Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2723
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 30. November 2017, Az. 4a O 3/16
- 1. Die Beklagten werden verurteilt, gesamtschuldnerisch an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 24.397,55 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.12.2014 zu zahlen.
- 2. Die Beklagten werden verurteilt, gesamtschuldnerisch an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 6.114,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.11.2015 zu zahlen.
- 3. Die Beklagten werden verurteilt, gesamtschuldnerisch einen Betrag in Höhe von EUR 3.849,45 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.11.2015 zu zahlen.
- 4. Die Beklagten werden verurteilt, gesamtschuldnerisch an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 14.049,05 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.11.2015 zu zahlen.
- 5. Die Beklagten werden verurteilt, gesamtschuldnerisch an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 1.531,90 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24.11.2015 zu zahlen.
- 6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- 7. Die Widerklagen werden abgewiesen.
- 8. Von den Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Klägerin 25,7%, der Beklagte zu 1) 35,8% und der Beklagte zu 2) 38,5%. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) trägt die Klägerin 41,7 %. Im Übrigen tragen alle Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Ausgenommen hiervon sind die Mehrkosten, die durch die Anrufung des Landgerichts Mönchengladbach entstanden sind; diese sind von der Klägerin zu tragen.
- 9. Das Urteil ist für die Klägerin und den Beklagten zu 1) jeweils vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
-
T a t b e s t a n d
- Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen patent- bzw. rechtsanwaltlicher Falschberatung auf Schadensersatz und Freistellung in Anspruch. Widerklagend machen die Beklagten jeweils Honorarforderungen gegen die Klägerin geltend.
- Die Klägerin betreibt ein Handelsunternehmen. Ihr Geschäftsführer ist Herr A B. Der Beklagte zu 1) ist Patentanwalt, der Beklagte zu 2) Rechtsanwalt.
- Im Jahre 2011 beabsichtigte die Klägerin den Import und inländischen Vertrieb von Türschließern der Firma C Co., China. Ltd. Der Geschäftsführer der Klägerin wandte sich in diesen Zusammenhang Mitte November 2011 mit einem Rechercheauftrag an den Beklagten zu 1), dessen Umfang zwischen den Parteien streitig ist. Die Klägerin erhielt am 17.11.2011 eine in Anlage K2 vorgelegte, schriftliche Antwort auf den Rechercheauftrag über eine „durchgeführte Recherche hinsichtlich des Türschließers der Firmen D sowie E“. Hierbei sollten keine relevanten Schriften gefunden worden sein. Für seine Tätigkeit stellte der Beklagte zu 1) der Klägerin unter dem Betreff „Recherche Türschließer der Firmen D, sowie E“ einen Betrag von EUR 300,00 netto in Rechnung (vgl. Anlage K3).
- Die Klägerin teilte einem Kunden per E-Mail (vgl. Anlage K4) mit, sie hätte „diesen Schließer Patentrechtlich [sic!] überprüft (keine Eintragung)“ und könne diesen liefern. Die Klägerin orderte im September 2012 20.000 Türschließer, welche sie unter der Bezeichnung „Türschließer ‚Kraft‘“ vertrieb.
- Zum Zeitpunkt der Recherche bestanden das deutsche Patent DE 103 14 XXX und das europäische Patent EP 1 613 XXX (nachfolgend kurz: die Schutzrechte oder – nur auf den deutschen Teil des Europäischen Patents bezogen: das Streitpatent), deren Inhaber Herr F G ist und in deren Schutzbereich der von der Klägerin vertriebene Türschließer fällt.
- Herr G mahnte durch patent- und rechtsanwaltliches Schreiben vom 05.02.2013 (Anlage K5) die Klägerin ab und forderte sie zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf. Dies besprach der Geschäftsführer der Klägerin mit den (beiden) Beklagten. Die Abgabe der geforderten Erklärung wurde letztlich seitens der Klägerin durch Schreiben des Beklagten zu 2) vom 07.02.2013 (vgl. Anlage K6) zurückgewiesen, wobei die Nichtigkeit der o.g. Schutzrechte aufgrund von schon im Erteilungsverfahren geprüften Schriften geltend gemacht wurde. Weiterhin wurde angefragt, ob eine vergleichsweise Lösung möglich sei.
- Herr G erwirkte daraufhin beim Landgericht Düsseldorf am 20.02.2013 eine einstweilige Beschlussverfügung auf Unterlassung des Vertriebs des Türschließers durch die Klägerin (vgl. Anlage K7). Diese wurde nicht wirksam vollzogen. Mit patentanwaltlichem Schreiben vom 25.03.2013 (Anlage K8) forderte Herr G die Klägerin zur Abgabe einer Abschlusserklärung auf. Dies lehnte die Klägerin ab.
- Herr G erhob daraufhin unter dem 16.09.2013 Hauptsacheklage vor dem Landgericht Düsseldorf. Die Klägerin, vertreten durch die Beklagten, erhob ihrerseits unter dem 17.02.2014 vor dem Bundespatentgericht Nichtigkeitsklage gegen das Streitpatent von Herrn G (Az. 7 Ni 67/14 (EP), vgl. Anlage B16).
- Auf die von Herrn G erhobene Patentverletzungsklage verurteilte das Landgericht Düsseldorf mit Urteil vom 18.09.2014 (vorgelegt in Anlage K9) die Klägerin und ihren Geschäftsführer wegen Verletzung des Streitpatents durch die Türschließer. Dabei war die Merkmalsverwirklichung zwischen den Parteien unstreitig. Eine Aussetzung des Verfahrens in Bezug auf das laufende Nichtigkeitsverfahren lehnte das Landgericht Düsseldorf ab. Hinsichtlich der Entscheidungen über den letztlich auf EUR 500.000,00 festgesetzten Streitwert wird auf die Anlagen K10 und K11 verwiesen. Gegen die Klägerin und ihren Geschäftsführer wurden Kosten in Höhe von EUR 24.397,55 festgesetzt (vgl. den in Anlage K14 vorliegenden Kostenfestsetzungsbeschluss).
- In einer E-Mail vom 17.10.2014 (Anlage K21; einige Anlagennummern wurden von der Klägerin doppelt vergeben) schrieb der Beklagte zu 1) an den Geschäftsführer der Klägerin „ich hatte gesagt, dass ich auf meine Rechnung verzichten werde, was [sic!] sicherlich auch machen werde“.
- Im frühen gerichtlichen Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG vom 11.03.2015 (vorgelegt in Anlage K12) vertrat das Bundespatentgericht die Auffassung, dass die Nichtigkeitsklage abzuweisen sein dürfte, da keine Nichtigkeitsgründe vorlägen. Nach erneuter Stellungnahme der Klägerin (über die Beklagten) gegenüber dem Bundespatentgericht am 29.04.2015 (Anlage B17) wurde die Nichtigkeitsklage im Auftrag der Klägerin (Anlage B18) zurückgenommen.
- Das Bundespatentgericht setzte mit Beschluss vom 25.08.2015 (vgl. Anlage K13) den Streitwert auf EUR 625.000,00 fest. Es fielen für die Klägerin Gerichtskosten in Höhe von EUR 6.114,00 an (vgl. die in Anlage K15 vorliegende Kostenrechnung). Weiterhin setzte das Bundespatentgericht mit Beschluss vom 13.12.2016 (vgl. Anlage K20) gegen die Klägerin Kosten des Nichtigkeitsverfahrens in Höhe von EUR 14.049,05 fest.
