Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2730
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 14. Dezember 2017, Az. 4a O 78/16
- 1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf und an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
- eine Stimulationsvorrichtung für die Klitoris
- aufweisend eine Druckfelderzeugungseinrichtung mit einer ersten Kammer und einer zweiten Kammer mit einer Öffnung zum Aufsetzen über die Klitoris und einem Verbindungselement, welches die erste Kammer mit der zweiten Kammer verbindet, und einer Antriebseinheit, welche das Volumen der ersten Kammer derart verändert, dass über das Verbindungselement in der zweiten Kammer ein stimulierendes Druckfeld erzeugt wird,
- und eine Steuereinrichtung, welche die Antriebseinheit ansteuert, wobei das in der zweiten Kammer erzeugte Druckfeld aus einem Muster von Unter- und Überdrücken besteht, welche auf den Normaldruck aufmoduliert sind, und wobei die erste Kammer über das Verbindungselement ausschließlich mit der zweiten Kammer verbunden
ist, somit keine andere Verbindung der ersten Kammer als diejenige zur
zweiten Kammer besteht, womit die erste Kammer eine einzige Öffnung
aufweist, und wobei die zweite Kammer eine Öffnung von dem Verbindungselement in die zweite Kammer aufweist, und wobei die Stimulationsvorrichtung keine Ventile aufweist, - und wobei die Stimulationsvorrichtung ein tragbares Handgerät mit einer Batterie ist, wobei das Verbindungselement starr ist, und als ein gerader Kanal mit Düsenwirkung ausgestaltet ist, dessen Öffnung in die ersten Kammer und dessen Öffnung in die zweite Kammer zueinander ausgerichtet sind, so dass eine Medienströmung bei Kompression der ersten Kammer durch die Ausrichtung der Öffnung und des Verbindungselements auf die Klitoris gerichtet ist, wobei die Öffnung des Verbindungselements der Klitoris durch die zweite Kammer hindurch gegenüberliegt,
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen oder in der Bundesrepublik Deutschland zu besitzen.
- 2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dazu verpflichtet ist, der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen, der dieser durch seit dem 18. Februar 2016 begangene Handlungen gemäß Ziffer 1. entstanden ist und noch entstehen wird.
- 3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses über Herkunft und Vertriebsweg von Stimulationsvorrichtungen gemäß Ziffer 1. sowie darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie Handlungen gemäß Ziffer 1. seit dem 18. Februar 2016 begangen hat, durch Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Stimulationsvorrichtungen,
- b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer der Stimulationsvorrichtungen und der Verkaufsstellen, für die die Stimulationsvorrichtungen bestimmt waren,
- c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen und bestellten Stimulationsvorrichtungen sowie der Preise, die für diese bezahlt wurden,
- d) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
- e) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
- f) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet und
- g) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten sowie des erzielten Gewinns,
- wobei
- – der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Mitteilung enthalten ist,
- – die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu a), b) und c) Kopien entsprechender Belege, nämlich Rechnungen, hilfsweise Auftragsbestätigungen, Lieferscheine oder Zollpapiere, vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.
- 4. Die Beklagte wird verurteilt, die vorstehend zu Ziffer 1. bezeichneten, seit dem 18.02.2016 im Besitz gewerblicher Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird und die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
- 5. Die Beklagte wird verurteilt, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, zu Ziffer 1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben oder die Erzeugnisse selbst zu vernichten.
- 6. Die Kosten des Rechtstreits trägt die Beklagte.
- 7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 2.500.000,00.
- T a t b e s t a n d
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen behaupteter Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf patentverletzender Vorrichtungen sowie auf Feststellung, dass die Beklagte zum Leisten von Schadensersatz verpflichtet ist, in Anspruch.
- Die Klägerin ist die im Register des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragene Inhaberin des deutschen Patents DE 10 2013 110 XXX B4 mit dem Titel „Stimulationsvorrichtung“ (nachfolgend: Klagepatent, vorgelegt in Anlage K1). Das Klagepatent wurde am 23.09.2013 angemeldet. Die Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents erfolgte am 18.02.2016.
- Das Klagepatent steht in Kraft. Gegen dessen Erteilung sind von der A GmbH (vgl. Anlage B5) und B GmbH (vgl. Anlage B6) Einsprüche eingereicht worden, über die noch nicht entschieden worden ist. Die Beklagte hat sich mit Bemerkungen (vgl. Anlage B7) am Einspruchsverfahren beteiligt.
- Der geltend gemachte Anspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:
- „Stimulationsvorrichtung (1) für die Klitoris (12),
- aufweisend: eine Druckfelderzeugungseinrichtung (2) mit: einer ersten Kammer (3); und einer zweiten Kammer (4) mit einer Öffnung (42) zum Aufsetzen über die Klitoris (12); und einem Verbindungselement (5), welches die erste Kammer (3) mit der zweiten Kammer (4) verbindet; und einer Antriebseinheit (6), welche das Volumen der ersten Kammer (3) derart verändert, dass über das Verbindungselement (5) in der zweiten Kammer (4) ein stimulierendes Druckfeld erzeugt wird; und eine Steuereinrichtung (7), welche die Antriebseinheit (6) ansteuert; und wobei das in der zweiten Kammer (4) erzeugte Druckfeld aus einem Muster von Unter- und Überdrücken besteht, welche auf den Normaldruck aufmoduliert sind; und wobei die erste Kammer (3) über das Verbindungselement (5) ausschließlich mit der zweiten Kammer (4) verbunden ist, somit keine andere Verbindung der ersten Kammer (3) als diejenige zur zweiten Kammer (4) besteht, womit die erste Kammer (3) eine einzige Öffnung aufweist, und wobei die zweite Kammer (4) eine Öffnung (51) von dem Verbindungselement (5) in die zweite Kammer (4) aufweist, und wobei die Stimulationsvorrichtung (1) keine Ventile aufweist, und wobei die Stimulationsvorrichtung (1) ein tragbares Handgerät mit einer Batterie (76) ist,
- dadurch gekennzeichnet, dass das Verbindungselement (5) starr ist, und als ein gerader Kanal mit Düsenwirkung ausgestaltet ist, dessen Öffnung in die ersten Kammer (3) und dessen Öffnung (51) in die zweite Kammer (4) zueinander ausgerichtet sind, so dass eine Medienströmung bei Kompression der ersten Kammer (3) durch die Ausrichtung der Öffnung (51) und des Verbindungselements (5) auf die Klitoris (12) gerichtet ist, wobei die Öffnung (51) des Verbindungselements (5) der Klitoris (12) durch die zweite Kammer (4) hindurch gegenüberliegt.“
- Wegen der nur in Form von Insbesondere-Anträgen geltend gemachten Unteransprüche 2, 4 und 6 des Klagepatents wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
- Zur Veranschaulichung der beanspruchten Lehre werden nachfolgend die Fig. 3 – 6 des Klagepatents verkleinert eingeblendet:
- Fig. 3 zeigt nach Abs. [0051] der Beschreibung des Klagepatents einen Querschnitt durch die erfindungsgemäße Stimulationsvorrichtung der ersten Ausführungsform. Die Fig. 4 – 6 zeigen nach Abs. [0052] ff. einen Querschnitt durch eine Druckfelderzeugungseinrichtung eines ersten Aspekts der geschützten Lehre in einem ersten, zweiten und dritten Zustand. Der erste Zustand der Druckfelderzeugungseinrichtung 2 ist nach Abs. [0075] der Patentbeschreibung durch eine neutrale Auslenkung der ersten Kammer 3 gekennzeichnet. In der Figur ist der zu stimulierende Körperteil 11 erkennbar, wobei hier beispielhaft die Klitoris 12 dargestellt ist. Der zweite Zustand nach Fig. 5 ist dadurch gekennzeichnet, dass eine auf die erste Kammer 3 wirkende Kraft A eine Expansion der Kammer 3 bewirkt (Abs. [0080]). Dadurch vergrößert sich das Volumen V2 der Kammer 3 und das Medium bzw. die Luft strömt von der zweiten Kammer 4 in die erste Kammer 3, so dass ein Unterdruck in der zweiten Kammer entsteht (Abs. [0081] f.). Der dritte Zustand ist dadurch gekennzeichnet, dass eine auf die erste Kammer 3 wirkende Kraft B eine Volumenverkleinerung bzw. Kompression der Kammer 3 bewirkt. Die Kompression der Kammer 3 bewirkt einen Überdruck in der Kammer 3, welcher durch eine Medien- bzw. Luftströmung durch das Verbindungselement 5 in Richtung der zweiten Kammer 4 ausgeglichen wird.
