Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2763
Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 03. Mai 2018, Az. I- 2 U 45/17
Vorinstanz: 4c O 51/16
- In dem Rechtsstreit
- für R e c h t erkannt:
- I. Die Berufung gegen das am 7. September 2017 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
- II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
- III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind für die Beklagte wegen ihrer Kosten vorläufig vollstreckbar.
- Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
- IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
- V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 750.000,- € festgesetzt.
- G r ü n d e :
- I.
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Patents DE 103 62 AAA B3 (nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung sowie Feststellung der Schadenersatz- und Entschädigungspflicht dem Grunde nach in Anspruch.
- Das in Kraft stehende Klagepatent ist als Teilanmeldung aus der am 23. April 2003 eingereichten und am 11. November 2004 offengelegten Stammanmeldung DE 103 18 AAB (nachfolgend: Stammanmeldung) hervorgegangen. Die Teilanmeldung wurde am 4. Dezember 2014 eingereicht; die Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Klagepatents erfolgte am 11. Februar 2016.
- Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „B“. Sein hier streitgegenständlicher Patentanspruch 1 ist folgt gefasst:
- „Ein an einem Antriebsritzel (1) einer Antriebskette anbringbar ausgestalteter Schutzmantel (3), der dort die Antriebskette (2) umschließen und so vor Verschmutzung schützen kann, wobei entlang des Schutzmantels (3) in seinem Querschnitt eine Öffnung (6) so angelegt und dimensioniert ist, dass das Antriebsritzel (1) durch sie in das Innere des Schutzmantels (3) hindurchpasst, dadurch gekennzeichnet, dass gleichzeitig der Schutzmantel (3) sich aufgrund seiner Querschnittsform an der Antriebskette (2) und am Antriebsritzel (1) halten und zentrieren kann und, dass der Schutzmantel (3) mittels einer Haltevorrichtung am Fahrradrahmen gesichert ist.“
- Hinsichtlich der Formulierung der lediglich im Wege von „insbesondere, wenn“-Anträgen geltend gemachten Unteransprüche 2 bis 5 wird auf die Klagepatentschrift Bezug genommen.
- Die nachfolgend verkleinert wiedergegebenen Figuren 1 und 4 der Klagepatentschrift erläutern die Erfindung anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele. Bei Figur 1 handelt es sich um eine schematische Seitendarstellung eines erfindungsgemäßen Schutzes an einem Antriebsritzel (1) mit einer Antriebskette (2), die der Schutzmantel (3) umschließt.
- Figur 4 zeigt das Antriebsritzel (1) mit der Antriebskette (2) und dem Schutzmantel (3) in einer Perspektivansicht.
- Die Klägerin ist auf dem Gebiet der Herstellung und des Handels mit Fahrradzubehörteilen tätig. Sie fertigt und vertreibt unter der Bezeichnung „C“ Schutzmäntel für eine Fahrradkette, die sich ohne Werkzeug montieren lassen und sich ohne weitere Halterungen selbstständig auf dem Antriebsritzel halten und zentrieren.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein auf den Großhandel mit Fahrrädern spezialisiertes niederländisches Unternehmen, das über seinen deutschsprachigen Online-Shop, einen „brand-store“ in D sowie über Händler in der Bundesrepublik Deutschland Fahrräder anbietet und vertreibt. Diese sind sämtlich mit einem Kettenschutz versehen, der auch einzeln als Ersatz- bzw. Zubehörteil erhältlich ist (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform). - Die Klägerin erwarb am 26. Juni 2014 ein Fahrrad der Beklagten, welches über einen streitgegenständlichen Kettenschutz verfügt. Zudem erwarb die Klägerin am 29. Juni 2016 einen streitgegenständlichen Kettenvollschutz zu Testzwecken. Die nachfolgend verkleinert eingeblendeten und der Klageschrift entnommenen Abbildungen wurden durch die Klägerin im Rahmen der Untersuchung des angegriffenen Kettenschutzes gefertigt, wobei auch die entsprechende Beschriftung von der Klägerin stammt.
- Die technische Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform lässt sich im Übrigen dem als Anlage K 15 vorgelegten Muster entnehmen.
- Die Klägerin sieht im Angebot und im Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland eine unmittelbare wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents. Sie nimmt die Beklagte daher wegen Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf sowie auf Feststellung der Schadenersatz- und Entschädigungspflicht dem Grunde nach in Anspruch.
- Die Beklagte, die um Klageabweisung gebeten hat, hat erstinstanzlich eine Verletzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform in Abrede gestellt.
- Mit Urteil vom 7. September 2017 hat das Landgericht Düsseldorf eine Patentverletzung verneint und die Klage abgewiesen.
- Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
- Das Klagepatent setze einen Schutzmantel voraus, der jedenfalls an einem der beiden (Abtriebs- oder Antriebs-) Ritzel einer Fahrradkette angebracht werden könne, um diese vor Verschmutzung zu schützen. Nicht erforderlich sei demgegenüber, dass der Schutzmantel allein an dem oder den Ritzel(n) angebracht sei. Die angegriffene Ausführungsform werde zwar primär dadurch befestigt, dass sie mit ihrem Haltering, der sich am vorderen Ende des Kettenschutzes befinde, auf eine Metallhülse aufgeschoben werde, wobei die Hülse ihrerseits am Tretlager des Fahrrades befestigt sei. Darauf, dass der Kettenschutz auch an einem anderen Punkt – hier am Tretlager – befestigt werde, komme es dem Klagepatent jedoch nicht an. Entscheidend sei nur, dass auch eine Befestigung am Antriebsritzel vorliege. Insoweit habe die Klägerin von der Beklagten unwidersprochen vorgetragen, dass der Spalt, durch den das Antriebsritzel hindurchgreife, bei der angegriffenen Ausführungsform an einigen Stellen schmaler als die Materialstärke des Kettenblattes sei. Dies habe zur Folge, dass die Ränder des Spalts mit dem Antriebsritzel in Kontakt kämen und insoweit der Kettenschutz auch am Antriebsritzel befestigt werde.
- Allerdings könne sich der Schutzmantel bei der angegriffenen Ausführungsform nicht aufgrund seiner Querschnittsform gleichzeitig an der Antriebskette und am Antriebsritzel halten und zentrieren. Klagepatentgemäß komme es nicht nur darauf an, dass der Schutzmantel, der die Antriebskette und jedenfalls teilweise auch das Antriebsritzel umgebe, von diesen beiden Komponenten gehalten, das heißt gegen ein Verrutschen gesichert werde. Vielmehr werde dieser zugleich auch zentriert, also in einer geometrisch zur Kette und dem Ritzel bestimmten axialen und koaxialen Position fixiert. Die Fixierung diene dem Zweck, der Kette einen möglichst leichten, widerstandsarmen Lauf durch den Schutzmantel zu ermöglichen. Das Klagepatent setze daher voraus, dass der Schutzmantel sowohl am Antriebsritzel als auch an zumindest einem Punkt an der Antriebskette anliege. Offengelassen sei demgegenüber, welche der beiden Komponenten für ein Halten und/oder ein Zentrieren sorge. Entscheidend sei, dass der Schutzmantel durch ein Zusammenspiel von Kette und Ritzel gehalten und zentriert werde und nicht, dass beide Komponenten jeweils den Schutzmantel halten und zentrieren.
- Die durch das Klagepatent beanspruchte technische Lehre setze weiter voraus, dass der Schutzmantel im Bereich desjenigen Antriebsritzels in Kontakt mit der Kette komme, das auch die Funktion des Haltens und/oder Zentrierens übernehme. Nicht ausreichend sei es, wenn der Schutzmantel vom vorderen Antriebsritzel (mit-) gehalten werde, aber ein Kontakt zur Kette erst in einem anderen Bereich des Schutzmantels bestehe, etwa im Bereich zwischen den beiden Ritzeln oder am hinteren Ritzel. Die angegriffene Ausführungsform verfüge zwar über einen Spalt für das vordere Antriebsritzel, der jedenfalls an einigen Stellen dünner als die Materialstärke des Ritzels sei. Insoweit würden die Ränder des Spalts bündig an diesem Ritzel anliegen und der Schutzmantel werde fixiert. Diese Ausgestaltung führe zugleich dazu, dass der Schutzmantel vom Antriebsritzel auch mitgehalten werde. Jedoch werde die angegriffene Ausführungsform nicht im Bereich des vorderen Antriebsritzels auch von der Antriebskette gehalten und/oder fixiert. Vielmehr bestehe in diesem Bereich bei der angegriffenen Ausführungsform überhaupt kein Kontakt zwischen Schutzmantel und Antriebskette. Denn der angegriffene Schutzmantel liege – von den Parteien insoweit übereinstimmend vorgetragen und in der mündlichen Verhandlung anhand des zu Testzwecken von der Klägerin erworbenen Fahrrads der Beklagten demonstriert – nur zu einem kleinen Teil und nur im Bereich des hinteren Antriebsritzels mit einem Gummistück auf der Antriebskette auf. Ein solches Aufliegen außerhalb des von Anspruch 1 umfassten Bereichs des Schutzmantels sei jedoch unbeachtlich. Soweit die Klägerin behaupte, der angegriffene Kettenschutz stütze sich auch im Bereich des vorderen Antriebsritzels auf der Kette ab, sei dies der insoweit in Bezug genommenen Abbildung 18 aus der Klageschrift so nicht zu entnehmen. Vielmehr sei auf dieser Abbildung, die einen mit einer Hälfte montierten Kettenschutz zeige, zu sehen, dass zwischen der Antriebskette und den Wänden des Kettenschutzes überall ein – wenn auch geringer – Abstand bestehe. Gegen ein Aufliegen des Schutzmantels auf der Antriebskette am bzw. um das vordere Antriebsritzel spreche auch, dass die angegriffene Ausführungsform – wie den als Anlagen K 15 bzw. B 3 zur Akte gereichten Schutzmänteln zu entnehmen sei – im Inneren über scharfkantige Vorsprünge verfüge, die bei einem Kontakt mit der Antriebskette diese beschädigen könnten.
- Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten am 7. September 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2017 Berufung eingelegt, mit der sie ihr vor dem Landgericht erfolglos gebliebenes Begehren auf eine Verurteilung der Beklagten weiterverfolgt.
