I- 2 U 47/17 – Trinkbehälteranordnung

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2764

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil vom 03. Mai 2018, Az. I- 2 U 47/17

Vorinstanz: 4b O 129/15

  1. In dem Rechtsstreit
  2. für R e c h t erkannt:
  3. A.
    Auf die Berufung wird das am 14. Juli 2017 verkündete Urteil der 4b Zivil-kammer des Landgerichts Düsseldorf – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
  4. I. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin all denjenigen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin dadurch entstanden ist, dass die Beklagten im Zeitraum vom 17. Februar 2008 bis zum 11. Oktober 2017 Behälteranordnungen, insbesondere Trinkbehälteranordnungen, die einen ersten Behälter und einen zweiten Behälter aufweisen, wobei der erste Behälter eine offene Stirnseite und eine geschlossene Stirnseite und der zweite Behälter zwei geschlossene Stirnseiten aufweisen, wobei der zweite Behälter entnehmbar innerhalb des ersten Behälters angeordnet ist, in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt oder herstellen haben lassen, angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben, wenn an der offenen Stirnseite des ersten Behälters eine erste mehreckige Abdeckung einer Schutzverpackung und an der geschlossenen Seite des ersten Behälters eine zweite mehreckige Abdeckung der Schutzverpackung angeordnet ist, wobei die Abdeckung über mindestens eine erste Seitenfläche und eine zweite Seitenfläche miteinander verbunden sind und am ersten Behälter ein Griff angeordnet ist, der sich durch eine Ausnehmung in der zweiten Seitenfläche erstreckt.
  5. II. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen und unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses Rechnung zu legen über Handlungen gemäß Ziffer I., und zwar über
  6. a) Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

    b) Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren, hierbei insbesondere Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

    c) Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,

  7. d) der Herstellungsmengen und -zeiten,

    e) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

    f) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

    g) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

    h) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselte Gestehungskosten und den erzielten Gewinn,

  8. wobei die Beklagten zum Nachweis der Angaben und Ziffern II. a), b), c) und e) der Klägerin entsprechende Belege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in gut lesbaren Kopien vorzulegen haben, bei denen geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen,
  9. und wobei den Beklagten in Bezug auf Ziffer II. f) vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
  10. III. Die Beklagten zu 1) und 2) werden verurteilt,
  11. 1. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer I. bezeichneten Gesamtvorrichtungen derart zu zerstören, dass sie die Schutzverpackungen der Behälteranordnungen vernichten und der Klägerin die Vernichtung durch die Vorlage geeigneter Belege nachweisen;
  12. 2. die vorstehend zu Ziffer I. bezeichneten, im Zeitraum 17. Februar 2008 bis 11. Oktober 2017 in Besitz Dritter gelangten Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagten oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass der Senat mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des deutschen Gebrauchsmusters DE 20 2007 014 AAA U1 erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagten zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird.
  13. IV. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin einen Betrag von 3.739,50 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28. Dezember 2015 zu zahlen.
  14. V. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  15. B.
    Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.
  16. C.
    Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
  17. Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
  18. D.
    Die Revision wird nicht zugelassen.
  19. E.
    Der Streitwert wird auf 200.000,- € festgesetzt.
  20. G r ü n d e :

  21. I.
  22. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Gebrauchsmusters DE 20 2007 014 AAA U1 (nachfolgend: Klagegebrauchsmuster) zuletzt auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach, Erstattung vorgerichtlicher Kosten und – nur die Beklagten zu 1) und 2) – auf Rückruf und Vernichtung in Anspruch.
  23. Das eine Behälteranordnung betreffende und für die Klägerin eingetragene Klagegebrauchsmuster wurde am 11. Oktober 2007 angemeldet und am 13. Dezember 2007 eingetragen. Die Veröffentlichung der Eintragung im Patentblatt erfolgte am 17. Januar 2008. Das Klagegebrauchsmuster ist am 31. Oktober 2017 durch Zeitablauf erloschen. Ein Gebrauchsmusterlöschungsverfahren ist nicht anhängig.
  24. Neben der Gebrauchsmusteranmeldung wurde durch die Klägerin am 19. September 2009 ein europäisches Patent (EP 2 048 AAB A1) angemeldet, wobei hinsichtlich des Inhalts der Patentanmeldung auf die Anlage K 3 Bezug genommen wird. Nachdem das Europäische Patentamt (EPA) in einem Recherchebericht, dessen vollständiger Inhalt sich der Anlage K 4 entnehmen lässt, Bedenken gegen die Schutzfähigkeit der den Gegenstand der Patentanmeldung bildenden Erfindung äußerte, verfolgte die Klägerin die Patentanmeldung nicht weiter. Mit einem an das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) gerichteten Schreiben vom 22. September 2015 (Anlage K 5) schränkte die Klägerin die Ansprüche des Klagegebrauchsmusters ein und erklärte unwiderruflich, aus dem Klagegebrauchsmuster zukünftig keine Rechte geltend zu machen, die über die eingeschränkte Fassung hinausgehen.
  25. Der nachträglich beim DPMA eingereichte und für den hiesigen Hauptantrag maßgebliche Schutzanspruch 1 ist wie folgt formuliert:
  26. „Behälteranordnung, insbesondere Trinkbehälteranordnung, die einen ersten Behälter und einen zweiten Behälter aufweist, wobei der erste Behälter eine offene Stirnseite und eine geschlossene Stirnseite und der zweite Behälter zwei geschlossene Stirnseiten aufweist, wobei der zweite Behälter (8) entnehmbar innerhalb des ersten Behälters (2) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass an der offenen Stirnseite (4) des ersten Behälters (2) eine erste mehreckige Abdeckung (13) einer Schutzverpackung (12) und an der geschlossenen Stirnseite (3) des ersten Behälters (2) eine zweite mehreckige Abdeckung (14) der Schutzverpackung (12) angeordnet ist, wobei die Abdeckungen (13, 14) über mindestens eine erste Seitenfläche (15) und eine zweite Seitenfläche (16) miteinander verbunden sind und am ersten Behälter (2) ein Griff (7) angeordnet ist, der sich durch eine Ausnehmung (18) in der zweiten Seitenfläche (16) erstreckt.“
  27. Im Hinblick auf die Formulierung der übrigen, teilweise den durch die Klägerin im hiesigen Verletzungsverfahren formulierten Hilfsanträgen zugrunde liegenden Unteransprüche wird auf die Anlage K 5 Bezug genommen.
  28. Die nachfolgend verkleinert wiedergegebenen Figuren 1 bis 3 der Klagegebrauchsmusterschrift erläutern die Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels. Figur 1 zeigt eine Behälteranordnung in einer geschnittenen Darstellung.
  29. Bei Figur 2 handelt es sich um eine Seitenansicht der Behälteranordnung.
  30. In Figur 3 ist die Behälteranordnung schließlich in einer Draufsicht zu sehen.
  31. Bei der Klägerin handelt es sich um eine Brauerei, die ihr Bier in Deutschland und international vertreibt. Die Beklagte zu 1) ist ebenfalls eine Brauerei. Sie vertreibt ihre Produkte bundesweit unter anderem in Supermärkten und über Händler. Gleiches gilt für die Beklagte zu 2), die zum Konzern der Beklagten zu 1) gehört. Der Beklagte zu 3) ist der Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2).
  32. Im Spätsommer 2015 stellte die Beklagte zu 2) her und lieferte Behälteranordnungen, die bundesweit, beispielsweise über den Discountmarkt Lidl, angeboten und vertrieben sowie wie aus der nachfolgenden Einblendung ersichtlich beworben wurden (angegriffene Ausführungsform I).
  33. Etwa zur selben Zeit erfuhr die Klägerin, dass auch die Beklagte zu 1) bundesweit, beispielsweise über den Online-Händler www.bier-wein.de, Behälteranordnungen anbot und vertrieb (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform II). Die von den Beklagten zu 1) und zu 2) angebotenen und vertriebenen Behälteranordnungen sind in ihrem Aufbau identisch und unterscheiden sich lediglich in ihrem Aufdruck. Die nachfolgenden, der Anlage K 9 entnommenen Abbildungen zeigen das Produkt der Beklagten zu 1):
  34. Nach Auffassung der Klägerin stellen die Herstellung und der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters dar, da die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des überdies auch schutzfähigen Klagegebrauchsmusters unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch machten.
  35. Mit anwaltlichem Schreiben vom 6. November 2015, hinsichtlich dessen vollständigen Inhalts auf die Anlage K 8 Bezug genommen wird, mahnte die Klägerin die Beklagten daher nach einer vergeblichen Berechtigungsanfrage erfolglos unter Fristsetzung bis zum 16. November 2015 ab.
  36. Die Beklagten, die um Klageabweisung gebeten haben, haben eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters bestritten und zugleich die Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters unter dem Gesichtspunkt des Fehlens eines erfinderischen Schrittes in Abrede gestellt. Überdies haben die Beklagten erstinstanzlich die Auffassung vertreten, es fehle unter Berücksichtigung dessen, dass die beim DPMA nachgereichten Schutzansprüche bis Ende des Jahres 2015 nicht im Patentregister abrufbar gewesen seien, zumindest an einem Verschulden der Beklagten, wobei die Voraussetzungen für eine Haftung des Beklagten zu 3) als bloßem Geschäftsführer ohnehin nicht vorlägen. Im Übrigen sei der Vernichtungsanspruch unverhältnismäßig. Schließlich sei der durch die Klägerin bei der Berechnung der vorgerichtlichen Kosten zugrunde gelegte Gebührensatz ebenso zu hoch angesetzt wie der zur Gebührenberechnung herangezogene Gegenstandsstreitwert.
  37. Mit Urteil vom 14. September 2017 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
  38. Das Klagegebrauchsmuster sei nicht schutzfähig. Weder die technische Lehre des Hauptanspruchs 1 in der erteilten Fassung noch in der Fassung der Hilfsanträge beruhe auf einem erfinderischen Schritt.
  39. Aus der D1 (EP 1 180 AAC A3, Anlage B 1) sei dem Durchschnittsfachmann, der mit Arbeiten auf dem Gebiet der Entwicklung von Behälteranordnungen und dazugehörender Verpackungen für einen Transport betraut sei, eine Behälter-in-Behälter-Anordnung bekannt gewesen, bei der der erste Behälter eine offene und eine geschlossene Stirnfläche aufweise. Hierbei sei nicht von Relevanz, dass der erste, äußere Behälter selbst verschließbar sei. Nach zutreffender Auslegung handele es sich dennoch um einen Behälter mit offener Stirnseite. Denn auch dann, wenn die offene Stirnseite verschließbar sei, ermögliche sie die Entnahme des zweiten Behälters. Die D1 offenbare jedoch keinen Griff am ersten Behälter. Figur 1 zeige zwar eine „Griffmulde“ am unteren Ende des ersten Behälters. Diese solle sicherstellen, dass der erste Behälter besser greifbar sei. Er könne sich jedoch nicht durch eine Ausnehmung in der zweiten Seitenfläche erstrecken und damit nicht gewährleisten, dass die Abdeckungen mit den Seitenflächen am ersten Behälter fixiert würden. Der Annahme, der Fachmann habe Anlass gehabt, die Behälteranordnung nach der D1 mit einem Griff zu versehen, stehe nicht notwendigerweise entgegen, dass die Beklagten kein konkretes Vorbild hierfür hätten aufzeigen können. Gehöre nämlich eine Lösung als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Fachmanns, könne die Veranlassung zu ihrer Heranziehung bereits dann bestehen, wenn sich die Nutzung ihrer Funktionalität in dem zu beurteilenden Zusammenhang als objektiv zweckmäßig darstelle und keine besonderen Umstände feststellbar seien, die eine Anwendung aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen ließen. So liege der Fall hier. Die Verwendung eines Griffs an einem Behälter gehöre zum allgemeinen Fachwissen eines Durchschnittsfachmanns, der mit der Entwicklung von Behälteranordnungen betraut sei. Die Funktionalität des Griffs bestehe darin, einen leichteren Transport des entsprechenden Behälters zu ermöglichen und zu einer leichteren Handhabung beizutragen. Aufgrund dieser Vorteile sei für den Fachmann die Verwendung eines Griffs eine objektiv zweckmäßige Optimierung der Behälter-in-Behälter-Anordnung, zumal Absatz [0015] der D1 auf die Notwendigkeit, den Behälter halten zu können, hinweise. Diese Optimierung habe dem Fachmann auch deswegen als vorteilhaft erscheinen müssen, weil er dadurch eine etwaige Verpackung an der Behälteranordnung fixieren könne.