- Die Beklagte vertreibt über ihre Internetseite bundesweit Druckwellen-Vibratoren mit der Bezeichnung „C 2“ (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform, vgl. die in den Anlagen K5 und K6 überreichten Auszüge von Internetseiten zur angegriffenen Ausführungsform sowie deren in Anlage K7 vorgelegte Bedienungsanleitung). Nachfolgend wird ein Ausschnitt aus Anlage K5 eingeblendet, der die angegriffene Ausführungsform zeigt:
- Weiterhin wird nachfolgend das in Anlage K10 vorgelegte Bild eingeblendet, das einen Teil des Innenlebens der angegriffenen Ausführungsform zeigt:
- Die Klägerin ging vorgerichtlich aus Gebrauchsmustern, die aus der Klagepatentanmeldung abgezweigt worden sind, gegen ein – hier nicht angegriffenes – Vorgängermodel der angegriffenen Ausführungsform („C“) vor, welches ebenfalls von der Beklagten vertrieben wurde. Hierauf schlossen die Parteien am 28./29.01.2016 eine Vergleichsvereinbarung (vorgelegt in Anlage K17 – diese Anlagenbezeichnung ist doppelt verwendet worden), in der sich die Beklagte u.a. dazu verpflichtet, „keinen Einspruch und/oder Nichtigkeitsklage“ gegen das Klagepatent zu erheben.
- Die Klägerin trägt vor, die angegriffene Ausführungsform verletze die geltend gemachten Ansprüche des Klagepatents wortsinngemäß. Die angegriffene Ausführungsform weise eine erste und eine zweite Kammer sowie ein dazwischenliegendes Verbindungselement im Sinne des Klagepatents auf, die auch ihre anspruchsgemäßen Funktionen erfüllten. Zur Veranschaulichung des Klägervortrags wird nachfolgend das Bild aus Anlage K11 verkleinert eingeblendet, in der die Klägerin die – aus ihrer Sicht – erste Kammer (rosa), das Verbindungselement (grün) und die zweite Kammer (orange) farblich markiert hat:
- Bei der angegriffenen Ausführungsform werde ein Muster von Unter- und Überdrücken erzeugt, die auf den Normaldruck aufmoduliert sind. Die Position des Pleuels (bzw. der Membran innerhalb der ersten Kammer) beim Start der angegriffenen Ausführungsform sei für die sich einstellenden Druckverhältnisse ohne Belang, da es in der Praxis nie zu einem vollständig dichten Aufsetzen der Vorrichtung komme. Vielmehr komme es zu einem Druckausgleich, so dass sich der Druck immer wieder an den Umgebungsdruck anpasse und Unterdruck erzeugt werde. Im Übrigen werde die angegriffene Ausführungsform regelmäßig eingeschaltet, bevor sie mit der dafür vorgesehenen Öffnung des Hohlraums über die Klitoris gestülpt wird. Damit sei die Pleuel-Position beim Einschalten nicht relevant; dessen Position beim Aufstülpen sei vielmehr zufällig.
- Dem Anspruchsmerkmal eines geraden Kanals mit Düsenwirkung könne nicht entnommen werden, dass eine Medienströmung erzeugt werden müsse, die eine spürbar fühlbare Druckmassage vermittle, die zusätzlich zu dem anspruchsgemäßen Druckfeld wirkt. Die in Abs. [0032] der Patentbeschreibung erwähnten kombinierten Wirkungen träten durch Über- und Unterdruck ein; eine zusätzliche Massagewirkung werde nicht gefordert. Patentgemäß genüge eine Ausrichtung und ggf. Beschleunigung der bei der Kompression der ersten Kammer entstehenden Medienströmung. Ein „Freistrahl“ in die zweite Kammer werde vom Klagepatent weder offenbart noch verlangt.
- Die angegriffene Ausführungsform verfüge über ein solches Verbindungselement, das die bei Kompression der ersten Kammer entstehende Medienströmung ausrichte und beschleunige.
- Einer Aussetzung des Rechtsstreits in Bezug auf das Einspruchsverfahren tritt die Klägerin entgegen. Eine solche komme schon deshalb nicht in Betracht, weil ein entsprechender Antrag der Beklagten missbräuchlich sei, da sie sich in der Vergleichsvereinbarung dazu verpflichtet hat, keine Nichtigkeitsklage und/oder Einspruch gegen das Klagepatent zu erheben
- Die Klägerin beantragt,
- – wie zuerkannt -.
- Wegen der nur in Form von Insbesondere-Anträgen geltend gemachten Unteransprüche wird auf die Klageschrift verwiesen.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- hilfsweise:
- das Verfahren bis zur rechtkräftigen Entscheidung im gegen das Klagepatent gerichteten Einspruchsverfahren auszusetzen.
- Der Beklagte trägt vor, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche Anspruch 1 des Klagepatents nicht. Das vom Klagepatent gelehrte Druckfeld aus einem Muster von Unter- und Überdrücken, welche auf den Normaldruck aufmoduliert sind, werde von der angegriffenen Ausführungsform nicht erzeugt. Dort würden vielmehr nur Überdrücke auf den Normaldruck (Luftdruck) aufmoduliert. Die Beklagte behauptet, die angegriffene Ausführungsform starte mit ihrer Membran bzw. Pleuel stets aus dem oberen Totpunkt, nicht der Neutralstellung. Daher würden ausschließlich Überdrücke auf die Haut aufgebracht. Nach der Auslegung der Klägerin würde sich die beanspruchte Vorrichtung mit diesem Merkmal nicht vom Stand der Technik abgrenzen, da so auch bei den vorbekannten Vorrichtungen bei einem undichten Aufsetzen ein Muster aus Über- und Unterdruck appliziert werde.
- Soweit der Anspruch einen geraden Kanal mit Düsenwirkung verlange, werde dies von der angegriffenen Ausführungsform nicht verwirklicht. Dieses Merkmal erfordere, dass durch die mit dem geraden Kanal erzeugte Medienströmung zusätzlich zu dem Muster von Unter- und Überdrücken eine Massagewirkung entstehe. Das Klagepatent verlange also neben dem thermodynamischen Druck, der durch die Kompression der zweiten Kammer verursacht werde (d.h. das Druckmuster), zusätzlich eine Medienströmung, die auf dynamischem Druck beruhe und über die Veränderung des lokalen Querschnitts erzeugt werden solle. Die Lehre des Klagepatents kombiniere damit die Wirkung herkömmlicher Vorrichtungen, die Unter- und Überdruck auf die Haut aufbringen, mit der Wirkung einer fühlbaren Medienströmung („Massageeffekt“). Diese Massagewirkung müsse zusätzlich und spürbar gegenüber dem Muster aus Unter- und Überdrücken sein. Dies zeigten auch Abs. [0032] und Abs. [0084] der Patentbeschreibung. Die Massagewirkung werde patentgemäß durch die Dimensionierung des Verbindungselements bewirkt. Dazu müsse der Innendurchmesser des Verbindungselements gering sein und sich anschließend zur Kammer hin abrupt und unstetig erweitern, um so einen Freistrahl zu erzeugen. Ein Freistrahl ist (unstreitig) vom Querschnitt unabhängig und liegt vor, wenn die Strömung aus einer Öffnung austritt und dabei stromab keine Wandbindung hat, so dass der Strahl „frei“ von Wandeinflüssen strömt. Ohne plötzliche Erweiterung des Querschnitts könne der Volumenstrom nicht abreißen und liege weiter an der Wand an; wenn dann beide Kammern dieselben Dimensionen haben, sei der Kanal letztlich ohne jede Wirkung. Auch für die patentgemäß geforderte Ausrichtung auf die Klitoris sei ein Lösen von den Wänden erforderlich, wobei die Strömung nicht nachträglich in der zweiten Kammer wieder an den Wänden zum Anliegen kommen dürfe. Die geforderte Düsenwirkung setze eine technisch relevante Beschleunigung voraus, da dieses Merkmal ansonsten ohne Bedeutung wäre.