- Der Beklagte zu 2) rechnete für seine Tätigkeit einen Betrag von EUR 3.849,45 brutto ab, den die Klägerin zahlte.
- Herr G behielt sich vor, Schadensersatzansprüche auch gegen Vertriebspartner der Klägerin geltend zu machen. Die Unternehmen H und I (I J GmbH & Co. KG) machten Regressansprüche wegen des von der Klägerin gelieferten Türschließers gegen die Klägerin geltend (vgl. Anlage K16, K17, K21 und K22). Das LG Düsseldorf verurteilte die Klägerin auf Klage von I hin mit Urteil vom 13.10.2016 (4b O 61/16; Anlage K22) u.a. auf Zahlung von EUR 11.558,00 als Schadensersatz für die gelieferten Türschließer. Gegen die Klägerin wurden Kosten für dieses Verfahren in Höhe von EUR 2.039,20 festgesetzt (Anlage K22).
- Für die Geltendmachung der hier streitgegenständlichen Ansprüche seitens der Klägerin fielen vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von EUR 1.531,90 an.
- Die Klägerin behauptet, sie habe eine umfassende patentrechtliche Recherche mit der in Anlage K1 vorliegenden E-Mail beauftragt, wobei der Beklagte zu 1) in Blindkopie (bcc) gesetzt gewesen sei. Der Beklagte zu 1) hätte sich am 16.11.2011 ein Muster des streitgegenständlichen Türschließers zu dessen Überprüfung abgeholt. Der Auftrag habe die Suche nach sämtlichen Schutzrechten beinhaltet und sei nicht auf zwei Unternehmen beschränkt gewesen. Bei ordnungsgemäß durchgeführter Recherche hätte der Beklagte zu 1) die Schutzrechte von Herrn G finden müssen. Auf diesen Fehler gingen alle mit der vorliegenden Klagen geltend gemachten Kosten als Schaden zurück.
- Die Klägerin behauptet, sie hätte bei zutreffender Beratung durch die beiden Beklagten bereits im Februar 2013 die in der Abmahnung von Herrn G geforderte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgegeben. Eine entsprechende Aufklärung seitens der Beklagten habe aber nicht stattgefunden; die Beklagten seien vielmehr gemeinschaftlich zur Auffassung gelangt, dass die Schutzrechte nichtig seien und daher Nichtigkeitsklage zu erheben sei. Dies sei aus Sicht der Klägerin auch nicht durch die E-Mail in Anlage B12/14 relativiert worden. Die Klägerin hätte sich beratungskonform verhalten, wäre die Aufklärung richtig erfolgt. Gleiches gälte für die geforderte Abschlusserklärung. Auch diese hätte die Klägerin bei richtiger Beratung durch die Beklagten abgegeben.
- Auch hätte die Klägerin bei zutreffender Beratung – insbesondere über das enorme Kostenrisiko – keine Nichtigkeitsklage gegen das Streitpatent von Herrn G erhoben. Die Nichtigkeitsklage habe keine Erfolgsaussichten gehabt. Die Kosten der Nichtigkeitsklage seien Schäden aufgrund der Falschberatung durch die Beklagten.
- Noch in der E-Mail (Anlage B14) hätten die Beklagten das Kostenrisiko zu niedrig eingeschätzt; bei richtiger Beratung hätte die Klägerin den Vergleichsvorschlag über EUR 40.000,00 angenommen.
- Die Klägerin ist zwar der Ansicht, dass die Nichtigkeitsklage entsprechend dem Vorbescheid des Bundespatentgerichts keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Aber selbst wenn man eine Erfolgsaussicht unterstellte, hätten die Beklagten aus Sicht der Klägerin ihr nicht dazu raten dürfen, die Nichtigkeitsklage zurückzunehmen, indem sie u.a. die Klägerin auf die Möglichkeit der Vermeidung einer weiteren Terminsgebühr hingewiesen haben. In diesem Falle wären alle hier geltend gemachten Schäden / Kosten der Beratung der Beklagten in Bezug auf die Rücknahme der Nichtigkeitsklage zuzurechnen.
- Die Klägerin hat ursprünglich die nun gestellten Anträge angekündigt, wobei sie im Rahmen des Antrags zu Ziff. 5. Freistellung von den Kosten des Nichtigkeitsverfahrens und im Rahmen des Antrags zu Ziff. 6. Zahlung von lediglich EUR 10.000,00 gefordert hat.
- Die Klägerin beantragt nunmehr:
- 1. Die Beklagten werden verurteilt, gesamtschuldnerisch an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 24.397,55 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.12.2014 zu zahlen.
- 2. Die Beklagten werden verurteilt, gesamtschuldnerisch an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 6.114,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 3. Die Beklagten werden verurteilt, gesamtschuldnerisch einen Betrag in Höhe von EUR 3.849,45 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 4. Die Beklagten werden verurteilt, gesamtschuldnerisch an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 14.049,05 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 5. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 13.597,20 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 6. Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, die Klägerin von weiteren Schadenersatzansprüchen des Herrn F G in Bezug auf die Patentverletzung bezüglich des Türschließers „Kraft“ freizustellen.
- 7. Die Beklagten werden verurteilt, gesamtschuldnerisch an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 1.531,90 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- Die Beklagten beantragen,
- die Klage abzuweisen.
- Widerklagend hat der Beklagte zu 1) zunächst angekündigt, Zahlung in Höhe von EUR 17.062,58 zu beantragen.
- Nunmehr beantragen die Beklagten widerklagend,
- 1. an den Beklagten zu 1) EUR 16.689,98 nebst 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 2. an den Beklagten zu 2) EUR 21.704,77 nebst 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- Hinsichtlich der Widerklage beantragt die Klägerin,
- die Widerklage abzuweisen.
- Die Beklagten behaupten, die Patentrecherche des Beklagten zu 1) sei nicht fehlerhaft gewesen. Diese sei auftragsgemäß beschränkt gewesen auf Türschließer-Schutzrechte der D sowie der E. Die Recherche sollte gerade nicht feststellen, ob Import und Vertrieb der Türschließer insgesamt zulässig sind. Den Auftrag habe der Geschäftsführer der Klägerin dem Beklagten zu 1) am 16.11.2011 mündlich erteilt. Ein Muster eines Türschließers sei nie, insbesondere nicht am 16.11.2011, dem Beklagten zu 1) übergeben worden. Die in Anlage K1 vorgelegte E-Mail sei dagegen nicht an den Beklagten zu 1) gerichtet gewesen – deren Versendung und Empfang werden bestritten. Eine umfassende (Freedom-to-Operate) Recherche hätte auch ein Vielfaches der – unstreitig – tatsächlich in Rechnung gestellten EUR 300,00 netto gekostet und deutlich länger gedauert. Auch aus den anderen Recherchen habe der Geschäftsführer der Klägerin gewusst, dass das Risiko besteht, dass andere Schutzrechte bestehen. Die Klägerin habe die Risiken und mögliche Schadensersatzansprüche aus anderen Verfahren gekannt.
- Die Beklagten behaupten, sie hätten die Klägerin stets richtig beraten und ihm geraten, mit Herrn G eine vernünftige, vergleichsweise Lösung anzustreben; einer solchen habe sich die Klägerin aber stets verschlossen. In einer Besprechung im Februar 2013 sei die Klägerin über mögliche Schadensersatzansprüche aufgeklärt und Verteidigungsstrategien erörtert worden. Die Reaktion auf die Abmahnung sei umgehend diskutiert worden, wobei der Geschäftsführer der Klägerin auf Prozess- und Kostenrisiken hingewiesen worden sei. Die Klägerin wollte Herrn G nur das Nichterheben einer Nichtigkeitsklage anbieten.