  40. Das Versehen der so gestalteten Behälteranordnung mit einer erfindungsgemäßen Verpackung, die etwa aus der D3 (US 2006/0138AAD A1, Anlage B 3) vorbekannt gewesen sei, stelle keinen erfinderischen Schritt dar, sondern lediglich eine Addition vorbekannter Elemente. Die Verpackung diene als weiterer Schutz der Behälteranordnung bei einem Transport und erleichtere diesen, was für den Fachmann offenkundig gewesen sei. Von ihrer Funktion her betrachtet stünden die die Verpackung betreffenden Merkmale daher nicht etwa in einer Wechselwirkung mit den anderen Merkmalen des Hauptanspruchs, sondern würden vielmehr lediglich neben diese treten. Der Rückgriff auf die genaue Ausgestaltung der Verpackung sei für den Fachmann weder mit besonderen Schwierigkeiten verbunden, noch habe sie ihm als besonders vorteilhaft erscheinen müssen. Denn der Fachmann sei bereits aufgrund der Vorgaben der Verpackungsverordnung stets bestrebt, Verpackungsvolumen und -masse auf das Mindestmaß zu begrenzen (vgl. § 12 VerpackV in der seit dem 31.12.1999 geltenden Fassung). Aus demselben Grund sei er veranlasst, den Griff der Behälteranordnung aus der Verpackung herausragen zu lassen. So habe der Fachmann gleichzeitig eine platzsparende Verpackung (vgl. hierzu Abs. [0008] und [0024]) und eine erleichterte Fixierung der Schutzverpackung sicherstellen (vgl. Abs. [0016]) können. Im Übrigen sei dem Fachmann eine solche Ausgestaltung bereits im Zusammenhang mit anderen Gegenständen vorbekannt gewesen, wie die G 91 10 AAE.0 (Anlage B 14), dort Figur 1, zeige.
  41. Auch unter Berücksichtigung des ersten Hilfsantrages beruhe das Klagegebrauchsmuster nicht auf einem erfinderischen Schritt. Für den Fachmann habe es nahe gelegen, die der Stirnseite benachbarte Abdeckung mit einer Öffnung zu versehen. Durch eine solche Abdeckung würden Material und Gewicht gespart. Gleichzeitig solle verhindert werden, dass sich größere Schmutzmengen an der Innenseite der Abdeckung anlagern. Zugleich diene die Öffnung als Sichtfenster, um z.B. das Mindesthaltbarkeitsdatum des Produktes sichtbar zu machen. Für den Fachmann habe die Ausgestaltung der Verpackung mit einer entsprechenden Öffnung bereits aus den genannten Vorgaben der Verpackungsverordnung nahegelegen. Abgesehen davon seien ihm solche Aussparungen auch schon von anderen Gegenständen, wie etwa aus Figur 2 der G 91 10 AAE.0 (Anlage B 14), bekannt gewesen. Eine solche Mittelaussparung solle gerade die Sicht auf die Außenfläche und/oder die Innenfläche des Gefäßbodens freilassen (Anlage B 14, S. 6 und 10).
  42. Schließlich sei der erfinderische Schritt auch in Ansehung des zweiten Hilfsantrages zu verneinen. Für den Fachmann habe es ebenfalls nahegelegen, die Schutzpackung mit eingeknickten Ecken zu versehen. Diese Ecken seien dem Fachmann aus den Figuren 1, 2 und 4 der US 5,485,AAF (Anlage B 13) vorbekannt gewesen. Sie würden zur Halterung der Behälteranordnung beitragen. Die Hinzufügung dieses Merkmals stelle sich daher lediglich als Aggregation eines weiteren vorbekannten Elementes dar.
  43. Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten am 14. September 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2017 Berufung eingelegt, mit der sie ihr vor dem Landgericht erfolglos gebliebenes Begehren auf eine Verurteilung der Beklagten weiterverfolgt. Sie wiederholt und ergänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht geltend:
  44. Zu Unrecht gehe das Landgericht davon aus, es sei unerheblich, ob die „offene Stirnseite“ des ersten Behälters stets bzw. vollständig offen oder zu öffnen bzw. verschließbar sei. Der Erfindung liege die Aufgabe zugrunde, eine Behälteranordnung bereitzustellen, die einen platzsparenden und sicheren Transport der Behälter gewährleiste. Dafür sei der erste Behälter entnehmbar innerhalb des zweiten Behälters angeordnet, wobei die Entnahme des zweiten aus dem ersten Behälter über die offene Stirnseite des ersten Behälters erfolge. Der streitgegenständliche Schutzanspruch sehe ergänzend vor, dass an der offenen Stirnseite des ersten Behälters eine erste mehreckige Abdeckung einer Schutzverpackung angeordnet sei. Diese Schutzverpackung solle einerseits vor Verschmutzung schützen und andererseits verhindern, dass der zweite Behälter unbefugt aus dem ersten Behälter entnommen werde. Eine derartige Sicherungsfunktion bezüglich des zweiten Behälters könne der Schutzverpackung jedoch überhaupt nur dann zukommen, wenn die Verbindung zwischen beiden Behältern lose, der erste Behälter also nicht fest verschließbar sei. Dementsprechend sei das Merkmal der „offenen Stirnseite“ im Sinne einer fehlenden Verschließbarkeit zu verstehen.
  45. Soweit das Landgericht vom Fehlen eines erfinderischen Schrittes ausgehe, beruhe dies auf einer rückschauenden Betrachtung. Noch zutreffend sei die Einordnung der D1 als nächstliegendem Stand der Technik. Das Landgericht versäume jedoch die korrekte Bestimmung der objektiven technischen Aufgabe der Merkmale der Erfindung. Dies resultiere in einer falschen Beurteilung der (fehlenden) Veranlassung des Fachmanns zum Auffinden der nicht in der D1 offenbarten Merkmale des Schutzanspruchs 1. Erst recht lasse das Landgericht eine nachvollziehbare Begründung dafür vermissen, warum es den Anspruchsfassungen nach den beiden Hilfsanträgen an der notwendigen Erfindungsqualität fehlen solle. Von der D1 unterscheide sich der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 dadurch, dass an der offenen Stirnseite des Kruges eine erste mehreckige Abdeckung einer Schutzverpackung und an der geschlossenen Stirnseite des Kruges eine zweite mehreckige Abdeckung der Schutzverpackung angeordnet sei, wobei beide Abdeckungen über mindestens eine erste Seitenfläche und eine zweite Stirnfläche miteinander verbunden seien. Am ersten Behälter sei ein Griff angeordnet, der sich durch eine Ausnehmung in der zweiten Seitenfläche erstrecke.
  46. Indem das Landgericht davon ausgehend unter Heranziehung des Fachwissens des Durchschnittsfachmanns das Vorliegen eines erfinderischen Schrittes verneine, beruhe dies auf einer unzulässigen rückschauenden Betrachtung. Das Landgericht übersehe bereits, dass eine Banderole (Schutzverpackung) bei der Anordnung nach der D1 keinen Sinn ergebe, da das Trinkgefäß bereits durch den Deckel flüssigkeits- und gasdicht verschlossen sei. Außerdem sei der Schraubdeckel schon verliersicher am Trinkgefäß befestigt, so dass sich der Fachmann keine Gedanken machen müsse, wie man die Einheit aus Trinkgefäß und Dose zusammenhalten könne. Nachdem auch bereits eine Griffmulde vorhanden sei, bestehe für den Fachmann auch kein Anlass, einen abstehenden Griff zu verwenden. Ein solcher Griff sei beim Transport eines derartigen Kruges aufgrund seiner abstehenden Gestaltung eher ein Hindernis.
  47. Soweit das Landgericht die D1 mit der D3 kombiniere, fehle es dem Fachmann für eine solche Kombination nicht nur an einem Anlass. Vielmehr handele es sich bei der in der D3 gezeigten Haltevorrichtung („beverage cup holder“) auch nicht um eine Schutzverpackung im Sinne des Klagegebrauchsmusters. Weder schütze diese vor Verschmutzung, noch diene sie dazu, einen zweiten Behälter in einem ersten Behälter zu sichern. Selbst wenn der Fachmann beide Schriften kombiniere, fehle es insbesondere noch an der Offenbarung eines sich durch eine Ausnehmung in der zweiten Seitenfläche erstreckenden Griffes. Dementsprechend müsse der Fachmann nicht nur die vorgenannten Schriften kombinieren, sondern zusätzlich eine weitere Entgegenhaltung heranziehen, um eine Lösung zu finden, bei der ein Griff durch eine Banderole hindurchrage. Für ein derartiges Vorgehen gebe der Stand der Technik dem Fachmann jedoch keinen Hinweis, zumal sich die D8 (Anlage B 8), die eine solche Banderole zeige, nicht mit mehreren Behältern, sondern mit Topf und Deckel befasse, was ersichtlich eine andere Aufgabenstellung sei.
  48. Aus der vom Landgericht herangezogenen Verpackungsverordnung folge schließlich nichts anderes. Zum einen lege das Landgericht schon nicht dar, was außer dem Gebot der Materialersparnis aus dieser Verordnung für die einzelnen Merkmale des Schutzanspruchs 1 konkret herzuleiten sein solle. Zum anderen widerspreche sich das Landgericht selbst, wenn es in anderem Zusammenhang den schlichten Behälter gemäß der Entgegenhaltung D1 mit einem material- und kostenaufwendigen Griff und einer überhaupt nicht notwendigen Umverpackung versehen wolle. Die Verpackungsverordnung halte den Fachmann vielmehr davon ab, die in der D1 offenbarte Gestaltung mit einer weiteren, nicht notwendigen Verpackung zu versehen, denn eine derartige Verpackung laufe auf ein Mehr an Material und Verpackung hinaus.
  49. Der neue Hilfsantrag 1 sei dem Umstand geschuldet, dass das Landgericht irrig davon ausgehe, der erste Behälter könne an seiner offenen Stirnseite auch verschließbar sein. Die Klägerin habe in Hilfsantrag 2 als weiteres Merkmal eingeführt, dass die Abdeckung des ersten Behälters, die der geschlossenen Stirnseite benachbart sei, eine Öffnung aufweise. Eine solche Öffnung sei nur in der D14 zum Zwecke der Ermöglichung der Inaugenscheinnahme der Materialbeschaffenheit offenbart. Für die den Gegenstand des dritten Hilfsantrages bildenden eingeknickten Ecken gebe es im Stand der Technik kein Vorbild. Die einzige Entgegenhaltung, bei der der Boden von Flaschen gegen eine Bewegung gesichert werde, sei die US 5,485,AAF (D13). Dort seien die Ecken jedoch nicht eingeknickt, sondern würden ihre ursprüngliche Form beibehalten. Die Sicherung der Flaschen werde durch weiter innen liegende Falze der Banderole verwirklicht, was eine wesentlich komplexere Anordnung der Schnitte an der Banderole und auch eine unterschiedliche Produktion erfordere. Abgesehen davon sei auch nicht ersichtlich, weshalb der Fachmann veranlasst sein solle, die Gestaltung eines Six-Packs für die Weiterbildung der D1 zurate zu ziehen. Schließlich stelle Hilfsanspruch 4 auf die Durchsichtigkeit des ersten Behälters ab.