- Sie wiederholt und ergänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht geltend:
- Das Landgericht lege Patentanspruch 1 unter seinem technischen Wortsinn aus, wenn es fordere, dass das Halten bzw. Zentrieren an der Antriebskette immer im Bereich des Antriebsritzels zu erfolgen habe. Patentanspruch 1 lege sich nicht darauf fest, wo das Halten bzw. Zentrieren an der Antriebskette zu erfolgen habe. Maßgeblich sei, dass es dort erfolge, wo nach der technischen Lehre noch ein „Schutzmantel“ vorliege. Klagepatentgemäß könne sich der Schutzmantel auch außerhalb des Bereichs des Antriebsritzels befinden bzw. sich dorthin erstrecken. Das Klagepatent enthalte keine Vorgaben bzw. Einschränkungen, wonach ein patentgemäßer Schutzmantel nur auf den Bereich des bzw. eines Antriebsritzels beschränkt sei. Ebenso wenig entnehme der Fachmann Patentanspruch 1 hinsichtlich der Halterung bzw. des Zentrierens an der Antriebskette eine räumliche Vorgabe. Erstrecke sich der Schutzmantel außerhalb des Bereichs des Antriebsritzels, könne auch dort das Halten bzw. Zentrieren erfolgen. Technisch-funktional sei eine Halterung bzw. Zentrierung im Bereich des Antriebsritzels bei einem sich über das Antriebsritzel hinaus erstreckenden Schutzmantel nicht erforderlich. Ausreichend, aber auch erforderlich sei lediglich, dass sich der Schutzmantel aufgrund seiner Querschnittsform an der Antriebskette halten und zentrieren könne, unabhängig davon, wo dies an der Antriebskette erfolge. Von Patentanspruch 1 sei daher auch eine Gestaltung erfasst, bei der das Halten bzw. Zentrieren an der Antriebskette in einem Bereich erfolge, in dem sich das Antriebsritzel nicht befinde.
- Die Klägerin beantragt,
- I. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 7. September 2017, Az.: 4c O 51/16, die Beklagte zu verurteilen,
- 1. es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihren Geschäftsführern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
- einen an einem Antriebsritzel einer Antriebskette anbringbar ausgestalteten Schutzmantel,
- der dort die Antriebskette umschließen und so vor Verschmutzung schützen kann,
- wobei entlang des Schutzmantels in seinem Querschnitt eine Öffnung so angelegt und dimensioniert ist, dass das Antriebsritzel durch sie in das Innere des Schutzmantels hindurch passt,
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen und/oder zu besitzen, bei dem
- gleichzeitig der Schutzmantel sich aufgrund seiner Querschnittsform an der Antriebskette und am Antriebsritzel halten und zentrieren kann und
- der Schutzmantel mittels einer Haltevorrichtung am Fahrradrahmen gesichert ist,
- 2. der Klägerin (auch elektronisch) darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 11. Februar 2016 begangen hat, und zwar unter Angabe,
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
- b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
- wobei
- zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 3. der Klägerin (auch elektronisch) darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 4.Januar 2015 begangen hat, und zwar unter Angabe,
- a) der einzelnen Lieferungen durch die Beklagte und Dritte, die Internetseiten für die Beklagte betreiben, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, Typenbezeichnungen sowie Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
- b) der einzelnen Angebote durch die Beklagte und Dritte, die für die Beklagte Internetseiten betreiben, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
- c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei diese Angaben nur für die Zeit nach dem 11. März 2016 zu machen sind;
- 4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer I.1 bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
- 5. die unter Ziffer I.1 bezeichneten, nach dem 11. Februar 2016 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten, sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
- II. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 7. September 2017, Az.: 4c O 51/16, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,1. der Klägerin für die in Ziffer I.1 bezeichneten, in der Zeit vom 4. Januar 2015 bis zum 10. März 2016 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen und
- 2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die Ziffer I.1 bezeichneten ab dem 11. März 2016 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- Hinsichtlich der Formulierung der auf die Unteransprüche 2 bis 5 gestützten „insbesondere, wenn“-Anträge wird auf die Berufungsbegründung vom 7. Dezember 2017 Bezug genommen.
- Die Beklagte beantragt,
- die Berufung zurückzuweisen.
- Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Klägerin unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen.
- Unter Berücksichtigung sämtlicher Merkmale von Patentanspruch 1 sei klar, dass sowohl das Halten als auch das Zentrieren im Bereich des(selben) Antriebsritzels erfolgen müsse. Nur so sei eine widerspruchsfreie Anspruchsauslegung möglich. So solle der Schutzmantel an einem Antriebsritzel einer Antriebskette anbringbar sein und dort, also im Bereich des Antriebsritzels, die Antriebskette umschließen und so vor Verschmutzungen schützen. Der dort platzierte Schutzmantel müsse sich auf Grund seiner Querschnittsform an der Antriebskette und dem Antriebsritzel halten und zentrieren können. Da Patentanspruch 1 nur einen Schutzmantel kenne, sei klar, dass sich die örtliche Vorgabe („im Bereich des Antriebsritzels“) auch auf das Halten und Zentrieren beziehe. Die Erfindung betreffe einen „schwimmenden Schutzmantel“, weshalb sich der Kettenschutzmantel aufgrund seiner Querschnittsform gleichzeitig an der Antriebskette und am Antriebsritzel halten und zentrieren können müsse. Hierfür sei die Querschnittsform der Schlüssel, weshalb die Innenseite des Schutzmantels Kontakt mit der Kette und dem Antriebsritze habe und deshalb darauf „schwimme“. Soweit der Schutzmantel darüber hinaus mittels einer Haltevorrichtung am Fahrradrahmen gesichert sei, halte die Haltevorrichtung den Schutzmantel gegen die Laufrichtung der Kette zurück und verhindere dadurch, dass der Schutzmantel von der Antriebskette und dem Antriebsritzel in Laufrichtung mitgerissen werde.