- Bei der angegriffenen Ausführungsform sei dieses Merkmal nicht verwirklicht. Das von der Beklagten überreichte Gutachten von Prof. D (Anlage B3) weise nach, dass bei der angegriffenen Ausführungsform bereits bei offenem Betrieb keine Medienströmung auf die zu stimulierende Haut existiert. Vielmehr sei eine wirbelhafte, räumlich und zeitlich stark schwankende Strömung vorhanden. Die Mündungsströmung sei entweder vernachlässigbar klein (im geschlossenen Betrieb) oder klein und zugleich stark unregelmäßig/Vorzeichen wechselnd bzw. nicht auf das Zentrum gerichtet (im offenen Betrieb). Aufgrund der geringen, kontinuierlichen Querschnittsänderung bei der angegriffenen Ausführungsform könne ein Freistrahl nicht entstehen. Gegenüber den pulsierenden Druckänderungen sei eine zusätzliche Massagewirkung infolge der Strömungsgeschwindigkeit nicht gegeben.
- Bei der angegriffenen Ausführungsform sei der mittlere Kanal kein gerader Kanal. Es liege nur eine kontinuierliche Aufweitung von etwa 2 Grad vor. Zwar liege eine Verringerung des Querschnitts am Anfang des Mittelabschnitts vor, danach weitet sich der Kanal jedoch wieder auf, so dass am Ende des Mittelabschnitts fast wieder die Querschnittsfläche der Membran erreicht wird. Eine Düsenwirkung sei auch deshalb ausgeschlossen, weil der Kanal nicht abrupt und unstetig ende. Die Überlegungen der Klägerin und ihres Gutachters zur Düsenwirkung seien zum Merkmalsnachweis völlig ungeeignet, da nicht gezeigt werde, dass die gemessene Druckänderung gerade durch die Düsenwirkung erzielt wird und nicht durch die Kompression.
- Soweit das Klagepatent eine erste und eine zweite Kammer sowie ein Verbindungselement verlangt, sei vom allgemeinen Verständnis des Fachmanns auszugehen. Dieser erwarte definierte Kammern und ein Verbindungsstück, das so ausgebildet ist, dass es eine Düsenwirkung erzielt. Erste und zweite Kammer und das Verbindungstück müssten patentgemäß eine technische Funktion haben.
- Bei der angegriffenen Ausführungsform werde das Druckfeld dagegen ausschließlich über eine schwingende Membran und nicht über das Verbindungselement erzeugt, so dass technisch-funktional nur eine einzige Kammer vorliege. Das Druckfeld werde nicht durch das Verbindungselement erzeugt oder verstärkt.
- Hilfsweise sei das Verfahren in Bezug auf das anhängige Einspruchsverfahren auszusetzen, da eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Widerruf des Klagepatents streite. Die Lehre des Klagepatents sei jeweils von den Entgegenhaltungen US 1,882,XXX A oder CN 2 153 XXX (Anlage E1 zur Anlage B6) nahegelegt.
- Für die Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.11.2017 Bezug genommen.
- E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
- Die zulässige Klage ist begründet. Die Beklagte verletzt durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform das Klagepatent wortsinngemäß (hierzu unter I.), so dass der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche aus §§ 139 Abs. 1, Abs. 2, 140a Abs. 1, Abs. 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zustehen (hierzu unter II.). Im Rahmen des der Kammer zustehenden Ermessens wird das Verfahren nicht nach § 148 ZPO in Bezug auf das anhängige Einspruchsverfahren ausgesetzt (hierzu unter III.).
- I.
Die angegriffene Ausführungsform macht von Anspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. - 1.
Das Klagepatent (nachfolgend nach Abs. zitiert, ohne das Klagepatent ausdrücklich zu nennen) betrifft unter anderem eine Stimulationsvorrichtung für die Klitoris. - In seiner einleitenden Beschreibung schildert das Klagepatent, dass die erogenen Zonen des menschlichen Körpers mit einer Vielzahl von Hilfsmitteln stimuliert werden können.
- Zunächst geht das Klagepatent auf Vibratoren ein, die verwendet werden, um mittels direkter Berührung einen Reiz auf einen bestimmten Hautbereich auszuüben. Diese Form der Stimulation kann jedoch zu Irritationen oder Hautreizungen führen. Auch kann ein direkter Kontakt der Intimzone mit derartigen Hilfsmitteln aus individuellen Gründen, beispielsweise der Hygiene oder wegen persönlichen Vorbehalten, nicht gewünscht sein (Abs. [0002]). Insbesondere die direkte Stimulation der Klitoris, beispielsweise mit einem Auflegevibrator, ist problembehaftet, da es sich hierbei üblicherweise um die empfindlichste erogene Zone handelt. Dies gilt insbesondere für die Klitoriseichel. Bei häufiger Anwendung eines Auflegevibrators zur direkten Stimulation führt dies einerseits zu Gewöhnungseffekten bzw. zur Konditionierung der stimulierten erogenen Zone, während andererseits die erstmaligen Anwendungen eines derartigen Gerätes eine gewisse Einübung bzw. Eingewöhnung erfordern (Abs. [0003]).
- Aus den vorgenannten Gründen sind verschiedene indirekte Stimulationsformen als Alternative zur direkten Stimulation gängige Praxis (Abs. [0006]). Hierbei werden herkömmliche Vakuumvorrichtungen verwendet, um die erogenen Zonen der betreffenden Person ohne direkte Berührung des zu stimulierenden Hauptbereichs zu reizen. So sind beispielsweise Vakuumpumpen für die weiblichen Geschlechtsorgane bekannt, die üblicherweise eine Saugglocke zum Aufsetzen und eine Handpumpe aufweisen. Der mit solchen Vorrichtungen etwa auf die Klitoris ausgeübte Unterdruck erzeugt einen negativen Druck in der Klitoris selbst. Dieser Druckunterschied führt zu einer Erweiterung der Klitoris und/oder stimuliert den Blutfluss in dem betroffenen Bereich. Diese klitorale vaskulare Blutwallung dient sowohl der Lustförderung durch Steigerung der Empfindlichkeit als auch der optischen und haptischen Manipulation. Auch führt die bessere Durchblutung zu einem erhöhten Austreten von Scheidenfeuchtigkeit, die die Stimulation angenehmer gestaltet (Abs. [0007]).
- An solchen Vorrichtungen kritisiert das Klagepatent, dass die manuelle Betätigung der Handpumpe oft als lästig oder störend empfunden wird. Zudem kann es auch bei solchen Geräten durch die langfristigere bzw. ununterbrochene Anwendung von Unterdruck zu Gewöhnungseffekten kommen. Zudem reicht eine reine Erhöhung des Blutflusses in der Klitoris oftmals nicht aus, um zum Klimax zu gelangen (Abs. [0007]).
- Anstelle der manuell betriebenen Vakuumpumpe werden vermehrt auch elektrisch angetriebene Vakuumpumpen verwendet, etwa die in der WO 2006/05 82 91 A2 offenbarte Vorrichtung. Allerdings wird bei solchen Vorrichtungen nachteilhaft die Scheidenfeuchtigkeit abgesaugt, weshalb ein Trocknungseffekt der stimulierten Hautpartien eintritt. Ebenso führt die abgesaugte feuchte Luft zu einer Verschmutzung der strömungstechnisch nachfolgenden Vakuumanordnung, beispielsweise der Vakuumpumpe. So können derartige Anordnungen mit Vakuumpumpen in ihrer Hygiene problematisch sein, da Vakuumpumpe und die zugehörigen Ventile bzw. lufttechnischen Bauteile oftmals Toträume bzw. tote Winkel aufweisen und/oder schwer zu reinigen sind (Abs. [0008]).