- Die Klägerin habe die Sachlage nach der Abmahnung auch zutreffend eingeschätzt, wie die E-Mail vom 11.03.2013 in Anlage B30 zeige. Der Klägerin sei zudem spätestens ab der Zustellung der einstweiligen Verfügung am 07.03.2012 klar gewesen, dass eine Patentverletzung vorlag. Auch sei ihr nach Scheitern diverserer Vergleichsvorschläge spätestens am 11.07.2013 bekannt gewesen, dass eine Hauptsacheklage seitens Herrn G drohte. Aufgrund des vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahrens sei der Klägerin auch das Kostenrisiko bekannt gewesen. Dies belege die E-Mail in Anlage B8.
- Die Nichtigkeitsklage habe trotz des frühen Hinweises des Bundespatentgerichts sehr wohl Erfolgsaussichten gehabt, wobei das Vorliegen einer Erfindungshöhe stets eine Wertungsfrage sei. Bei einer erfolgreichen Nichtigkeitsklage wären – insoweit unstreitig – alle Ansprüche gegen die Klägerin aus Patentverletzung beseitigt worden. Hierzu sei es nur aufgrund der Weisung der Klägerin nicht mehr gekommen, so dass sie sich dies zurechnen lassen muss.
- Die Beklagten bestreiten, dass sich die Klägerin gegen eine Nichtigkeitsklage entschlossen hätte, wenn sie das tatsächliche Kostenrisiko gekannt hätte. Da die Verletzung feststand, sei eine Nichtigkeitsklage auch die einzige Verteidigungsoption gewesen, nachdem sich die Klägerin nicht vergleichsweise einigen wollte.
- Die Beklagten machen im Rahmen der Widerklage Honoraransprüche aus dem Verletzungsverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf und aus dem Nichtigkeitsverfahren geltend, die – insoweit unstreitig – nicht in den jeweiligen Verfahren festgesetzt werden konnten. Vergütungsansprüche von Rechts- und Patentanwälten könnten selbst bei unzureichender oder pflichtwidriger Leistungen – welche hier nicht vorlägen – nicht gekürzt werden. Der Beklagte zu 1) habe einen Verzicht allenfalls angekündigt, die E-Mail (Anlage K21) stelle aber noch keinen Verzicht dar. Vielmehr habe der Beklagte zu 1) ausschließlich für den Fall den Honorarverzicht angekündigt, dass Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zu 1) bestehen.
- Die Klägerin macht zur Begründung ihres Antrags auf Abweisung der Widerklage geltend, die geltend gemachten Honoraransprüche wären bei einer ordnungsgemäßen Belehrung durch die Beklagten gar nicht erst entstanden. Der Beklagte zu 1) habe zudem auf seine Kosten verzichtet, wie die in Anlage K21 vorgelegte E-Mail vom 17.10.2014 belege. Der Verzicht sei auch nicht unter einer Bedingung erfolgt.
- Die Klage ist den Beklagten jeweils am 23.11.2015 zugestellt worden, während die Widerklage den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 06.03.2017 zugestellt worden ist. Mit Beschluss vom 11.01.2016 hat das von der Klägerin zunächst angerufene Landgericht Mönchengladbach den Rechtsstreit an das Landgericht Düsseldorf verwiesen.
- Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2017 Bezug genommen.
-
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
- Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. den Anwaltsverträgen gegen die Beklagten auf Erstattung der ihr für das Verletzungs(-hauptsache-)verfahren und das Nichtigkeitsverfahren entstandenen Kosten (hierzu unter A.I.) sowie für die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des hiesigen Verfahrens (hierzu unter A.III.). Dagegen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Ersatz der oder Freistellung von den gegen sie gerichteten Schadensersatzansprüchen wegen der Patentverletzung (hierzu unter A.II.). Die zulässigen Widerklagen sind dagegen unbegründet (hierzu unter B.).
- A.
Die Klage der Klägerin ist teilweise begründet.
- I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten wegen anwaltlicher Falschberatung Anspruch auf Ersatz der in den Anträgen zu Ziff. 1, 2, 3 und 4 geltend gemachten Kosten aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. mit den jeweiligen Anwaltsverträgen. Diese Anträge betreffen jeweils Kosten des Verletzungsverfahrens (in der Hauptsache) und des Nichtigkeitsverfahrens.
- Die Beklagten haben jeweils ihre Pflichten aus den Mandatsverhältnissen schuldhaft verletzt, so dass der Klägerin ein Schaden entstanden ist.
- 1.
Die Beklagten haben jeweils ihre Pflicht zur umfassenden Beratung verletzt.
- a)
Aus dem Mandatsverhältnis folgen für den Rechtsanwalt (hierzu unter aa)) und den Patentanwalt (hierzu unter bb)) umfassende Beratungs- und Aufklärungspflichten.
- aa)
Die aufgrund eines Anwaltsvertrags durch den Rechtsanwalt geschuldete Beratungspflicht dient dazu, eine sachgerechte eigenverantwortliche Entscheidung des Mandanten über Art, Inhalt und Umfang der Verfolgung seiner Rechte in derjenigen Angelegenheit zu ermöglichen, in der er den Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Belange betraut hat. Der Mandant – und nicht sein anwaltlicher Vertreter – soll aufgrund der Beratung entscheiden und entscheiden können, ob er ein Recht geltend machen, ob und mit welchem Inhalt er rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben oder Verträge eingehen will (BGH, GRUR 2000, 396, 397 – Vergleichsempfehlung m.w.N.).
- Aufgrund der Zielsetzung seiner Tätigkeit ist der um Rat gebetene anwaltliche Vertreter seinem Auftraggeber zur umfassenden und erschöpfenden Belehrung verpflichtet, sofern dieser nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf. Der Rechtsanwalt muss den ihm vorgetragenen Sachverhalt daraufhin prüfen, ob er geeignet ist, den vom Auftraggeber erstrebten Erfolg herbeizuführen. Er hat dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel führen können, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant eine sachgerechte Entscheidung treffen kann; Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage Anlass gibt, muss der Rechtsanwalt darlegen und mit seinem Mandanten erörtern (st. Rspr. vgl. BGH, GRUR 2000, 396, 397 – Vergleichsempfehlung m.w.N.). Er muss seinen Auftraggeber nicht nur über das Vorhandensein, sondern auch über das ungefähre, in etwa abschätzbare Ausmaß des Risikos unterrichten, weil der Mandant in der Regel nur aufgrund einer Einschätzung auch des Risikoumfangs über sein weiteres Vorgehen entscheiden kann. Der konkrete Umfang der Pflichten richtet sich dabei nach dem erteilten Mandat und den Umständen des Einzelfalls (BGH, NJW 1996, 2648, 2649; Kammer, Urteil vom 22.01.2015 – 4a O 117/14 – S. 9 f. unveröffentlicht).
- Ist die Sach- oder Rechtslage unklar, muss der Rechtsanwalt dies gegenüber dem Mandanten offenlegen und diesen sorgfältig darüber unterrichten, welche Gesichtspunkte für die eine und welche für die andere Interpretation sprechen und welche Rechtsfolgen sich daraus jeweils ergeben. Der Rechtsanwalt muss den Mandanten insoweit umfassend informieren. Eine einseitige Unterrichtung kann zu einer Fehleinschätzung der Lage durch den Mandanten führen und birgt insoweit die Gefahr, dass dieser eine der objektiven Lage nicht entsprechende Entscheidung trifft. Der Sinn der Mandatierung eines rechtskundigen und erfahrenen Rechtsanwalts ist gerade anderes (BGH, GRUR 2000, 396, 397 – Vergleichsempfehlung).