  50. Die Klägerin beantragt, nachdem die Parteien den Rechtsstreit im Hinblick auf den Unterlassungsanspruch übereinstimmend für erledigt erklärt haben,
  51. zu erkennen wie geschehen, jedoch mit der Maßgabe, dass die Beklagten zu 1) und 2) im Hauptantrag verurteilt, werden, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten und dass die geltend gemachten außergerichtlichen Kosten mit 5.275,30 € beziffert werden.
  52. Hinsichtlich der Formulierung der weiteren Hilfsanträge der Klägerin wird auf die Berufungsbegründung vom 14. Dezember 2017 Bezug genommen.
  53. Die Beklagten beantragen,
  54. die Berufung zurückzuweisen.
  55. Sie verteidigen das angefochtene Urteil und treten den Ausführungen der Klägerin unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen.
  56. Das Landgericht habe dem Klagegebrauchsmuster zu Recht die Schutzfähigkeit abgesprochen. Soweit es jedoch davon ausgegangen sei, dass es sich bei der D1 um den nächstliegenden Stand der Technik handele, sei dem nur eingeschränkt zuzustimmen. Ausweislich der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters habe der noch näherliegende Stand der Technik in der dem Fachmann bekannten Kombination eines allseitig geschlossenen Behälters für ein Getränk, z.B. einer Dose, mit einem weiteren Behälter mit einer offenen Stirnseite, z.B. einem Becher oder einem Krug, bestanden. Ebenfalls bekannt gewesen sei die Möglichkeit, diese beiden Behälter transportieren zu können, beispielsweise um diese auf Reisen mitzunehmen. Der (vermeintlichen) Erfindung liege daher die Aufgabe zugrunde, für diese im Stand der Technik bekannte Behälteranordnung einen platzsparenden Transport zu ermöglichen. Ausgehend von diesem Stand der Technik könne die D1 tatsächlich den nächstliegenden Stand der Technik darstellen. Der Fachmann, der vor der Problematik stehe, mit einem Bierseidel sowie einer Bierdose verreisen zu wollen, werde in Kenntnis der D1 ohne Weiteres den Schluss ziehen, die Dose zum Zwecke des Platzsparens in dem Bierseidel anordnen zu können. Auch die die Verpackung betreffenden Merkmale beruhten nicht auf einem erfinderischen Schritt. Für den Fachmann liege es auf der Hand und sei im Anmeldezeitpunkt auch ohne Weiteres bekannt gewesen, dass sowohl Trinkbehälter für sich genommen als auch das Gebinde aus Trinkbehälter und Getränkedose nicht zuletzt für Verkaufszwecke in einer Umverpackung angeboten würden. Dies werde nicht zuletzt anhand der Entgegenhaltung D3 (Anlage B 3) deutlich. Die Ausgestaltung einer solchen Umverpackung bei einem Gegenstand, der einen Griff aufweise, indem in der Umverpackung eine Ausnehmung vorgesehen werde, sei dem Fachmann ebenfalls bekannt gewesen (vgl. Anlage B 14). Für das Naheliegen sei es auch unerheblich, ob der umzuverpackende und einen Griff aufweisende Behälter singulär sei oder ob in jenem Behälter noch ein weiterer Gegenstand befindlich sei, dessen Herausfallen durch die Umverpackung verhindert werden solle. Bei einem Topf stelle sich die identische Problematik wie nach der durch das Klagegebrauchsmuster beanspruchten Lösung: Auch die dortige Umverpackung verhindere, dass der Topfdeckel entfernt werde.
  57. Soweit die Klägerin das Klagegebrauchsmuster im ersten Hilfsantrag derart beschränken wolle, dass der äußere Behälter nicht verschließbar sei, sei dieser Hilfsantrag bereits unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung unzulässig. Das Fehlen einer Öffnung an der unteren Abdeckung (Hilfsantrag 2) begründe ebenfalls keinen erfinderischen Schritt. Für den Fachmann sei es evident und auch ohne Weiteres geläufig, dass eine solche Öffnung bzw. Ausnehmung die Sicht auf den verpackten Gegenstand freimache. Dies ermögliche entweder einen Blick auf den verpackten Gegenstand als solchen, auf eine darauf befindliche Aufschrift oder eröffne die Möglichkeit, das Material des Produktes zu prüfen. Des Weiteren sei auch das Einknicken der Ecken von Verpackungen zum Zweck der Stabilisierung des verpackten Gegenstandes (Hilfsantrag 3) im Stand der Technik, nicht zuletzt aus der DE 195 04 AAG A1 (Anlage B 16), bekannt. Schließlich seien im Anmeldezeitpunkt auch bereits Bierkrüge aus Glas bekannt gewesen (Hilfsantrag 4).
  58. Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.
  59. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
  60. II.
    Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat im wesentlichen Erfolg. Die streitbefangenen Behälteranordnungen verletzen das schutzfähige Klagegebrauchsmuster wortsinngemäß. Die Beklagten sind der Klägerin daher im tenorierten Umfang zum Schadenersatz, zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung und zur Erstattung vorgerichtlicher Kosten und – nur die Beklagten zu 1) und 2) – auch zum Rückruf und zur Vernichtung verpflichtet.
  61. 1.
    Das Klagegebrauchsmuster betrifft eine (Trink-) Behälteranordnung.
  62. Nach den einleitenden Bemerkungen in der Klagegebrauchsmusterschrift ist es bekannt, Getränke in allseitig geschlossenen Behältern („Dosen“) zu transportieren. Während bei kleineren Mengen das Trinken aus der Dose häufig noch problemlos möglich ist, wird dieses mit zunehmender Größe der Dose immer schwieriger. Häufig haben sich auch an der äußeren Dose Verunreinigungen abgelagert, so dass ein direktes Trinken aus der Dose mit einem gesundheitlichen Risiko verbunden sein kann (Abs. [0002] f.].
  63. Um ein direktes Trinken aus der Dose zu vermeiden, wird der Inhalt der Dose in der Regel in einen weiteren Behälter mit einer offenen Stirnseite, wie etwa einen Becher oder einen Krug, umgefüllt. Dieser erste Behälter ist häufig kleiner als der zweite Behälter, so dass nicht der vollständige Inhalt des zweiten Behälters respektive der Dose in den ersten Behälter umgefüllt werden kann (Abs. [0004]).
  64. Besteht der Wunsch, das Getränk auf eine Reise mitzunehmen und an beliebigen Orten trinken zu können, ist es erforderlich, neben dem zweiten Behälter, in dem das Getränk aufbewahrt wird, auch einen ersten Behälter mitzunehmen, aus dem dann das Getränk konsumiert werden kann. Sowohl der erste als auch der zweite Behälter beanspruchen dabei jedoch ein gewisses Volumen, so dass insgesamt viel Platz für den Transport beider Behälter benötigt wird, wobei es dabei auch leicht zu Beschädigungen eines oder beider Behälter kommen kann (Abs. [0005]).
  65. Vor dem geschilderten Hintergrund bezeichnet es die Klagegebrauchsmusterschrift als Aufgabe der Erfindung, eine Behälteranordnung bereitzustellen, die einen platzsparenden Transport der Behälter ermöglicht (Abs. [0006]).
  66. Zur Lösung dieser Problemstellung sieht Schutzanspruch 1 in der durch die Klägerin eingeschränkten und hier streitgegenständlichen Fassung eine Kombination der folgenden Merkmale vor:
    1. Behälteranordnung, insbesondere Trinkbehälteranordnung,
    1.1. die einen ersten Behälter (2) und
    1.2. einen zweiten Behälter (8) aufweist.
    2. Der erste Behälter (2)
    2.1. weist eine offene Stirnseite und eine geschlossene Stirnseite auf.
    2.2. Am ersten Behälter (2) ist ein Griff (7) angeordnet.
    3. Der zweite Behälter (8)
    3.1 weist zwei geschlossene Stirnseiten auf und
    3.2 ist entnehmbar innerhalb des ersten Behälters (2) angeordnet.
    4. An den Stirnseiten (3, 4) des ersten Behälters (2) sind mehreckige Abdeckungen (13, 14) einer Schutzverpackung (12) angeordnet, und zwar
    4.1. an der offenen Stirnseite (4) eine erste mehreckige Abdeckung (13) und
    4.2. an der geschlossenen Stirnseite (3) eine zweite Abdeckung (14).
    5. Die Abdeckungen (13, 14) sind über mindestens eine erste Seitenfläche (15) und eine zweite Seitenfläche (16) miteinander verbunden.
    5.1. Der Griff (7) erstreckt sich durch eine Ausnehmung (18) in der zweiten Seitenfläche (16).
    2.
    Dass die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale 1. bis 3.1., 4. sowie 4.2. bis 5.1 wortsinngemäß verwirklichen, ist zwischen den Parteien – zu Recht – nicht streitig.
  67. Aber auch von der technischen Lehre der Merkmale 3.2. und 4.1. machen die angegriffenen Ausführungsformen wortsinngemäß Gebrauch. Entgegen der Auffassung der Beklagten führt es aus dem Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters nicht heraus, dass die den zweiten Behälter darstellende Dose bei den angegriffenen Ausführungsformen wie aus den nachfolgenden Abbildungen ersichtlich, minimal über das Glas und damit den ersten Behälter hinausragt:
  68. a)
    Auch bei einer solchen Gestaltung ist der zweite Behälter noch innerhalb des ersten Behälters angeordnet (Merkmal 3.2.); die Bildung einer einheitlichen Stirnfläche durch die Oberseiten beider Behälter fordert der streitgegenständliche Schutzanspruch ebenso wenig wie die gleiche Innenhöhe beider Behälter. Soweit die Behälter in den Figuren des Klagegebrauchsmusters eine solche Gestaltung zeigen (vgl. auch Abs. [0036] f.), handelt es sich hierbei ebenso wie bei dem in der Gebrauchsmusterbeschreibung zu findenden Hinweis auf eine parallele Anordnung der Stirnseiten zueinander (Abs. [0010]) lediglich um bevorzugte Ausführungsbeispiele. Sie dienen der Beschreibung von Möglichkeiten der Verwirklichung des Erfindungsgedankens und erlauben mit diesem Inhalt grundsätzlich keine einschränkende Auslegung des die Erfindung allgemein kennzeichnenden Schutzanspruchs (BGHZ 160, 204, 210 = GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; BGHZ 172, 88 = GRUR 2007, 778, 779, 780 – Ziehmaschinenzugeinheit; GRUR 2008, 779, 783 – Mehrgangnabe; OLG Düsseldorf, NJOZ 2016, 1014, 1019; Urt. v. 20.01.2011 – Az.: I-2 U 92/09, BeckRS 2011, 08600).

