderung von EUR 3.800,00 nicht hinreichend bestimmt ist.
  49. Der Beklagte macht mit der Widerklage einen Teilbetrag der behaupteten Entwicklungskosten geltend, ohne aber zu spezifizieren, von welchen Kosten welcher Anteil eingeklagt werden soll. Bei Geltendmachung eines Teilbetrags aus der Summe mehrerer Ansprüche muss aber angegeben werden, mit welchem Anteil die einzelnen Ansprüche geprüft werden sollen (BGH, Urteil vom 06.05.2014 – II ZR 217/13 – Rn. 13 bei Juris = NJW 2014, 3298 m.w.N.; BGH, NJW 2000, 3718, 3719; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 253 Rn. 15). Die fehlende Abgrenzung macht die Widerklage mangels Individualisierung des Streitgegenstands unzulässig (vgl. BGHZ 11, 192).
  50. C.
    Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
  51. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.

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