- Die US 6 099 463 A (vorgelegt als Anlage B1) offenbart eine Vorrichtung zur Stimulation der Klitoris, wobei auch bei dieser Vorrichtung aufgrund der Anwendung eines andauernden Vakuums Gewöhnungseffekte zu erwarten sind. Ferner bestehen hierbei ebenfalls die vorstehend erläuterten Nachteile einer problematischen Hygiene und der Austrocknung der zu stimulierenden Hautpartie. Auch ist die drucktechnische Anordnung mit mehreren Ventilen, Vakuumpumpe, etc. relativ komplex.
- Die WO 2008/02 80 76 A2 wiederum offenbart eine therapeutische Vorrichtung für Frauen. Bei dieser Vorrichtung hat das Vakuum nur eine unterstützende Funktion, während die eigentliche Stimulation in direkter Weise über eine Massage mit Hilfe mechanischer Vibration/Oszillation erfolgt, was aber die vorstehend erläuterten Nachteile einer direkten Stimulation nach sich zieht (Abs. [0011] f.]).
- Die US 2013/001 276 9 A1 offenbart eine Vorrichtung, bei der ein pulsierender Überdruck zur Stimulation als Luftdruckmassage verwendet wird. Hieran kritisiert das Klagepatent, dass diese Vorrichtung die betroffene Hautpartie nachteilhaft stark ab- bzw. austrocknet. Ebenso besteht üblicherweise ein Temperaturunterschied zwischen der Temperatur der zugeführten Luft und der Temperatur der zu stimulierenden Hautpartie, was unter Umständen als störend empfunden werden kann. Auch treten bei dieser Vorrichtung die schon erläuterten Hygiene-Probleme auf (Abs. [0013]).
- Das Klagepatent stellt hinsichtlich des Standes der Technik zusammenfassend fest, dass die dort offenbarten Vorrichtungen den Nachteil gemein haben, dass die Komplexität der Unterdruck bzw. Überdruck erzeugenden Anordnungen hoch sind, diese Vorrichtungen hygienische Probleme aufweisen können und sich bei länger andauernden bzw. bei kontinuierlichen oder häufig wiederkehrenden Anwendungen von Unterdrücken Gewöhnungseffekte einstellen (Abs. [0020] f.). Ein weiterer Nachteil bei einigen der vorstehend beschriebenen Vakuumvorrichtungen besteht darin, dass erstens der Unterdruck mittels eines Regelventils oder einer Vakuumpumpe begrenzt sein muss, und zweitens der Unterdruck mittels einer manuellen Öffnung eines Freigabeventils abgebaut werden sollte, bevor die Saugglocke von der Haut abgelöst wird. Sollte eines der Ventile einen technischen Defekt aufweisen und/oder der Benutzer das Gerät falsch bedienen, so besteht unter Umständen Verletzungsgefahr (Abs. [0023]).
- Das Klagepatent nennt es vor dem Hintergrund der Nachteile des Stands der Technik in Abs. [0023] ff. als seine Aufgabe, eine Stimulationsvorrichtung bereitzustellen, die einen einfachen Aufbau aufweist und in der Verwendung einfach und sicher ist. Weiterhin soll die Stimulationsvorrichtung eine effektive stimulationsauslösende Wirkung haben, die für die Stimulation einer erogenen Zone, insbesondere der weiblichen Klitoris, geeignet ist. Schließlich soll die Vorrichtung ein Austrocknen der zu stimulierenden erogenen Zonen vermeiden, hygienisch sein und Gewöhnungseffekte vermeiden.
- 2.
Zur Lösung schlägt das Klagepatent eine Stimulationsvorrichtung nach Maßgabe von Anspruch 1 vor, der sich in Form einer Merkmalsanalyse wie folgt gliedern lässt: - 1 Stimulationsvorrichtung (1) für die Klitoris (12), aufweisend:
- 2 eine Druckfelderzeugungseinrichtung (2) mit:
- 2.1 einer ersten Kammer (3);
- 2.2 und einer zweiten Kammer (4) mit einer Öffnung (42) zum Aufsetzen über die Klitoris (12);
- 2.3 und einem Verbindungselement (5), welches die erste Kammer (3) mit der zweiten Kammer (4) verbindet;
- 2.3.1 wobei die erste Kammer (3) über das Verbindungselement (5) ausschließlich mit der zweiten Kammer (4) verbunden ist, somit keine andere Verbindung der ersten Kammer (3) als diejenige zur zweiten Kammer (4) besteht, womit die erste Kammer (3) eine einzige Öffnung aufweist, und
- 2.3.2 wobei die zweite Kammer (4) eine Öffnung (51) von dem Verbindungselement (5) in die zweite Kammer (4) aufweist,
- 2.4 und einer Antriebseinheit (6), welche das Volumen der ersten Kammer (3) derart verändert, dass über das Verbindungselement (5) in der zweiten Kammer (4) ein stimulierendes Druckfeld erzeugt wird; wobei das in der zweiten Kammer (4) erzeugte Druckfeld aus einem Muster von Unter- und Überdrücken besteht, welche auf den Normaldruck aufmoduliert sind;
- 3 und eine Steuereinrichtung (7), welche die Antriebseinheit (6) ansteuert;
- 4 wobei die Stimulationsvorrichtung (1) keine Ventile aufweist,
- 5 und wobei die Stimulationsvorrichtung (1) ein tragbares Handgerät mit einer Batterie (76) ist.
- 6 Das Verbindungselement (5) ist
- 6.1 starr
- 6.2 und als ein gerader Kanal mit Düsenwirkung ausgestaltet,
- 6.2.1 dessen Öffnung in die ersten Kammer (3) und dessen Öffnung (51) in die zweite Kammer (4) zueinander ausgerichtet sind, so dass eine Medienströmung bei Kompression der ersten Kammer (3) durch die Ausrichtung der Öffnung (51) und des Verbindungselements (5) auf die Klitoris (12) gerichtet ist,
- 7 wobei die Öffnung (51) des Verbindungselements (5) der Klitoris (12) durch die zweite Kammer (4) hindurch gegenüberliegt.
- Das Klagepatent löst die gestellte Aufgabe somit durch eine Vorrichtung, die ein Muster aus Unter- und Überdrücken auf die Haut aufbringen kann (Merkmal 2.4). Die Verwendung sowohl von Über- als auch von Unterdrücken kombiniert die Vorteile dieser beiden Stimulationsmodi und verhindert zugleich einen Gewöhnungseffekt. Die im Stand der Technik kritisierten Hygieneprobleme werden durch den Verzicht auf Ventile nach Merkmal 4 gelöst.
- 3.
Die angegriffene Ausführungsform macht von allen Merkmalen von Anspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. - a)
Die Verwirklichung von Merkmal 2.4, - „und einer Antriebseinheit (6), welche das Volumen der ersten Kammer (3) derart verändert, dass über das Verbindungselement (5) in der zweiten Kammer (4) ein stimulierendes Druckfeld erzeugt wird; wobei das in der zweiten Kammer (4) erzeugte Druckfeld aus einem Muster von Unter- und Überdrücken besteht, welche auf den Normaldruck aufmoduliert sind“,
- lässt sich bei der angegriffenen Ausführungsform feststellen. Streitig ist in Bezug auf dieses Merkmals zwischen den Parteien insbesondere, ob die angegriffene Ausführungsform auch Unterdrücke erzeugt. Dies ist der Fall.