  69. Dass es für eine Verwirklichung der beanspruchten technischen Lehre, die den Bereich der Verpackungstechnik und nicht der Feinmechanik betrifft, keines exakt bündigen Abschlusses der Stirnflächen beider Behälter bedarf, erschließt sich ohne Weiteres mit Blick auf den technischen Hintergrund der geforderten Anordnung. Wird der zweite Behälter nicht neben, sondern innerhalb des ersten Behälters angeordnet, benötigt er während eines Transports keinen zusätzlichen Platz (Abs. [0008]). Diesem Erfordernis werden jedoch auch die angegriffenen Ausführungsformen gerecht, wo der zweite Behälter – trotz seines minimalen Überstands – platzsparend im zweiten Behälter angeordnet ist, wodurch sich der Platzbedarf gegenüber einem getrennten Transport nahezu halbiert.
  70. Neben der Platzersparnis führt die Anordnung des zweiten Behälters innerhalb des ersten Behälters weiterhin dazu, dass der erste Behälter den zweiten Behälter bis auf die Stirnseite vollständig umgibt, so dass Letzterer dadurch vor äußeren Einflüssen, insbesondere Stoß- und Druckbelastungen, sowie vor Verunreinigungen geschützt ist (Abs. [0008] a.E.; [0040]). Dass der erste Behälter bei den angegriffenen Ausführungsformen allein aufgrund des geringfügigen Überstandes des zweiten Behälters die ihm damit zugewiesene Schutzfunktion nicht wahrnehmen kann, ist weder hinreichend vorgetragen, noch ersichtlich. Eines entsprechenden Vortrages hätte es jedoch umso mehr bedurft, da die erste Stirnseite des ersten Behälters erfindungsgemäß ohnehin offen ausgestaltet ist (Merkmal 2.1.), so dass der erste Behälter dort die ihm zugewiesene Schutzfunktion von vornherein nicht ausüben kann (vgl. auch Abs. [0008] a.E. „umgibt bis auf eine Stirnseite vollständig und schützt so…“).
  71. b)
    Entgegen der Auffassung der Beklagten ist bei den angegriffenen Ausführungsformen auch an der offenen Stirnseite des ersten Behälters eine erste mehreckige Abdeckung angeordnet (Merkmal 4.1.). Weder bedarf es hierfür, wie die Beklagten meinen, eines lückenlosen Abschlusses beider Behälter, noch entnimmt der Fachmann dem streitgegenständlichen Schutzanspruch unter Berücksichtigung der Klagegebrauchsmusterbeschreibung die konkrete Vorgabe, dass zwischen der Schutzverpackung und der Stirnseite des ersten Behälters kein Spalt verbleiben darf. Auch beim Vorhandensein eines derartigen Spaltes ist die mehreckige Abdeckung an der offenen Stirnseite des zweiten Behälters angeordnet (Hervorhebung hinzugefügt). Mehr verlangt Schutzanspruch 1 in der streitgegenständlichen Fassung zunächst erst einmal nicht. Insbesondere ist der erste Behälter auch beim Vorhandensein eines Spalts zwischen der Stirnseite und der Abdeckung abgedeckt.
  72. Eines lückenlosen Anliegens der Abdeckung auf der offenen Oberseite des ersten Behälters bedarf es auch nicht deshalb, weil die Behälteranordnung durch die Abdeckung vor Umwelteinflüssen und insbesondere vor Verschmutzungen geschützt werden soll (Abs. [0012]). Dies wird sie auch dann, wenn – wie bei den angegriffenen Ausführungsformen – ein minimaler Spalt zwischen Abdeckung und Behälteroberseite verbleibt. Es mag sein, dass dadurch in geringem Umfang Partikel in den Behälter eindringen können. Der anvisierte Schutz vor Umwelteinflüssen bedeutet jedoch nicht, dass die Abdeckung in der Lage sein muss, jegliche Umwelteinflüsse vollumfänglich auszuschließen. Dass die Abdeckung dies als Teil der Schutzverpackung nicht leisten kann, liegt schon deshalb auf der Hand, weil die Schutzverpackung beispielsweise aus Pappe hergestellt sein kann (Abs. [0033]), was naturgemäß ihre Schutzfunktion gegen den Einfluss von Nässe von vornherein beschränkt. In Bezug auf die Einwirkung von Nässe bietet die Schutzabdeckung dementsprechend keinen hundertprozentigen Schutz. Vergleichbares gilt bei den angegriffenen Ausführungsformen in Bezug auf kleinste Partikel wie etwa Staub, deren Eindringen die Abdeckung verhindert, wenn auch nicht zu 100 %. Nichtsdestotrotz ist an der offenen Stirnseite des ersten Behälters, wie von Merkmal 4.1. gefordert, eine mehreckige Abdeckung angeordnet.
  73. 3.
    Die erfindungsgemäße Lehre ist auch schutzfähig. Dass der Gegenstand des Klagegebrauchsmusters in der im Hauptantrag streitgegenständlichen Fassung neu ist (§ 3 Abs. 1 GebrMG), stellen die Beklagten im Berufungsverfahren nicht mehr in Abrede, so dass insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden kann. Des Weiteren beruht Schutzanspruch 1 auch auf einem erfinderischen Schritt (§ 1 Abs. 1 GebrMG).
  74. a)
    Wie die Patentierungsvoraussetzung der erfinderischen Tätigkeit im Patentrecht ist auch das Kriterium des erfinderischen Schrittes im Gebrauchsmusterrecht kein quantitatives, sondern ein qualitatives Kriterium. Für die Beurteilung des erfinderischen Schrittes kann bei Berücksichtigung der Unterschiede, die sich daraus ergeben, dass der Stand der Technik im Gebrauchsmusterrecht hinsichtlich mündlicher Beschreibungen und in Bezug auf Benutzungen außerhalb des Geltungsbereichs des Gebrauchsmustergesetzes in § 3 GebrMG abweichend definiert ist, auf die Patentrecht entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Es verbietet sich dabei, Naheliegendes etwa unter dem Gesichtspunkt, dass es der Fachmann nicht bereits auf der Grundlage seines allgemeinen Fachkönnens und bei routinemäßiger Berücksichtigung des Standes der Technik ohne weiteres finden könne, als auf einem erfinderischen Schritt beruhend zu bewerten (BGHZ 168, 142 = GRUR 2006, 842 – Demonstrationsschrank).
  75. Die Beurteilung des erfinderischen Schrittes ist wie die der erfinderischen Tätigkeit das Ergebnis einer Wertung (BGH a.a.O.). Wie im Patentrecht ist maßgeblich, ob der Stand der Technik am Prioritätstag dem Fachmann den Gegenstand der Erfindung nahegelegt hat. Dies erfordert zum einen, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Dies allein genügt jedoch nicht, um den Gegenstand der Erfindung als nahegelegt anzusehen. Hinzukommen muss vielmehr zum anderen, dass der Fachmann Grund hatte, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGHZ 182, 1 = GRUR 2009, 746 – Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; GRUR 2010, 407 – einteilige Gemüse; GRUR 2012, 378, 379 – Installiereinrichtung II). Denn nur dann kann die notwendigerweise ex post getroffene richterliche Einschätzung, dass der Fachmann ohne erfinderisches Bemühen zum Gegenstand der Erfindung gelangt wäre, in einer Weise objektiviert werden, die Rechtssicherheit für den Schutzrechtsinhaber wie für den Wettbewerber gewährleistet. Dabei lässt sich keine allgemeine, vom jeweiligen Streitfall losgelöste Aussage darüber treffen, in welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen zum Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter Weise weiterzuentwickeln. Es handelt sich vielmehr um eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Sachverhaltselemente erfordert. Hierbei sind nicht etwa nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann beachtlich. Vielmehr können Eigenarten des in Rede stehenden technischen Fachgebietes, insbesondere Ausbildungsgang und Ausbildungsstand der auf diesem Gebiet tätigen Fachleute zum Prioritätszeitpunkt und die auf dem technischen Fachgebiet übliche Vorgehensweise von Fachleuten bei der Entwicklung von Neuerungen, ebenso eine Rolle spielen wie technische Bedürfnisse, die sich aus der Konstruktion oder der Anwendung des in Rede stehenden Gegenstandes ergeben, nicht-technische Vorgaben, die geeignet sind, die Überlegungen des Fachmanns in eine bestimmte Richtung zu lenken, und umgekehrt Gesichtspunkte, die dem Fachmann Veranlassung geben könnten, die technische Entwicklung in eine andere, von der Erfindung wegweisende Richtung voranzutreiben (BGH, GRUR 2012, 378, 379 – Installiereinrichtung II; GRUR 2014, 647, 649 – Farbversorgungssystem).
  76. b)
    Dies vorausgeschickt vermag der Senat der Einschätzung des Landgerichts, Schutzanspruch 1 sei aufgrund des durch die Beklagten vorgelegten Standes der Technik nahegelegt gewesen, nicht beizutreten.
  77. aa)
    Wie die nachfolgend verkleinert eingeblendete Figur 1 der durch das Landgericht weitgehend im Einklang mit den Parteien als nächstliegender Stand der Technik angesehenen EP 1 180 AAC A2 (D1, Anlage B 1) verdeutlicht, offenbart die Entgegenhaltung eine aus zwei Behältern bestehende Behälteranordnung (Merkmalsgruppe 1).
  78. Figur 1 zeigt einen aufreißbaren Behälter (10) für eine kohlensäurehaltige Flüssigkeit in einem Behälter (2), der durch einen Deckel (3) verschließbar ist. Der so gebildete Verschluss ist flüssigkeits- und gasdicht ausgeführt (D1, Sp. 2, Z. 11-12). Diese Anordnung ist unstreitig dafür vorgesehen, dass der Behälter (10) aufgerissen, die darin befindliche Flüssigkeit in den Behälter (2) gegossen, der Behälter (2) sodann mit dem Deckel (3) verschlossen und schließlich geschüttelt wird, um ein zuviel an Kohlensäure aus der Flüssigkeit zu entfernen. Nach dem Abschrauben des Deckels (3) kann der Nutzer die Flüssigkeit trinken.
  79. Davon ausgehend ist der zweite Behälter (10) zwar entnehmbar in dem ersten Behälter (2) angeordnet (Merkmal 3.1.). Nachdem dieser Behälter unstreitig aufreißbar ausgestaltet ist, weist er ferner auch zwei geschlossene Stirnseiten auf (Merkmal 3.1.). Mit der Griffmulde (6) verfügt der erste Behälter außerdem auch über einen Griff, der sich jedoch nicht durch eine Ausnehmung in der zweiten Seitenfläche einer Schutzverpackung erstreckt und sich naturgemäß aufgrund seiner Form auch nicht – soweit vorhanden – durch eine Ausnehmung in der Seitenfläche einer Schutzverpackung erstrecken kann.