- bb)
Im Rahmen des ihm erteilten Auftrags treffen den Patentanwalt grundsätzlich die gleichen Aufklärungs- und Beratungspflichten, wie sie für einen Rechtsanwalt gelten (BGH, NJW-RR 2000, 790 = GRUR 2000, 396 – Vergleichsempfehlung). Der Patentanwalt übernimmt im Rahmen des Mandats gegenüber dem Mandanten die gleichen Funktionen wie ein Rechtsanwalt; er wird von dem Auftraggeber wie dieser und mit dem gleichen Ziel mit der Wahrung seiner Interessen betraut. In diesem Zusammenhang ist er auch dann, wenn daneben – wie im vorliegenden Fall – ein Rechtsanwalt mit der Wahrung der Interessen des Mandanten betraut wird, der anwaltliche Vertreter, auf dessen Beratung der Mandant vertraut und vertrauen darf.
- Der im Patentnichtigkeitsverfahren mit der Verteidigung des Patents beauftragte Patentanwalt ist verpflichtet, den Mandanten darüber aufzuklären, welche Chancen angesichts des entgegengehaltenen Standes der Technik bestehen, die Nichtigkeitsklage abzuwehren, und welche Risiken, aber auch welche Chancen die Verteidigung des Patents im Nichtigkeitsverfahren mit sich bringt. Umgekehrt bedeutet dies, dass ein Anwalt bei der Beratung über die Möglichkeit eines Rechtsbestandsangriffs umfassend über dessen Chancen und Risiken beraten muss.
- b)
Die Klägerin trägt die volle Beweislast für die Verletzung der vorgenannten Pflichten; allerdings müssen die Beklagten als Aufklärungspflichtige zunächst darlegen, in welcher Weise sie jeweils ihren Pflichten nachgekommen sind – sie trifft also eine sekundäre Darlegungslast (Palandt/Grünberg, BGB, 76. Aufl. 2017, § 280 Rn. 36).
- aa)
Eine nach den obigen Maßgaben geschuldete Beratung haben die Beklagten nicht hinreichend vorgetragen, was auch die Klägerin mehrfach bemängelt hat (etwa: S. 5 letzter Abs. des Schriftsatzes vom 03.04.2017 = B. 114 GA; S. 1 des Schriftsatzes vom 14.08.2017 = Bl. 138 GA; S. 2 des Schriftsatzes vom 04.10.2017 = Bl. 147 GA). Die von den Beklagten zumindest mitgetragene Verteidigungsstrategie bestand im Wesentlichen in der Erhebung einer Nichtigkeitsklage. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagten der Klägerin ausreichend dargelegt haben, welche Erfolgsaussichten die eingereichte Nichtigkeitsklage hat und welche zusätzlichen Kosten auf die Klägerin zukommen, sollte die Nichtigkeitsklage erfolglos bleiben.
- Die Beklagten tragen nur pauschal vor, es seien mögliche Verteidigungsszenarien erörtert worden, „u.a. der Angriff des Patents im Wege der Nichtigkeitsklage“; ferner sei die Beantwortung der Abmahnung diskutiert worden (S. 7 KE = Bl. 54 GA). Der Klägergeschäftsführer sei umfassend über die Prozess- und Kostenrisiken aufgeklärt worden (S. 8 KE = Bl. 55 GA). Damit genügen sie ihrer sekundären Darlegungslast für eine ausreichende Beratung nicht.
- Soweit die Klägerin verschiedene Vergleichsangebote ausgeschlagen hat, kann hieraus ebenfalls keine ordnungsgemäße Beratung geschlossen werden. Die Weigerung eines Vergleichsschlusses – ggf. gegen den Rat ihrer Anwälte – hat allenfalls für die Frage der Kausalität zwischen Pflichtverletzung (Falschberatung) und Schaden Auswirkungen. Die von den Beklagten geschuldete Beratung sollte die Klägerin ja gerade erst dazu in die Lage versetzen, über Fragen wie den Vergleichsschluss eine informierte Entscheidung zu treffen. Wie zu den jeweils vorgelegten Vergleichsangeboten beraten wurde, lässt sich dem Vorbringen der Beklagten jedoch nicht hinreichend entnehmen. Auch wenn ein Mandant (zunächst) zu einem bestimmten Weg fest entschlossen ist, entbindet dies seine anwaltlichen Berater nicht von einer umfassenden Aufklärung.
- Der von den Beklagten (S. 8 KE = Bl. 55 GA) angeführte Umstand, spätestens durch die einstweilige Verfügung vom 20.02.2013 habe die Klägerin Kenntnis von der Patentverletzung, lässt Aufklärungspflichten der Beklagten ebenfalls nicht entfallen. Dass eine Patentverletzung vorliegt, hätte den Beklagten bereits nach Erhalt der Abmahnung klar sein müssen – jedenfalls trägt keine Partei vor, es habe ein Nichtverletzungsargument gegeben.
- bb)
Die Beklagten haben darüber hinaus (jeweils) keine ausreichende Aufklärung über das Kostenrisiko des jeweiligen Vorgehens vorgetragen. Eine solche Aufklärung hätte bei Erhalt der Abmahnung erfolgen müssen, da zu diesem Zeitpunkt die Verteidigungsstrategie bereits hätte entwickelt werden müssen. Spätestens aber rechtzeitig vor Einreichung der Hauptsacheklage von Herrn G hätten die Beklagten die Klägerin über das Kostenrisiko einer Verteidigung mit einer Nichtigkeitsklage informieren müssen. Dass sie dies getan haben, ist nicht ersichtlich.
- Der Einwand der Beklagten, der Klägerin sei durch den Streitwert im einstweiligen Verfügungsverfahren (EUR 250.000,00) das Kostenrisiko einer Hauptsacheklage bekannt (S. 10 KE = Bl. 57 GA), ist nicht überzeugend. Wie die Klägerin so den Streitwert und hieraus wiederum das Kostenrisiko herleiten sollte, ist nicht ersichtlich. Hierüber aufzuklären, wäre gerade Aufgabe der Beklagten gewesen.
- Dass die Festsetzung des Streitwerts auf EUR 500.000,00 im Verletzungsverfahren nicht vorhersehbar war, lässt sich nicht nachvollziehen. Die Beklagten tragen auch nicht vor, nach den für den Streitwert maßgeblichen Punkten gefragt oder über die Bemessung des Streitwerts aufgeklärt zu haben.
- Auch die E-Mail des Beklagten zu 2) vom 13.02.2014 taugt zur Aufklärung über das Kostenrisiko nicht. Hierin wird nur von einem Streitwert von EUR 250.000,00 ausgegangen, wohingegen der Streitwert letztlich vom Bundespatentgericht auf EUR 625.000,00 festgesetzt wurde. Die Möglichkeit einer höheren Streitwertfestsetzung wird nicht erwähnt und auch nicht die Auswirkungen einer Streitwerterhöhung auf das Kostenrisiko. Auch wird der Zusammenhang zwischen Streitwert im Verletzungsverfahren und dem regelmäßig höheren Streitwert im Nichtigkeitsverfahren nicht ausdrücklich erwähnt. Schließlich finden sich keine Informationen zu den Kosten eines Nichtigkeitsberufungsverfahrens.