- aa)
Merkmal 2.4 verlangt eine Antriebseinheit, die in der Lage sein muss, das Volumen in der ersten Kammer zu ändern. Diese Änderung wird mittels des Verbindungselements in die zweite Kammer übertragen und erzeugt so ein Druckfeld, das auf die Klitoris einwirken kann. - Dieses Druckfeld soll nach der Lehre von Merkmal 2.4 aus einem Muster von Unter- und Überdrücken bestehen, die auf den Normaldruck aufmoduliert sind. Dem entnimmt der Fachmann, dass durch die erzeugten Volumenänderungen in der ersten Kammer sowohl Über- als auch Unterdrücke in der zweiten Kammer entstehen müssen, wobei der Referenzwert der Normaldruck ist (vgl. Abs. [0031] zum Begriff des Referenzdrucks). Letztlich soll über die Antriebseinheit bewirkt werden, dass der Druck in der zweiten Kammer – der auf die Klitoris aufgebracht werden kann – teilweise über und teilweise unter dem Normaldruck liegt.
- bb)
Hiervon macht die angegriffene Ausführungsform Gebrauch. Unstreitig umfasst diese eine Antriebseinheit, die das Volumen der ersten Kammer verändert, indem ein Pleuel eine Membran bewegt. Diese Volumenänderung wird auf die zweite Kammer übertragen, in der je nach Bewegungsrichtung der Membran der Druck erhöht oder gesenkt wird. - Das so erzeugte (Druck-) Muster soll neben den – unstreitig vorhandenen – Überdrücken auch Unterdrücke umfassen, also Druckzustände, bei denen der Normaldruck unterschritten wird. Die angegriffene Ausführungsform erzeugt bei der Zurückbewegung des Pleuels (d.h. weg von der Öffnung der zweiten Kammer zum Verbindungselement) einen Unterdruck. Dieser Unterdruck wird auch auf die Klitoris appliziert, wenn die angegriffene Ausführungsform nicht dichtend auf die Haut aufgebracht wird oder die angegriffene Ausführungsform zunächst gestartet und dann auf die Haut aufgebracht wird, sollte sich die Membran im Zeitpunkt des luftdichten Aufstülpens nicht zufällig am oberen Totpunkt befinden.
- Es steht einer Patentverletzung schon nicht entgegen, dass eine Vorrichtung normalerweise anders bedient wird oder der Hersteller sogar ausdrücklich eine andere Verwendung seiner Vorrichtung empfiehlt und die Abnehmer deshalb von der patentverletzenden Lehre regelmäßig keinen Gebrauch machen, soweit die Nutzung der patentgemäßen Lehre möglich ist (BGH, GRUR 2006, 399 – Rangierkatze). Es führt daher nicht aus der Patentverletzung heraus, wenn in einer Konstellation – die angegriffene Ausführungsform wird zuerst luftdicht auf die Haut aufgesetzt, dann angeschaltet und anschließend so fest aufgedrückt, dass keine Luft von außen angesaugt wird – keine Unterdrücke entstehen, sondern der Druck stets mindestens dem Normaldruck entspricht. Denn eine solche Anwendung ist weder zwingend, noch wird sie von der Beklagten empfohlen. Vielmehr scheint sie eine Verwendung anzuraten, bei der gerade Unterdrücke entstehen. Denn in ihrer Werbung wird das Entstehen eines „prickelnden Unterdrucks“ gerade als vorteilhaft herausgestellt. Ein patentgemäßer Unterdruck entsteht, wenn die angegriffene Ausführungsform vor dem Aufsetzen eingeschaltet wird und/oder diese nicht dichtend auf die Haut appliziert wird. Damit ist die Nutzung der patentgemäßen Lehre nicht nur möglich, sondern auch üblich.
- b)
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht auch die Merkmale der Merkmalsgruppe 6 wortsinngemäß. - aa)
Merkmalsgruppe 6 lautet: - „6 Das Verbindungselement (5) ist
- 6.1 starr
- 6.2 und als ein gerader Kanal mit Düsenwirkung ausgestaltet,
- 6.2.1 dessen Öffnung in die ersten Kammer (3) und dessen Öffnung (51) in die zweite Kammer (4) zueinander ausgerichtet sind, so dass eine Medienströmung bei Kompression der ersten Kammer (3) durch die Ausrichtung der Öffnung (51) und des Verbindungselements (5) auf die Klitoris (12) gerichtet ist“.
- Diese Merkmalsgruppe verlangt zunächst, dass das Verbindungselement ein starrer, gerader Kanal ist (Merkmale 6.1 und 6.2, 1. Teil). „Gerade“ ist der Kanal, wenn seine Mittelinie eine Gerade bezeichnet.
- Die von Merkmal 6.2 ebenfalls verlangte „Düsenwirkung“ besteht primär in dem Lenken bzw. Ausrichten der Medienströmung, welche in Merkmal 6.2.1 konkretisiert wird. Hiernach müssen die beiden Öffnungen des Kanals/Verbindungselements so ausgerichtet sein, dass eine Medienströmung bei Kompression der ersten Kammer auf die Klitoris ausgerichtet ist. Dies ergibt sich auch aus dem Zusammenspiel mit Merkmal 7, wonach patentgemäß
- „die Öffnung (51) des Verbindungselements (5) der Klitoris (12) durch die zweite Kammer (4) hindurch gegenüberliegt“.
- Die Düsenwirkung besteht daneben auch in einer Beschleunigung des Medienstroms, wobei das Maß der Beschleunigung vom Klagepatent nicht vorgegeben wird.
- Dagegen verlangt das Klagepatent – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht, dass das Verbindungselement eine spürbare Massagewirkung erzielt, die zusätzlich zu dem Druckfeldmuster auf die Klitoris wirken kann. Insbesondere kann dem Klagepatent nicht entnommen werden, dass eine solche zusätzliche Massagewirkung durch einen Freistrahl erzeugt werden soll. Auch die von der Beklagten behauptete Forderung, dass sich am Ende des Verbindungelements der Querschnitt (der anschließenden zweiten Kammer) abrupt vergrößern müsse, entnimmt der Fachmann dem Klagepatent nicht.
- (1)
Die patentgemäße Funktion des Verbindungselements ist es zunächst, eine Verbindung zwischen den Kammern zu schaffen, damit eine Volumenveränderung in der ersten Kammer auf die zweite Kammer übertragen wird und so die Klitoris stimulieren kann – was insbesondere in den Merkmalen 2.3 – 2.4 spezifiziert ist. - Merkmalsgruppe 6 beschreibt – auch im Zusammenhang mit Merkmal 7 – dagegen eine weitere Funktion des Verbindungselements, namentlich die Ausrichtung des Medienstroms. Daneben soll das Verbindungselement vorteilhafterweise auch die Medienströmung weiter beschleunigen.Der Anspruch enthält in Merkmalsgruppe 6 drei Forderungen in Bezug auf das Verbindungselement: Zunächst enthält es die beiden räumlich-körperlichen Vorgaben, dass es sich beim Verbindungselement um einen (1.) starren (Merkmal 6.1) und (2.) geraden Kanal (erster Teil von Merkmal 6.2) handeln muss. Als dritte Vorgabe lehrt der zweite Teil von Merkmal 6.2 eine „Düsenwirkung“ des Verbindungselements. Diese Düsenwirkung wird von Merkmal 6.2.1 in zweierlei Hinsicht konkretisiert: Zunächst sollen die beiden Öffnungen des Verbindungselements zu den Kammern hin zueinander ausgerichtet sein; weiterhin soll die Öffnung des Verbindungselements zur zweiten Kammer hin zur Klitoris ausgerichtet sein. Während Merkmal 6.2.1 mit Bezug auf die Medienströmung (also den Effekt der Ausrichtung) definiert, beschreibt Merkmal 7 dies in räumlich-körperlicher Hinsicht. Damit lehrt das Klagepatent letztlich eine bestimmte Ausrichtung der Öffnung des Verbindungselements zur ersten Kammer, der Öffnung des Verbindungselements zur zweiten Kammer (Bezugsziffer 51) und der Klitoris (Bezugsziffer 12) bei bestimmungsgemäßem Gebrauch zueinander.