- Davon ausgehend mache die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Im Bereich des vorderen Antriebsritzels sorge der mit Speichen versehene Ring für das Halten und Zentrieren des Schutzmantels. In diesem Bereich liege der Schutzmantel unstreitig nicht auf der Kette auf. Der einzige Kontakt des angegriffenen Kettenschutzes (nicht des Schutzmantels) finde durch die metallene Spange am hinteren Antriebsritzel des Fahrrads statt. Die Spange sei ein Blechteil mit einer Auflagefläche bestehend aus einem Kunststoffeinsatz aus einem reibungsarmen Material. Bei dieser Spange handele es sich jedoch um keinen patentgemäßen Teil des Schutzmantels. Die metallene Spange umschließe die Antriebskette nicht, insbesondere nicht aufgrund ihrer Querschnittsform. Sie sei nicht geeignet, die Antriebskette vor Verschmutzung zu schützen, wobei von einer Umschließung auch keine Rede sein könne. Auch sei die Querschnittsform der Spange ungeeignet, um sie an Antriebskette und Antriebsritzel zu halten und zu zentrieren. Ohne Verbindung zum Schutzmantel würde die Spange schlicht abfallen. Ein gleichzeitiges Halten und Zentrieren allein aufgrund der Querschnittsform könne so nicht erreicht werden.
- Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.
- Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
- II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht eine Verletzung des Klagepatents verneint und die Klage vor diesem Hintergrund abgewiesen. Da die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch macht, stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung sowie auf Schadenersatz und Entschädigung aus
§§ 33 Abs. 1 PatG, 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG i.V.m. §§ 242, 259 BGB nicht zu. - 1.
Das Klagepatent betrifft einen an einem Antriebsritzel der Antriebskette anbringbar ausgestalteten Schutzmantel. - Wie der Fachmann den einleitenden Bemerkungen der Klagepatentbeschreibung entnimmt, ist die ungeschützte Antriebskette eines Fahrrades während der Fahrt besonders stark einer Verschmutzung ausgesetzt. Der von den Laufrädern hochgeschleudderte Fahrbahnschmutz haftet an der gefetteten und geölten Oberfläche der Kettenglieder, mischt sich dort mit dem Öl oder Fett zu einer Art feiner schwarzer Schmirgelpaste und wird schließlich von den Zähnen der Antriebsritzel in die Gelenke der Kettenglieder getrieben. Dort schmirgelt dieser Schmutz die Gelenke derart, dass die Lebensdauer der Antriebskette drastisch verkürzt wird (Abs. [0002]).
- Anders als Kettenschaltungen ändern die Antriebsketten bei Nabenschaltungen ihre Kettenlinie beim Gangwechsel nicht, sie verbleiben mithin immer auf denselben Antriebsritzeln. Daher lassen sich diese mit Hilfe eines Kettenschutzes wirksam vor Verschmutzung schützen, wobei derartige Kettenschütze bereits in unterschiedlichen Ausführungen zu finden sind (Abs. [0003]).
- Aus der DE 76 25 AAC U1 ist ein mit einem festen Gehäuse versehener Kettenschutz für einen aus einer Kette und Zahnrädern bestehenden Antrieb bekannt, wobei das Gehäuse einen der Kettenabschnitte und wenigstens ein Zahnrad umgibt.
- Ferner weist der Kettenschutz ein Schutzrohr für einen zweiten Abschnitt der Kette auf, wobei das Schutzrohr schwenkbar an dem Gehäuse an der Stelle angebracht ist, an der die Kette vom Zahnrad abläuft. Das Schutzrohr kann somit den Schaltbewegungen der Kette folgen (Abs. [0004]).
- Eine weitere Möglichkeit, die Kette zu schützen, ist aus der DE 285 AAD A, der CH 179 AAD A, der GB 501 AAE A sowie der US 612 AAF A bekannt, die jeweils einen flexiblen Kettenschutz zeigen, der fest auf der Kette angebracht wird und mit dieser umläuft (Abs. [0005]). Die technische Gestaltung eines solchen Kettenschutzes verdeutlicht die nachfolgend verkleinert eingeblendete, der DE 285 AAD A entnommene Abbildung.