  80. Entgegen der Auffassung des Landgerichts weist der in der vorstehend eingeblendeten Figur 1 gezeigte erste Behälter weiterhin nicht wie von Merkmal 2.1. gefordert neben einer geschlossenen auch eine offene Stirnseite auf. Diese ist vielmehr durch einen Deckel verschlossen. Dass eine derartige Gestaltung, bei der sich der erste Behälter zwar öffnen lässt, aber an sich durch einen Deckel verschlossen ist, nicht in den Schutzbereich von Schutzanspruch 1 fällt, erschließt sich ohne Weiteres mit Blick auf die Merkmalsgruppe 4. Denn es ist die Abdeckung (13) der Schutzverpackung (12), die die offene Stirnseite des ersten Behälters abdecken soll (Merkmal 4.1.). Einer derartigen Abdeckung durch die Schutzverpackung bedürfte es jedoch dann nicht, wenn der erste Behälter bereits von Natur aus verschlossen wäre. Denn dann ist der erste Behälter bereits aus sich heraus vor den in Abs. [0012] angesprochenen Umwelteinflüssen geschützt. Damit ist klar, dass Merkmal 2.1. mehr verlangt als die bloße Gewährleistung der Entnehmbarkeit des zweiten Behälters; dieser soll offen gestaltet sein. Eine Bestätigung dieser Auslegung erhält der Fachmann schließlich auch durch die Gebrauchsmusterbeschreibung einschließlich der Figuren. Dort findet sich an keiner Stelle ein Anhaltspunkt dafür, dass auch eine Gestaltung, bei welcher der erste Behälter mit einem Deckel versehen ist, in den Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters fallen soll. Im Gegenteil: Eines Schutzes der Stirnseiten des ersten Behälters durch eine Abdeckung (vgl. Abs. [0012]) bedarf es nur dann, wenn der erste Behälter tatsächlich offen, und nicht, wie in Figur 1 der D1 gezeigt, bereits von vornherein mit einem Deckel versehen und damit zumindest zeitweise verschlossen ist.
  81. Damit fehlt es in der D1 nicht nur an der Offenbarung einer Schutzverpackung im Sinne der Merkmalsgruppen 4. und 5. Vielmehr weist der erste Behälter auch keine offene Stirnfläche auf (Merkmal 2.1.). Wollte man dies anders sehen, handelt es sich bei dem Deckel um die erste Abdeckung einer Schutzverpackung, bei der es dann jedoch sowohl an einer zweiten Abdeckung als auch an zwei Seitenteilen fehlt.
  82. Bei der in den Merkmalsgruppen 4. und 5. im Einzelnen beschriebenen Schutzverpackung wird vornehmlich die offene Stirnseite des ersten Behälters geschützt, was einen Schutz der Behälteranordnung insgesamt vor Umwelteinflüssen bewirkt (Abs. [0012]). Der sich durch eine Ausnehmung in einer Seitenfläche der Schutzverpackung erstreckende Griff ermöglicht nicht nur eine erleichtere Handhabung des ersten Behälters, sondern fixiert zugleich die Abdeckungen mit den Seitenflächen am ersten Behälter (Abs. [0016]).
  83. Davon ausgehend kann der Beklagten nicht in der Einschätzung gefolgt werden, der Gegenstand von Schutzanspruch 1 sei dem Fachmann in der Zusammenschau mit dem weiteren, in das Verfahren eingeführten Stand der Technik nahegelegt gewesen.
  84. Die US 2006/138AAHA1 (D3, Anlage B 3) beschreibt einen Zuschnitt (38) für einen Becherhalter, wie er aus der nachfolgend verkleinert eingeblendeten Figur 3 der Entgegenhaltung ersichtlich ist:
  85. Der Zuschnitt (38) ist nach Art einer Banderole ausgebildet, die zu einem Quader gefaltet werden kann, der zwei offene Längsseiten aufweist. Durch diese offenen Längsseiten kann ein Becher mit einem Deckel (32) eingeschoben werden. Die beiden geschlossenen Längsseiten weisen Einschnitte (26) auf, so dass sich die isolierenden Bereiche (28) der Seitenwände nach innen klappen lassen.
  86. Zwar wird dem Fachmann damit eine, aus zwei Abdeckungen und zwei Seitenteilen bestehende Schutzverpackung gezeigt. Nicht offenbart ist demgegenüber auch hier ein am ersten Behälter angeordneter Griff, der sich (mit dem Ziel der Fixierung der Schutzverpackung) durch eine Ausnehmung einer Seitenfläche erstreckt. Eines solchen, zur Fixierung beitragenden Griffes bedarf es bei der aus der vorstehend eingeblendeten Figur ersichtlichen Verpackung auch nicht, da die Fixierung des Bechers bereits über die einklappbaren Bereiche (28) realisiert wird.
  87. Um eine Lösung zu finden, bei welcher eine aus zwei Abdeckungen und zwei Seitenteilen bestehende Schutzverpackung über einen durch eine Ausnehmung in der Banderole geführten Griff fixiert wird, muss sich der Fachmann somit weiteren Standes bedienen, wobei er etwa – eine rechtzeitige Vorveröffentlichung zu Gunsten der Beklagten unterstellt – bei dem nachfolgend eingeblendeten Topf fündig wird (Anlage B 8).
  88. Davon ausgehend waren die einzelnen Elemente der durch das Klagegebrauchsmuster beanspruchten technischen Lehre im Stand der Technik bekannt. Dies steht einem erfinderischen Schritt jedoch nicht per se entgegen, soweit alle Merkmale einer Kombination zwar seit langem bekannt, jedoch nicht in der vorteilhaften Kombination vorgeschlagen wurden (BeckOK Patentrecht, Fitzner/Lutz/Bodewig, 5. Edition, Stand: 26.06.2017, § 4 Rz. 89). Voraussetzung dafür ist freilich, dass der Fachmann die einzelnen Elemente nicht im normalen fachmännischen Handeln kombiniert hätte (vgl. BGH, Urt. v. 01.04.2008, Az.: X ZR 115/03, BeckRS 2008, 06997; Fitzner/Lutz/Bodewig, a.a.O., Rz. 86).
  89. Diesem Erfordernis wird die durch Schutzanspruch 1 beanspruchte technische Lehre gerecht. Entgegen der Ansicht der Beklagten genügt hier keine Aggregation der bekannten Elemente „Behälter-in-Behälteranordnung”, „Schutzverpackung” und „Griff“, da nach der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters die für sich gesehen bekannten Bauteile nicht lediglich ohne synergetischen Effekt addiert werden. Vielmehr sollen und müssen sie zur Erreichung des angestrebten technischen Gesamterfolgs einer beim Transport platzsparenden, vor Umwelteinflüssen geschützten und zugleich fixierten Behälteranordnung zusammenwirken. Nur, wenn die Schutzverpackung durch den Griff fixiert wird, kann sie die offene Stirnseite des ersten Behälters schützen und den zweiten Behälter zugleich vor einem Herausfallen aus dem ersten Behälter bewahren.
  90. Weshalb der Fachmann die aus der D1 bekannte Lösung gleichwohl, ohne in eine stets unzulässige rückschauende Betrachtung zu verfallen, naheliegend in Richtung der den Gegenstand des streitgegenständlichen Schutzanspruchs bildenden Behälteranordnung weiterentwickeln sollte, indem er auf die in der D3 offenbarte Lösung zurückgreift, ist nicht ersichtlich. Der in Figur 1 der D1 gezeigte erste Behälter verfügt bereits über einen Deckel, der nicht nur verhindert, dass der zweite Behälter aus dem ersten Behälter herausfällt. Vielmehr schützt ein solcher Deckel den Behälter sogar besser als die nunmehr beanspruchte Schutzverpackung vor Umwelteinflüssen und insbesondere vor Verschmutzungen. Dementsprechend bestand für den Fachmann, der sich vor die Aufgabe gestellt sieht, ausgehend von der D1 eine platzsparende, hinreichend vor äußeren Einflüssen geschützte Behälteranordnung vorzusehen, überhaupt kein Anlass, über eine weitere Schutzverpackung nachzudenken und zu diesem Zwecke auf die in der D3 offenbarte Lösung zurückzugreifen.
  91. Ist dem so, hatte der Fachmann auch keinen Grund, zusätzlich auf Gestaltungen zurückzugreifen, wie sie beispielsweise in der Anlage B 8 („Fissler-Topf“) ersichtlich sind. Dies gilt umso mehr, da die D1 auch bereits einen Griff offenbart. Weshalb der Fachmann auf seiner Suche nach einer platzsparenden Behälteranordnung (Klagegebrauchsmuster, Abs. [0006]) den in der D1 als (platzsparende) Griffmulde ausgestalteten Griff derart umgestalten sollte, dass dieser nunmehr absteht, ist nicht ersichtlich. Nicht nur, dass es bei der D1, wie ausgeführt, zum Schutz vor Umwelteinflüssen keiner, durch einen solchen abstehenden Griff zu fixierenden Schutzverpackung bedarf. Vielmehr offenbart dem Fachmann die D3 in Gestalt der umklappbaren Bereiche (28) bereits selbst eine weitere (und deutlich platzsparendere) Möglichkeit der Fixierung der Umverpackung, so dass der Fachmann jedenfalls für die zusätzliche Heranziehung der D3 keinen Anlass hatte.
  92. Die durch das Landgericht zur Begründung seiner abweichenden Auffassung herangezogene Verpackungsverordnung rechtfertigt keine andere Bewertung. Sie stellt allenfalls einen weiteren Grund dar, die in der D1 offenbarte Lösung nicht mit einer Schutzverpackung im Sinne des Klagegebrauchsmusters zu versehen. § 12 Nr. 1 der Verpackungsverordnung von 1998 verlangt, Verpackungsvolumen und -masse auf das Mindestmaß zu begrenzen, das zur Erhaltung der erforderlichen Sicherheit und Hygiene des zu verpackten Produktes und zu dessen Akzeptanz für den Verbraucher angemessen ist. Ist die Behälteranordnung daher, wie bei der in der D1 offenbarten Lösung, bereits aus sich heraus hinreichend vor Umwelteinflüssen geschützt, bereitet die Verpackungsverordnung dem Fachmann allenfalls ein zusätzliches Hindernis dafür, die aus der D1 bekannte Behälteranordnung mit einer weiteren, aber zum Schutz vor Umwelteinflüssen nicht notwendigen weiteren Verpackung zu versehen.
  93. bb)
    Wählt der Fachmann die D3 als Ausgangspunkt seiner Überlegungen, ist die durch Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters beanspruchte technische Lösung durch den Stand der Technik ebenso wenig nahegelegt.
  94. Die D3 offenbart, wie die nachfolgend verkleinert eingeblendeten Figuren verdeutlichen, einen mit einem Deckel versehenen und damit verschlossenen Becher, der in eine Schutzverpackung eingesetzt werden kann.
  95. Nicht offenbart ist demgegenüber ein weiterer, eine offene Stirnseite im Sinne des Klagegebrauchsmusters aufweisender Behälter und damit auch nicht die den Gegenstand des Klagegebrauchsmusters bildende Behälter-in-Behälter-Anordnung (Merkmale 1.1., 2.2., 3.2.). Ebenso wenig gezeigt ist eine Anordnung, bei der der Becher mit einem, durch eine Ausnehmung der Seitenfläche der Verpackung (10) geführten Griff versehen wird, um so den Becher an der Schutzverpackung zu fixieren (Merkmale 2.2. und 5.1.).
  96. Der Fachmann, der sich davon ausgehend auf die Suche nach einer Lösung begibt, um den durch den vorgeschlagenen Einsatz eines Trinkhalmes eventuell eingeschränkten Trinkkomfort zu erhöhen, wird daher möglicherweise auf die in der D1 offenbarte, zwei Behälter aufweisende Gestaltung zurückgreifen, so dass dem Nutzer zusätzlich zu dem Transportbehälter ein weiterer Trinkbehälter zur Verfügung steht. Das führt ihn jedoch trotzdem nicht ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Klagegebrauchsmusters. Auch dann fehlt es nach wie vor an einem nach außen abstehenden, die Schutzverpackung fixierenden Griff. Für dessen Anbringung hat der Fachmann, der sich ausgehend von der D3 auf die Suche nach einer in Bezug auf das Trinken komfortablen und zugleich platzsparenden Lösung begibt, auch keinen Anlass. Beide Aufgaben sind auch bereits mit einer Kombination der D3 mit der D1 gelöst. Mit den aus der D1 bekannten Griffmulden steht dem Nutzer schon ein Griff zur Verfügung, der zugleich auch beim Transport platzsparend ist. Für die Fixierung bedarf es demgegenüber ausgehend von der D3 keines Griffes, hierfür sind bereits die einklappbaren Bereiche (28) ausreichend. Nachdem ein zusätzlicher, abstehender Griff im Vergleich dazu mehr Platz beansprucht, hat der Fachmann keinen Grund, die Griffmulden durch einen abstehenden Griff zu ersetzen.