- Ferner erfolgte die Aufklärung über die Kosten in der E-Mail vom 13.02.2014 ohnehin zu spät und konnte die Aufklärungspflichten nicht mehr (vollständig) erfüllen. Die E-Mail vom 13.02.2014 wurde zu einem Zeitpunkt gesendet, als im Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf bereits der frühe erste Termin (vom 14.11.2013) stattgefunden hatte (Bl. 29 der beigezogenen Akte 4a O 91/13). Ohne die Einreichung der Nichtigkeitsklage wäre das Hauptsacheverfahren von vornherein verloren gewesen, da bis auf den fehlenden Rechtsbestand von der (hiesigen) Klägerin keine Verteidigungsargumente gegen die Ansprüche von Herrn G vorgebracht wurden.
- cc)
Es lässt sich auf Grundlage des Vortrages der Beklagten nicht feststellen, dass diese die Klägerin ausreichend über die Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklage informiert haben. Von diesen Erfolgsaussichten ist aber entscheidend abhängig, ob die Verteidigung gegen den Vorwurf der Patentverletzung (aufgrund der Abmahnung und im Hauptsachenverfahren) und die Erhebung der Nichtigkeitsklage als Verteidigung für die Klägerin in Betracht kam.
- Die Beklagten beschränken sich hinsichtlich des Umfangs der Aufklärung auf den Hinweis, dass man zu dem Ergebnis gekommen sei, die Abmahnung zurückzuweisen und dies auf den Rechtsbestand des Streitpatents zu stützen. Hieraus lässt sich keine umfassende Beratung hinreichend erkennen. Hiergegen spricht schon die schnelle Reaktion der Parteien auf die Abmahnung. Herr G setzte in der Abmahnung vom 05.02.2013 (Anlage K5) eine Frist zu deren Beantwortung bis zum 12.02.2013. Dieser Zeitraum wurde nicht ausgeschöpft, sondern der Vorwurf der Patentverletzung bereits mit Schreiben vom 07.02.2013 (Anlage K6) zurückgewiesen. In diesem Zurückweisungsschreiben vom 07.02.2013 trägt der Beklagte zu 2) für die Klägerin vor, es sei bislang nur eine kursorische Prüfung erfolgt. Es ist nicht verständlich, warum die Beklagten der Klägerin nicht zur Ausschöpfung der Frist und eine eingehenden Rechtsbestandsrecherche geraten haben. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie die Möglichkeit einer Fristverlängerungsbitte in Betracht gezogen haben.
- Erst am 11.03.2013 – nach Erhalt der einstweiligen Beschlussverfügung aus dem Streitpatent – äußerte sich der Beklagte zu 1) gegenüber der Frau des Geschäftsführers der Klägerin, dass ein Nichtigkeitsverfahren lange dauern würde und gute, aber ungewisse Erfolgsaussichten hat (Anlage B30). Zu diesem Zeitpunkt war aber die Entscheidung für eine Verteidigung durch einen Rechtsbestandsangriff schon gefallen. Zudem reicht der Hinweis auf „ungewisse Erfolgsaussichten“ auch inhaltlich nicht zur Erfüllung der geschuldete Beratung und Aufklärung aus, da die Klägerin auf dieser Basis alleine keine informierte Entscheidung treffen konnte. Zudem hat der Beklagte zu 1) in der E-Mail vom 12.03.2013 (Anlage K17) diese Einschätzung selbst wieder relativiert. Hierin schrieb der Beklagte zu 1) (hier unverändert wiedergegeben):
- „meiner meinung nach ist sowohl das national als auch das regionale Patent nicht auf einr erfinderischen Tätigkeit beruhend und deshalb aus den Patentregistern zu streichen.
- An dieser Auffassung von mir hat sich auch nichts geändert.“
- Aus dieser E-Mail lässt sich auch ersehen, dass die Klägerin in der Vergangenheit gerade nicht ausreichend auf ungewisse Erfolgsaussichten hingewiesen wurde.
- In der E-Mail des Beklagten zu 2) vom 13.02.2014 (Anlage B11), also noch vor Einreichung der Nichtigkeitsklage am 17.02.2014 (Anlage B16), weist dieser darauf hin: „Der Ausgang des Nichtigkeitsverfahren ist ausgesprochen ungewiss (…)“. Dies ist aber inhaltlich (erneut) zu knapp und ferner zu spät, da das Hauptsacheverfahren schon lief und die Nichtigkeitsklage eingereicht werden musste, um den Patentverletzungsprozess nicht sicher zu verlieren.
- dd)
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Nichtigkeitsklage erfolgreich sein würde, so dass Schadensersatzansprüche der Klägerin deshalb ausgeschlossen sind, weil die Klägerin – trotz der dargestellten Beratungsmängel – letztlich doch den richtigen Weg gewählt hat, ihn aber möglicherweise durch den Auftrag zur Rücknahme der Nichtigkeitsklage vereitelt hat.
- Eine Erfolgsaussicht der Nichtigkeitsklage lässt sich nicht feststellen. Wie aus der E-Mail des jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 04.02.2016 (Anlage K23) hervorgeht, blieb das Bundespatentgericht auch nach einem hierauf eingereichten Schriftsatz bei der Einschätzung im Hinweis, wonach das Streitpatent rechtsbeständig ist. Einen (für die Kammer feststellbaren) Fehler im frühen gerichtlichen Hinweis des Bundespatentgerichts tragen die Beklagten nicht hinreichend vor. Gerade in der Frage, ob ein Fachmann Anlass zur Kombination von zwei Entgegenhaltungen hatte, lässt sich für die Kammer eine Fehleinschätzung des Bundespatentgerichts nicht feststellen.
- Die Beklagten selbst tragen schriftsätzlich vor, es sei „offen“, ob das Bundespatentgericht bei seiner vorläufigen Auffassung geblieben wäre. Auch in der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2017 räumten sie ein, dass der Erfolg der Nichtigkeitsklage von „Wertungsfragen“ abhängig gewesen sei.
- Der Beklagte zu 2) selbst hat die geringen Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklage implizit eingeräumt, indem er der Klägerin anheimstellte, diese zurückzunehmen, um die Terminsgebühr einzusparen. Ein solches Verhalten wäre nicht zu erwarten, wenn die Nichtigkeitsklage eine nur einigermaßen realistische Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Denn dem Beklagten zu 2) musste klar sein, dass durch die Rücknahme der Nichtigkeitsklage keine Verteidigungsmöglichkeiten gegen die Vorgeworfene Patentverletzung bestanden, so dass neben der Haftung auf Schadensersatz (§ 139 PatG) auch alle Aufwendungen und Kosten der Abmahnung und aus dem Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren von der Klägerin getragen werden mussten.
- Für die Erfolgslosigkeit der Nichtigkeitsklage spricht zudem, dass das Landgericht Düsseldorf den Rechtsbestand des Streitpatents als so gesichert ansah, dass es eine einstweilige Verfügung hieraus erlassen hat. Auch im nachfolgenden Hauptsacheverfahren konnte das Landgericht Düsseldorf keine für eine Aussetzung erforderliche, hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit der Nichtigkeitsklage feststellen.
- 2.
Auch eine Kausalität zwischen der fehlerhaften bzw. unzureichenden Beratung und den hier eingeklagten Schadenspositionen lässt sich feststellen.