- Die modernsten, im Stand der Technik bekannten Kettenschütze verfügen über zwei Verkleidungen, einmal um das Kettenblatt des Tretlagers („Antriebsritzel“) und einmal um das Antriebsritzel des hinteren Laufrades. Sie bestehen jeweils aus zwei Gehäusehälften, die zusammenmontiert die zu schützenden Bereiche der Antriebsritzel zwischen sich umschließen. Die zwei Verkleidungen sind mit zwei Schutzrohren verbunden, in denen die Antriebskette von Antriebsritzel zu Antriebsritzel geführt und geschützt wird. Eine solche Verkleidung ist jedoch mit einer Reihe von Nachteilen verbunden: Sie erfordert eine aufwendige und teure Konstruktion, hat einen hohen Montageaufwand und muss mittels einer Haltevorrichtung gesondert am Fahrradrahmen getragen werden. Abgesehen davon wirkt sich das relativ hohe Gewicht einer solchen Konstruktion negativ auf das Gesamtgewicht des Fahrrades aus. Außerdem ist eine solche Verkleidung von der Seite, wo der Fuß des Radfahrers arbeitet, schlagempfindlich, was sich gerade beim vorderen Antriebsritzel negativ auswirken kann. Ein Schlag aus dieser Richtung kann die Haltevorrichtung so verbiegen, dass die Verkleidung dann gegen die Antriebskette anliegt und so den Betrieb stört (Abs. [0006] f.).
- Vor dem geschilderten Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe zugrunde, einen wirksamen, unaufwendigen und leichten Schutz der Antriebskette am Antriebsritzel zu schaffen.
- Zur Lösung dieser Problemstellung sieht Patentanspruch 1 eine Kombination der folgenden Merkmale vor:
- 1. Schutzmantel (3).
- 2. Der Schutzmantel (3) ist
- 2.1. an einem Antriebsritzel (1) einer Antriebskette anbringbar ausgestaltet;
- 2.2. mittels einer Haltevorrichtung am Fahrradrahmen gesichert.
- 3. Entlang des Schutzmantels (3) ist eine Öffnung (6) so angelegt und dimensioniert, dass das Antriebsritzel (1) durch sie in das Innere des Schutzmantels (3) hindurchpasst.
- 4. Der Schutzmantel (3) kann
- 4.1. dort [am Antriebsritzel] die Antriebskette (2) umschließen und so vor Verschmutzung schützen;
- 4.2. gleichzeitig sich aufgrund seiner Querschnittsform an der Antriebskette (2) und am Antriebsritzel (1) halten und zentrieren.
- 2.
Zu Recht ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Schutzmantel bei der angegriffenen Ausführungsform nicht wie von Merkmal 4.2. gefordert aufgrund seiner Querschnittsform gleichzeitig an der Antriebskette (2) und dem Antriebsritzel (1) halten und zentrieren kann. Davon ausgehend hat das Landgericht zutreffend eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents (§ 9 Nr. 1 PatG) verneint und die Klage folgerichtig abgewiesen. - a)
Der erfindungsgemäße Schutzmantel zeichnet sich dadurch aus, dass er anders als im Stand der Technik nicht mehr mittels einer Haltevorrichtung am Fahrradrahmen getragen wird (vgl. Abs. [0006] f.). Die Funktion des Haltens wird vielmehr nunmehr durch den Schutzmantel selbst übernommen, der sich aufgrund seiner Querschnittsform an der Antriebskette (2) und dem Antriebsritzel (1) halten (und zentrieren) kann (Abs. [0010]; [0014]). Soweit anspruchsgemäß auch weiterhin eine Haltevorrichtung vorgesehen ist, dient diese lediglich der Sicherung des Schutzmantels am Fahrradrahmen. Die weder in den Patentansprüchen noch in der Klagepatentbeschreibung näher erläuterte Haltevorrichtung soll demnach insbesondere verhindern, dass der Schutzmantel vom Fahrrad abfällt oder zu sehr von der Antriebskette und/oder dem Antriebsritzel mitbewegt wird. - Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt es der streitgegenständliche Patentanspruch nicht in das Belieben des Fachmanns, wo genau der Schutzmantel an der Antriebskette gehalten und/oder zentriert wird. Vielmehr entnimmt der Fachmann Patentanspruch 1 insoweit konkrete räumliche Vorgaben. Der Schutzmantel soll
- – an einem Antriebsritzel (1) einer Antriebskette anbringbar ausgestaltet sein,
- – dort (also an dem Antriebsritzel) in der Lage sein, die Antriebskette (2) zu umschließen und so vor Verschmutzung zu schützen und
- – sich gleichzeitig aufgrund seiner Querschnittsform an der Antriebskette (2) und am Antriebsritzel (1) halten und zentrieren können.
- Bereits aus dem Anspruchswortlaut geht somit klar hervor, wo genau das Halten und Zentrieren erfolgen soll, nämlich im Bereich des Antriebsritzels (1), an dem der Schutzmantel anbringbar ist. Denn genau dort soll der Schutzmantel die Kette zum Schutz vor Verschmutzungen umschließen und sich gleichzeitig aufgrund seiner Querschnittsform an der Antriebskette (2) und am Antriebsritzel (1) halten und zentrieren können. Zu Recht ist das Landgericht daher davon ausgegangen, dass sämtliche, dem Schutzmantel in Patentanspruch 1 zugewiesenen Funktionen im Bereich des Antriebsritzels (und nicht irgendwo entlang der Antriebskette) verwirklicht sein müssen. Auch wenn Patentanspruch 1 den Begriff des „Antriebsritzels“ nicht näher konkretisiert, stellt das Klagepatent in Abs. [0006] ausdrücklich klar, dass es sich hierbei – in Abgrenzung zum Antriebsritzel des hinteren Laufrades – um das Kettenblatt des Tretlagers handeln soll.