  97. cc)
    Der übrige Stand der Technik liegt noch weiter vom Gegenstand von Schutzanspruch 1 entfernt.
  98. (1)
    Die DE 196 21 AAI A1 (Anlage B11) offenbart einen Behälter zum Transportieren und Lagern von Waren, insbesondere von Schuhen.
  99. Wie die vorstehend verkleinert eingeblendete Figur 1 der Entgegenhaltung zeigt, ist die Tragetasche (14), in der sich Schuhe befinden können, in einem Pappkarton angeordnet. An der Tragetasche (14) sind Henkel (12, 13) befestigt, die durch eine längliche Öffnung (18) in dem Deckelbereich des Kartons hindurchgeführt werden können, wodurch sich die verpackten Schuhe transportieren lassen. Die Entgegenhaltung zeigt damit weder eine Zwei-Behälter-Lösung, noch eine, aus zwei Abdeckungen und zwei Seitenteilen bestehende Schutzverpackung im Sinne des Klagegebrauchsmusters. Sie bietet dem Fachmann dementsprechend keine, über den bisher diskutierten Stand der Technik hinausgehenden Hinweise, um zu der durch das Klagegebrauchsmuster beanspruchten technischen Lösung zu gelangen.
  100. (2)
    Vergleichbares gilt für die DE 32 09 AAJ A1 (Anlage B 12). Die dort gezeigte Zweistoff-Flüssigkeitsverpackung besteht aus einem aus einer thermoplastischen Kunststoff-Folie hergestellten Innenbehälter und einem insbesondere aus Pappe hergestellten Außenkarton, wobei an der Außenfläche des Innenbehälters mindestens eine Lasche vorgesehen ist, die durch eine komplementäre Eckausstanzung am Außenkarton nach außen geführt werden kann.
  101. Anders als bei der durch das Klagegebrauchsmuster beanspruchten technischen Lösung gibt es somit lediglich einen Innen- und einen Außenbehälter oder – soweit der Pappbehälter die erfindungsgemäße Schutzverpackung darstellen soll – alternativ einen Behälter und eine Schutzverpackung. Für die erfindungsgemäße Lösung (zwei ineinandergestapelte Behälter und eine, über einen Griff fixierte Schutzverpackung) bietet die Entgegenhaltung somit keine Anregung.
  102. (3)
    Letzteres gilt auch für die US 5 485 AAK (Anlage B 13). Die Entgegenhaltung zeigt einen Behälter zum Verpacken von Flaschen, die mit einem Hals durch Öffnungen (14) in eine Stirnwand (16) ragen sollen.
  103. Es handelt sich somit um die klassische Verpackung eines „Six-Packs“, bei der nicht zwei Behälter ineinander, sondern sechs Behälter nebeneinander angeordnet sind. Dementsprechend fehlt es gerade an dem für das Klagegebrauchsmuster charakteristischen Ineinanderstapeln zweier Behälter. Abgesehen davon ist auch kein Anlass ersichtlich, weshalb der Fachmann eine solche, gerade auf den Transport von Flaschen ausgerichtete Verpackung heranziehen sollte, um davon ausgehend, ohne erfinderisch tätig zu werden, zu der durch das Klagegebrauchsmuster beanspruchten technischen Lösung zu gelangen.
  104. (4)
    Die DE 91 10 AAL U1 (Anlage B 14) zeigt eine Verpackung für Haushaltsgeräte, bei denen es sich beispielsweise um Pfannen handeln kann.
  105. Sie geht in ihrer Offenbarung im hier relevanten Umfang nicht über die bereits angesprochene Verpackung für einen Topf („Fissler-Topf“, Anlage B 8) hinaus, so dass auf die diesbezüglichen Ausführungen Bezug genommen werden kann.
  106. (5)
    Schließlich vermag auch die EP 1 151 AAM B1 (Anlage B 15) dem Fachmann keine über den bereits diskutierten Stand der Technikhinausgehenden Erkenntnisse zu vermitteln.
  107. Die dort gezeigte Kartonverpackung zeichnet sich dadurch aus, dass sie im Bereich des Halses der zu verpackenden Flaschen A zwei Stirnseiten hat, wobei die Flaschen durch eine Stirnseite hindurchgeführt und von der anderen Stirnseite abgedeckt sind. Ein zweiter, in dem ersten Behälter angeordneter Behälter ist daher, wie auch bei der US `915, nicht erkennbar. Die dortigen Ausführungen gelten daher hier entsprechend.
  108. 4.
    Die damit vorliegende Schutzrechtsverletzung führt zu den im Tenor ausgeurteilten Rechtsfolgen. Zwar ist das Klagegebrauchsmuster gemäß § 23 Abs. 1 GebrmMG erst am 31. Oktober 2017 durch Zeitablauf erloschen. Der Senat sieht sich jedoch gemäß § 308 ZPO daran gehindert, die Beklagten über den beantragten Zeitraum hinaus zu verurteilen.
  109. a)
    Die Beklagten sind der Klägerin auch für die Zeit vor der gegenüber dem DPMA erklärten Beschränkung des Klagegebrauchsmusters (Anlage K 5) zum Schadenersatz dem Grunde nach verpflichtet, § 24 Abs. 2 GebrmG. Es fehlt nicht an dem nach Absatz 2 der vorgenannten Norm notwendigen Verschulden.
  110. Wird ein Gebrauchsmuster verletzt, kann, da es ohne materielle Prüfung seiner Schutzfähigkeit eingetragen wird, ein Verschulden nur angenommen werden, wenn der Benutzer mit der Schutzfähigkeit rechnen musste. Ein Verschuldensvorwurf hat demgegenüber zu unterbleiben, wenn der Benutzer begründete Bedenken gegen die Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters in seiner eingetragenen Fassung erheben konnte. In Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten ist der Benutzer gehalten, sachkundigen Rat erfahrener Patent- oder auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes kundiger Rechtsanwälte einzuholen und seine Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Klagegebrauchsmusters in einer verfahrensrechtlich geeigneten Form, etwa durch die Einleitung eines Löschungsverfahrens, geltend zu machen (vgl. BGHZ 68, 90 = GRUR 1977, 250, 252 = NJW 1977, 1194 – Kunststoffhohlprofil; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12. 11. 2009, Az.: I-2 U 121/08, BeckRS 2010, 21554; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Aufl., Abschn. D, Rz. 390).
  111. Dürfen die Sorgfaltspflichten des Benutzers einerseits nicht überspannt werden, so dürfen sie andererseits auch nicht zu niedrig sein. Verschulden ist anzunehmen, wenn der Benutzer mit der Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters rechnen musste. Der Benutzer kann sich nicht stets damit begnügen, nur auf den eingetragenen Hauptanspruch zu achten und weitere Prüfungen schon dann einstellen, wenn er dessen Schutzfähigkeit in Zweifel ziehen kann. Er muss mit der immer wieder eintretenden Möglichkeit rechnen, dass ein Gebrauchsmuster eingeschränkt aufrechterhalten wird, indem sein eingetragener Hauptanspruch mit Unteransprüchen kombiniert wird. Vor diesem Hintergrund dürfen die Unteransprüche nicht gänzlich außer Betracht bleiben.
    Welche Einzelheiten bei dieser Prüfung, die naturgemäß mit Blick auf das vom Benutzer hergestellte, angebotene oder vertriebene Produkt erfolgt, mit zu berücksichtigen sind, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls und hängt nicht zuletzt von der Komplexität der beanspruchten technischen Lehre und ihres technischen Sachgebiets, aber auch davon ab, wie leicht es für den Fachmann zu erkennen ist, ob die potentielle Verletzungsform neben den Merkmalen des Hauptanspruchs auch diejenigen eines Unteranspruchs verwirklicht. Einerseits braucht der Benutzer in aller Regel nicht damit zu rechnen, dass diverse einzelne Merkmale aus mehreren Unteransprüchen in den Hauptanspruch aufgenommen werden (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.11.2009, Az.: I-2 U 121/08, BeckRS 2010, 21554), andererseits darf er bei einem einfach gelagerten Sachverhalt nicht die Augen davor verschließen, dass ein Unteranspruch mit in den Hauptanspruch aufgenommen wird, den das Produkt des Benutzers offensichtlich ebenfalls verwirklicht.
  112. Letzteres ist hier der Fall ist. Der Sachverhalt ist ebenso einfach gelagert wie die technische Lehre des Klagegebrauchsmusters, dessen Schutzansprüche in ihrem Sinngehalt nicht schwer zu erfassen sind. Das gilt auch für die trotz ihrer Zahl im Hinblick auf ihren Inhalt leicht überschaubaren Unteransprüche (OLG Düsseldorf, GRUR 2012, 62, 66 – Türlagerwinkel). Vor diesem Hintergrund sind die Beklagten den geschilderten Obliegenheiten nicht nachgekommen. Danach hätte sich vorliegend aufdrängen müssen, dass nicht nur gegen die Schutzfähigkeit der Kombination der eingetragenen Ansprüche 1, 5 und 9, die jeweils nur eine begrenzte und leicht zu erfassende Anzahl von Merkmalen aufweisen, keine begründeten Zweifel bestehen. Sie hätten vielmehr auch ohne Weiteres erkennen können, dass diese Kombination auch bei den angegriffenen Ausführungsformen, die in ihrer technischen Gestaltung in weiten Teilen den in den Figuren des Klagegebrauchsmusters gezeigten Ausführungsbeispielen entsprechen, verwirklicht sind. Dass der nunmehr streitgegenständliche Schutzanspruch die Abdeckungen (13, 14) als Bestandteil einer Schutzverpackung (12) beschreibt, steht dem nicht entgegen. Insoweit handelt es sich lediglich um eine Klarstellung der den Abdeckungen ohnehin nach der Klagegebrauchsmusterbeschreibung zukommenden Funktion (Abs. [0012]).
  113. Der Verschuldensvorwurf entfällt auch nicht aufgrund des in Bezug auf die parallele Patentanmeldung ergangenen Europäischen Rechercheberichtes (Anlage K 4). Abgesehen davon, dass es sich hierbei lediglich um eine erste Stellungnahme des Europäischen Patentamtes zur Rechtsbeständigkeit des betreffenden Patentes handelt, der nach einer entsprechenden Stellungnahme des Antragstellers im Prüfungsverfahren durchaus noch zu einer anderen Bewertung der Schutzfähigkeit führen kann, entbindet auch ein derartiger Recherchebericht die Beklagten nicht von ihrer Obliegenheit, sich auf der Grundlage eines solchen Berichts ggf. ergebende Zweifel an der Rechtsbeständigkeit eines parallelen Gebrauchsmusters in einer verfahrensrechtlich geeigneten Form, z.B. durch die Einleitung eines Löschungsverfahrens, geltend zu machen. Kommen die Beklagten dem nicht nach und vertreiben – wie hier – trotz der bestehenden Zweifel potentiell gebrauchsmusterverletzende Produkte im Geltungsbereich des Klagegebrauchsmusters, handeln sie auf eigenes Risiko. Sie können sich dementsprechend im Verletzungsverfahren nicht mit Erfolg auf ein fehlendes Verschulden berufen.