- a)
Im Rahmen von Verträgen mit rechtlichen Beratern gilt die Vermutung, dass der Mandant beratungsgemäß gehandelt hätte, aber nur, wenn im Hinblick auf die Interessenlage oder andere objektive Umstände eine bestimmte Entschließung des zutreffend unterrichteten Mandanten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre. Voraussetzung sind danach tatsächliche Feststellungen, die im Fall sachgerechter Aufklärung durch den Berater aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegt hätten (BGH, NJW 2015, 3447, 3448 Rn. 25; st. Rspr).
- Die genannte Beweiserleichterung gilt nicht generell; sie setzt einen Tatbestand voraus, bei dem der Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung des Beraters und einem bestimmten Verhalten seines Mandanten typischerweise gegeben ist, beruht also auf den Umständen, die nach der Lebenserfahrung eine bestimmte tatsächliche Vermutung rechtfertigen. Um dies beurteilen zu können, müssen bestehende Handlungsalternativen miteinander verglichen werden, die nach pflichtgemäßer Beratung zur Verfügung gestanden hätten. Die Regeln des Anscheinsbeweises sind unanwendbar, wenn unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unterschiedliche Schritte in Betracht kommen und der Berater den Mandanten lediglich die erforderlichen fachlichen Informationen für eine sachgerechte Entscheidung zu geben hat (BGH, NJW 2015, 3447, 3448 Rn. 26 mwN).
- Kommen danach mehrere objektiv gleich vernünftige Verhaltensweisen in Betracht, hat der Mandant grundsätzlich den Weg zu bezeichnen, für den er sich entschieden hätte. Lässt der Mandant offen, für welche von mehreren Vorgehensweisen er sich entschieden hätte, ist die notwendige Schadenswahrscheinlichkeit nur gegeben, wenn diese sich für alle in Betracht kommenden Ursachenverläufe – nicht notwendig in gleicher Weise – ergibt (BGH, NJW 2015, 3447, 3448 Rn. 25). Will der Mandant sich in diesem Fall nicht – auch nicht in einer durch Hilfsvorbringen gestaffelten Reihenfolge – festlegen, welchen Weg er bei ordnungsgemäßer Beratung gegangen wäre, muss er folglich für jede einzelne der von ihm aufgezeigten Alternativen die notwendige Schadenswahrscheinlichkeit nachweisen (BGH, NJW 2015, 3447, 3448 Rn. 27 mwN).
- Ist für die behauptete Vorgehensweise notwendigerweise die Bereitschaft Dritter erforderlich, den beabsichtigten Weg mitzugehen, muss der Mandant dessen Bereitschaft hierzu im damaligen maßgeblichen Zeitpunkt darlegen und beweisen. Dabei ist es ausreichend, wenn er darlegt und beweist, dass er jedenfalls die Variante gewählt hätte, bei welcher der Dritte nachweisbar mitgewirkt hätte (BGH, NJW 2015, 3447, 3448 Rn. 26 mwN).
- b)
Eine Kausalität zwischen fehlerhafter Beratung durch die Beklagten und den hier eingeklagten Schadenspositionen, bei denen es sich jeweils um die Kosten des Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren handelt, kann festgestellt werden.
- Letztlich standen der Klägerin nach Erhalt der Abmahnung hier nur zwei grundsätzliche Wege offen: Zum einen die Abmahnung zurückzuweisen, ein Verletzungsverfahren zu riskieren und eine Nichtigkeitsklage zu erheben. Zum anderen hätte die Klägerin die Ansprüche anerkennen bzw. einen Vergleich hierüber abschließen können. Bei dieser Konstellation wären die geltend gemachten Kosten nicht angefallen. Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin bei eingehender Beratung über die Kosten und Risiken des Rechtsbestandsangriffs auf diesen verzichtet hätte.
- Demgegenüber können sich die Beklagten nicht damit entlasten, die Klägerin habe verschiedene Vergleichsangebote später ausgeschlagen. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Entscheidung für eine Verteidigung schon gefallen und die Entstehung der Kosten war zumindest angelegt. Auch ist nicht ausreichend vorgetragen, dass die Beklagten den Kläger hinsichtlich der Vergleichsvorschläge ausreichend aufgeklärt haben.
- 3.
Das Verschulden der Beklagten wird gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Es ist auch nicht hinreichend vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die Beklagten die Pflichtverletzung nicht vertreten müssen.
- 4.
Aufgrund der festgestellten Falschberatung hat die Klägerin gegen die Beklagten die geltend gemachten Ansprüche gemäß den Anträgen zu Ziff. 1, 2, 3 und 4, mit denen sie verschiedene Kostenpositionen aus dem Verletzungs- und dem Nichtigkeitsverfahren geltend macht.
- Die Beklagten haften für diese Positionen als Gesamtschuldner. Die Beklagten sind jeweils zum vollen Schadensersatz verpflichtet, wobei die Klägerin nur einmal den Ersatz der entstandenen Kosten verlangen kann. Beide Beklagten waren jeweils zu der oben dargestellten umfassende Beratung und Aufklärung verpflichtet und haben daher im gleichen Maße ihre Pflichten verletzt.
- 5.
Der Zinsanspruch für die in den Ziff. 1, 2, 3, und 4 des Tenors zuerkannten Ansprüchen ab Rechtshängigkeit (24.11.2015) ergibt sich aus § 291 BGB.
- Soweit die Klägerin für den Antrag zu Ziff. 1 Zinsen bereits ab dem 29.12.2014 verlangt hat, besteht hierauf kein Anspruch. Zwar sind gegen die Klägerin Kosten in Höhe von EUR 24.397,55 mit Zinsen ab diesem Zeitpunkt festgesetzt worden (Anlage K14); jedoch hat die Klägerin nach ihrem Vortrag die Kosten gezahlt, so dass keine Zinsen gegenüber Herrn G angefallen sind, die die Klägerin im Rahmen ihres Schadensersatzanspruchs möglicherweise verlangen könnte. Wann die Zahlung an Herrn G erfolgt ist, trägt die Klägerin auch nicht vor. Da eine vorgerichtliche Geltendmachung mit Fristsetzung dieses Betrages gegenüber den Beklagten nicht ausreichend vorgetragen ist, waren der Klägerin insoweit ebenfalls nur Zinsen ab Rechtshängigkeit nach § 291 BGB zuzuerkennen.
- II.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die mit den Anträgen zu Ziff. 5 und 6 geltend gemachte Zahlung bzw. Freistellung gegen den Beklagten zu 1). Aufgrund der Durchführung der von der Klägerin beauftragten Recherche stehen ihr gegen den Beklagten zu 1) keine Ansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB oder §§ 631, 633, 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB zu.
- Die Klägerin macht insofern geltend, der Beklagte zu 1) habe pflichtwidrig eine umfassende Recherche unterlassen und so das Streitpatent nicht gefunden. Ausgehend davon, dass keine patentrechtlichen Probleme bestehen, beruhten die gegen die Klägerin gerichteten Ansprüche wegen Patentverletzung auf dieser Pflichtverletzung. Indes lässt sich eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 1) nicht feststellen.
- 1.
Als Grundlage eines Schadensersatzanspruchs wegen anwaltlicher Falschberatung kommen § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit §§ 675, 611 ff. BGB in Betracht, sofern sich das Mandatsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1) jeweils als Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter (§§ 675; 611 ff. BGB) qualifizieren lässt. 280 Abs. 1 BGB ist anwendbar, weil eine spezielle Regelung für Pflichtverletzungen von den §§ 611 ff. BGB nicht getroffen wird, so dass das allgemeine Leistungsstörungsrecht Anwendung findet (Kammer, Urteil vom 30.10.2008 – 4a O 140/08 – Rn. 29, 34 bei Juris).