- Während sich Patentanspruch 1 mit einem Schutzmantel begnügt, der nur eines der beiden Antriebsritzel (das vordere oder das hintere) in dem beschriebenen Maße umschließt (und so vor Verschmutzung schützt), stellen die Unteransprüche bevorzugte Ausführungsformen unter Schutz, bei denen sich der Schutzmantel über den Bereich des betreffenden – einen – Antriebsritzels hinaus fortsetzt.
- – Unteranspruch 2 befasst sich zunächst mit einer Variante, bei der sich der Schutzmantel über den Bereich des Antriebsritzels hinaus entlang der Kettenlinie (also horizontal) fortsetzt.- Unteranspruch 3 hat eine Ausführungsform zum Gegenstand, bei der gleichzeitig beide Antriebsritzel mit einem Schutzmantel versehen sind (sog. Kettenvollschutz; vgl. Abs. [0011]). Die jeweiligen Schutzmäntel können sich dabei auf den Bereich der Antriebsritzel beschränken (Rückbezug auf Anspruch 1), sie können sich jenseits des Antriebsritzels aber auch entlang der Kettenlinie fortsetzen (Rückbezug auf Anspruch 2).
- – Unteranspruch 4 schließlich betrifft eine Ausstattungsvariante, bei der beide Antriebsritzel mit einem Schutzmantel ausgestattet sind (Kettenvollschutz) und darüber hinaus ein Schutzmantel auch entlang der Kettenlinie zwischen den Antriebsritzeln vorhanden ist, wobei der letztgenannte Schutzmantel geschlossen ausgeführt, d.h. nicht mit einer seitlichen Öffnung versehen ist (vgl. Abs. [0010]).
- b)
Nimmt man zunächst die Mindestausstattung des Schutzmantels in den Blick, wie sie Gegenstand von Patentanspruch 1 ist, so existiert ein Schutzmantel überhaupt nur entlang desjenigen Teils der Antriebskette, die auf dem (mit einem Schutzmantel ausgestatteten) Antriebsritzel läuft. Da es erfindungsgemäß die Querschnittsform des – nicht über das Antriebsritzel hinausreichenden – Schutzmantels ist, die den Schutzmantel an der Antriebskette und am Antriebsritzel hält und zentriert, stellt sich die Frage, welche konkreten konstruktiven Erfordernisse aus der Sicht des Durchschnittsfachmanns mit den besagten Funktionen des Haltens und Zentrierens verbunden sind.
Zweifellos ist mehr gefordert als eine bloß gehäuseartige Aufnahme von Ritzel und Kette im Inneren des Schutzmantels, die sich schon aus der anderweitigen Forderung von Patentanspruch 1 ergibt, dass der Schutzmantel die Antriebskette und das Antriebsritzel zu umschließen und auf diese Weise vor Verschmutzung zu schützen hat. Über den Verschmutzungsschutz hinaus muss der Schutzmantel am Antriebsritzel und an der Antriebskette halten, womit ersichtlich gemeint ist, dass er sich im Betrieb des Fahrrades nicht radial von Ritzel und Kette lösen (abheben) darf, und der Schutzmantel muss sich darüber hinaus gegenüber dem Ritzel und der Kette zentrieren, womit gemeint ist, dass er sich im Betrieb des Fahrrades radial (d.h. in Umfangsrichtung) und koaxial (d.h. parallel zur Welle des Antriebsritzels) zu den besagten Bauteilen ausrichtet. Soweit für den Schutzmantel eine (weitere) Haltevorrichtung am Fahrradrahmen vorgeschrieben ist, dient diese ausdrücklich dazu, den – schon dank seiner Querschnittsform gehaltenen – Schutzmantel (zusätzlich) „zu sichern“. Merkmal 2.2 bestätigt von daher, dass die eigentliche Haltefunktion von dem Schutzmantel selbst – und nicht von der bloß sichernden Haltevorrichtung – zu leisten ist. Dem Durchschnittsfachmann ist hierbei einsichtig, dass die Haltefunktion vordringlich über ein Zusammenwirken des Schutzmantels mit der seitlich über die Kontur des Antriebsritzels überstehenden Antriebskette zu bewerkstelligen ist, weil das Antriebsritzel als solches typischerweise keine Formgestaltung aufweist, die dem Schutzmantel einen irgendwie haltenden An- oder Eingriff erlaubt, der ein radiales Abheben des Schutzmantels unterbinden könnte. - Beides – das Gehaltensein und das Zentrieren des Schutzmantels – ist erfindungsgemäß dadurch zu bewerkstelligen, dass der Schutzmantel eine für die besagten Wirkungen geeignete Querschnittsform besitzt. Als Formgebungsmaßnahme kommt insoweit praktisch nur eine zu den besagten Zielen führende Gestaltung der seitlichen Öffnung des Schutzmantels infrage. Ein anderer konstruktiver Ansatzpunkt wird weder in der Klagepatentschrift angesprochen noch von der Klägerin behauptet. Die Öffnung im Schutzmantel muss dementsprechend zweierlei leisten: Sie muss zunächst die auf dem Antriebsritzel laufenden Kettenglieder hintergreifen, womit gewährleistet ist, dass sich der Schutzmantel nicht radial von der Antriebskette lösen kann, und sie (die Öffnung im Schutzmantel) muss des Weiteren in einer derartigen Beziehung zum Antriebsritzel stehen, dass sich der Schutzmantel im drehenden Betrieb des Ritzels selbst zentrieren kann. Ob das Hintergreifen einen permanenten Berührkontakt zwischen Schutzmantel und Antriebskette verlangt, wie er sich aus Figur 2 der Klagepatentschrift ergibt, braucht nicht abschließend entschieden zu werden. In jedem Fall müssen die hintergreifenden Abschnitte des Schutzmantels so dicht bei der Antriebskette positioniert sein, dass sich der Schutzmantel nicht nennenswert von der Antriebskette abheben kann. Das gleiche gilt mit Blick auf die Zentrierfunktion. Ein etwaiger Abstand zwischen dem Öffnungsbereich im Schutzmantel und dem Ritzel/der Kette darf allenfalls so (gering) bemessen sein, dass es im Gebrauch des Fahrrades zu einer zentrierenden Berührung und dadurch bedingt zu einer radialen und koaxialen Ausrichtung des Schutzmantels kommen kann.