  114. b)
    Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, etwaige weitere Verletzer aufzudecken und den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch zu beziffern, steht ihr zudem ein Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch aus § 24b GebrMG i.V.m. § 242, 259 BGB zu.
  115. c)
    Die Beklagten zu 1) und 2) sind weiterhin im tenorierten Umfang gemäß § 24a Abs. 1 GebrmG zur Vernichtung solcher gebrauchsmustertverletzender Gegenstände verpflichtet, die sich bis zum 11. Oktober 2017 (Ablauf des Klagegebrauchsmusters) in der Bundesrepublik Deutschland in ihrem Besitz oder Eigentum befunden haben und die sich auch derzeit noch im Geltungsbereich des Klagegebrauchsmusters in ihrem Besitz oder Eigentum befinden. Der Ablauf des Schutzrechts lässt den Vernichtungsanspruch hinsichtlich derjenigen Gegenstände, für die er einmal entstanden ist, nicht ohne weiteres entfallen (OLG Düsseldorf, Mitt. 2009, 400, 401 – Rechnungslegungsanspruch; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.01.2011, Az.: I-2 U 56/09, BeckRS 2011, 07499; Kühnen, GRUR 2009, 288; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Aufl., Abschn. D, Rz. 602 – 605; Benkard/Rogge/Grabinski, PatG/GebrMG, 11. Aufl., § 140a PatG, Rz. 7; zur Verhältnismäßigkeit des Rückrufs nach Schutzrechtsablauf: OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.01.2015, Az.: I-15 U 23/14, BeckRS 2015, 06710; a.A.: OLG Frankfurt, GRUR-RR 2017, 289). Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur unter besonderen Umständen (vgl. Kühnen, a. a. O., Rz. 604f.), für die im Streitfall jedoch nichts dargetan und auch nichts ersichtlich ist.
  116. Das Vernichtungsbegehren ist allerdings nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Ist es bei einem Erzeugnis, welches als solches Gegenstand eines Patents oder Gebrauchsmusters ist, möglich, dieses in einem technischen Merkmal so abzuändern bzw. nur ein Teil desselben so zu vernichten, dass es nicht mehr unter den Schutzbereich des Patents oder Gebrauchsmusters fällt und handelt es sich dabei um eine gleichermaßen geeignete Alternative zur Vernichtung, scheidet eine vollständige Vernichtung des Erzeugnisses aus, ohne dass es noch auf eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (§ 24a Abs. 3 GebrMG) ankommt (BeckOK PatR/Rinken, 7. Edition, Stand: 07.01.2018, § 140a PatG, Rz. 29.1). In diesem Fall gebührt dem milderen Mittel regelmäßig Vorrang (Benkard/Scharen, PatG, 11. Aufl.,
    § 140a Rz. 8a; Schulte/Voß, Patentgesetz, 11. Aufl., § 140a, Rz. 14). Hierfür muss die Prüfung der gleichermaßen vorhandenen Eignung der Beseitigungsalternative allerdings ergeben, dass auch von dritter Seite nicht durch nachträgliche Manipulationen wieder der patentverletzende Zustand hergestellt und das Objekt alsdann wieder in den Verkehr gebracht wird, ansonsten scheidet eine Verurteilung zur bloß „eingeschränkten Vernichtung“ in aller Regel aus (OLG Düsseldorf InstGE 7, 139 – Thermocycler; BeckOK PatR/Rinken, a.a.O.)
  117. Diesen Anforderungen wird auch die durch die Klägerin hilfsweise begehrte Vernichtung der Schutzverpackung gerecht, so dass es einer vollständigen Vernichtung der angegriffenen Ausführungsformen, also auch der Dosen und Gläser, nicht bedarf. Der streitgegenständliche Schutzanspruch stellt die Kombination zweier Behälter (Glas + Dose) mit einer Umverpackung unter Schutz, so dass die Behälteranordnung an sich nicht in den Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters fällt. Bereits die Vernichtung der Umverpackung lässt somit den gebrauchsmusterverletzenden Charakter der Behälteranordnung entfallen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die auch jeweils für sich genommen verkehrsfähigen Behälter sodann erneut durch Dritte mit einer, neu herzustellenden und den Anforderungen des streitgegenständlichen Schutzanspruchs entsprechenden Umverpackung versehen werden, sind weder vorgetragen noch erkennbar. Dies gilt umso mehr, da eine ggf. erforderliche Umverpackung ohne Weiteres auch derart gestaltet werden kann, dass der Griff nicht, wie bisher, durch eine Ausnehmung in der Verpackung geführt wird. Für die Verkehrsfähigkeit der bisher einen Teil der Gesamtvorrichtung darstellenden Behälter (Glas + Dose) ist die Verwirklichung der unter Schutz gestellten technischen Lehre somit selbst dann keine Voraussetzung, wenn beide Teile – wie bisher – gemeinsam vertrieben werden sollen.
  118. d)
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1) und 2) weiter einen Anspruch auf Rückruf derjenigen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen gemäß § 24a Abs. 2 GebrMG, die während der Schutzdauer des Klagegebrauchsmusters in den Besitz Dritter gelangt sind. Der zwischenzeitliche Ablauf des Klagegebrauchsmusters steht dem nicht entgegen (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 29.01.2015, Az.: I-15 U 23/14, BeckRS 2015, 06710; kritisch: OLG Frankfurt, GRUR-RR 2017, 289).
  119. e)
    Des Weiteren steht der Klägerin gegen die Beklagten auch im tenorierten Umfang ein Kostenerstattungsanspruch für die vorgerichtliche Abmahnung zu. Ob solche Kosten unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 683 S. 1, 670 BGB verlangt werden können, kann hier offenbleiben. Für den Fall einer schulhaften Gebrauchsmusterverletzung sind sie, nicht anders als bei einer Patentverletzung, jedenfalls Teil des nach § 24 Abs. 2 GebrMG zu ersetzenden Schadens (vgl. BGH, GRUR 1995, 338, 342 – Kleiderbügel; OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.08.2017, Az.: I-2 U 71/16, BeckRS 2017, 129336; Urt. v. 08.09.2011, Az.: I-2 U 77/09; Benkard/Grabinski/Zülch, Patentgesetz, 11. Aufl., § 139 Rz. 76a).
  120. aa)
    Ob der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die vorprozessuale Abmahnung der Beklagten zustehen würde, wenn sie der Abmahnung Schutzanspruch 1 in der eingetragenen Fassung zu Grunde gelegt hätte, kann dahinstehen. Denn die Klägerin hat das Klagegebrauchsmuster vor der Abmahnung auf seine Schutzfähigkeit geprüft und in der Abmahnung nur in eingeschränktem und in dieser Fassung bestandsfähigen Umfang geltend gemacht. Ihre Abmahnung war daher rechtmäßig.
  121. bb)
    Allerdings besteht der der Klägerin zustehende Kostenerstattungsanspruch nur im tenorierten Umfang.
  122. (1)
    Der durch die Klägerin zur Bemessung der Geschäftsgebühr zugrunde gelegte Geschäftswert von 300.000,- € ist nicht zu beanstanden.
  123. Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht den Streitwert des vorliegenden Rechtsstreits, von den Parteien in zweiter Instanz unbeanstandet, lediglich auf 200.000,- € festgesetzt hat. Der Gegenstandswert ist gemäß § 23 Abs. 3 S. 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen, wobei sich das hiernach maßgebliche Interesse nach dem Wert der dem Schutzrechtsinhaber infolge der Inanspruchnahme aus den Schutzrechten drohenden Nachteile bemisst. Dabei kann der Wert des dazu in erster Linie gehörenden Unterlassungsanspruchs regelmäßig nur pauschalierend auf der Grundlage der im Einzelfall bekannten Indiztatsachen prognostiziert werden. Die Prognose gilt zum einen dem Wert des Schutzrechts unter Berücksichtigung der Bedeutung seines Gegenstandes und der noch verbleibenden Laufzeit, zum anderen der Einschätzung, inwieweit die Realisierung dieses Werts durch den Verletzer in Zukunft gefährdet werden könnte. Dafür bietet der Umfang der bereits begangenen Verletzungen regelmäßig den greifbarsten Anhaltspunkt. Daneben können allgemein Art und Umfang der bisherigen wirtschaftlichen Tätigkeit, vorhandene betriebliche Einrichtungen und Handelsbeziehungen, personelle Ausstattung sowie Finanzkraft sowohl des Schutzrechtsinhabers als auch des Verletzers Anhaltspunkte dafür bieten, welche Benutzungshandlungen künftig zu erwarten sind. Auch subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers, wie etwa der Verschuldensgrad, können schließlich Rückschlüsse auf die vom Verletzer ausgehende Gefährdung der Rechte des Schutzrechtsinhabers zulassen (vgl. BGH, GRUR 2013, 1067 – Beschwer des Unterlassungsschuldners; GRUR-RR 2011, 440 – Der Marktführer; GRUR 2014, 206, 207 – Einkaufskühltasche).
  124. Vor diesem Hintergrund weist die Klägerin zur Begründung des durch sie für angemessen erachteten Gebührenstreitwertes zu Recht darauf hin, dass das Klagegebrauchsmuster im Zeitpunkt der Abmahnung noch eine Laufzeit von nahezu zwei Jahren hatte. Die angegriffenen Ausführungsformen wurden durch die Beklagten in großem Umfang veräußert, wobei die Beklagten innerhalb einer kurzen Zeit mit dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform unstreitig Umsätze von 410.000,- € erzielt haben. Unmittelbar nach der Abmahnung wurde die streitgegenständliche Schutzverpackung jedoch durch die Beklagten geändert. Da es in dem für die Bemessung der Geschäftsgebühr maßgeblichen Zeitpunkt der Abmahnung für die Klägerin naturgemäß nicht absehbar war, dass der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen unmittelbar eingestellt wird, spiegelt der durch die Klägerin für die Abmahnung zugrunde gelegte Gegenstandswert insbesondere deren Interesse an der Unterlassung zum damaligen Zeitpunkt wieder und ist dementsprechend nicht zu beanstanden.
  125. (2)
    Der Senat hält für die Bemessung der Gebühr lediglich einen 1,5-fachen Satz für angemessen.
  126. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über den 1,3-fachen Regelsatz hinaus nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig und damit überdurchschnittlich war, wohingegen die Schwellengebühr von 1,3 die Regelgebühr für durchschnittliche Fälle ist (BGH, NJW-RR 2007, 420; NJW 2011, 1603; NJW 2012, 2813 = GRUR-RR 2012, 491 – Toleranzbereich; GRUR 2014, 206, 208 – Einkaufskühltasche). Patent- oder Gebrauchsmustersachen können nicht allein wegen ihres Gegenstands pauschal als überdurchschnittlich umfangreich oder schwierig bewertet werden (BGH, GRUR 2014, 206, 208 – Einkaufskühltasche). Allerdings kann gleichwohl nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich bei dem Bereich des gewerblichen Rechtschutzes nicht um einen solchen handelt, der üblicherweise in der Juristenausbildung behandelt wird, weshalb eine anwaltliche Abmahnung wegen einer angeblichen Patent- oder Gebrauchsmusterverletzung unabhängig von der konkret betroffenen technischen Materie regelmäßig eine gewisse Schwierigkeit aufweist. Schon aus diesem Grund ist eine Überschreitung der 1,3-Gebühr nach Nr. 2400 RVG-VV im Regelfall gerechtfertigt, und zwar auch dann, wenn bereits im Abmahnstadium den Rechtsanwalt unterstützend ein Patentanwalt hinzugezogen wird (LG Düsseldorf, Urt. v. 20.10.2005, Az.: 4b O 199/05). Soweit es sich daher nicht ausnahmsweise um einen besonders gelagerten Einzelfall handelt, bei dem weder die Schutzfähigkeit in Ansehung des Standes der Technik bzw. vorbekannter Gestaltungen zu beurteilen ist noch im Zusammenhang mit der geltend gemachten Verletzung aufwendige oder komplexe Prüfungen erforderlich sind, ist auch in technisch und rechtlich einfach gelagerten Patent- oder Gebrauchsmusterverletzungsfällen im Regelfall für die anwaltliche Abmahnung der Ansatz einer 1,5-Geschäftsgebühr als angemessen anzusehen (LG Düsseldorf, Urt. v. 20.10.2005, Az.: 4b O 199/05; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Aufl., Abschn. C, Rz. 51).