- Dagegen kommt ein Anspruch aus §§ 631, 633, 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB (Werkvertrag) in Betracht, wenn die Tätigkeit des Anwalts auf die Erstellung eines Gutachtens oder auf die Beantwortung einer Rechtsfrage in einem Einzelfall gerichtet ist, wenn nicht die Beratung als solche, sondern eine erfolgsbezogene Leistung im Vordergrund steht (vgl. zur Abgrenzung: Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl. 2017, § 675 Rn. 23). Hierfür spricht mehr, denn der Auftrag der Klägerin umfasste hinsichtlich der Recherche keine umfassende Beratung, sondern eben nur die Recherche selbst.
- Letztlich kann die Einordnung dahingestellt bleiben, da nach beiden Rechtsgrundlagen ein Anspruch nur dann in Betracht kommt, wenn zu dem Rechercheauftrag der Klägerin an den Beklagten zu 1) auch gehörte, umfassend nach Schutzrechten zu suchen, welche einem Vertrieb der Türschließer entgegen steht und der Beklagte zu 1) gegen diese Pflicht verstoßen hat.
- Ein solcher Umfang des Rechercheauftrags lässt sich jedoch nicht feststellen. Es gibt keine Vermutung für einen umfassenden Auftrag, so dass der Kläger im Regressprozess die Darlegungs- und Beweislast für den tatsächlichen Umfang des erteilten Auftrags trägt (Kammer, Urteil vom 30.10.2008 – 4a O 140/08 – Rn. 36 bei Juris; vgl. BGH, NJW 2006, 3496; OLG Düsseldorf, I-24 U 120/12 = BeckRS 2013, 13872).
- Die Klägerin hat nicht schlüssig vorgetragen, dass sie den Beklagten zu 1) mit einer umfassenden Recherche beauftragt habe. Auch unter Berücksichtigung der begleitenden Umstände schuldete der Beklagte zu 1) eine solche Recherche nicht. Schließlich wären Ansprüche der Klägerin insoweit auch deshalb ausgeschlossen, weil die patentrechtliche Inanspruchnahme auf eigenverantwortlichem Handeln der Klägerin beruht.
- 2.
Aus Sicht eines objektiven dritten Empfängers ist der Beklagte zu 1) nicht damit beauftragt worden, eine umfassende Patentrecherche zur patentrechtlichen Zulässigkeit des Türschließers durchzuführen, sondern nur die Schutzrechte der Originalhersteller zu überprüfen.
- Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte zu 1) die E-Mail in Anlage vom 15.11.2011 (Anlage K1) erhalten hat. Selbst wenn man dies unterstellt, folgt hieraus keine Haftung für die späteren Patentverletzungen der Klägerin. Aus der E-Mail geht nicht explizit hervor, ob der Beklagte zu 1) umfassend oder nur hinsichtlich bestimmter Patentinhaber nach Schutzrechten suchen sollte. Es ist auch nicht vorgetragen, dass der Beklagte zu 1) ausdrücklich gesagt hat, patentrechtliche Ansprüche wegen des Türschließers seien ausgeschlossen. Dass die Klägerin den Beklagten damit (etwa mündlich) damit beauftragt hat, umfassend die patentrechtliche Zulässigkeit des Türschließers zu prüfen, um auf diese Weise das Risiko einer patentrechtlichen Inanspruchnahme auszuschließen, hat die Klägerin nicht ausreichend dargelegt.
- Aus Sicht des Beklagten zu 1) sprach für eine eingeschränkte Recherche schon, dass der Beklagte zu 1) in der Vergangenheit eine solche Recherche zu einem anderen Produkt bereits auf den Auftrag der Klägerin hin ausgeführt hat (vgl. Anlage MT4) und darauf hingewiesen hat, dass bei einer solchen Recherche nicht ausgeschlossen werden kann, dass Schutzreche Dritter bestehen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin daraufhin eine umfassende Recherche beauftragt hätte.
- Indiziell mag auch berücksichtigt werden, dass in der Folgezeit (im März 2012 und im Oktober 2012) der Beklagte zu 1) zu anderen Produkten erneut auf jeweils eine Firma beschränkte Recherchen der Klägerin vorlegte (Anlage B25, B26). Auch hier hat die Klägerin anschließend nicht eine umfassende Recherche verlangt.
- Ein Auftrag für eine solche eingeschränkte Recherche erscheint zudem aus Sicht des Dritten naheliegend. Eine umfassende Recherche ist mit einem bedeutend höheren Kosten- und Zeitaufwand verbunden, der sich möglicherweise vor dem Hintergrund der angefragten Stückzahlen des Türschließers nicht lohnt. Da es der Klägerin um den Vertrieb eines Nachahmer-Produkts ging, bestand eine erhöhte Wahrscheinlichkeit dafür, dass entgegenstehende Schutzrechte vom Originalhersteller gehalten werden. Der Beklagte zu 1) durfte auch davon ausgehen, dass es der Klägerin nicht um einen maximalen Schutz vor patentrechtlichen Ansprüchen ging, sondern nur um die Ausräumung der größten Risiken – was etwa der Ausspruch „no risk, no fun“ des Geschäftsführers der Klägerin belegt.
- 3.
Regressansprüche bestehen auch deshalb nicht, weil die Patentverletzung der Klägerin auf deren eigenmächtiger Handlung beruht.
- Für die Klägerin war (unabhängig vom Umfang des Auftrags) ausreichend erkennbar, dass die durchgeführte Recherche nicht alle möglichen Schutzrechtsinhaber abgefragt hat, sondern nur die Schutzrechte von zwei Unternehmen überprüft wurden. Insofern stellt sich die spätere Patentverletzung als bewusste Selbstgefährdung der Klägerin dar.
- Die Klägerin durfte aufgrund der durchgeführten Recherche nicht davon ausgehen, dass keine Patente existieren, die gegen den Türschließer geltend gemacht werden können. Der Recherchebericht vom 17.11.2011 (vorgelegt in Anlage K2) lässt schon im Betreff („Recherche Türschließer der Firmen D, sowie E“) erkennen, dass eine beschränkte Recherche durchgeführt wurde. Ferner heißt es explizit in dem Bericht:
- „Recherchiert wurde nach dem Begriff den Firmennamen, also D, sowie E bzw. E“.
- Damit war für die Klägerin offensichtlich, dass es nach der durchgeführten Recherche nicht sicher ist, dass ein entgegenstehendes Schutzrecht besteht. Am Ende des Rechercheberichts wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass relevante Schriften existieren können, welche nicht gefunden wurden.
- Ein Hinweis darauf, dass nur eine Namensrecherche durchgeführt wurde, zeigt sich auch in der Rechnung für die Recherche (Anlage K3), aus der ebenfalls ersichtlich ist, dass nur nach Schutzrechten bestimmter Inhaber gesucht wurde.
- 4.
Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 1) auf Schadensersatz für die Folgen der Patentverletzung ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Falschberatung bei der Rücknahme der Nichtigkeitsklage. Auch in Bezug auf diese Entscheidung treffen den Beklagten zu 1) umfassende Beratungs- und Aufklärungspflichten.
- Ein Anspruch der Klägerin im Zusammenhang mit der Rücknahme der Nichtigkeitsklage scheitert jedenfalls daran, dass der Erfolg der Nichtigkeitsklage nicht festgestellt werden kann (vgl. oben). Die Klägerin trägt auch nichts zum Erfolg der Nichtigkeitsklage vor, sondern macht sich nur den Vortrag der Beklagten hilfsweise zu Eigen.