- Der Beschreibungstext, der sich – mangels einer allgemeinen Patentbeschreibung – zwar formal lediglich mit Ausführungsbeispielen der Erfindung befasst, an den nachfolgend zitierten Textstellen jedoch allgemein die betrachteten Merkmale des Patentanspruchs 1 erläutert, bestätigt dieses Verständnis:
- Abs. [0009] a.E. bis [0010]:
Entlang des Schutzmantels (2) … ist eine Öffnung (6), die so angelegt und dimensioniert ist, dass das Antriebsritzel (1) … in sie in das Innere des Schutzmantels (3) durchpasst und so dort die Antriebskette (2) aufnehmen kann. - Der Schutzmantel (3) schützt so die Antriebskette (2) rundherum am Antriebsritzel (1), während er sich selbst an der Antriebskette (2) und am Antriebsritzel (1) mittels seiner umschließenden Querschnittsform hält und zentriert.
- Abs. [0014]:
Die Erfindung ermöglicht einen wirksamen Kettenschutz mit niedrigem Konstruktionsaufwand und minimalem Gewicht. Sie zentriert sich selbst am Antriebsritzel und ist einfach zu montieren. - (Hervorhebungen hinzugefügt)
- Da es in der Grundausstattung des Patentanspruchs 1 anderswo überhaupt keinen Schutzmantel gibt, versteht es sich von selbst, dass die Halterung und Zentrierung mit Hilfe der Antriebskette in demjenigen Bereich des Schutzmantels stattfinden muss, der die auf dem Antriebsritzel laufende Antriebskette umgibt. Der Ort des Haltens und Zentrierens durch die Antriebskette ist mithin – notwendigerweise – das allein umschlossene Antriebsritzel.
- c)
In einer bevorzugten Ausführungsform, wie sie Gegenstand der auf den Hauptanspruch zurückbezogenen Unteransprüche 2 und 3 ist, liegt ein Kettenvollschutz vor, bei dem sich der Schutzmantel über beide Antriebsritzel sowie außerdem über die dazwischenliegenden Kettenlinien erstreckt. - Für einen derartigen Kettenvollschutz sieht Unteranspruch 5 vor, dass „sich der Schutzmantel (3) an der Antriebskette (2) und am Antriebsritzel (19) mittels seiner umschließenden Querschnittsform hält und zentriert.“
- Welche technische Lehre dem Durchschnittsfachmann hiermit gegeben wird, erschließt sich nicht ohne weiteres:
- – Zunächst wird das Verständnis schon dadurch erschwert, dass sich das Bezugszeichen (19) – außer im Unteranspruch 5 – nirgends in der Klagepatentschrift findet. Offenbar handelt es sich um ein Schreibversehen und muss es statt „(19)“ richtig „(1)“ heißen.
- – Wegen der deutlich größeren Abdeckung der Antriebskette durch den Schutzmantel, die nicht nur (wie bei Patentanspruch 1) über einen Teilumfang eines einzigen Antriebsritzels gegeben ist, stehen bei einem Kettenvollschutz außerhalb des einen Antriebsritzels weitere Bereiche des Schutzmantels zur Verfügung, denen eine Halte- und Zentrierfunktion überlassen werden könnte, nämlich den zum Teilumfangsbereich des zweiten Antriebsritzels sowie den zu den Kettenbereichen zwischen den Antriebsritzeln korrespondierenden Abschnitten des – komplett umlaufenden – Schutzmantels.