  127. Die durch die Klägerin davon abweichend geforderte 1,8-fache Gebühr ist nicht nach der Toleranzrechtsprechung des Bundesgerichtshofes von vornherein der Nachprüfung entzogen. Danach ist die vom Rechtsanwalt im Einzelfall bestimmte Gebühr innerhalb einer Toleranzgrenze von 20 % nicht unbillig i.S.v. § 14 Abs. 1 S. 4 RVG. Diese Toleranzrechtsprechung ist aber nicht in dem Sinne anwendbar, dass für eine weder umfangreiche noch schwierige, mithin nur durchschnittliche Sache eine den gesetzlichen Gebührensatz übersteigende Vergütung verlangt werden kann, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nach Nr. 2300 VV RVG vorlägen (BGH, NJW 2012, 2813 = GRUR-RR 2012, 491 – Toleranzbereich; GRUR 2014, 206, 208). Die Erhöhung der Gebühr ist als Ermessensentscheidung allerdings nur dann einer gerichtlichen Überprüfung entzogen, wenn der Anwalt sein Ermessen auch tatsächlich ausübt. Dies ist nicht der Fall, wenn die Begründung für die Erhöhung – wie hier – lediglich Allgemeinplätze enthält (OLG Stuttgart, GRUR-RR 2012, 412 – Toleranzgrenze). Erforderlich sind auf die konkrete Angelegenheit bezogene Erwägungen, von denen nur abgesehen werden kann, wenn der besondere Umfang oder die besondere Schwierigkeit offen zutage treten, weil sie sich aus der Natur der Sache ergeben (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Aufl., Abschn. C, Rz. 51).
  128. f)
    Auch der Beklagte zu 3) ist der Klägerin als Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) zum Schadenersatz und zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung verpflichtet.
  129. Für die von einer Handelsgesellschaft begangene Patent- oder Gebrauchsmusterverletzung hat deren gesetzlicher Vertreter grundsätzlich persönlich einzustehen, weil er kraft seiner Stellung im Unternehmen für die Beachtung absoluter Rechte Dritter Sorge zu tragen und das Handeln der Gesellschaft im Geschäftsverkehr zu bestimmen hat (OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2015, 18679, Rz. 64; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Aufl., Abschn. D 189). Aufgrund seiner satzungsgemäßen Funktion ist er in der Regel Täter und nicht bloß Gehilfe (BGH, GRUR 2012, 1145 – Pelikan; OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Hamburg, GRUR-RR 2006, 182; Kühnen, a.a.O., Rz. 190). Er haftet dem Verletzten daher grundsätzlich bei jedweder Schutzrechtsverletzung auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadenersatz. Dies entspricht jahrzehntelanger, vom für das Patentrecht zuständigen X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes gebilligter Rechtsprechung des erkennenden Senats und anderer Instanzgerichte (BGH, GRUR 2016 257 – Glasfasern II; OLG Düsseldorf, a.a.O.).
  130. In neuerer Zeit vertritt der I. Zivilsenat sowohl für Verletzungshandlungen im Bereich des unlauteren Wettbewerbs (BGHZ 201, 344 = GRUR 2014, 883 – Geschäftsführerhaftung) als auch für Verstöße gegen § 95 Abs. 3 UrhG (BGH, GRUR 2015, 672, Rz. 80 – Videospiel-Konsolen II) die Auffassung, ein gesetzlicher Vertreter hafte für Verletzungshandlungen der Gesellschaft nur dann, wenn er daran durch positives Tun beteiligt gewesen sei oder wenn er sie auf Grund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung habe verhindern müssen. Ähnliche Grundsätze hat der VI. Zivilsenat für die Verletzung von Rechten entwickelt, die nach § 823 Abs. 1 BGB geschützt sind (BGHZ 109, 297, 302 ff. = NJW 1990, 976; BGHZ 194, 26 Rn. 24 = NJW 2012, 3439). Dies ändert jedoch nichts daran, das ein gesetzlicher Vertreter einer Gesellschaft, die ein patent- oder, wie hier, ein gebrauchsmusterverletzendes Erzeugnis herstellt oder erstmals im Inland in den Verkehr bringt, dem Verletzten gegenüber haftet, wenn er die ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen unterlässt, die Geschäftstätigkeit des Unternehmens so einzurichten und zu steuern, dass hierdurch keine technischen Schutzrechte Dritter verletzt werden (BGH, GRUR 2016, 257 – Glasfasern II).
  131. Für praktisch jeden Bereich der Technik ist eine Vielzahl von Patenten mit unterschiedlichsten Gegenständen in Kraft. Ein Unternehmen muss deshalb vor Aufnahme einer der genannten Tätigkeiten prüfen, ob seine Erzeugnisse oder Verfahren in den Schutzbereich fremder Rechte fallen (vgl. BGH, GRUR 1958, 288, 290 – Dia-Rähmchen I; BGH, GRUR 1977, 598, 601 – Autoskooterhalle; BGHZ 98, 12, 24 = GRUR 1986, 803, 806 – Formstein). Diese Verpflichtung beruht nicht allein auf der allgemeinen Pflicht zum Schutz fremder Rechtsgüter. Sie ist vielmehr Ausdruck der gesteigerten Gefährdungslage, der technische Schutzrechte typischerweise ausgesetzt sind. Der aus solchen Rechten resultierende, ohnehin nur für begrenzte Zeit bestehende Schutz wäre nicht in hinreichender Weise gewährleistet, wenn andere Marktteilnehmer der Frage, ob ihre Tätigkeit fremde Schutzrechte verletzt, nur untergeordnete Bedeutung beimäßen. Kraft seiner Verantwortung für die Organisation und Leitung des Geschäftsbetriebs und der damit verbundenen Gefahr, dass dieser so eingerichtet wird, dass die Produktion oder Vertriebstätigkeit des Unternehmens die fortlaufende Verletzung technischer Schutzrechte Dritter zur Folge hat, ist der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft deshalb grundsätzlich gehalten, die gebotenen Überprüfungen zu veranlassen oder den Geschäftsbetrieb so zu organisieren, dass die Erfüllung dieser Pflicht durch dafür verantwortliche Mitarbeiter gewährleistet ist. Er muss insbesondere dafür sorgen, dass grundlegende Entscheidungen über die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft nicht ohne seine Zustimmung erfolgen und dass die mit Entwicklung, Herstellung und Vertrieb betrauten Mitarbeiter der Gesellschaft die gebotenen Vorkehrungen treffen, um eine Verletzung fremder Patente zu vermeiden (BGH, GRUR 2016, 257, 264 – Glasfasern II).
  132. Bei dieser Ausgangslage bedarf es im Regelfall keiner näheren Feststellungen dazu, dass die schuldhafte Verletzung eines Patents durch eine Gesellschaft auf einem schuldhaften Fehlverhalten ihrer gesetzlichen Vertreter beruht. Angesichts der besonderen Gefährdungslage und der großen Bedeutung, die einer Prüfung der Schutzrechtslage zukommt, deutet der Umstand, dass es zu einer schuldhaften Patentverletzung gekommen ist, in der Regel darauf hin, dass die gesetzlichen Vertreter die ihnen insoweit obliegenden Pflichten schuldhaft verletzt haben (vgl. dazu auch Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, 11. Aufl., § 139 Rz. 22). Deshalb hat der Verletzte – dem grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für alle Anspruchsvoraussetzungen obliegt – regelmäßig keinen Anlass, näher zur persönlichen Verantwortlichkeit des Geschäftsführers vorzutragen. Er hat in der Regel auch nicht die Möglichkeit zu näherem Vorbringen hierzu, weil es um interne Vorgänge des Verletzers geht, in die er keinen Einblick hat. Vielmehr obliegt gegebenenfalls dem gesetzlichen Vertreter der verletzenden Gesellschaft eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Frage, wie er den ihm obliegenden Pflichten nachgekommen ist. Hierbei hat er gegebenenfalls insbesondere darzulegen, weshalb er keinen Anlass hatte, sich eine Entscheidung über die angegriffenen Handlungen vorzubehalten und welche organisatorischen Maßnahmen er ergriffen hat, um eine Schutzrechtsverletzung durch Mitarbeiter des Unternehmens zu verhindern (BGH, GRUR 2016, 257, 264 – Glasfasern II).
  133. Eine Erfüllung dieser Pflichten durch den Beklagten zu 3) vermag der Senat nicht festzustellen. Dass hierfür der zunächst in der Klageerwiderung lediglich allgemein gehaltene Hinweis, im Rahmen der ordnungsgemäßen Delegation von Aufgaben sei es nicht Sache des Geschäftsführers, seinerseits mögliche Schutzrechtsverletzungen zu überprüfen, bedarf vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen keiner weiteren Erläuterung. Soweit die Beklagten ihr diesbezügliches Vorbringen erstinstanzlich sodann dahingehend ergänzt haben, der Beklagte zu 3) habe die Mitarbeiter aus den Abteilungen „Gastronomie- und Produktmanagement“ und „Marketing & Product Management“ angewiesen, sich mit den Anwälten der Beklagten zu 1) und zu 2) abzustimmen, wenn neue Produkte auf den Markt gebracht werden sollen, um auf diese Weise mögliche Schutzrechtsverletzungen zu vermeiden, wobei die Rechercheergebnisse sodann dem Beklagten zu 3) mitgeteilt würden, der seinerseits je nach Rechercheergebnis davon absehe, Produkte für bestimmte Märkte herzustellen, rechtfertigt auch dies keine andere Bewertung. Denn das Vorbringen der Beklagten lässt weder erkennen, welchen konkreten Prüfauftrag die Anwälte der Beklagten zu 1) und zu 2) in solch einem Fall generell haben, noch, zu welchem Ergebnis die Recherche im konkreten Fall geführt hat. Dementsprechend lässt das Vorbringen der Beklagten den Schluss auf das Bestehen einer ordnungsgemäßen, eine Verletzung von Schutzrechten verhindernde Organisationsstruktur nicht zu.
  134. IV.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 91a ZPO.
    Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache betreffend den ursprünglich in erster Instanz auch geltend gemachten Unterlassungsanspruch im Hinblick auf den Zeitablauf des Klagegebrauchsmusters übereinstimmend für erledigt erklärt haben, sind die diesbezüglichen Kosten des Rechtsstreits ebenfalls den Beklagten aufzuerlegen gewesen (§ 91a ZPO), weil der Klägerin – wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt – aufgrund der Benutzung des überdies auch schutzfähigen Klagegebrauchsmusters ein Unterlassungsanspruch nach § 24 Abs. 1 S. 1 GebrMG gegen die Beklagten zustand.
  135. Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
  136. Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür ersichtlich nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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