- Da es sich beim Verbindungselement um einen starren, geraden Kanal handeln muss, wird über die Ausrichtung von dessen Öffnungen auch dessen Raumlage (bzw. die der Mittelachse des Verbindungselements) vom Klagepatent festgelegt. Den Zweck der von Merkmalsgruppe 6 und Merkmal 7 gelehrten Ausrichtung dieser Elemente zueinander beschreibt das Klagepatent ausdrücklich im Anspruch selbst. Es soll erreicht werden,
- „dass die Medienströmung bei Kompression der ersten Kammer (3) durch die Ausrichtung der Öffnung (51) und des Verbindungselements (5) auf die Klitoris (12) gerichtet ist.“
- Durch die so erreichte Ausrichtung bewirkt eine Volumenverkleinerung in der ersten Kammer nicht nur eine Drucksteigerung in der zweiten Kammer, die dann auf die Klitoris wirkt. Vielmehr kann die Medienströmung, die sich durch die Verdrängung des Mediums in der ersten Kammer in Richtung der zweiten Kammer aufbaut, unmittelbar auf die Klitoris gerichtet werden. Hierdurch wird die Massagewirkung des Überdrucks verstärkt.
- (2)
Die allgemeine Beschreibung der Erfindung in Abs. [0032] nennt als erfindungswesentlichen Vorteil der anspruchsgemäßen Lehre die Kombination von zwei Effekten: Einerseits die Anregung der Durchblutung des stimulierten Hautbereichs und andererseits dessen indirekte Massage. Diese Massage wird aber – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht durch einen vom Verbindungselement erzeugten Freistrahl erreicht. Ein Strahl oder Freistahl wird vom Klagepatent weder im Anspruch noch in der Beschreibung erwähnt. - Vielmehr handelt es sich bei den in Abs. [0032] beschriebenen, vorteilhaft kombinierten Effekten um die Wirkung von Unterdruck (Durchblutungsanregung) einerseits und Überdruck (indirekte Massage) andererseits. Soweit in Abs. [0032] ausgeführt wird:
- „Der Massageeffekt wird durch die kinetische Energie des aus der ersten Kammer durch das Verbindungselement strömenden Mediums gegen die Oberfläche des zu stimulierenden Hautbereichs erzeugt. Auf diese Weise wird der Massageeffekt indirekt, also ohne direkte Berührung der zu stimulierenden Hautpartie durch einen festen Körper, beispielsweise durch einen Vibrator, erzeugt, was zur Folge hat, dass die eingangs erläuterten Nachteile der direkten Stimulation vermieden werden.“
- lässt sich dem nicht entnehmen, dass durch das Verbindungselement ein zusätzlicher Massageeffekt erzeugt werden soll, der unabhängig vom Druckmuster ist. Vielmehr schließt der Fachmann hieraus, dass es der von der Antriebseinheit erzeugte Überdruck (vgl. Merkmal 2.4) ist, der den Massageeffekt über eine Medienströmung herbeiführt. Die Erwähnung des Verbindungselements in Abs. [0032] dient dabei ersichtlich nur der Beschreibung des Verlaufs des Medienstroms und steht im Einklang mit dessen Ausrichtungsfunktion. Auch im nach § 14 PatG für den Schutzumfang eines Patents vorrangigen Anspruchswortlaut findet sich kein Anhaltspunkt für eine Massagewirkung, die von der „Düsenwirkung“ des Verbindungselements herbeigeführt wird, insbesondere nicht, dass es sich hierbei um eine vom Überdruck trennbare Wirkung handeln soll.
- Dieses Verständnis findet sich in der weiteren (allgemeinen) Beschreibung des Klagepatents bestätigt. Abs. [0035] entnimmt der Fachmann, dass es der Zweck des Verbindungselements ist, das Druckfeld auf den zu stimulierenden Hautbereich auszurichten (wobei die Ausrichtung auf die Klitoris vom Anspruch zwingend verlangt wird und nicht, wie in Abs. [0035], nur als Option vorgesehen ist):
- „[0035] Durch die Ausrichtung des einen Verbindungselements auf den zu stimulierenden Hautbereich kann das Druckfeld unmittelbar wirken, wobei das Druckfeld maßgeblich durch die Konfiguration des einen Verbindungselements und der einen Öffnung von dem Verbindungselement in die zweite Kammer beeinflusst wird, und so je nach Anwendung der Stimulationsvorrichtung einstellbar ist. So kann die eine Öffnung des Verbindungselements dem zu stimulierenden Körperteil, vorzugsweise direkt, gegenüber liegen.“
- Das Klagepatent erwähnt im Rahmen der allgemeinen Beschreibung der Erfindung also nur die vorteilhafte Ausrichtungswirkung des Verbindungselements. Weitere zwingend zu erreichende Vorteile sind insoweit nicht erwähnt.
- (3)
Dem Begriff „Düsenwirkung“ entnimmt der Fachmann, dass neben der (primären) Ausrichtungsfunktion des Verbindungselements, dieses auch eine gewisse Beschleunigung der Medienströmung bewirken soll. - Das Klagepatent enthält keine ausdrückliche Definition einer Düsenwirkung. Aus dem Wortlaut von Merkmal 6.2, den dargestellten funktionalen Überlegungen und der allgemeinen Beschreibung des Klagepatents entnimmt der Fachmann, dass die Düsenwirkung primär in der Strömungsausrichtung liegt; daneben ergibt sich hierdurch auch eine vorteilhafte Beschleunigung der Strömung durch die Düsenform.
- (a)
Einen Anhaltspunkt für dieses Verständnis findet der Fachmann in der Beschreibung des Standes der Technik in Abs. [0013] des Klagepatents: - „[0013] Die US 2013/001 276 9 A1 offenbart eine Vorrichtung, bei der ein pulsierender Überdruck zur Stimulation als Luftdruckmassage verwendet wird. So erzeugt eine Pumpe bzw. ein Kompressor einen pulsierenden Überdruck, welcher mit Hilfe einer Düse auf die zu stimulierende erogene Zone gerichtet wird.“
- Die Düsenwirkung liegt hier also in der Ausrichtung des pulsierenden Überdrucks. Dass im Anspruch 1 des Klagepatents dem Begriff „Düsenwirkung“ eine andere Bedeutung zukommt, kann nicht festgestellt werden. Die Kritik des Klagepatents an der in der US 2013/001 276 9 A1 offenbarten Vorrichtung zielt vielmehr auf andere Aspekte ab (namentlich: Temperatur des Luftstroms, Austrocknen der Haut, Hygieneprobleme).