- Auf der anderen Seite ist Unteranspruch 5 – vermittelt durch die Unteransprüche 3 und 2 – auf Patentanspruch 1 zurückbezogen, womit sich auch für den Kettenvollschutz die grundlegende Anforderung des Hauptanspruchs ergibt, dass sich der Schutzmantel aufgrund seiner Querschnittsform an der Antriebskette und am Antriebsritzel halten und zentrieren können muss. Damit dem Kennzeichen von Unteranspruch 5 bei dieser Sachlage überhaupt eine sinnvolle Bedeutung zukommt, muss die dortige Formulierung (dass „sich der Schutzmantel (3) an der Antriebskette (2) und am Antriebsritzel (19) mittels seiner umschließenden Querschnittsform hält und zentriert“) notwendigerweise mehr besagen als dasjenige, was sich bereits aus dem Rückbezug des Unteranspruchs 5 auf Patentanspruch 1 ergibt. Sie hält den Durchschnittsfachmann bei technisch sinnvollem Verständnis dazu an, den haltenden und zentrierenden Kontakt des Schutzmantels mit der Antriebskette und dem Antriebsritzel bei einem Kettenvollschutz auf das (vordere) Antriebsritzel und die beiden Kettenlinien bis zum zweiten (hinteren) Ritzel auszudehnen, so dass sich Halte- und Zentrierkräfte nicht nur in dem von Patentanspruch 1 in den Blick genommenen Teilbereich, sondern über eine deutlich größere Erstreckung ergeben.
- d)
Ein solches Verständnis zugrundegelegt macht die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Ihre Querschnittsform ist nicht dazu geeignet, den Schutzmantel an der Antriebskette zu halten und zu zentrieren. - aa)
Soweit die Klägerin zur Begründung ihrer Klage zunächst maßgeblich darauf abgestellt hat, der Schutzmantel stütze sich am unteren und oberen Kettentrum (und damit im Bereich des Tretlagers) auf der Antriebskette ab, wodurch er sich aufgrund seiner Querschnittsform in Umfangsrichtung selbst halte und zentriere, hat das Landgericht ein solches Abstützen an dem durch die Klägerin zu Testzwecken erworbenen Fahrrad in der mündlichen Verhandlung nicht feststellen können. Nach den Feststellungen des Landgerichts besteht in diesem Bereich bei der angegriffenen Ausführungsform überhaupt kein Kontakt zwischen Schutzmantel und Kette (vgl. Urteil des Landgerichts, S. 20, letzter Absatz). Die besagten Abschnitte halten vielmehr einen deutlichen Abstand zu der Antriebskette, wobei nicht einmal ersichtlich ist, ob es wegen der sichernden Haltevorrichtung im Bereich der vorderen Tretlagerhülse im Betrieb jemals zu einem Berührkontakt zwischen den hintergreifenden Fortsätzen und der Antriebskette kommen kann. Von daher lässt sich auch nicht feststellen, dass sich der Schutzmantel im Bereich des vorderen Ritzels und/oder der beiden Kettenlinien an der Antriebskette hält und durch diese zentriert wird. - Die den (fehlenden) Kontakt zwischen Schutzmantel und Kette im Bereich des vorderen Ritzels betreffenden tatrichterlichen Feststellungen des Landgerichts hat die Klägerin im Berufungsverfahren nicht angegriffen. Diese sind deshalb gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auch im Rechtsmittelverfahren zugrunde zu legen. Im Übrigen decken sich die Feststellungen des Landgerichts auch mit der in der Klageschrift enthaltenen und nachfolgend eingeblendeten Abbildung 18, welche einen entsprechenden Kontakt trotz der anderslautenden Beschriftung durch die Klägerin nicht erkennen lässt.
- bb)
Die U-förmigen Gummieinsätze im Bereich des hinteren Ritzels, auf welche die Klägerin selbst maßgeblich abstellt, sind demgegenüber von vornherein belanglos. Sie weisen (wegen ihrer U-Form) keine nach innen gerichteten Fortsätze auf, die es dem Schutzmantel erlauben würden, sich an der Antriebskette festzuhalten. Selbst wenn es sich – zu Gunsten der Klägerin unterstellt – bei den zwei miteinander verschraubten Abdeckungen um einen Bestandteil eines Kettenvollschutzes handelt, fehlt es damit im Bereich des hinteren Ritzels an den durch Patentanspruch 1 geforderten Zusammenhängen. Denn ein am hinteren Antriebsritzel anbringbarer Schutzmantel, der dort die Antriebskette umschließen und so vor Verschmutzung schützen und gleichzeitig aufgrund seiner Querschnittsform an der Antriebskette und dem (hinteren) Antriebsritzel gehalten und zentriert werden kann, findet sich bei der angegriffenen Ausführungsform gerade nicht. - cc)
Bei der gegebenen Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform kann aber sogar unterstellt werden, dass die von der Klägerin verfochtene Patentauslegung zutrifft, wonach bei einem Kettenvollschutz das Halten und Zentrieren irgendwo, auch an voneinander verschiedenen Orten stattfinden kann. Denn selbst solchen Anforderungen genügt der Kettenschutz der Beklagten nicht. Dort, wo ein Berührkontakt möglich sein mag (sic.: im Bereich der Gummieinsätze), fehlt es an einer Konstruktion, die den Schutzmantel halten könnte, dort, wo eine entsprechende Formgebung vorliegt, hält der Schutzmantel einen derart großen Abstand zur Kette, dass ein Halten nicht ersichtlich ist. - III.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
- Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
- Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür ersichtlich nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).