- III.
Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten für das hiesige Verfahren – geltend gemacht im Antrag zu Ziff. 7 – besteht dem Grunde nach aus §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB.
- Der Anspruch ist auch der Höhe nach vollumfänglich begründet. Aus einem Gegenstandswert der Anträge zu Ziff. 1 bis 4 von insgesamt EUR 48.410,05 und 1,3 Geschäftsgebühren ergeben sich die geltend gemachten Anwaltskosten in Höhe von EUR 1.531,90 – einschließlich EUR 20,00 Auslagenpauschale.
- Da sich die geltend gemachten Anwaltskosten von EUR 1.531,90 aus dem Gegenstandswert (nur) der Anträge zu Ziff. 1 bis 4 ergeben und die Klägerin insoweit vollständig obsiegt, führt es nicht zur Kürzung der erstattbaren außergerichtlichen Anwaltskosten, dass die Klägerin in den Anträgen zu Ziff. 5 und 6 unterliegt und insoweit auch kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten hat.
- Der Zinsanspruch ab Rechtshängigkeit ergibt sich aus § 291 ZPO.
- B.
Die zulässige Widerklage ist unbegründet. Die Beklagten haben jeweils keinen durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Honorarforderungen.
- I.
Der Beklagte zu 1) hat keinen Anspruch auf Zahlung von EUR 16.689,98 gegen die Klägerin. Die eingeklagte Honorarforderung ist jedenfalls durch Erlass nach § 397 Abs. 1 BGB erloschen.
- 1.
Nach § 397 Abs. 1 BGB erlischt ein Schuldverhältnis, wenn der Gläubiger dem Schuldner durch Vertrag die Schuld erlässt. Ein solcher Verlass ist der Verzicht auf eine Forderung, wobei es sich auch um eine ausreichend bestimmbare, künftige Forderung handeln kann (Palandt/Grünberg, BGB, 76. Aufl. 2017, § 397 Rn. 3). Voraussetzung ist ein Vertrag, wobei beim Vertragsangebot eines unentgeltlichen Erlasses durch den Gläubiger der Forderung auch bloßes Schweigen des Schuldners zur Annahme ausreichen kann. Der Erlass setzt einen unmissverständlichen, rechtsgeschäftlichen Willen voraus, auf die betreffende Forderung zu verzichten. Im Zweifel ist ein Erlass nicht zu vermuten (Palandt/Grünberg, a.a.O., § 397 Rn. 6).
- 2.
Die vorgelegten E-Mails belegen jedoch einen solchen Verzicht auf die Honorarforderungen durch den Beklagten zu 1). Der Geschäftsführer der Klägerin schrieb mit E-Mail vom 17.10.2014 (Anlage B28) u.a. an den Beklagten zu 1):
- „Lt. K [der Beklagte zu 1)] war davon die Rede[,] dass Ihr auf Eure Kosten verzichtet werdet um den entstandenen Schaden für die Line Up klein zu halten. Das ist scheinbar Schnee von gestern. K, ich bin Mal gespannt wann Du Deine Rechnung einreichen wirst.“ (…) (Zusatz in eckigen Klammern durch das Gericht).
- Hierauf antwortete der Beklagte zu 1) mit E-Mail vom selben Tage (Anlage K21)
- „(…) ich hatte gesagt, dass ich auf meine Rechnung verzichten werde, was [sic!] sicherlich auch machen werde.“
- Damit macht der Beklagte zu 1) deutlich, dass er davon ausgeht, dass die Parteien sich auf den Erlass der Honorarforderungen geeinigt haben. Dies belegt die Verwendung des Plusquamperfekts („hatte gesagt“), die auf eine bereits bestehende Einigung hindeutet.
- Eine bloße Ankündigung eines Verzichts kann der E-Mail des Beklagten zu 1) nicht entnommen werden. Die Worte „was [ich] sicherlich auch machen werde“ sind vielmehr als Beteuerung zu verstehen, keine Rechnung zukünftig zu stellen – eben weil die Parteien sich in der Vergangenheit auf den Erlass der Honorarforderung geeinigt haben.
- Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Erlass unter der Bedingung stand, dass die Beklagten schadensersatzpflichtig sind. Hierfür fehlt jeder Anhaltspunkt.
- 3.
Selbst wenn man einen vorherigen Vertragsschluss verneint, liegt hier ein Erlassvertrag vor. In diesem Fall lässt sich die E-Mail des Beklagten zu 1) vom 17.10.2014 (Anlage K21) als Vertragsangebot für einen Erlassvertrag ansehen, welcher nach § 151 BGB auch ohne ausdrückliche Erklärung der Klägerin angenommen werden konnte (vgl. Palandt/Grünberg, BGB, 76. Aufl. 2017, § 397 Rn. 5); zumindest liegt eine konkludente Annahme darin, dass sich die Klägerin im Rahmen des vorliegenden Verfahrens auf den Verzicht beruft.
- II.
Der Beklagte zu 2) hat keinen durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung von EUR 21.704,77. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Honorarforderung in dieser Höhe begründet ist.
- Mit dem Widerklageantrag zu Ziff. 2) macht der Beklagte zu 2) rechtsanwaltliche Vergütungsansprüche für die Vertretung der Klägerin vor dem Landgericht Düsseldorf (im Hauptsacheverfahren 4b O 91/13) und vor dem Bundespatentgericht (Az. 7 Ni 67/14) geltend. Es bestehen keine Bedenken gegen das Entstehen des Honoraranspruchs des Beklagten zu 2) dem Grunde nach.
- Jedoch stellt sich die Geltendmachung dieses Honoraranspruchs als rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB dar (Dolo-Facit-Einwand). Mangels schutzwürdiger Interessen ist das Beanspruchen einer Leistung unzulässig, die sofort zurückgewährt werden müsste. So kann eine Geldforderung nicht länger durchgesetzt werden, wenn der Schuldner diesen Betrag sofort nach Zahlung als Schadensersatz zurückfordern könnte (MüKoBGB/Schubert, 7. Aufl. 2016, BGB § 242 Rn. 443).
- Dies ist hier der Fall. Das hier eingeklagte Honorar könnte die Klägerin vom Beklagten zu 2) unmittelbar nach der Zahlung als Schadensersatz (§ 280 Abs. 1 BGB) zurückverlangen. Für das Honorar des Beklagten zu 2) gilt das gleiche wie für die anderen Kosten des Verletzungsverfahrens (4b O 91/13) und des Nichtigkeitsverfahrens (7 Ni 67/14). Die Kosten dieser Verfahren sind der Klägerin nur aufgrund der Falschberatung durch die Beklagten entstanden. Auf die vorstehenden Ausführungen zur Klage wird Bezug genommen.
- C.
Die Kostentscheidung ergibt sich aus §§ 100, 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2, 281 Abs. 3 S. 2 ZPO unter Anwendung der Baumbach’schen Kostenformel.
- Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1, 2 ZPO.
- D.
Der Streitwert wird auf bis zu EUR 136.446,50 bis zum 19.06.2017 und auf EUR 136.073,90 ab dem 20.06.2017 festgesetzt.
- Bei der Höhe des Antrags zu Ziff. 6 ist ein Wert von EUR 34.110,00 angesetzt worden, wobei sich die Kammer an der Forderung von Herrn G gegen die toom Baumarkt GmbH (vgl. Anlage K16) orientiert hat.