- (b)
Dass eine Düsenwirkung auch in der Beschleunigung des hindurchgeführten Mediums liegt, entspricht zunächst dem allgemeinen Verständnis des Fachmanns von einer Düse. Der allgemeine Sprachgebrauch hat zwar für die Ermittlung des maßgeblichen technischen Sinngehalts (vgl. BGH, GRUR 1999, 902, 912 – Spannschraube) des Anspruchs / Merkmals keine abschließende Bedeutung; auf ihn darf bei der Patentauslegung nichts desto trotz zurückgegriffen werden, weil in der Regel Begriffe mit ihrem (auf dem betroffenen Fachgebiet) üblichen Inhalt verwendet werden (vgl. BGH, GRUR, 2016, 169 Rn. 17 – Luftkappensystem, OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.10.2017 – I-15 U 95/16 – S. 20). Entscheidend ist aber, ob der maßgebliche technische Sinngehalt, wie er dem als seinem eigenen Lexikon dienenden Klagepatent zu entnehmen ist, mit diesem allgemeinen Sprachverständnis übereinstimmt. Dabei reicht es noch nicht aus, dass es keine Anhaltspunkte für ein abweichendes Begriffsverständnis gibt; vielmehr kommt es darauf an, ob die maßgebliche Berücksichtigung der objektiven Aufgabe und Lösung des Klagepatents unweigerlich zu dem Begriffsverständnis des allgemeinen Sprachgebrauchs führt (vgl. BGH, GRUR, 2016, 169 Rn. 16 f. – Luftkappensystem, OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.10.2017 – I-15 U 95/16 – S. 21). Dies ist hier der Fall. Dem Fachmann ist bekannt, dass er durch eine Ausgestaltung des Verbindungselements als Düse die Medienströmung beschleunigen kann, was er in vorteilhafter Weise für die zu erzielende Massagewirkung (vgl. Merkmal 6.2.1 a.E.) ausnutzen kann. - Dieses Verständnis wird gestützt von dem zu Fig. 6 in Abs. [0084] beschriebenen Ausführungsbeispiel. Zwar stellt ein Ausführungsbeispiel lediglich eine bevorzugte Gestaltung dar, auf welche die Erfindung nicht reduziert werden darf (BGH, GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe; BGH, GRUR 2012, 1242 – Steckverbindung). Ein Ausführungsbeispiel erlaubt regelmäßig keine einschränkende Auslegung eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (BGH, GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung). Jedoch spricht nichts dagegen, Anhaltspunkte für die technische Funktion eines Merkmals im Rahmen der Erfindung solchen Beschreibungsstellen zu entnehmen, die sich auf ein konkretes bevorzugtes Ausführungsbeispiel beziehen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.10.2014 – Az. I-15 U 30/14 – Rn. 92 bei Juris). Im Rahmen des Ausführungsbeispiels nach Abs. [0084]
- „(…) ist die Größe der Öffnung 51 derart dimensioniert, dass diese im Verhältnis zu dem in der ersten Kammer 3 verdrängten Volumen klein genug ist, um das Medium für eine spürbare Massagewirkung ausreichend zu beschleunigen.“
- Dies stützt das Verständnis des Fachmanns, dass die Funktion des Verbindungselements auch in der Beschleunigung des Medienstroms liegen kann.
- Allerdings führt dies – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht dazu, dass der Fachmann den Anspruchswortlaut „Düsenwirkung“ dahingehend versteht, dass über die Ausgestaltung des Verbindungselements eine zusätzliche Massagewirkung hierbeigeführt wird. Dem steht bereits entgegen, dass es sich bei Abs. [0084] um ein Ausführungsbeispiel handelt, dass nur eine vorteilhafte Ausgestaltung der anspruchsgemäßen Lehre beschreibt, auf die der weitergehende Wortsinn des Anspruchs aber nicht reduziert werden darf.
Es lässt sich dem Klagepatent auch nicht entnehmen, dass das Verbindungselement ein bestimmtes Maß der Beschleunigung erreichen muss – etwa in dem Sinne, dass die Strömung „spürbar“ sein muss. Hierfür bieten der vorrangige Anspruchswortlaut und auch die allgemeine Erfindungsbeschreibung keinen Anhaltspunkt. Es lässt sich dem Klagepatent auch nicht entnehmen, ob und in welchem Maße die Beschleunigung auf der Haut ankommen muss. Hierbei ist insbesondere zu beachten, dass die Klitoris(-eichel) in die zweite Kammer hineinragen kann, so dass schon nicht klar ist, an welchem Punkt die vermeintlich erforderliche Spürbarkeit erreicht werden muss. Es ist vielmehr dem Fachmann überlassen, welches Ausmaß die Beschleunigung annimmt.Das Klagepatent macht keine zwingenden Vorgaben zur Geschwindigkeit der Medienströmung. Diese kann vom Fachmann nach dem gewünschten Anwendungszweck festgelegt und über die Kompression der ersten Kammer gesteuert werden. Daneben kann der Fachmann die Geschwindigkeit der Medienströmung über die Ausgestaltung des Verbindungselements steuern. Für das Erreichen des Leistungsergebnisses der patentgemäßen Lehre ist eine bestimmte Beschleunigung aufgrund des Verbindungselements aber weder vorgesehen noch erforderlich. - bb)
Auf Grundlage der vorstehenden Erwägungen lässt sich die Verwirklichung von Merkmalsgruppe 6 feststellen. Der mittlere Abschnitt stellt einen starren und geraden Kanal dar. Denn er verändert seine Gestalt nicht aufgrund der Volumenänderung in der ersten Kammer. Weiterhin ist dessen Mittelinie eine Gerade. - Der mittlere Abschnitt in der angegriffenen Ausführungsform hat auch die in Merkmal 6.2 / 6.2.1 spezifizierte Düsenwirkung, denn er richtet die Medienströmung aus, die von der Membran in der ersten Kammer erzeugt wird. Die Mitte der Membran, des mittleren Abschnitts und der Öffnung der (zweiten) Kammer, die auf die Klitoris aufgesetzt werden kann, liegen auf einer geraden Linie, so dass das von der Membran nach vorne gedrückte Medium (etwa Luft) unmittelbar auf die Klitoris geschoben wird.
- Ferner verengt sich der Kanal von der ersten zur zweiten Kammer. Durch diese Verjüngung des Querschnitts wird die Medienströmung, die sich bei der Kompression der ersten Kammer ergibt, beschleunigt. Ob diese Beschleunigung am Ende der zweiten Kammer (noch) zu spüren ist, ist dagegen für die Merkmalsverwirklichung ohne Belang.
- c)
Die Merkmale 2.1 – 2.3.2, - „2.1 einer ersten Kammer (3);
- 2.2 und einer zweiten Kammer (4) mit einer Öffnung (42) zum Aufsetzen über die Klitoris (12);
- 2.3 und einem Verbindungselement (5), welches die erste Kammer (3) mit der zweiten Kammer (4) verbindet;
- 2.3.1 wobei die erste Kammer (3) über das Verbindungselement (5) ausschließlich mit der zweiten Kammer (4) verbunden ist, somit keine andere Verbindung der ersten Kammer (3) als diejenige zur zweiten Kammer (4) besteht, womit die erste Kammer (3) eine einzige Öffnung aufweist, und
- 2.3.2 wobei die zweite Kammer (4) eine Öffnung (51) von dem Verbindungselement (5) in die zweite Kammer (4) aufweist“,
- werden von der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht. Die Beklagte bestreitet das Vorliegen dieser Merkmale primär unter dem Aspekt, dass die beiden Kammern und das Verbindungselement bei der angegriffenen Ausführungsform nicht vorhanden seien, weil sie dort die in den Merkmalen 2.4 und 6.2 definierte Funktion nicht erfüllten. Dies greift nicht durch, wie vorstehend erläutert wurde.
- Die angegriffene Ausführungsform verfügt über zwei Kammern, die mit einem Verbindungselement strömungstechnisch verbunden sind. Diese sind anhand der Wechsel des Innenquerschnitts (zu- oder abnehmend) auch eindeutig voneinander unterscheidbar.
- Dass zwischen dem Verbindungselement und den Kammern keine abrupten Übergänge bestehen, steht der Merkmalsverwirklichung nicht entgegen. Insofern macht das Klagepatent keine näheren Vorgaben (vgl. die Ausführungen oben). Dass in den Figuren jeweils rechteckige Kanten des Verbindungselements gezeigt sind, erlaubt keine Einschränkung der insoweit weiteren Lehre des Anspruchs auf derartige Ausgestaltungen, da es sich bei den Figuren nur um beispielshafte Gestaltungsmöglichkeiten der geschützten Vorrichtung handelt.
- d)
Die Verwirklichung der übrigen Merkmale durch die angegriffene Ausführungsform steht zwischen den Partien zu recht nicht in Streit, so dass hierzu keine weiteren Ausführungen mehr erforderlich sind. - II.
Die Beklagte verletzt das Klagepatent durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform im Inland wortsinngemäß nach § 9 S. 2 Nr. 1 PatG. Aufgrund der festgestellten Patentverletzung ergeben sich die zuerkannten Rechtsfolgen: - 1.
Der Unterlassungsanspruch beruht auf § 139 Abs. 1 PatG, da die Benutzung des Erfindungsgegenstandes ohne Berechtigung erfolgt. - 2.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, der aus § 139 Abs. 2 PatG folgt. Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. - Der Schadensersatzanspruch besteht wie beantragt ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Patenterteilung am 18.02.2016. Der Beklagten musste insoweit nicht eine Karenzzeit von einem Monat ab Veröffentlichung der Erteilung zur Prüfung der Schutzrechtslage eingeräumt werden, da sie bereits vor dem 18.02.2016 ausreichend Gelegenheit hatte, eine solche Prüfung vorzunehmen (vgl. Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 9. Aufl. 2017, Kap. D. Rn. 354). Die Beklagte hatte aufgrund der Vergleichsvereinbarung (Anlage K17) spätestens seit dem 28.01.2017 – und damit noch vor Veröffentlichung der Erteilung – positive Kenntnis vom Klagepatent.
- Da überdies aufgrund der rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten die Entstehung eines Schadens hinreichend wahrscheinlich ist, der durch die Klägerin aber noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.
- 3.
Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und die Vertriebswege der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. - Die weitergehende Auskunftspflicht folgt aus §§ 242, 259 BGB. Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren Schadensersatzanspruch zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunft im zuerkannten Umfang zu. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
- 4.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte weiterhin einen Vernichtungsanspruch, der aus § 140a Abs. 1 PatG folgt. Eine Unverhältnismäßigkeit nach § 140a Abs. 4 PatG ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. - 5.
Die Klägerin kann die Beklagte schließlich aus § 140a Abs. 3 PatG auf Rückruf patentverletzender Erzeugnisse in Anspruch nehmen. Auch insoweit lässt sich keine Unverhältnismäßigkeit gemäß § 140a Abs. 4 PatG feststellen. - III.
Im Rahmen des der Kammer nach § 148 ZPO zustehenden Ermessens wird das Verfahren nicht in Bezug auf das anhängige Einspruchsverfahren ausgesetzt. - 1.
Nach § 148 ZPO kann das Gericht bei der Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens einen Rechtsstreit aussetzen. Die Vorgreiflichkeit ist aufgrund der angenommenen Verletzung des Schutzrechtes hinsichtlich des anhängigen Einspruchsverfahrens gegeben. Die Erhebung eines Einspruchs stellt jedoch ohne weiteres noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen. Die Patenterteilung ist auch für die (Verletzungs-) Gerichte bindend. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage oder einen Einspruch vor dem zuständigen Patentamt zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent nicht als Einwand im Verletzungsverfahren geführt werden. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits im Rahmen der nach § 148 ZPO zu treffenden Ermessenentscheidung ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent dem erhobenen Einspruch bzw. der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.06.2015 – Az. 2 U 64/14, S. 29 f.). - 2.
Es kann dahingestellt werden, ob es der Beklagten hier aufgrund der Vergleichsvereinbarung (Anlage K17) mit der Klägerin verwehrt ist, eine Aussetzung des Verfahrens (erfolgreich) zu beantragen, da ohnehin keine hinreichende Vernichtungswahrscheinlichkeit festgestellt werden kann: - 3.
Gegen eine Aussetzung aufgrund der vorgelegten Schutzrechte spricht bereits, dass die Beklagten den Rechtsbestandsangriff erst in der Duplik und nicht – wie ihr in der Prozessleitenden Verfügung aufgegeben wurde – bereits mit der Klageerwiderung präsentiert hat (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 9. Aufl. 2017, Kap. E. Rn. 616). Damit ist der Klägerin eine angemessene Erwiderung auf das Einspruchsvorbringen im hiesigen Verfahren deutlich erschwert worden. - Gegen eine Aussetzung spricht weiterhin, dass die Beklagte keine deutschen Übersetzungen der Entgegenhaltungen US 1,882,XXX A und CN 2 153 XXX vorgelegt hat, wobei sie von letzterer Entgegenhaltung nur eine englische Maschinenübersetzung eingereicht hat (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 04.07.2013 – 4b O 13/12 – Rn. 70 bei Juris; Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 9. Aufl. 2017, Rn. E.617). Nach der zwingenden Regelung des § 184 GVG ist Gerichtssprache deutsch, was jedenfalls für Erklärungen gegenüber dem Gericht gilt. Den Parteien ist zusätzlich in der prozessleitenden Verfügung aufgegeben worden, von fremdsprachigen Unterlagen mit demselben Schriftsatz eine deutsche Übersetzung einzureichen. Wird auf eine solche Auflage hin von einer Partei keine Übersetzung eingereicht, kann das fremdsprachige Schriftstück unbeachtet bleiben (Zöller/Lückemann, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 184 GVG Rn. 4).
- 4.
Aufgrund des Vortrags in der Duplik lässt sich (insbesondere ohne Übersetzung) nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die Einspruchsabteilung des Deutschen Patent- und Markenamt das Klagepatent wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit nach §§ 21 Abs. Nr. 1; 4 S. 1 PatG widerrufen wird. - a)
Eine fehlende Erfindungshöhe (§ 4 S. 1 PatG) von Anspruch 1 des Klagepatents gegenüber der Entgegenhaltung US 1,882,XXX A (nachfolgend: US‘XXX, mit Anlage B7 eingereicht) kann die Kammer nicht feststellen. - Aufgrund des Vortrags der Beklagten bestehen schon Zweifel an der Offenbarung von Merkmal 1. Eine Eignung für die Stimulation der Klitoris ist nicht zwingend unmittelbar und eindeutig offenbart, soweit in der US‘XXX (allgemein) eine Massagevorrichtung gezeigt ist. Ob der Fachmann diese für die Stimulation der Klitoris heranziehen würde, kann nicht hinreichend festgestellt werden.
- Gleiches gilt für die Offenbarung von Merkmal 2.3.1, da nicht vorgetragen wurde, dass die US‘XXX eine Verbindung zur ersten Kammer (neben der Verbindung zur zweiten Kammer) ausschließt. Denn Merkmal 2.3.1 verlangt eine Verbindung nur über das Verbindungselement und verbietet eine andere Verbindung zwischen den Kammern.
- Schließlich fehlt es – auch nach dem Vortrag der Beklagten – an einer Offenbarung von Merkmal 4, wonach klagepatentgemäß keine Ventile vorhanden sein dürfen – die aber in der US‘XXX vorhanden sind. Gerade das Weglassen von Ventilen soll aber das vom Klagepatent im Stand der Technik erkannte Hygieneproblem lösen.
- Eine mangelnde erfinderische Tätigkeit lässt sich für die Kammer insbesondere deshalb nicht feststellen, weil die Beklagte nicht hinreichend Gründe dafür vorträgt, warum der Fachmann die Vorrichtung gemäß der Entgegenhaltung US‘XXX so modifizieren sollte, dass sie alle Merkmale des geltend gemachten Anspruchs aufweist.
- b)
Bei der Entgegenhaltung CN 2 135 XXX (nachfolgend: Entgegenhaltung E1, mit einer englischen Maschinenübersetzung als Anlage zur Anlage B6 eingereicht) hat die Beklagte schon nicht ausreichend vorgetragen, dass es sich bei dem offenbarten Gegenstand um eine „Stimulationsvorrichtung für die Klitoris“ handeln soll. Auch hier erscheint der Kammer fraglich, ob der Fachmann den offenbarten Gegenstand für eine solche Verwendung in Betracht ziehen würde. - Wie bei der Entgegenhaltung US‘XXX ist das Fehlen von Ventilen (Merkmal 4) nicht ausdrücklich in der E1 beschrieben.
- Eine mangelnde Erfindungshöhe gegenüber der E1 ist für die Kammer auch deshalb nicht feststellbar, weil für die Kammer nicht hinreichend ersichtlich ist, welchen Anlass der Fachmann im Prioritätszeitpunkt gehabt hätte, zur Lösung des Klagepatents zu kommen, und wie er dabei – ohne erfinderisch tätig zu werden – konkret vorgegangen wäre.
- IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. - Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO
- V.
Der Streitwert wird auf EUR 2.500.000,00 festgesetzt.